Table.Briefing: Europe

Ausnahmen für Chemieindustrie beim Gas + Umdenken im China-Geschäft + Anja Weisgerber

  • Gassparen mit Ausnahmen für Chemieindustrie
  • Abhängigkeiten sorgen für Umdenken im China-Geschäft
  • Termine
  • Weizenpreise nach Raketenangriff auf Odessa wieder gestiegen
  • Kommission erlaubt Deutschland Förderung von Bahnunternehmen
  • Bundesverfassungsgericht prüft Wiederaufbaufonds der EU
  • Saudischer Kronprinz Mohammed reist nach Athen
  • Im Porträt: Anja Weisgerber – eine Juristin für die Umwelt
Liebe Leserin, lieber Leser,

in der Gaskrise kam gestern eine weitere rabenschwarze Nachricht aus Moskau. Gazprom drosselt ab Mittwoch abermals die Lieferungen durch Nord Stream 1. Gegenmaßnahmen wollen heute die EU-Energieminister beschließen. Nach Informationen von Europe.Table einigten sich die Ständigen Vertreter gestern vorerst auf umfangreiche Ausnahmen für die chemische Industrie. Manuel Berkel berichtet.

Es ist kein Geheimnis, dass europäische und insbesondere auch deutsche Unternehmen stark von China abhängig sind. Die Volksrepublik ist längst zu Deutschlands größtem Handelspartner aufgestiegen. Bei Seltenen Erden, Magnesium und anderen Rohstoffen gibt es sogar kritische Abhängigkeiten. Doch nun findet offenbar ein Umdenken in der Wirtschaft statt: Laut einer Umfrage der EU-Handelskammer in China hat das Land für 77 Prozent der befragten Unternehmen als Investitionsziel an Attraktivität verloren. Doch eine Entflechtung wird alles andere als einfach, wie Nico Beckert analysiert. 

Anja Weisgerber ist Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Umwelt- und Verbraucherschutz und leitet aktuell mit ihrem Kollegen Andreas Jung den Klimakreis der Fraktion. Der Green Deal der EU, sagt sie, sei auch in schwierigen Zeiten kein Ärgernis, “sondern vielmehr Teil der Lösung”. Mehr zu Weisgerbers Werdegang und ihren Überzeugungen lesen Sie im Porträt von Janna Degener-Storr.

Ihre
Sarah Schaefer
Bild von Sarah  Schaefer

Analyse

Gassparen mit Ausnahmen für Chemieindustrie

Wenn schon der Transit durch die Gaspipeline Nord Stream 1 gestört ist, so funktionierte am Montag doch das strategische Spiel zwischen Moskau und Brüssel wie durch kommunizierende Röhren. Russische Medien beobachteten genau die Verhandlungen zwischen den EU-Botschaftern und seien bemüht, das heutige Treffen der Energieminister bereits als gescheitert darzustellen, sagte gestern ein hochrangiger EU-Beamter.

Für die Union komme es nun umso dringender darauf an, Einigkeit zu demonstrieren. Zuletzt hatten mehrere Staaten Änderungsbedarf am Notfallplan für den Winter angemeldet (Europe.Table berichtete), den die Kommission vergangenen Mittwoch vorgestellt hatte. Doch Moskau versuchte am Montag wieder, die Schlagzeilen in der Staatengemeinschaft zu bestimmen.

Gaslieferungen aus Russland erneut gedrosselt

Kremlchef Wladimir Putin hatte in der vergangenen Woche bereits angedroht, dass es um den 26. Juli zu einer weiteren Drosselung der Gaslieferungen aus Russland kommen könnte und eine zweite, angeblich reparaturbedürfte Turbine als Anlass vorgeschoben.

Mit dieser Begründung kündigte Gazprom gestern eine Halbierung der Gaslieferungen auf 20 Prozent der Pipeline-Kapazität oder 33 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag an. Erst seit vergangenem Donnerstag flossen seit dem Abschluss von Routinearbeiten wieder 40 Prozent der maximal möglichen Menge durch Nord Stream 1. Die Gaspreise reagierten bereits auf die neue Ankündigung und stiegen gestern um zehn Prozent auf 177 Euro pro Megawattstunde.

Das Bundeswirtschaftsministerium teilte gestern wie schon bei früheren Drosselungen mit, es gebe nach eigenen Informationen keinen technischen Grund für eine Reduktion der Gaslieferungen durch Russland.

Genau diese Art von Szenario habe Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und das Kollegium dazu veranlasst, ein Vorschlag zur Solidarität beim Gassparen vorzulegen, sagte ein Kommissionssprecher gestern Abend in Brüssel. Diese Entwicklung bestätige die eigene Analyse und man hoffe, dass der Rat der Mitgliedstaaten an diesem Dienstag eine angemessene Antwort beschließen werde.

“Es gibt keinen Plan B”

Ab 9:30 Uhr wollen heute die EU-Energieminister über Änderungen am Kommissionsvorschlag beraten und wenn irgendwie möglich auch eine Notfall-Verordnung des Rates beschließen. “Es gibt keinen Plan B“, sagte der EU-Beamte am Montag über ein mögliches Scheitern. Um 13 Uhr soll das Ergebnis den Medien verkündet werden, für 16 Uhr ist noch eine weitere Pressekonferenz mit dem ukrainischen Energieminister German Galushchenko vorgesehen.

Das Sparziel von 15 Prozent wolle die tschechische Ratspräsidentschaft auf jeden Fall durchsetzen, wie es weiter hieß. Auch den Vergleichszeitraum der vergangenen fünf Jahre wolle Prag erhalten. Griechenland wollte stattdessen lediglich das Jahr 2021 als Basiszeitraum durchsetzen. Die Methodik der Kommission bedeute sonst, dass Griechenland 24 Prozent Gas einsparen müsste, sagte ein Regierungssprecher zu Europe.Table.

Durchsetzen konnte Griechenland aber bereits, dass die Energieminister heute über ein weiteres Thema beraten: die Entkoppelung des Strompreises von den hohen Kosten für die preisbestimmende Gasverstromung. Die Regierung in Athen würde am liebsten die Möglichkeiten ausweiten, ungenutzte Gelder aus dem Wiederaufbaufonds für Transfers an die Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Die Kommission untersucht bereits Optionen für Preis-Caps und ein neues Strommarktdesign. Mehr als ein Bericht über den aktuellen Stand der Untersuchungen ist in der heutigen Sitzung aber wohl nicht zu erwarten.

Rat will Macht der Kommission begrenzen

In der Gasfrage ist sich der Rat bereits darin einig, dass er ein höheres Gewicht beim Ausrufen eines unionsweiten Alarms bekommen soll. Bevor die Kommission diesen ausruft, werden wohl entweder fünf statt nur drei Mitgliedstaaten die Kommission darum ersuchen müssen – oder der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit selbst einen Alarmzustand.

Recht sicher ist auch die Begrenzung der Verordnung auf ein statt zwei Jahre, obwohl der Winter 2023/24 nach den Berechnungen der Kommission noch schwerer werden dürfte als der bevorstehende. Schließlich haben die Mitgliedstaaten schon jetzt Mühe, die Speicher aufzufüllen.

Noch strittig sind mögliche Ausnahmen vom Sparziel. Weitgehend akzeptiert ist, dass ein schlechter oder fehlender Anschluss an das europäische Gasnetz berücksichtigt werden muss. Das hatte bereits die Kommission in ihrem Entwurf so gesehen. Neben den Inselstaaten betrifft dies vor allem Spanien und Portugal, Bedenken hatten aber auch Frankreich, Dänemark und Polen.

Polen will unter anderem verhindern, andere Mitgliedstaaten mit Gas aus einheimischen Vorräten und Reserven beliefern zu müssen, wie Europe.Table aus polnischen Regierungskreisen erfuhr.

Höhere Lasten für Haushalte und Gewerbe drohen

Damit nicht jedes Land andere Ausnahmeregeln durchsetzt, verfolgt die tschechische Ratspräsidentschaft die Strategie, eher Ausnahmen für einzelne Wirtschaftszweige durchzusetzen. Auch dies führte aber teilweise zu ganzen Wunschlisten. Polen wollte mehrere Industrien von den Sparverpflichtungen ausnehmen, etwa Raffinerien, Keramik, Stahl und Stickstoffproduzenten wie Düngemittelhersteller.

Statt einen Katalog kritischer Industriezweige auszubuchstabieren, einigten sich die Ständigen Vertreter gestern Abend auf eine Pauschallösung. Die Mitgliedstaaten sollen die Möglichkeit bekommen, sämtliche Industrien vom Sparziel auszunehmen, in denen Gas stofflich verwendet werde, wie Europe.Table von einem EU-Beamten erfuhr. Als “Feedstock” könnte Gas nur durch andere kohlenstoffhaltige Grundstoffe ersetzt werden, was schwieriger ist als beim Heizen oder der Stromerzeugung.

Sollten die Energieminister dies heute beschließen, droht allerdings die Gefahr, dass die Lasten stärker auf Haushalte und Gewerbebetriebe verschoben werden. Freuen dürfe sich die Chemieindustrie. Von der Einigung heute wird auch noch abhängen, welche Regeln für die Metallindustrie gelten, die das Gas für ihre Öfen, aber nicht als “Feedstock” benötigt. Mit dpa, rtr

  • Energie
  • Erdgas
  • Industrie

Abhängigkeiten sorgen für Umdenken im China-Geschäft

Über Jahre hinweg galt China als einer der bevorzugten Partner der deutschen Politik und Wirtschaft. Die Volksrepublik war Garant für deutsches Wachstum und ist längst zu Deutschlands größtem Handelspartner aufgestiegen. Auto- und Maschinenbauer machen in der Volksrepublik große Umsätze.

Doch vieles deutet darauf, dass das China-Engagement der deutschen Wirtschaft vor einem Wendepunkt steht. Die Corona-Lockdowns und der chinesische Fokus auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit machen das Land zunehmend unattraktiver.

Hinzu kommt die neue Furcht vor zu großen Abhängigkeiten: Dass Deutschland jahrelang massiv auf russisches Gas gesetzt hat, wird sich im Winter wohl in Form einer Rezession rächen. Vor diesem Hintergrund werden auch die engen Bindungen Deutschlands an China neu bewertet. Außenministerin Annalena Baerbock sagte jüngst, es sei ihr “sehr ernst” mit der Reduzierung der Abhängigkeiten von China.

Globaler Marktanteil von 30 Prozent

Leicht wird das nicht. “Europas wirtschaftliche Verflechtungen mit China sind wesentlicher komplexer” als jene mit Russland “und betreffen Sektoren mit einer tief verzweigten Wertschöpfungskette”, sagt Max Zenglein, Chefökonom beim China-Think-Tank Merics gegenüber China.Table.

Bei Seltenen Erden, Magnesium und anderen Rohstoffen gibt es gar kritische Abhängigkeiten (China.Table berichtete). Auch bei Industriegütern haben die Abhängigkeiten stark zugenommen. Laut Merics befinden sich die EU-Staaten in 103 Produktkategorien in einer “kritischen strategischen Abhängigkeit” von China. Das heißt: Die Staaten importieren mindestens 50 Prozent eines bestimmten Produkts aus China. Zudem hat die Volksrepublik einen globalen Marktanteil von mindestens 30 Prozent. Dazu zählen beispielsweise pharmazeutische Produkte, Chemikalien und Elektronikteile wie bestimmte Leiterplatten, kleine Transformatoren oder Batteriezellen. Zahlreiche Branchen sind auf Vorleistungen aus China angewiesen.

Abhängigkeiten bei Vorleistungen aus China groß: Anteil deutscher Unternehmen, die auf Vorleistungen aus China angewiesen sind

Bei all diesen Produkten wäre es schwierig, kurzfristig andere Zulieferer zu finden. Einen Lieferstopp könnte die deutsche Wirtschaft kaum verkraften. Zenglein empfiehlt deshalb: “Es wäre durchaus hilfreich, wenn Politik und Wirtschaft Mechanismen ergreifen, um die Abhängigkeiten zu identifizieren und diese in kritischen Bereichen – beispielsweise bei erneuerbaren Energien, pharmazeutischen Grundstoffen oder Elektronikbauteilen  zu reduzieren.”

China verringert eigene Abhängigkeit vom Westen

China macht das schon. Peking hat es sich zum Ziel gesetzt, technologisch an die Weltspitze zu rücken und westliche Anbieter zu überholen. Chinas Unternehmen sollen innovativer werden und eine Tech-Dominanz aufbauen, die zukünftig für Wachstum sorgt. “Im Falle von geopolitischen Eskalationen” wäre China dann besser gerüstet, sagt Zenglein.

Um technologisch aufzuholen, nutzt China auch ausländische Konzerne. Einige Forscher warnen deshalb, die deutsche Industrie dürfe nicht zu naiv agieren. “Ausländische Investoren müssen sich vergegenwärtigen, dass sie diesem Ziel dienen sollen”, sagt Rolf Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) gegenüber China.Table. Als warnendes Beispiel diene die Autoindustrie. Deutsche Unternehmen “haben chinesischen Firmen das nötige Know-how geliefert, um von diesen zukünftig ersetzt werden zu können”, sagt der Handelsexperte.

Was daraus folgt, zeigt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW): “Deutschland hängt vor allem auf der Exportseite, aber auch importseitig, wesentlich stärker von China ab als umgekehrt.” Und Chinas Importe werden in Zukunft weiter sinken, wie die Prognose zeigt. Der Grund ist in Peking zu finden. “Die chinesische Regierung will ihre Abhängigkeiten vom Ausland durch die Dual-Circulation-Strategie weiter abbauen”, schreibt der Autor der Studie, Jürgen Matthes.

Volksrepublik verliert an Attraktivität

Doch nicht alle Entwicklungen gehen auf eine aktive Entscheidung Pekings zurück. So verliert China in letzter Zeit als Absatzmarkt wie auch im täglichen Geschäft zunehmend an Attraktivität. Unternehmen und Verbände beklagen die strikte Null-Covid-Politik und die zahlreichen Lockdowns. Laut einer Umfrage der EU-Handelskammer in China überlegt ein immer größerer Teil der Unternehmen, Investitionen aus China abzuziehen (China.Table berichtete). Für 77 Prozent der befragten Unternehmen hat China als Investitionsziel an Attraktivität verloren.

Und auch Unternehmen in Deutschland wollen ihre China-Abhängigkeit verringern. Fast jedes zweite Industrieunternehmen, das Vorleistungen aus der Volksrepublik bezieht, will seine Importe aus China reduzieren, zeigt eine Ifo-Studie vom April. Ob dieser Stimmungsumschwung allerdings auch “einen grundsätzlichen Strategiewechsel bei den europäischen Unternehmen einleiten wird, bleibt noch abzuwarten”, sagt Zenglein.

Warum Industrieunternehmen ihre China-Abhängigkeiten senken wollen

Doch global stehen die Zeichen auf Entflechtung. “Die Globalisierung steht am Anfang einer Neu-Aufstellung”, sagt Zenglein. Risikofaktoren müssten in den Kalkulationen der Unternehmen in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dabei gehe es nicht um eine Abkopplung. Vielmehr plädiert Zenglein für eine Diversifizierung. Das “wird Zeit und vor allem Geld in Anspruch nehmen”.

Rolf Langhammer gibt zu bedenken, dass der chinesische Markt derzeit noch zu wichtig sei. “Unternehmen werden die Fokussierung auf den chinesischen Markt, wenn überhaupt, nur sehr langsam abbauen können”, so der IfW-Forscher. Aber vor dem Hintergrund der neuen geopolitischen Realitäten “kann es noch kostspieliger werden, nicht zu reagieren“.

Wettbewerber könnten in Lücke vorstoßen

Genau hier könnte die größte Herausforderung liegen. Denn die Firmen setzen lieber auf kurzfristige Gewinne denn auf langfristige Sicherheit. Schließlich steht man im Wettbewerb. Es ist das klassische Gefangenen-Dilemma: Gibt ein Unternehmen die Umsätze in China auf, eröffnen sich Chancen für Wettbewerber, die in die Lücke vorstoßen können und dem Unternehmen Marktanteile abnehmen. Ähnliches gilt für den Einkauf günstiger Vorprodukte und Rohstoffe aus China. Doch ob dieses Vorgehen langfristig den größten Nutzen bringt, steht spätestens nach dem Russland-Debakel infrage.

Werden die deutsche Politik und die Wirtschaft die richtigen Lehren ziehen und sich auf die neue Globalisierung einstellen? Eine neue China-Strategie des Außenministeriums könnte bald Aufschluss geben. Außenministerin Baerbock sagte jüngst, weil China ein Systemrivale sei, müssten wir klarstellen, dass wir nicht erpressbar sind, so “wie wir es bei der russischen Gasabhängigkeit waren”. Und auch Robert Habeck will einen neuen Kurs einschlagen. “Wir diversifizieren uns stärker und verringern unsere Abhängigkeiten auch von China”, sagte der Wirtschaftsminister kürzlich. Die Regierung wird sich an diesen Aussagen messen lassen müssen.

  • China
  • Digitalisierung
  • Energie
  • Rohstoffe
  • Wirtschaft

Termine

27.07.2022 – 13:00-15:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Erfahrungsaustausch LoRaWAN
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt die Long Range Wide Area Network (LoRaWAN)-Technik vor. INFOS & ANMELDUNG

27.07.2022 – 14:00-17:00 Uhr, Fürth/online
ZTM, Konferenz Telemedizin vom Notfall bis zur Nachsorge
Das Zentrum für Telemedizin (ZTM) beschäftigt sich mit den verschiedenen Anwendungsbereichen der Telemedizin. INFOS & ANMELDUNG

27.07.2022 – 19:00-20:15 Uhr, online
Agora, Discussion The EU and its neighbours
Agora discusses the diverse developments in the neighbouring countries of the EU and their relationship to the EU. INFOS & REGISTRATION

28.07.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
Bitkom, Seminar IoT Geschäftsmodellentwicklung
Bitkom informiert über die Potenziale von Wertschöpfungs- und Partnernetzwerken für digitale Geschäftsmodelle. INFOS & ANMELDUNG

29.07.-31.07.2022, Staffelstein
HSS, Seminar Der Krieg in Europa erfordert eine neue Sicherheitsarchitektur
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) thematisiert, welche Konsequenzen der Krieg in der Ukraine auf die europäische Sicherheitsarchitektur hat. INFOS & ANMELDUNG

29.07.-30.07.2022, Tutzing
Initiative D21, Konferenz Ein Europäisches Leitbild für unsere digitale Zukunft
Das Netzwerk für die Digitale Gesellschaft (Initiative D21) beschäftigt sich mit den Ambitionen und Widersprüchen des Europäischen Leitbilds für unsere digitale Zukunft. INFOS & ANMELDUNG

News

Weizenpreise nach Raketenangriff auf Odessa wieder gestiegen

Nach dem Raketenangriff Russlands auf den Hafen in Odessa am Wochenende sind die Weizenpreise stark gestiegen. Der Angriff ließ Zweifel darüber aufkommen, ob die in der vergangenen Woche getroffene Vereinbarung zur Öffnung eines Korridors für Getreideexporte (Europe.Table berichtete) aus der Ukraine umgesetzt werden kann.

Russland, die Ukraine, die Vereinten Nationen und die Türkei hatten die Vereinbarung am Freitag unterzeichnet, um drei ukrainische Schwarzmeerhäfen wieder für Getreideexporte zu öffnen (Europe.Table berichtete). Die Vereinbarung gilt für 120 Tage und sieht monatliche Ausfuhren von 5 Millionen Tonnen vor.

Die Weizen-Futures an der Chicagoer Börse stiegen am Montag um fast 4 Prozent. Nach Bekanntgabe des Abkommens am Freitag waren die Preise um fast 6 Prozent gefallen.

UN: Erste Schiffe können bald fahren

“Eine Wiederaufnahme der ukrainischen Exporte erfordert nicht nur einen sicheren Schifffahrtsweg, sondern auch sichere Häfen. Die Russen haben Zweifel an der Sicherheit der Häfen geweckt, kaum dass die Tinte auf dem Schifffahrtsabkommen trocken war. Die Zweifel sind wieder da”, sagte ein europäischer Händler.

Die Ukraine setzte ihre Bemühungen fort, die Getreideexporte aus den Schwarzmeerhäfen im Rahmen des neuen Abkommens wieder aufzunehmen. Die ersten Schiffe könnten innerhalb weniger Tage fahren, sagte ein Sprecher der Vereinten Nationen am Montag.

Ukraine warnt vor weiteren Angriffen Russlands auf Odessa

Ein gemeinsames Koordinationszentrum werde mit der Schifffahrtsindustrie in Verbindung stehen und demnächst detaillierte Abläufe für Schiffe veröffentlichen, sagte der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq.

Die Ukraine warnte allerdings davor, dass künftige Lieferungen darunter leiden würden, wenn auf den Raketenangriff durch Russland auf Odessa weitere Angriffe folgen. rtr

Kommission erlaubt Deutschland Förderung von Bahnunternehmen

Deutschland darf Bahnunternehmen nach einer Entscheidung der EU-Kommission erneut mit Millionen Euro fördern. Dieses Mal geht es um 313 Millionen, mit denen Bahnunternehmen bei der Bewältigung von Corona-Folgen unterstützt werden sollen, wie die Brüsseler Behörde am Montag mitteilte. Die Maßnahme folgt den Angaben zufolge auf eine Regelung zu Milliardenhilfen, die bis Mai lief.

Bahnunternehmen in Deutschland sollen zu Klimazielen beitragen

Mit der Hilfe sollen Gebühren gesenkt werden, die Unternehmen im Personenfernverkehr zahlen müssen, um das Schienennetz nutzen zu dürfen. Die Finanzspritze solle zudem auch dazu beitragen, dass der Schienenverkehr etwa im Vergleich zum Auto wettbewerbsfähig bleibe, um europäische Umwelt- und Klimaschutzziele zu erreichen.

Aus Sicht der EU-Kommission sei die Maßnahme notwendig, um den Verkehr von der Straße auf die Schienen zu verlagern. In der Vergangenheit wurden bereits mehrmals deutsche Corona-Hilfen für die Bahn durch die EU-Kommission genehmigt. dpa

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  • Mobilität

Bundesverfassungsgericht prüft Wiederaufbaufonds der EU

Das Bundesverfassungsgericht nimmt den Hunderte Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU unter die Lupe. Die Karlsruher Richterinnen und Richter verhandeln am Dienstag und Mittwoch über zwei Klagen wegen der deutschen Beteiligung.

Die im Sommer 2020 verabredeten Hilfen sollen die 27 EU-Staaten dabei unterstützen, nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Dafür werden erstmals im großen Stil gemeinsam Schulden aufgenommen. Insgesamt geht es um ein Volumen von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018 – das sind inzwischen knapp 807 Milliarden Euro. Einen Teil des Geldes gibt es als Zuschüsse, einen Teil als Darlehen.

Eine der Verfassungsbeschwerden kommt von einem Kläger-Bündnis mit knapp 2300 Unterstützern um den einstigen AfD-Gründer Bernd Lucke. Nach Auffassung der Kritiker hat der Fonds keine Grundlage in den europäischen Verträgen. Außerdem warnen sie vor unkalkulierbaren Haftungsrisiken für den Bundeshaushalt. Das Urteil wird frühestens in einigen Monaten verkündet. dpa

  • Coronavirus
  • Deutschland
  • Wiederaufbaufonds

Saudischer Kronprinz Mohammed reist nach Athen

Gut eine Woche nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien will dessen Kronprinz Mohammed bin Salman nach Griechenland reisen. Dort sei am Dienstagabend ein Treffen mit dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis geplant, sagte ein griechischer Regierungssprecher der dpa am Montag. Es ist der erste Besuch des Kronprinzen in der EU seit dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi vor bald vier Jahren.

Eine Bestätigung von saudischer Seite gab es für den Besuch zunächst nicht. Unklar blieb zunächst auch, ob der Kronprinz während der Reise noch weitere Stopps in anderen EU-Ländern plant.

In Athen geht es Regierungskreisen zufolge in erster Linie um die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit der beiden Länder. So hatte Griechenland Saudi-Arabien im vergangenen Jahr bereits eine Batterie von Patriot-Luftabwehrraketen mit mehr als 100 Soldaten Personal zur Verfügung gestellt. Saudi-Arabien kämpft im benachbarten Jemen gegen die Huthi-Rebellen, die von dort aus immer wieder mit Drohnen und Raketen in dem Königreich angreifen.

Nach Mord war der Kronprinz Saudi-Arabiens international isoliert

Khashoggi, der eine Kolumne für die “Washington Post” schrieb, war im Herbst 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul auf brutale Weise getötet worden. US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen und faktischen Herrscher Saudi-Arabiens in der direkten Verantwortung. Dieser hat bestritten, die Tötung angeordnet zu haben.

In den Jahren seit dem Mord war der Kronprinz international stark isoliert. Westlichen Staats- und Regierungschefs begegnete er meist nur bei Gipfeltreffen wie im Rahmen der G20-Gruppe. Vor gut einer Woche war US-Präsident Joe Biden aber in das Königreich gereist, wo er den Kronprinzen in der Küstenstadt Dschidda persönlich traf und den Fall Khashoggi nach eigenen Worten auch direkt ansprach.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war vergangenes Jahr ebenfalls nach Dschidda gereist. Macron versicherte seinerzeit, “über alles” mit dem Kronprinzen gesprochen zu haben “ohne irgendein Tabu”. Ob der Mord an Khashoggi direkt zur Sprache kam, sagte Macron nicht. dpa

  • Europapolitik
  • Griechenland
  • Saudi-Arabien

Presseschau

Gasstreit zwischen Ungarn und der EU: Orbán empört mit Holocaust-Vergleich SPIEGEL
Der ursprüngliche Gas-Notfallplan könnte deutlich abgeschwächt werden TAGESSPIEGEL
Von der Leyen: Alle EU-Staaten müssen Energie sparen FAZ
“Keine technischen Gründe” – Habeck wirft Putin “perfides Spiel” vor WELT
Göring-Eckardt offen für AKW-Streckbetrieb – Scholz will zweiten Stresstest abwarten WELT
Hitze in Deutschland – Brände in Südeuropa TAGESSCHAU
EU-Recht: Wie zwei Gesetze die digitalen Märkte regulieren sollen HEISE

Heads

Anja Weisgerber – eine Juristin für die Umwelt

Anja Weisgerber ist Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Umwelt- und Verbraucherschutz.
Anja Weisgerber ist Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Umwelt- und Verbraucherschutz.

Als Kind wollte Anja Weisgerber Lehrerin werden. Dass es anders kam, verdankt sie vor allem dem Einfluss unterschiedlichster Menschen: Ein Deutschlehrer überzeugte sie als Schülerin davon, dass es wichtig ist, sich für die Demokratie einzusetzen. Ihr Großonkel Wilhelm Baumann, der selbst Landtagsabgeordneter war, nahm sie als 19-Jährige mit zum Neujahrsempfang der CSU – daraufhin stieg sie selbst in die Jugendorganisation der Partei ein und zwei Jahre später trat sie der CSU bei.

Eine Freundin, die vor ihr das Jurastudium begonnen hatte, bot ihr an, sie in die Vorlesungen zu begleiten. Edmund Stoiber unterstützte sie, als sie sich mit 28 Jahren – auf Bitten der Jungen Union – für die Europawahlen aufstellen ließ. Von 2004 bis 2013 war sie Mitglied im Europäischen Parlament. Michael Glos überzeugte sie schließlich, als seine Nachfolgerin in den Bundestag zu gehen. Und Angela Merkel war immer ein großes Vorbild: “Gerade in schwierigen Zeiten haben sich auch die anderen EU-Länder an ihr orientiert”, sagt sie – bei der jetzigen Führung Deutschlands vermisse sie das hingegen.

Naturschutz aus christlicher Überzeugung

Anja Weisgerber rollt das “R”, wenn sie von der Bewahrung der Schöpfung spricht. Sie schaffe es zwar nicht regelmäßig in den Gottesdienst, sei aber sehr gläubig, sagt die 46-jährige Politikerin aus Schweinfurt in Unterfranken. Auf dem christlichen Glauben basiert auch ihr Engagement für den Umwelt- und Naturschutz: “Schon im Elternhaus habe ich gelernt, dass wir eine Verantwortung der Natur und den nachkommenden Generationen gegenüber haben.”

Im Jura-Studium legte Anja Weisgerber einen Fokus auf das Umweltrecht. Für den Schutz der Ressourcen, das Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft, den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität hat sie sich als Umweltpolitikerin in der Jungen Union, in der CSU, im Europaparlament und im Bundestag eingesetzt: “Bayern war das erste Bundesland, das ein Umweltministerium geschaffen hat”, betont sie.

Heute sind es vor allem ihre Kinder – 9 und 11 Jahre alt -, die sie jeden Tag aufs Neue motivieren: “Beide sind unglaubliche Natur- und Tierliebhaber. Wenn sie auf einem Familienausflug einen Lurch oder eine Eidechse sehen, ist das ein Fest. Natürlich müssen solche Tiere geschützt werden.”

Zu ihren politischen Erfolgen zählt Anja Weisgerber ihre Arbeit für die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien und das Klimapaket der Bundesregierung aus dem Jahr 2019. Aktuell leitet sie gemeinsam mit ihrem Bundestagskollegen Andreas Jung den Klimakreis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. “Wir müssen in erster Linie die CO2-Emissionen reduzieren und den Kontrollmechanismus anwenden, der im Klimaschutzgesetz vorgesehen ist.” Doch auch auf erneute Starkregen- und Hochwasserereignisse müsse man sich vorbereiten, so Weisgerber. “Die Klimaanpassung ist genauso wichtig wie das Vermeiden von Emissionen.

Anja Weisgerber hat Ausdauer wie auf dem Tennisplatz

Auch in Krisenzeiten wie diesen dürfe Politik nicht darüber nachdenken, Klima- und Energiegesetze auszuhebeln: “Der Green Deal der EU ist kein aktuelles Ärgernis in schwierigen Zeiten, sondern vielmehr Teil der Lösung, indem wir über den Ausbau der erneuerbaren Energien und Effizienz unsere Abhängigkeit verringern.”

Weisgerber beschäftigt sich darüber hinaus mit der Stärkung der Kreislaufwirtschaft, der Plastikreduktion und -wiederbenutzung, mit Nachhaltigkeit im Produktdesign sowie der Planungsbeschleunigung in Infrastrukturprojekten im Energiebereich.

In ihrem politischen Arbeitsalltag profitiert Anja Weisgerber auch von ihren Erfahrungen als Leistungssportlerin. Als bayerische Tennismeisterin stand sie neben den Vorbereitungen fürs Abitur oft auf dem Tennisplatz. Dort hat sie gelernt, volle Leistung zu bringen, wenn es darauf ankommt, und nach Niederlagen wieder aufzustehen. Als sie mit 18 Jahren zum ersten Mal für den Gemeinderat kandidierte, wurde sie nicht gewählt. Sechs Jahre später trat sie erneut an – diesmal mit Erfolg. Janna Degener-Storr

  • Klima & Umwelt
  • Klimaschutz
  • Umweltschutz

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Gassparen mit Ausnahmen für Chemieindustrie
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    • Bundesverfassungsgericht prüft Wiederaufbaufonds der EU
    • Saudischer Kronprinz Mohammed reist nach Athen
    • Im Porträt: Anja Weisgerber – eine Juristin für die Umwelt
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    in der Gaskrise kam gestern eine weitere rabenschwarze Nachricht aus Moskau. Gazprom drosselt ab Mittwoch abermals die Lieferungen durch Nord Stream 1. Gegenmaßnahmen wollen heute die EU-Energieminister beschließen. Nach Informationen von Europe.Table einigten sich die Ständigen Vertreter gestern vorerst auf umfangreiche Ausnahmen für die chemische Industrie. Manuel Berkel berichtet.

    Es ist kein Geheimnis, dass europäische und insbesondere auch deutsche Unternehmen stark von China abhängig sind. Die Volksrepublik ist längst zu Deutschlands größtem Handelspartner aufgestiegen. Bei Seltenen Erden, Magnesium und anderen Rohstoffen gibt es sogar kritische Abhängigkeiten. Doch nun findet offenbar ein Umdenken in der Wirtschaft statt: Laut einer Umfrage der EU-Handelskammer in China hat das Land für 77 Prozent der befragten Unternehmen als Investitionsziel an Attraktivität verloren. Doch eine Entflechtung wird alles andere als einfach, wie Nico Beckert analysiert. 

    Anja Weisgerber ist Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Umwelt- und Verbraucherschutz und leitet aktuell mit ihrem Kollegen Andreas Jung den Klimakreis der Fraktion. Der Green Deal der EU, sagt sie, sei auch in schwierigen Zeiten kein Ärgernis, “sondern vielmehr Teil der Lösung”. Mehr zu Weisgerbers Werdegang und ihren Überzeugungen lesen Sie im Porträt von Janna Degener-Storr.

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    Analyse

    Gassparen mit Ausnahmen für Chemieindustrie

    Wenn schon der Transit durch die Gaspipeline Nord Stream 1 gestört ist, so funktionierte am Montag doch das strategische Spiel zwischen Moskau und Brüssel wie durch kommunizierende Röhren. Russische Medien beobachteten genau die Verhandlungen zwischen den EU-Botschaftern und seien bemüht, das heutige Treffen der Energieminister bereits als gescheitert darzustellen, sagte gestern ein hochrangiger EU-Beamter.

    Für die Union komme es nun umso dringender darauf an, Einigkeit zu demonstrieren. Zuletzt hatten mehrere Staaten Änderungsbedarf am Notfallplan für den Winter angemeldet (Europe.Table berichtete), den die Kommission vergangenen Mittwoch vorgestellt hatte. Doch Moskau versuchte am Montag wieder, die Schlagzeilen in der Staatengemeinschaft zu bestimmen.

    Gaslieferungen aus Russland erneut gedrosselt

    Kremlchef Wladimir Putin hatte in der vergangenen Woche bereits angedroht, dass es um den 26. Juli zu einer weiteren Drosselung der Gaslieferungen aus Russland kommen könnte und eine zweite, angeblich reparaturbedürfte Turbine als Anlass vorgeschoben.

    Mit dieser Begründung kündigte Gazprom gestern eine Halbierung der Gaslieferungen auf 20 Prozent der Pipeline-Kapazität oder 33 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag an. Erst seit vergangenem Donnerstag flossen seit dem Abschluss von Routinearbeiten wieder 40 Prozent der maximal möglichen Menge durch Nord Stream 1. Die Gaspreise reagierten bereits auf die neue Ankündigung und stiegen gestern um zehn Prozent auf 177 Euro pro Megawattstunde.

    Das Bundeswirtschaftsministerium teilte gestern wie schon bei früheren Drosselungen mit, es gebe nach eigenen Informationen keinen technischen Grund für eine Reduktion der Gaslieferungen durch Russland.

    Genau diese Art von Szenario habe Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und das Kollegium dazu veranlasst, ein Vorschlag zur Solidarität beim Gassparen vorzulegen, sagte ein Kommissionssprecher gestern Abend in Brüssel. Diese Entwicklung bestätige die eigene Analyse und man hoffe, dass der Rat der Mitgliedstaaten an diesem Dienstag eine angemessene Antwort beschließen werde.

    “Es gibt keinen Plan B”

    Ab 9:30 Uhr wollen heute die EU-Energieminister über Änderungen am Kommissionsvorschlag beraten und wenn irgendwie möglich auch eine Notfall-Verordnung des Rates beschließen. “Es gibt keinen Plan B“, sagte der EU-Beamte am Montag über ein mögliches Scheitern. Um 13 Uhr soll das Ergebnis den Medien verkündet werden, für 16 Uhr ist noch eine weitere Pressekonferenz mit dem ukrainischen Energieminister German Galushchenko vorgesehen.

    Das Sparziel von 15 Prozent wolle die tschechische Ratspräsidentschaft auf jeden Fall durchsetzen, wie es weiter hieß. Auch den Vergleichszeitraum der vergangenen fünf Jahre wolle Prag erhalten. Griechenland wollte stattdessen lediglich das Jahr 2021 als Basiszeitraum durchsetzen. Die Methodik der Kommission bedeute sonst, dass Griechenland 24 Prozent Gas einsparen müsste, sagte ein Regierungssprecher zu Europe.Table.

    Durchsetzen konnte Griechenland aber bereits, dass die Energieminister heute über ein weiteres Thema beraten: die Entkoppelung des Strompreises von den hohen Kosten für die preisbestimmende Gasverstromung. Die Regierung in Athen würde am liebsten die Möglichkeiten ausweiten, ungenutzte Gelder aus dem Wiederaufbaufonds für Transfers an die Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Die Kommission untersucht bereits Optionen für Preis-Caps und ein neues Strommarktdesign. Mehr als ein Bericht über den aktuellen Stand der Untersuchungen ist in der heutigen Sitzung aber wohl nicht zu erwarten.

    Rat will Macht der Kommission begrenzen

    In der Gasfrage ist sich der Rat bereits darin einig, dass er ein höheres Gewicht beim Ausrufen eines unionsweiten Alarms bekommen soll. Bevor die Kommission diesen ausruft, werden wohl entweder fünf statt nur drei Mitgliedstaaten die Kommission darum ersuchen müssen – oder der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit selbst einen Alarmzustand.

    Recht sicher ist auch die Begrenzung der Verordnung auf ein statt zwei Jahre, obwohl der Winter 2023/24 nach den Berechnungen der Kommission noch schwerer werden dürfte als der bevorstehende. Schließlich haben die Mitgliedstaaten schon jetzt Mühe, die Speicher aufzufüllen.

    Noch strittig sind mögliche Ausnahmen vom Sparziel. Weitgehend akzeptiert ist, dass ein schlechter oder fehlender Anschluss an das europäische Gasnetz berücksichtigt werden muss. Das hatte bereits die Kommission in ihrem Entwurf so gesehen. Neben den Inselstaaten betrifft dies vor allem Spanien und Portugal, Bedenken hatten aber auch Frankreich, Dänemark und Polen.

    Polen will unter anderem verhindern, andere Mitgliedstaaten mit Gas aus einheimischen Vorräten und Reserven beliefern zu müssen, wie Europe.Table aus polnischen Regierungskreisen erfuhr.

    Höhere Lasten für Haushalte und Gewerbe drohen

    Damit nicht jedes Land andere Ausnahmeregeln durchsetzt, verfolgt die tschechische Ratspräsidentschaft die Strategie, eher Ausnahmen für einzelne Wirtschaftszweige durchzusetzen. Auch dies führte aber teilweise zu ganzen Wunschlisten. Polen wollte mehrere Industrien von den Sparverpflichtungen ausnehmen, etwa Raffinerien, Keramik, Stahl und Stickstoffproduzenten wie Düngemittelhersteller.

    Statt einen Katalog kritischer Industriezweige auszubuchstabieren, einigten sich die Ständigen Vertreter gestern Abend auf eine Pauschallösung. Die Mitgliedstaaten sollen die Möglichkeit bekommen, sämtliche Industrien vom Sparziel auszunehmen, in denen Gas stofflich verwendet werde, wie Europe.Table von einem EU-Beamten erfuhr. Als “Feedstock” könnte Gas nur durch andere kohlenstoffhaltige Grundstoffe ersetzt werden, was schwieriger ist als beim Heizen oder der Stromerzeugung.

    Sollten die Energieminister dies heute beschließen, droht allerdings die Gefahr, dass die Lasten stärker auf Haushalte und Gewerbebetriebe verschoben werden. Freuen dürfe sich die Chemieindustrie. Von der Einigung heute wird auch noch abhängen, welche Regeln für die Metallindustrie gelten, die das Gas für ihre Öfen, aber nicht als “Feedstock” benötigt. Mit dpa, rtr

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    Abhängigkeiten sorgen für Umdenken im China-Geschäft

    Über Jahre hinweg galt China als einer der bevorzugten Partner der deutschen Politik und Wirtschaft. Die Volksrepublik war Garant für deutsches Wachstum und ist längst zu Deutschlands größtem Handelspartner aufgestiegen. Auto- und Maschinenbauer machen in der Volksrepublik große Umsätze.

    Doch vieles deutet darauf, dass das China-Engagement der deutschen Wirtschaft vor einem Wendepunkt steht. Die Corona-Lockdowns und der chinesische Fokus auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit machen das Land zunehmend unattraktiver.

    Hinzu kommt die neue Furcht vor zu großen Abhängigkeiten: Dass Deutschland jahrelang massiv auf russisches Gas gesetzt hat, wird sich im Winter wohl in Form einer Rezession rächen. Vor diesem Hintergrund werden auch die engen Bindungen Deutschlands an China neu bewertet. Außenministerin Annalena Baerbock sagte jüngst, es sei ihr “sehr ernst” mit der Reduzierung der Abhängigkeiten von China.

    Globaler Marktanteil von 30 Prozent

    Leicht wird das nicht. “Europas wirtschaftliche Verflechtungen mit China sind wesentlicher komplexer” als jene mit Russland “und betreffen Sektoren mit einer tief verzweigten Wertschöpfungskette”, sagt Max Zenglein, Chefökonom beim China-Think-Tank Merics gegenüber China.Table.

    Bei Seltenen Erden, Magnesium und anderen Rohstoffen gibt es gar kritische Abhängigkeiten (China.Table berichtete). Auch bei Industriegütern haben die Abhängigkeiten stark zugenommen. Laut Merics befinden sich die EU-Staaten in 103 Produktkategorien in einer “kritischen strategischen Abhängigkeit” von China. Das heißt: Die Staaten importieren mindestens 50 Prozent eines bestimmten Produkts aus China. Zudem hat die Volksrepublik einen globalen Marktanteil von mindestens 30 Prozent. Dazu zählen beispielsweise pharmazeutische Produkte, Chemikalien und Elektronikteile wie bestimmte Leiterplatten, kleine Transformatoren oder Batteriezellen. Zahlreiche Branchen sind auf Vorleistungen aus China angewiesen.

    Abhängigkeiten bei Vorleistungen aus China groß: Anteil deutscher Unternehmen, die auf Vorleistungen aus China angewiesen sind

    Bei all diesen Produkten wäre es schwierig, kurzfristig andere Zulieferer zu finden. Einen Lieferstopp könnte die deutsche Wirtschaft kaum verkraften. Zenglein empfiehlt deshalb: “Es wäre durchaus hilfreich, wenn Politik und Wirtschaft Mechanismen ergreifen, um die Abhängigkeiten zu identifizieren und diese in kritischen Bereichen – beispielsweise bei erneuerbaren Energien, pharmazeutischen Grundstoffen oder Elektronikbauteilen  zu reduzieren.”

    China verringert eigene Abhängigkeit vom Westen

    China macht das schon. Peking hat es sich zum Ziel gesetzt, technologisch an die Weltspitze zu rücken und westliche Anbieter zu überholen. Chinas Unternehmen sollen innovativer werden und eine Tech-Dominanz aufbauen, die zukünftig für Wachstum sorgt. “Im Falle von geopolitischen Eskalationen” wäre China dann besser gerüstet, sagt Zenglein.

    Um technologisch aufzuholen, nutzt China auch ausländische Konzerne. Einige Forscher warnen deshalb, die deutsche Industrie dürfe nicht zu naiv agieren. “Ausländische Investoren müssen sich vergegenwärtigen, dass sie diesem Ziel dienen sollen”, sagt Rolf Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) gegenüber China.Table. Als warnendes Beispiel diene die Autoindustrie. Deutsche Unternehmen “haben chinesischen Firmen das nötige Know-how geliefert, um von diesen zukünftig ersetzt werden zu können”, sagt der Handelsexperte.

    Was daraus folgt, zeigt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW): “Deutschland hängt vor allem auf der Exportseite, aber auch importseitig, wesentlich stärker von China ab als umgekehrt.” Und Chinas Importe werden in Zukunft weiter sinken, wie die Prognose zeigt. Der Grund ist in Peking zu finden. “Die chinesische Regierung will ihre Abhängigkeiten vom Ausland durch die Dual-Circulation-Strategie weiter abbauen”, schreibt der Autor der Studie, Jürgen Matthes.

    Volksrepublik verliert an Attraktivität

    Doch nicht alle Entwicklungen gehen auf eine aktive Entscheidung Pekings zurück. So verliert China in letzter Zeit als Absatzmarkt wie auch im täglichen Geschäft zunehmend an Attraktivität. Unternehmen und Verbände beklagen die strikte Null-Covid-Politik und die zahlreichen Lockdowns. Laut einer Umfrage der EU-Handelskammer in China überlegt ein immer größerer Teil der Unternehmen, Investitionen aus China abzuziehen (China.Table berichtete). Für 77 Prozent der befragten Unternehmen hat China als Investitionsziel an Attraktivität verloren.

    Und auch Unternehmen in Deutschland wollen ihre China-Abhängigkeit verringern. Fast jedes zweite Industrieunternehmen, das Vorleistungen aus der Volksrepublik bezieht, will seine Importe aus China reduzieren, zeigt eine Ifo-Studie vom April. Ob dieser Stimmungsumschwung allerdings auch “einen grundsätzlichen Strategiewechsel bei den europäischen Unternehmen einleiten wird, bleibt noch abzuwarten”, sagt Zenglein.

    Warum Industrieunternehmen ihre China-Abhängigkeiten senken wollen

    Doch global stehen die Zeichen auf Entflechtung. “Die Globalisierung steht am Anfang einer Neu-Aufstellung”, sagt Zenglein. Risikofaktoren müssten in den Kalkulationen der Unternehmen in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dabei gehe es nicht um eine Abkopplung. Vielmehr plädiert Zenglein für eine Diversifizierung. Das “wird Zeit und vor allem Geld in Anspruch nehmen”.

    Rolf Langhammer gibt zu bedenken, dass der chinesische Markt derzeit noch zu wichtig sei. “Unternehmen werden die Fokussierung auf den chinesischen Markt, wenn überhaupt, nur sehr langsam abbauen können”, so der IfW-Forscher. Aber vor dem Hintergrund der neuen geopolitischen Realitäten “kann es noch kostspieliger werden, nicht zu reagieren“.

    Wettbewerber könnten in Lücke vorstoßen

    Genau hier könnte die größte Herausforderung liegen. Denn die Firmen setzen lieber auf kurzfristige Gewinne denn auf langfristige Sicherheit. Schließlich steht man im Wettbewerb. Es ist das klassische Gefangenen-Dilemma: Gibt ein Unternehmen die Umsätze in China auf, eröffnen sich Chancen für Wettbewerber, die in die Lücke vorstoßen können und dem Unternehmen Marktanteile abnehmen. Ähnliches gilt für den Einkauf günstiger Vorprodukte und Rohstoffe aus China. Doch ob dieses Vorgehen langfristig den größten Nutzen bringt, steht spätestens nach dem Russland-Debakel infrage.

    Werden die deutsche Politik und die Wirtschaft die richtigen Lehren ziehen und sich auf die neue Globalisierung einstellen? Eine neue China-Strategie des Außenministeriums könnte bald Aufschluss geben. Außenministerin Baerbock sagte jüngst, weil China ein Systemrivale sei, müssten wir klarstellen, dass wir nicht erpressbar sind, so “wie wir es bei der russischen Gasabhängigkeit waren”. Und auch Robert Habeck will einen neuen Kurs einschlagen. “Wir diversifizieren uns stärker und verringern unsere Abhängigkeiten auch von China”, sagte der Wirtschaftsminister kürzlich. Die Regierung wird sich an diesen Aussagen messen lassen müssen.

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    Termine

    27.07.2022 – 13:00-15:00 Uhr, online
    ASEW, Seminar Erfahrungsaustausch LoRaWAN
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt die Long Range Wide Area Network (LoRaWAN)-Technik vor. INFOS & ANMELDUNG

    27.07.2022 – 14:00-17:00 Uhr, Fürth/online
    ZTM, Konferenz Telemedizin vom Notfall bis zur Nachsorge
    Das Zentrum für Telemedizin (ZTM) beschäftigt sich mit den verschiedenen Anwendungsbereichen der Telemedizin. INFOS & ANMELDUNG

    27.07.2022 – 19:00-20:15 Uhr, online
    Agora, Discussion The EU and its neighbours
    Agora discusses the diverse developments in the neighbouring countries of the EU and their relationship to the EU. INFOS & REGISTRATION

    28.07.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
    Bitkom, Seminar IoT Geschäftsmodellentwicklung
    Bitkom informiert über die Potenziale von Wertschöpfungs- und Partnernetzwerken für digitale Geschäftsmodelle. INFOS & ANMELDUNG

    29.07.-31.07.2022, Staffelstein
    HSS, Seminar Der Krieg in Europa erfordert eine neue Sicherheitsarchitektur
    Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) thematisiert, welche Konsequenzen der Krieg in der Ukraine auf die europäische Sicherheitsarchitektur hat. INFOS & ANMELDUNG

    29.07.-30.07.2022, Tutzing
    Initiative D21, Konferenz Ein Europäisches Leitbild für unsere digitale Zukunft
    Das Netzwerk für die Digitale Gesellschaft (Initiative D21) beschäftigt sich mit den Ambitionen und Widersprüchen des Europäischen Leitbilds für unsere digitale Zukunft. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Weizenpreise nach Raketenangriff auf Odessa wieder gestiegen

    Nach dem Raketenangriff Russlands auf den Hafen in Odessa am Wochenende sind die Weizenpreise stark gestiegen. Der Angriff ließ Zweifel darüber aufkommen, ob die in der vergangenen Woche getroffene Vereinbarung zur Öffnung eines Korridors für Getreideexporte (Europe.Table berichtete) aus der Ukraine umgesetzt werden kann.

    Russland, die Ukraine, die Vereinten Nationen und die Türkei hatten die Vereinbarung am Freitag unterzeichnet, um drei ukrainische Schwarzmeerhäfen wieder für Getreideexporte zu öffnen (Europe.Table berichtete). Die Vereinbarung gilt für 120 Tage und sieht monatliche Ausfuhren von 5 Millionen Tonnen vor.

    Die Weizen-Futures an der Chicagoer Börse stiegen am Montag um fast 4 Prozent. Nach Bekanntgabe des Abkommens am Freitag waren die Preise um fast 6 Prozent gefallen.

    UN: Erste Schiffe können bald fahren

    “Eine Wiederaufnahme der ukrainischen Exporte erfordert nicht nur einen sicheren Schifffahrtsweg, sondern auch sichere Häfen. Die Russen haben Zweifel an der Sicherheit der Häfen geweckt, kaum dass die Tinte auf dem Schifffahrtsabkommen trocken war. Die Zweifel sind wieder da”, sagte ein europäischer Händler.

    Die Ukraine setzte ihre Bemühungen fort, die Getreideexporte aus den Schwarzmeerhäfen im Rahmen des neuen Abkommens wieder aufzunehmen. Die ersten Schiffe könnten innerhalb weniger Tage fahren, sagte ein Sprecher der Vereinten Nationen am Montag.

    Ukraine warnt vor weiteren Angriffen Russlands auf Odessa

    Ein gemeinsames Koordinationszentrum werde mit der Schifffahrtsindustrie in Verbindung stehen und demnächst detaillierte Abläufe für Schiffe veröffentlichen, sagte der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq.

    Die Ukraine warnte allerdings davor, dass künftige Lieferungen darunter leiden würden, wenn auf den Raketenangriff durch Russland auf Odessa weitere Angriffe folgen. rtr

    Kommission erlaubt Deutschland Förderung von Bahnunternehmen

    Deutschland darf Bahnunternehmen nach einer Entscheidung der EU-Kommission erneut mit Millionen Euro fördern. Dieses Mal geht es um 313 Millionen, mit denen Bahnunternehmen bei der Bewältigung von Corona-Folgen unterstützt werden sollen, wie die Brüsseler Behörde am Montag mitteilte. Die Maßnahme folgt den Angaben zufolge auf eine Regelung zu Milliardenhilfen, die bis Mai lief.

    Bahnunternehmen in Deutschland sollen zu Klimazielen beitragen

    Mit der Hilfe sollen Gebühren gesenkt werden, die Unternehmen im Personenfernverkehr zahlen müssen, um das Schienennetz nutzen zu dürfen. Die Finanzspritze solle zudem auch dazu beitragen, dass der Schienenverkehr etwa im Vergleich zum Auto wettbewerbsfähig bleibe, um europäische Umwelt- und Klimaschutzziele zu erreichen.

    Aus Sicht der EU-Kommission sei die Maßnahme notwendig, um den Verkehr von der Straße auf die Schienen zu verlagern. In der Vergangenheit wurden bereits mehrmals deutsche Corona-Hilfen für die Bahn durch die EU-Kommission genehmigt. dpa

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    Bundesverfassungsgericht prüft Wiederaufbaufonds der EU

    Das Bundesverfassungsgericht nimmt den Hunderte Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU unter die Lupe. Die Karlsruher Richterinnen und Richter verhandeln am Dienstag und Mittwoch über zwei Klagen wegen der deutschen Beteiligung.

    Die im Sommer 2020 verabredeten Hilfen sollen die 27 EU-Staaten dabei unterstützen, nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Dafür werden erstmals im großen Stil gemeinsam Schulden aufgenommen. Insgesamt geht es um ein Volumen von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018 – das sind inzwischen knapp 807 Milliarden Euro. Einen Teil des Geldes gibt es als Zuschüsse, einen Teil als Darlehen.

    Eine der Verfassungsbeschwerden kommt von einem Kläger-Bündnis mit knapp 2300 Unterstützern um den einstigen AfD-Gründer Bernd Lucke. Nach Auffassung der Kritiker hat der Fonds keine Grundlage in den europäischen Verträgen. Außerdem warnen sie vor unkalkulierbaren Haftungsrisiken für den Bundeshaushalt. Das Urteil wird frühestens in einigen Monaten verkündet. dpa

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    Saudischer Kronprinz Mohammed reist nach Athen

    Gut eine Woche nach dem Besuch von US-Präsident Joe Biden in Saudi-Arabien will dessen Kronprinz Mohammed bin Salman nach Griechenland reisen. Dort sei am Dienstagabend ein Treffen mit dem griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis geplant, sagte ein griechischer Regierungssprecher der dpa am Montag. Es ist der erste Besuch des Kronprinzen in der EU seit dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi vor bald vier Jahren.

    Eine Bestätigung von saudischer Seite gab es für den Besuch zunächst nicht. Unklar blieb zunächst auch, ob der Kronprinz während der Reise noch weitere Stopps in anderen EU-Ländern plant.

    In Athen geht es Regierungskreisen zufolge in erster Linie um die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit der beiden Länder. So hatte Griechenland Saudi-Arabien im vergangenen Jahr bereits eine Batterie von Patriot-Luftabwehrraketen mit mehr als 100 Soldaten Personal zur Verfügung gestellt. Saudi-Arabien kämpft im benachbarten Jemen gegen die Huthi-Rebellen, die von dort aus immer wieder mit Drohnen und Raketen in dem Königreich angreifen.

    Nach Mord war der Kronprinz Saudi-Arabiens international isoliert

    Khashoggi, der eine Kolumne für die “Washington Post” schrieb, war im Herbst 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul auf brutale Weise getötet worden. US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen und faktischen Herrscher Saudi-Arabiens in der direkten Verantwortung. Dieser hat bestritten, die Tötung angeordnet zu haben.

    In den Jahren seit dem Mord war der Kronprinz international stark isoliert. Westlichen Staats- und Regierungschefs begegnete er meist nur bei Gipfeltreffen wie im Rahmen der G20-Gruppe. Vor gut einer Woche war US-Präsident Joe Biden aber in das Königreich gereist, wo er den Kronprinzen in der Küstenstadt Dschidda persönlich traf und den Fall Khashoggi nach eigenen Worten auch direkt ansprach.

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war vergangenes Jahr ebenfalls nach Dschidda gereist. Macron versicherte seinerzeit, “über alles” mit dem Kronprinzen gesprochen zu haben “ohne irgendein Tabu”. Ob der Mord an Khashoggi direkt zur Sprache kam, sagte Macron nicht. dpa

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    Presseschau

    Gasstreit zwischen Ungarn und der EU: Orbán empört mit Holocaust-Vergleich SPIEGEL
    Der ursprüngliche Gas-Notfallplan könnte deutlich abgeschwächt werden TAGESSPIEGEL
    Von der Leyen: Alle EU-Staaten müssen Energie sparen FAZ
    “Keine technischen Gründe” – Habeck wirft Putin “perfides Spiel” vor WELT
    Göring-Eckardt offen für AKW-Streckbetrieb – Scholz will zweiten Stresstest abwarten WELT
    Hitze in Deutschland – Brände in Südeuropa TAGESSCHAU
    EU-Recht: Wie zwei Gesetze die digitalen Märkte regulieren sollen HEISE

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    Anja Weisgerber – eine Juristin für die Umwelt

    Anja Weisgerber ist Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Umwelt- und Verbraucherschutz.
    Anja Weisgerber ist Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Umwelt- und Verbraucherschutz.

    Als Kind wollte Anja Weisgerber Lehrerin werden. Dass es anders kam, verdankt sie vor allem dem Einfluss unterschiedlichster Menschen: Ein Deutschlehrer überzeugte sie als Schülerin davon, dass es wichtig ist, sich für die Demokratie einzusetzen. Ihr Großonkel Wilhelm Baumann, der selbst Landtagsabgeordneter war, nahm sie als 19-Jährige mit zum Neujahrsempfang der CSU – daraufhin stieg sie selbst in die Jugendorganisation der Partei ein und zwei Jahre später trat sie der CSU bei.

    Eine Freundin, die vor ihr das Jurastudium begonnen hatte, bot ihr an, sie in die Vorlesungen zu begleiten. Edmund Stoiber unterstützte sie, als sie sich mit 28 Jahren – auf Bitten der Jungen Union – für die Europawahlen aufstellen ließ. Von 2004 bis 2013 war sie Mitglied im Europäischen Parlament. Michael Glos überzeugte sie schließlich, als seine Nachfolgerin in den Bundestag zu gehen. Und Angela Merkel war immer ein großes Vorbild: “Gerade in schwierigen Zeiten haben sich auch die anderen EU-Länder an ihr orientiert”, sagt sie – bei der jetzigen Führung Deutschlands vermisse sie das hingegen.

    Naturschutz aus christlicher Überzeugung

    Anja Weisgerber rollt das “R”, wenn sie von der Bewahrung der Schöpfung spricht. Sie schaffe es zwar nicht regelmäßig in den Gottesdienst, sei aber sehr gläubig, sagt die 46-jährige Politikerin aus Schweinfurt in Unterfranken. Auf dem christlichen Glauben basiert auch ihr Engagement für den Umwelt- und Naturschutz: “Schon im Elternhaus habe ich gelernt, dass wir eine Verantwortung der Natur und den nachkommenden Generationen gegenüber haben.”

    Im Jura-Studium legte Anja Weisgerber einen Fokus auf das Umweltrecht. Für den Schutz der Ressourcen, das Vorantreiben der Kreislaufwirtschaft, den Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität hat sie sich als Umweltpolitikerin in der Jungen Union, in der CSU, im Europaparlament und im Bundestag eingesetzt: “Bayern war das erste Bundesland, das ein Umweltministerium geschaffen hat”, betont sie.

    Heute sind es vor allem ihre Kinder – 9 und 11 Jahre alt -, die sie jeden Tag aufs Neue motivieren: “Beide sind unglaubliche Natur- und Tierliebhaber. Wenn sie auf einem Familienausflug einen Lurch oder eine Eidechse sehen, ist das ein Fest. Natürlich müssen solche Tiere geschützt werden.”

    Zu ihren politischen Erfolgen zählt Anja Weisgerber ihre Arbeit für die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien und das Klimapaket der Bundesregierung aus dem Jahr 2019. Aktuell leitet sie gemeinsam mit ihrem Bundestagskollegen Andreas Jung den Klimakreis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. “Wir müssen in erster Linie die CO2-Emissionen reduzieren und den Kontrollmechanismus anwenden, der im Klimaschutzgesetz vorgesehen ist.” Doch auch auf erneute Starkregen- und Hochwasserereignisse müsse man sich vorbereiten, so Weisgerber. “Die Klimaanpassung ist genauso wichtig wie das Vermeiden von Emissionen.

    Anja Weisgerber hat Ausdauer wie auf dem Tennisplatz

    Auch in Krisenzeiten wie diesen dürfe Politik nicht darüber nachdenken, Klima- und Energiegesetze auszuhebeln: “Der Green Deal der EU ist kein aktuelles Ärgernis in schwierigen Zeiten, sondern vielmehr Teil der Lösung, indem wir über den Ausbau der erneuerbaren Energien und Effizienz unsere Abhängigkeit verringern.”

    Weisgerber beschäftigt sich darüber hinaus mit der Stärkung der Kreislaufwirtschaft, der Plastikreduktion und -wiederbenutzung, mit Nachhaltigkeit im Produktdesign sowie der Planungsbeschleunigung in Infrastrukturprojekten im Energiebereich.

    In ihrem politischen Arbeitsalltag profitiert Anja Weisgerber auch von ihren Erfahrungen als Leistungssportlerin. Als bayerische Tennismeisterin stand sie neben den Vorbereitungen fürs Abitur oft auf dem Tennisplatz. Dort hat sie gelernt, volle Leistung zu bringen, wenn es darauf ankommt, und nach Niederlagen wieder aufzustehen. Als sie mit 18 Jahren zum ersten Mal für den Gemeinderat kandidierte, wurde sie nicht gewählt. Sechs Jahre später trat sie erneut an – diesmal mit Erfolg. Janna Degener-Storr

    • Klima & Umwelt
    • Klimaschutz
    • Umweltschutz

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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