Table.Briefing: Europe

Ablaufdatum für SynFuels aus Industrie-CO2 + Blamage beim Öl-Embargo abgewendet + Gaslieferstopp

  • Kommission will SynFuels aus Industrie-CO2 verbieten
  • Einigung auf eingeschränktes Öl-Embargo: Blamage abgewendet
  • Russland stoppt Gas-Lieferungen an Deutschland und Dänemark
  • Draghi: Kommission hat Mandat zur Prüfung einer Preisobergrenze für Gas
  • EU und Afrikanische Union warnen vor Getreidekrise
  • Manfred Weber zum Vorsitzenden der EVP gewählt
  • Dänemark stimmt über EU-Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen ab
  • Standpunkt: Hans Jürgen Kerkhoff (WV Stahl) – CBAM und ETS-Reform gefährden die Transformation der Stahlbranche
Liebe Leserin, lieber Leser,

eine Überraschung ist es nicht, war er doch der einzige Kandidat: Manfred Weber steht künftig an der Spitze der EVP. Er wurde gestern Abend zum Präsidenten der größten europäischen Parteienfamilie gewählt. Weber sagt über sich, dass er “mit Haut und Haaren” Europäer sei. Doch es gibt Spekulationen, ob der neue Posten nur eine Zwischenstation auf dem Weg zurück nach Bayern sein könnte. Mehr lesen Sie in den News.

Als zukunftsträchtige Alternative zum Elektroantrieb gelten in manchen Kreisen synthetische Kraftstoffe. Doch neue Nachhaltigkeitsanforderungen der Kommission könnten eines der Lieblingssymbole für Technologieoffenheit stark verteuern. Manuel Berkel hat das entscheidende Kriterium ausfindig gemacht und analysiert, wie die Kommission die gesamte Idee von Carbon Usage zurechtrückt.

Die Europäische Union sei “einig geblieben, was in dieser Zeit außerordentlich wichtig ist”, sagte der slowakische Regierungschef Eduard Heger zum nun beschlossenen Öl-Embargo. Die Slowakei ist neben Ungarn und Tschechien eines der Länder, die von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hingegen spricht von einem “Gewürge” um das sechste Sanktionspaket, unter dem die Entschlossenheit Europas gelitten habe. Lukas Scheid hat die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft zum “Embargo light” eingefangen – ebenso wie Einschätzungen dazu, wie stark dieses Embargo Russland überhaupt treffen kann

Während die EU noch mit dem Öl-Embargo beschäftigt ist, nimmt die Zahl der Länder weiter zu, die von einem Gas-Lieferstopp aus Russland betroffen sind. Ab heute soll laut Gazprom dem dänischen Versorger Orsted der Gashahn zugedreht werden, ebenso wie der Shell Energy Europe – und zwar wegen der Lieferungen nach Deutschland.

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Sarah Schaefer
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Analyse

Kommission will SynFuels aus Industrie-CO2 verbieten

Lange galt die Idee als ein künftiger Pfeiler einer klimaneutralen Industriegesellschaft: CO2 könnte aufgefangen und der Kohlenstoff genutzt werden, um daraus synthetische Brenn- und Kraftstoffe herzustellen. Würden diese verbrannt, könnte der CO2-Kreislauf wieder von vorne beginnen. Carbon Usage heißt das Prinzip, und lange galten Industrieemissionen als beste Quelle. Die hohe CO2-Konzentration in den Abgasen sollte die Kosten für die Abscheidung im Rahmen halten, zudem gelten Prozessemissionen landläufig immer noch als unvermeidbar. Doch noch bevor Carbon Usage richtig ins Rollen kommt, will die Kommission das Konzept schon mit einem Ablaufdatum versehen.

Ab 2036 soll der Kohlenstoff nur noch aus der Luft, natürlichen geologischen Quellen oder der Verbrennung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen oder Biomasse stammen dürfen. So steht es in einer bisher wenig beachteten Passage eines delegierten Rechtsaktes der EU-Kommission zu grünem Wasserstoff – genauer gesagt im Anhang zur Methodologie, nach welcher der CO2-Fußabdruck von wiederverwerteten kohlenstoffhaltigen Kraftstoffen berechnet wird (Europe.Table berichtete). Im Nicht-EU-Jargon werden sie häufig auch synthetische Kraftstoffe oder SynFuels genannt.

Synthetische Kraftstoffe aus Industrie-CO2 nur bis 2035 möglich

Bei der Produktion dieser synthetischen Kraftstoffe soll CO2 aus Industrieabgasen nach den Kommissionsplänen nur bis 2035 verwendet werden dürfen – zumindest dann, wenn die Anlagen dem Emissionshandel unterliegen. Bis 17. Juni konsultiert die Kommission den Entwurf des Rechtsaktes. Sollte sie die Regeln so beschließen, hätte dies weitreichende Folgen für die Industrie.

 “Wer in eine Anlage für E-Fuels investiert, muss nun mit bedenken, aus welchen nachhaltigen Quellen der Kohlenstoff langfristig kommen kann“, sagt Peter Kasten, stellvertretender Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut. Eine Refinanzierungszeit von maximal 13 Jahren wäre eher knapp bemessen.

Die CO2-Abscheidung aus der Luft (DACCS) ist zudem deutlich teurer, weil die Konzentration viel geringer ist als in Industrieabgasen. Damit dürften auch synthetische Kraftstoffe teurer werden, die im Verkehrssektor vor allem die FDP noch als Alternative zur Elektromobilität sieht. Als lukrative Punktquellen für CO2 blieben dann wohl nur noch große Biomasse-Kraftwerke.

Langfristig ist der Ansatz der Kommission aber im Einklang mit der Klimaneutralität. Die Emissionen im Energie- und Industriesektor müssen spätestens bis 2050 auf netto Null sinken, je nach Fortschreibung des Minderungspfades auch schon 2040. Mit den Nachhaltigkeitsanforderungen für SynFuels würde ein langfristiges Schlupfloch geschlossen.

Kleinteilige Kriterien für Wasserstoff

Kritik übt das Öko-Institut allerdings am zweiten delegierten Rechtsakt, der die Herkunft des Stroms regelt, mit dem flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs) produziert werden. Strenge Vorgaben für den Ökostrom sollen eigentlich verhindern, dass die Elektrolyseure für die Wasserstoffherstellung hauptsächlich mit Elektrizität aus Kohle- und Gaskraftwerken laufen. Der Experte verweist aber darauf, dass der Großteil des künftigen Wasserstoffbedarfs über den Weltmarkt gedeckt werden muss.

“Die Kriterien für erneuerbaren Strom sind in ihrer Kleinteiligkeit sehr europäisch gedacht“, kritisiert Kasten. “Für internationale Wasserstoff-Produzenten, die noch keine Erfahrung mit EU-Regulierung haben, wird es eine Herausforderung sein, diese Anforderungen umzusetzen, solange diese Anlagen den Strom nicht direkt von den Erneuerbaren-Anlagen erhalten.” Allerdings werde ein relevanter Anteil der Elektrolyseure im Ausland wohl eine direkte Verbindung zu Wind- und Solarparks haben.

Für zu kleinteilig hält die Kriterien auch der Energieverband BDEW. “Die von der EU-Kommission nun vorgeschlagenen Kriterien für den Strombezug zur Herstellung erneuerbaren Wasserstoffs sind so streng, dass sie die Entstehung eines liquiden Wasserstoffmarkts erheblich ausbremsen oder gar verhindern könnten”, heißt es in einer Mitteilung. Für den Ökostrom sollten stattdessen nach Meinung des Verbandes die bereits etablierten Herkunftsnachweise ausreichen.

Verknüpfung mit Emissionshandel

Auf Misstrauen bei Umweltschützern stößt dagegen ein ungewöhnliches Kriterium, das den Ökostrom-Bezug mit dem Zertifikatepreis im Emissionshandel verknüpft. Das Gleichzeitigkeitskriterium zwischen hoher Erneuerbaren-Einspeisung und Strombezug des Elektrolyseurs soll laut Entwurf auch dann erfüllt sein, wenn der stundenscharfe Spotmarkt-Preis des Stroms dem 0,36-Fachen des CO2-Preises entspricht.

“Diese Alternative scheint kurzfristig in den Entwurf übernommen worden zu sein”, sagt Ricarda Dubbert von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). “Die Koppelung von Wasserstoffproduktion an den ETS-Preis ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Der ETS-Preis ist darauf angelegt, anzusteigen, was bei einer derartigen Koppelung die Betriebszeiten von Elektrolyseuren zunehmend ausweiten würde.” Inwieweit dadurch die Gefahr besteht, dass die Gleichzeitigkeit ausgehebelt wird, sei allerdings schwierig zu bewerten.

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Einigung auf eingeschränktes Öl-Embargo: Blamage abgewendet

Viktor Orbán hat bekommen, was er wollte. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs haben sich darauf geeinigt, Pipeline-Lieferungen vom Öl-Embargo der EU gegen Russland auszunehmen (Europe.Table berichtete). Ungarn ist auf russisches Öl angewiesen und hängt an der Druschba-Pipeline. Orbán hatte sich daher vehement gegen einen weitreichenderen Öl-Boykott gewehrt. Auch Tschechien und die Slowakei beziehen russisches Öl aus der Druschba-Pipeline und bleiben nun von der Maßnahme verschont.

Ausnahme für Pipeline-Öl aus Russland nur “vorübergehend”

Das beschlossene Embargo gegen russisches mit Tankern über den Seeweg transportiertes Öl soll mit Übergangsfristen greifen. Für anlandendes Rohöl seien dafür sechs Monate, für raffinierte Produkte acht Monate vorgesehen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel am Dienstag. Die Fristen griffen, wenn das sechste Sanktionspaket der EU gegen Russland formal beschlossen sei. Erwartet wird, dass der entsprechende Beschluss noch diese Woche auf Botschafter-Ebene gefasst wird.

Die vereinbarte Ausnahme für Pipeline-Öl gelte “ohne zeitliche Begrenzung”, betonte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala. Zudem werde es Tschechien für einen Übergangszeitraum von 18 Monaten ermöglicht, Raffinerieprodukte aus russischem Erdöl einzuführen. Die Einzelheiten sollen demnach in den nächsten Tagen festgelegt werden. In den Schlussfolgerungen des Rats heißt es allerdings, dass die Ausnahme nur “vorübergehend” sei und dass der Rat “so bald wie möglich” auf die Ausnahmeregelung für Pipeline-Öl zurückkommen wolle.

Deutschland und Polen geben Protokollerklärung ab

Auch Deutschland bezieht Öl aus Russland durch die Druschba-Pipeline, welches die beiden großen ostdeutschen Raffinerien in Leuna und in Schwedt versorgt. Doch haben Deutschland und Polen beim EU-Gipfel eine sogenannte Protokollerklärung abgegeben: Sie bekräftigen schriftlich, den Kauf von russischem Öl bis Ende des Jahres zu stoppen (Europe.Table berichtet). Praktisch gilt die “Pipeline-Ausnahme” also nur für Ungarn, die Slowakei und Tschechien. Nach Angaben von EU-Diplomaten diente die Erklärung auch dazu, den Kompromiss zu erleichtern. Für einige EU-Staaten wäre es vollkommen inakzeptabel gewesen, wenn ein wirtschaftsstarkes Land wie Deutschland weiter von günstigem russischem Öl profitiert hätte.

Der slowakische Regierungschef Eduard Heger erklärte, dass sein Land russisches Öl bis zu dem Augenblick verwenden könne, “bis wir eine vollwertige Alternative haben.” Er sei zudem froh, dass es gelungen ist, auch Viktor Orbán mit an Bord zu bekommen. “So ist die Europäische Union einig geblieben, was in dieser Zeit außerordentlich wichtig ist.”

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kritisierte den ungarischen Staatschef dagegen. Orbán habe “ruchlos” für seine eigenen Interessen gepokert. Die europäische Kraft und die Entschlossenheit Europas habe durch das “Gewürge” um das sechste Sanktionspaket gelitten. Der russische Präsident Wladimir Putin werde mit seinem Angriff auf die Ukraine nicht aufhören, wenn er nicht in der Ukraine unterliege. Orbán aber habe einen “Handel” aufgemacht und nicht mehr Politik in einem höheren Interesse gemacht.

Empfindliche Sanktionen, trotz “Embargo light”

Mit der Einigung mit Orbán habe Europa eine “Blamage” noch verhindern können, sagte Claudia Kemfert, Fachfrau am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das “Embargo light” werde Russland empfindlich treffen. Zwischenzeitlich war nicht klar, ob sich die Staats- und Regierungschefs auf einen gemeinsamen Kompromiss zum Öl-Embargo einigen können.

Auch BDI-Präsident Siegfried Russwurm befürwortete den Entschluss: Die EU setze damit ein “deutliches Signal der Geschlossenheit an den russischen Aggressor”. Er appellierte gleichzeitig, dass bei der Ausgestaltung des Öl-Embargos Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU vermieden werden sollten, da das Öl-Embargo ein “außerordentlich drastischer Schritt” sei, auf den sich die deutschen Unternehmen seit Wochen vorbereiten würden. Wettbewerbsverzerrungen könnten dann auftreten, wenn die vom Embargo ausgenommenen Länder Marktvorteile gegenüber anderen EU-Staaten erhalten würden.

Die Einigung sei bei weitem “nicht ideal”, stelle aber einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar, twitterte Simone Tagliapietra, Senior Fellow beim Thinktank Bruegel. Der größte Schwachpunkt sei der Zeitplan, da das Embargo erst Ende 2022 wirksam werden würde, obwohl die russische Wirtschaft und ihr militärisches Potenzial so schnell wie möglich geschwächt werden müsse, so der Energieexperte. Von den 23 Milliarden US-Dollar, die Europa monatlich für russisches Öl zahlt, würde Russland dann aber nur einen Bruchteil sehen. Das sei ein schwerer Schlag. Die EU sollte sich nun auf Gas-Sanktionen vorbereiten, forderte Tagliapietra.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat derweil eingeräumt, dass das Embargo nicht zwingend zu einer Reduzierung der russischen Exporte führen wird. “Wir können Russland nicht davon abhalten, sein Öl an jemanden anderen zu verkaufen”, sagte er. Zugleich wies Borrell darauf hin, dass die EU zuletzt der wichtigste Kunde Russlands war. “Sie werden sich nach anderen umschauen müssen, und sie werden sicherlich die Preise senken müssen.” Damit werden aus Sicht von Borrell bereits die Ziele der EU erreicht. Es gehe darum, den Russen die finanziellen Mittel für ihre Kriegsmaschinerie zu nehmen. Dies werde “ganz sicher passieren”.

Ölpreise stiegen am Dienstag

Als Reaktion auf die Einigung beim EU-Gipfel stiegen die Ölpreise am Dienstag deutlich. Am Mittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 123,60 US-Dollar. Das waren 1,93 Dollar mehr als am Vortag. Es ist der höchste Stand seit Anfang März. Börsianer verwiesen als Antrieb für die Ölpreise insbesondere auf die Aussage von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wonach die Öl-Importe der Europäischen Union aus Russland trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent reduziert werden.

Offenbar bemüht sich die EU bereits um alternative Anbieter. “Die EU scheint sich dabei verstärkt in Westafrika umzuschauen”, schreibt Commerzbank-Experte Carsten Fritsch. Für Mai würden Daten Öllieferungen von 660 000 Barrel pro Tag aus Nigeria, Angola und Kamerun nach Nordwest-Europa nahelegen. Auch die Lieferungen aus Nordafrika legten zu. luk/dpa/rtr

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Russland stoppt Gas-Lieferungen an Deutschland und Dänemark

Der russische Energieriese Gazprom dreht dem dänischen Versorger Orsted und der Shell Energy Europe den Gashahn zu. Die Shell Energy Europe sei von dem Lieferstopp wegen ihres Vertrags über Gaslieferungen nach Deutschland betroffen, teilt Gazprom mit. Der Lieferstopp solle ab 1. Juni gelten. Grund dafür sei, dass die Firmen nicht wie von Russland gefordert in Rubel bezahlt hätten. 

Der Lieferstopp für die Shell Energie Europe gefährdet nach Einschätzung der Bundesnetzagentur die Versorgung nicht. “Die Versorgungssicherheit ist derzeit gewährleistet. Wir beobachten die Lage sehr genau”, hieß es vonseiten der Agentur. Orsted hatte am Montag mitgeteilt, dass Gazprom Export die Gaslieferungen einstellen könnte, aber dass ein solcher Schritt die Gasversorgung Dänemarks nicht unmittelbar gefährden würde.

Nach Angaben von Gazprom hat Shell Energy Europe Limited es abgelehnt, für die Lieferungen nach Deutschland in Rubel zu zahlen. Der Vertrag sieht laut Gazprom Gaslieferungen von bis zu 1,2 Milliarden Kubikmetern pro Jahr vor.

Gas-Lieferstopp Russland hat noch keine Auswirkungen auf Deutschland

Vom russischen Gas abgeschnitten sind bereits Bulgarien, Polen und Finnland. Seit Dienstag gibt es auch einen Gas-Lieferstopp von Gazprom gegenüber den Niederlanden. Der Gas-Lieferstopp Russlands hat laut Bundesnetzagentur bisher ebenfalls keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland und in den Niederlanden, wie die Behörde am Dienstag in Bonn in ihrem täglichen Lagebericht mitteilte. Infolge des Lieferstopps werde in der Pipeline Nord Stream 1 ein Rückgang der Gasflüsse um circa zehn Prozent erwartet. “Die nun ausbleibenden Mengen sind nach den vorliegenden Informationen für den niederländischen Markt bestimmt gewesen. Diese werden nun anderweitig beschafft”, hieß es.

Wie die Bundesnetzagentur weiter berichtete, sind die Gasspeicher in Deutschland mittlerweile zu 48,4 Prozent gefüllt. Nach Angaben der europäischen Speicherbetreiber im Internet wird seit dem 5. April mehr Erdgas eingespeichert als entnommen. Auch der bis vor Kurzem fast vollständig entleerte größte deutsche Speicher im niedersächsischen Rehden wird langsam wieder befüllt. Am Sonntag war er zu knapp 2,2 Prozent gefüllt. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte am Sonntag im “Deutschlandfunk” gesagt, dass der Speicher in Rehden schneller als bisher befüllt werden soll.

Sanktionskonforme Zahlungen nach Russland

Die Energiekonzerne Uniper und RWE haben ihre Zahlungen für russisches Erdgas so umgestellt, dass sie den neuen Vorgaben aus Russland ebenso entsprechen wie den westlichen Sanktionen wegen des Krieges in der Ukraine.

Uniper teilte mit, man zahle “in Euro im Einklang mit dem neuen Zahlungsmechanismus”. Die erste Zahlung sei Ende Mai erfolgt. Uniper handle auf diese Weise sanktionskonform und könne weiterhin eine fristgerechte Vertragserfüllung gewährleisten. “Das Vorgehen war im Vorfeld mit der Bundesregierung abgestimmt worden und folgt den entsprechenden EU-Leitlinien.”

Deutschlands größter Stromversorger RWE erklärte ebenfalls, er habe seine Zahlmethode nach den neuen Vorgaben umgestellt. “Wir bestätigen, dass wir Euros in das Konto gezahlt haben”, hieß es. Das Unternehmen hatte vor zwei Wochen mitgeteilt, es habe für künftige Zahlungen ein Euro-Konto in Russland eröffnet. rtr/sas

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Draghi: Kommission hat Mandat zur Prüfung einer Preisobergrenze für Gas

Die Europäische Kommission hat ein umfassendes Mandat erhalten, um die Möglichkeit einer Preisobergrenze für Gasimporte aus Russland zu prüfen, sagte Italiens Premierminister Mario Draghi am Dienstag.

“Die Kommission hat das Mandat erhalten, die Machbarkeit einer Gaspreisobergrenze zu untersuchen”, sagte Draghi nach dem EU-Gipfel in Brüssel vor Reportern. “Italien wird durch das Abkommen nicht benachteiligt werden. Die Verpflichtung, kein russisches Öl zu importieren, wird ab Ende des Jahres auch für uns gelten”, sagte Draghi. rtr

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EU und Afrikanische Union warnen vor Getreidekrise

Die EU fordert ein Ende der Blockade ukrainischer Getreideexporte. Der russische Angriffskrieg habe direkte Auswirkungen auf die globale Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln, heißt es in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels, der am Dienstag in Brüssel zu Ende ging. Russland müsse den Hafen von Odessa freigeben und die Angriffe auf die ukrainische Transport-Infrastruktur beenden, erklärten die 27 Staats- und Regierungschefs.

Rückendeckung bekamen sie vom Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), Macky Sall. Der Stopp der Getreide- und Düngemittelausfuhren über das Schwarze Meer sei besorgniserregend für einen Kontinent mit 282 Millionen unterernährten Menschen, sagte Sall. Der Preis für Düngemittel in Afrika habe sich im Vergleich zu 2021 bereits verdreifacht. 

Vorsitzender der Afrikanischen Union warnt vor Folgen der Sanktionen

Anders als Gipfelchef Charles Michel machte Sall allerdings nicht nur Russland für die Krise verantwortlich. Vielmehr warnte er auch vor den Folgen der neuen EU-Sanktionen. Der Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-Zahlungssystem erschwere die Bezahlung wichtiger Agrarprodukte, wodurch die Lebensmittelversorgung gefährdet sei, sagte Sall.  

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte nach dem Ende des Gipfeltreffens, die Verantwortung für die Ernährungskrise liege “eindeutig bei Russland und seinem Präsidenten”. Zur Rolle der EU-Sanktionen wollte er sich nicht äußern. Deutschland und die EU würden sich gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft um eine Abwendung der Krise bemühen.

Im nun geplanten sechsten Sanktionspaket wird auch die größte russische Bank, die Sberbank, von Swift abgekoppelt. Russland behauptet, diese und andere Maßnahmen erschwerten den Export von Getreide, die EU sei daher selbst für die Ernährungskrise verantwortlich. Russland gehört mit der Ukraine zu den größten Getreide-Exporteuren weltweit. Einige EU-Länder erwägen einen Militäreinsatz, um die russische Blockade im Schwarzen Meer zu beenden. ebo

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Manfred Weber zum Vorsitzenden der EVP gewählt

Der CSU-Politiker Manfred Weber steht künftig an der Spitze der größten europäischen Parteienfamilie EVP. Der 49-Jährige Manfred Weber wurde am Dienstagabend bei einem Kongress in Rotterdam ohne Gegenkandidat mit 89 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der christdemokratischen Organisation gewählt, der auch die Unionsparteien CDU und CSU angehören. Weber löst den früheren EU-Ratspräsidenten und polnischen Regierungschef Donald Tusk ab, der sich wieder ganz auf die nationale Politik konzentrieren will.

Erklärtes Ziel des Niederbayern Weber ist es, der EVP wieder mehr Bedeutung zu verleihen. Die Christdemokraten hatten zuletzt empfindliche Niederlagen hinnehmen müssen – etwa bei der Bundestagswahl in Deutschland oder der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Insgesamt stehen nur rund ein halbes Dutzend Christdemokraten an der Staats- beziehungsweise Regierungsspitze eines EU-Landes. Das wirtschaftlich stärkste davon ist Österreich.

In seiner Rede zur Wahl betonte Weber, die EVP sei die Rechtsstaatspartei Europas. Nur die EVP garantiere eine soziale Marktwirtschaft. An der Bundesregierung übte er scharfe Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeige wegen starker russlandfreundlicher Netzwerke in der SPD, die auch Altkanzler Gerhard Schröder verkörpere, “keinen Willen, keine Entschlossenheit, keine Führung”.

Weber führt seit 2014 die EVP-Fraktion im Europaparlament. Als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie bei der Europawahl 2019 war er damit gescheitert, Präsident der EU-Kommission zu werden.

Für denkbar wird gehalten, dass der EVP-Posten auch für Weber eine Zwischenstation auf dem Weg zurück in die Heimat sein könnte. Der amtierende CSU-Vorsitzende, Markus Söder, hatte zuletzt mit weniger guten Umfragewerten zu kämpfen.

Zwar betonte Weber, dass er “mit Haut und Haaren” Europäer sei. Eine Kandidatur schließt er aber nicht explizit aus. Diese Frage stelle sich einfach nicht, sagte der 49-Jährige zuletzt. Söder würdigte Weber im Gegenzug schon vor seiner Wahl als großen Europäer. dpa

  • Europapolitik

Dänemark stimmt über EU-Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen ab

Dänemark entscheidet heute bei einer Volksabstimmung darüber, ob es eine Sonderregelung in EU-Verteidigungsfragen abschaffen will. Knapp 4,3 Millionen Däninnen und Dänen sind dazu aufgerufen, Stellung zu der Frage zu beziehen, ob sich ihr Land durch die Abschaffung des sogenannten EU-Verteidigungsvorbehaltes künftig an der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitszusammenarbeit beteiligen kann.

Die Abstimmungslokale sind von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Mit einem vorläufigen Ergebnis wird am späten Abend gerechnet.

Ukraine-Krieg sorgt für Abstimmung über EU-Verteidigung

Die Abstimmung findet vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine statt, der auch in Dänemark zu Sicherheitsbedenken und einem Überdenken der eigenen Verteidigung geführt hat. Umfragen deuten darauf hin, dass eine Mehrheit der dänischen Bürgerinnen und Bürger den 1993 eingeführten Vorbehalt loswerden will. Der Großteil der dänischen Parteien ist dafür.

Es wäre das erste Mal, dass sich Dänemark in einer Volksabstimmung für eine Abschaffung einer solchen EU-Sonderregelung ausspricht. Im Jahr 2000 hatte der nördlichste deutsche Nachbar mehrheitlich gegen den Euro und 2015 auch gegen die EU-Justizzusammenarbeit gestimmt. dpa

  • Dänemark
  • Europapolitik
  • Sicherheitspolitik

Presseschau

EU-Kommissarin Vera Jourova im Kampf gegen Desinformationen: “Europa wird kein Wahrheits­ministerium schaffen – wir sind nicht wie Russland” RND
EVP-Kongress wählte Weber zu neuem Chef der EU-Konservativen DER STANDARD
Dänemark stimmt über EU-Verteidigungsvorbehalt ab HANDELSBLATT
Polen drängt auf Corona-Hilfen der EU DW
Inflation in EU steigt auf Rekordhöhe von 8,1 Prozent N-TV
Selenskyj dankt EU für Sanktionen DW
In Frankreich fordern sogar Alt-68er Waffenlieferungen WELT
Merz wirft Scholz mangelndes EU-Engagement vor N-TV
Wirtschaft in Frankreich schrumpft überraschend BÖRSEN ZEITUNG
Kampf den Anglizismen: Frankreich macht “Early Access” zu “accès anticipé” HEISE
Mallorca und Ibiza: Drastische Personalnot auf den Urlaubsinseln DER STANDARD

Standpunkt

CBAM und ETS-Reform gefährden die Transformation der Stahlbranche

Von Hans Jürgen Kerkhoff
Hans Jürgen Kerkhoff, Geschäftsführer und Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, im Interview über grünen Stahl und die Transformation der Stahlbranche.
Hans Jürgen Kerkhoff ist Geschäftsführer und Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Warum ist die Entscheidung in Brüssel für Deutschland von so großer Bedeutung? Die Stahlindustrie ist in unserem Land mit jährlich bis zu 60 Millionen Tonnen CO2 einer der großen Verursacher von Treibhausgasen. Gleichzeitig haben die Unternehmen sehr konkrete Konzepte (Europe.Table berichtete), wie sie diese Herausforderung zum Wohl aller in den Griff bekommen können. Direktreduktionsanlagen sollen die Hochöfen ersetzen. Wenn grüner Wasserstoff an die Stelle von Koks und Kohle tritt, entsteht bei der Produktion Wasser statt klimaschädlichem CO2. Parallel dazu steigen die Schrott verarbeitenden Elektrostahlwerke auf grünen Strom und grünen Wasserstoff um.

Herstellungskosten für grünen Stahl zunächst hoch

Wenn sich diese Pläne realisieren lassen, wird die Stahlbranche bis zur Jahrhundertmitte eine Industrie sein, deren grüne Produkte sich in der ganzen Vielfalt ihrer Wertschöpfungsketten immer positiver widerspiegeln – vom Elektrofahrzeug bis zu jedem Alltagsprodukt, das grünen Stahl enthalten wird. Schon bis 2030 ist eine deutliche CO2-Reduktion möglich, wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür passend gesetzt werden.

Die Unternehmen stehen also in den Startlöchern für ihre Transformation in eine klimaneutrale Zukunft. Klar muss aber auch sein, dass dafür erhebliche Investitionen erforderlich sind, geht es doch letztlich um einen kompletten Umbau der Produktionsanlagen. Die grünen Herstellungsverfahren für Stahl auf Basis von grünem Strom und klimaneutralem Wasserstoff werden zudem zu Beginn deutlich teurer sein als die konventionelle Produktion.

Klimaschutzverträge erforderlich

Instrumente wie Klimaschutzverträge sind erforderlich, um die höheren Kosten für die grüne Produktion auszugleichen und damit den Weg in eine immer CO2-ärmere Stahlproduktion zu ebnen. Durch grüne Leitmärkte müssen Nachfrage sowie Zahlungsbereitschaft auf der Abnehmerseite geschaffen werden, diese können dafür sorgen, dass staatliche Förderung perspektivisch allmählich zurückgefahren werden kann. Die Stahlindustrie hat kein Interesse, zu einem Dauersubventionsempfänger zu werden.

Diese nur langsam konkreter werdenden politischen Rahmenbedingungen auf der nationalen Ebene werden die Transformation jedoch nicht allein in Schwung bringen können. Ganz entscheidend ist die Frage, ob jetzt auch auf der europäischen Ebene Regelungen getroffen werden, mit denen die Unternehmen ihren Weg in eine klimaneutrale Zukunft finden können. Bekommen die Betriebe die nötige Sicherheit, damit sie Investitionen in neue Anlagen tätigen können? Wird es einen Carbon-Leakage-Schutz geben, der insbesondere in dieser Transformationsphase die internationale Wettbewerbsfähigkeit gegenüber billigerem “grauem” Stahl aus Ländern außerhalb der EU sichert?

Aktuell gibt es dabei viele Fragezeichen. Der Vorschlag des Umweltausschusses im Europäischen Parlament (Europe.Table berichtete) sieht sogar eine noch schnellere Abschmelzung der freien Zuteilung und ihr Auslaufen bereits für 2030 vor, fünf Jahre früher, als es die EU-Kommission vorgesehen hatte. Statt der freien Zuteilung soll ein völlig ungetesteter CO2-Grenzausgleich (Europe.Table berichtete) die Branche vor Carbon Leakage absichern. Exporte bleiben ungeschützt (Europe.Table berichtete) und sind damit im internationalen Wettbewerb massiv benachteiligt.

Freie Zuteilung bleibt unverzichtbar

Solange ein Grenzausgleich nicht ausreichend erprobt und seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt wurde, bleibt die freie Zuteilung unverzichtbar, wenn die Transformation hin zur Klimaneutralität ohne Produktionsverluste gelingen soll. Es geht dabei nicht darum, die bisherigen CO2-intensiven Technologien in die Zukunft fortzuschreiben, sondern darum, die Unternehmen in die Lage zu versetzen, ihre Klimaschutzpläne vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs umzusetzen.

Die Umstellung auf eine CO2-arme Stahlproduktion geht nicht von heute auf morgen, sondern erfolgt in Stufen. Die freie Zuteilung hält dabei in der Übergangszeit auch die konventionelle Stahlproduktion wettbewerbsfähig (Europe.Table berichtete). So kann die weitere Transformation gestemmt und die Versorgung mit Stahl gesichert werden. Stahl steht am Anfang vieler Wertschöpfungsketten und ist beispielsweise auch für eine grüne Energieversorgung mit Windrädern, Pipelines und vielem anderen unverzichtbar.

Bis zu 16 Milliarden Euro Mehrkosten

Werden die Empfehlungen des Umweltausschusses oder die vorangegangenen Vorschläge der EU-Kommission Realität, so wird der Stahlindustrie der Weg in die Transformation deutlich erschwert. Nach dem Kommissionsvorschlag würden sich die Mehrkosten auf bis zu 16 Milliarden Euro im Zeitraum von 2026 bis 2030 belaufen, die durch die Vorschläge des Umweltausschusses noch erhöht würden.

Solche Pläne entziehen den Unternehmen wichtige Investitionsspielräume, die sie zur Bewältigung der Transformation brauchen. Dies träfe die Betriebe zu einer Zeit, in der sie milliardenschwere Investitionsentscheidungen beispielsweise über neue Anlagen treffen müssen, mit denen sie in eine CO2-freie Zukunft gehen können.

Die Pläne zur CO2-Bepreisung in Brüssel passen nicht zusammen mit den ambitionierten Transformationspfaden der Stahlunternehmen. Europa darf nicht den Blick für die industriellen Realitäten verlieren. Das Europäische Parlament hat es am Dienstag in der Hand, einen besseren Weg einzuschlagen, als es das “Fit for 55“-Programm bisher vorgibt. Ein klimaneutrales Europa ohne klimaneutrale Industrie wäre die falsche Lösung. Sinnvoller ist es, den Unternehmen in den entscheidenden nächsten Jahren die nötige Luft zu geben, damit sie ihre Transformation bewältigen können.

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • EU und Afrikanische Union warnen vor Getreidekrise
    • Manfred Weber zum Vorsitzenden der EVP gewählt
    • Dänemark stimmt über EU-Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen ab
    • Standpunkt: Hans Jürgen Kerkhoff (WV Stahl) – CBAM und ETS-Reform gefährden die Transformation der Stahlbranche
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    eine Überraschung ist es nicht, war er doch der einzige Kandidat: Manfred Weber steht künftig an der Spitze der EVP. Er wurde gestern Abend zum Präsidenten der größten europäischen Parteienfamilie gewählt. Weber sagt über sich, dass er “mit Haut und Haaren” Europäer sei. Doch es gibt Spekulationen, ob der neue Posten nur eine Zwischenstation auf dem Weg zurück nach Bayern sein könnte. Mehr lesen Sie in den News.

    Als zukunftsträchtige Alternative zum Elektroantrieb gelten in manchen Kreisen synthetische Kraftstoffe. Doch neue Nachhaltigkeitsanforderungen der Kommission könnten eines der Lieblingssymbole für Technologieoffenheit stark verteuern. Manuel Berkel hat das entscheidende Kriterium ausfindig gemacht und analysiert, wie die Kommission die gesamte Idee von Carbon Usage zurechtrückt.

    Die Europäische Union sei “einig geblieben, was in dieser Zeit außerordentlich wichtig ist”, sagte der slowakische Regierungschef Eduard Heger zum nun beschlossenen Öl-Embargo. Die Slowakei ist neben Ungarn und Tschechien eines der Länder, die von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hingegen spricht von einem “Gewürge” um das sechste Sanktionspaket, unter dem die Entschlossenheit Europas gelitten habe. Lukas Scheid hat die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft zum “Embargo light” eingefangen – ebenso wie Einschätzungen dazu, wie stark dieses Embargo Russland überhaupt treffen kann

    Während die EU noch mit dem Öl-Embargo beschäftigt ist, nimmt die Zahl der Länder weiter zu, die von einem Gas-Lieferstopp aus Russland betroffen sind. Ab heute soll laut Gazprom dem dänischen Versorger Orsted der Gashahn zugedreht werden, ebenso wie der Shell Energy Europe – und zwar wegen der Lieferungen nach Deutschland.

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    Sarah Schaefer
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    Kommission will SynFuels aus Industrie-CO2 verbieten

    Lange galt die Idee als ein künftiger Pfeiler einer klimaneutralen Industriegesellschaft: CO2 könnte aufgefangen und der Kohlenstoff genutzt werden, um daraus synthetische Brenn- und Kraftstoffe herzustellen. Würden diese verbrannt, könnte der CO2-Kreislauf wieder von vorne beginnen. Carbon Usage heißt das Prinzip, und lange galten Industrieemissionen als beste Quelle. Die hohe CO2-Konzentration in den Abgasen sollte die Kosten für die Abscheidung im Rahmen halten, zudem gelten Prozessemissionen landläufig immer noch als unvermeidbar. Doch noch bevor Carbon Usage richtig ins Rollen kommt, will die Kommission das Konzept schon mit einem Ablaufdatum versehen.

    Ab 2036 soll der Kohlenstoff nur noch aus der Luft, natürlichen geologischen Quellen oder der Verbrennung von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen oder Biomasse stammen dürfen. So steht es in einer bisher wenig beachteten Passage eines delegierten Rechtsaktes der EU-Kommission zu grünem Wasserstoff – genauer gesagt im Anhang zur Methodologie, nach welcher der CO2-Fußabdruck von wiederverwerteten kohlenstoffhaltigen Kraftstoffen berechnet wird (Europe.Table berichtete). Im Nicht-EU-Jargon werden sie häufig auch synthetische Kraftstoffe oder SynFuels genannt.

    Synthetische Kraftstoffe aus Industrie-CO2 nur bis 2035 möglich

    Bei der Produktion dieser synthetischen Kraftstoffe soll CO2 aus Industrieabgasen nach den Kommissionsplänen nur bis 2035 verwendet werden dürfen – zumindest dann, wenn die Anlagen dem Emissionshandel unterliegen. Bis 17. Juni konsultiert die Kommission den Entwurf des Rechtsaktes. Sollte sie die Regeln so beschließen, hätte dies weitreichende Folgen für die Industrie.

     “Wer in eine Anlage für E-Fuels investiert, muss nun mit bedenken, aus welchen nachhaltigen Quellen der Kohlenstoff langfristig kommen kann“, sagt Peter Kasten, stellvertretender Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut. Eine Refinanzierungszeit von maximal 13 Jahren wäre eher knapp bemessen.

    Die CO2-Abscheidung aus der Luft (DACCS) ist zudem deutlich teurer, weil die Konzentration viel geringer ist als in Industrieabgasen. Damit dürften auch synthetische Kraftstoffe teurer werden, die im Verkehrssektor vor allem die FDP noch als Alternative zur Elektromobilität sieht. Als lukrative Punktquellen für CO2 blieben dann wohl nur noch große Biomasse-Kraftwerke.

    Langfristig ist der Ansatz der Kommission aber im Einklang mit der Klimaneutralität. Die Emissionen im Energie- und Industriesektor müssen spätestens bis 2050 auf netto Null sinken, je nach Fortschreibung des Minderungspfades auch schon 2040. Mit den Nachhaltigkeitsanforderungen für SynFuels würde ein langfristiges Schlupfloch geschlossen.

    Kleinteilige Kriterien für Wasserstoff

    Kritik übt das Öko-Institut allerdings am zweiten delegierten Rechtsakt, der die Herkunft des Stroms regelt, mit dem flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs) produziert werden. Strenge Vorgaben für den Ökostrom sollen eigentlich verhindern, dass die Elektrolyseure für die Wasserstoffherstellung hauptsächlich mit Elektrizität aus Kohle- und Gaskraftwerken laufen. Der Experte verweist aber darauf, dass der Großteil des künftigen Wasserstoffbedarfs über den Weltmarkt gedeckt werden muss.

    “Die Kriterien für erneuerbaren Strom sind in ihrer Kleinteiligkeit sehr europäisch gedacht“, kritisiert Kasten. “Für internationale Wasserstoff-Produzenten, die noch keine Erfahrung mit EU-Regulierung haben, wird es eine Herausforderung sein, diese Anforderungen umzusetzen, solange diese Anlagen den Strom nicht direkt von den Erneuerbaren-Anlagen erhalten.” Allerdings werde ein relevanter Anteil der Elektrolyseure im Ausland wohl eine direkte Verbindung zu Wind- und Solarparks haben.

    Für zu kleinteilig hält die Kriterien auch der Energieverband BDEW. “Die von der EU-Kommission nun vorgeschlagenen Kriterien für den Strombezug zur Herstellung erneuerbaren Wasserstoffs sind so streng, dass sie die Entstehung eines liquiden Wasserstoffmarkts erheblich ausbremsen oder gar verhindern könnten”, heißt es in einer Mitteilung. Für den Ökostrom sollten stattdessen nach Meinung des Verbandes die bereits etablierten Herkunftsnachweise ausreichen.

    Verknüpfung mit Emissionshandel

    Auf Misstrauen bei Umweltschützern stößt dagegen ein ungewöhnliches Kriterium, das den Ökostrom-Bezug mit dem Zertifikatepreis im Emissionshandel verknüpft. Das Gleichzeitigkeitskriterium zwischen hoher Erneuerbaren-Einspeisung und Strombezug des Elektrolyseurs soll laut Entwurf auch dann erfüllt sein, wenn der stundenscharfe Spotmarkt-Preis des Stroms dem 0,36-Fachen des CO2-Preises entspricht.

    “Diese Alternative scheint kurzfristig in den Entwurf übernommen worden zu sein”, sagt Ricarda Dubbert von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). “Die Koppelung von Wasserstoffproduktion an den ETS-Preis ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Der ETS-Preis ist darauf angelegt, anzusteigen, was bei einer derartigen Koppelung die Betriebszeiten von Elektrolyseuren zunehmend ausweiten würde.” Inwieweit dadurch die Gefahr besteht, dass die Gleichzeitigkeit ausgehebelt wird, sei allerdings schwierig zu bewerten.

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    Einigung auf eingeschränktes Öl-Embargo: Blamage abgewendet

    Viktor Orbán hat bekommen, was er wollte. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs haben sich darauf geeinigt, Pipeline-Lieferungen vom Öl-Embargo der EU gegen Russland auszunehmen (Europe.Table berichtete). Ungarn ist auf russisches Öl angewiesen und hängt an der Druschba-Pipeline. Orbán hatte sich daher vehement gegen einen weitreichenderen Öl-Boykott gewehrt. Auch Tschechien und die Slowakei beziehen russisches Öl aus der Druschba-Pipeline und bleiben nun von der Maßnahme verschont.

    Ausnahme für Pipeline-Öl aus Russland nur “vorübergehend”

    Das beschlossene Embargo gegen russisches mit Tankern über den Seeweg transportiertes Öl soll mit Übergangsfristen greifen. Für anlandendes Rohöl seien dafür sechs Monate, für raffinierte Produkte acht Monate vorgesehen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel am Dienstag. Die Fristen griffen, wenn das sechste Sanktionspaket der EU gegen Russland formal beschlossen sei. Erwartet wird, dass der entsprechende Beschluss noch diese Woche auf Botschafter-Ebene gefasst wird.

    Die vereinbarte Ausnahme für Pipeline-Öl gelte “ohne zeitliche Begrenzung”, betonte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala. Zudem werde es Tschechien für einen Übergangszeitraum von 18 Monaten ermöglicht, Raffinerieprodukte aus russischem Erdöl einzuführen. Die Einzelheiten sollen demnach in den nächsten Tagen festgelegt werden. In den Schlussfolgerungen des Rats heißt es allerdings, dass die Ausnahme nur “vorübergehend” sei und dass der Rat “so bald wie möglich” auf die Ausnahmeregelung für Pipeline-Öl zurückkommen wolle.

    Deutschland und Polen geben Protokollerklärung ab

    Auch Deutschland bezieht Öl aus Russland durch die Druschba-Pipeline, welches die beiden großen ostdeutschen Raffinerien in Leuna und in Schwedt versorgt. Doch haben Deutschland und Polen beim EU-Gipfel eine sogenannte Protokollerklärung abgegeben: Sie bekräftigen schriftlich, den Kauf von russischem Öl bis Ende des Jahres zu stoppen (Europe.Table berichtet). Praktisch gilt die “Pipeline-Ausnahme” also nur für Ungarn, die Slowakei und Tschechien. Nach Angaben von EU-Diplomaten diente die Erklärung auch dazu, den Kompromiss zu erleichtern. Für einige EU-Staaten wäre es vollkommen inakzeptabel gewesen, wenn ein wirtschaftsstarkes Land wie Deutschland weiter von günstigem russischem Öl profitiert hätte.

    Der slowakische Regierungschef Eduard Heger erklärte, dass sein Land russisches Öl bis zu dem Augenblick verwenden könne, “bis wir eine vollwertige Alternative haben.” Er sei zudem froh, dass es gelungen ist, auch Viktor Orbán mit an Bord zu bekommen. “So ist die Europäische Union einig geblieben, was in dieser Zeit außerordentlich wichtig ist.”

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kritisierte den ungarischen Staatschef dagegen. Orbán habe “ruchlos” für seine eigenen Interessen gepokert. Die europäische Kraft und die Entschlossenheit Europas habe durch das “Gewürge” um das sechste Sanktionspaket gelitten. Der russische Präsident Wladimir Putin werde mit seinem Angriff auf die Ukraine nicht aufhören, wenn er nicht in der Ukraine unterliege. Orbán aber habe einen “Handel” aufgemacht und nicht mehr Politik in einem höheren Interesse gemacht.

    Empfindliche Sanktionen, trotz “Embargo light”

    Mit der Einigung mit Orbán habe Europa eine “Blamage” noch verhindern können, sagte Claudia Kemfert, Fachfrau am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das “Embargo light” werde Russland empfindlich treffen. Zwischenzeitlich war nicht klar, ob sich die Staats- und Regierungschefs auf einen gemeinsamen Kompromiss zum Öl-Embargo einigen können.

    Auch BDI-Präsident Siegfried Russwurm befürwortete den Entschluss: Die EU setze damit ein “deutliches Signal der Geschlossenheit an den russischen Aggressor”. Er appellierte gleichzeitig, dass bei der Ausgestaltung des Öl-Embargos Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU vermieden werden sollten, da das Öl-Embargo ein “außerordentlich drastischer Schritt” sei, auf den sich die deutschen Unternehmen seit Wochen vorbereiten würden. Wettbewerbsverzerrungen könnten dann auftreten, wenn die vom Embargo ausgenommenen Länder Marktvorteile gegenüber anderen EU-Staaten erhalten würden.

    Die Einigung sei bei weitem “nicht ideal”, stelle aber einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar, twitterte Simone Tagliapietra, Senior Fellow beim Thinktank Bruegel. Der größte Schwachpunkt sei der Zeitplan, da das Embargo erst Ende 2022 wirksam werden würde, obwohl die russische Wirtschaft und ihr militärisches Potenzial so schnell wie möglich geschwächt werden müsse, so der Energieexperte. Von den 23 Milliarden US-Dollar, die Europa monatlich für russisches Öl zahlt, würde Russland dann aber nur einen Bruchteil sehen. Das sei ein schwerer Schlag. Die EU sollte sich nun auf Gas-Sanktionen vorbereiten, forderte Tagliapietra.

    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat derweil eingeräumt, dass das Embargo nicht zwingend zu einer Reduzierung der russischen Exporte führen wird. “Wir können Russland nicht davon abhalten, sein Öl an jemanden anderen zu verkaufen”, sagte er. Zugleich wies Borrell darauf hin, dass die EU zuletzt der wichtigste Kunde Russlands war. “Sie werden sich nach anderen umschauen müssen, und sie werden sicherlich die Preise senken müssen.” Damit werden aus Sicht von Borrell bereits die Ziele der EU erreicht. Es gehe darum, den Russen die finanziellen Mittel für ihre Kriegsmaschinerie zu nehmen. Dies werde “ganz sicher passieren”.

    Ölpreise stiegen am Dienstag

    Als Reaktion auf die Einigung beim EU-Gipfel stiegen die Ölpreise am Dienstag deutlich. Am Mittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 123,60 US-Dollar. Das waren 1,93 Dollar mehr als am Vortag. Es ist der höchste Stand seit Anfang März. Börsianer verwiesen als Antrieb für die Ölpreise insbesondere auf die Aussage von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wonach die Öl-Importe der Europäischen Union aus Russland trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent reduziert werden.

    Offenbar bemüht sich die EU bereits um alternative Anbieter. “Die EU scheint sich dabei verstärkt in Westafrika umzuschauen”, schreibt Commerzbank-Experte Carsten Fritsch. Für Mai würden Daten Öllieferungen von 660 000 Barrel pro Tag aus Nigeria, Angola und Kamerun nach Nordwest-Europa nahelegen. Auch die Lieferungen aus Nordafrika legten zu. luk/dpa/rtr

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    Russland stoppt Gas-Lieferungen an Deutschland und Dänemark

    Der russische Energieriese Gazprom dreht dem dänischen Versorger Orsted und der Shell Energy Europe den Gashahn zu. Die Shell Energy Europe sei von dem Lieferstopp wegen ihres Vertrags über Gaslieferungen nach Deutschland betroffen, teilt Gazprom mit. Der Lieferstopp solle ab 1. Juni gelten. Grund dafür sei, dass die Firmen nicht wie von Russland gefordert in Rubel bezahlt hätten. 

    Der Lieferstopp für die Shell Energie Europe gefährdet nach Einschätzung der Bundesnetzagentur die Versorgung nicht. “Die Versorgungssicherheit ist derzeit gewährleistet. Wir beobachten die Lage sehr genau”, hieß es vonseiten der Agentur. Orsted hatte am Montag mitgeteilt, dass Gazprom Export die Gaslieferungen einstellen könnte, aber dass ein solcher Schritt die Gasversorgung Dänemarks nicht unmittelbar gefährden würde.

    Nach Angaben von Gazprom hat Shell Energy Europe Limited es abgelehnt, für die Lieferungen nach Deutschland in Rubel zu zahlen. Der Vertrag sieht laut Gazprom Gaslieferungen von bis zu 1,2 Milliarden Kubikmetern pro Jahr vor.

    Gas-Lieferstopp Russland hat noch keine Auswirkungen auf Deutschland

    Vom russischen Gas abgeschnitten sind bereits Bulgarien, Polen und Finnland. Seit Dienstag gibt es auch einen Gas-Lieferstopp von Gazprom gegenüber den Niederlanden. Der Gas-Lieferstopp Russlands hat laut Bundesnetzagentur bisher ebenfalls keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland und in den Niederlanden, wie die Behörde am Dienstag in Bonn in ihrem täglichen Lagebericht mitteilte. Infolge des Lieferstopps werde in der Pipeline Nord Stream 1 ein Rückgang der Gasflüsse um circa zehn Prozent erwartet. “Die nun ausbleibenden Mengen sind nach den vorliegenden Informationen für den niederländischen Markt bestimmt gewesen. Diese werden nun anderweitig beschafft”, hieß es.

    Wie die Bundesnetzagentur weiter berichtete, sind die Gasspeicher in Deutschland mittlerweile zu 48,4 Prozent gefüllt. Nach Angaben der europäischen Speicherbetreiber im Internet wird seit dem 5. April mehr Erdgas eingespeichert als entnommen. Auch der bis vor Kurzem fast vollständig entleerte größte deutsche Speicher im niedersächsischen Rehden wird langsam wieder befüllt. Am Sonntag war er zu knapp 2,2 Prozent gefüllt. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte am Sonntag im “Deutschlandfunk” gesagt, dass der Speicher in Rehden schneller als bisher befüllt werden soll.

    Sanktionskonforme Zahlungen nach Russland

    Die Energiekonzerne Uniper und RWE haben ihre Zahlungen für russisches Erdgas so umgestellt, dass sie den neuen Vorgaben aus Russland ebenso entsprechen wie den westlichen Sanktionen wegen des Krieges in der Ukraine.

    Uniper teilte mit, man zahle “in Euro im Einklang mit dem neuen Zahlungsmechanismus”. Die erste Zahlung sei Ende Mai erfolgt. Uniper handle auf diese Weise sanktionskonform und könne weiterhin eine fristgerechte Vertragserfüllung gewährleisten. “Das Vorgehen war im Vorfeld mit der Bundesregierung abgestimmt worden und folgt den entsprechenden EU-Leitlinien.”

    Deutschlands größter Stromversorger RWE erklärte ebenfalls, er habe seine Zahlmethode nach den neuen Vorgaben umgestellt. “Wir bestätigen, dass wir Euros in das Konto gezahlt haben”, hieß es. Das Unternehmen hatte vor zwei Wochen mitgeteilt, es habe für künftige Zahlungen ein Euro-Konto in Russland eröffnet. rtr/sas

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    Draghi: Kommission hat Mandat zur Prüfung einer Preisobergrenze für Gas

    Die Europäische Kommission hat ein umfassendes Mandat erhalten, um die Möglichkeit einer Preisobergrenze für Gasimporte aus Russland zu prüfen, sagte Italiens Premierminister Mario Draghi am Dienstag.

    “Die Kommission hat das Mandat erhalten, die Machbarkeit einer Gaspreisobergrenze zu untersuchen”, sagte Draghi nach dem EU-Gipfel in Brüssel vor Reportern. “Italien wird durch das Abkommen nicht benachteiligt werden. Die Verpflichtung, kein russisches Öl zu importieren, wird ab Ende des Jahres auch für uns gelten”, sagte Draghi. rtr

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    EU und Afrikanische Union warnen vor Getreidekrise

    Die EU fordert ein Ende der Blockade ukrainischer Getreideexporte. Der russische Angriffskrieg habe direkte Auswirkungen auf die globale Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln, heißt es in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels, der am Dienstag in Brüssel zu Ende ging. Russland müsse den Hafen von Odessa freigeben und die Angriffe auf die ukrainische Transport-Infrastruktur beenden, erklärten die 27 Staats- und Regierungschefs.

    Rückendeckung bekamen sie vom Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), Macky Sall. Der Stopp der Getreide- und Düngemittelausfuhren über das Schwarze Meer sei besorgniserregend für einen Kontinent mit 282 Millionen unterernährten Menschen, sagte Sall. Der Preis für Düngemittel in Afrika habe sich im Vergleich zu 2021 bereits verdreifacht. 

    Vorsitzender der Afrikanischen Union warnt vor Folgen der Sanktionen

    Anders als Gipfelchef Charles Michel machte Sall allerdings nicht nur Russland für die Krise verantwortlich. Vielmehr warnte er auch vor den Folgen der neuen EU-Sanktionen. Der Ausschluss russischer Banken aus dem Swift-Zahlungssystem erschwere die Bezahlung wichtiger Agrarprodukte, wodurch die Lebensmittelversorgung gefährdet sei, sagte Sall.  

    Bundeskanzler Olaf Scholz sagte nach dem Ende des Gipfeltreffens, die Verantwortung für die Ernährungskrise liege “eindeutig bei Russland und seinem Präsidenten”. Zur Rolle der EU-Sanktionen wollte er sich nicht äußern. Deutschland und die EU würden sich gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft um eine Abwendung der Krise bemühen.

    Im nun geplanten sechsten Sanktionspaket wird auch die größte russische Bank, die Sberbank, von Swift abgekoppelt. Russland behauptet, diese und andere Maßnahmen erschwerten den Export von Getreide, die EU sei daher selbst für die Ernährungskrise verantwortlich. Russland gehört mit der Ukraine zu den größten Getreide-Exporteuren weltweit. Einige EU-Länder erwägen einen Militäreinsatz, um die russische Blockade im Schwarzen Meer zu beenden. ebo

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    Manfred Weber zum Vorsitzenden der EVP gewählt

    Der CSU-Politiker Manfred Weber steht künftig an der Spitze der größten europäischen Parteienfamilie EVP. Der 49-Jährige Manfred Weber wurde am Dienstagabend bei einem Kongress in Rotterdam ohne Gegenkandidat mit 89 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der christdemokratischen Organisation gewählt, der auch die Unionsparteien CDU und CSU angehören. Weber löst den früheren EU-Ratspräsidenten und polnischen Regierungschef Donald Tusk ab, der sich wieder ganz auf die nationale Politik konzentrieren will.

    Erklärtes Ziel des Niederbayern Weber ist es, der EVP wieder mehr Bedeutung zu verleihen. Die Christdemokraten hatten zuletzt empfindliche Niederlagen hinnehmen müssen – etwa bei der Bundestagswahl in Deutschland oder der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Insgesamt stehen nur rund ein halbes Dutzend Christdemokraten an der Staats- beziehungsweise Regierungsspitze eines EU-Landes. Das wirtschaftlich stärkste davon ist Österreich.

    In seiner Rede zur Wahl betonte Weber, die EVP sei die Rechtsstaatspartei Europas. Nur die EVP garantiere eine soziale Marktwirtschaft. An der Bundesregierung übte er scharfe Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeige wegen starker russlandfreundlicher Netzwerke in der SPD, die auch Altkanzler Gerhard Schröder verkörpere, “keinen Willen, keine Entschlossenheit, keine Führung”.

    Weber führt seit 2014 die EVP-Fraktion im Europaparlament. Als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie bei der Europawahl 2019 war er damit gescheitert, Präsident der EU-Kommission zu werden.

    Für denkbar wird gehalten, dass der EVP-Posten auch für Weber eine Zwischenstation auf dem Weg zurück in die Heimat sein könnte. Der amtierende CSU-Vorsitzende, Markus Söder, hatte zuletzt mit weniger guten Umfragewerten zu kämpfen.

    Zwar betonte Weber, dass er “mit Haut und Haaren” Europäer sei. Eine Kandidatur schließt er aber nicht explizit aus. Diese Frage stelle sich einfach nicht, sagte der 49-Jährige zuletzt. Söder würdigte Weber im Gegenzug schon vor seiner Wahl als großen Europäer. dpa

    • Europapolitik

    Dänemark stimmt über EU-Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen ab

    Dänemark entscheidet heute bei einer Volksabstimmung darüber, ob es eine Sonderregelung in EU-Verteidigungsfragen abschaffen will. Knapp 4,3 Millionen Däninnen und Dänen sind dazu aufgerufen, Stellung zu der Frage zu beziehen, ob sich ihr Land durch die Abschaffung des sogenannten EU-Verteidigungsvorbehaltes künftig an der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitszusammenarbeit beteiligen kann.

    Die Abstimmungslokale sind von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Mit einem vorläufigen Ergebnis wird am späten Abend gerechnet.

    Ukraine-Krieg sorgt für Abstimmung über EU-Verteidigung

    Die Abstimmung findet vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine statt, der auch in Dänemark zu Sicherheitsbedenken und einem Überdenken der eigenen Verteidigung geführt hat. Umfragen deuten darauf hin, dass eine Mehrheit der dänischen Bürgerinnen und Bürger den 1993 eingeführten Vorbehalt loswerden will. Der Großteil der dänischen Parteien ist dafür.

    Es wäre das erste Mal, dass sich Dänemark in einer Volksabstimmung für eine Abschaffung einer solchen EU-Sonderregelung ausspricht. Im Jahr 2000 hatte der nördlichste deutsche Nachbar mehrheitlich gegen den Euro und 2015 auch gegen die EU-Justizzusammenarbeit gestimmt. dpa

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    • Europapolitik
    • Sicherheitspolitik

    Presseschau

    EU-Kommissarin Vera Jourova im Kampf gegen Desinformationen: “Europa wird kein Wahrheits­ministerium schaffen – wir sind nicht wie Russland” RND
    EVP-Kongress wählte Weber zu neuem Chef der EU-Konservativen DER STANDARD
    Dänemark stimmt über EU-Verteidigungsvorbehalt ab HANDELSBLATT
    Polen drängt auf Corona-Hilfen der EU DW
    Inflation in EU steigt auf Rekordhöhe von 8,1 Prozent N-TV
    Selenskyj dankt EU für Sanktionen DW
    In Frankreich fordern sogar Alt-68er Waffenlieferungen WELT
    Merz wirft Scholz mangelndes EU-Engagement vor N-TV
    Wirtschaft in Frankreich schrumpft überraschend BÖRSEN ZEITUNG
    Kampf den Anglizismen: Frankreich macht “Early Access” zu “accès anticipé” HEISE
    Mallorca und Ibiza: Drastische Personalnot auf den Urlaubsinseln DER STANDARD

    Standpunkt

    CBAM und ETS-Reform gefährden die Transformation der Stahlbranche

    Von Hans Jürgen Kerkhoff
    Hans Jürgen Kerkhoff, Geschäftsführer und Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, im Interview über grünen Stahl und die Transformation der Stahlbranche.
    Hans Jürgen Kerkhoff ist Geschäftsführer und Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

    Warum ist die Entscheidung in Brüssel für Deutschland von so großer Bedeutung? Die Stahlindustrie ist in unserem Land mit jährlich bis zu 60 Millionen Tonnen CO2 einer der großen Verursacher von Treibhausgasen. Gleichzeitig haben die Unternehmen sehr konkrete Konzepte (Europe.Table berichtete), wie sie diese Herausforderung zum Wohl aller in den Griff bekommen können. Direktreduktionsanlagen sollen die Hochöfen ersetzen. Wenn grüner Wasserstoff an die Stelle von Koks und Kohle tritt, entsteht bei der Produktion Wasser statt klimaschädlichem CO2. Parallel dazu steigen die Schrott verarbeitenden Elektrostahlwerke auf grünen Strom und grünen Wasserstoff um.

    Herstellungskosten für grünen Stahl zunächst hoch

    Wenn sich diese Pläne realisieren lassen, wird die Stahlbranche bis zur Jahrhundertmitte eine Industrie sein, deren grüne Produkte sich in der ganzen Vielfalt ihrer Wertschöpfungsketten immer positiver widerspiegeln – vom Elektrofahrzeug bis zu jedem Alltagsprodukt, das grünen Stahl enthalten wird. Schon bis 2030 ist eine deutliche CO2-Reduktion möglich, wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür passend gesetzt werden.

    Die Unternehmen stehen also in den Startlöchern für ihre Transformation in eine klimaneutrale Zukunft. Klar muss aber auch sein, dass dafür erhebliche Investitionen erforderlich sind, geht es doch letztlich um einen kompletten Umbau der Produktionsanlagen. Die grünen Herstellungsverfahren für Stahl auf Basis von grünem Strom und klimaneutralem Wasserstoff werden zudem zu Beginn deutlich teurer sein als die konventionelle Produktion.

    Klimaschutzverträge erforderlich

    Instrumente wie Klimaschutzverträge sind erforderlich, um die höheren Kosten für die grüne Produktion auszugleichen und damit den Weg in eine immer CO2-ärmere Stahlproduktion zu ebnen. Durch grüne Leitmärkte müssen Nachfrage sowie Zahlungsbereitschaft auf der Abnehmerseite geschaffen werden, diese können dafür sorgen, dass staatliche Förderung perspektivisch allmählich zurückgefahren werden kann. Die Stahlindustrie hat kein Interesse, zu einem Dauersubventionsempfänger zu werden.

    Diese nur langsam konkreter werdenden politischen Rahmenbedingungen auf der nationalen Ebene werden die Transformation jedoch nicht allein in Schwung bringen können. Ganz entscheidend ist die Frage, ob jetzt auch auf der europäischen Ebene Regelungen getroffen werden, mit denen die Unternehmen ihren Weg in eine klimaneutrale Zukunft finden können. Bekommen die Betriebe die nötige Sicherheit, damit sie Investitionen in neue Anlagen tätigen können? Wird es einen Carbon-Leakage-Schutz geben, der insbesondere in dieser Transformationsphase die internationale Wettbewerbsfähigkeit gegenüber billigerem “grauem” Stahl aus Ländern außerhalb der EU sichert?

    Aktuell gibt es dabei viele Fragezeichen. Der Vorschlag des Umweltausschusses im Europäischen Parlament (Europe.Table berichtete) sieht sogar eine noch schnellere Abschmelzung der freien Zuteilung und ihr Auslaufen bereits für 2030 vor, fünf Jahre früher, als es die EU-Kommission vorgesehen hatte. Statt der freien Zuteilung soll ein völlig ungetesteter CO2-Grenzausgleich (Europe.Table berichtete) die Branche vor Carbon Leakage absichern. Exporte bleiben ungeschützt (Europe.Table berichtete) und sind damit im internationalen Wettbewerb massiv benachteiligt.

    Freie Zuteilung bleibt unverzichtbar

    Solange ein Grenzausgleich nicht ausreichend erprobt und seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt wurde, bleibt die freie Zuteilung unverzichtbar, wenn die Transformation hin zur Klimaneutralität ohne Produktionsverluste gelingen soll. Es geht dabei nicht darum, die bisherigen CO2-intensiven Technologien in die Zukunft fortzuschreiben, sondern darum, die Unternehmen in die Lage zu versetzen, ihre Klimaschutzpläne vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs umzusetzen.

    Die Umstellung auf eine CO2-arme Stahlproduktion geht nicht von heute auf morgen, sondern erfolgt in Stufen. Die freie Zuteilung hält dabei in der Übergangszeit auch die konventionelle Stahlproduktion wettbewerbsfähig (Europe.Table berichtete). So kann die weitere Transformation gestemmt und die Versorgung mit Stahl gesichert werden. Stahl steht am Anfang vieler Wertschöpfungsketten und ist beispielsweise auch für eine grüne Energieversorgung mit Windrädern, Pipelines und vielem anderen unverzichtbar.

    Bis zu 16 Milliarden Euro Mehrkosten

    Werden die Empfehlungen des Umweltausschusses oder die vorangegangenen Vorschläge der EU-Kommission Realität, so wird der Stahlindustrie der Weg in die Transformation deutlich erschwert. Nach dem Kommissionsvorschlag würden sich die Mehrkosten auf bis zu 16 Milliarden Euro im Zeitraum von 2026 bis 2030 belaufen, die durch die Vorschläge des Umweltausschusses noch erhöht würden.

    Solche Pläne entziehen den Unternehmen wichtige Investitionsspielräume, die sie zur Bewältigung der Transformation brauchen. Dies träfe die Betriebe zu einer Zeit, in der sie milliardenschwere Investitionsentscheidungen beispielsweise über neue Anlagen treffen müssen, mit denen sie in eine CO2-freie Zukunft gehen können.

    Die Pläne zur CO2-Bepreisung in Brüssel passen nicht zusammen mit den ambitionierten Transformationspfaden der Stahlunternehmen. Europa darf nicht den Blick für die industriellen Realitäten verlieren. Das Europäische Parlament hat es am Dienstag in der Hand, einen besseren Weg einzuschlagen, als es das “Fit for 55“-Programm bisher vorgibt. Ein klimaneutrales Europa ohne klimaneutrale Industrie wäre die falsche Lösung. Sinnvoller ist es, den Unternehmen in den entscheidenden nächsten Jahren die nötige Luft zu geben, damit sie ihre Transformation bewältigen können.

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    Europe.Table Redaktion

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