Table.Briefing: Europe

Abfallwirtschaft im ETS + EU-Verschuldung + Grüner Wasserstoff + Portrait: Martin Selmayr

  • Emissionsrechte für die Müllverbrennung
  • Brüssel vertagt das Schulden-Problem
  • Termine
  • Wasserstoff: Anlagenbau fürchtet nationale Alleingänge
  • Bessere Bedingungen für Magnesiumproduktion in Europa
  • Rechnungsprüfer: EU muss Fonds besser vor Betrügern schützen
  • Presseschau
  • Portrait Martin Selmayr: “Werde nicht traurig sein, sollte ich wieder nach Brüssel gerufen werden”
Liebe Leserin, lieber Leser,

die kommunale Abfallwirtschaft soll ab 2026 Teil des europäischen Emissionshandelssystems werden, dafür hatte der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments gestimmt. Deutschland hat aber andere Pläne und will die Emissionen aus der Müllverbrennung im nationalen Gesetz aufnehmen. Warum deutsche Verbände für eine europaweit einheitliche Lösung plädieren, analysieren Leonie Düngefeld und Lukas Scheid.

Jetzt sei nicht die Zeit, den Gürtel enger zu schnallen, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni gestern in Brüssel – allerdings bedeute das keine Rückkehr zu unbegrenzten Ausgaben. Investitionen, vor allem in den Klimaschutz und die Digitalisierung, seien trotz aktueller Situation notwendig, heißt es aus Brüssel. Deshalb soll es auch erst 2024 wieder zurück zu den strikten Schuldenregeln gehen. Aber für das weiterhin wachsende Schulden-Problem in der Eurozone scheint es einfach immer noch keine adäquate Lösung zu geben, schreibt Eric Bonse.

Nachdem die EU-Kommission die Entwürfe zweier delegierter Rechtsakte zu E-Fuels im Verkehrssektor veröffentlicht hat, befürchtet der Maschinen- und Anlagenbauverband VDMA, dass nationale Alleingänge die Produktion großer Mengen grünem Wasserstoff ausbremsen könnten. Mehr dazu lesen Sie in den News.

Sein politischer Ziehvater Jean-Claude Juncker verlieh Martin Selmayr den Spitznamen “Monster”, in der EU-Kommission (und darüber hinaus) war der einstige Generalsekretär und Kabinettschef ob seiner Arbeitswut und seines Machthungers gefürchtet. Junckers Nachfolgerin Ursula von der Leyen schickte den Spitzenbeamten als Repräsentanten nach Wien, langsam angehen lässt es Selmayr aber auch dort keineswegs. Hans-Peter Siebenhaar und David Zauner haben ihn getroffen und mit dem 51-Jährigen über seine Motivation und seine Ambitionen gesprochen – entstanden ist ein überaus lesenswertes Porträt.

Ihre
Lisa-Martina Klein
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Analyse

Emissionsrechte für die Müllverbrennung

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat vergangene Woche dafür gestimmt, die kommunale Abfallverbrennung in den europäischen Emissionshandel (ETS) aufzunehmen. Bislang war sie davon ausgenommen. Wenn der Plan der Abgeordneten Realität wird, müssten die Betreiber von Müllverbrennungsanlagen ab 2026 für den verursachten CO2-Ausstoß Emissionsrechte kaufen. Das Ziel: Treibhausgasemissionen vermeiden und Recycling attraktiver machen. Geht der Plan auf?

Abfallverbrennung im EU-Emissionshandel: Anreiz für Recycling

137 Kilogramm Müll wurden 2020 pro EU-Bürger:in verbrannt, insgesamt etwa 61 Millionen Tonnen. Seit 1995 hat sich die jährlich verbrannte Abfallmenge damit fast verdoppelt. Die Methode bietet durchaus Vorteile: Abfallmengen lassen sich schnell reduzieren und die freigesetzte Energie wird in Strom und Wärme umgewandelt (Waste to Energie, WtE). Allerdings entstehen bei der Verbrennung einer Tonne Siedlungsabfall laut einer Analyse der NGO Zero Waste Europe etwa 0,7 bis 1,7 Tonnen CO2.

Derzeit liegt der Preis pro Tonne CO2 im ETS bei rund 80 Euro (Stand 23. Mai, 2022). Dieser Preisaufschlag soll als Anreiz dienen, mehr zu recyclen – denn Emissionen aus der Recyclingwirtschaft sind bereits mit einem CO2-Preis belegt. Die Aufnahme in den ETS würde also für vergleichbare Bedingungen sorgen. “Die CO2-Bepreisung der Müllverbrennung ist ein wichtiger Baustein, um Abfallvermeidung, getrennte Wertstofferfassung und Recycling in der EU schnell voranzubringen”, sagte Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.

Verbände begrüßen europäische Lösung

Verbände der Abfallwirtschaft hatten zuvor vor einem deutschen Alleingang gewarnt. Die Bundesregierung plant nämlich die Aufnahme der Emissionen aus der Müllverbrennung in das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ab dem 1. Januar 2023. In einem gemeinsamen Schreiben an die Bundesminister Lemke und Habeck sprachen sich unter anderem der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) für eine europaweit einheitliche Lösung aus.

Ansonsten steige das Risiko von legalen und illegalen Abfallexporten (Europe.Table berichtete), warnten sie. “Wir brauchen eine Regelung auf europäischer Ebene, damit nicht einfach Emissionen in andere Länder mit schlechteren Anlagen ausgelagert werden”, sagte Peter Kurth, Präsident des BDE. Er begrüßte deshalb das Votum des Umweltausschusses im Europäischen Parlament.

Der VKU warnte zudem vor deutlich steigenden und nicht verursachergerechten Abfallgebühren: Diese würden als Mietnebenkosten auf alle Haushalte umgelegt, egal wie hoch ihre individuellen Abfallmengen seien. Ein Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums hatte zuvor berechnet, dass die Abfallgebühren durch die CO2-Bepreisung mit einem Preis von 65 Euro pro Tonne CO2 um mindestens drei bis acht Prozent steigen würden. Dazu würden Kosten für das Monitoring, die Messtechnik und Abfallanalysen anfallen. Anstelle einer ökologischen Lenkungswirkung käme es lediglich zu einer Erhöhung der Gebühren, so der VKU.

Laut BDE-Präsident Kurth werden die verbrannten Abfallmengen allerdings sowieso sinken, weshalb die Entwicklung der Gebühren noch nicht vorhersehbar sei. “Jedem ist klar, dass wir heute noch Material verbrennen, das dort nicht hingehört”, sagte er zu Europe.Table. “Eine Vielzahl von Materialien kann und sollte stofflich verwertet werden.” VKU und BDE fordern zudem, alle Behandlungsverfahren für Abfälle gleichermaßen zu bepreisen. Es dürften keine Anreize geschaffen werden, Siedlungsabfälle wieder vermehrt auf Deponien zu lagern. Dies wäre klimaschädlicher als die Verbrennung.

Parlament beauftragt Folgenabschätzung

Die Verbände unterstützen mehrheitlich, dass nun im nächsten Schritt eine Folgenabschätzung durchgeführt wird. Damit hat das Parlament die Europäische Kommission beauftragt. Janek Vähk von Zero Waste Europe sieht darin nur eine unnötige Verzögerung: “Sowohl die Verbringung als auch die Deponierung von Abfällen sind gut geregelt und haben spezifische Ziele, wie die Minimierung der Deponierung und die Verpflichtung zur Vorbehandlung.” Derzeit würden zudem die Abfallverbringungsverordnung und die Abfallrahmenrichtlinie der EU überarbeitet und die Vorschriften damit noch weiter verschärft.

Das EU-Parlament muss der Aufnahme von Abfallverbrennung in den europäischen Emissionshandel zwar noch zustimmen, allerdings fand dieser Teil der ETS-Reform im Umweltausschuss bereits breite Zustimmung (Europe.Table berichtete). Die Annahme im Plenum während der Sitzungswoche des EP im Juni gilt daher als reine Formalie. Spannender wird es im Trilog mit Rat und Kommission. Deutschland wird den Vorstoß des Parlaments voraussichtlich unterstützen. Eine breitere Zustimmung hängt von den Ergebnissen der Folgenabschätzung ab. Leonie Düngefeld & Lukas Scheid

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  • Nachhaltigkeit
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Brüssel vertagt das Schulden-Problem

Die EU-Kommission empfiehlt, die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch im Jahr 2023 anzuwenden (Europe.Table berichtete) und erst 2024 wieder zu den strikten Schuldenregeln für die Eurozone zurückzukehren. Wegen der großen Unsicherheiten und Abwärtsrisiken könnten die Regeln – Neuverschuldung unter 3 Prozent der Wirtschaftsleistung, Schuldenstand maximal 60 Prozent – auch im kommenden Jahr nicht voll umgesetzt werden, sagte Kommissions-Vize Valdis Dombrovskis am Montag in Brüssel. Das sei jedoch kein Freibrief zum Schuldenmachen.

“Wir schlagen keine Rückkehr zu unbegrenzten Ausgaben vor”, betonte auch Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Es sei jedoch auch nicht der Moment, den Gürtel enger zu schnallen. So empfiehlt Brüssel weiter Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung. Als neues Ziel kommt die “Energie-Unabhängigkeit” von Russland hinzu. Dafür hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche einen Plan (“REPowerEU”) vorgelegt (Europe.Table berichtete). Er ist mit massiven neuen Ausgaben verbunden, allein aus EU-Mitteln sind bis zu 300 Milliarden Euro vorgesehen. Auch die Mitgliedstaaten sollen kräftig investieren, um fossile Energien aus Russland zu ersetzen und grüne Energie zu fördern.

Nun gehe es darum, “REPowerEU” mit dem Europäischen Semester und der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) zu verknüpfen (Europe.Table berichtete), heißt es in der Brüsseler Behörde. Dies stelle “einen soliden Rahmen für eine wirksame strategische Koordinierung und damit die Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen dar”, erklärte die Kommission. Allerdings blieben Dombrovskis und Gentiloni erneut Antworten auf die Frage schuldig, wie das wachsende Schulden-Problem in der Eurozone gelöst werden soll. Die Brüsseler Experten wirken ratlos und schieben das Problem bereits im dritten Jahr vor sich her. Selbst die versprochene Reform der Schuldenregeln kommt nicht voran.

EU-Schuldenregeln seien überholt

Der französische EU-Vorsitz wollte diese Reform schon im Frühjahr eintüten. Doch nun werden erst im Sommer konkrete Vorschläge erwartet. Bis zu einer Umsetzung der Reform könnten danach noch viele Monate vergehen. Denn zwischen Frankreich, das den Stabilitätspakt am liebsten ersatzlos streichen würde, und Deutschland liegen Welten. Derweil häufen sich Warnungen vor einer neuen Krise. “Während der Pandemie sind die Staatsschulden förmlich explodiert”, sagte der CSU-Finanzexperte und Europaabgeordnete Markus Ferber. “Nun steigen auch die Zinsen an. Das ist eine explosive Mischung.”

“Sprengt die Schuldenfesseln”, fordert dagegen Martin Schirdewan von der Linken. Die EU-Schuldenregeln seien überholt und gehörten in die Geschichtsbücher. Angesichts der vielen Krisen brauche es “eine starke Konjunktur- und Investitionspolitik – und keine Schuldenbremsen.” Ähnlich äußerte sich der Europäische Gewerkschaftsbund. Es sei falsch, die EU-Länder zum Sparen zu mahnen, sagte ETUC-Generalsekretär Luca Visentini. Die Aussetzung der Schuldenregeln zeige, dass diese ihren Zweck nicht mehr erfüllten. Nötig seien Investitionen und höhere Löhne.

Demgegenüber appellierte Bundesfinanzminister Christian Lindner an die EU, “die Sucht nach immer mehr Verschuldung so schnell wie möglich” zu beenden. Deutschland werde die Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten, sagte er am Rande eines Treffens der Finanz- und Wirtschaftsminister der Euroländer in Brüssel.

  • Europapolitik
  • Finanzen
  • Schuldenbremse

Termine

25.05.2022 – 09:00-13:00 Uhr, online
ZVEI, Seminar IT-Sicherheitsgesetz 2.0: Was ändert sich für Ihr Unternehmen?
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) vermittelt einen Überblick der gesetzlichen Änderungen durch das IT-Sicherheitsgesetz 2.0. INFOS & ANMELDUNG

25.05.2022 – 11:00 Uhr, online
EBD, Presentation De-Briefing ECOFIN und Euro-Gruppe
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) informiert über die Ergebnisse des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) und der Euro-Gruppe vom 23./24.05.
ANMELDUNG

25.05.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
ASEW, Seminar EU-Taxonomie
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) blickt auf die EU-Taxonomie aus der Perspektive der Stadtwerke und der kommunalen Energieversorger. INFOS & ANMELDUNG

25.05.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
Hydrogene Europe, Discussion Turning the Re-Power EU plan into action
Hydrogen Europe will address the opportunities and challenges of ambitious renewable hydrogen targets, the level of necessary support and the needed developments in terms of demand and infrastructure. INFOS & REGISTRATION

25.05.-26.05.2022, Warschau (Polen)
Fair Solar Energy Expo
The Solar Energy Expo is an international trade fair for the renewable energy industry in Poland and beyond. INFOS & TICKETS

26.05.-29.05.2022, Bad Staffelstein
HSS, Seminar Das lange Russland-Wochenende
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beleuchtet die Hintergründe des Ukraine-Krieges. INFOS & ANMELDUNG

27.05.2022 – 11:00-12:30 Uhr, online
FSR, Discussion To reform or not to reform EU energy markets?
The Florence School of Regulation (FSR) explores different view points with regard to the question: To reform or not to reform EU energy markets? INFOS & REGISTRATION

29.05.2022 – 15:00-17:00 Uhr, Hannover/online
BDI, Messe Nach der Zeitenwende – Wie gelingt der Aufbruch in die klimaneutrale Zukunft?
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beschäftigt sich mit grundelgenden Fragen der Transformation des Industriestandorts Deutschland. INFOS

30.05.2022 – 19:00 Uhr, Hamburg/online
Körber-Stiftung, Vortrag Ist das noch gesund?
Die Körber-Stiftung geht der Frage nach, ob wir auch bei sensiblen Informationen wie Gesundheitsdaten bereit für den digitalen Systemwechsel sind. INFOS & ANMELDUNG

30.05.-31.05.2022, online
Eurochambres, Conference Empowering women entrepreneurs
Eurochambres discusses the state of play for women entrepreneurship across Europe to determine which instruments are needed to support them to overcome the challenges that they often face. INFOS & REGISTRATION

30.05.-02.06.2022, Hannover/online
Messe Hannover Messe
Die Hannover Messe setzt auf die Schwerpunkte Digitalisierung und Nachhaltigkeit. INFOS & TICKETS

30.05.-02.06.2022, Budapest (Ungarn)/online
EIT, Seminar Blockchain for the Decision Maker
The European Institute for Innovation & Technology (EIT) course covers an array of specific blockchain solutions, processes, and concepts. INFOS & REGISTRATION

30.05-03.06.2022, München
Messe IFAT – Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft
Die Schwerpunktthemen der IFAT München sind Abfall & Sekundärrohstoffe sowie Wasser & Abwasser. In verschiedenen Veranstaltungen werden zudem Themen wie Kreislaufwirtschaft & Ressourceneffizienz, Nachhaltige Städte und Gemeinden und Intelligente Antriebe vorgestellt und diskutiert. INFOS & TICKETS

News

Wasserstoff: Anlagenbau fürchtet nationale Alleingänge

Die Produktion großer Mengen grünem Wasserstoff droht nach Ansicht des Maschinen- und Anlagenbauverbands VDMA durch Ausnahmeregeln in der europäischen Gesetzgebung ausgebremst zu werden. Am Wochenende hatte die EU-Kommission die Entwürfe zweier delegierter Rechtsakte zu E-Fuels im Verkehrssektor veröffentlicht (Europe.Table berichtete).

Aus Klimaschutzgründen gelten unter anderem Regeln für den räumlichen Zusammenhang zwischen Elektrolyseuren und Erneuerbare-Energien-Anlagen. “Sehr kritisch sehen wir den Punkt, dass die Mitgliedstaaten bezüglich der räumlichen Korrelation zusätzliche Kriterien festlegen können”, sagte Carola Kantz vom VDMA am Montag. “Hier droht ein Flickenteppich auf nationalstaatlicher Ebene, der den Hochlauf deutlich verlangsamen kann.”

Positiv bewertet der Verband, dass die Kommission nun auch Speicher und den Einsatz von Elektrolyseuren zum Redispatch ermöglichen will. Die Übergangsregeln bis Ende 2026 sind dem VDMA allerdings zu kurz, wegen der langen Genehmigungszeit für Erneuerbare sollten sie bis 2030 gelten. “Uns geht es um die Bestandsanlagen, die zum Beispiel aus dem deutschen EEG ausscheiden. Die suchen perspektivisch ein neues Geschäftsmodell. Jetzt werden sie nur angerechnet, wenn in das Repowering investiert wird.”  

Wasserstoff-Produktion: Uneinigkeit bei Gas und Kernenergie

Übergangsregeln bis 2030 befürwortet auch Markus Pieper (EVP), Berichterstatter des Parlaments zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Erleichterungen fordert er für die Wasserstoff-Produktion von Altanlagen und während des Strombezugs aus dem Netz. “Für den Fall von Wind- oder Sonnenflauten ist ein Ersatzstrombezug aus dem allgemeinen Stromnetz noch viel zu kompliziert”, teilte Pieper zudem mit. “Diesen Flaschenhals muss die Kommission durch vereinfachte Nachweisverfahren und Akzeptanz auch für Energie aus Kernkraft oder Gas zur Wasserstoff-Produktion noch auflösen”.

In genau diesem Punkt widersprechen die Grünen. “Ich begrüße es sehr, dass die Kommission standhaft geblieben ist und die Produktion erneuerbaren Wasserstoffs an die Errichtung neuer Wind- und Solaranlagen geknüpft hat”, sagte die Abgeordnete Jutta Paulus. “Auch die weiteren Bedenken der Branche wie der Ökonomen, dass allzu strikte Bedingungen die Produktion erneuerbaren Wasserstoffs verunmöglichen würden, wurden mit klugen Regelungen entschärft”. ber

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Bessere Bedingungen für Magnesiumproduktion in Europa

Schnellere Genehmigungen, zuverlässige Standards und Schutz gegen Preisdumping: Um die Magnesiumproduktion in Europa wieder aufzubauen, fordern Industrievertreter:innen sichere Rahmenbedingungen. “Wir sehen, dass es möglich ist, diese Projekte zu entwickeln”, sagte Bernd Martens von Verde Magnesium auf dem Raw Materials Summit des European Instituts für Innovation und Technologie (EIT) in Berlin.

Verde Magnesium wird ab 2025 eine ehemalige Magnesiumproduktionsstätte in Rumänien wieder in Betrieb nehmen. Eine Menge von 90.000 Tonnen Magnesium sei dort für den europäischen Markt verfügbar. Um solche Projekte zu ermöglichen, seien jedoch schnellere Genehmigungsverfahren notwendig. Zudem müsse die EU zuverlässige Standards entwickeln, mit denen die Industrie planen könne. Martens forderte außerdem Mechanismen, um Preisdumping zu bekämpfen.

EU will Magnesium-Abhängigkeit von China reduzieren

Fast 90 Prozent der weltweiten Produktion von Magnesium findet in China statt. Die EU bezieht den Großteil ihrer Importe von dort. Im Herbst 2021 war es aufgrund von Energieknappheit in der Volksrepublik zu starken Lieferengpässen in Europa gekommen. Industrie und Politik sind sich einig, dass diese Abhängigkeit reduziert werden muss. Magnesium wird für die Legierung von Aluminium verwendet und so vor allem für die Automobilherstellung und auch für erneuerbare Energietechnologien benötigt.

Bis vor zwanzig Jahren gab es auch in Europa noch eine Magnesiumindustrie, erklärte Joaquin Nunes de Almeida aus der Generaldirektion für Binnenmarkt und Industrie der Europäischen Kommission. Diese müsse nun wieder aufgebaut werden. Die Kommission sehe die Dringlichkeit, sagte de Almeida. Er verwies auf die “komplexen bürokratischen Strukturen”, welche die Energierevolution und die industrielle Transformation mit sich bringen. leo

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Rechnungsprüfer: EU muss Fonds besser vor Betrügern schützen

Rechnungsprüfer erklärten am Montag, dass die Europäische Kommission und die EU-Regierungen nicht genug gegen den Missbrauch von EU-Geldern unternähmen. Sie warnten, dass betrügerische oder korrupte Personen Gelder erhalten könnten, weil zu wenige von ihnen auf einer schwarzen Liste stünden.

Die derzeitigen Systeme der EU zur Erstellung schwarzer Listen – die 2016 eingeführt wurden, um zu verhindern, dass potenziell risikobehaftete Personen und Einrichtungen EU-Gelder erhalten – seien viel weniger streng als die Systeme der Vereinigten Staaten und der Weltbank, so der Bericht.

Fast alle 448 Einrichtungen, die von der EU im Jahr 2020 ausgeschlossen wurden, wurden aufgrund von Konkursen ausgeschlossen, was sie ohnehin daran gehindert hätte, EU-Gelder zu erhalten, so die Prüfer. Nur zwei wurden wegen Korruption oder Betrug auf die schwarze Liste gesetzt. Die EU-Mitgliedstaaten, die in der Praxis den größten Teil der EU-Gelder vergeben, sind derzeit nicht verpflichtet, Systeme für schwarze Listen einzurichten, schreiben die EU-Prüfer in ihrem Bericht weiter.

“Schwarze Listen werden nicht ausreichend genutzt”

“Schwarze Listen werden nicht ausreichend genutzt, um zu verhindern, dass EU-Gelder an Einzelpersonen, Unternehmen oder öffentliche Organisationen ausgezahlt werden, die in illegale Handlungen wie Betrug und Korruption verwickelt sind”, so der Rechnungshof. Der Bericht konzentriert sich auf die im Jahr 2020 ausgezahlten Mittel, als die EU wie in den Vorjahren rund 150 Milliarden Euro aus ihrem Haushalt an Landwirte, Forscher, Unternehmen und andere Begünstigte auszahlte.

Keines der vier für den Bericht untersuchten Länder – Estland, Italien, Polen und Portugal – verfügte über ein System zur Erstellung schwarzer Listen, heißt es in dem Bericht. Die Kommission kann in der Regel nicht ohne weiteres auf nationale Daten über Betrüger zugreifen und verlässt sich bei der Gewährung von Zuschüssen häufig auf die Aussagen der Antragsteller, so der Bericht weiter.

Im Jahr 2020 empfahl das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF die Wiedereinziehung von etwa 300 Millionen Euro an EU-Geldern, die falsch ausgegeben wurden. rtr

  • Europapolitik
  • Finanzen

Presseschau

EU und USA wollen Ölpreis-Obergrenze durchsetzen WELT
Umstellung auf Wasserstoff: Wirtschaft sieht sich von EU ausgebremst HANDELSBLATT
Habeck dringt auf gemeinsames Ölembargo der EU gegen Russland STERN
EVP-Chef Manfred Weber zu EU-Sanktionen: “Wir brauchen jetzt den Befreiungsschlag” TAGESSCHAU
Polen kündigt Gas-Vertrag mit Moskau – Litauen verzichtet ganz auf Energie aus Russland RND
Russische Airline Aeroflot nutzt Lücke in EU-Vorgaben – um ihren Betrieb vorerst abzusichern HANDELSBLATT
Lindner sieht ausgesetzten Stabilitätspakt skeptisch FAZ
Europäischer Rechnungshof mahnt: EU vernachlässigt den Kampf gegen Korruption HANDELSBLATT
Eurostat-Bericht: EU verliert an biologischer Vielfalt SPIEGEL
EU-Mitgliedstaaten drängen auf polizeiliche Nutzung von Biometriespeicher NETZPOLITIK.ORG
Regierungsstart in Frankreich: Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen neuen Minister RND
Frankreichs neuer Bildungsminister wird angefeindet FR
“Trittbrettfahrer” Österreich – Nein zur Nato, jein zur gemeinsamen Verteidigung T-ONLINE
Österreich: Ex-Außenministerin Kneissl verlässt Rosneft TAGESSCHAU
Griechenland hindert Geflüchtete an der Einfahrt in EU-Gewässer RND
Italien gedenkt des Anschlags auf Anti-Mafia-Richter Falcone vor 30 Jahren STERN
EU-Kommissar Schmit verspricht Thyssenkrupp Unterstützung RHEINISCHE POST

Portrait

“Werde nicht traurig sein, sollte ich wieder nach Brüssel gerufen werden”

Martin Selmayr ist Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich.
Martin Selmayr ist Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich.

Prächtiger hätte der Rahmen für Martin Selmayr und die Granden Europas nicht ausfallen können. Im Salzburger Schloss Leopoldskron übernimmt der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich die Aufgabe als Gastgeber. Der Prachtbau aus dem 18. Jahrhundert, umgeben von einem großen Teich samt Parkanlage, ist der intime Rahmen für das Global Europe Seminar, das vom österreichischen Kommissar Johannes Hahn initiiert wurde.

Selmayr genießt die elegante Bühne, die er den Großen und Mächtigen bieten kann. Die Gästeliste umfasst Kommissionsvize Maroš Šefčovič, Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, den kroatischen Premier Andrej Plenković und das finnische EZB-Ratsmitglied Olli Rehn.

2019 musste Martin Selmayr sein Amt als Generalsekretär der EU-Kommission aufgeben. Statt im Labyrinth des Brüsseler Berlaymont die Strippen zu ziehen, führt der Deutsche nun knapp zwei Dutzend Mitarbeiter in der Wiener Kommissionsvertretung. Als der einstige Kabinettschef von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im November 2019 nach Österreich wechselte, hielt sich bei vielen Beamten in Brüssel die Traurigkeit über seinen Weggang in Grenzen.

Als Rasputin wurde der Spitzenbeamte von seinen Gegnern geschmäht. Der blitzartige Aufstieg brachte ihm 2018 sogar den Skandal-Hashtag #selmayrgate ein. Der Neid auf den smarten und machtbewussten Juristen mit Moderatorentalent war schon damals groß. Überaus fleißige Strippenzieher stehen nunmal selten im besten Ansehen – ob in der Kommission oder anderen Organisationen.

Auf Fahrradtour durch Österreich

Seinen unermüdlichen Fleiß hat sich Selmayr bei seiner Aufgabe in Österreich erhalten. Die Kommissionsvertretung ist unter seiner Regie im Land omnipräsent. Egal ob in den Medien, sozialen Netzwerken oder bei Events – an Selmayr kommt in der österreichischen Hauptstadt niemand vorbei. Und wer nicht zu Selmayr kommen will, bei dem kommt er vorbei. Mehr als 2000 Kilometer ist der 51-Jährige mit seinem renovierten Fahrrad aus Schulzeiten ohne Elektromotor vom Bodensee zum Neusiedler See geradelt, um über die Zukunft der Union zu diskutieren und zu streiten.

Dabei musste sich der EU-Beamte auf zwei Rädern auch harte Kritik anhören. “Da habe ich auch sehr viel Frust zu spüren bekommen. Die Leute haben mit uns ohne Hemmungen gesprochen”, erzählt Selmayr. Die Grenzschließungen in der ersten Phase der Coronavirus-Pandemie wurden von seinen Gesprächspartnern beispielsweise scharf kritisiert. In Österreich steht die EU nicht gerade in bestem Ansehen.

Doch einen Selmayr erschüttert das nicht. 700 Gespräche hat der überzeugte Europäer geführt. Darauf ist er stolz: “Die Fahrradtour war eine Kontaktaufnahme mit der Wirklichkeit.” Um die Befindlichkeit in den Mitgliedstaaten zu verstehen, seien die Vertretungen für die Kommission sehr wertvoll: “Sie sind Augen, Ohren und Stimme der Kommissionen in den nationalen Hauptstädten”.

Die Alpenrepublik ist dem leidenschaftlichen Brüsseler ans Herz gewachsen. “Ich bin sehr glücklich in Österreich”, beteuert er während seines Terminmarathons im Schloss Leopoldskron. Auf die Frage, ob er nach dem Wechsel aus Brüssel nach Wien einen Phantomschmerz verspürt hatte, antwortete Selmayr mit einem klaren “Nein”.

Im gleichen Atemzug ergänzt der Beamtensohn aus dem Rheinland: “Österreich hat mich sehr freundlich aufgenommen. Hier gibt es keine Arroganz eines großen Mitgliedslandes. Hier ist Europa selbstverständlicher Teil der Innenpolitik.” Das hat seine Vorteile. Im Kanzleramt in Wien und anderen Schaltstellen der Alpenrepublik geht Selmayr ein und aus. Der europafreundlichere Kurs der Regierung nach dem unrühmlichen Ende der Ära Sebastian Kurz hilft ihm dabei.

“Der Mantel der Zivilisation ist sehr dünn”

Ob ihn die Aufgabe tatsächlich erfüllt, verrät Selmayr aber nicht. Schließlich ist der Rechtsprofessor im Nebenberuf erst 51 Jahre alt. Was hat er vor? “Ich bin Kommissionsbeamter bis zu meinem 67. Lebensjahr, und zwar mit Leidenschaft”, sagte er ausweichend. “Meine Aufgabe in Österreich kann noch lange dauern, aber sie kann auch jeden Tag zu Ende sein”, ergänzt er vieldeutig.

Sein akademisches Schaffen hat Selmayr wie selbstverständlich dem Projekt Europa gewidmet. Er ist ehrenamtlicher Direktor des Centrums für Europarecht in Passau. Außerdem unterrichtet er Europarecht als Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes und der Donau-Universität Krems.

Selmayr begreift sich als leidenschaftlicher Diplomat für Europa, gerade in Kriegszeiten. Das Konfirmationsgeschenk seiner Großeltern, eine Reise nach Verdun, sei eine besonders prägende Erfahrung gewesen, sagt er. An die weißen Kreuze bis zum Horizont müsse er auch heute noch denken.

Sein Großvater Heinz Gaedcke war selbst noch Kind während des 1. Weltkrieges. Als General der Wehrmacht hatte er später den Horror des Krieges am eigenen Leibe erfahren und mit eigener Hand erschaffen. “Es ist Aufgabe eurer Generation, dass so etwas nie wieder passiert. Das war das Ende der Zivilisation”, habe sein Großvater ihm mitgegeben, erzählt Selmayr. Ihm habe das verdeutlicht, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit sei, dass man dafür arbeiten müsse. “Der Mantel der Zivilisation ist sehr dünn.”

Viele Insider sind der Ansicht, Österreich sei für Selmayr nur ein schönes Wartezimmer für neue Aufgaben. An Loyalität mangelt es dem ehrgeizigen Beamten nicht. “Ich diene der Präsidentin der Kommission, wo immer es ihr gefällt.” Eine solche Ergebenheit ist für einen Staatsdiener nie von Nachteil. Und warten kann Selmayr: “Die Vertretung der EU-Kommission in Österreich habe ich in Brüssel viele Jahre lang begleitet. Sie hatte damals innerhalb der Kommissionsvertretungen eine Vorbildfunktion. Deshalb habe ich mir die Aufgabe in Wien auch gewünscht.”

Juncker nannte Martin Selmayr “Monster”

Selmayr hat stets bewiesen, dass er bis zum Umfallen arbeiten kann. Als “Sherpa” von Juncker hat er heikle und komplexe Themen wie den Brexit verhandelt. Dabei hat er auch gelernt, mediale Kritik auszuhalten. Mit Samthandschuhen haben ihn die britischen Medien nicht gerade behandelt. Der Spitzname “Monster” stamme aber von seinem politischen Ziehvater Jean-Claude Juncker selbst, betont Selmayr. Er beziehe sich auf seine eiserne Arbeitsdisziplin, sei also positiv konnotiert.

Auch während der Konferenz in Salzburg arbeitet Selmayr auf und hinter der Bühne unermüdlich. Er aktualisiert sein Netzwerk und knüpft neue Verbindungen. Selmayr ist Sprinter und Langläufer zugleich. Er denkt bereits an Übermorgen, sagen seine Kritiker. Ende 2024 endet die laufende Amtszeit von Ursula von der Leyen. Dann werden auch die Karten für die Bestellung von Spitzenjobs in der Kommission neu gemischt.

Für neue Aufgaben in der “effizientesten Behörde der Welt” in naher oder ferner Zukunft ist er bereit. “Ich werde nicht traurig sein, sollte ich wieder nach Brüssel gerufen werden. Es gibt viele spannende Aufgaben in der Kommission”, sagt er. Seine Kritiker dürfen unterdessen auf einen neuen Selmayr hoffen. “Ich höre nie auf, an mir zu arbeiten”, meint er sehr ernst. Jetzt muss nur noch der Ruf in die europäische Hauptstadt folgen. Hans-Peter Siebenhaar und David Zauner

  • Europapolitik
  • Österreich
  • Ursula von der Leyen

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die kommunale Abfallwirtschaft soll ab 2026 Teil des europäischen Emissionshandelssystems werden, dafür hatte der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments gestimmt. Deutschland hat aber andere Pläne und will die Emissionen aus der Müllverbrennung im nationalen Gesetz aufnehmen. Warum deutsche Verbände für eine europaweit einheitliche Lösung plädieren, analysieren Leonie Düngefeld und Lukas Scheid.

    Jetzt sei nicht die Zeit, den Gürtel enger zu schnallen, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni gestern in Brüssel – allerdings bedeute das keine Rückkehr zu unbegrenzten Ausgaben. Investitionen, vor allem in den Klimaschutz und die Digitalisierung, seien trotz aktueller Situation notwendig, heißt es aus Brüssel. Deshalb soll es auch erst 2024 wieder zurück zu den strikten Schuldenregeln gehen. Aber für das weiterhin wachsende Schulden-Problem in der Eurozone scheint es einfach immer noch keine adäquate Lösung zu geben, schreibt Eric Bonse.

    Nachdem die EU-Kommission die Entwürfe zweier delegierter Rechtsakte zu E-Fuels im Verkehrssektor veröffentlicht hat, befürchtet der Maschinen- und Anlagenbauverband VDMA, dass nationale Alleingänge die Produktion großer Mengen grünem Wasserstoff ausbremsen könnten. Mehr dazu lesen Sie in den News.

    Sein politischer Ziehvater Jean-Claude Juncker verlieh Martin Selmayr den Spitznamen “Monster”, in der EU-Kommission (und darüber hinaus) war der einstige Generalsekretär und Kabinettschef ob seiner Arbeitswut und seines Machthungers gefürchtet. Junckers Nachfolgerin Ursula von der Leyen schickte den Spitzenbeamten als Repräsentanten nach Wien, langsam angehen lässt es Selmayr aber auch dort keineswegs. Hans-Peter Siebenhaar und David Zauner haben ihn getroffen und mit dem 51-Jährigen über seine Motivation und seine Ambitionen gesprochen – entstanden ist ein überaus lesenswertes Porträt.

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    Emissionsrechte für die Müllverbrennung

    Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat vergangene Woche dafür gestimmt, die kommunale Abfallverbrennung in den europäischen Emissionshandel (ETS) aufzunehmen. Bislang war sie davon ausgenommen. Wenn der Plan der Abgeordneten Realität wird, müssten die Betreiber von Müllverbrennungsanlagen ab 2026 für den verursachten CO2-Ausstoß Emissionsrechte kaufen. Das Ziel: Treibhausgasemissionen vermeiden und Recycling attraktiver machen. Geht der Plan auf?

    Abfallverbrennung im EU-Emissionshandel: Anreiz für Recycling

    137 Kilogramm Müll wurden 2020 pro EU-Bürger:in verbrannt, insgesamt etwa 61 Millionen Tonnen. Seit 1995 hat sich die jährlich verbrannte Abfallmenge damit fast verdoppelt. Die Methode bietet durchaus Vorteile: Abfallmengen lassen sich schnell reduzieren und die freigesetzte Energie wird in Strom und Wärme umgewandelt (Waste to Energie, WtE). Allerdings entstehen bei der Verbrennung einer Tonne Siedlungsabfall laut einer Analyse der NGO Zero Waste Europe etwa 0,7 bis 1,7 Tonnen CO2.

    Derzeit liegt der Preis pro Tonne CO2 im ETS bei rund 80 Euro (Stand 23. Mai, 2022). Dieser Preisaufschlag soll als Anreiz dienen, mehr zu recyclen – denn Emissionen aus der Recyclingwirtschaft sind bereits mit einem CO2-Preis belegt. Die Aufnahme in den ETS würde also für vergleichbare Bedingungen sorgen. “Die CO2-Bepreisung der Müllverbrennung ist ein wichtiger Baustein, um Abfallvermeidung, getrennte Wertstofferfassung und Recycling in der EU schnell voranzubringen”, sagte Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.

    Verbände begrüßen europäische Lösung

    Verbände der Abfallwirtschaft hatten zuvor vor einem deutschen Alleingang gewarnt. Die Bundesregierung plant nämlich die Aufnahme der Emissionen aus der Müllverbrennung in das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ab dem 1. Januar 2023. In einem gemeinsamen Schreiben an die Bundesminister Lemke und Habeck sprachen sich unter anderem der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) für eine europaweit einheitliche Lösung aus.

    Ansonsten steige das Risiko von legalen und illegalen Abfallexporten (Europe.Table berichtete), warnten sie. “Wir brauchen eine Regelung auf europäischer Ebene, damit nicht einfach Emissionen in andere Länder mit schlechteren Anlagen ausgelagert werden”, sagte Peter Kurth, Präsident des BDE. Er begrüßte deshalb das Votum des Umweltausschusses im Europäischen Parlament.

    Der VKU warnte zudem vor deutlich steigenden und nicht verursachergerechten Abfallgebühren: Diese würden als Mietnebenkosten auf alle Haushalte umgelegt, egal wie hoch ihre individuellen Abfallmengen seien. Ein Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums hatte zuvor berechnet, dass die Abfallgebühren durch die CO2-Bepreisung mit einem Preis von 65 Euro pro Tonne CO2 um mindestens drei bis acht Prozent steigen würden. Dazu würden Kosten für das Monitoring, die Messtechnik und Abfallanalysen anfallen. Anstelle einer ökologischen Lenkungswirkung käme es lediglich zu einer Erhöhung der Gebühren, so der VKU.

    Laut BDE-Präsident Kurth werden die verbrannten Abfallmengen allerdings sowieso sinken, weshalb die Entwicklung der Gebühren noch nicht vorhersehbar sei. “Jedem ist klar, dass wir heute noch Material verbrennen, das dort nicht hingehört”, sagte er zu Europe.Table. “Eine Vielzahl von Materialien kann und sollte stofflich verwertet werden.” VKU und BDE fordern zudem, alle Behandlungsverfahren für Abfälle gleichermaßen zu bepreisen. Es dürften keine Anreize geschaffen werden, Siedlungsabfälle wieder vermehrt auf Deponien zu lagern. Dies wäre klimaschädlicher als die Verbrennung.

    Parlament beauftragt Folgenabschätzung

    Die Verbände unterstützen mehrheitlich, dass nun im nächsten Schritt eine Folgenabschätzung durchgeführt wird. Damit hat das Parlament die Europäische Kommission beauftragt. Janek Vähk von Zero Waste Europe sieht darin nur eine unnötige Verzögerung: “Sowohl die Verbringung als auch die Deponierung von Abfällen sind gut geregelt und haben spezifische Ziele, wie die Minimierung der Deponierung und die Verpflichtung zur Vorbehandlung.” Derzeit würden zudem die Abfallverbringungsverordnung und die Abfallrahmenrichtlinie der EU überarbeitet und die Vorschriften damit noch weiter verschärft.

    Das EU-Parlament muss der Aufnahme von Abfallverbrennung in den europäischen Emissionshandel zwar noch zustimmen, allerdings fand dieser Teil der ETS-Reform im Umweltausschuss bereits breite Zustimmung (Europe.Table berichtete). Die Annahme im Plenum während der Sitzungswoche des EP im Juni gilt daher als reine Formalie. Spannender wird es im Trilog mit Rat und Kommission. Deutschland wird den Vorstoß des Parlaments voraussichtlich unterstützen. Eine breitere Zustimmung hängt von den Ergebnissen der Folgenabschätzung ab. Leonie Düngefeld & Lukas Scheid

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    Brüssel vertagt das Schulden-Problem

    Die EU-Kommission empfiehlt, die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch im Jahr 2023 anzuwenden (Europe.Table berichtete) und erst 2024 wieder zu den strikten Schuldenregeln für die Eurozone zurückzukehren. Wegen der großen Unsicherheiten und Abwärtsrisiken könnten die Regeln – Neuverschuldung unter 3 Prozent der Wirtschaftsleistung, Schuldenstand maximal 60 Prozent – auch im kommenden Jahr nicht voll umgesetzt werden, sagte Kommissions-Vize Valdis Dombrovskis am Montag in Brüssel. Das sei jedoch kein Freibrief zum Schuldenmachen.

    “Wir schlagen keine Rückkehr zu unbegrenzten Ausgaben vor”, betonte auch Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Es sei jedoch auch nicht der Moment, den Gürtel enger zu schnallen. So empfiehlt Brüssel weiter Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung. Als neues Ziel kommt die “Energie-Unabhängigkeit” von Russland hinzu. Dafür hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche einen Plan (“REPowerEU”) vorgelegt (Europe.Table berichtete). Er ist mit massiven neuen Ausgaben verbunden, allein aus EU-Mitteln sind bis zu 300 Milliarden Euro vorgesehen. Auch die Mitgliedstaaten sollen kräftig investieren, um fossile Energien aus Russland zu ersetzen und grüne Energie zu fördern.

    Nun gehe es darum, “REPowerEU” mit dem Europäischen Semester und der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) zu verknüpfen (Europe.Table berichtete), heißt es in der Brüsseler Behörde. Dies stelle “einen soliden Rahmen für eine wirksame strategische Koordinierung und damit die Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderungen dar”, erklärte die Kommission. Allerdings blieben Dombrovskis und Gentiloni erneut Antworten auf die Frage schuldig, wie das wachsende Schulden-Problem in der Eurozone gelöst werden soll. Die Brüsseler Experten wirken ratlos und schieben das Problem bereits im dritten Jahr vor sich her. Selbst die versprochene Reform der Schuldenregeln kommt nicht voran.

    EU-Schuldenregeln seien überholt

    Der französische EU-Vorsitz wollte diese Reform schon im Frühjahr eintüten. Doch nun werden erst im Sommer konkrete Vorschläge erwartet. Bis zu einer Umsetzung der Reform könnten danach noch viele Monate vergehen. Denn zwischen Frankreich, das den Stabilitätspakt am liebsten ersatzlos streichen würde, und Deutschland liegen Welten. Derweil häufen sich Warnungen vor einer neuen Krise. “Während der Pandemie sind die Staatsschulden förmlich explodiert”, sagte der CSU-Finanzexperte und Europaabgeordnete Markus Ferber. “Nun steigen auch die Zinsen an. Das ist eine explosive Mischung.”

    “Sprengt die Schuldenfesseln”, fordert dagegen Martin Schirdewan von der Linken. Die EU-Schuldenregeln seien überholt und gehörten in die Geschichtsbücher. Angesichts der vielen Krisen brauche es “eine starke Konjunktur- und Investitionspolitik – und keine Schuldenbremsen.” Ähnlich äußerte sich der Europäische Gewerkschaftsbund. Es sei falsch, die EU-Länder zum Sparen zu mahnen, sagte ETUC-Generalsekretär Luca Visentini. Die Aussetzung der Schuldenregeln zeige, dass diese ihren Zweck nicht mehr erfüllten. Nötig seien Investitionen und höhere Löhne.

    Demgegenüber appellierte Bundesfinanzminister Christian Lindner an die EU, “die Sucht nach immer mehr Verschuldung so schnell wie möglich” zu beenden. Deutschland werde die Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten, sagte er am Rande eines Treffens der Finanz- und Wirtschaftsminister der Euroländer in Brüssel.

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    Termine

    25.05.2022 – 09:00-13:00 Uhr, online
    ZVEI, Seminar IT-Sicherheitsgesetz 2.0: Was ändert sich für Ihr Unternehmen?
    Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) vermittelt einen Überblick der gesetzlichen Änderungen durch das IT-Sicherheitsgesetz 2.0. INFOS & ANMELDUNG

    25.05.2022 – 11:00 Uhr, online
    EBD, Presentation De-Briefing ECOFIN und Euro-Gruppe
    Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) informiert über die Ergebnisse des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) und der Euro-Gruppe vom 23./24.05.
    ANMELDUNG

    25.05.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
    ASEW, Seminar EU-Taxonomie
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) blickt auf die EU-Taxonomie aus der Perspektive der Stadtwerke und der kommunalen Energieversorger. INFOS & ANMELDUNG

    25.05.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
    Hydrogene Europe, Discussion Turning the Re-Power EU plan into action
    Hydrogen Europe will address the opportunities and challenges of ambitious renewable hydrogen targets, the level of necessary support and the needed developments in terms of demand and infrastructure. INFOS & REGISTRATION

    25.05.-26.05.2022, Warschau (Polen)
    Fair Solar Energy Expo
    The Solar Energy Expo is an international trade fair for the renewable energy industry in Poland and beyond. INFOS & TICKETS

    26.05.-29.05.2022, Bad Staffelstein
    HSS, Seminar Das lange Russland-Wochenende
    Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beleuchtet die Hintergründe des Ukraine-Krieges. INFOS & ANMELDUNG

    27.05.2022 – 11:00-12:30 Uhr, online
    FSR, Discussion To reform or not to reform EU energy markets?
    The Florence School of Regulation (FSR) explores different view points with regard to the question: To reform or not to reform EU energy markets? INFOS & REGISTRATION

    29.05.2022 – 15:00-17:00 Uhr, Hannover/online
    BDI, Messe Nach der Zeitenwende – Wie gelingt der Aufbruch in die klimaneutrale Zukunft?
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beschäftigt sich mit grundelgenden Fragen der Transformation des Industriestandorts Deutschland. INFOS

    30.05.2022 – 19:00 Uhr, Hamburg/online
    Körber-Stiftung, Vortrag Ist das noch gesund?
    Die Körber-Stiftung geht der Frage nach, ob wir auch bei sensiblen Informationen wie Gesundheitsdaten bereit für den digitalen Systemwechsel sind. INFOS & ANMELDUNG

    30.05.-31.05.2022, online
    Eurochambres, Conference Empowering women entrepreneurs
    Eurochambres discusses the state of play for women entrepreneurship across Europe to determine which instruments are needed to support them to overcome the challenges that they often face. INFOS & REGISTRATION

    30.05.-02.06.2022, Hannover/online
    Messe Hannover Messe
    Die Hannover Messe setzt auf die Schwerpunkte Digitalisierung und Nachhaltigkeit. INFOS & TICKETS

    30.05.-02.06.2022, Budapest (Ungarn)/online
    EIT, Seminar Blockchain for the Decision Maker
    The European Institute for Innovation & Technology (EIT) course covers an array of specific blockchain solutions, processes, and concepts. INFOS & REGISTRATION

    30.05-03.06.2022, München
    Messe IFAT – Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft
    Die Schwerpunktthemen der IFAT München sind Abfall & Sekundärrohstoffe sowie Wasser & Abwasser. In verschiedenen Veranstaltungen werden zudem Themen wie Kreislaufwirtschaft & Ressourceneffizienz, Nachhaltige Städte und Gemeinden und Intelligente Antriebe vorgestellt und diskutiert. INFOS & TICKETS

    News

    Wasserstoff: Anlagenbau fürchtet nationale Alleingänge

    Die Produktion großer Mengen grünem Wasserstoff droht nach Ansicht des Maschinen- und Anlagenbauverbands VDMA durch Ausnahmeregeln in der europäischen Gesetzgebung ausgebremst zu werden. Am Wochenende hatte die EU-Kommission die Entwürfe zweier delegierter Rechtsakte zu E-Fuels im Verkehrssektor veröffentlicht (Europe.Table berichtete).

    Aus Klimaschutzgründen gelten unter anderem Regeln für den räumlichen Zusammenhang zwischen Elektrolyseuren und Erneuerbare-Energien-Anlagen. “Sehr kritisch sehen wir den Punkt, dass die Mitgliedstaaten bezüglich der räumlichen Korrelation zusätzliche Kriterien festlegen können”, sagte Carola Kantz vom VDMA am Montag. “Hier droht ein Flickenteppich auf nationalstaatlicher Ebene, der den Hochlauf deutlich verlangsamen kann.”

    Positiv bewertet der Verband, dass die Kommission nun auch Speicher und den Einsatz von Elektrolyseuren zum Redispatch ermöglichen will. Die Übergangsregeln bis Ende 2026 sind dem VDMA allerdings zu kurz, wegen der langen Genehmigungszeit für Erneuerbare sollten sie bis 2030 gelten. “Uns geht es um die Bestandsanlagen, die zum Beispiel aus dem deutschen EEG ausscheiden. Die suchen perspektivisch ein neues Geschäftsmodell. Jetzt werden sie nur angerechnet, wenn in das Repowering investiert wird.”  

    Wasserstoff-Produktion: Uneinigkeit bei Gas und Kernenergie

    Übergangsregeln bis 2030 befürwortet auch Markus Pieper (EVP), Berichterstatter des Parlaments zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Erleichterungen fordert er für die Wasserstoff-Produktion von Altanlagen und während des Strombezugs aus dem Netz. “Für den Fall von Wind- oder Sonnenflauten ist ein Ersatzstrombezug aus dem allgemeinen Stromnetz noch viel zu kompliziert”, teilte Pieper zudem mit. “Diesen Flaschenhals muss die Kommission durch vereinfachte Nachweisverfahren und Akzeptanz auch für Energie aus Kernkraft oder Gas zur Wasserstoff-Produktion noch auflösen”.

    In genau diesem Punkt widersprechen die Grünen. “Ich begrüße es sehr, dass die Kommission standhaft geblieben ist und die Produktion erneuerbaren Wasserstoffs an die Errichtung neuer Wind- und Solaranlagen geknüpft hat”, sagte die Abgeordnete Jutta Paulus. “Auch die weiteren Bedenken der Branche wie der Ökonomen, dass allzu strikte Bedingungen die Produktion erneuerbaren Wasserstoffs verunmöglichen würden, wurden mit klugen Regelungen entschärft”. ber

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    Bessere Bedingungen für Magnesiumproduktion in Europa

    Schnellere Genehmigungen, zuverlässige Standards und Schutz gegen Preisdumping: Um die Magnesiumproduktion in Europa wieder aufzubauen, fordern Industrievertreter:innen sichere Rahmenbedingungen. “Wir sehen, dass es möglich ist, diese Projekte zu entwickeln”, sagte Bernd Martens von Verde Magnesium auf dem Raw Materials Summit des European Instituts für Innovation und Technologie (EIT) in Berlin.

    Verde Magnesium wird ab 2025 eine ehemalige Magnesiumproduktionsstätte in Rumänien wieder in Betrieb nehmen. Eine Menge von 90.000 Tonnen Magnesium sei dort für den europäischen Markt verfügbar. Um solche Projekte zu ermöglichen, seien jedoch schnellere Genehmigungsverfahren notwendig. Zudem müsse die EU zuverlässige Standards entwickeln, mit denen die Industrie planen könne. Martens forderte außerdem Mechanismen, um Preisdumping zu bekämpfen.

    EU will Magnesium-Abhängigkeit von China reduzieren

    Fast 90 Prozent der weltweiten Produktion von Magnesium findet in China statt. Die EU bezieht den Großteil ihrer Importe von dort. Im Herbst 2021 war es aufgrund von Energieknappheit in der Volksrepublik zu starken Lieferengpässen in Europa gekommen. Industrie und Politik sind sich einig, dass diese Abhängigkeit reduziert werden muss. Magnesium wird für die Legierung von Aluminium verwendet und so vor allem für die Automobilherstellung und auch für erneuerbare Energietechnologien benötigt.

    Bis vor zwanzig Jahren gab es auch in Europa noch eine Magnesiumindustrie, erklärte Joaquin Nunes de Almeida aus der Generaldirektion für Binnenmarkt und Industrie der Europäischen Kommission. Diese müsse nun wieder aufgebaut werden. Die Kommission sehe die Dringlichkeit, sagte de Almeida. Er verwies auf die “komplexen bürokratischen Strukturen”, welche die Energierevolution und die industrielle Transformation mit sich bringen. leo

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    Rechnungsprüfer: EU muss Fonds besser vor Betrügern schützen

    Rechnungsprüfer erklärten am Montag, dass die Europäische Kommission und die EU-Regierungen nicht genug gegen den Missbrauch von EU-Geldern unternähmen. Sie warnten, dass betrügerische oder korrupte Personen Gelder erhalten könnten, weil zu wenige von ihnen auf einer schwarzen Liste stünden.

    Die derzeitigen Systeme der EU zur Erstellung schwarzer Listen – die 2016 eingeführt wurden, um zu verhindern, dass potenziell risikobehaftete Personen und Einrichtungen EU-Gelder erhalten – seien viel weniger streng als die Systeme der Vereinigten Staaten und der Weltbank, so der Bericht.

    Fast alle 448 Einrichtungen, die von der EU im Jahr 2020 ausgeschlossen wurden, wurden aufgrund von Konkursen ausgeschlossen, was sie ohnehin daran gehindert hätte, EU-Gelder zu erhalten, so die Prüfer. Nur zwei wurden wegen Korruption oder Betrug auf die schwarze Liste gesetzt. Die EU-Mitgliedstaaten, die in der Praxis den größten Teil der EU-Gelder vergeben, sind derzeit nicht verpflichtet, Systeme für schwarze Listen einzurichten, schreiben die EU-Prüfer in ihrem Bericht weiter.

    “Schwarze Listen werden nicht ausreichend genutzt”

    “Schwarze Listen werden nicht ausreichend genutzt, um zu verhindern, dass EU-Gelder an Einzelpersonen, Unternehmen oder öffentliche Organisationen ausgezahlt werden, die in illegale Handlungen wie Betrug und Korruption verwickelt sind”, so der Rechnungshof. Der Bericht konzentriert sich auf die im Jahr 2020 ausgezahlten Mittel, als die EU wie in den Vorjahren rund 150 Milliarden Euro aus ihrem Haushalt an Landwirte, Forscher, Unternehmen und andere Begünstigte auszahlte.

    Keines der vier für den Bericht untersuchten Länder – Estland, Italien, Polen und Portugal – verfügte über ein System zur Erstellung schwarzer Listen, heißt es in dem Bericht. Die Kommission kann in der Regel nicht ohne weiteres auf nationale Daten über Betrüger zugreifen und verlässt sich bei der Gewährung von Zuschüssen häufig auf die Aussagen der Antragsteller, so der Bericht weiter.

    Im Jahr 2020 empfahl das EU-Betrugsbekämpfungsamt OLAF die Wiedereinziehung von etwa 300 Millionen Euro an EU-Geldern, die falsch ausgegeben wurden. rtr

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    Presseschau

    EU und USA wollen Ölpreis-Obergrenze durchsetzen WELT
    Umstellung auf Wasserstoff: Wirtschaft sieht sich von EU ausgebremst HANDELSBLATT
    Habeck dringt auf gemeinsames Ölembargo der EU gegen Russland STERN
    EVP-Chef Manfred Weber zu EU-Sanktionen: “Wir brauchen jetzt den Befreiungsschlag” TAGESSCHAU
    Polen kündigt Gas-Vertrag mit Moskau – Litauen verzichtet ganz auf Energie aus Russland RND
    Russische Airline Aeroflot nutzt Lücke in EU-Vorgaben – um ihren Betrieb vorerst abzusichern HANDELSBLATT
    Lindner sieht ausgesetzten Stabilitätspakt skeptisch FAZ
    Europäischer Rechnungshof mahnt: EU vernachlässigt den Kampf gegen Korruption HANDELSBLATT
    Eurostat-Bericht: EU verliert an biologischer Vielfalt SPIEGEL
    EU-Mitgliedstaaten drängen auf polizeiliche Nutzung von Biometriespeicher NETZPOLITIK.ORG
    Regierungsstart in Frankreich: Vergewaltigungs-Vorwürfe gegen neuen Minister RND
    Frankreichs neuer Bildungsminister wird angefeindet FR
    “Trittbrettfahrer” Österreich – Nein zur Nato, jein zur gemeinsamen Verteidigung T-ONLINE
    Österreich: Ex-Außenministerin Kneissl verlässt Rosneft TAGESSCHAU
    Griechenland hindert Geflüchtete an der Einfahrt in EU-Gewässer RND
    Italien gedenkt des Anschlags auf Anti-Mafia-Richter Falcone vor 30 Jahren STERN
    EU-Kommissar Schmit verspricht Thyssenkrupp Unterstützung RHEINISCHE POST

    Portrait

    “Werde nicht traurig sein, sollte ich wieder nach Brüssel gerufen werden”

    Martin Selmayr ist Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich.
    Martin Selmayr ist Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich.

    Prächtiger hätte der Rahmen für Martin Selmayr und die Granden Europas nicht ausfallen können. Im Salzburger Schloss Leopoldskron übernimmt der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich die Aufgabe als Gastgeber. Der Prachtbau aus dem 18. Jahrhundert, umgeben von einem großen Teich samt Parkanlage, ist der intime Rahmen für das Global Europe Seminar, das vom österreichischen Kommissar Johannes Hahn initiiert wurde.

    Selmayr genießt die elegante Bühne, die er den Großen und Mächtigen bieten kann. Die Gästeliste umfasst Kommissionsvize Maroš Šefčovič, Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, den kroatischen Premier Andrej Plenković und das finnische EZB-Ratsmitglied Olli Rehn.

    2019 musste Martin Selmayr sein Amt als Generalsekretär der EU-Kommission aufgeben. Statt im Labyrinth des Brüsseler Berlaymont die Strippen zu ziehen, führt der Deutsche nun knapp zwei Dutzend Mitarbeiter in der Wiener Kommissionsvertretung. Als der einstige Kabinettschef von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im November 2019 nach Österreich wechselte, hielt sich bei vielen Beamten in Brüssel die Traurigkeit über seinen Weggang in Grenzen.

    Als Rasputin wurde der Spitzenbeamte von seinen Gegnern geschmäht. Der blitzartige Aufstieg brachte ihm 2018 sogar den Skandal-Hashtag #selmayrgate ein. Der Neid auf den smarten und machtbewussten Juristen mit Moderatorentalent war schon damals groß. Überaus fleißige Strippenzieher stehen nunmal selten im besten Ansehen – ob in der Kommission oder anderen Organisationen.

    Auf Fahrradtour durch Österreich

    Seinen unermüdlichen Fleiß hat sich Selmayr bei seiner Aufgabe in Österreich erhalten. Die Kommissionsvertretung ist unter seiner Regie im Land omnipräsent. Egal ob in den Medien, sozialen Netzwerken oder bei Events – an Selmayr kommt in der österreichischen Hauptstadt niemand vorbei. Und wer nicht zu Selmayr kommen will, bei dem kommt er vorbei. Mehr als 2000 Kilometer ist der 51-Jährige mit seinem renovierten Fahrrad aus Schulzeiten ohne Elektromotor vom Bodensee zum Neusiedler See geradelt, um über die Zukunft der Union zu diskutieren und zu streiten.

    Dabei musste sich der EU-Beamte auf zwei Rädern auch harte Kritik anhören. “Da habe ich auch sehr viel Frust zu spüren bekommen. Die Leute haben mit uns ohne Hemmungen gesprochen”, erzählt Selmayr. Die Grenzschließungen in der ersten Phase der Coronavirus-Pandemie wurden von seinen Gesprächspartnern beispielsweise scharf kritisiert. In Österreich steht die EU nicht gerade in bestem Ansehen.

    Doch einen Selmayr erschüttert das nicht. 700 Gespräche hat der überzeugte Europäer geführt. Darauf ist er stolz: “Die Fahrradtour war eine Kontaktaufnahme mit der Wirklichkeit.” Um die Befindlichkeit in den Mitgliedstaaten zu verstehen, seien die Vertretungen für die Kommission sehr wertvoll: “Sie sind Augen, Ohren und Stimme der Kommissionen in den nationalen Hauptstädten”.

    Die Alpenrepublik ist dem leidenschaftlichen Brüsseler ans Herz gewachsen. “Ich bin sehr glücklich in Österreich”, beteuert er während seines Terminmarathons im Schloss Leopoldskron. Auf die Frage, ob er nach dem Wechsel aus Brüssel nach Wien einen Phantomschmerz verspürt hatte, antwortete Selmayr mit einem klaren “Nein”.

    Im gleichen Atemzug ergänzt der Beamtensohn aus dem Rheinland: “Österreich hat mich sehr freundlich aufgenommen. Hier gibt es keine Arroganz eines großen Mitgliedslandes. Hier ist Europa selbstverständlicher Teil der Innenpolitik.” Das hat seine Vorteile. Im Kanzleramt in Wien und anderen Schaltstellen der Alpenrepublik geht Selmayr ein und aus. Der europafreundlichere Kurs der Regierung nach dem unrühmlichen Ende der Ära Sebastian Kurz hilft ihm dabei.

    “Der Mantel der Zivilisation ist sehr dünn”

    Ob ihn die Aufgabe tatsächlich erfüllt, verrät Selmayr aber nicht. Schließlich ist der Rechtsprofessor im Nebenberuf erst 51 Jahre alt. Was hat er vor? “Ich bin Kommissionsbeamter bis zu meinem 67. Lebensjahr, und zwar mit Leidenschaft”, sagte er ausweichend. “Meine Aufgabe in Österreich kann noch lange dauern, aber sie kann auch jeden Tag zu Ende sein”, ergänzt er vieldeutig.

    Sein akademisches Schaffen hat Selmayr wie selbstverständlich dem Projekt Europa gewidmet. Er ist ehrenamtlicher Direktor des Centrums für Europarecht in Passau. Außerdem unterrichtet er Europarecht als Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes und der Donau-Universität Krems.

    Selmayr begreift sich als leidenschaftlicher Diplomat für Europa, gerade in Kriegszeiten. Das Konfirmationsgeschenk seiner Großeltern, eine Reise nach Verdun, sei eine besonders prägende Erfahrung gewesen, sagt er. An die weißen Kreuze bis zum Horizont müsse er auch heute noch denken.

    Sein Großvater Heinz Gaedcke war selbst noch Kind während des 1. Weltkrieges. Als General der Wehrmacht hatte er später den Horror des Krieges am eigenen Leibe erfahren und mit eigener Hand erschaffen. “Es ist Aufgabe eurer Generation, dass so etwas nie wieder passiert. Das war das Ende der Zivilisation”, habe sein Großvater ihm mitgegeben, erzählt Selmayr. Ihm habe das verdeutlicht, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit sei, dass man dafür arbeiten müsse. “Der Mantel der Zivilisation ist sehr dünn.”

    Viele Insider sind der Ansicht, Österreich sei für Selmayr nur ein schönes Wartezimmer für neue Aufgaben. An Loyalität mangelt es dem ehrgeizigen Beamten nicht. “Ich diene der Präsidentin der Kommission, wo immer es ihr gefällt.” Eine solche Ergebenheit ist für einen Staatsdiener nie von Nachteil. Und warten kann Selmayr: “Die Vertretung der EU-Kommission in Österreich habe ich in Brüssel viele Jahre lang begleitet. Sie hatte damals innerhalb der Kommissionsvertretungen eine Vorbildfunktion. Deshalb habe ich mir die Aufgabe in Wien auch gewünscht.”

    Juncker nannte Martin Selmayr “Monster”

    Selmayr hat stets bewiesen, dass er bis zum Umfallen arbeiten kann. Als “Sherpa” von Juncker hat er heikle und komplexe Themen wie den Brexit verhandelt. Dabei hat er auch gelernt, mediale Kritik auszuhalten. Mit Samthandschuhen haben ihn die britischen Medien nicht gerade behandelt. Der Spitzname “Monster” stamme aber von seinem politischen Ziehvater Jean-Claude Juncker selbst, betont Selmayr. Er beziehe sich auf seine eiserne Arbeitsdisziplin, sei also positiv konnotiert.

    Auch während der Konferenz in Salzburg arbeitet Selmayr auf und hinter der Bühne unermüdlich. Er aktualisiert sein Netzwerk und knüpft neue Verbindungen. Selmayr ist Sprinter und Langläufer zugleich. Er denkt bereits an Übermorgen, sagen seine Kritiker. Ende 2024 endet die laufende Amtszeit von Ursula von der Leyen. Dann werden auch die Karten für die Bestellung von Spitzenjobs in der Kommission neu gemischt.

    Für neue Aufgaben in der “effizientesten Behörde der Welt” in naher oder ferner Zukunft ist er bereit. “Ich werde nicht traurig sein, sollte ich wieder nach Brüssel gerufen werden. Es gibt viele spannende Aufgaben in der Kommission”, sagt er. Seine Kritiker dürfen unterdessen auf einen neuen Selmayr hoffen. “Ich höre nie auf, an mir zu arbeiten”, meint er sehr ernst. Jetzt muss nur noch der Ruf in die europäische Hauptstadt folgen. Hans-Peter Siebenhaar und David Zauner

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    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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