Olympia war immer auch ein Medienthema. Das war schon bei den ersten Spielen der Neuzeit im Jahr 1906 so, als Korrespondenten die Ergebnisse und ihre Eindrücke in die Welt hinaus telegrafierten. Es hatte eben schon damals wenig Sinn, ein globales Sportereignis nur vor Zuschauern vor Ort stattfinden zu lassen. Und schon damals berichtete die Presse auch viel aus dem Gastgeberland: von der Partystimmung in Athen und nächtlichen Fackelumzügen, aber auch von organisatorischem Chaos. Im Jahr 1924 waren dann bereits 1.000 Journalisten vor Ort in Paris dabei.
Seitdem haben sich die Berichte über das Gastgeberland zu einer entscheidenden Motivation dafür entwickelt, die teuren Spiele auszutragen. Im Jahr 2008 war dieses Kalkül für China aufgegangen: Die aufstrebende Großmacht ist unterm Strich mit einem dicken Plus für das eigene Image aus dem Projekt herausgegangen. In diesem Jahr droht dagegen ein dickes Minus auf dem Konto der öffentlichen Meinung – zumindest in Weltgegenden wie Europa und den USA, wo Menschenrechtsfragen eine Rolle spielen.
Die chinesische Regierung versucht daher derzeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die mediale Darstellung unter Kontrolle zu bekommen (und sie liebt Kontrolle über alles). Da sie bei den klassischen Medien der demokratischen Länder nur noch wenig ausrichten kann, umgeht sie diese nach Möglichkeit. Die staatliche Propagandaschmiede produziert beispielsweise Videos, die ein heiles Xinjiang zeigen. Nicht nur das, auch in den USA werden Video-Persönlichkeiten dafür bezahlt, Olympia 2022 zu bejubeln, wie in der heutigen Ausgabe Fabian Peltsch berichtet. Das ist selbstverständlich völlig legal. Es zeigt aber, wie die Strukturen der offenen Gesellschaft von außen gekapert werden können.
Morgen, am Freitag, gehen die Spiele dann los und dauern dann bis zum 20. Februar. Dieses Mal sind 3.000 Journalisten für das Ereignis akkreditiert. Marcel Grzanna hat sich angesehen, welche Ratschläge die Organisation Reporter ohne Grenzen ihnen auf den Weg mitgibt. Auch hier geht es um Kontrolle über die Wahrnehmung des Landes. TV-Sender sollten keine vorproduzierten Bilder aus China übernehmen, sondern möglichst selber drehen. Und die Berichterstatter:innen sollten zwischen Partei, Volk und Nation unterscheiden. Die KP repräsentiert nicht unbedingt das ganze Volk, und auch “China” ist nicht unbedingt deckungsgleich mit den Vorstellungen der Kommunisten von ihrem Land.
Es ist zugleich etwas bedauerlich, dass so kurz vor den Spielen die Politik so im Vordergrund steht. Wäre es nicht viel schöner, sich endlich etwas über den Sport zu freuen? Müssen wir alles immer schlecht machen? Doch es ist eben nicht nur Corona, das die Stimmung verdirbt. Olympia ist keine Maschinenbaumesse. Schon zu den Spielen 1924 in Paris wurde die Olympische Charta formuliert. Hinter den Spielen steht eine Philosophie, die zur Selbstverbesserung der Menschen und der Gesellschaft aufruft. Die Spiele haben zwar immer wieder in Ländern mit allen möglichen Verfassungen und Regierungsformen stattgefunden. Doch gerade Chinas dreiste Heile-Welt-Propaganda löst heute eine allergische Reaktion in der freien Welt aus. Wäre das Land zumindest ein wenig transparenter, offener und ehrlicher, zumindest so wie 2008, dann wäre auch die Gegenreaktion nicht so groß.
Die chinesische Regierung manipuliert schon seit Mitte der Nullerjahre gezielt das Meinungsbild in den USA und Europa mit bezahlten Kommentaren in Online-Foren. Nun entlohnt Peking ausländische Internet-User dafür, das ramponierte Image der Olympischen Spiele in Peking aufzubessern. So hat das chinesische Konsulat in New York eine US-amerikanische PR-Agentur beauftragt, junge Influencer einzukaufen, um in bezahlten Beiträgen das chinesische Narrativ im Westen zu verbreiten.
Vippi Media aus New Jersey hat demnach einen Vertrag in Höhe von 300.000 Dollar unterzeichnet, der vorsieht, im Vorfeld und während der Olympischen Spiele mindestens 3,4 Millionen Page-Impressions auf Social-Media-Kanälen wie Tiktok und Instagram zu erzielen, die sich vor allem an ein jüngeres Publikum richten. Das Ziel ist ausdrücklich, “interessante Dinge zu vor, während und nach den Spielen” zu erzählen. Beispiele sind die Vorbereitungen der Sportler auf die Wettkämpfe, moderne Technik, emotionale Augenblicke oder Kulturdenkmäler in Peking.
Die Inhalte wurden dabei vorab in drei Bereiche aufgeschlüsselt. Demnach sollen 70 Prozent der Beiträge die chinesische Kultur in ein positives Licht rücken. Ein Fünftel hat zum Ziel, die guten chinesisch-amerikanischen Beziehungen zu feiern. Die Schwerpunkte der restlichen 10 Prozent werden vom chinesischen Konsulat je nach Bedarf eingebracht. Beispiele für die Themen sind Chinas Kampf gegen den Klimawandel und für Umweltschutz. Generell soll es ausschließlich um positive Botschaften über China gehen.
Der Gründer von Vippi Media, Vipinder Jaswal, stellte die Aktivitäten als harmlos dar. “Wir wollen bloß die Integrität und die Würde der Olympischen Spiele hervorheben”, sagte er der britischen Zeitung The Guardian. Jaswal hat früher für den konservativen Sender Fox News gearbeitet, der heute zu den größten Kritikern Chinas zählt. Heute sagt er: “Ich bin gegen Boykotte. Sie schaden dem gegenseitigen Verständnis.” In den USA steckte Jaswal Kritik für seine Geschäfte mit Chinas Propagandaabteilung ein.
Die mediale Einflussnahme von Influencern im Sinne Chinas ist jedoch durchaus kein Einzelfall. Im Dezember berichtetete die New York Times, wie Peking ausländische Youtuber und andere in China lebende Content-Produzenten für Propagandazwecke instrumentalisiert. Dabei bekommen sie beispielsweise Zugang zu Regionen, in denen ausländische Journalisten längst der Zutritt verwehrt ist. So durfte der israelischstämmige Vlogger Raz Gal-Or im April 2021 die Baumwollfelder von Xinjiang besuchen – just zu der Zeit, als Modefirmen wie H&M und Nike verkündet hatten, keine Baumwolle mehr aus der Region einkaufen zu wollen, da sie von Uiguren in Zwangsarbeiter geerntet werde.
Auf die Vorwürfe geht Gal-Or nur indirekt ein. Sein Video soll vor allem Normalität vortäuschen. Er fährt Traktor mit wohlgenährten Bauern und spielt während eines Hausbesuchs Luftgitarre auf einer traditionellen Dotar-Laute. “Sie haben ihre eigene Kultur und einzigartige Traditionen. Aber seit ich hier bin, ist mir klar geworden, dass es eine echte Harmonie zwischen ihrer Identität als Chinesen und ihrer Identität als Uiguren gibt”, erklärt der junge Mann in einem anderen Video gegenüber chinesischen Staatsmedien. “Alles ist total normal hier.”
Dass die Umerziehungslager in Xinjiang ein Mythos seien und der Westen bloß neidisch auf Chinas Erfolg blicke, ist auch die Botschaft anderer Content-Produzenten. Da wäre etwa das in Shenzhen lebende Vater-Sohn-Duo Lee and Oli Barret, das Pekings “überlegene” Covid-Bekämpfung feiert. Oder der Rentner Kirk Apesland, alias “Gweilo 60“, der immer wieder betont, was der Westen alles von China lernen könne. Nichtsdestotrotz aber will “Gweilo 60” nun aber aufgrund einer besseren Krankenversicherung nach Kanada zurückkehren.
Die betreffenden Videos sehen oft selbstgemacht aus. Auf der anderen Seite der Kamera stehen jedoch nicht selten Profis der chinesischen Staatsmedien, die sie inszenieren. Raz Gal-Ors in mehreren Sprachen untertiteltes Reisevideo wurde von chinesischen Botschaften und chinesischen Auslandsmedien rund um den Globus geteilt – und konnte auf diese Weise ungewöhnlich hohen Traffic erzielen.
Die Algorithmen von YouTube und Google bevorzugen Content, der viel geteilt wird, was die Videos in den Suchmaschinen nach oben spült. Oftmals wurden die Accounts allein zum Zweck erstellt, Videos wie jenes von Gal-Or zu teilen, schreibt die New York Times. Von den 534 Konten, die das Video nach Erscheinen weiterverbreiteten, hatten zwei Fünftel nur zehn oder weniger Follower. Für einige war Gal-Ors Video sogar das erste, das sie jemals teilten.
Videokanäle wie YouTube haben sich zwar eine Kennzeichnungspflicht auferlegt, um Transparenz über bezahlte politische Werbung zu ermöglichen. Gegen solch scheinbar private Meinungsinhalte wie jenen von Gal-Or und Co. sind sie jedoch einigermaßen machtlos, da eine direkte Verbindung zum chinesischen Staat meist nicht nachgewiesen werden kann. Die chinesische Regierung kann auf diese Art großflächig ihr Narrativ verbreiten, ohne dass es auf den ersten Blick nach Propaganda aussieht.
Diese “sich einen Mund leihen, um zu sprechen” genannte Strategie ist jedoch nur ein kleiner Teil der sogenannten Medienlokalisierung, mit der China zur globalen Medienmacht aufsteigen will. Man müsse “die Geschichte Chinas gut erzählen” hatte Chinas Staatschef Xi Jinping bereits kurz nach seinem Amtsantritt 2013 auf einer Sitzung des Politbüros zum Thema “Propaganda und Ideologie” erklärt.
Besonders das China Global Television Network (CGTN), wie der internationale Arm des chinesischen Staatssenders CCTV heißt, hat seine Einflusssphäre seitdem massiv ausgebaut. Das Medienhaus, das der Zentralen Propagandaabteilung der Partei untersteht, betreibt sechs Kanäle auf Englisch, Französisch, Arabisch, Russisch und Chinesisch. Die Programme werden in mehr als 140 Länder ausgestrahlt. Produktionsstudios befinden sich in London, Washington und Nairobi. Die Moderatoren stammen in der Regel aus den jeweiligen Ländern.
Während Medienhäuser im Westen immer mehr Mitarbeiter entlassen, wirbt CGTN mit großzügigen Gehältern Nachwuchsjournalisten an. So berichtete die britische Presse im Sommer vergangenen Jahres, dass CGTN an britischen Hochschulen sogenannte ‘Media Challengers’ mit Preisgeldern von 10.000 US-Dollar und dem Versprechen auf eine professionelle Journalistenausbildung lockte. Das Ziel der “Media Challenger”-Kampagne ist, “ein Fenster für die Generation Z zu schaffen, um China besser zu verstehen”, wie es auf der Webseite von CGTN heißt.
Die Propaganda von CGTN und der Armee von Influencern mag plump wirken. Das Kalkül, mit Masse und Reichweite den internationalen Diskurs zugunsten Chinas zu verschieben, könnte jedoch aufgehen. Die Videos auf Tiktok und Youtube werden nicht von klassischen Medien-Gatekeepern ausgewählt und eingeordnet. Wer sie am Ende wirklich sieht, bestimmen Algorithmen. Für viele junge TikTok-Nutzer könnten diese Inhalte das erste sein, was sie über die Lage in Xinjiang erfahren. Und sie hören hier vielleicht von olympischen Glücksmomenten, bevor Berichte über verhaftete Aktivisten ihnen die Sportlaune verderben.
Während der Olympischen Spiele, die morgen offiziell eröffnet werden, müssen zahlreiche TV-Stationen der Welt zwangsläufig auf vorproduziertes Bildmaterial des chinesischen Staatsfernsehens zurückgreifen. Durch die Corona-Auflagen für Journalisten ist deren Bewegungsspielraum massiv eingeschränkt. Eine Berichterstattung ist unter diesen Bedingungen sehr schwierig. Daher hat die Nichtregierungsorganisation “Reporter ohne Grenzen” (RoG) eigens einen Leitfaden herausgegeben. Dieser mahnt deutsche Medien eindringlich zur Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit Chinas Staatsmedien. “Unser Handbuch soll hierzulande das Bewusstsein für Pekings internationale Medienstrategie schärfen – und Redaktionen eine Orientierung bieten, wenn sich Möglichkeiten für Kooperationen ergeben”, sagt RoG-Geschäftsführer Christian Mihr.
Kategorisch empfiehlt der Leitfaden: “Redaktionelle Kooperationen mit chinesischen Propagandamedien sollten nicht eingegangen und bestehende beendet werden”. RoG warnt, dass auch in vermeintlich neutralen Berichtssequenzen “subtil Narrative des Regimes in Peking transportiert” werden können. Selbst wenn Bilder durch kritische Texte begleitet würden und auf die Quelle der Sequenzen hingewiesen wird, bekämen die Bilder eine Deutungsmacht, die im Sinne der chinesischen Regierung auf die Zusehenden wirkten. Bestehende Kooperationen mit staatsnahen Medien sollten “auf ein Mindestmaß” reduziert werden.
Auf den NDR prasselte in der Vergangenheit bereits massive Kritik ein, weil er mit dem staatlichen Fernsehsender CGTN gemeinsame Diskussionsprogramme produziert hatte. CGTN ist der internationale Arm des Staatsfernsehens CCTV. Großbritannien hatte dem Sender Anfang 2021 wegen seiner Staatsnähe in Großbritannien die Sendelizenz entzogen. CGTN war daraufhin auch in Deutschland vorübergehend vom Netz gegangen. Die Deutsche Welle arbeitete früher ebenfalls eng mit dem zentralen Sendeorgan CCTV zusammen.
Während der Spiele wird es für ausländische Reporter unmöglich sein, außerhalb der olympischen Blase zu recherchieren. Die Verlockung für die Journalisten dürfte entsprechend groß sein, sich mit den vielen freiwilligen Helfern des Organisationskomitees auszutauschen. Die Journalistin Qin Liwen aus Berlin warnt im Gespräch mit China.Table aber davor, die dabei erhaltenen Informationen für persönliche Ansichten der Gesprächspartner zu halten.
“Ausnahmslos alle Volunteers und sonstige Mitarbeiter sind regelrecht geschult, Fragen entweder auszuweichen oder Antworten zu geben, die das Regime in ein gutes Licht stellen”, sagt Qin. “Das bedeutet nicht, dass man nicht fragen darf. Aber man sollte wissen, dass in Wahrheit das Propagandaministerium der Volksrepublik China zu einem spricht.” Qin muss es wissen, denn sie war bei den Sommerspielen 2008 für den englischsprachigen Internetauftritt des Organisationskomitees BOCOG mitverantwortlich.
Um den möglichen Bedarf von Informationen und Bildmaterial in deutschen Redaktionen aus China abzudecken, empfehlen die Reporter ohne Grenzen daher wann immer möglich eine verstärkte Zusammenarbeit mit unabhängigen Medien mit China-Schwerpunkt und Sitz im Ausland. Nur “als letztes Mittel” sollten “unter Umständen kurze Sequenzen von staatsnahen Quellen übernommen werden”. Die Zusammenarbeit mit Auslandskorrespondenten solle intensiviert werden.
Die Regierung der Volksrepublik verhindert allerdings eine Vergrößerung des Korrespondentennetzes in ihrem Land. Im Gegenteil macht sie es ausländischen Verlagen und TV-Sendern zunehmend schwer, vor Ort zu arbeiten. Vor allem US-Medien erlebten daher einen massiven Aderlass an Korrespondent:innen, weil neue Visa verweigert oder bestehende Visa kurzerhand entzogen wurden. Der Club der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) stellte in seinem am Montag veröffentlichten Jahresbericht zudem neue Taktiken der Einschüchterung fest (China.Table berichtete). Korrespondent:innen sind demnach deutlich aggressiveren Drohungen ausgesetzt.
Die RoG fordern, dass chinesische Medien in Deutschland die “gleichen positiven Verpflichtungen” auferlegt werden wie den heimischen Medien. Sie müssten “bestimmte grundlegende Standards” respektieren; deren Verletzung müsse sanktioniert werden. Problematisch in der Praxis ist jedoch, dass grundlegende Standards wie Aufrichtigkeit, Pluralismus und Achtung der Menschenwürde nicht präzise definiert sind. Was manche als aufrichtig empfinden, halten andere für Fake News. Immerhin haben Verlage und Redaktionen in ihren eigenen Häusern die Möglichkeit, Standards zu definieren und ihre Partner sorgsam auszusuchen.
Vorsicht walten lassen sollte man laut RoG bei Kooperationen mit Interviewpartnern, “die ungefährliche und positive Begriffe in ihren Bezeichnungen tragen – wie Frieden, Volk, Freundschaft, Entwicklung, Verständnis, Einheit.” Die Wahrscheinlichkeit sei sehr groß, dass es sich um Organe der sogenannten Einheitsfront handelt, die durch weltweites und unermüdliches Netzwerken in einflussreichen Teilen der Gesellschaft chinesische Positionen und Interessen verbreiten.
Das 25-seitige Handbuch entschlüsselt zudem die Argumentationslinien der Autokraten in zahlreichen Themengebieten. Beispiel Gleichsetzung von Partei, Volk und Nation: Die Partei behauptet, sie spreche für ausnahmslos alle Chinesen und Chinesinnen. Jede Kritik an ihr ist in dieser Logik ein Angriff auf das chinesische Volk. Diese Praxis nutzt das Regime seit vielen Jahren. Ein beliebter Vorwurf an Kritiker, den es gerne verwendet und von internationalen Medien ständig multipliziert wird, lautet, die Gefühle von 1,4 Milliarden Chinesen seien verletzt worden. RoG sehen darin den Versuch der Partei, “Kritik an ihrer Herrschaft abzuwenden” und betont: “Die Unterscheidung zwischen Partei und Volk ist jedoch zentral.”
Der Wettbewerb zwischen China und dem Westen sei kein Zusammenstoß zwischen Zivilisationen, schreibt die Organisation: “Der eigentliche Wettbewerb findet zwischen repressiven Wertvorstellungen und Praktiken der KP China und den in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen festgeschriebenen Freiheitsrechten statt.” RoG stützen sich bei ihrer Argumentation ihrerseits auf zahlreiche Medienberichte oder Publikationen westlicher Forscher:innen, wie etwa das Buch “Die lautlose Eroberung” von Mareike Ohlberg und Clive Hamilton.
Nvidia spielt auf dem chinesischen Elektroautomarkt eine immer wichtigere Rolle. Laut Ali Kani, dem Vizepräsidenten des US-Herstellers von Computerchips, hat Nvidia in China so viele Lieferverträge wie nie zuvor abgeschlossen. Von Decoupling kann in diesem Bereich also keine Rede sein (China.Table berichtete).
Zu den Kunden Nvidias in China gehören E-Autoentwickler wie Polestar aus dem Hause Geely, IM Motors, Li Auto, R Auto oder der Suchmaschinengigant Baidu. Letzterer drängt immer stärker auf den Markt für autonomes Fahren. Diese Kunden wollen nicht nur Chips von Nvidia verwenden, sondern auch ihre Fahrzeuge auf Basis von Nvidias DRIVE Technology bauen. Diese auf Deep Learning basierende Computing-Plattform ermöglicht es selbstfahrenden Autos, große Mengen an Sensordaten zu verarbeiten und Fahrentscheidungen in Echtzeit zu treffen. Das ist ein wichtiger Schritt hin zum vollautonomen Fahren.
Der erste Prozessor des Unternehmens für autonomes Fahren, Nvidia DRIVE Xavier schafft 30 Billionen Operationen pro Sekunde und ist in Serienautos und -lastwagen zu finden. Erst seit kurzem auf dem Markt ist die zweite Generation mit Namen Nvidia DRIVE Orin, die bereits bereits 254 Billionen Operationen pro Sekunde verarbeiten kann. Die chinesischen Start-ups Nio und Xpeng verwenden Orin bereits in ihren neuesten Fahrzeugen. Im Januar erklärte auch das chinesische Start-up Pony.ai, Nvidia DRIVE Orin in sein autonomes Fahrsystem der sechsten Generation integriert zu haben. Nach Angaben des Unternehmens soll damit der Weg für die Massenfertigung von Autos mit der vollautonomen Fahrstufe 4 geebnet werden. Neben den chinesischen Anbietern kooperiert Nvidia auch mit Mercedes, Audi, Volvo und Hyundai.
Die im April 2021 präsentierte dritte Prozessor-Generation Nvidia DRIVE Altan kann sogar noch viel mehr: Altan schafft über 1000 Tera-Operationen pro Sekunde (TOPS) und damit noch einmal das Vierfache von Nvidia DRIVE Orin. Nvidias Ziel ist, dass Altan ab 2025 serienmäßig in Fahrzeuge eingebaut werden kann. Nvidia bezeichnete Altan auch als “system-on-a-chip”, ein ganzes System auf einem Chip.
Den Großteil seines Geschäftes machte Nvidia bislang mit Grafikkarten und Chips für PCSs, Server und Spielkonsolen. Das Automobilgeschäft machte bisher nur einen kleinen Teil von Nvidias Jahresumsatz aus, der auf mehr als 26 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. In den nächsten sechs Jahren will der Konzern jedoch mindestens acht Milliarden US-Dollar aus der Automobilindustrie einnehmen. “Autonome Autos sind die härteste Herausforderung für maschinelles Lernen und Robotik – aber auch die mit der größten Wirkung”, sagt Nvidia-Chef Jensen Huang.
China ist einer der weltweit wichtigsten Märkte für Software-gesteuerte Fahrzeuge, also Autos, deren Funktion vor allem auf leistungsstarken Bordcomputern basiert. Um autonome Fahrfunktionen ausführen zu können, sind die Hersteller auf hochleistungsfähige Chips angewiesen.
Chips sind Mangelware, und das hat auch die chinesische Automobilindustrie hart getroffen (China.Table berichtete). Trotzdem konnte der chinesische Automarkt 2021 das erste Mal seit drei Jahren wieder wachsen. Grund dafür war vor allem der starke Absatz von Elektroautos, der 15 Prozent des gesamten Pkw-Absatzes in China ausmachte (China.Table berichtete). Die Verkaufszahlen von NEVs haben sich nach Angaben des chinesischen Automobilverbandes mit 2,99 Millionen Fahrzeugen 2021 mehr als verdoppelt. Für 2022 rechnet der Verband mit einem fünfprozentigen Wachstum des gesamten Pkw-Marktes, wobei NEVs ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmachen werden. Ende dieses Jahres laufen zudem voraussichtlich die staatlichen Kauf-Subventionen für E-Autos in China komplett aus (China.Table berichtete). Das zeigt klar Pekings Zuversicht, dass der Markt stabil genug ist, um sich selbst zu tragen.
China ist als Markt schwer zu navigieren. Auch für Nvidia ist es nicht einfach, das Geschäft im politischen Spannungsfeld zwischen den USA und China auszutarieren. Seit den US-Sanktionen gegen Huawei ist jedem chinesischen Konzern klar, wie schnell man von US-Technologie abgeschnitten werden kann. Gleichzeitig verlangen chinesische Gesetze, dass in China generierte Fahrzeugdaten nicht ins Ausland übertragen werden dürfen. Danny Shapiro, Vice President Automotive von Nvidia, erläutert, dass sein Unternehmen deshalb chinesische Rechenzentren nutzt. So will Nvidia sicherzustellen, dass Daten, die zum Trainieren der künstlichen Intelligenz in Autos verwendet werden, auch in China verbleiben.
Kontrovers diskutiert wird in China derweil Nvidias geplante Übernahme des britischen, zur japanischen Softbank gehörenden Mikroprozessorspezialisten ARM. Der Kauf für 40 Milliarden Dollar, der im September 2020 angekündigt wurde, wäre der größte Halbleiter-Deal in der Geschichte. Sollte er noch gelingen, würde Nvidia zu einem der mächtigsten Player in dem immer wichtiger werdenden Sektor (China.Table berichtete).
Nicht nur die amerikanischen Regulierungsbehörden haben sich aufgrund von “signifikanten Wettbewerbsbedenken” bereits eingeschaltet. Auch die Chinesen äußerten öffentlich ihren Unmut, darunter auch Huawei. Die Übernahme von ARM muss nicht nur in den USA und China genehmigt werden, sondern auch in der EU und in Großbritannien.
Chinas staatliche Zeitung Global Times nennt die geplante Übernahme “beunruhigend” angesichts der Spannungen zwischen den USA und China. “Chinesische Firmen würden auf dem Markt sicherlich einen großen Nachteil erleiden, wenn ARM in US-Hände gerät”, so ein Kommentar in dem Blatt.
Chinesische Unternehmen, die auf der US-amerikanischen “Entity List” stehen, könnten von der Verwendung von ARM-basierten Chips ausgeschlossen werden (China.Table berichtete). Zugleich könnten europäische Unternehmen, die ARM-Technik verwenden, ihrerseits Schwierigkeiten bekommen, nach China zu liefern. Laut Insider-Berichten rechnet Nvidia daher derzeit nicht mehr mit dem Gelingen der ARM-Übernahme. Das Unternehmen habe bereits begonnen, sich aus dem Deal zurückzuziehen. Grund sei vor allem die Skepsis der US-amerikanischen Wettbewerbshüter.
Nvidia würde mit einem Rückzug aus der ARM-Übernahme zugleich dem chinesischen Markt Priorität geben und den Weg für eine problemlosere Belieferung der chinesischen Autoindustrie freimachen. Wegen des schnellen Wachstums des autonomen Fahrens wird das Segment auf absehbare Zeit ein gutes Geschäft bleiben. Andererseits wird China dennoch parallel versuchen, auch bei dieser Technik aufzuholen und letztlich unabhängig zu werden.
Kurz vor dem China-Russland-Gipfel in Peking hat sich Moskau nach Kreml-Angaben die Unterstützung Chinas in der Ukraine-Krise gesichert. “China unterstützt Russlands Forderungen nach Sicherheitsgarantien”, sagte Putins diplomatischer Berater Juri Uschakow am Mittwoch in Moskau. Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping wollten in Peking ihre “gemeinsame Vision” zur internationalen Sicherheitspolitik darlegen. Beide Staaten hielten eine “gerechtere Weltordnung” für notwendig, sagte Uschakow.
Für das Treffen in Peking anlässlich der Eröffnung der Olympischen Winterspiele sei “eine gemeinsame Erklärung über den Eintritt der internationalen Beziehungen in eine neue Ära vorbereitet” worden, sagte der Kreml-Berater. “Darin wird die gemeinsame Vision Russlands und Chinas insbesondere zu Sicherheitsfragen zu finden sein.” Auch wollen beide Seiten laut Uschakow zudem mehrere Abkommen, etwa zum Thema Erdgas, unterzeichnen. Russlands Energieminister Nikolai Schulginow, Außenminister Sergej Lawrow und der Chef des russischen Energiekonzerns Rosneft, Igor Setschin, werden Putin nach Peking begleiten. ck
Die USA und Europa haben mit mehreren Staaten Asiens über mögliche Gaslieferungen gesprochen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Bloomberg aus nicht näher genannten Quellen. Es gehe darum, Gaslieferungen nach Europa für den Fall sicherzustellen, dass Russland den Ukraine-Konflikt eskaliert oder die Lieferungen in die EU drosselt. Europa bezieht rund 40 Prozent seines Erdgases aus Russland. Der globale Gasmarkt verfügt kaum über freie Kapazitäten und niemand kann laut Bloomberg kurzfristig viel mehr fördern. Der Energieminister von Katar, einem der weltweit größten Exporteure von verflüssigtem Erdgas, betonte, kein Land könne allein die Mengen liefern, die Europa benötigen würde. Laut Bloomberg hat US-Präsident Joe Biden mit Beamten in Japan, Südkorea, Indien und China gesprochen. Der Kontakt zu China sei aber eher begrenzt. China ist selbst stark von Erdgas-Importen abhängig und bezieht ebenfalls eine große Menge Erdgas aus Russland. ck
Die Europäische Union will Prioritäten bei der Standardisierung künftig in einem hochrangigen Forum festsetzen. Das teilte die EU-Kommission am Mittwoch bei der Vorstellung ihrer Standardisierungs-Strategie mit. Das Forum ist eine Antwort auf den wachsenden Einflusses von China auf Normungsgremien. Die EU möchte daher den eigenen Ansatz europäischer, strategischer und schneller gestalten. Ziel ist es, in Kooperation mit den Mitgliedsstaaten, Normungsorganisationen, Industrie und Zivilgesellschaft bei der Festlegung von Prioritäten zu helfen und darüber beraten, wo es Normungsbedarf gibt. Der Fokus des Forums soll auf digitalen und grünen Technologien liegen.
Der Einfluss Chinas in der Normung sei massiv gewachsen, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die EU müsse sicherstellen, dass sie auf diesem Feld nicht zurückfalle. Man wolle in der Strategie Prioritäten definieren, wie etwa die Halbleiter-Industrie.
Einige weitere Punkte der Standardisierungs-Strategie:
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betonte, Technologiestandards müssten künftig zum festen Bestandteil europäischer Handelsstrategien gemacht werden. “Normen und Standards müssen ein gezieltes Instrument der Industriepolitik sein”, teilte BDI-Präsident Siegfried Russwurm mit. “Der BDI erwartet, dass China die international vereinbarten Normen konsequent anwendet und entgegenstehende nationale Normen zügig zurücknimmt.” ari
China steigt in das Rennen um eine praktikable Antikörpertherapie gegen Covid-19 ein. Ein Forschungsteam aus Shanghai hat nach eigenen Angaben einen neuen Antikörpertyp entwickelt, der Omikron und künftige Coronavirus-Varianten neutralisieren kann. Dieser könnte im Rennen gegen die Pandemie nun einen entscheidenden Vorsprung gegen das Virus bedeuten, sagte der leitende Wissenschaftler Huang Jinghe von der Shanghaier Fudan-Universität. Nach einem Bericht der South China Morning Post wurde der neue Antikörper aus Bestandteilen zweier verschiedener Antikörper zusammengefügt, die von menschlichen Immunzellen produziert werden. Allein seien beide Antikörper-Typen gegen Omikron nutzlos. Doch die künstlich zusammengefügte Version habe Erfolg bei der Bekämpfung des Virus gehabt.
Es gibt weltweit zahlreiche weitere Ansätze, um eine bereits laufende Corona-Infektion mit Antikörpern zu bekämpfen. Die US-Firma Regeneron hat dabei einen Vorsprung: Das Medikament ist bereits seit 2020 in den USA auf dem Markt und seit Anfang 2021 auch in der EU zugelassen. Eine Reihe weiterer Präparate mit diesem Wirkprinzip befindet sich in Entwicklung, im Zulassungsverfahren oder bereits auf dem Markt. In allen Fällen kombinierten die Forscher mehrere Antikörper (“Cocktail”), um eine ausreichend starke Wirkung zu erzielen. Derzeit erweisen sich aber Arzneien, die das Virus in der Zelle bei der Vermehrung hemmen, als praktikabler und wirksamer. Eine Covid-Therapie gilt als Ausweg aus der Null-Covid-Falle (China.Table berichtete).
Die Forscher um Huang berichteten über ihre Arbeit in einem Papier, das auf der Preprint-Website Biorxiv veröffentlicht wurde. Das Papier wurde allerdings bisher nicht begutachtet. Huangs Team der Fudan-Universität und Mitarbeitende des National Clinical Research Center for Respiratory Disease in Guangzhou entwickelten der Zeitung zufolge mit ihrem neuen Ansatz in kurzer Zeit acht verschiedene Antikörper. Forscher Huang zeigte sich ob der zufälligen Entdeckung enthusiastisch: “Es gibt weltweit nur sehr wenige Antikörper, die Omikron neutralisieren können. Ich fühle mich, als wäre ich von Gottes Gnade getroffen worden.” ari/fin
Eileen Gu (Chinesischer Name Gu Ailing) ist jung, hip und passt eigentlich gar nicht in das angestaubte Bild der chinesischen Spitzensportler. Neben ihrer sportlichen Karriere ist sie Model und Markenbotschafterin für Brands wie die Schweizer Uhrenmarke IWC Schaffhausen, Red Bull und die Skimarke Factions. Aber auch der chinesische Sportartikelhersteller Anta wirbt mit ihr. Eileen Gu wurde 2003 als Tochter einer eingewanderten Chinesin und eines US-Amerikaners in San Francisco geboren. Bei den Olympischen Winterspielen tritt die 18-Jährige aber nun für China im Ski-Freestyle an.
Als Sonderform des Skifahrens ist bei Freestyle-Skiing auch Kreativität und künstlerischer Ausdruck gefragt. Die Athlet:innen führen akrobatische Tricks wie Sprünge, Saltos, Drehungen und Grätschen aus. Der ganze Lauf wird von einer Jury auf einer Punkteskala von 1 bis 100. bewertet. Es ist eine Sportart, die für die Einzelkinder Chinas als viel zu gefährlich gilt und daher bis dato wohl kaum Unterstützung bei den Eltern gefunden hat.
So war es auch bei Eileen Gu. Ihre Mutter wollte nicht, dass ihre Tochter Skirennen fährt – es sei viel zu gefährlich. Dadurch landete Gu bei den Freestyle-Skiern und entwickelte sie sich zu einem der hoffnungsvollsten Talente. Ihren bislang größten Erfolg feierte Gu bei dem Skisport-Actionfestival X Games 2021 in Aspen, Colorado. Dort holte sie als erster weiblicher Rookie gleich drei Medaillen. Als erste Frau überhaupt trat sie in drei Freestyle-Disziplinen an. Und sie gewann gleich in jeder eine Medaille: Gold in der Halfpipe, Gold in der Superpipe und Bronze in Big Air (auch Aerials genannt). Gu wurde über Nacht zur ersten Chinesin, die eine Goldmedaille bei den X Games gewann. 23 Millionen Views hat ihr der Post über den Sieg auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst SinaWeibo eingebracht. Nur zwei Monate später holte Gu beim Freestyle-Weltcup in Calgary drei weitere Medaillen.
Die 18-Jährige schlägt durch ihre Teilnahme an den Winterspielen in Peking eine der wenigen verbleibenden Brücken zwischen den USA und China. In einer Zeit, da sich die Regierungen beider Länder geopolitisch immer mehr voneinander abgrenzen, und die USA sich für einen diplomatischen Boykott der Winterspiele ausgesprochen haben, ist Gu die geborene Softpower in Person. Bevor die Spiele überhaupt losgegangen sind, trumpfen Chinas Medien mit Bildern des Freestyle-Stars auf. So hat ihr Sponsor Red Bull eine Serie von Videos mit Eileen Gu gedreht, die der Technologiekonzern Tencent in China auf seinen Plattformen vertreibt. Die Zeitung South China Morning Post zeigte jüngst Fotos von Gu beim Verspeisen einer großen Portion Jiaozi direkt nach ihrer Ankunft in China. Die gefüllten Teigtaschen sind Gus Leibspeise, denn ihre aus Peking stammende Großmutter in San Francisco kocht auch immer welche für sie.
Mit drei Jahren stand Eileen Gu in den USA das erste Mal auf Skiern – es war der Startschuss für eine rasante Kariere. Und bereits im zarten Alter von 15 Jahren entschied sie 2019, bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking für China anzutreten. “Es war eine unheimlich schwere Entscheidung, die ich getroffen habe” verkündete die US-Amerikanerin damals auf ihrem Instagram-Account.
Doch die Ankündigung schlug in der Sportwelt damals kaum Wellen. Denn es war noch nicht abzusehen, in welcher Disziplin Gu sich als so herausragend erweisen würde, dass sie Aussichten auf eine Medaille haben würde. Das änderte Gu allerdings schnell. Bei den Jugendwinterspielen 2020 im Schweizer Lausanne gewann Gu gleich zweimal Gold und einmal Silber. Auch in Kanada und Südtirol sammelte sie Preise. Dann folgten die Erfolge bei den X Games und im Weltcup.
Fahnenwechsel bei Olympia-Athleten kommen immer wieder vor. Unklar ist aber, ob Gu für ihren Olympia-Einsatz für China auch ihre Staatsangehörigkeit wechselte. Die Olympische Charta erlaubt zwei Staatsbürgerschaften; China aber nicht. Ob Gu überhaupt einen chinesischen Pass bekam, ob sie als Ausnahmeregel beide Pässe haben darf, oder nun ausschließlich chinesische Staatsbürgerin ist, bleibt im Dunkeln. Ähnlich ist die Lage bei einer großen Zahl Spielern in Chinas Eishockey-Team, die gebürtige Amerikaner oder Kanadier mit chinesischen Wurzeln sind. Auch zu deren Status ist nichts bekannt.
Für China stellt sich so oder so die Entscheidung von Eileen Gu nun als echter PR-Coup heraus. Sie ist mit 18 Jahren als jüngste Athletin auf der Forbes-Liste “China 30 unter 30” aufgenommen worden. Das hat sie weit über die Grenzen des Sports bekannt gemacht. Sie ist nicht nur gut im Sport, sondern auch in ihren akademischen Leistungen. So hat sie es geschafft, die Highschool ein Jahr schneller als ihre Klassenkameraden abzuschließen – damit sie mehr Zeit hat, um an ihrer Technik zu feilen und damit ihre Chancen bei Olympia zu erhöhen. Dank ihrer guten Schulnoten kann Gu auch bei chinesischen Eltern punkten.
Doch viel mehr wird zählen, dass Gu eine riesige Fangemeinschaft bei jungen Menschen hat. Das haben auch Marken wie der Schmuckhersteller Tiffany & Co. und der Luxus-Modeaustatter Louis Vuitton erkannt. Für diese glänzt Gu als Markenbotschafterin von den Titelseiten der Hochglanzmagazine in China, Hongkong und Paris – und erreicht damit ohne Streuverluste die nächste Generation von Kunden.
Dazu passt, dass Gu selbst ambitionierte Ziele hat. Sie will der Welt zu beweisen, dass man mit PR und Disziplin eine ganz neue Dimension an Reichweite, Sympathie und Fangemeinde erzeugen kann. “Die Möglichkeit, während der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking, dem Geburtsort meiner Mutter, Millionen junger Menschen zu inspirieren, ist eine einmalige Gelegenheit, den Sport, den ich liebe, zu fördern”, schrieb Gu auf Instagram. “Wenn ich dazu beitragen kann, auch nur ein junges Mädchen dazu zu inspirieren, ihre Grenzen zu überwinden, sind meine Wünsche in Erfüllung gegangen.” Kein Propaganda-Versuch der chinesischen Sportfunktionäre hätte solch eine Botschaft authentischer überbringen können. Ning Wang
Tobias Kunde ist seit Dezember neuer Director Vehicle Engineering & Production Liaison bei Daimlers Lastwagen-Joint Venture Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA) in Peking. Kunde war zuvor Director Business Building and Integration bei Daimler Truck China.
Konstantin Herrmann wurde bei Porsche Consulting in Shanghai befördert. Seit Beginn des Jahres ist Herrmann dort als Senior Manager tätig.
Die Olympische Fackel ist unterwegs durch die Sportstätten der Spiele von Peking. Am Mittwochmorgen übergab Vize-Ministerpräsident Han Zheng bei Sonne und eisiger Kälte die Fackel im Pekinger Olympiapark an einen echten Pionier des chinesischen Wintersports: Der heute 80 Jahre alte Luo Zhihuan war 1963 Eisschnellläufer und gewann als erster Chinese eine Goldmedaille in einer Wintersport-Disziplin. Luo übergab die Fackel an den Astronauten Jing Haiping. Der heute 55-Jährige ist der erste Taikonaut Chinas, der gleich dreimal auf verschiedenen Missionen im Weltall war.
Drei Tage wandert die Fackel nun von Hand zu Hand der rund 1200 Fackelträger zwischen 14 und 86 Jahren sowie zweier Roboter. Es sind Sportler, Prominente, Mitwirkende bei Olympia oder andere, die auf diese Weise gewürdigt werden. Mit dabei waren am Mittwoch Chinas Basketball-Legende Yao Ming, der die Fackel an Griechenlands Botschafter in China Georgios Iliopoulos übergab. Im griechischen Athen wird vor allen Olympischen Spielen symbolisch die Fackel entzündet und auf die Reise zum Austragungsort geschickt, so auch dieses Mal. Ebenfalls dabei waren zwei Stars der Sommerspiele von 2008: Der Architekt des Olympiastadions “Bird’s Nest” Li Xinggang und der Filmemacher Zhang Yimou, damals Regisseur der Eröffnungsfeier. Auch trugen mehrere Dutzend Mitwirkende im Kampf gegen Covid-19 die Fackel, darunter Ärzte und Pflegende.
Für Irritationen in Indien sorgte die Teilnahme von Qi Fabao. Qi war Kommandeur 2020 bei dem ersten tödlichen Zusammenstoß zwischen Grenztruppen Indiens und Chinas seit 45 Jahren im umstrittenen Galwan-Tal gewesen. Er wurde damals schwer am Kopf verwundet und gilt in China seitdem als Held. 20 indische Soldaten waren bei dem Zwischenfall ums Leben gekommen, China nannte nie eigene Opferzahlen.
Luo Zhihuan war der einzige, der die Fackel vorbei an Zuschauern tragen durfte. Rund 400 Offizielle, Freiwillige, Athleten und Journalisten wurden zur Startzeremonie eingeladen. Seither bewegt sich die Fackel wegen der Corona-Pandemie ohne Zuschauer durch die Stadt. ck
Olympia war immer auch ein Medienthema. Das war schon bei den ersten Spielen der Neuzeit im Jahr 1906 so, als Korrespondenten die Ergebnisse und ihre Eindrücke in die Welt hinaus telegrafierten. Es hatte eben schon damals wenig Sinn, ein globales Sportereignis nur vor Zuschauern vor Ort stattfinden zu lassen. Und schon damals berichtete die Presse auch viel aus dem Gastgeberland: von der Partystimmung in Athen und nächtlichen Fackelumzügen, aber auch von organisatorischem Chaos. Im Jahr 1924 waren dann bereits 1.000 Journalisten vor Ort in Paris dabei.
Seitdem haben sich die Berichte über das Gastgeberland zu einer entscheidenden Motivation dafür entwickelt, die teuren Spiele auszutragen. Im Jahr 2008 war dieses Kalkül für China aufgegangen: Die aufstrebende Großmacht ist unterm Strich mit einem dicken Plus für das eigene Image aus dem Projekt herausgegangen. In diesem Jahr droht dagegen ein dickes Minus auf dem Konto der öffentlichen Meinung – zumindest in Weltgegenden wie Europa und den USA, wo Menschenrechtsfragen eine Rolle spielen.
Die chinesische Regierung versucht daher derzeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die mediale Darstellung unter Kontrolle zu bekommen (und sie liebt Kontrolle über alles). Da sie bei den klassischen Medien der demokratischen Länder nur noch wenig ausrichten kann, umgeht sie diese nach Möglichkeit. Die staatliche Propagandaschmiede produziert beispielsweise Videos, die ein heiles Xinjiang zeigen. Nicht nur das, auch in den USA werden Video-Persönlichkeiten dafür bezahlt, Olympia 2022 zu bejubeln, wie in der heutigen Ausgabe Fabian Peltsch berichtet. Das ist selbstverständlich völlig legal. Es zeigt aber, wie die Strukturen der offenen Gesellschaft von außen gekapert werden können.
Morgen, am Freitag, gehen die Spiele dann los und dauern dann bis zum 20. Februar. Dieses Mal sind 3.000 Journalisten für das Ereignis akkreditiert. Marcel Grzanna hat sich angesehen, welche Ratschläge die Organisation Reporter ohne Grenzen ihnen auf den Weg mitgibt. Auch hier geht es um Kontrolle über die Wahrnehmung des Landes. TV-Sender sollten keine vorproduzierten Bilder aus China übernehmen, sondern möglichst selber drehen. Und die Berichterstatter:innen sollten zwischen Partei, Volk und Nation unterscheiden. Die KP repräsentiert nicht unbedingt das ganze Volk, und auch “China” ist nicht unbedingt deckungsgleich mit den Vorstellungen der Kommunisten von ihrem Land.
Es ist zugleich etwas bedauerlich, dass so kurz vor den Spielen die Politik so im Vordergrund steht. Wäre es nicht viel schöner, sich endlich etwas über den Sport zu freuen? Müssen wir alles immer schlecht machen? Doch es ist eben nicht nur Corona, das die Stimmung verdirbt. Olympia ist keine Maschinenbaumesse. Schon zu den Spielen 1924 in Paris wurde die Olympische Charta formuliert. Hinter den Spielen steht eine Philosophie, die zur Selbstverbesserung der Menschen und der Gesellschaft aufruft. Die Spiele haben zwar immer wieder in Ländern mit allen möglichen Verfassungen und Regierungsformen stattgefunden. Doch gerade Chinas dreiste Heile-Welt-Propaganda löst heute eine allergische Reaktion in der freien Welt aus. Wäre das Land zumindest ein wenig transparenter, offener und ehrlicher, zumindest so wie 2008, dann wäre auch die Gegenreaktion nicht so groß.
Die chinesische Regierung manipuliert schon seit Mitte der Nullerjahre gezielt das Meinungsbild in den USA und Europa mit bezahlten Kommentaren in Online-Foren. Nun entlohnt Peking ausländische Internet-User dafür, das ramponierte Image der Olympischen Spiele in Peking aufzubessern. So hat das chinesische Konsulat in New York eine US-amerikanische PR-Agentur beauftragt, junge Influencer einzukaufen, um in bezahlten Beiträgen das chinesische Narrativ im Westen zu verbreiten.
Vippi Media aus New Jersey hat demnach einen Vertrag in Höhe von 300.000 Dollar unterzeichnet, der vorsieht, im Vorfeld und während der Olympischen Spiele mindestens 3,4 Millionen Page-Impressions auf Social-Media-Kanälen wie Tiktok und Instagram zu erzielen, die sich vor allem an ein jüngeres Publikum richten. Das Ziel ist ausdrücklich, “interessante Dinge zu vor, während und nach den Spielen” zu erzählen. Beispiele sind die Vorbereitungen der Sportler auf die Wettkämpfe, moderne Technik, emotionale Augenblicke oder Kulturdenkmäler in Peking.
Die Inhalte wurden dabei vorab in drei Bereiche aufgeschlüsselt. Demnach sollen 70 Prozent der Beiträge die chinesische Kultur in ein positives Licht rücken. Ein Fünftel hat zum Ziel, die guten chinesisch-amerikanischen Beziehungen zu feiern. Die Schwerpunkte der restlichen 10 Prozent werden vom chinesischen Konsulat je nach Bedarf eingebracht. Beispiele für die Themen sind Chinas Kampf gegen den Klimawandel und für Umweltschutz. Generell soll es ausschließlich um positive Botschaften über China gehen.
Der Gründer von Vippi Media, Vipinder Jaswal, stellte die Aktivitäten als harmlos dar. “Wir wollen bloß die Integrität und die Würde der Olympischen Spiele hervorheben”, sagte er der britischen Zeitung The Guardian. Jaswal hat früher für den konservativen Sender Fox News gearbeitet, der heute zu den größten Kritikern Chinas zählt. Heute sagt er: “Ich bin gegen Boykotte. Sie schaden dem gegenseitigen Verständnis.” In den USA steckte Jaswal Kritik für seine Geschäfte mit Chinas Propagandaabteilung ein.
Die mediale Einflussnahme von Influencern im Sinne Chinas ist jedoch durchaus kein Einzelfall. Im Dezember berichtetete die New York Times, wie Peking ausländische Youtuber und andere in China lebende Content-Produzenten für Propagandazwecke instrumentalisiert. Dabei bekommen sie beispielsweise Zugang zu Regionen, in denen ausländische Journalisten längst der Zutritt verwehrt ist. So durfte der israelischstämmige Vlogger Raz Gal-Or im April 2021 die Baumwollfelder von Xinjiang besuchen – just zu der Zeit, als Modefirmen wie H&M und Nike verkündet hatten, keine Baumwolle mehr aus der Region einkaufen zu wollen, da sie von Uiguren in Zwangsarbeiter geerntet werde.
Auf die Vorwürfe geht Gal-Or nur indirekt ein. Sein Video soll vor allem Normalität vortäuschen. Er fährt Traktor mit wohlgenährten Bauern und spielt während eines Hausbesuchs Luftgitarre auf einer traditionellen Dotar-Laute. “Sie haben ihre eigene Kultur und einzigartige Traditionen. Aber seit ich hier bin, ist mir klar geworden, dass es eine echte Harmonie zwischen ihrer Identität als Chinesen und ihrer Identität als Uiguren gibt”, erklärt der junge Mann in einem anderen Video gegenüber chinesischen Staatsmedien. “Alles ist total normal hier.”
Dass die Umerziehungslager in Xinjiang ein Mythos seien und der Westen bloß neidisch auf Chinas Erfolg blicke, ist auch die Botschaft anderer Content-Produzenten. Da wäre etwa das in Shenzhen lebende Vater-Sohn-Duo Lee and Oli Barret, das Pekings “überlegene” Covid-Bekämpfung feiert. Oder der Rentner Kirk Apesland, alias “Gweilo 60“, der immer wieder betont, was der Westen alles von China lernen könne. Nichtsdestotrotz aber will “Gweilo 60” nun aber aufgrund einer besseren Krankenversicherung nach Kanada zurückkehren.
Die betreffenden Videos sehen oft selbstgemacht aus. Auf der anderen Seite der Kamera stehen jedoch nicht selten Profis der chinesischen Staatsmedien, die sie inszenieren. Raz Gal-Ors in mehreren Sprachen untertiteltes Reisevideo wurde von chinesischen Botschaften und chinesischen Auslandsmedien rund um den Globus geteilt – und konnte auf diese Weise ungewöhnlich hohen Traffic erzielen.
Die Algorithmen von YouTube und Google bevorzugen Content, der viel geteilt wird, was die Videos in den Suchmaschinen nach oben spült. Oftmals wurden die Accounts allein zum Zweck erstellt, Videos wie jenes von Gal-Or zu teilen, schreibt die New York Times. Von den 534 Konten, die das Video nach Erscheinen weiterverbreiteten, hatten zwei Fünftel nur zehn oder weniger Follower. Für einige war Gal-Ors Video sogar das erste, das sie jemals teilten.
Videokanäle wie YouTube haben sich zwar eine Kennzeichnungspflicht auferlegt, um Transparenz über bezahlte politische Werbung zu ermöglichen. Gegen solch scheinbar private Meinungsinhalte wie jenen von Gal-Or und Co. sind sie jedoch einigermaßen machtlos, da eine direkte Verbindung zum chinesischen Staat meist nicht nachgewiesen werden kann. Die chinesische Regierung kann auf diese Art großflächig ihr Narrativ verbreiten, ohne dass es auf den ersten Blick nach Propaganda aussieht.
Diese “sich einen Mund leihen, um zu sprechen” genannte Strategie ist jedoch nur ein kleiner Teil der sogenannten Medienlokalisierung, mit der China zur globalen Medienmacht aufsteigen will. Man müsse “die Geschichte Chinas gut erzählen” hatte Chinas Staatschef Xi Jinping bereits kurz nach seinem Amtsantritt 2013 auf einer Sitzung des Politbüros zum Thema “Propaganda und Ideologie” erklärt.
Besonders das China Global Television Network (CGTN), wie der internationale Arm des chinesischen Staatssenders CCTV heißt, hat seine Einflusssphäre seitdem massiv ausgebaut. Das Medienhaus, das der Zentralen Propagandaabteilung der Partei untersteht, betreibt sechs Kanäle auf Englisch, Französisch, Arabisch, Russisch und Chinesisch. Die Programme werden in mehr als 140 Länder ausgestrahlt. Produktionsstudios befinden sich in London, Washington und Nairobi. Die Moderatoren stammen in der Regel aus den jeweiligen Ländern.
Während Medienhäuser im Westen immer mehr Mitarbeiter entlassen, wirbt CGTN mit großzügigen Gehältern Nachwuchsjournalisten an. So berichtete die britische Presse im Sommer vergangenen Jahres, dass CGTN an britischen Hochschulen sogenannte ‘Media Challengers’ mit Preisgeldern von 10.000 US-Dollar und dem Versprechen auf eine professionelle Journalistenausbildung lockte. Das Ziel der “Media Challenger”-Kampagne ist, “ein Fenster für die Generation Z zu schaffen, um China besser zu verstehen”, wie es auf der Webseite von CGTN heißt.
Die Propaganda von CGTN und der Armee von Influencern mag plump wirken. Das Kalkül, mit Masse und Reichweite den internationalen Diskurs zugunsten Chinas zu verschieben, könnte jedoch aufgehen. Die Videos auf Tiktok und Youtube werden nicht von klassischen Medien-Gatekeepern ausgewählt und eingeordnet. Wer sie am Ende wirklich sieht, bestimmen Algorithmen. Für viele junge TikTok-Nutzer könnten diese Inhalte das erste sein, was sie über die Lage in Xinjiang erfahren. Und sie hören hier vielleicht von olympischen Glücksmomenten, bevor Berichte über verhaftete Aktivisten ihnen die Sportlaune verderben.
Während der Olympischen Spiele, die morgen offiziell eröffnet werden, müssen zahlreiche TV-Stationen der Welt zwangsläufig auf vorproduziertes Bildmaterial des chinesischen Staatsfernsehens zurückgreifen. Durch die Corona-Auflagen für Journalisten ist deren Bewegungsspielraum massiv eingeschränkt. Eine Berichterstattung ist unter diesen Bedingungen sehr schwierig. Daher hat die Nichtregierungsorganisation “Reporter ohne Grenzen” (RoG) eigens einen Leitfaden herausgegeben. Dieser mahnt deutsche Medien eindringlich zur Vorsicht bei der Zusammenarbeit mit Chinas Staatsmedien. “Unser Handbuch soll hierzulande das Bewusstsein für Pekings internationale Medienstrategie schärfen – und Redaktionen eine Orientierung bieten, wenn sich Möglichkeiten für Kooperationen ergeben”, sagt RoG-Geschäftsführer Christian Mihr.
Kategorisch empfiehlt der Leitfaden: “Redaktionelle Kooperationen mit chinesischen Propagandamedien sollten nicht eingegangen und bestehende beendet werden”. RoG warnt, dass auch in vermeintlich neutralen Berichtssequenzen “subtil Narrative des Regimes in Peking transportiert” werden können. Selbst wenn Bilder durch kritische Texte begleitet würden und auf die Quelle der Sequenzen hingewiesen wird, bekämen die Bilder eine Deutungsmacht, die im Sinne der chinesischen Regierung auf die Zusehenden wirkten. Bestehende Kooperationen mit staatsnahen Medien sollten “auf ein Mindestmaß” reduziert werden.
Auf den NDR prasselte in der Vergangenheit bereits massive Kritik ein, weil er mit dem staatlichen Fernsehsender CGTN gemeinsame Diskussionsprogramme produziert hatte. CGTN ist der internationale Arm des Staatsfernsehens CCTV. Großbritannien hatte dem Sender Anfang 2021 wegen seiner Staatsnähe in Großbritannien die Sendelizenz entzogen. CGTN war daraufhin auch in Deutschland vorübergehend vom Netz gegangen. Die Deutsche Welle arbeitete früher ebenfalls eng mit dem zentralen Sendeorgan CCTV zusammen.
Während der Spiele wird es für ausländische Reporter unmöglich sein, außerhalb der olympischen Blase zu recherchieren. Die Verlockung für die Journalisten dürfte entsprechend groß sein, sich mit den vielen freiwilligen Helfern des Organisationskomitees auszutauschen. Die Journalistin Qin Liwen aus Berlin warnt im Gespräch mit China.Table aber davor, die dabei erhaltenen Informationen für persönliche Ansichten der Gesprächspartner zu halten.
“Ausnahmslos alle Volunteers und sonstige Mitarbeiter sind regelrecht geschult, Fragen entweder auszuweichen oder Antworten zu geben, die das Regime in ein gutes Licht stellen”, sagt Qin. “Das bedeutet nicht, dass man nicht fragen darf. Aber man sollte wissen, dass in Wahrheit das Propagandaministerium der Volksrepublik China zu einem spricht.” Qin muss es wissen, denn sie war bei den Sommerspielen 2008 für den englischsprachigen Internetauftritt des Organisationskomitees BOCOG mitverantwortlich.
Um den möglichen Bedarf von Informationen und Bildmaterial in deutschen Redaktionen aus China abzudecken, empfehlen die Reporter ohne Grenzen daher wann immer möglich eine verstärkte Zusammenarbeit mit unabhängigen Medien mit China-Schwerpunkt und Sitz im Ausland. Nur “als letztes Mittel” sollten “unter Umständen kurze Sequenzen von staatsnahen Quellen übernommen werden”. Die Zusammenarbeit mit Auslandskorrespondenten solle intensiviert werden.
Die Regierung der Volksrepublik verhindert allerdings eine Vergrößerung des Korrespondentennetzes in ihrem Land. Im Gegenteil macht sie es ausländischen Verlagen und TV-Sendern zunehmend schwer, vor Ort zu arbeiten. Vor allem US-Medien erlebten daher einen massiven Aderlass an Korrespondent:innen, weil neue Visa verweigert oder bestehende Visa kurzerhand entzogen wurden. Der Club der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) stellte in seinem am Montag veröffentlichten Jahresbericht zudem neue Taktiken der Einschüchterung fest (China.Table berichtete). Korrespondent:innen sind demnach deutlich aggressiveren Drohungen ausgesetzt.
Die RoG fordern, dass chinesische Medien in Deutschland die “gleichen positiven Verpflichtungen” auferlegt werden wie den heimischen Medien. Sie müssten “bestimmte grundlegende Standards” respektieren; deren Verletzung müsse sanktioniert werden. Problematisch in der Praxis ist jedoch, dass grundlegende Standards wie Aufrichtigkeit, Pluralismus und Achtung der Menschenwürde nicht präzise definiert sind. Was manche als aufrichtig empfinden, halten andere für Fake News. Immerhin haben Verlage und Redaktionen in ihren eigenen Häusern die Möglichkeit, Standards zu definieren und ihre Partner sorgsam auszusuchen.
Vorsicht walten lassen sollte man laut RoG bei Kooperationen mit Interviewpartnern, “die ungefährliche und positive Begriffe in ihren Bezeichnungen tragen – wie Frieden, Volk, Freundschaft, Entwicklung, Verständnis, Einheit.” Die Wahrscheinlichkeit sei sehr groß, dass es sich um Organe der sogenannten Einheitsfront handelt, die durch weltweites und unermüdliches Netzwerken in einflussreichen Teilen der Gesellschaft chinesische Positionen und Interessen verbreiten.
Das 25-seitige Handbuch entschlüsselt zudem die Argumentationslinien der Autokraten in zahlreichen Themengebieten. Beispiel Gleichsetzung von Partei, Volk und Nation: Die Partei behauptet, sie spreche für ausnahmslos alle Chinesen und Chinesinnen. Jede Kritik an ihr ist in dieser Logik ein Angriff auf das chinesische Volk. Diese Praxis nutzt das Regime seit vielen Jahren. Ein beliebter Vorwurf an Kritiker, den es gerne verwendet und von internationalen Medien ständig multipliziert wird, lautet, die Gefühle von 1,4 Milliarden Chinesen seien verletzt worden. RoG sehen darin den Versuch der Partei, “Kritik an ihrer Herrschaft abzuwenden” und betont: “Die Unterscheidung zwischen Partei und Volk ist jedoch zentral.”
Der Wettbewerb zwischen China und dem Westen sei kein Zusammenstoß zwischen Zivilisationen, schreibt die Organisation: “Der eigentliche Wettbewerb findet zwischen repressiven Wertvorstellungen und Praktiken der KP China und den in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen festgeschriebenen Freiheitsrechten statt.” RoG stützen sich bei ihrer Argumentation ihrerseits auf zahlreiche Medienberichte oder Publikationen westlicher Forscher:innen, wie etwa das Buch “Die lautlose Eroberung” von Mareike Ohlberg und Clive Hamilton.
Nvidia spielt auf dem chinesischen Elektroautomarkt eine immer wichtigere Rolle. Laut Ali Kani, dem Vizepräsidenten des US-Herstellers von Computerchips, hat Nvidia in China so viele Lieferverträge wie nie zuvor abgeschlossen. Von Decoupling kann in diesem Bereich also keine Rede sein (China.Table berichtete).
Zu den Kunden Nvidias in China gehören E-Autoentwickler wie Polestar aus dem Hause Geely, IM Motors, Li Auto, R Auto oder der Suchmaschinengigant Baidu. Letzterer drängt immer stärker auf den Markt für autonomes Fahren. Diese Kunden wollen nicht nur Chips von Nvidia verwenden, sondern auch ihre Fahrzeuge auf Basis von Nvidias DRIVE Technology bauen. Diese auf Deep Learning basierende Computing-Plattform ermöglicht es selbstfahrenden Autos, große Mengen an Sensordaten zu verarbeiten und Fahrentscheidungen in Echtzeit zu treffen. Das ist ein wichtiger Schritt hin zum vollautonomen Fahren.
Der erste Prozessor des Unternehmens für autonomes Fahren, Nvidia DRIVE Xavier schafft 30 Billionen Operationen pro Sekunde und ist in Serienautos und -lastwagen zu finden. Erst seit kurzem auf dem Markt ist die zweite Generation mit Namen Nvidia DRIVE Orin, die bereits bereits 254 Billionen Operationen pro Sekunde verarbeiten kann. Die chinesischen Start-ups Nio und Xpeng verwenden Orin bereits in ihren neuesten Fahrzeugen. Im Januar erklärte auch das chinesische Start-up Pony.ai, Nvidia DRIVE Orin in sein autonomes Fahrsystem der sechsten Generation integriert zu haben. Nach Angaben des Unternehmens soll damit der Weg für die Massenfertigung von Autos mit der vollautonomen Fahrstufe 4 geebnet werden. Neben den chinesischen Anbietern kooperiert Nvidia auch mit Mercedes, Audi, Volvo und Hyundai.
Die im April 2021 präsentierte dritte Prozessor-Generation Nvidia DRIVE Altan kann sogar noch viel mehr: Altan schafft über 1000 Tera-Operationen pro Sekunde (TOPS) und damit noch einmal das Vierfache von Nvidia DRIVE Orin. Nvidias Ziel ist, dass Altan ab 2025 serienmäßig in Fahrzeuge eingebaut werden kann. Nvidia bezeichnete Altan auch als “system-on-a-chip”, ein ganzes System auf einem Chip.
Den Großteil seines Geschäftes machte Nvidia bislang mit Grafikkarten und Chips für PCSs, Server und Spielkonsolen. Das Automobilgeschäft machte bisher nur einen kleinen Teil von Nvidias Jahresumsatz aus, der auf mehr als 26 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. In den nächsten sechs Jahren will der Konzern jedoch mindestens acht Milliarden US-Dollar aus der Automobilindustrie einnehmen. “Autonome Autos sind die härteste Herausforderung für maschinelles Lernen und Robotik – aber auch die mit der größten Wirkung”, sagt Nvidia-Chef Jensen Huang.
China ist einer der weltweit wichtigsten Märkte für Software-gesteuerte Fahrzeuge, also Autos, deren Funktion vor allem auf leistungsstarken Bordcomputern basiert. Um autonome Fahrfunktionen ausführen zu können, sind die Hersteller auf hochleistungsfähige Chips angewiesen.
Chips sind Mangelware, und das hat auch die chinesische Automobilindustrie hart getroffen (China.Table berichtete). Trotzdem konnte der chinesische Automarkt 2021 das erste Mal seit drei Jahren wieder wachsen. Grund dafür war vor allem der starke Absatz von Elektroautos, der 15 Prozent des gesamten Pkw-Absatzes in China ausmachte (China.Table berichtete). Die Verkaufszahlen von NEVs haben sich nach Angaben des chinesischen Automobilverbandes mit 2,99 Millionen Fahrzeugen 2021 mehr als verdoppelt. Für 2022 rechnet der Verband mit einem fünfprozentigen Wachstum des gesamten Pkw-Marktes, wobei NEVs ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmachen werden. Ende dieses Jahres laufen zudem voraussichtlich die staatlichen Kauf-Subventionen für E-Autos in China komplett aus (China.Table berichtete). Das zeigt klar Pekings Zuversicht, dass der Markt stabil genug ist, um sich selbst zu tragen.
China ist als Markt schwer zu navigieren. Auch für Nvidia ist es nicht einfach, das Geschäft im politischen Spannungsfeld zwischen den USA und China auszutarieren. Seit den US-Sanktionen gegen Huawei ist jedem chinesischen Konzern klar, wie schnell man von US-Technologie abgeschnitten werden kann. Gleichzeitig verlangen chinesische Gesetze, dass in China generierte Fahrzeugdaten nicht ins Ausland übertragen werden dürfen. Danny Shapiro, Vice President Automotive von Nvidia, erläutert, dass sein Unternehmen deshalb chinesische Rechenzentren nutzt. So will Nvidia sicherzustellen, dass Daten, die zum Trainieren der künstlichen Intelligenz in Autos verwendet werden, auch in China verbleiben.
Kontrovers diskutiert wird in China derweil Nvidias geplante Übernahme des britischen, zur japanischen Softbank gehörenden Mikroprozessorspezialisten ARM. Der Kauf für 40 Milliarden Dollar, der im September 2020 angekündigt wurde, wäre der größte Halbleiter-Deal in der Geschichte. Sollte er noch gelingen, würde Nvidia zu einem der mächtigsten Player in dem immer wichtiger werdenden Sektor (China.Table berichtete).
Nicht nur die amerikanischen Regulierungsbehörden haben sich aufgrund von “signifikanten Wettbewerbsbedenken” bereits eingeschaltet. Auch die Chinesen äußerten öffentlich ihren Unmut, darunter auch Huawei. Die Übernahme von ARM muss nicht nur in den USA und China genehmigt werden, sondern auch in der EU und in Großbritannien.
Chinas staatliche Zeitung Global Times nennt die geplante Übernahme “beunruhigend” angesichts der Spannungen zwischen den USA und China. “Chinesische Firmen würden auf dem Markt sicherlich einen großen Nachteil erleiden, wenn ARM in US-Hände gerät”, so ein Kommentar in dem Blatt.
Chinesische Unternehmen, die auf der US-amerikanischen “Entity List” stehen, könnten von der Verwendung von ARM-basierten Chips ausgeschlossen werden (China.Table berichtete). Zugleich könnten europäische Unternehmen, die ARM-Technik verwenden, ihrerseits Schwierigkeiten bekommen, nach China zu liefern. Laut Insider-Berichten rechnet Nvidia daher derzeit nicht mehr mit dem Gelingen der ARM-Übernahme. Das Unternehmen habe bereits begonnen, sich aus dem Deal zurückzuziehen. Grund sei vor allem die Skepsis der US-amerikanischen Wettbewerbshüter.
Nvidia würde mit einem Rückzug aus der ARM-Übernahme zugleich dem chinesischen Markt Priorität geben und den Weg für eine problemlosere Belieferung der chinesischen Autoindustrie freimachen. Wegen des schnellen Wachstums des autonomen Fahrens wird das Segment auf absehbare Zeit ein gutes Geschäft bleiben. Andererseits wird China dennoch parallel versuchen, auch bei dieser Technik aufzuholen und letztlich unabhängig zu werden.
Kurz vor dem China-Russland-Gipfel in Peking hat sich Moskau nach Kreml-Angaben die Unterstützung Chinas in der Ukraine-Krise gesichert. “China unterstützt Russlands Forderungen nach Sicherheitsgarantien”, sagte Putins diplomatischer Berater Juri Uschakow am Mittwoch in Moskau. Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping wollten in Peking ihre “gemeinsame Vision” zur internationalen Sicherheitspolitik darlegen. Beide Staaten hielten eine “gerechtere Weltordnung” für notwendig, sagte Uschakow.
Für das Treffen in Peking anlässlich der Eröffnung der Olympischen Winterspiele sei “eine gemeinsame Erklärung über den Eintritt der internationalen Beziehungen in eine neue Ära vorbereitet” worden, sagte der Kreml-Berater. “Darin wird die gemeinsame Vision Russlands und Chinas insbesondere zu Sicherheitsfragen zu finden sein.” Auch wollen beide Seiten laut Uschakow zudem mehrere Abkommen, etwa zum Thema Erdgas, unterzeichnen. Russlands Energieminister Nikolai Schulginow, Außenminister Sergej Lawrow und der Chef des russischen Energiekonzerns Rosneft, Igor Setschin, werden Putin nach Peking begleiten. ck
Die USA und Europa haben mit mehreren Staaten Asiens über mögliche Gaslieferungen gesprochen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Bloomberg aus nicht näher genannten Quellen. Es gehe darum, Gaslieferungen nach Europa für den Fall sicherzustellen, dass Russland den Ukraine-Konflikt eskaliert oder die Lieferungen in die EU drosselt. Europa bezieht rund 40 Prozent seines Erdgases aus Russland. Der globale Gasmarkt verfügt kaum über freie Kapazitäten und niemand kann laut Bloomberg kurzfristig viel mehr fördern. Der Energieminister von Katar, einem der weltweit größten Exporteure von verflüssigtem Erdgas, betonte, kein Land könne allein die Mengen liefern, die Europa benötigen würde. Laut Bloomberg hat US-Präsident Joe Biden mit Beamten in Japan, Südkorea, Indien und China gesprochen. Der Kontakt zu China sei aber eher begrenzt. China ist selbst stark von Erdgas-Importen abhängig und bezieht ebenfalls eine große Menge Erdgas aus Russland. ck
Die Europäische Union will Prioritäten bei der Standardisierung künftig in einem hochrangigen Forum festsetzen. Das teilte die EU-Kommission am Mittwoch bei der Vorstellung ihrer Standardisierungs-Strategie mit. Das Forum ist eine Antwort auf den wachsenden Einflusses von China auf Normungsgremien. Die EU möchte daher den eigenen Ansatz europäischer, strategischer und schneller gestalten. Ziel ist es, in Kooperation mit den Mitgliedsstaaten, Normungsorganisationen, Industrie und Zivilgesellschaft bei der Festlegung von Prioritäten zu helfen und darüber beraten, wo es Normungsbedarf gibt. Der Fokus des Forums soll auf digitalen und grünen Technologien liegen.
Der Einfluss Chinas in der Normung sei massiv gewachsen, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die EU müsse sicherstellen, dass sie auf diesem Feld nicht zurückfalle. Man wolle in der Strategie Prioritäten definieren, wie etwa die Halbleiter-Industrie.
Einige weitere Punkte der Standardisierungs-Strategie:
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betonte, Technologiestandards müssten künftig zum festen Bestandteil europäischer Handelsstrategien gemacht werden. “Normen und Standards müssen ein gezieltes Instrument der Industriepolitik sein”, teilte BDI-Präsident Siegfried Russwurm mit. “Der BDI erwartet, dass China die international vereinbarten Normen konsequent anwendet und entgegenstehende nationale Normen zügig zurücknimmt.” ari
China steigt in das Rennen um eine praktikable Antikörpertherapie gegen Covid-19 ein. Ein Forschungsteam aus Shanghai hat nach eigenen Angaben einen neuen Antikörpertyp entwickelt, der Omikron und künftige Coronavirus-Varianten neutralisieren kann. Dieser könnte im Rennen gegen die Pandemie nun einen entscheidenden Vorsprung gegen das Virus bedeuten, sagte der leitende Wissenschaftler Huang Jinghe von der Shanghaier Fudan-Universität. Nach einem Bericht der South China Morning Post wurde der neue Antikörper aus Bestandteilen zweier verschiedener Antikörper zusammengefügt, die von menschlichen Immunzellen produziert werden. Allein seien beide Antikörper-Typen gegen Omikron nutzlos. Doch die künstlich zusammengefügte Version habe Erfolg bei der Bekämpfung des Virus gehabt.
Es gibt weltweit zahlreiche weitere Ansätze, um eine bereits laufende Corona-Infektion mit Antikörpern zu bekämpfen. Die US-Firma Regeneron hat dabei einen Vorsprung: Das Medikament ist bereits seit 2020 in den USA auf dem Markt und seit Anfang 2021 auch in der EU zugelassen. Eine Reihe weiterer Präparate mit diesem Wirkprinzip befindet sich in Entwicklung, im Zulassungsverfahren oder bereits auf dem Markt. In allen Fällen kombinierten die Forscher mehrere Antikörper (“Cocktail”), um eine ausreichend starke Wirkung zu erzielen. Derzeit erweisen sich aber Arzneien, die das Virus in der Zelle bei der Vermehrung hemmen, als praktikabler und wirksamer. Eine Covid-Therapie gilt als Ausweg aus der Null-Covid-Falle (China.Table berichtete).
Die Forscher um Huang berichteten über ihre Arbeit in einem Papier, das auf der Preprint-Website Biorxiv veröffentlicht wurde. Das Papier wurde allerdings bisher nicht begutachtet. Huangs Team der Fudan-Universität und Mitarbeitende des National Clinical Research Center for Respiratory Disease in Guangzhou entwickelten der Zeitung zufolge mit ihrem neuen Ansatz in kurzer Zeit acht verschiedene Antikörper. Forscher Huang zeigte sich ob der zufälligen Entdeckung enthusiastisch: “Es gibt weltweit nur sehr wenige Antikörper, die Omikron neutralisieren können. Ich fühle mich, als wäre ich von Gottes Gnade getroffen worden.” ari/fin
Eileen Gu (Chinesischer Name Gu Ailing) ist jung, hip und passt eigentlich gar nicht in das angestaubte Bild der chinesischen Spitzensportler. Neben ihrer sportlichen Karriere ist sie Model und Markenbotschafterin für Brands wie die Schweizer Uhrenmarke IWC Schaffhausen, Red Bull und die Skimarke Factions. Aber auch der chinesische Sportartikelhersteller Anta wirbt mit ihr. Eileen Gu wurde 2003 als Tochter einer eingewanderten Chinesin und eines US-Amerikaners in San Francisco geboren. Bei den Olympischen Winterspielen tritt die 18-Jährige aber nun für China im Ski-Freestyle an.
Als Sonderform des Skifahrens ist bei Freestyle-Skiing auch Kreativität und künstlerischer Ausdruck gefragt. Die Athlet:innen führen akrobatische Tricks wie Sprünge, Saltos, Drehungen und Grätschen aus. Der ganze Lauf wird von einer Jury auf einer Punkteskala von 1 bis 100. bewertet. Es ist eine Sportart, die für die Einzelkinder Chinas als viel zu gefährlich gilt und daher bis dato wohl kaum Unterstützung bei den Eltern gefunden hat.
So war es auch bei Eileen Gu. Ihre Mutter wollte nicht, dass ihre Tochter Skirennen fährt – es sei viel zu gefährlich. Dadurch landete Gu bei den Freestyle-Skiern und entwickelte sie sich zu einem der hoffnungsvollsten Talente. Ihren bislang größten Erfolg feierte Gu bei dem Skisport-Actionfestival X Games 2021 in Aspen, Colorado. Dort holte sie als erster weiblicher Rookie gleich drei Medaillen. Als erste Frau überhaupt trat sie in drei Freestyle-Disziplinen an. Und sie gewann gleich in jeder eine Medaille: Gold in der Halfpipe, Gold in der Superpipe und Bronze in Big Air (auch Aerials genannt). Gu wurde über Nacht zur ersten Chinesin, die eine Goldmedaille bei den X Games gewann. 23 Millionen Views hat ihr der Post über den Sieg auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst SinaWeibo eingebracht. Nur zwei Monate später holte Gu beim Freestyle-Weltcup in Calgary drei weitere Medaillen.
Die 18-Jährige schlägt durch ihre Teilnahme an den Winterspielen in Peking eine der wenigen verbleibenden Brücken zwischen den USA und China. In einer Zeit, da sich die Regierungen beider Länder geopolitisch immer mehr voneinander abgrenzen, und die USA sich für einen diplomatischen Boykott der Winterspiele ausgesprochen haben, ist Gu die geborene Softpower in Person. Bevor die Spiele überhaupt losgegangen sind, trumpfen Chinas Medien mit Bildern des Freestyle-Stars auf. So hat ihr Sponsor Red Bull eine Serie von Videos mit Eileen Gu gedreht, die der Technologiekonzern Tencent in China auf seinen Plattformen vertreibt. Die Zeitung South China Morning Post zeigte jüngst Fotos von Gu beim Verspeisen einer großen Portion Jiaozi direkt nach ihrer Ankunft in China. Die gefüllten Teigtaschen sind Gus Leibspeise, denn ihre aus Peking stammende Großmutter in San Francisco kocht auch immer welche für sie.
Mit drei Jahren stand Eileen Gu in den USA das erste Mal auf Skiern – es war der Startschuss für eine rasante Kariere. Und bereits im zarten Alter von 15 Jahren entschied sie 2019, bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking für China anzutreten. “Es war eine unheimlich schwere Entscheidung, die ich getroffen habe” verkündete die US-Amerikanerin damals auf ihrem Instagram-Account.
Doch die Ankündigung schlug in der Sportwelt damals kaum Wellen. Denn es war noch nicht abzusehen, in welcher Disziplin Gu sich als so herausragend erweisen würde, dass sie Aussichten auf eine Medaille haben würde. Das änderte Gu allerdings schnell. Bei den Jugendwinterspielen 2020 im Schweizer Lausanne gewann Gu gleich zweimal Gold und einmal Silber. Auch in Kanada und Südtirol sammelte sie Preise. Dann folgten die Erfolge bei den X Games und im Weltcup.
Fahnenwechsel bei Olympia-Athleten kommen immer wieder vor. Unklar ist aber, ob Gu für ihren Olympia-Einsatz für China auch ihre Staatsangehörigkeit wechselte. Die Olympische Charta erlaubt zwei Staatsbürgerschaften; China aber nicht. Ob Gu überhaupt einen chinesischen Pass bekam, ob sie als Ausnahmeregel beide Pässe haben darf, oder nun ausschließlich chinesische Staatsbürgerin ist, bleibt im Dunkeln. Ähnlich ist die Lage bei einer großen Zahl Spielern in Chinas Eishockey-Team, die gebürtige Amerikaner oder Kanadier mit chinesischen Wurzeln sind. Auch zu deren Status ist nichts bekannt.
Für China stellt sich so oder so die Entscheidung von Eileen Gu nun als echter PR-Coup heraus. Sie ist mit 18 Jahren als jüngste Athletin auf der Forbes-Liste “China 30 unter 30” aufgenommen worden. Das hat sie weit über die Grenzen des Sports bekannt gemacht. Sie ist nicht nur gut im Sport, sondern auch in ihren akademischen Leistungen. So hat sie es geschafft, die Highschool ein Jahr schneller als ihre Klassenkameraden abzuschließen – damit sie mehr Zeit hat, um an ihrer Technik zu feilen und damit ihre Chancen bei Olympia zu erhöhen. Dank ihrer guten Schulnoten kann Gu auch bei chinesischen Eltern punkten.
Doch viel mehr wird zählen, dass Gu eine riesige Fangemeinschaft bei jungen Menschen hat. Das haben auch Marken wie der Schmuckhersteller Tiffany & Co. und der Luxus-Modeaustatter Louis Vuitton erkannt. Für diese glänzt Gu als Markenbotschafterin von den Titelseiten der Hochglanzmagazine in China, Hongkong und Paris – und erreicht damit ohne Streuverluste die nächste Generation von Kunden.
Dazu passt, dass Gu selbst ambitionierte Ziele hat. Sie will der Welt zu beweisen, dass man mit PR und Disziplin eine ganz neue Dimension an Reichweite, Sympathie und Fangemeinde erzeugen kann. “Die Möglichkeit, während der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking, dem Geburtsort meiner Mutter, Millionen junger Menschen zu inspirieren, ist eine einmalige Gelegenheit, den Sport, den ich liebe, zu fördern”, schrieb Gu auf Instagram. “Wenn ich dazu beitragen kann, auch nur ein junges Mädchen dazu zu inspirieren, ihre Grenzen zu überwinden, sind meine Wünsche in Erfüllung gegangen.” Kein Propaganda-Versuch der chinesischen Sportfunktionäre hätte solch eine Botschaft authentischer überbringen können. Ning Wang
Tobias Kunde ist seit Dezember neuer Director Vehicle Engineering & Production Liaison bei Daimlers Lastwagen-Joint Venture Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA) in Peking. Kunde war zuvor Director Business Building and Integration bei Daimler Truck China.
Konstantin Herrmann wurde bei Porsche Consulting in Shanghai befördert. Seit Beginn des Jahres ist Herrmann dort als Senior Manager tätig.
Die Olympische Fackel ist unterwegs durch die Sportstätten der Spiele von Peking. Am Mittwochmorgen übergab Vize-Ministerpräsident Han Zheng bei Sonne und eisiger Kälte die Fackel im Pekinger Olympiapark an einen echten Pionier des chinesischen Wintersports: Der heute 80 Jahre alte Luo Zhihuan war 1963 Eisschnellläufer und gewann als erster Chinese eine Goldmedaille in einer Wintersport-Disziplin. Luo übergab die Fackel an den Astronauten Jing Haiping. Der heute 55-Jährige ist der erste Taikonaut Chinas, der gleich dreimal auf verschiedenen Missionen im Weltall war.
Drei Tage wandert die Fackel nun von Hand zu Hand der rund 1200 Fackelträger zwischen 14 und 86 Jahren sowie zweier Roboter. Es sind Sportler, Prominente, Mitwirkende bei Olympia oder andere, die auf diese Weise gewürdigt werden. Mit dabei waren am Mittwoch Chinas Basketball-Legende Yao Ming, der die Fackel an Griechenlands Botschafter in China Georgios Iliopoulos übergab. Im griechischen Athen wird vor allen Olympischen Spielen symbolisch die Fackel entzündet und auf die Reise zum Austragungsort geschickt, so auch dieses Mal. Ebenfalls dabei waren zwei Stars der Sommerspiele von 2008: Der Architekt des Olympiastadions “Bird’s Nest” Li Xinggang und der Filmemacher Zhang Yimou, damals Regisseur der Eröffnungsfeier. Auch trugen mehrere Dutzend Mitwirkende im Kampf gegen Covid-19 die Fackel, darunter Ärzte und Pflegende.
Für Irritationen in Indien sorgte die Teilnahme von Qi Fabao. Qi war Kommandeur 2020 bei dem ersten tödlichen Zusammenstoß zwischen Grenztruppen Indiens und Chinas seit 45 Jahren im umstrittenen Galwan-Tal gewesen. Er wurde damals schwer am Kopf verwundet und gilt in China seitdem als Held. 20 indische Soldaten waren bei dem Zwischenfall ums Leben gekommen, China nannte nie eigene Opferzahlen.
Luo Zhihuan war der einzige, der die Fackel vorbei an Zuschauern tragen durfte. Rund 400 Offizielle, Freiwillige, Athleten und Journalisten wurden zur Startzeremonie eingeladen. Seither bewegt sich die Fackel wegen der Corona-Pandemie ohne Zuschauer durch die Stadt. ck