Table.Briefing: Europe

EU-Staaten sollen Reserven anlegen + Wettlauf um die Spitzen-Chips + Lars Hänsel

  • Kriseninstrument: EU-Staaten sollen Reserven anlegen
  • China, USA, EU: Wettlauf um die Spitzen-Chips
  • Staaten: Big Tech soll sich an Netzkosten in Europa beteiligen
  • Bulgarien: Staatspräsident Radew nennt Prioritäten der Übergangsregierung
  • Wahlkampf in Italien: Bündnis gegen rechte Parteien geformt
  • Italien fehlen neun Milliarden Euro aus Übergewinnsteuer
  • Spanien beschließt Maßnahmen zum Energiesparen 
  • Experte: Versicherer investieren trotz Taxonomie eher nicht in Atomkraft
  • Im Porträt: Lars Hänsel – Für eine gemeinsame Stimme Europas
Liebe Leserin, lieber Leser,

das Single Market Emergency Instrument soll den EU-Binnenmarkt auf Krisen vorbereiten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will das Instrument bei ihrer Rede zur Lage der EU am 13. September vorstellen. Doch schon jetzt werden erste Einzelheiten bekannt: Wie ein internes Dokument zeigt, will die Kommission in einem Krisenfall Mitgliedstaaten anweisen können, “strategische Reserven” anzulegen und Vorgaben dazu machen, nach welchen Kriterien sie der Industrie zugeteilt werden sollen. Markus Grabitz hat sich das Papier angesehen und fasst die wichtigsten Punkte zusammen. 

Derzeit kommen zwei Drittel der weltweiten Chips aus Ostasien. Geht es nach Europa und den USA, soll sich das bald ändern: Die EU hat den European Chips Act, die USA haben den Chips and Science Act zur Stärkung der heimischen Halbleiter-Industrie. Vor wenigen Tagen hat der US-Senat das Gesetz verabschiedet. Doch auch Peking nimmt ordentlich Geld in die Hand, um die chinesische Chip-Industrie nach vorn zu bringen – und kann offenbar beachtliche Erfolge vorweisen. Felix Lee analysiert den Wettlauf der drei Mächte um die Spitzen-Chips. 

“Europa muss sein Businessmodell komplett umstellen” – davon ist Lars Hänsel überzeugt. Der Leiter der Abteilung Europa und Nordamerika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung möchte Europa neu denken. Dazu gehört für ihn auch, den Mitgliedstaaten mehr Freiheiten zu geben und zu einem anderen Umgang mit den osteuropäischen Ländern zu finden. Mehr über Hänsel erfahren Sie im Porträt von Lisa-Martina Klein.

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Sarah Schaefer
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Analyse

EU-Staaten sollen Reserven anlegen

Wie eine Verkehrsampel in drei Phasen – Grün, Gelb und Rot – soll nach Informationen von Europe.Table das neue Kriseninstrument für den Binnenmarkt geschaltet werden, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 13. September bei ihrer Rede zur Lage der Union im Straßburger EU-Parlament vorstellen will. Unter Hochdruck feilen die Beamten rund um Binnenmarktkommissar Thierry Breton (Europe.Table berichtete) noch an den Details des Single Market Emergency Instrument (SMEI). Wie das Instrument konkret aussehen könnte, darüber gibt ein internes Papier der Kommission Auskunft, das Europe.Table vorliegt.

Demnach soll das Kriseninstrument drei “fundamentale Ziele” haben: Wichtigstes Ziel ist, das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten – auch in Zeiten von Krisen wie etwa einer Pandemie oder einer Beeinträchtigung der Lieferketten durch einen Krieg. Es gelte zudem, die Beeinträchtigungen im EU-internen Austausch von Waren, Dienstleistungen und Beschäftigten so gering wie möglich zu halten. Zudem soll es Engpässe von Dienstleistungen und Waren bekämpfen.

Mit dem Kriseninstrument will die EU-Kommission die Lehre aus den ersten Monaten der Pandemie ziehen, als unabgestimmte Maßnahmen von Mitgliedstaaten wie etwa Ausfuhrverbote für Masken und medizinische Geräte die Lieferketten reißen ließen und zu schweren Verwerfungen im Binnenmarkt führten.

EU will möglichst breite Anwendung im Binnenmarkt

Die EU-Kommission wolle das Instrument für eine möglichst breite Anwendung im Binnenmarkt designen: Es gehe um alle Produkte von hoher Relevanz für den Binnenmarkt wie etwa Energie, Brenn- und Kraftstoffe, Agrarprodukte oder den Fischfang. Es soll bereits bestehende Kriseninstrumente ergänzen, wie etwa Exportkontrollen oder das Screening von ausländischen Investitionen in der EU.

Die Governance-Struktur des SMEI ist offensichtlich noch nicht endgültig festgezurrt. Klar ist, dass dafür ein Ausschuss vorgesehen ist, in dem die Kommission sowie alle Mitgliedstaaten vertreten sind. Die Kommission lässt aber offen, ob die Mitgliedstaaten in dem Gremium mitentscheiden können und ein Stimmrecht haben oder ob die Kommission allein entscheidet.

In normalen Zeiten befindet sich das Kriseninstrument in der unterlegten Ampel-Logik in der “grünen” Phase. In dieser Phase “wird die Kommission auf Basis freiwilliger Beiträge der Industrie und von Mitgliedstaaten Informationen zur Risikoabschätzung sammeln“. Die Risikobewertung soll einmal im Jahr abgegeben werden.

Die Ampel schaltet auf “Gelb”, wenn sich Krisen abzeichnen oder es um die Verhinderung einer Krise geht. Auslöser könnten etwa einschneidende Ereignisse sein wie Erdbeben, Überschwemmungen sowie absehbare Engpässe bei Rohstoffen oder Gefahren für die Lieferketten von übergeordneter Bedeutung, etwa durch eine Blockade des Suez-Kanals. In dieser Phase sieht das Kriseninstrument eine “stringentere” Sammlung von Informationen vor. Das Gremium sei verstärkt auf Rückmeldungen und “Input” von der Industrie angewiesen.

Kommission kann anordnen, Reserven zu verteilen

Bei “Gelb” könnten erste Maßnahmen ergriffen werden: So könnten die Mitgliedstaaten angewiesen werden, “strategische Reserven” anzulegen. Ausdrücklich heißt es, dass die Mitgliedstaaten, “nicht die Industrie”, für das Anlegen der Reserven zuständig seien. Die Entscheidung zum Anlegen von Reserven solle entweder die Kommission allein fällen, oder es soll ein “Konsultationsverfahren” geben, bei dem die Mitgliedstaaten mit eingebunden sind. Auf jeden Fall sollen die Reserven angelegt werden, bevor eine Krise ausbricht und es zu exorbitanten Preissteigerungen komme.

Die “rote” Phase ist der Krisenmodus. Das Kriseninstrument wird scharf gestellt, wenn nach einer Abfolge von festgelegten Kriterien die Notstandsphase aktiviert wird. In dieser Phase werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Kommission engmaschig über die Versorgungslage zu informieren.

Die denkbar schärfste Maßnahme bei “Rot” ist, dass die Kommission anordnen kann, die bei “Gelb” angelegten strategischen Reserven koordiniert und verpflichtend zu verteilen. Denkbar ist auch, dass Vorgaben erlassen werden, welche Abnehmer Priorität bei der Verteilung der strategisch wichtigen Güter haben.

Unternehmen können verpflichtet werden, ihre Güter vorrangig an bestimmte Abnehmer abzugeben. Die Kommission kann in dieser Phase auch öffentliche Beschaffungen vornehmen, wie sie dies etwa in der Pandemie mit Impfstoffen getan hat. Bezahlen müssen die öffentlichen Beschaffungen allerdings wie bei den Impfstoffen die Mitgliedstaaten.

Liste verbotener Maßnahmen

Ein besonderer Blick gilt der Mobilität der Beschäftigten. Die Kommission will sehr genau darauf achten, dass kein Mitgliedstaat unilateral Maßnahmen verhängt, die den freien Verkehr von Personen beeinträchtigen. Es soll eine Liste von Maßnahmen aufgestellt werden, die ausdrücklich verboten sind. Hier wird als Beispiel darauf verwiesen, dass etwa Ungarn auf dem Höhepunkt der Pandemie medizinischem Personal die Ausreise aus dem Land verboten hat.

Der Binnenmarktexperte Andreas Schwab (CDU) sagte zu Europe.Table: “Es ist zu begrüßen, dass die Kommission den Instrumentenkasten für Krisen erweitert. Lagen wie zu Beginn der Pandemie, als Deutschland den Export von medizinischen Geräten nach Italien unterband und Ungarn medizinisches Personal nicht ausreisen ließ, dürfen sich nicht wiederholen.” In Notlagen sei es auch geboten, Reserven von sensiblen Produkten anzulegen. “Allerdings sollte sich die Kommission hüten”, so der Abgeordnete weiter, “den Unternehmen Vorschriften zu machen, wo sie die Produkte herstellen”.

Wie geht es jetzt weiter? Bis Ende des Monats soll der kommissionsinterne Ausschuss für Regulierungskontrolle seine zweite Bewertung der Pläne für das Kriseninstrument abgeben. In einer ersten Folgenabschätzung hatten die Kontrolleure Mängel geltend gemacht und die Kommission zum Nacharbeiten verpflichtet (Europe.Table berichtete). Wie in Brüssel zu hören ist, gibt es bei etlichen Mitgliedstaaten Bedenken gegen das Kriseninstrument. Dennoch soll es nach dem Willen von Ursula von der Leyen im Rahmen der “State of the Union”-Rede in Straßburg als zentrales Vorhaben der nächsten Monate vorgestellt werden. 

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China, USA, EU: Wettlauf um die Spitzen-Chips

Sie sind die Herzstücke moderner Industrieprodukte. Wer ihre Produktion beherrscht, entscheidet darüber, wer bei Zukunftstechnologien die Nase vorn hat: Halbleiter-Bauteile, im Jargon auch besser bekannt als Mikrochips. Deswegen setzen China, die USA und die EU derzeit alles daran, ihre technologische Position zu stärken.

Die USA preschen nun vor. Der Senat hat am Donnerstag ein entsprechendes Gesetz verabschiedet (China.Table berichtete). Es fehlt nur noch die Zustimmung des Repräsentantenhauses, die als sicher gilt. Doch auch EU und China strengen sich mit Subventionen, Steuererleichterungen und anderen Anreizen an, die eigene Halbleiterproduktion zu päppeln. Die EU hat mit dem European Chips Act bereits einen entsprechenden Vorschlag für ein Maßnahmenpaket vorgelegt (Europe.Table berichtete).

Es steht viel auf dem Spiel. Längst geht es nicht mehr nur aus Prinzip darum, technisch vorne mitzuspielen. Im Zuge geopolitischer und handelspolitischer Rivalitäten wollen die Volkswirtschaften in der Produktion wieder eigenständiger werden (Europe.Table berichtete), nachdem sie jahrzehntelang auf Beschaffung im Ausland gesetzt haben. Die Pandemie hat nicht zuletzt der deutschen Elektronik- und Autoindustrie vor Augen geführt, was passiert, wenn Lieferungen aus dem Fernen Osten ausbleiben. Einige Autobauer mussten zwischenzeitlich ihre Produktionen um ein Drittel drosseln.

Derzeit werden mehr als zwei Drittel aller modernen Halbleiter in Taiwan, Südkorea, China und Japan hergestellt. Insbesondere auf Lieferungen aus Taiwan wollen die Deutschen sich nicht auf Dauer verlassen. Schließlich ist zu befürchten, dass die Führung in Peking den demokratisch regierten Inselstaat angreift, weil sie Taiwan als eigenes Territorium ansieht.

Chipexperte: EU Chips Act für richtig und wichtig

Nicht zuletzt angesichts der Aufholjagd der Chinesen hält Albert Heuberger, Chipexperte und Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen, den Chips Act der EU für richtig und wichtig. Die Chipbranche ist eine Schlüsselindustrie, die stark die technologischen Grundlagen hierzulande bestimmt. “Wir müssen auch deswegen darum kämpfen, dass solche Fertigungsindustrien in Deutschland und Europa ansässig sind, damit wir das Wissen darum haben”, sagt Heuberger. “Chip-Konzerne werden ihre Standortentscheidung davon abhängig machen, wo es das richtige Personal gibt.”

Die EU hat mit dem “European Chips Act” bereits im Frühjahr reagiert und ein Programm von rund 15 Milliarden Euro zum Ausbau der heimischen Chip-Industrie in die Wege geleitet, zusätzlich zu den bereits geplanten öffentlichen Investitionen in Höhe von 30 Milliarden.

Zwar gibt es am Vorgehen der Kommission auch Kritik (Europe.Table berichtete): Der Fokus auf ultramoderne Chips verkenne, dass als Arbeitstiere der Industrie auch simplere Bausteine gebraucht werden. Zudem stelle Brüssel zu wenig eigenes Geld bereit. Von 43 Milliarden Euro kommen nur vier Milliarden wirklich aus EU-Töpfen, den Rest sollen die Mitgliedsstaaten selbst aufbringen oder Privatinvestoren beisteuern.

Doch die Förderprogramme der EU scheinen zu fruchten: Bosch hat angekündigt, die Subventionen nutzen zu wollen und fast eine Milliarde Euro unter anderem in seine Halbleiter-Entwicklungszentren in Reutlingen und Dresden zu investieren. Die Chip-Riesen STMicroelectronics und GlobalFoundries wollen rund 5,7 Milliarden Euro in ein neues Halbleiterwerk in Frankreich stecken. Der US-Konzern Intel will gar ein neues Mega-Chip-Areal in Magdeburg errichten und hat für den Bau zweier Halbleiter-Werke 17 Milliarden Euro veranschlagt. 

Beachtliche Lernkurve

Mit 52 Milliarden Dollar will Washington nun die heimische Halbleiterindustrie direkt fördern. Darüber hinaus will die US-Regierung Chip-Fabriken steuerfrei stellen und sage und schreibe 170 Milliarden Dollar für die Forschung und Entwicklung von neuen Halbleitern zur Verfügung stellen. Sowohl der Chips Act der Europäer als auch das Programm der Amerikaner sehen vor, dass öffentliche Subventionen private Investitionen anlocken sollen. 

China nimmt ähnlich viel Geld in die Hand wie die USA. Der staatliche Förder-Fonds ist mit 170 Milliarden Euro ausgestattet. Auch regionale Spieler machen mit. Die Technikmetropole Shenzhen züchtet sich gerade einen Hersteller von Speicherbausteinen heran (China.Table berichtete) und lässt sich das 40 Milliarden Euro kosten. In der Hast fließt nicht immer alles Geld in die richtigen Kanäle (China.Table berichtete). Doch die Förderung zeigt insgesamt bereits Wirkung.

Trotz der Sanktionen, die die USA im Hochtechnologiesektor gegen China verhängt haben, ist dem führenden chinesischen Chiphersteller SMIC ebenfalls mit massiver staatlicher Unterstützung offenbar ein technischer Sprung gelungen. Das Unternehmen konnte erste Chips mit nur 7 Nanometern Strukturbreite ausliefern. Das zumindest berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Sollte sich diese Nachricht bestätigen, wäre die Lernkurve beachtlich. Denn bislang gingen viele Beobachter davon aus, dass Chinas Chipindustrie den Spitzenländern Taiwan, Südkorea und den USA um etwa vier Jahre hinterherhinkt. 

Chinas Anteil am Weltmarkt steigt

Tatsächlich war der chinesische Hersteller SMIC bislang vor allem im 14-Nanometer-Segment unterwegs, also bei wesentlich grobmaschigeren Halbleitern. Dort gilt: Je weniger Nanometer die Strompfade breit sind, desto schneller und effizienter rechnen die Bauteile. Im Bereich von 14 Nanometern ist China bereits überaus erfolgreich. Mit dem Übergang in den Bereich von 7 Nanometern verbreitern sich jedoch die Anwendungen und damit die Marktchancen der chinesischen Produkte. Noch kürzliche nannte der koreanische Wirtschaftsprofessor Keun Lee in einem Gastbeitrag im China.Table Chips der älteren Generation “fast wertlos”.

Ob die 7-Nanometer-Chips wirklich marktreif sind und auch in großer Stückzahl bei Einhaltung guter Qualität hergestellt werden können, ist nicht bekannt. Doch was sich aus dieser Entwicklung daraus ablesen lässt: So abgehängt, wie es die USA gern hätten, sind die Chinesen offenbar nicht. Je schwieriger es wird, sich auf dem Weltmarkt einzudecken, desto attraktiver wird die Bestellung bei chinesischen Anbietern.

Fakt ist: Auch deutsche Firmen beziehen immer mehr Chips von den Chinesen. Chinas Chip-Weltmarktanteil lag noch 2001 unter einem Prozent. Bis 2010 überstieg er zehn Prozent. Zu Beginn der Pandemie erreichte er zwanzig Prozent. Bis 2030 könnte er US-Beobachtern zufolge ein knappes Viertel betragen.

Schwächen der Europäer

Auch deutsche Experten weisen schon länger auf die rasche Entwicklung in der Volksrepublik hin: “China verfügt bereits über ein stärkeres Ökosystem für das Chip-Design als Europa“, hieß es in einer gemeinsamen Analyse des Berliner China-Thinktanks Merics und der Stiftung Neue Verantwortung vom vergangenen Dezember. Durch hohe Investitionen könnten chinesische Unternehmen zudem schneller skalieren, also auf höhere Stückzahlen und damit niedrigere Preise kommen.

Dennoch gebe es in China im Vergleich zu den USA und den asiatischen Nachbarn “viel aufzuholen“, sagt Chipexperte Heuberger. Die Herstellung moderner Chips ist ein besonders anspruchsvolles Unterfangen, das viel Erfahrung erfordert.

Heuberger glaubt denn auch, dass die EU-Initiative erst in einigen Jahren deutliche Wirkung zeigen werde. “In einem wachsenden Markt müssen wir die Produktion in Europa verdrei- bis vervierfachen, um auf den angestrebten weltweiten Marktanteil von 20 Prozent zu kommen. Bis wir das aufholen, ist ein Zeitraum von fünf bis acht Jahren nötig”, sagt Heuberger, der auch Sprecher des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik ist. 

Die Merics-Studie sieht Schwächen der Europäer vor allem in der sogenannten Back-End-Fertigung, also der Montage, Prüfung und Verpackung der Hochtechnologie-Chips. Dieser Teil der Fertigung werde jedoch künftig wichtiger, insbesondere für die Entwicklung leistungsstarker und energieeffizienter Chips. China hingegen habe bereits einen beachtlichen Weltmarktanteil in der Back-End-Fertigung, so die Experten. Deswegen dürfte Europa in absehbarer Zeit auch weiter auf Chips aus China angewiesen sein. 

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  • Chips Act
  • Digitalisierung
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News

Staaten: Big Tech soll sich an Netzkosten in Europa beteiligen

Frankreich, Italien und Spanien erhöhen den Druck: Sie fordern von der Kommission, ein Gesetz vorzulegen, das großen Technologieunternehmen (Big Tech) vorschreibt, die Telekommunikationsinfrastruktur in der EU mitzufinanzieren. Dies geht aus einem gemeinsamen Papier der drei Regierungen hervor, das Reuters vorliegt.

Im Mai gab die EU-Kommission bekannt, dass sie der Frage nachgeht, ob die großen US-Technologiekonzerne – darunter Alphabet (Google), Meta (Facebook) und Netflix – einen Teil der Kosten für den Ausbau der Telekommunikationsnetze übernehmen sollten (Europe.Table berichtete). Die sechs größten Anbieter von Online-Inhalten machten zusammen 55 Prozent des Internetverkehrs aus, heißt es in dem Papier.

“Dies verursacht spezifische Kosten für die europäischen Telekommunikationsbetreiber in Bezug auf die Kapazität, und das zu einer Zeit, in der sie bereits massiv in die kostspieligsten Teile der Netzwerke mit 5G und Fiber-To-The-Home investieren”, so das Papier. Die Verfasser drängen darauf, dass die europäischen Telekommunikationsnetze und die großen Anbieter von Online-Inhalten einen fairen Anteil an den Netzkosten zahlen. “Wir fordern einen Gesetzesvorschlag, der sicherstellt, dass alle Marktteilnehmer zu den Kosten der digitalen Infrastruktur beitragen.”

Big Tech-Beitrag: EU-Aktivisten sehen Netzneutralität bedroht

Zwei italienische Regierungsbeamte bestätigten Einzelheiten des gemeinsamen Dokuments. Einer von ihnen sagte, die Regierung in Rom wolle im Vorfeld der Parlamentswahlen im September informelle Unterstützung leisten.

Nach einer Studie, die von der Interessengruppe ETNO Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, könnte ein jährlicher Beitrag der großen Technologiekonzerne zu den Netzwerkkosten in Höhe von 20 Milliarden Euro der EU-Wirtschaft einen Schub von 72 Milliarden Euro geben. Aktivisten für digitale Rechte warnen jedoch, dass die EU-Vorschriften zur Netzneutralität bedroht sein könnten, wenn Big Tech für die Netze zahlt. rtr/sas

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  • Europapolitik
  • Telekommunikation

Bulgarien: Staatspräsident Radew nennt Prioritäten der Übergangsregierung

Nach dem Sturz der prowestlichen Regierung in Bulgarien Ende Juni hat Staatspräsident Rumen Radew ein Übergangskabinett eingesetzt. Die vom Staatschef aus Experten zusammengestellte Regierung mit Ministerpräsident Galab Donew legte am Dienstag den Amtseid ab. Sie wird das EU-Land bis zur Bildung einer regulären Regierung nach der vorgezogenen Parlamentswahl am 2. Oktober regieren (Europe.Table berichtete). Die vorausgegangene liberal-sozialistische Koalition von Regierungschef Kiril Petkow war nach nur gut einem halben Jahr durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden.

Staatschef Radew nannte die Prioritäten des Übergangskabinetts: Sicherung der Energie- und Nahrungsmittelversorgung, Bewältigung der “rasenden Inflation” sowie von Korruptionspraktiken. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg mahnte der als russlandfreundlich geltende Staatschef in Richtung der Übergangsregierung: “Eure oberste Priorität sollte sein, eine Verwicklung des Landes in den Konflikt zu vermeiden.”

Radew löste am Dienstag das Parlament in Bulgarien auf

Das von russischen Energieträgern stark abhängige EU-Land erhält auf direktem Weg kein Gas mehr aus Russland (Europe.Table berichtete). Ex-Ministerpräsident Petkow hatte sich geweigert, die Rechnung in russischen Rubel zu bezahlen. Zusätzlich belastet wurden die Beziehungen des Nato-Landes zu Russland durch die Ausweisung von 70 Diplomaten und Mitarbeitern der russischen Botschaft wegen Spionageverdachts.

Staatschef Radew löste nach weniger als einem Jahr am Dienstag zudem das Parlament auf. Bulgarien wählt im Oktober zum vierten Mal seit April 2021 eine neue Volksversammlung. Politologen gehen davon aus, dass nationalistische und prorussische Parteien dort stärker vertreten sein werden als bislang. dpa

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  • Erdgas
  • Inflation

Wahlkampf in Italien: Bündnis gegen rechte Parteien geformt

In Italien haben sich die Sozialdemokraten (PD) mit den Kleinparteien des Zentrums Azione und +Europa auf einen Pakt im laufenden Wahlkampf geeinigt. Damit hat sich im Mitte-Links-Lager ein erstes Bündnis gegen den derzeit in Umfragen weit vorne liegenden Mitte-Rechts-Block geformt. “Die nächste Wahl ist eine Entscheidung zwischen einem Italien unter den großen europäischen Ländern und einem mit Orbán und Putin verbündeten Italien”, hieß es in der Übereinkunft, die die Parteien am Dienstag in Rom veröffentlichten.

Die Parteien verabredeten, die Außen- und Verteidigungspolitik der aktuellen Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi weiterzutragen. Das Bündnis wolle mit dem Ausbau erneuerbarer Energien das Land unabhängiger von Energielieferungen aus Russland machen. Außerdem will es den von der EU vorgesehenen Mindestlohn einführen, wie die beiden Spitzenkandidaten Enrico Letta (PD) und Carlo Calenda (Azione) klarstellten.

Um dem Mitte-Rechts-Block aus den derzeit in Umfragen führenden Fratelli d’Italia (etwa 24 Prozent), der rechten Lega und der Forza Italia Konkurrenz machen zu können, brauchen PD und Azione/+Europa noch weitere Bündnispartner. Die Sozialdemokraten wären mit etwa 23 Prozent zwar aktuell zweitstärkste Kraft. Aber die rund 5 Prozent von Azione/+Europa reichen nicht, um Mitte-Rechts gefährlich zu werden.

Rund 40 Prozent der aktuell Befragten sind noch unentschlossen oder wollen nicht zur Wahl in Italien am 25. September gehen. Die Türen stünden allen offen, sagte Calenda. Damit könnte es womöglich auch Gespräche mit dem umstrittenen Ex-Ministerpräsidenten und früheren PD-Vorsitzenden Matteo Renzi und seiner Splitterpartei Italia Viva geben. dpa

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  • Energie
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Italien fehlen neun Milliarden Euro aus Übergewinnsteuer

Viele Energieunternehmen in Italien haben eine erste, bis Ende Juni fällige Zahlung einer Übergewinnsteuer offenbar verweigert. Der Regierung fehlen damit Einnahmen von mehr als neun Milliarden Euro, wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorliegenden Dokument des Finanzministeriums in Rom hervorgeht.

Zwischen zehn und elf Milliarden Euro sollten durch eine 25-prozentige Übergewinnsteuer auf Energiekonzerne eingenommen werden, die vom drastischen Anstieg der Öl- und Gaspreise profitiert haben. Ministerpräsident Mario Draghi will damit einen Teil des im Januar geschnürten Hilfspakets von 33 Milliarden Euro finanzieren, um Unternehmen und Haushalte zu entlasten, denen hohe Strom-, Gas- und Spritkosten zusetzen.

Im Rahmen der Regelung hätten die Erzeuger und Verkäufer von Strom, Erdgas und Erdölprodukten bis Ende Juni eine Anzahlung von 40 Prozent leisten müssen. Der Rest wäre dann bis November fällig. In dem Dokument des Finanzministeriums wird eine Aktualisierung der Steuerprognosen für das Halbjahresbudget vorgenommen. Demnach sind die Einnahmen um mehr als neun Milliarden Euro niedriger ausfallen als erwartet.

Italiens Energieunternehmen beschweren sich über Übergewinnsteuer

Der staatlich kontrollierte Energiekonzern Eni gab vergangene Woche bekannt, er habe bereits die erste Rate der Sondersteuer gezahlt. Italiens größter Energieversorger Enel erklärte, er habe insgesamt 2,6 Milliarden Euro für die Zahlung der von den italienischen, spanischen und rumänischen Regierungen auferlegten Sondersteuern verbucht. Mehrere Energieunternehmen beschwerten sich über die Übergewinnsteuer. Sie betonten, dass die schwankenden Energiepreise auch ihnen Probleme bereiteten.

Unternehmen, die die Zahlungsfrist Ende Juni verpasst haben, können die Abgabe in den kommenden Wochen oder Monaten nachzahlen. Allerdings werden dann Strafgebühren und Zinsen fällig, heißt es in dem Papier des Ministeriums. rtr

  • Energie
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  • Industrie
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  • Steuerpolitik

Spanien beschließt Maßnahmen zum Energiesparen 

Die Regierung in Spanien hat wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine “dringende Maßnahmen” zur Einsparung und zur effizienteren Nutzung von Energie beschlossen. Alle Gebäude des öffentlichen Sektors, aber auch Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen werden künftig ihre Räumlichkeiten im Sommer auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen und im Winter auf höchstens 19 Grad beheizen dürfen. Das sei auf der wöchentlichen Kabinettssitzung in Madrid beschlossen worden, sagte am Montagabend die Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera.

Die Maßnahmen des königlichen Dekrets müssen nach Angaben Riberas spätestens nach einer einwöchigen “Anpassungsperiode” nach Veröffentlichung im Amtsblatt umgesetzt werden. Sie sollen bis zum 1. November 2023 in Kraft bleiben. Es handele sich um ein erstes Maßnahmenpaket, das in einer “kritischen Lage” nötig sei. Europa benötige die Hilfe Spaniens. “Es ist an der Zeit, solidarisch zu sein”, betonte die Ministerin der linksgerichteten Regierung.

Spanien billigt Energie-Notfallplan der EU

Neben anderen Maßnahmen müssen Läden und Betriebe mit automatischen Systemen, die bis zum 30. September installiert sein müssen, ihre Türen geschlossen halten, um je nach Jahreszeit das Entweichen von Wärme oder kühler Luft zu vermeiden. Die Beleuchtung von nicht benutzen Büros, von Schaufenstern und Denkmälern muss außerdem nach 22 Uhr ausgeschaltet werden. Überprüfungen der Energieeffizienz von bestimmten Gebäuden sollen vorgezogen werden. Die Privatwirtschaft rief Ribera dazu auf, das Arbeiten im Homeoffice zu verstärken.

Mit diesen und mit weiteren Maßnahmen, die nach der Sommerpause beschlossen werden sollen, will Spanien die vom Land im Rahmen des in der vorigen Wochen vereinbarten europäischen Notfallplans eingegangenen Verpflichtungen einhalten. Das Land soll den Gaskonsum um sieben Prozent reduzieren. Spanien hatte sich wie andere EU-Länder dem Notfallplan zunächst widersetzt, das Vorhaben nach Zugeständnissen aber am Ende gebilligt (Europe.Table berichtete). dpa

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Experte: Versicherer investieren trotz Taxonomie eher nicht in Atomkraft

Versicherer in Deutschland werden bei Investitionen in Atomkraft nach Einschätzung eines Branchenexperten Vorsicht walten lassen. “Ich glaube, dass Versicherer das allgemein eher ausschließen werden wegen der kritischen Haltung vieler Menschen zur Atomkraft in Deutschland“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung, Herbert Schneidemann, den Nachrichtenagenturen dpa und dpa-AFX. “Ich persönlich glaube, es wird sich kaum ein Unternehmen leisten können, Atomkraft in Deutschland als grün zu bezeichnen und sich dann auf die EU-Taxonomie zu berufen.”

Gas und Atomkraft laut Taxonomie klimafreundlich

Im Rahmen der EU-Taxonomie gilt es von Januar 2023 an auch als klimafreundlich, Geld in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke zu stecken (Europe.Table berichtete). “Atomkraft wäre klimatechnisch eine gute Technik, aber sie ist etwas, das auf Kosten der Zukunft geht”, sagte der Versicherungsmathematiker Schneidemann.

Grundsätzlich sieht er gute Chancen für einen Beitrag der Branche zum Klimaschutz. Dabei könnten Versicherer Investitionen als Hebel nutzen, damit Unternehmen sich bewegen und grüner werden. Neben Investitionen beispielsweise in Windkrafträder könne die Branche mindestens genauso viel bewegen, wenn sie dabei helfe, “braune Industrien ein Stück weit grüner zu machen. Es hilft ja nicht weiter, wenn man der braunen Industrie sagt: Ihr bekommt kein Geld mehr von uns.”

Er halte daher eine schrittweise Transformation des Kapitalanlagevermögens der Versicherer für wichtig. Nach jüngsten Daten des Versicherungsverbandes GDV belief sich der Kapitalanlagenbestand der Branche Ende 2020 auf knapp 1,8 Billionen Euro. dpa

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Presseschau

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Frankreichs Senat stimmt für Abschaffung der Rundfunkgebühr WELT
Milliardenhilfe für “grüne” Fernwärme TAGESSCHAU
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EU competition law will not force French state to divide nationalised EDF EURACTIV
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Heads

Lars Hänsel – Für eine gemeinsame Stimme Europas

Lars Hänsel leitet die Abteilung Europa und Nordamerika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Lars Hänsel leitet die Abteilung Europa und Nordamerika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Das Europa der Zukunft? Davon hat Lars Hänsel (55), Leiter der Abteilung Europa und Nordamerika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), eine recht genaue Wunschvorstellung: ein gemeinsames Europa, das global handlungsfähig ist. Dazu gehört für ihn, selbst für die eigene Sicherheit sorgen zu können – unabhängig von den USA, aber in starker Partnerschaft mit ihnen. Beim Thema Wirtschaft heißt es für ihn, nicht mehr existenziell von China (Europe.Table berichtete) und bei Rohstoffen nicht mehr auf Russland angewiesen zu sein.  

“Europa muss sein Businessmodell komplett umstellen“, sagt Hänsel. Aber nicht nur das: “Ich würde Europa gerne ganz neu denken, vor allem das Subsidiaritätsprinzip. Was genau müssen wir gemeinsam angehen, was müssen wir den Ländern überlassen?” Klar sei, dass die großen Themen wie Klimawandel, Sicherheit und Energie gemeinsam gelöst werden müssen. “Aber sollte man den Ländern darüber hinaus nicht mehr Freiheiten geben?”

Damit gehe auch einher, sagt Hänsel, dass die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Ländern anders geführt werde. In den westlichen Mitgliedsländern der EU fehlt nicht selten ein tieferes Verständnis, woher die osteuropäischen Länder historisch kommen und woher ihre Vorbehalte gegenüber Brüssel stammen: “Warum verteidigt denn ein Land wie Polen seine Souveränität so vehement? Es war immer wieder von anderen Ländern besetzt. Sie denken deshalb über Souveränität anders.”

EU muss Unterschiede aushalten

Auch vor Russland hätten viele osteuropäische Länder oft gewarnt, wurden vom Westen aber nicht gehört. “Deutschland ist dafür geprägt vom Denken, nie wieder Täter sein zu wollen”, sagt Hänsel. Osteuropäer wollten dagegen keine Opfer mehr sein. Länder wie Deutschland gäben zudem Benchmarks vor, wie zum Beispiel im Umgang mit Minderheiten, die andere Länder dann zu erfüllen hätten, die in diesem Bereich einfach noch nicht so weit seien. “Ein gewisses Maß an Grundverschiedenheit muss die EU aushalten können.” Die Osteuropäer fühlten häufig, dass sie erst einer westeuropäischen Erwartungshaltung entsprechen müssen, um akzeptiert zu sein und dazuzugehören.

1989 in Leipzig auf der Straße

Sich anpassen, die Erwartungen anderer erfüllen, sich nicht selbstbestimmt entfalten zu können – die Abneigung dagegen trieb Hänsel häufig an. Er wuchs in der DDR auf, trat keiner Partei bei, teilte als Christ die vorherrschende Ideologie nicht und wurde Bausoldat, als er zur Nationalen Volksarmee eingezogen wurde. Das war zwar ein legaler Weg, den Dienst an der Waffe zu verweigern, hatte aber harte Konsequenzen.

Und so blieb ihm auch sein großer Wunsch, Medizin zu studieren, verwehrt. Für ein Studium entsprach er nicht den ideologischen Erwartungen. Das trieb ihn 1989 in Leipzig auf die Straße. Nach der Wende wurde er, als einer von wenigen ostdeutschen Theologie-Studenten an der Uni in Tübingen, oft mit der Frage konfrontiert: “Wie lange wird es dauern, bis ihr so seid wie wir?” Und wieder sah er sich der Erwartung gegenüber, sich anzupassen.

Stipendium von der Konrad-Adenauer-Stiftung

Für seine Promotion bekam Hänsel ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung. Seither hat er die Stiftung nicht mehr verlassen, verbrachte viele Jahre in den Büros in St. Augustin (NRW), Jerusalem und Washington. Vor allem die gesellschaftliche und religiöse Komplexität Israels fasziniert den Theologen bis heute. Von Berlin aus leitet er inzwischen 34 Büros in ganz Europa und Nordamerika, bis vor kurzem auch eines in Russland.

Wichtig ist ihm in seiner Arbeit immer wieder, Partner für gemeinsame Ziele zu identifizieren. “Eine wichtige Aufgabe der kommenden Jahre wird der Umgang mit China sein. Die Herausforderung ist auch hier, angesichts unterschiedlicher Interessen einen gemeinsamen europäischen Ansatz zu finden.” Lisa-Martina Klein

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    EU-Staaten sollen Reserven anlegen

    Wie eine Verkehrsampel in drei Phasen – Grün, Gelb und Rot – soll nach Informationen von Europe.Table das neue Kriseninstrument für den Binnenmarkt geschaltet werden, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 13. September bei ihrer Rede zur Lage der Union im Straßburger EU-Parlament vorstellen will. Unter Hochdruck feilen die Beamten rund um Binnenmarktkommissar Thierry Breton (Europe.Table berichtete) noch an den Details des Single Market Emergency Instrument (SMEI). Wie das Instrument konkret aussehen könnte, darüber gibt ein internes Papier der Kommission Auskunft, das Europe.Table vorliegt.

    Demnach soll das Kriseninstrument drei “fundamentale Ziele” haben: Wichtigstes Ziel ist, das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten – auch in Zeiten von Krisen wie etwa einer Pandemie oder einer Beeinträchtigung der Lieferketten durch einen Krieg. Es gelte zudem, die Beeinträchtigungen im EU-internen Austausch von Waren, Dienstleistungen und Beschäftigten so gering wie möglich zu halten. Zudem soll es Engpässe von Dienstleistungen und Waren bekämpfen.

    Mit dem Kriseninstrument will die EU-Kommission die Lehre aus den ersten Monaten der Pandemie ziehen, als unabgestimmte Maßnahmen von Mitgliedstaaten wie etwa Ausfuhrverbote für Masken und medizinische Geräte die Lieferketten reißen ließen und zu schweren Verwerfungen im Binnenmarkt führten.

    EU will möglichst breite Anwendung im Binnenmarkt

    Die EU-Kommission wolle das Instrument für eine möglichst breite Anwendung im Binnenmarkt designen: Es gehe um alle Produkte von hoher Relevanz für den Binnenmarkt wie etwa Energie, Brenn- und Kraftstoffe, Agrarprodukte oder den Fischfang. Es soll bereits bestehende Kriseninstrumente ergänzen, wie etwa Exportkontrollen oder das Screening von ausländischen Investitionen in der EU.

    Die Governance-Struktur des SMEI ist offensichtlich noch nicht endgültig festgezurrt. Klar ist, dass dafür ein Ausschuss vorgesehen ist, in dem die Kommission sowie alle Mitgliedstaaten vertreten sind. Die Kommission lässt aber offen, ob die Mitgliedstaaten in dem Gremium mitentscheiden können und ein Stimmrecht haben oder ob die Kommission allein entscheidet.

    In normalen Zeiten befindet sich das Kriseninstrument in der unterlegten Ampel-Logik in der “grünen” Phase. In dieser Phase “wird die Kommission auf Basis freiwilliger Beiträge der Industrie und von Mitgliedstaaten Informationen zur Risikoabschätzung sammeln“. Die Risikobewertung soll einmal im Jahr abgegeben werden.

    Die Ampel schaltet auf “Gelb”, wenn sich Krisen abzeichnen oder es um die Verhinderung einer Krise geht. Auslöser könnten etwa einschneidende Ereignisse sein wie Erdbeben, Überschwemmungen sowie absehbare Engpässe bei Rohstoffen oder Gefahren für die Lieferketten von übergeordneter Bedeutung, etwa durch eine Blockade des Suez-Kanals. In dieser Phase sieht das Kriseninstrument eine “stringentere” Sammlung von Informationen vor. Das Gremium sei verstärkt auf Rückmeldungen und “Input” von der Industrie angewiesen.

    Kommission kann anordnen, Reserven zu verteilen

    Bei “Gelb” könnten erste Maßnahmen ergriffen werden: So könnten die Mitgliedstaaten angewiesen werden, “strategische Reserven” anzulegen. Ausdrücklich heißt es, dass die Mitgliedstaaten, “nicht die Industrie”, für das Anlegen der Reserven zuständig seien. Die Entscheidung zum Anlegen von Reserven solle entweder die Kommission allein fällen, oder es soll ein “Konsultationsverfahren” geben, bei dem die Mitgliedstaaten mit eingebunden sind. Auf jeden Fall sollen die Reserven angelegt werden, bevor eine Krise ausbricht und es zu exorbitanten Preissteigerungen komme.

    Die “rote” Phase ist der Krisenmodus. Das Kriseninstrument wird scharf gestellt, wenn nach einer Abfolge von festgelegten Kriterien die Notstandsphase aktiviert wird. In dieser Phase werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Kommission engmaschig über die Versorgungslage zu informieren.

    Die denkbar schärfste Maßnahme bei “Rot” ist, dass die Kommission anordnen kann, die bei “Gelb” angelegten strategischen Reserven koordiniert und verpflichtend zu verteilen. Denkbar ist auch, dass Vorgaben erlassen werden, welche Abnehmer Priorität bei der Verteilung der strategisch wichtigen Güter haben.

    Unternehmen können verpflichtet werden, ihre Güter vorrangig an bestimmte Abnehmer abzugeben. Die Kommission kann in dieser Phase auch öffentliche Beschaffungen vornehmen, wie sie dies etwa in der Pandemie mit Impfstoffen getan hat. Bezahlen müssen die öffentlichen Beschaffungen allerdings wie bei den Impfstoffen die Mitgliedstaaten.

    Liste verbotener Maßnahmen

    Ein besonderer Blick gilt der Mobilität der Beschäftigten. Die Kommission will sehr genau darauf achten, dass kein Mitgliedstaat unilateral Maßnahmen verhängt, die den freien Verkehr von Personen beeinträchtigen. Es soll eine Liste von Maßnahmen aufgestellt werden, die ausdrücklich verboten sind. Hier wird als Beispiel darauf verwiesen, dass etwa Ungarn auf dem Höhepunkt der Pandemie medizinischem Personal die Ausreise aus dem Land verboten hat.

    Der Binnenmarktexperte Andreas Schwab (CDU) sagte zu Europe.Table: “Es ist zu begrüßen, dass die Kommission den Instrumentenkasten für Krisen erweitert. Lagen wie zu Beginn der Pandemie, als Deutschland den Export von medizinischen Geräten nach Italien unterband und Ungarn medizinisches Personal nicht ausreisen ließ, dürfen sich nicht wiederholen.” In Notlagen sei es auch geboten, Reserven von sensiblen Produkten anzulegen. “Allerdings sollte sich die Kommission hüten”, so der Abgeordnete weiter, “den Unternehmen Vorschriften zu machen, wo sie die Produkte herstellen”.

    Wie geht es jetzt weiter? Bis Ende des Monats soll der kommissionsinterne Ausschuss für Regulierungskontrolle seine zweite Bewertung der Pläne für das Kriseninstrument abgeben. In einer ersten Folgenabschätzung hatten die Kontrolleure Mängel geltend gemacht und die Kommission zum Nacharbeiten verpflichtet (Europe.Table berichtete). Wie in Brüssel zu hören ist, gibt es bei etlichen Mitgliedstaaten Bedenken gegen das Kriseninstrument. Dennoch soll es nach dem Willen von Ursula von der Leyen im Rahmen der “State of the Union”-Rede in Straßburg als zentrales Vorhaben der nächsten Monate vorgestellt werden. 

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    China, USA, EU: Wettlauf um die Spitzen-Chips

    Sie sind die Herzstücke moderner Industrieprodukte. Wer ihre Produktion beherrscht, entscheidet darüber, wer bei Zukunftstechnologien die Nase vorn hat: Halbleiter-Bauteile, im Jargon auch besser bekannt als Mikrochips. Deswegen setzen China, die USA und die EU derzeit alles daran, ihre technologische Position zu stärken.

    Die USA preschen nun vor. Der Senat hat am Donnerstag ein entsprechendes Gesetz verabschiedet (China.Table berichtete). Es fehlt nur noch die Zustimmung des Repräsentantenhauses, die als sicher gilt. Doch auch EU und China strengen sich mit Subventionen, Steuererleichterungen und anderen Anreizen an, die eigene Halbleiterproduktion zu päppeln. Die EU hat mit dem European Chips Act bereits einen entsprechenden Vorschlag für ein Maßnahmenpaket vorgelegt (Europe.Table berichtete).

    Es steht viel auf dem Spiel. Längst geht es nicht mehr nur aus Prinzip darum, technisch vorne mitzuspielen. Im Zuge geopolitischer und handelspolitischer Rivalitäten wollen die Volkswirtschaften in der Produktion wieder eigenständiger werden (Europe.Table berichtete), nachdem sie jahrzehntelang auf Beschaffung im Ausland gesetzt haben. Die Pandemie hat nicht zuletzt der deutschen Elektronik- und Autoindustrie vor Augen geführt, was passiert, wenn Lieferungen aus dem Fernen Osten ausbleiben. Einige Autobauer mussten zwischenzeitlich ihre Produktionen um ein Drittel drosseln.

    Derzeit werden mehr als zwei Drittel aller modernen Halbleiter in Taiwan, Südkorea, China und Japan hergestellt. Insbesondere auf Lieferungen aus Taiwan wollen die Deutschen sich nicht auf Dauer verlassen. Schließlich ist zu befürchten, dass die Führung in Peking den demokratisch regierten Inselstaat angreift, weil sie Taiwan als eigenes Territorium ansieht.

    Chipexperte: EU Chips Act für richtig und wichtig

    Nicht zuletzt angesichts der Aufholjagd der Chinesen hält Albert Heuberger, Chipexperte und Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen, den Chips Act der EU für richtig und wichtig. Die Chipbranche ist eine Schlüsselindustrie, die stark die technologischen Grundlagen hierzulande bestimmt. “Wir müssen auch deswegen darum kämpfen, dass solche Fertigungsindustrien in Deutschland und Europa ansässig sind, damit wir das Wissen darum haben”, sagt Heuberger. “Chip-Konzerne werden ihre Standortentscheidung davon abhängig machen, wo es das richtige Personal gibt.”

    Die EU hat mit dem “European Chips Act” bereits im Frühjahr reagiert und ein Programm von rund 15 Milliarden Euro zum Ausbau der heimischen Chip-Industrie in die Wege geleitet, zusätzlich zu den bereits geplanten öffentlichen Investitionen in Höhe von 30 Milliarden.

    Zwar gibt es am Vorgehen der Kommission auch Kritik (Europe.Table berichtete): Der Fokus auf ultramoderne Chips verkenne, dass als Arbeitstiere der Industrie auch simplere Bausteine gebraucht werden. Zudem stelle Brüssel zu wenig eigenes Geld bereit. Von 43 Milliarden Euro kommen nur vier Milliarden wirklich aus EU-Töpfen, den Rest sollen die Mitgliedsstaaten selbst aufbringen oder Privatinvestoren beisteuern.

    Doch die Förderprogramme der EU scheinen zu fruchten: Bosch hat angekündigt, die Subventionen nutzen zu wollen und fast eine Milliarde Euro unter anderem in seine Halbleiter-Entwicklungszentren in Reutlingen und Dresden zu investieren. Die Chip-Riesen STMicroelectronics und GlobalFoundries wollen rund 5,7 Milliarden Euro in ein neues Halbleiterwerk in Frankreich stecken. Der US-Konzern Intel will gar ein neues Mega-Chip-Areal in Magdeburg errichten und hat für den Bau zweier Halbleiter-Werke 17 Milliarden Euro veranschlagt. 

    Beachtliche Lernkurve

    Mit 52 Milliarden Dollar will Washington nun die heimische Halbleiterindustrie direkt fördern. Darüber hinaus will die US-Regierung Chip-Fabriken steuerfrei stellen und sage und schreibe 170 Milliarden Dollar für die Forschung und Entwicklung von neuen Halbleitern zur Verfügung stellen. Sowohl der Chips Act der Europäer als auch das Programm der Amerikaner sehen vor, dass öffentliche Subventionen private Investitionen anlocken sollen. 

    China nimmt ähnlich viel Geld in die Hand wie die USA. Der staatliche Förder-Fonds ist mit 170 Milliarden Euro ausgestattet. Auch regionale Spieler machen mit. Die Technikmetropole Shenzhen züchtet sich gerade einen Hersteller von Speicherbausteinen heran (China.Table berichtete) und lässt sich das 40 Milliarden Euro kosten. In der Hast fließt nicht immer alles Geld in die richtigen Kanäle (China.Table berichtete). Doch die Förderung zeigt insgesamt bereits Wirkung.

    Trotz der Sanktionen, die die USA im Hochtechnologiesektor gegen China verhängt haben, ist dem führenden chinesischen Chiphersteller SMIC ebenfalls mit massiver staatlicher Unterstützung offenbar ein technischer Sprung gelungen. Das Unternehmen konnte erste Chips mit nur 7 Nanometern Strukturbreite ausliefern. Das zumindest berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Sollte sich diese Nachricht bestätigen, wäre die Lernkurve beachtlich. Denn bislang gingen viele Beobachter davon aus, dass Chinas Chipindustrie den Spitzenländern Taiwan, Südkorea und den USA um etwa vier Jahre hinterherhinkt. 

    Chinas Anteil am Weltmarkt steigt

    Tatsächlich war der chinesische Hersteller SMIC bislang vor allem im 14-Nanometer-Segment unterwegs, also bei wesentlich grobmaschigeren Halbleitern. Dort gilt: Je weniger Nanometer die Strompfade breit sind, desto schneller und effizienter rechnen die Bauteile. Im Bereich von 14 Nanometern ist China bereits überaus erfolgreich. Mit dem Übergang in den Bereich von 7 Nanometern verbreitern sich jedoch die Anwendungen und damit die Marktchancen der chinesischen Produkte. Noch kürzliche nannte der koreanische Wirtschaftsprofessor Keun Lee in einem Gastbeitrag im China.Table Chips der älteren Generation “fast wertlos”.

    Ob die 7-Nanometer-Chips wirklich marktreif sind und auch in großer Stückzahl bei Einhaltung guter Qualität hergestellt werden können, ist nicht bekannt. Doch was sich aus dieser Entwicklung daraus ablesen lässt: So abgehängt, wie es die USA gern hätten, sind die Chinesen offenbar nicht. Je schwieriger es wird, sich auf dem Weltmarkt einzudecken, desto attraktiver wird die Bestellung bei chinesischen Anbietern.

    Fakt ist: Auch deutsche Firmen beziehen immer mehr Chips von den Chinesen. Chinas Chip-Weltmarktanteil lag noch 2001 unter einem Prozent. Bis 2010 überstieg er zehn Prozent. Zu Beginn der Pandemie erreichte er zwanzig Prozent. Bis 2030 könnte er US-Beobachtern zufolge ein knappes Viertel betragen.

    Schwächen der Europäer

    Auch deutsche Experten weisen schon länger auf die rasche Entwicklung in der Volksrepublik hin: “China verfügt bereits über ein stärkeres Ökosystem für das Chip-Design als Europa“, hieß es in einer gemeinsamen Analyse des Berliner China-Thinktanks Merics und der Stiftung Neue Verantwortung vom vergangenen Dezember. Durch hohe Investitionen könnten chinesische Unternehmen zudem schneller skalieren, also auf höhere Stückzahlen und damit niedrigere Preise kommen.

    Dennoch gebe es in China im Vergleich zu den USA und den asiatischen Nachbarn “viel aufzuholen“, sagt Chipexperte Heuberger. Die Herstellung moderner Chips ist ein besonders anspruchsvolles Unterfangen, das viel Erfahrung erfordert.

    Heuberger glaubt denn auch, dass die EU-Initiative erst in einigen Jahren deutliche Wirkung zeigen werde. “In einem wachsenden Markt müssen wir die Produktion in Europa verdrei- bis vervierfachen, um auf den angestrebten weltweiten Marktanteil von 20 Prozent zu kommen. Bis wir das aufholen, ist ein Zeitraum von fünf bis acht Jahren nötig”, sagt Heuberger, der auch Sprecher des Fraunhofer-Verbunds Mikroelektronik ist. 

    Die Merics-Studie sieht Schwächen der Europäer vor allem in der sogenannten Back-End-Fertigung, also der Montage, Prüfung und Verpackung der Hochtechnologie-Chips. Dieser Teil der Fertigung werde jedoch künftig wichtiger, insbesondere für die Entwicklung leistungsstarker und energieeffizienter Chips. China hingegen habe bereits einen beachtlichen Weltmarktanteil in der Back-End-Fertigung, so die Experten. Deswegen dürfte Europa in absehbarer Zeit auch weiter auf Chips aus China angewiesen sein. 

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    Staaten: Big Tech soll sich an Netzkosten in Europa beteiligen

    Frankreich, Italien und Spanien erhöhen den Druck: Sie fordern von der Kommission, ein Gesetz vorzulegen, das großen Technologieunternehmen (Big Tech) vorschreibt, die Telekommunikationsinfrastruktur in der EU mitzufinanzieren. Dies geht aus einem gemeinsamen Papier der drei Regierungen hervor, das Reuters vorliegt.

    Im Mai gab die EU-Kommission bekannt, dass sie der Frage nachgeht, ob die großen US-Technologiekonzerne – darunter Alphabet (Google), Meta (Facebook) und Netflix – einen Teil der Kosten für den Ausbau der Telekommunikationsnetze übernehmen sollten (Europe.Table berichtete). Die sechs größten Anbieter von Online-Inhalten machten zusammen 55 Prozent des Internetverkehrs aus, heißt es in dem Papier.

    “Dies verursacht spezifische Kosten für die europäischen Telekommunikationsbetreiber in Bezug auf die Kapazität, und das zu einer Zeit, in der sie bereits massiv in die kostspieligsten Teile der Netzwerke mit 5G und Fiber-To-The-Home investieren”, so das Papier. Die Verfasser drängen darauf, dass die europäischen Telekommunikationsnetze und die großen Anbieter von Online-Inhalten einen fairen Anteil an den Netzkosten zahlen. “Wir fordern einen Gesetzesvorschlag, der sicherstellt, dass alle Marktteilnehmer zu den Kosten der digitalen Infrastruktur beitragen.”

    Big Tech-Beitrag: EU-Aktivisten sehen Netzneutralität bedroht

    Zwei italienische Regierungsbeamte bestätigten Einzelheiten des gemeinsamen Dokuments. Einer von ihnen sagte, die Regierung in Rom wolle im Vorfeld der Parlamentswahlen im September informelle Unterstützung leisten.

    Nach einer Studie, die von der Interessengruppe ETNO Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, könnte ein jährlicher Beitrag der großen Technologiekonzerne zu den Netzwerkkosten in Höhe von 20 Milliarden Euro der EU-Wirtschaft einen Schub von 72 Milliarden Euro geben. Aktivisten für digitale Rechte warnen jedoch, dass die EU-Vorschriften zur Netzneutralität bedroht sein könnten, wenn Big Tech für die Netze zahlt. rtr/sas

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    Bulgarien: Staatspräsident Radew nennt Prioritäten der Übergangsregierung

    Nach dem Sturz der prowestlichen Regierung in Bulgarien Ende Juni hat Staatspräsident Rumen Radew ein Übergangskabinett eingesetzt. Die vom Staatschef aus Experten zusammengestellte Regierung mit Ministerpräsident Galab Donew legte am Dienstag den Amtseid ab. Sie wird das EU-Land bis zur Bildung einer regulären Regierung nach der vorgezogenen Parlamentswahl am 2. Oktober regieren (Europe.Table berichtete). Die vorausgegangene liberal-sozialistische Koalition von Regierungschef Kiril Petkow war nach nur gut einem halben Jahr durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden.

    Staatschef Radew nannte die Prioritäten des Übergangskabinetts: Sicherung der Energie- und Nahrungsmittelversorgung, Bewältigung der “rasenden Inflation” sowie von Korruptionspraktiken. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg mahnte der als russlandfreundlich geltende Staatschef in Richtung der Übergangsregierung: “Eure oberste Priorität sollte sein, eine Verwicklung des Landes in den Konflikt zu vermeiden.”

    Radew löste am Dienstag das Parlament in Bulgarien auf

    Das von russischen Energieträgern stark abhängige EU-Land erhält auf direktem Weg kein Gas mehr aus Russland (Europe.Table berichtete). Ex-Ministerpräsident Petkow hatte sich geweigert, die Rechnung in russischen Rubel zu bezahlen. Zusätzlich belastet wurden die Beziehungen des Nato-Landes zu Russland durch die Ausweisung von 70 Diplomaten und Mitarbeitern der russischen Botschaft wegen Spionageverdachts.

    Staatschef Radew löste nach weniger als einem Jahr am Dienstag zudem das Parlament auf. Bulgarien wählt im Oktober zum vierten Mal seit April 2021 eine neue Volksversammlung. Politologen gehen davon aus, dass nationalistische und prorussische Parteien dort stärker vertreten sein werden als bislang. dpa

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    • Erdgas
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    Wahlkampf in Italien: Bündnis gegen rechte Parteien geformt

    In Italien haben sich die Sozialdemokraten (PD) mit den Kleinparteien des Zentrums Azione und +Europa auf einen Pakt im laufenden Wahlkampf geeinigt. Damit hat sich im Mitte-Links-Lager ein erstes Bündnis gegen den derzeit in Umfragen weit vorne liegenden Mitte-Rechts-Block geformt. “Die nächste Wahl ist eine Entscheidung zwischen einem Italien unter den großen europäischen Ländern und einem mit Orbán und Putin verbündeten Italien”, hieß es in der Übereinkunft, die die Parteien am Dienstag in Rom veröffentlichten.

    Die Parteien verabredeten, die Außen- und Verteidigungspolitik der aktuellen Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi weiterzutragen. Das Bündnis wolle mit dem Ausbau erneuerbarer Energien das Land unabhängiger von Energielieferungen aus Russland machen. Außerdem will es den von der EU vorgesehenen Mindestlohn einführen, wie die beiden Spitzenkandidaten Enrico Letta (PD) und Carlo Calenda (Azione) klarstellten.

    Um dem Mitte-Rechts-Block aus den derzeit in Umfragen führenden Fratelli d’Italia (etwa 24 Prozent), der rechten Lega und der Forza Italia Konkurrenz machen zu können, brauchen PD und Azione/+Europa noch weitere Bündnispartner. Die Sozialdemokraten wären mit etwa 23 Prozent zwar aktuell zweitstärkste Kraft. Aber die rund 5 Prozent von Azione/+Europa reichen nicht, um Mitte-Rechts gefährlich zu werden.

    Rund 40 Prozent der aktuell Befragten sind noch unentschlossen oder wollen nicht zur Wahl in Italien am 25. September gehen. Die Türen stünden allen offen, sagte Calenda. Damit könnte es womöglich auch Gespräche mit dem umstrittenen Ex-Ministerpräsidenten und früheren PD-Vorsitzenden Matteo Renzi und seiner Splitterpartei Italia Viva geben. dpa

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    Italien fehlen neun Milliarden Euro aus Übergewinnsteuer

    Viele Energieunternehmen in Italien haben eine erste, bis Ende Juni fällige Zahlung einer Übergewinnsteuer offenbar verweigert. Der Regierung fehlen damit Einnahmen von mehr als neun Milliarden Euro, wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorliegenden Dokument des Finanzministeriums in Rom hervorgeht.

    Zwischen zehn und elf Milliarden Euro sollten durch eine 25-prozentige Übergewinnsteuer auf Energiekonzerne eingenommen werden, die vom drastischen Anstieg der Öl- und Gaspreise profitiert haben. Ministerpräsident Mario Draghi will damit einen Teil des im Januar geschnürten Hilfspakets von 33 Milliarden Euro finanzieren, um Unternehmen und Haushalte zu entlasten, denen hohe Strom-, Gas- und Spritkosten zusetzen.

    Im Rahmen der Regelung hätten die Erzeuger und Verkäufer von Strom, Erdgas und Erdölprodukten bis Ende Juni eine Anzahlung von 40 Prozent leisten müssen. Der Rest wäre dann bis November fällig. In dem Dokument des Finanzministeriums wird eine Aktualisierung der Steuerprognosen für das Halbjahresbudget vorgenommen. Demnach sind die Einnahmen um mehr als neun Milliarden Euro niedriger ausfallen als erwartet.

    Italiens Energieunternehmen beschweren sich über Übergewinnsteuer

    Der staatlich kontrollierte Energiekonzern Eni gab vergangene Woche bekannt, er habe bereits die erste Rate der Sondersteuer gezahlt. Italiens größter Energieversorger Enel erklärte, er habe insgesamt 2,6 Milliarden Euro für die Zahlung der von den italienischen, spanischen und rumänischen Regierungen auferlegten Sondersteuern verbucht. Mehrere Energieunternehmen beschwerten sich über die Übergewinnsteuer. Sie betonten, dass die schwankenden Energiepreise auch ihnen Probleme bereiteten.

    Unternehmen, die die Zahlungsfrist Ende Juni verpasst haben, können die Abgabe in den kommenden Wochen oder Monaten nachzahlen. Allerdings werden dann Strafgebühren und Zinsen fällig, heißt es in dem Papier des Ministeriums. rtr

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    Spanien beschließt Maßnahmen zum Energiesparen 

    Die Regierung in Spanien hat wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine “dringende Maßnahmen” zur Einsparung und zur effizienteren Nutzung von Energie beschlossen. Alle Gebäude des öffentlichen Sektors, aber auch Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen werden künftig ihre Räumlichkeiten im Sommer auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen und im Winter auf höchstens 19 Grad beheizen dürfen. Das sei auf der wöchentlichen Kabinettssitzung in Madrid beschlossen worden, sagte am Montagabend die Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera.

    Die Maßnahmen des königlichen Dekrets müssen nach Angaben Riberas spätestens nach einer einwöchigen “Anpassungsperiode” nach Veröffentlichung im Amtsblatt umgesetzt werden. Sie sollen bis zum 1. November 2023 in Kraft bleiben. Es handele sich um ein erstes Maßnahmenpaket, das in einer “kritischen Lage” nötig sei. Europa benötige die Hilfe Spaniens. “Es ist an der Zeit, solidarisch zu sein”, betonte die Ministerin der linksgerichteten Regierung.

    Spanien billigt Energie-Notfallplan der EU

    Neben anderen Maßnahmen müssen Läden und Betriebe mit automatischen Systemen, die bis zum 30. September installiert sein müssen, ihre Türen geschlossen halten, um je nach Jahreszeit das Entweichen von Wärme oder kühler Luft zu vermeiden. Die Beleuchtung von nicht benutzen Büros, von Schaufenstern und Denkmälern muss außerdem nach 22 Uhr ausgeschaltet werden. Überprüfungen der Energieeffizienz von bestimmten Gebäuden sollen vorgezogen werden. Die Privatwirtschaft rief Ribera dazu auf, das Arbeiten im Homeoffice zu verstärken.

    Mit diesen und mit weiteren Maßnahmen, die nach der Sommerpause beschlossen werden sollen, will Spanien die vom Land im Rahmen des in der vorigen Wochen vereinbarten europäischen Notfallplans eingegangenen Verpflichtungen einhalten. Das Land soll den Gaskonsum um sieben Prozent reduzieren. Spanien hatte sich wie andere EU-Länder dem Notfallplan zunächst widersetzt, das Vorhaben nach Zugeständnissen aber am Ende gebilligt (Europe.Table berichtete). dpa

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    Experte: Versicherer investieren trotz Taxonomie eher nicht in Atomkraft

    Versicherer in Deutschland werden bei Investitionen in Atomkraft nach Einschätzung eines Branchenexperten Vorsicht walten lassen. “Ich glaube, dass Versicherer das allgemein eher ausschließen werden wegen der kritischen Haltung vieler Menschen zur Atomkraft in Deutschland“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung, Herbert Schneidemann, den Nachrichtenagenturen dpa und dpa-AFX. “Ich persönlich glaube, es wird sich kaum ein Unternehmen leisten können, Atomkraft in Deutschland als grün zu bezeichnen und sich dann auf die EU-Taxonomie zu berufen.”

    Gas und Atomkraft laut Taxonomie klimafreundlich

    Im Rahmen der EU-Taxonomie gilt es von Januar 2023 an auch als klimafreundlich, Geld in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke zu stecken (Europe.Table berichtete). “Atomkraft wäre klimatechnisch eine gute Technik, aber sie ist etwas, das auf Kosten der Zukunft geht”, sagte der Versicherungsmathematiker Schneidemann.

    Grundsätzlich sieht er gute Chancen für einen Beitrag der Branche zum Klimaschutz. Dabei könnten Versicherer Investitionen als Hebel nutzen, damit Unternehmen sich bewegen und grüner werden. Neben Investitionen beispielsweise in Windkrafträder könne die Branche mindestens genauso viel bewegen, wenn sie dabei helfe, “braune Industrien ein Stück weit grüner zu machen. Es hilft ja nicht weiter, wenn man der braunen Industrie sagt: Ihr bekommt kein Geld mehr von uns.”

    Er halte daher eine schrittweise Transformation des Kapitalanlagevermögens der Versicherer für wichtig. Nach jüngsten Daten des Versicherungsverbandes GDV belief sich der Kapitalanlagenbestand der Branche Ende 2020 auf knapp 1,8 Billionen Euro. dpa

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    Presseschau

    Spanien beschließt Energiesparmaßnahmen ZDF
    Diese Energiesparmaßnahmen ergreifen andere EU-Länder TAGESSPIEGEL
    Frankreichs Senat stimmt für Abschaffung der Rundfunkgebühr WELT
    Milliardenhilfe für “grüne” Fernwärme TAGESSCHAU
    Viele italienische Unternehmen zahlen Übergewinnsteuer nicht FAZ
    EU competition law will not force French state to divide nationalised EDF EURACTIV
    100 Einhörner bis 2030: Frankreichs Tech-Branche hofft auf Macron 2.0 HANDELSBLATT
    Lufthansa testet Umwelt-Tarif in Skandinavien HANDELSBLATT

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    Lars Hänsel – Für eine gemeinsame Stimme Europas

    Lars Hänsel leitet die Abteilung Europa und Nordamerika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.
    Lars Hänsel leitet die Abteilung Europa und Nordamerika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

    Das Europa der Zukunft? Davon hat Lars Hänsel (55), Leiter der Abteilung Europa und Nordamerika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), eine recht genaue Wunschvorstellung: ein gemeinsames Europa, das global handlungsfähig ist. Dazu gehört für ihn, selbst für die eigene Sicherheit sorgen zu können – unabhängig von den USA, aber in starker Partnerschaft mit ihnen. Beim Thema Wirtschaft heißt es für ihn, nicht mehr existenziell von China (Europe.Table berichtete) und bei Rohstoffen nicht mehr auf Russland angewiesen zu sein.  

    “Europa muss sein Businessmodell komplett umstellen“, sagt Hänsel. Aber nicht nur das: “Ich würde Europa gerne ganz neu denken, vor allem das Subsidiaritätsprinzip. Was genau müssen wir gemeinsam angehen, was müssen wir den Ländern überlassen?” Klar sei, dass die großen Themen wie Klimawandel, Sicherheit und Energie gemeinsam gelöst werden müssen. “Aber sollte man den Ländern darüber hinaus nicht mehr Freiheiten geben?”

    Damit gehe auch einher, sagt Hänsel, dass die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Ländern anders geführt werde. In den westlichen Mitgliedsländern der EU fehlt nicht selten ein tieferes Verständnis, woher die osteuropäischen Länder historisch kommen und woher ihre Vorbehalte gegenüber Brüssel stammen: “Warum verteidigt denn ein Land wie Polen seine Souveränität so vehement? Es war immer wieder von anderen Ländern besetzt. Sie denken deshalb über Souveränität anders.”

    EU muss Unterschiede aushalten

    Auch vor Russland hätten viele osteuropäische Länder oft gewarnt, wurden vom Westen aber nicht gehört. “Deutschland ist dafür geprägt vom Denken, nie wieder Täter sein zu wollen”, sagt Hänsel. Osteuropäer wollten dagegen keine Opfer mehr sein. Länder wie Deutschland gäben zudem Benchmarks vor, wie zum Beispiel im Umgang mit Minderheiten, die andere Länder dann zu erfüllen hätten, die in diesem Bereich einfach noch nicht so weit seien. “Ein gewisses Maß an Grundverschiedenheit muss die EU aushalten können.” Die Osteuropäer fühlten häufig, dass sie erst einer westeuropäischen Erwartungshaltung entsprechen müssen, um akzeptiert zu sein und dazuzugehören.

    1989 in Leipzig auf der Straße

    Sich anpassen, die Erwartungen anderer erfüllen, sich nicht selbstbestimmt entfalten zu können – die Abneigung dagegen trieb Hänsel häufig an. Er wuchs in der DDR auf, trat keiner Partei bei, teilte als Christ die vorherrschende Ideologie nicht und wurde Bausoldat, als er zur Nationalen Volksarmee eingezogen wurde. Das war zwar ein legaler Weg, den Dienst an der Waffe zu verweigern, hatte aber harte Konsequenzen.

    Und so blieb ihm auch sein großer Wunsch, Medizin zu studieren, verwehrt. Für ein Studium entsprach er nicht den ideologischen Erwartungen. Das trieb ihn 1989 in Leipzig auf die Straße. Nach der Wende wurde er, als einer von wenigen ostdeutschen Theologie-Studenten an der Uni in Tübingen, oft mit der Frage konfrontiert: “Wie lange wird es dauern, bis ihr so seid wie wir?” Und wieder sah er sich der Erwartung gegenüber, sich anzupassen.

    Stipendium von der Konrad-Adenauer-Stiftung

    Für seine Promotion bekam Hänsel ein Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung. Seither hat er die Stiftung nicht mehr verlassen, verbrachte viele Jahre in den Büros in St. Augustin (NRW), Jerusalem und Washington. Vor allem die gesellschaftliche und religiöse Komplexität Israels fasziniert den Theologen bis heute. Von Berlin aus leitet er inzwischen 34 Büros in ganz Europa und Nordamerika, bis vor kurzem auch eines in Russland.

    Wichtig ist ihm in seiner Arbeit immer wieder, Partner für gemeinsame Ziele zu identifizieren. “Eine wichtige Aufgabe der kommenden Jahre wird der Umgang mit China sein. Die Herausforderung ist auch hier, angesichts unterschiedlicher Interessen einen gemeinsamen europäischen Ansatz zu finden.” Lisa-Martina Klein

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