große Worte gestern von Bundeskanzler Olaf Scholz in Toronto: Kanada habe “fast grenzenloses Potenzial, eine Supermacht bei erneuerbaren Energien und der nachhaltigen Förderung von Rohstoffen zu werden”, sagte er bei einem Auftritt mit Premierminister Justin Trudeau. Kurz danach unterzeichneten Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck ein Abkommen mit Kanada über die Kooperation bei der Herstellung und dem Transport von Wasserstoff. Auch bei Rohstoffen für die Batterieproduktion wollen die beiden Länder kooperieren – denn Deutschlands Autohersteller sind massiv abhängig von Rohstoffen wie Lithium, Nickel, Grafit oder Kobalt aus dem Ausland. Leonie Düngefeld und Markus Grabitz berichten.
Schon einmal brach Tschechiens Regierung auseinander, während das Land den Vorsitz bei der EU-Ratspräsidentschaft innehatte. Wiederholt sich dieser Schrecken bald? Der tschechische Regierungschef Petr Fiala muss sich womöglich bald einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Auch in der Slowakei, mit Tschechien historisch eng verbunden, gibt es Spekulationen auf Neuwahlen noch in diesem Jahr. Hans-Peter Siebenhaar hat die Lage analysiert.
Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine habe die notwendigen Veränderungen in Europa beschleunigt. Damit meint Jan Pie, Generalsekretär der AeroSpace and Defence Industries Association of Europe, unter anderem, dass der Fragmentierung der Rüstungsproduktion durch eine stärke gemeinsame Beschaffung in der EU entgegengewirkt wird – eine überfällige Entwicklung. Wir stellen Jan Pie im Portrait vor.
Lithium, Kobalt, Nickel, Grafit: All diese Rohstoffe sind Bestandteile von Batterien für E-Fahrzeuge – und Kanada ist aus deutscher Sicht ein Paradies: “Das Land verfügt über ähnliche reiche Bodenschätze wie Russland – mit dem Unterschied, dass es eine verlässliche Demokratie ist”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag nach seiner Ankunft in Montréal.
Damit bezog er sich nicht nur auf LNG und Wasserstoff. Unter seinen Mitreisenden waren auch Volkswagen-Chef Herbert Diess und Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. Beide unterzeichneten gestern mit der kanadischen Regierungen Grundsatzvereinbarungen: Sie wollen die E-Mobilität fördern und Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der kanadischen Automobil- und Batterielieferkette prüfen.
In Anwesenheit von Kanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck unterschrieben Diess und Schäfer mit dem kanadischen Minister für Innovation, Wissenschaft und Industrie, François-Philippe Champagne, jeweils ein “Memorandum of Understanding“. Die Konzerne und die kanadische Regierung wollen prüfen, welchen Beitrag Kanada zu den globalen und regionalen Batterielieferketten der Autohersteller leisten kann. Dabei geht es um die gesamte Wertschöpfungskette: um die technische Entwicklung, die Rohstoffgewinnung, die Produktion, Nutzungsdauer und das Recycling.
Beide Konzerne betonen zudem, in eine saubere und klimafreundliche Wirtschaft investieren zu wollen. “Mercedes-Benz ist dabei, die Produktion von Elektrofahrzeugen drastisch zu steigern”, erklärte Markus Schäfer. “Deshalb sind wir auch dabei, uns neue Wege zu erschließen, um auf verantwortungsvolle Art an die dafür notwendigen Rohstoffe zu kommen.
Der direkte Zugang zu den Produzenten dieser Materialien ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.” Mit Kanada habe Mercedes einen geeigneten Partner, “um eine neue Ära der nachhaltigen Transformation in der Automobilindustrie einzuleiten.”
“Die Versorgung mit Batterierohstoffen und die Produktion von Vorläufer- und Kathodenmaterialien mit geringem CO2-Fußabdruck werden einen schnellen und nachhaltigen Ausbau von Batteriekapazitäten ermöglichen”, sagte VW-Chef Diess. “Ein wichtiger Hebel für unsere Wachstumsstrategie in Nordamerika.”
Mit dem Markthochlauf von E-Autos steigt der Bedarf an den Rohstoffen für Batterien. Eine Studie der Unternehmensberatung PWC zum Investitions- und Rohstoffbedarf besagt, dass die globale Nachfrage nach den wichtigsten aktiven Batterie-Materialien von 0,4 Millionen Tonnen im Jahr 2021 um das 15-fache auf 6 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen wird. Dies entspricht einem jährlichen Zuwachs um 34 Prozent.
Europa sei zwar beim Bau von Zellfabriken gut aufgestellt. 2025 würden die in Europa ansässigen Zellfabriken sogar einen Überschuss produzieren, der in die USA exportiert werden könne. Und auch für das Jahr 2030 gehen die Autoren davon aus, dass Europa seinen Bedarf an Batteriezellen selbst decken kann.
Im Hinblick auf die Bestandteile der Batteriezelle ist Europa laut der PWC-Studie jedoch schlecht aufgestellt. Weniger als ein Prozent der aktiven Materialien für die E-Batterien seien 2021 in Europa produziert worden, rund ein Prozent der aktiven Materialien seien hier verarbeitet worden. Die Studie zieht das Fazit: “Der Fußabdruck Chinas in der Wertschöpfungskette für die Batterieproduktion ist stark ausgeprägt.” China bestimme 80 Prozent davon.
Bei den fünf aktiven Materialien habe Europa bei der Verarbeitung von Lithium, Nickel und Grafit gar keinen Anteil. Bei Kobalt liege der Wert bei 18 Prozent und bei Mangan bei vier Prozent. Die Studie weist darauf hin, wie sehr die Industrie aufholen muss, um Abhängigkeiten zu reduzieren – schließlich werde Europa im Jahr 2030 etwa 30 Prozent der global produzierten E-Autos bauen.
Die deutschen Hersteller verfolgen dazu unterschiedliche Strategien. BMW geht – wieder einmal – einen Sonderweg. Als einziger deutscher Hersteller sind die Bayern nicht über Beteiligungen in eine eigene Batteriezellproduktion eingestiegen. Vielmehr unterhält der Konzern im Münchener Stadtteil Parsdorf eine Prototyp-Fabrik. Hier verfolgen BMW-Ingenieure die neuesten Entwicklungen bei der Zellchemie mit, um technologisch auf dem aktuellen Stand zu sein.
Ziel ist, die Kompetenz zu erwerben, um sich den besten Lieferanten auszusuchen und ihm Vorgaben für die Produktion und Konfiguration zu machen. Damit spart sich das Unternehmen Milliardeninvestitionen in eigene Zellfabriken. Es hat aber auch keinen direkten Einfluss darauf, ob die Rohstoffe für die Zellproduktion abgesichert sind gegen die zahlreichen geopolitischen Risiken.
VW und Mercedes gehen einen anderen Weg. Später als Tesla, aber immerhin: Beide Konzerne sind in den letzten Jahren auch in die Produktion von Batteriezellen eingestiegen und Partnerschaften mit Pionieren und etablierten Batterieherstellern eingegangen.
VW will bis 2030 mit Partnern in Europa sechs Gigafabriken bauen, die eine jährliche Kapazität von 240 Gigawattstunden bereitstellen sollen. Mercedes beteiligt sich weltweit am Bau von acht Fabriken, die für eine Leistung von 200 Gigawattstunden stehen.
VW hat zudem das Batterieunternehmen PowerCo gegründet, das alle globalen Aktivitäten des Konzerns entlang der Batterie-Lieferkette bündeln soll. PowerCo soll nun die Zusammenarbeit mit Kanada – sowie in der gesamten Region Nordamerika – vorantreiben. VW prüft dort auch mögliche Standorte für eine eigene Gigafactory für Batteriezellen.
Um sich die benötigten Materialien zu sichern, verfolgen beide Unternehmen die Strategie der vertikalen Integration der Lieferkette. VW hat dafür etwa mit Umicore, einem Hersteller von Materialien, eine Kooperation gestartet. Das Joint Venture soll die Gigafabrik in Salzgitter mit Material versorgen. Es ziele “auf den gemeinsamen Aufbau von Produktionskapazitäten für Vorstufen- und Kathodenmaterial in Europa sowie die nachhaltige Sicherung von Rohstoffkapazitäten aus verantwortungsvollen Quellen zu wettbewerbsfähigen Preisen”.
VW hat sich zudem an dem US-Start-up 24 M beteiligt. Neue Produktionsmethoden sollen Materialien einsparen helfen. Außerdem hat VW einen Vertrag mit Vulcan Energy, einem deutschen Unternehmen im Oberrheingraben, das VW ab 2026 CO2-neutrales Lithium liefern will.
Bei Mercedes heißt es: “Wir wollen den Rohstoffbezug diversifizieren, die Widerstandsfähigkeit unserer Lieferketten stärken und Abhängigkeiten reduzieren.” Man arbeite an ressourceneffizienten Produktionsmethoden, die den Einsatz kritischer Materialien reduzieren. “Der Kobaltanteil an den Kathoden der Batteriezellen des EQS liegt beispielsweise bei weniger als zehn Prozent und wurde im Vergleich zur vorigen Batteriegeneration deutlich verringert”, teilt der Konzern mit.
Um Rohstoffe wiederzugewinnen, baut Mercedes gerade eine CO2-neutrale Recyclingfabrik im süddeutschen Kuppenheim. Mercedes erklärt: “China verfügt über große Raffinadekapazitäten für seltene Rohstoffe.”
Auch Mercedes beziehe Seltene Erden aus China. Mit den direkten Zulieferern habe das Unternehmen aber Vereinbarungen getroffen. Sie sehen vor, dass es für die Seltenen Erden (Neodym, Terbium, Dysprosium) jeweils zwei Lieferanten geben muss, die in verschiedenen Regionen ansässig sind. Markus Grabitz und Leonie Düngefeld, mit rtr
Noch immer verstehen sich Tschechien und die Slowakei als politisches Tandem. Die gemeinsame Geschichte in der einstigen Tschechoslowakei eint bis heute in der Außenpolitik. Die Regierungschefs der beiden Länder haben daher an den 54. Jahrestag des Einmarsches der damaligen Sowjetunion in einer gemeinsamen Botschaft erinnert.
Sie nutzten die Chance, ihre übereinstimmende Position zum heutigen Russland angesichts des Angriffs auf die Ukraine zu formulieren. “Unsere aktive Unterstützung für die Ukraine ist besonders wichtig, da die Schrecken des Krieges und das Leid der Zivilbevölkerung buchstäblich vor unserer Haustür stehen”, sagte der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger in einer Videobotschaft.
“Wir wollen nicht, dass Russland unser Nachbar ist.” Vor knapp drei Jahrzehnten wurde der gemeinsame Staat Tschechoslowakei friedlich aufgelöst und die Tschechische sowie die Slowakische Republik gegründet. Bisweilen gibt es aber auch unfreiwillige Gemeinsamkeiten zwischen Prag und Bratislava (Pressburg). Denn beide Regierungskoalitionen stehen unter politischem Druck.
In der Slowakei droht die Regierung Ende des Monats auseinanderzubrechen. Die Regierungspartei Freiheit und Solidarität (SaS) hatte dem Finanzminister Igor Matovič (OĽaNO) bereits zum Sommer eine Frist gesetzt. Entweder er tritt bis Ende des Monats zurück oder die Regierungskoalition platzt mit dem Austritt der SaS.
Der frühere Premier und Vorsitzende der Partei OĽaNO (Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten) Matovič ist umstritten. Im Frühjahr vergangenen Jahres musste er dem früheren Finanzminister Eduard Heger das Amt des Regierungschefs überlassen. Matovič hat eine Reihe von Gesetzen, darunter sein kontroverses Finanzpaket gegen die hohe Inflation, mit Unterstützung von Rechtsextremisten im Parlament durchgesetzt.
Wenn die SaS ihre Drohungen Ende August wahr machen sollte, dann droht der Slowakei eine Minderheitsregierung. Wie lange so eine Koalition ohne Mehrheit im Parlament durchhalten wird, steht in den Sternen. In Bratislava wird bereits über Neuwahlen noch in diesem Jahr spekuliert. Das könnte der linkspopulistischen Opposition SMER nutzen. Mit dem ehemaligen Premier Robert Fico stünde zudem ein machterprobter Politiker bereit. Ein Comeback von Fico wäre allerdings eine Zerreißprobe für das EU-Land.
Denn gegen etliche SMER-Politiker laufen Ermittlungsverfahren und Prozesse wegen Korruption und anderer Vergehen. Die Slowakei hatte in den vergangenen Jahren wegen ihrer mafiösen Wirtschaftsstrukturen immer für Schlagzeilen gesorgt. Das Land befindet sich im globalen Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 56 – noch hinter Ruanda, Saudi-Arabien und dem Oman.
In Tschechien muss sich der tschechische Regierungschef Petr Fiala womöglich bald einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Sein Gegenspieler, der frühere Ministerpräsident und Multimilliardär Andrej Babiš droht mit einem solchen Schritt. Der wegen Missbrauch von EU-Geldern viel kritisierte Babiš forderte in einem offenen Brief zuletzt den Rauswurf des Innenministers Vít Rakušan wegen Inkompetenz und angeblich nachweislichen Beziehungen zu Mafia-Strukturen. Der 42-jährige Politiker, der fließend Deutsch spricht, ist auch stellvertretender Ministerpräsident.
Das Misstrauensvotum wird angesichts klarer Mehrheitsverhältnisse die Regierung in Prag nicht aus den Angeln heben. Doch der Vorgang ist für den liberalkonservativen Premier Fiala lähmend. Schließlich hat Tschechien bis Ende des Jahres den Ratsvorsitz in der EU inne. Altgediente Europapolitiker erinnern sich mit Schrecken an die letzte EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens. Im Jahr 2009 stürzte die Regierung unter dem konservativen Premier Mirek Topolánek (ODS) und eine Übergangsregierung führte die Geschäfte.
Noch hält Fiala an seinem Innenminister fest. Der Druck wird aber nicht nachlassen. Dafür wird Babiš sorgen. Denn der europakritische Ex-Premier wird sich auf der politischen Bühne profilieren wollen. Dafür hat er zwei Gründe. Erstens möchte der Gründer der populistischen Partei ANO den bisherigen Amtsinhaber Miloš Zeman als Staatspräsident in der Prager Burg ablösen und befindet sich daher in einem Dauerwahlkampf. Im Oktober entscheidet Babiš über seine Kandidatur für das höchste Staatsamt. Zweitens ist Angriff für Babiš noch immer die beste Verteidigung angesichts von Korruptionsvorwürfen.
In Frankreich laufen neue Ermittlungen gegen den wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Dabei geht es um 16 Immobilien im Wert von rund 15 Millionen Euro. Bereits seit März steht er wegen Betrugs von EU-Subventionen für sein luxuriöses Tagungshotel “Storchennest” in der Nähe von Prag unter Anklage.
Regierungschef Fiala gibt sich unterdessen entschlossen. Seine Regierung prüft die Einführung einer Übergewinnsteuer für Unternehmen zu Beginn des kommenden Jahres, die vom Ukraine-Krieg überdurchschnittlich profitieren. “Ich bin offen für eine solche Debatte”, sagte der Ministerpräsident der Agentur CTK. Im Auge hat der Premier insbesondere die Energie- und Mineralölbranche sowie die Banken. Ausländische Banken wie die österreichische Erste Group oder der teilstaatliche Energiekonzern CEZ wären davon betroffen. Die Unternehmenssteuer liegt in Tschechien in der Regel bei 19 Prozent. Eine Entscheidung will die Koalition in Prag Mitte September fällen.
Ungarn hat angeboten, von der EU-Kommission kritisierte Gesetze zu ändern, um rechtsstaatliche Missstände in dem Land zu beseitigen. Die Regierung habe einen Teil dieser Gesetzesänderungen bereits in Brüssel eingereicht und weitere Gesetzesänderungen zugesagt, falls mit der Kommission eine Einigung in dem laufenden Konditionalitätsverfahren zustande komme, sagte der Stabschef von Premierminister Viktor Orbán, Gergely Gulyas. Damit werde Ungarn ein “strengeres und transparenteres System als je zuvor” für die Verwendung von EU-Geldern und öffentlichen Aufträgen schaffen.
Die Kommission hatte im April erstmals ein Verfahren nach dem neuen Konditionalitätsmechanismus eingeleitet. Die Brüsseler Behörde könnte die Auszahlung von Milliarden aus dem EU-Budget einfrieren, wenn Budapest nicht energischer gegen Korruption und Vetternwirtschaft bei der Verwendung der Gelder vorgeht. Haushaltskommissar Johannes Hahn hatte die Regierung am 20. Juli aufgefordert, binnen eines Monats weitere Maßnahmen vorzuschlagen. Das Antwortschreiben aus Budapest ging am Montagabend kurz vor Ablauf der Frist in Brüssel ein.
Aus der Kommission hieß es, die angebotenen Maßnahmen müssten zunächst gründlich geprüft werden, um sie bewerten zu können. Die Behörde hat dafür nun ihrerseits einen Monat Zeit. Dann könnte sie den anderen Mitgliedstaaten empfehlen, einen gewissen Teil der eigentlich für Ungarn vorgesehenen EU-Mittel zurückzubehalten. Dafür würde eine qualifizierte Mehrheit im Rat genügen. Die Hürde ist damit weit niedriger als in dem Rechtsstaatsverfahren nach Artikel sieben des EU-Vertrages, der sich bislang als wenig wirksam erwiesen hat.
Formal getrennt ist das Verfahren um die Freigabe der Ungarn eigentlich zustehenden Milliarden aus dem EU-Aufbaufonds. Die von der Kommission hier bemängelten Missstände sind aber die gleichen wie im Konditionalitätsverfahren. Angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen steht Orbán daher unter erheblichem Druck, Zugeständnisse zu machen, um die dringend benötigten Milliardengelder zu erhalten. Die Verhandlungen mit Brüssel führt insbesondere der frühere EU-Bildungskommissar Tibor Navracsics, heute Minister für regionale Entwicklung. tho
Die diesjährige Dürre in Europa ist die schlimmste seit mindestens 500 Jahren. Das geht aus einem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der EU-Kommission hervor. Knapp zwei Drittel der Fläche Europas befänden sich noch immer in einem kritischen Zustand. 47 Prozent der Fläche weist weniger Niederschläge als üblich und dadurch defizitäre Bodenfeuchtigkeit auf. 17 Prozent der Fläche Europas befinden sich laut den Forscherinnen und Forschern sogar im “Alarmzustand”. Vegetation und Kulturpflanzen seien durch die Dürre in Gefahr.
Wassermangel und Hitze würden zudem die Ernteerträge niedriger ausfallen lassen, heißt es in einem Zusatzbericht zu den landwirtschaftlichen Ressourcen in der EU. Die Ertragsprognosen für Körnermais, Sojabohnen und Sonnenblumen lägen jeweils 16 Prozent, 15 Prozent und 12 Prozent unter dem 5-jährigen Durchschnitt, heißt es dort.
Laut dem Deutschen Bauernverband hätten die deutschen Bauern zwar eine etwas größere Getreideernte eingefahren. Sie sehen aber weiter eine angespannte Lage und hohe Preise in den Supermärkten. Nach vorläufigen Einschätzungen wurden 43 Millionen Tonnen Getreide geerntet und damit zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Die Erntemenge lag demnach aber erneut unter dem Schnitt der vergangenen Jahre. Vor allem die Mitte Deutschlands trafen Dürreschäden wegen langer Trockenheit, teils wird Gras als Tierfutter knapp. Hohe Kosten drücken bei vielen Höfen aufs Geschäft.
Das Niederschlagsdefizit hat sich gemäß der EU-Kommission auch auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft und die Kühlsysteme von Kraftwerken sowie auf den Flussverkehr ausgewirkt. Endgültige Daten über die tatsächlichen Auswirkungen der Dürre werden für nach dem Ende der Dürresaison erwartet. Die Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die vorläufigen Einschätzungen bestätigen werden. luk/dpa
Das Potenzial an erneuerbaren Energien in den G20-Ländern übersteigt den derzeitigen Energiebedarf. Daher sei es möglich, fossile Energiequellen in den 20 größten Industriestaaten bis 2050 vollständig durch Erneuerbare zu ersetzen. Das ist das Ergebnis einer heute veröffentlichten Studie der Stiftungsplattform F20 und der Technischen Universität Sydney.
Um auf Kurs für die Pariser Klimaziele zu bleiben, müssten die G20 ihre Primärenergie zu 64 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen beziehen, heißt es in der Untersuchung. Die Studie nimmt die theoretischen Potenziale für die Wind- und Solarenergieerzeugung der Länder zur Grundlage, um Ausbauziele festzulegen. Demnach würden zwei Prozent der für Erneuerbare Energieerzeugung nutzbaren Fläche der G20 ausreichen, um den globalen Energieverbrauch zu decken. Allein in den 27 EU-Ländern seien 34.403 GW Solarenergie und 6.708 GW Windenergie möglich.
Aufgrund dieser theoretischen Annahme der Erzeugungskapazitäten fordern die Autoren insbesondere Brasilien (74,9 Prozent), Saudi-Arabien (67,2 Prozent) und China (66,5 Prozent) auf, den Anteil ihrer Energiegewinnung aus Erneuerbaren bis 2030 zu erhöhen. Die 27 EU-Staaten müssten demnach 54,6 Prozent erneuerbare Primärenergie erreichen. 2040 wären über 90 Prozent nötig, um 2050 schließlich die 100 Prozent zu erreichen.
Bei der Stromerzeugung müssten die G20 bis 2030 einen Erneuerbaren-Anteil von 71 Prozent erreichen und beim Heizen 57 Prozent, damit das 1,5 Grad-Ziel in Reichweite bliebe. Den größten Nachholbedarf gibt es laut der Studie bei der Energieversorgung des Verkehrssektors. 2019 seien nur 5 Prozent des Energieverbrauchs durch Erneuerbare gedeckt worden. Bis 2030 müsse der Anteil in den 20 größten Industrienationen auf 62 Prozent ansteigen.
Der Fokus auf die G20-Länder ergibt sich laut der Stiftungsplattform aus der besonderen Verantwortung der Gruppe beim Klimaschutz. Die G20 seien für rund 80 Prozent der globalen energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich und haben sich mit der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens zur Dekarbonisierung der Wirtschaft und zum Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet. Die nationalen Strategien zum Ausbau der Erneuerbaren und zur Emissionsreduktion seien jedoch bislang unzureichend. luk
Norwegen hat eine Erdgasförderung in der gegenwärtigen, rekordverdächtigen Höhe bis Ende des Jahrzehnts in Aussicht gestellt. Das jetzige Produktionsniveau dürfte bis 2030 eingehalten werden können, sagte Energieminister Terje Aasland am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Es gebe “Projekte und Pläne für die Entwicklung und den Betrieb, die dazu beitragen können, die hohen Gasmengen auch in Zukunft zu erhalten”. Angesichts eines im Juni unterzeichneten Abkommens mit der EU sei er auch zuversichtlich, was die langfristige Nachfrage nach norwegischem Erdgas in Europa angehe.
Aasland erteilte Überlegungen zu einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne eine Absage. Derartige Diskussionen fänden nicht statt, sagte er Reuters. “Die zusätzlichen Einnahmen, die Unternehmen jetzt erzielen können, bilden die Grundlage für zukünftige Investitionen und die Basis für die gesamte Transformation des Energiesektors.”
Schätzungen vom Mai zufolge dürfte Norwegen in diesem Jahr etwa 122 Milliarden Kubikmeter (bcm) Erdgas produzieren. Dies wären acht Prozent mehr als 2021 und möglicherweise ein neuer Rekord. Das Nicht-EU-Land hat inzwischen Russland als größten Erdgas-Versorger Europas abgelöst, wie aus Daten von Refinitiv Eikon hervorgeht. Der größte Öl- und Erdgasproduzent des Landes, Equinor, befindet sich mehrheitlich in Staatsbesitz. Der Konzern hat angekündigt, Investitionen in erneuerbare Energien erhöhen zu wollen. Allerdings soll angesichts der Nachfrage in Europa nach fossilen Brennstoffen aus Norwegen deren Erschließung ebenfalls vorangetrieben werden. rtr
Der polnische Präsident Andrzej Duda hat in Kiew eine Beseitigung der brachliegenden Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland gefordert. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine könne es im Verhältnis zu Moskau keine Rückkehr zur Normalität geben, sagte Duda am Dienstag bei den Online-Beratungen der sogenannten Krim-Plattform. Deshalb sei eine andere Politik des Westens nötig, “die nicht nur dazu führt, Nord Stream 2 zu stoppen, sondern Nord Stream 2 zu beseitigen”, sagte Duda der polnischen Agentur PAP zufolge.
Polen und andere östliche EU-Länder kritisieren das russisch-deutsche Projekt seit Jahren, weil es den Gastransit durch die Ukraine aushebelt. Wegen des sich damals abzeichnenden russischen Angriffs lehnte die Bundesregierung im Februar eine Inbetriebnahme der Leitung ab. Es gibt aber Stimmen in Deutschland, die fordern, Nord Stream 2 zu öffnen.
Bei der Krim-Plattform mobilisiert die Ukraine internationale Hilfe zur Heimholung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim. “Die Krim war und ist genauso ein Teil der Ukraine wie Danzig oder Lublin ein Teil Polens, wie Nizza ein Teil Frankreichs, Köln ein Teil Deutschlands und Rotterdam ein Teil der Niederlande ist”, sagte Duda. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, dessen Land gute Beziehungen zu Russland unterhält, sagte nach Berichten in Kiew, dass die Krim völkerrechtlich eindeutig zur Ukraine gehöre. dpa
Mauro Petriccione, seit 2018 Generaldirektor der Generaldirektion CLIMA, ist am gestrigen Dienstag plötzlich gestorben, teilte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, mit. Er starb an einem Herzinfarkt.
In den vergangenen vier Jahren leitete er eine Generaldirektion, die immer mehr an Bedeutung gewinnt – besonders innerhalb einer Institution, die bei den Themen Klima und Energie bisher eher die Generaldirektion für Energie (GD ENER) bevorzugt hatte. Ein hohes Arbeitspensum für den 59-jährigen Italiener.
Die Einführung des EU Green Deal im Jahr 2019 trug zum Aufschwung dieser Generaldirektion bei, denn die GD CLIMA entwickelt federführend kosteneffiziente Strategien und Rechtsvorschriften im Sinne des europäischen Grünen Deals und ermöglicht deren Umsetzung. Auf internationale Ebene ist die Generaldirektion CLIMA der Kommission zuständig für die EU-Klimapolitik und führt die internationalen Klimaverhandlungen für die EU.
Petriccione schloss 1982 sein Jurastudium an der Universität Bari ab und erwarb später einen Master-Abschluss an der London School of Economics. Er trat 1987 in die Kommission ein und war von 2004 bis 2014 für den Bereich Handel verantwortlich.
“Mit tiefer Trauer habe ich vom Tod von Mauro Petriccione, unserem Generaldirektor für Klimapolitik, erfahren. Mauro war ein geschätzter und geachteter Kollege. Seine Arbeit brachte ihm Respekt und Freundschaften in Europa und darüber hinaus ein. Meine Gedanken sind in diesen traurigen Stunden bei seiner Familie und seinen Freunden”, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. cst
Jan Pie blickt auf ein schwedisches U-Boot, wenn er aus dem Fenster seines Brüsseler Büros schaut. Es handelt sich um die A-26 der Firma Saab, die auf Tarnkappeneinsätze in der besonders flachen Ostsee spezialisiert ist, erklärt der Generalsekretär des Europäischen Verbands der Verteidigungs- und Luftfahrtindustrie (ASD). Zum Glück handelt es sich dabei nur um ein Modell auf der Fensterbank. Er erhalte gelegentlich solche Geschenke von ASD-Mitgliedern und behalte sie gerne, sagt er.
Pie, ein in Helsinki geborener Schwede, leitet eine Organisation, die 20 große europäische Unternehmen und 21 nationale Verbände mit Sitzen in 17 Ländern hat. Die letzten drei Jahre waren hart, sagt er. Die Pandemie hat in der Luftfahrt für Chaos gesorgt. Jetzt gehen riesige Aufträge bei den Rüstungsunternehmen ein, da die Regierungen in Europa ihre Verteidigungsausgaben plötzlich massiv erhöhen. “Sie sagen, sie wollen 200 Fahrzeuge, und am nächsten Tag wollen sie 400 Fahrzeuge. Woher sollen diese zusätzlichen Produktionskapazitäten kommen?”
Dennoch und trotz all des menschlichen Leids hat der Einmarsch Russlands in der Ukraine die notwendigen Veränderungen in Europa beschleunigt, ist er überzeugt. “Europa hat schon seit langem einen erheblichen Investitionsrückstand”, sagt er. “Was jetzt geschieht, ist nur ein Katalysator für etwas, das ohnehin getan werden muss.”
In den fast zehn Jahren seiner Tätigkeit bei ASD hat sich die europäische Verteidigungslandschaft stark verändert. Dass die Fragmentierung der Rüstungsproduktion durch eine stärkere gemeinsame Beschaffung in der EU überwunden werden muss, hat sich mittlerweile als Ansicht durchgesetzt. Der Europäische Verteidigungsfonds war ein Wendepunkt. Außerdem sind die Beziehungen zwischen den EU-Institutionen und der Industrie heute enger, was er begrüßt. Jetzt wendet sich die Kommission an Vertreter der Industrie, um deren Meinung einzuholen.
Vom schwedischen Verband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie kam Pie zur ASD. Davor arbeitete er 15 Jahre lang bei SOS Alarm, einem Unternehmen, das sich auf Notrufzentralen spezialisiert hat. Von seiner Ausbildung her ist er jedoch Spezialist für Lebensversicherungen. Über Umwege ist er also in der Militärbranche gelandet. “Ich persönlich hatte nie ein Problem damit, für die Rüstungsindustrie zu arbeiten. Insgesamt ist es eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir offene und demokratische Gesellschaften verteidigen können.”
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen Waffen in die falschen Hände geraten. “Wenn ich davon lese, bin ich natürlich persönlich betroffen. Ich finde, dass das eine Katastrophe ist und dass wir alle Mechanismen haben sollten, um sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert.” Die ASD als Organisation tue jedoch nichts Konkretes dagegen, räumt er ein. Exportlizenzen unterlägen schließlich der Kontrolle der Regierungen, sagt er.
Laut Pie unterstützten die meisten EU-Regierungen Waffenexporte, weil sie es lokalen Rüstungsunternehmen ermöglichen, ihre Produktionskapazitäten nach dem Ende des Kalten Krieges aufrechtzuerhalten. Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Dennoch sieht Pie keine EU-Armee am Horizont auftauchen. “Aber ich würde gerne eine viel stärkere Konsolidierung auf der Nachfrageseite der EU-Rüstungsindustrie sehen.”
In den kommenden Jahren will Pie dafür sorgen, dass die ASD besser kommuniziert. “Sowohl der Luftfahrt- als auch der Verteidigungssektor haben mit der öffentlichen Wahrnehmung zu kämpfen”, sagt er. “Der eine ist der Umweltverschmutzer, der andere verkauft Waffen, die in die falschen Hände geraten.” Die ASD muss “da draußen sein, diskutieren und transparent machen, was wir tun”. Ella Joyner
große Worte gestern von Bundeskanzler Olaf Scholz in Toronto: Kanada habe “fast grenzenloses Potenzial, eine Supermacht bei erneuerbaren Energien und der nachhaltigen Förderung von Rohstoffen zu werden”, sagte er bei einem Auftritt mit Premierminister Justin Trudeau. Kurz danach unterzeichneten Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck ein Abkommen mit Kanada über die Kooperation bei der Herstellung und dem Transport von Wasserstoff. Auch bei Rohstoffen für die Batterieproduktion wollen die beiden Länder kooperieren – denn Deutschlands Autohersteller sind massiv abhängig von Rohstoffen wie Lithium, Nickel, Grafit oder Kobalt aus dem Ausland. Leonie Düngefeld und Markus Grabitz berichten.
Schon einmal brach Tschechiens Regierung auseinander, während das Land den Vorsitz bei der EU-Ratspräsidentschaft innehatte. Wiederholt sich dieser Schrecken bald? Der tschechische Regierungschef Petr Fiala muss sich womöglich bald einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Auch in der Slowakei, mit Tschechien historisch eng verbunden, gibt es Spekulationen auf Neuwahlen noch in diesem Jahr. Hans-Peter Siebenhaar hat die Lage analysiert.
Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine habe die notwendigen Veränderungen in Europa beschleunigt. Damit meint Jan Pie, Generalsekretär der AeroSpace and Defence Industries Association of Europe, unter anderem, dass der Fragmentierung der Rüstungsproduktion durch eine stärke gemeinsame Beschaffung in der EU entgegengewirkt wird – eine überfällige Entwicklung. Wir stellen Jan Pie im Portrait vor.
Lithium, Kobalt, Nickel, Grafit: All diese Rohstoffe sind Bestandteile von Batterien für E-Fahrzeuge – und Kanada ist aus deutscher Sicht ein Paradies: “Das Land verfügt über ähnliche reiche Bodenschätze wie Russland – mit dem Unterschied, dass es eine verlässliche Demokratie ist”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag nach seiner Ankunft in Montréal.
Damit bezog er sich nicht nur auf LNG und Wasserstoff. Unter seinen Mitreisenden waren auch Volkswagen-Chef Herbert Diess und Mercedes-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. Beide unterzeichneten gestern mit der kanadischen Regierungen Grundsatzvereinbarungen: Sie wollen die E-Mobilität fördern und Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der kanadischen Automobil- und Batterielieferkette prüfen.
In Anwesenheit von Kanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck unterschrieben Diess und Schäfer mit dem kanadischen Minister für Innovation, Wissenschaft und Industrie, François-Philippe Champagne, jeweils ein “Memorandum of Understanding“. Die Konzerne und die kanadische Regierung wollen prüfen, welchen Beitrag Kanada zu den globalen und regionalen Batterielieferketten der Autohersteller leisten kann. Dabei geht es um die gesamte Wertschöpfungskette: um die technische Entwicklung, die Rohstoffgewinnung, die Produktion, Nutzungsdauer und das Recycling.
Beide Konzerne betonen zudem, in eine saubere und klimafreundliche Wirtschaft investieren zu wollen. “Mercedes-Benz ist dabei, die Produktion von Elektrofahrzeugen drastisch zu steigern”, erklärte Markus Schäfer. “Deshalb sind wir auch dabei, uns neue Wege zu erschließen, um auf verantwortungsvolle Art an die dafür notwendigen Rohstoffe zu kommen.
Der direkte Zugang zu den Produzenten dieser Materialien ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.” Mit Kanada habe Mercedes einen geeigneten Partner, “um eine neue Ära der nachhaltigen Transformation in der Automobilindustrie einzuleiten.”
“Die Versorgung mit Batterierohstoffen und die Produktion von Vorläufer- und Kathodenmaterialien mit geringem CO2-Fußabdruck werden einen schnellen und nachhaltigen Ausbau von Batteriekapazitäten ermöglichen”, sagte VW-Chef Diess. “Ein wichtiger Hebel für unsere Wachstumsstrategie in Nordamerika.”
Mit dem Markthochlauf von E-Autos steigt der Bedarf an den Rohstoffen für Batterien. Eine Studie der Unternehmensberatung PWC zum Investitions- und Rohstoffbedarf besagt, dass die globale Nachfrage nach den wichtigsten aktiven Batterie-Materialien von 0,4 Millionen Tonnen im Jahr 2021 um das 15-fache auf 6 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen wird. Dies entspricht einem jährlichen Zuwachs um 34 Prozent.
Europa sei zwar beim Bau von Zellfabriken gut aufgestellt. 2025 würden die in Europa ansässigen Zellfabriken sogar einen Überschuss produzieren, der in die USA exportiert werden könne. Und auch für das Jahr 2030 gehen die Autoren davon aus, dass Europa seinen Bedarf an Batteriezellen selbst decken kann.
Im Hinblick auf die Bestandteile der Batteriezelle ist Europa laut der PWC-Studie jedoch schlecht aufgestellt. Weniger als ein Prozent der aktiven Materialien für die E-Batterien seien 2021 in Europa produziert worden, rund ein Prozent der aktiven Materialien seien hier verarbeitet worden. Die Studie zieht das Fazit: “Der Fußabdruck Chinas in der Wertschöpfungskette für die Batterieproduktion ist stark ausgeprägt.” China bestimme 80 Prozent davon.
Bei den fünf aktiven Materialien habe Europa bei der Verarbeitung von Lithium, Nickel und Grafit gar keinen Anteil. Bei Kobalt liege der Wert bei 18 Prozent und bei Mangan bei vier Prozent. Die Studie weist darauf hin, wie sehr die Industrie aufholen muss, um Abhängigkeiten zu reduzieren – schließlich werde Europa im Jahr 2030 etwa 30 Prozent der global produzierten E-Autos bauen.
Die deutschen Hersteller verfolgen dazu unterschiedliche Strategien. BMW geht – wieder einmal – einen Sonderweg. Als einziger deutscher Hersteller sind die Bayern nicht über Beteiligungen in eine eigene Batteriezellproduktion eingestiegen. Vielmehr unterhält der Konzern im Münchener Stadtteil Parsdorf eine Prototyp-Fabrik. Hier verfolgen BMW-Ingenieure die neuesten Entwicklungen bei der Zellchemie mit, um technologisch auf dem aktuellen Stand zu sein.
Ziel ist, die Kompetenz zu erwerben, um sich den besten Lieferanten auszusuchen und ihm Vorgaben für die Produktion und Konfiguration zu machen. Damit spart sich das Unternehmen Milliardeninvestitionen in eigene Zellfabriken. Es hat aber auch keinen direkten Einfluss darauf, ob die Rohstoffe für die Zellproduktion abgesichert sind gegen die zahlreichen geopolitischen Risiken.
VW und Mercedes gehen einen anderen Weg. Später als Tesla, aber immerhin: Beide Konzerne sind in den letzten Jahren auch in die Produktion von Batteriezellen eingestiegen und Partnerschaften mit Pionieren und etablierten Batterieherstellern eingegangen.
VW will bis 2030 mit Partnern in Europa sechs Gigafabriken bauen, die eine jährliche Kapazität von 240 Gigawattstunden bereitstellen sollen. Mercedes beteiligt sich weltweit am Bau von acht Fabriken, die für eine Leistung von 200 Gigawattstunden stehen.
VW hat zudem das Batterieunternehmen PowerCo gegründet, das alle globalen Aktivitäten des Konzerns entlang der Batterie-Lieferkette bündeln soll. PowerCo soll nun die Zusammenarbeit mit Kanada – sowie in der gesamten Region Nordamerika – vorantreiben. VW prüft dort auch mögliche Standorte für eine eigene Gigafactory für Batteriezellen.
Um sich die benötigten Materialien zu sichern, verfolgen beide Unternehmen die Strategie der vertikalen Integration der Lieferkette. VW hat dafür etwa mit Umicore, einem Hersteller von Materialien, eine Kooperation gestartet. Das Joint Venture soll die Gigafabrik in Salzgitter mit Material versorgen. Es ziele “auf den gemeinsamen Aufbau von Produktionskapazitäten für Vorstufen- und Kathodenmaterial in Europa sowie die nachhaltige Sicherung von Rohstoffkapazitäten aus verantwortungsvollen Quellen zu wettbewerbsfähigen Preisen”.
VW hat sich zudem an dem US-Start-up 24 M beteiligt. Neue Produktionsmethoden sollen Materialien einsparen helfen. Außerdem hat VW einen Vertrag mit Vulcan Energy, einem deutschen Unternehmen im Oberrheingraben, das VW ab 2026 CO2-neutrales Lithium liefern will.
Bei Mercedes heißt es: “Wir wollen den Rohstoffbezug diversifizieren, die Widerstandsfähigkeit unserer Lieferketten stärken und Abhängigkeiten reduzieren.” Man arbeite an ressourceneffizienten Produktionsmethoden, die den Einsatz kritischer Materialien reduzieren. “Der Kobaltanteil an den Kathoden der Batteriezellen des EQS liegt beispielsweise bei weniger als zehn Prozent und wurde im Vergleich zur vorigen Batteriegeneration deutlich verringert”, teilt der Konzern mit.
Um Rohstoffe wiederzugewinnen, baut Mercedes gerade eine CO2-neutrale Recyclingfabrik im süddeutschen Kuppenheim. Mercedes erklärt: “China verfügt über große Raffinadekapazitäten für seltene Rohstoffe.”
Auch Mercedes beziehe Seltene Erden aus China. Mit den direkten Zulieferern habe das Unternehmen aber Vereinbarungen getroffen. Sie sehen vor, dass es für die Seltenen Erden (Neodym, Terbium, Dysprosium) jeweils zwei Lieferanten geben muss, die in verschiedenen Regionen ansässig sind. Markus Grabitz und Leonie Düngefeld, mit rtr
Noch immer verstehen sich Tschechien und die Slowakei als politisches Tandem. Die gemeinsame Geschichte in der einstigen Tschechoslowakei eint bis heute in der Außenpolitik. Die Regierungschefs der beiden Länder haben daher an den 54. Jahrestag des Einmarsches der damaligen Sowjetunion in einer gemeinsamen Botschaft erinnert.
Sie nutzten die Chance, ihre übereinstimmende Position zum heutigen Russland angesichts des Angriffs auf die Ukraine zu formulieren. “Unsere aktive Unterstützung für die Ukraine ist besonders wichtig, da die Schrecken des Krieges und das Leid der Zivilbevölkerung buchstäblich vor unserer Haustür stehen”, sagte der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger in einer Videobotschaft.
“Wir wollen nicht, dass Russland unser Nachbar ist.” Vor knapp drei Jahrzehnten wurde der gemeinsame Staat Tschechoslowakei friedlich aufgelöst und die Tschechische sowie die Slowakische Republik gegründet. Bisweilen gibt es aber auch unfreiwillige Gemeinsamkeiten zwischen Prag und Bratislava (Pressburg). Denn beide Regierungskoalitionen stehen unter politischem Druck.
In der Slowakei droht die Regierung Ende des Monats auseinanderzubrechen. Die Regierungspartei Freiheit und Solidarität (SaS) hatte dem Finanzminister Igor Matovič (OĽaNO) bereits zum Sommer eine Frist gesetzt. Entweder er tritt bis Ende des Monats zurück oder die Regierungskoalition platzt mit dem Austritt der SaS.
Der frühere Premier und Vorsitzende der Partei OĽaNO (Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten) Matovič ist umstritten. Im Frühjahr vergangenen Jahres musste er dem früheren Finanzminister Eduard Heger das Amt des Regierungschefs überlassen. Matovič hat eine Reihe von Gesetzen, darunter sein kontroverses Finanzpaket gegen die hohe Inflation, mit Unterstützung von Rechtsextremisten im Parlament durchgesetzt.
Wenn die SaS ihre Drohungen Ende August wahr machen sollte, dann droht der Slowakei eine Minderheitsregierung. Wie lange so eine Koalition ohne Mehrheit im Parlament durchhalten wird, steht in den Sternen. In Bratislava wird bereits über Neuwahlen noch in diesem Jahr spekuliert. Das könnte der linkspopulistischen Opposition SMER nutzen. Mit dem ehemaligen Premier Robert Fico stünde zudem ein machterprobter Politiker bereit. Ein Comeback von Fico wäre allerdings eine Zerreißprobe für das EU-Land.
Denn gegen etliche SMER-Politiker laufen Ermittlungsverfahren und Prozesse wegen Korruption und anderer Vergehen. Die Slowakei hatte in den vergangenen Jahren wegen ihrer mafiösen Wirtschaftsstrukturen immer für Schlagzeilen gesorgt. Das Land befindet sich im globalen Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 56 – noch hinter Ruanda, Saudi-Arabien und dem Oman.
In Tschechien muss sich der tschechische Regierungschef Petr Fiala womöglich bald einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Sein Gegenspieler, der frühere Ministerpräsident und Multimilliardär Andrej Babiš droht mit einem solchen Schritt. Der wegen Missbrauch von EU-Geldern viel kritisierte Babiš forderte in einem offenen Brief zuletzt den Rauswurf des Innenministers Vít Rakušan wegen Inkompetenz und angeblich nachweislichen Beziehungen zu Mafia-Strukturen. Der 42-jährige Politiker, der fließend Deutsch spricht, ist auch stellvertretender Ministerpräsident.
Das Misstrauensvotum wird angesichts klarer Mehrheitsverhältnisse die Regierung in Prag nicht aus den Angeln heben. Doch der Vorgang ist für den liberalkonservativen Premier Fiala lähmend. Schließlich hat Tschechien bis Ende des Jahres den Ratsvorsitz in der EU inne. Altgediente Europapolitiker erinnern sich mit Schrecken an die letzte EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens. Im Jahr 2009 stürzte die Regierung unter dem konservativen Premier Mirek Topolánek (ODS) und eine Übergangsregierung führte die Geschäfte.
Noch hält Fiala an seinem Innenminister fest. Der Druck wird aber nicht nachlassen. Dafür wird Babiš sorgen. Denn der europakritische Ex-Premier wird sich auf der politischen Bühne profilieren wollen. Dafür hat er zwei Gründe. Erstens möchte der Gründer der populistischen Partei ANO den bisherigen Amtsinhaber Miloš Zeman als Staatspräsident in der Prager Burg ablösen und befindet sich daher in einem Dauerwahlkampf. Im Oktober entscheidet Babiš über seine Kandidatur für das höchste Staatsamt. Zweitens ist Angriff für Babiš noch immer die beste Verteidigung angesichts von Korruptionsvorwürfen.
In Frankreich laufen neue Ermittlungen gegen den wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Dabei geht es um 16 Immobilien im Wert von rund 15 Millionen Euro. Bereits seit März steht er wegen Betrugs von EU-Subventionen für sein luxuriöses Tagungshotel “Storchennest” in der Nähe von Prag unter Anklage.
Regierungschef Fiala gibt sich unterdessen entschlossen. Seine Regierung prüft die Einführung einer Übergewinnsteuer für Unternehmen zu Beginn des kommenden Jahres, die vom Ukraine-Krieg überdurchschnittlich profitieren. “Ich bin offen für eine solche Debatte”, sagte der Ministerpräsident der Agentur CTK. Im Auge hat der Premier insbesondere die Energie- und Mineralölbranche sowie die Banken. Ausländische Banken wie die österreichische Erste Group oder der teilstaatliche Energiekonzern CEZ wären davon betroffen. Die Unternehmenssteuer liegt in Tschechien in der Regel bei 19 Prozent. Eine Entscheidung will die Koalition in Prag Mitte September fällen.
Ungarn hat angeboten, von der EU-Kommission kritisierte Gesetze zu ändern, um rechtsstaatliche Missstände in dem Land zu beseitigen. Die Regierung habe einen Teil dieser Gesetzesänderungen bereits in Brüssel eingereicht und weitere Gesetzesänderungen zugesagt, falls mit der Kommission eine Einigung in dem laufenden Konditionalitätsverfahren zustande komme, sagte der Stabschef von Premierminister Viktor Orbán, Gergely Gulyas. Damit werde Ungarn ein “strengeres und transparenteres System als je zuvor” für die Verwendung von EU-Geldern und öffentlichen Aufträgen schaffen.
Die Kommission hatte im April erstmals ein Verfahren nach dem neuen Konditionalitätsmechanismus eingeleitet. Die Brüsseler Behörde könnte die Auszahlung von Milliarden aus dem EU-Budget einfrieren, wenn Budapest nicht energischer gegen Korruption und Vetternwirtschaft bei der Verwendung der Gelder vorgeht. Haushaltskommissar Johannes Hahn hatte die Regierung am 20. Juli aufgefordert, binnen eines Monats weitere Maßnahmen vorzuschlagen. Das Antwortschreiben aus Budapest ging am Montagabend kurz vor Ablauf der Frist in Brüssel ein.
Aus der Kommission hieß es, die angebotenen Maßnahmen müssten zunächst gründlich geprüft werden, um sie bewerten zu können. Die Behörde hat dafür nun ihrerseits einen Monat Zeit. Dann könnte sie den anderen Mitgliedstaaten empfehlen, einen gewissen Teil der eigentlich für Ungarn vorgesehenen EU-Mittel zurückzubehalten. Dafür würde eine qualifizierte Mehrheit im Rat genügen. Die Hürde ist damit weit niedriger als in dem Rechtsstaatsverfahren nach Artikel sieben des EU-Vertrages, der sich bislang als wenig wirksam erwiesen hat.
Formal getrennt ist das Verfahren um die Freigabe der Ungarn eigentlich zustehenden Milliarden aus dem EU-Aufbaufonds. Die von der Kommission hier bemängelten Missstände sind aber die gleichen wie im Konditionalitätsverfahren. Angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen steht Orbán daher unter erheblichem Druck, Zugeständnisse zu machen, um die dringend benötigten Milliardengelder zu erhalten. Die Verhandlungen mit Brüssel führt insbesondere der frühere EU-Bildungskommissar Tibor Navracsics, heute Minister für regionale Entwicklung. tho
Die diesjährige Dürre in Europa ist die schlimmste seit mindestens 500 Jahren. Das geht aus einem Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) der EU-Kommission hervor. Knapp zwei Drittel der Fläche Europas befänden sich noch immer in einem kritischen Zustand. 47 Prozent der Fläche weist weniger Niederschläge als üblich und dadurch defizitäre Bodenfeuchtigkeit auf. 17 Prozent der Fläche Europas befinden sich laut den Forscherinnen und Forschern sogar im “Alarmzustand”. Vegetation und Kulturpflanzen seien durch die Dürre in Gefahr.
Wassermangel und Hitze würden zudem die Ernteerträge niedriger ausfallen lassen, heißt es in einem Zusatzbericht zu den landwirtschaftlichen Ressourcen in der EU. Die Ertragsprognosen für Körnermais, Sojabohnen und Sonnenblumen lägen jeweils 16 Prozent, 15 Prozent und 12 Prozent unter dem 5-jährigen Durchschnitt, heißt es dort.
Laut dem Deutschen Bauernverband hätten die deutschen Bauern zwar eine etwas größere Getreideernte eingefahren. Sie sehen aber weiter eine angespannte Lage und hohe Preise in den Supermärkten. Nach vorläufigen Einschätzungen wurden 43 Millionen Tonnen Getreide geerntet und damit zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Die Erntemenge lag demnach aber erneut unter dem Schnitt der vergangenen Jahre. Vor allem die Mitte Deutschlands trafen Dürreschäden wegen langer Trockenheit, teils wird Gras als Tierfutter knapp. Hohe Kosten drücken bei vielen Höfen aufs Geschäft.
Das Niederschlagsdefizit hat sich gemäß der EU-Kommission auch auf die Stromerzeugung aus Wasserkraft und die Kühlsysteme von Kraftwerken sowie auf den Flussverkehr ausgewirkt. Endgültige Daten über die tatsächlichen Auswirkungen der Dürre werden für nach dem Ende der Dürresaison erwartet. Die Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die vorläufigen Einschätzungen bestätigen werden. luk/dpa
Das Potenzial an erneuerbaren Energien in den G20-Ländern übersteigt den derzeitigen Energiebedarf. Daher sei es möglich, fossile Energiequellen in den 20 größten Industriestaaten bis 2050 vollständig durch Erneuerbare zu ersetzen. Das ist das Ergebnis einer heute veröffentlichten Studie der Stiftungsplattform F20 und der Technischen Universität Sydney.
Um auf Kurs für die Pariser Klimaziele zu bleiben, müssten die G20 ihre Primärenergie zu 64 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen beziehen, heißt es in der Untersuchung. Die Studie nimmt die theoretischen Potenziale für die Wind- und Solarenergieerzeugung der Länder zur Grundlage, um Ausbauziele festzulegen. Demnach würden zwei Prozent der für Erneuerbare Energieerzeugung nutzbaren Fläche der G20 ausreichen, um den globalen Energieverbrauch zu decken. Allein in den 27 EU-Ländern seien 34.403 GW Solarenergie und 6.708 GW Windenergie möglich.
Aufgrund dieser theoretischen Annahme der Erzeugungskapazitäten fordern die Autoren insbesondere Brasilien (74,9 Prozent), Saudi-Arabien (67,2 Prozent) und China (66,5 Prozent) auf, den Anteil ihrer Energiegewinnung aus Erneuerbaren bis 2030 zu erhöhen. Die 27 EU-Staaten müssten demnach 54,6 Prozent erneuerbare Primärenergie erreichen. 2040 wären über 90 Prozent nötig, um 2050 schließlich die 100 Prozent zu erreichen.
Bei der Stromerzeugung müssten die G20 bis 2030 einen Erneuerbaren-Anteil von 71 Prozent erreichen und beim Heizen 57 Prozent, damit das 1,5 Grad-Ziel in Reichweite bliebe. Den größten Nachholbedarf gibt es laut der Studie bei der Energieversorgung des Verkehrssektors. 2019 seien nur 5 Prozent des Energieverbrauchs durch Erneuerbare gedeckt worden. Bis 2030 müsse der Anteil in den 20 größten Industrienationen auf 62 Prozent ansteigen.
Der Fokus auf die G20-Länder ergibt sich laut der Stiftungsplattform aus der besonderen Verantwortung der Gruppe beim Klimaschutz. Die G20 seien für rund 80 Prozent der globalen energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich und haben sich mit der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens zur Dekarbonisierung der Wirtschaft und zum Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet. Die nationalen Strategien zum Ausbau der Erneuerbaren und zur Emissionsreduktion seien jedoch bislang unzureichend. luk
Norwegen hat eine Erdgasförderung in der gegenwärtigen, rekordverdächtigen Höhe bis Ende des Jahrzehnts in Aussicht gestellt. Das jetzige Produktionsniveau dürfte bis 2030 eingehalten werden können, sagte Energieminister Terje Aasland am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Es gebe “Projekte und Pläne für die Entwicklung und den Betrieb, die dazu beitragen können, die hohen Gasmengen auch in Zukunft zu erhalten”. Angesichts eines im Juni unterzeichneten Abkommens mit der EU sei er auch zuversichtlich, was die langfristige Nachfrage nach norwegischem Erdgas in Europa angehe.
Aasland erteilte Überlegungen zu einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne eine Absage. Derartige Diskussionen fänden nicht statt, sagte er Reuters. “Die zusätzlichen Einnahmen, die Unternehmen jetzt erzielen können, bilden die Grundlage für zukünftige Investitionen und die Basis für die gesamte Transformation des Energiesektors.”
Schätzungen vom Mai zufolge dürfte Norwegen in diesem Jahr etwa 122 Milliarden Kubikmeter (bcm) Erdgas produzieren. Dies wären acht Prozent mehr als 2021 und möglicherweise ein neuer Rekord. Das Nicht-EU-Land hat inzwischen Russland als größten Erdgas-Versorger Europas abgelöst, wie aus Daten von Refinitiv Eikon hervorgeht. Der größte Öl- und Erdgasproduzent des Landes, Equinor, befindet sich mehrheitlich in Staatsbesitz. Der Konzern hat angekündigt, Investitionen in erneuerbare Energien erhöhen zu wollen. Allerdings soll angesichts der Nachfrage in Europa nach fossilen Brennstoffen aus Norwegen deren Erschließung ebenfalls vorangetrieben werden. rtr
Der polnische Präsident Andrzej Duda hat in Kiew eine Beseitigung der brachliegenden Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland gefordert. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine könne es im Verhältnis zu Moskau keine Rückkehr zur Normalität geben, sagte Duda am Dienstag bei den Online-Beratungen der sogenannten Krim-Plattform. Deshalb sei eine andere Politik des Westens nötig, “die nicht nur dazu führt, Nord Stream 2 zu stoppen, sondern Nord Stream 2 zu beseitigen”, sagte Duda der polnischen Agentur PAP zufolge.
Polen und andere östliche EU-Länder kritisieren das russisch-deutsche Projekt seit Jahren, weil es den Gastransit durch die Ukraine aushebelt. Wegen des sich damals abzeichnenden russischen Angriffs lehnte die Bundesregierung im Februar eine Inbetriebnahme der Leitung ab. Es gibt aber Stimmen in Deutschland, die fordern, Nord Stream 2 zu öffnen.
Bei der Krim-Plattform mobilisiert die Ukraine internationale Hilfe zur Heimholung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim. “Die Krim war und ist genauso ein Teil der Ukraine wie Danzig oder Lublin ein Teil Polens, wie Nizza ein Teil Frankreichs, Köln ein Teil Deutschlands und Rotterdam ein Teil der Niederlande ist”, sagte Duda. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, dessen Land gute Beziehungen zu Russland unterhält, sagte nach Berichten in Kiew, dass die Krim völkerrechtlich eindeutig zur Ukraine gehöre. dpa
Mauro Petriccione, seit 2018 Generaldirektor der Generaldirektion CLIMA, ist am gestrigen Dienstag plötzlich gestorben, teilte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, mit. Er starb an einem Herzinfarkt.
In den vergangenen vier Jahren leitete er eine Generaldirektion, die immer mehr an Bedeutung gewinnt – besonders innerhalb einer Institution, die bei den Themen Klima und Energie bisher eher die Generaldirektion für Energie (GD ENER) bevorzugt hatte. Ein hohes Arbeitspensum für den 59-jährigen Italiener.
Die Einführung des EU Green Deal im Jahr 2019 trug zum Aufschwung dieser Generaldirektion bei, denn die GD CLIMA entwickelt federführend kosteneffiziente Strategien und Rechtsvorschriften im Sinne des europäischen Grünen Deals und ermöglicht deren Umsetzung. Auf internationale Ebene ist die Generaldirektion CLIMA der Kommission zuständig für die EU-Klimapolitik und führt die internationalen Klimaverhandlungen für die EU.
Petriccione schloss 1982 sein Jurastudium an der Universität Bari ab und erwarb später einen Master-Abschluss an der London School of Economics. Er trat 1987 in die Kommission ein und war von 2004 bis 2014 für den Bereich Handel verantwortlich.
“Mit tiefer Trauer habe ich vom Tod von Mauro Petriccione, unserem Generaldirektor für Klimapolitik, erfahren. Mauro war ein geschätzter und geachteter Kollege. Seine Arbeit brachte ihm Respekt und Freundschaften in Europa und darüber hinaus ein. Meine Gedanken sind in diesen traurigen Stunden bei seiner Familie und seinen Freunden”, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. cst
Jan Pie blickt auf ein schwedisches U-Boot, wenn er aus dem Fenster seines Brüsseler Büros schaut. Es handelt sich um die A-26 der Firma Saab, die auf Tarnkappeneinsätze in der besonders flachen Ostsee spezialisiert ist, erklärt der Generalsekretär des Europäischen Verbands der Verteidigungs- und Luftfahrtindustrie (ASD). Zum Glück handelt es sich dabei nur um ein Modell auf der Fensterbank. Er erhalte gelegentlich solche Geschenke von ASD-Mitgliedern und behalte sie gerne, sagt er.
Pie, ein in Helsinki geborener Schwede, leitet eine Organisation, die 20 große europäische Unternehmen und 21 nationale Verbände mit Sitzen in 17 Ländern hat. Die letzten drei Jahre waren hart, sagt er. Die Pandemie hat in der Luftfahrt für Chaos gesorgt. Jetzt gehen riesige Aufträge bei den Rüstungsunternehmen ein, da die Regierungen in Europa ihre Verteidigungsausgaben plötzlich massiv erhöhen. “Sie sagen, sie wollen 200 Fahrzeuge, und am nächsten Tag wollen sie 400 Fahrzeuge. Woher sollen diese zusätzlichen Produktionskapazitäten kommen?”
Dennoch und trotz all des menschlichen Leids hat der Einmarsch Russlands in der Ukraine die notwendigen Veränderungen in Europa beschleunigt, ist er überzeugt. “Europa hat schon seit langem einen erheblichen Investitionsrückstand”, sagt er. “Was jetzt geschieht, ist nur ein Katalysator für etwas, das ohnehin getan werden muss.”
In den fast zehn Jahren seiner Tätigkeit bei ASD hat sich die europäische Verteidigungslandschaft stark verändert. Dass die Fragmentierung der Rüstungsproduktion durch eine stärkere gemeinsame Beschaffung in der EU überwunden werden muss, hat sich mittlerweile als Ansicht durchgesetzt. Der Europäische Verteidigungsfonds war ein Wendepunkt. Außerdem sind die Beziehungen zwischen den EU-Institutionen und der Industrie heute enger, was er begrüßt. Jetzt wendet sich die Kommission an Vertreter der Industrie, um deren Meinung einzuholen.
Vom schwedischen Verband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie kam Pie zur ASD. Davor arbeitete er 15 Jahre lang bei SOS Alarm, einem Unternehmen, das sich auf Notrufzentralen spezialisiert hat. Von seiner Ausbildung her ist er jedoch Spezialist für Lebensversicherungen. Über Umwege ist er also in der Militärbranche gelandet. “Ich persönlich hatte nie ein Problem damit, für die Rüstungsindustrie zu arbeiten. Insgesamt ist es eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir offene und demokratische Gesellschaften verteidigen können.”
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen Waffen in die falschen Hände geraten. “Wenn ich davon lese, bin ich natürlich persönlich betroffen. Ich finde, dass das eine Katastrophe ist und dass wir alle Mechanismen haben sollten, um sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert.” Die ASD als Organisation tue jedoch nichts Konkretes dagegen, räumt er ein. Exportlizenzen unterlägen schließlich der Kontrolle der Regierungen, sagt er.
Laut Pie unterstützten die meisten EU-Regierungen Waffenexporte, weil sie es lokalen Rüstungsunternehmen ermöglichen, ihre Produktionskapazitäten nach dem Ende des Kalten Krieges aufrechtzuerhalten. Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. Dennoch sieht Pie keine EU-Armee am Horizont auftauchen. “Aber ich würde gerne eine viel stärkere Konsolidierung auf der Nachfrageseite der EU-Rüstungsindustrie sehen.”
In den kommenden Jahren will Pie dafür sorgen, dass die ASD besser kommuniziert. “Sowohl der Luftfahrt- als auch der Verteidigungssektor haben mit der öffentlichen Wahrnehmung zu kämpfen”, sagt er. “Der eine ist der Umweltverschmutzer, der andere verkauft Waffen, die in die falschen Hände geraten.” Die ASD muss “da draußen sein, diskutieren und transparent machen, was wir tun”. Ella Joyner