
Die Debatte um Sanktionen gegen fossile Energieimporte hat offengelegt, wie groß die Abhängigkeit der EU und Deutschlands von Russland war und zum Teil noch ist. Politische Fehlentscheidungen (Nord Stream 2), falsche Rahmensetzung (Verlangsamung des Ausbaus erneuerbarer Energien) und wirtschaftliche Interessen resultieren derzeit in Preisanstiegen und Versorgungsunsicherheiten.
Dabei geht die Debatte nahezu ausschließlich um die Energierohstoffe Gas, Öl und Kohle. Dass Deutschland im Jahr 2020 auch metallische Rohstoffe im Wert von knapp zwei Milliarden Euro aus Russland importiert hat, wird bisher ignoriert. Bei wichtigen Industriemetallen wie Palladium, Raffinade-Kupfer, Eisenerz und Aluminium bezieht Deutschland etwa 20 Prozent aus Russland. Bei Nickel ist die Abhängigkeit mit 44 Prozent sogar noch höher.
Daran muss sich etwas ändern, denn: Der Rohstoffabbau in Russland ist stark von Oligarchen geprägt. Wichtige Akteure sind etwa Roman Abramowitsch, der in die Aluminiumindustrie investierte, Oleg Deripaska, beteiligt an verschiedenen Energie- und Rohstoffkonzernen, darunter das zweitgrößte Aluminiumunternehmen Rusal, sowie Wladimir Potanin, Chef des russischen Bergbauunternehmens Nornickel und von der britischen Zeitung „The Guardian“ als „Nickel-König“ tituliert.
Weil allen dreien eine gewisse Nähe zu Putin nachgesagt wird, befinden sie sich auf der britischen Sanktionsliste. Während Großbritannien noch unter Boris Johnson gegen die Metall-Oligarchen durchgriff, fehlen vergleichbare Sanktionen auf europäischer Seite. Nicht einmal Debatten darum werden geführt.
Abhängigkeit macht Sanktionen fast unmöglich
Warum, ist klar: Deutschland setzt seit anderthalb Jahrzehnten auf billige Importe statt auf Kreislaufführung von Rohstoffen. Die Abhängigkeit von russischen Importen ist so hoch, dass Sanktionen kaum möglich sind. Im Kontext einer Zeitenwende ist die Rohstoffpolitik der letzten 15 Jahre gescheitert.
Sowohl die europäische Rohstoff-Initiative 2008 als auch die Rohstoffstrategien der Bundesregierung 2010 und 2020 fokussierten sich einseitig auf die Versorgungssicherheit der Industrie mit Metallen. Abhängigkeiten von Russland und China sind in diesem Zeitraum kaum gesunken (Europe.Table berichtete). Und die Strategien haben eine wichtige Stellschraube übersehen: die Minderung der Abhängigkeit durch eine Reduktion des Verbrauchs von Primärrohstoffen.
Dies hat vor allem zwei Gründe: Die Industrie profitierte lange Zeit von weit verzweigten Lieferketten und mangelnden Standards beim Abbau. Das führte zwar zu Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen, hielt aber die Preise niedrig. Der zweite Grund ist ebenfalls dramatisch: Wir importieren große Mengen Metalle, achten aber kaum darauf, diese möglichst lange in der Nutzung zu halten und für die Wiederverwertung aufzubereiten. Seit Jahren stagnieren die Recyclingwerte für Massenmetalle wie Kupfer, Eisen oder Aluminium, bei gleichzeitig starkem Anstieg der Nachfrage. Ein Treiber dafür sind etwa immer größer und schwerer werdende Autos.
Viele Tonnen Rohstoffe verschwendet
Politisch verschlafen haben EU und Bundesregierung zudem, in den vergangenen 15 Jahren stärkere Anreize und politische Rahmenbedingungen für die Kreislaufführung zu schaffen. In der letzten Überarbeitung der deutschen Rohstoffstrategie waren nur zwei von 17 Maßnahmen auf Kreislaufwirtschaft fokussiert (Europe.Table berichtete). Eine davon war ein Industriedialog, die andere ein Auftrag, Forschungsprojekte zu initiieren. In 15 Jahren sind somit viele Tonnen metallischer Rohstoffe verschwendet worden. Sie sind nicht mehr rückgewinnbar und gelten als dissipiert, als verloren. Wir müssen also neue Primärrohstoffe importieren, unter anderem aus Russland und China.
Der russische Angriffskrieg hat diese Abhängigkeit schonungslos offen gelegt (Europe.Table berichtete). Als PowerShift fordern wir im Hinblick auf den Krieg und das Machtsystem Putin einen Importstopp von metallischen Rohstoffen aus Russland. Gleichzeitig müssen die Europäische Kommission und die Bundesregierung ihre Rohstoffstrategien überarbeiten und Importe von Primärmetallen deutlich reduzieren. Hierfür sind messbare Reduktionsziele für einzelne Sektoren notwendig.
Menschenrechtliche, ökologische und klimapolitische Notwendigkeiten erlauben keinen weiteren Ausbau des metallischen Bergbaus. Es wird in Zukunft nicht ohne Primärrohstoffe gehen. Doch die Verschwendung muss aufhören, indem wir Metalle deutlich länger in der Nutzung und anschließend im Kreislauf halten. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft muss oberste Priorität in der Rohstoffpolitik genießen (Europe.Table berichtete). Nur so kann in einer Zeit der geopolitischen Krisen und der Klimakatastrophe eine zukunftsfähige Politik aussehen.