bislang galt Chinas Null-Covid-Strategie als überaus erfolgreich. Mit strikten Lockdowns, großangelegten Massentests und digitaler Nachverfolgung schien es, als könnte die Regierung in Peking auch Corona unter Kontrolle halten. Doch was sich zuletzt schon in Hongkong andeutete, bricht sich nun auch auf dem Festland Bahn: Landesweit steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide an. In seinen wichtigsten Werken in Changchun muss auch Volkswagen die Produktion stoppen. Zunächst nur für die kommenden Tage. Doch sollten die Corona-Zahlen weiter steigen, dürfte Chinas Null-Covid-Strategie vor dem Aus stehen, analysiert unser Autorenteam in Peking. Und damit nicht genug: Chinas neues Wachstumsziel und schließlich auch der internationale Handel könnten deshalb in schwere Turbulenzen geraten.
Es war eine Ankündigung, die überraschte – aber eigentlich auch nicht. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang erklärte am Freitag zum Ende des Nationalen Volkskongresses, dass er sein Amt zum Ende des Jahres niederlegen werde. Eigentlich normal in der Volksrepublik. Denn dort war bisher nach zwei Amtszeiten von je fünf Jahren Schluss für den Premier und auch den Staatspräsidenten. Aber nicht mit Xi Jinping. Der Staats- und Parteichef plant, sich für eine weitere Amtszeit bestätigen zu lassen und kann sich nun einen genehmen Ministerpräsidenten auswählen. Frank Sieren wirft einen Blick auf die möglichen Nachfolger von Li Keqiang – sollte Xi bisherigen Besetzungsmustern folgen. Überraschungen sind bei ihm aber nicht auszuschließen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre!
Lange sah es so aus, als könnte China durch seine strengen Schutzmaßnahmen Corona aussperren. Sogar als die viel ansteckendere Omikron-Variante Anfang Januar erstmals in chinesischen Städten entdeckt worden war, gelang es den Behörden zunächst, die Ausbrüche wieder einzudämmen. Doch nun melden 19 Regionen parallel neue Infektionsherde. Und mit Changchun im Norden und Shenzhen ganz im Süden wurden gleich zwei für die Wirtschaft wichtige Millionen-Metropolen in einen Lockdown geschickt.
Davon ist auch Volkswagen betroffen: Der Konzern muss wegen des Lockdowns in Changchun vorübergehend die Produktion in drei seiner Werke stoppen. Die Anlagen, die gemeinsam mit dem chinesischen Partner FAW betrieben werden, sollen auf Anordnung der Behörden vorerst bis einschließlich Mittwoch geschlossen bleiben, erklärte eine VW-Sprecherin in Peking. Betroffen sind ein VW-Werk, ein Audi-Werk sowie ein Komponentenwerk.
Die Schließung bedeute laut der Sprecherin nicht automatisch, dass auch weniger Fahrzeuge gebaut würden. So könnten Ausfälle später etwa mit Sonderschichten nachgeholt werden, wenn es zu keinem längerfristigen Produktionsstopp kommt. Wie genau der Begriff längerfristig in diesem Zusammenhang definiert ist, blieb allerdings unklar.
Derweil hat auch der Apple-Partner Foxconn die Produktion seiner Fertigungsstätte in Shenzhen ausgesetzt. Dort werden unter anderem auch iPhones hergestellt. Wie das taiwanische Mutterhaus Hon Hai am Montag in Taipeh mitteilte, werden die Produktionslinien in anderen Werken angepasst, um die potenziellen Auswirkungen der Unterbrechung möglichst gering zu halten. Bis wann die Produktion ausgesetzt wird, hänge von den Anordnungen der Behörden ab. Die Regierung der 17-Millionen-Metropole hatte am Vortag zunächst einen einwöchigen Lockdown verhängt. In dieser Zeit sollen alle Bewohner getestet werden.
Sowohl in Changchun als auch in Shenzhen hofft man, dass beide Städte möglichst bald wieder zur Normalität zurückkehren können. Die Strategie ist klar: Die gesamte Bevölkerung soll zu Hause bleiben und innerhalb einiger Tage mehrfach getestet werden. Infizierte müssen zur Isolation in Krankenhäuser. So sollen die Ausbrüche unter Kontrolle gebracht werden. Sollten die Infektionszahlen allerdings weiter rapide ansteigen, dürfte es selbst in China schwierig werden, jeden einzelnen Fall zurückzuverfolgen und jedes Mal sämtliche Kontaktpersonen in Quarantäne zu schicken.
In Hongkong hat sich gezeigt, wie schnell das gehen kann. Auch die chinesische Sonderverwaltungsregion verfolgt eine strikte Null-Corona-Politik, mit der bis Anfang des Jahres jeder Ausbruch erfolgreich wieder unter Kontrolle gebracht wurde. Doch gegen Omikron hatte das Nachverfolgungs- und Isolationsprinzip der Hongkonger Behörden keine Chance (China.Table berichtete). Mittlerweile werden mehrere Zehntausend Fälle pro Tag verzeichnet. Die Regierung ist völlig überfordert.
Deutsche Wirtschaftsvertreter in China verweisen zwar darauf, dass Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren dazugelernt und sich auf Lockdown-Situationen eingestellt hätten. Äußerst schwierig würde es jedoch, wenn sich nicht nur einzelne Städte, sondern mehrere Regionen und wichtige Wirtschaftszentren gleichzeitig in einen Lockdown begeben müssten (China.Table berichtete). Schon jetzt könnte sich ein solches Szenario abzeichnen, das dann die gesamte Weltwirtschaft hart treffen würde.
Dabei hatte man eigentlich gehofft, dass Chinas Wirtschaftswachstum der globalen Wirtschaft dabei helfen könnte, die Verwerfungen der Ukraine-Krise etwas abzufedern. Schließlich verkündete die Regierung auf dem Pekinger Volkskongress vergangene Woche ein durchaus ambitioniertes Wachstumsziel von 5,5 Prozent (China.Table berichtete). Ein Wert, der deutlich über den Wachstumsprognosen der meisten Ökonomen liegt.
Könnte das Coronavirus der Führung nun einen Strich durch die Rechnung machen? Derzeit scheint es noch zu früh, um ein derartiges Schreckensszenario an die Wand zu malen. Ein zumindest leichtes Zeichen der Entspannung gibt es: Die Infektionszahlen sind zu Wochenbeginn landesweit erstmals seit Tagen wieder zurückgegangen. Wurden am Sonntag noch 3100 Infektionen gemeldet, waren es am Montag 2125 lokale Infektionen. Bleibt ein exponentieller Anstieg aus und kehren Shenzhen und Changchun wie geplant in den nächsten Tagen aus ihren Massentest-Lockdowns wieder zurück zum normalen Leben, dürfte das für weitere Erleichterung sorgen. Steigen die Zahlen jedoch weiter, stehen China schwierige Wochen bevor. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Viele Jahrzehnte hat sich das autoritäre politische System der Volksrepublik China eine politische Tugend geleistet. Nach zwei Amtsperioden, also alle zehn Jahre, mussten der Staatspräsident, aber auch sein Premierminister mit ihren Teams abtreten und zwei neue Politiker haben übernommen. “Das ist das letzte Jahr, das ich Premier sein werde”, bestätigte Li Keqiang am Freitag. Er gibt seinen Posten turnusmäßig nach zwei Amtszeiten ab. Präsident Xi Jinping will hingegen einen anderen Weg gehen.
Normalerweise wird bereits nach etwa fünf Jahren der Präsidenten-Nachfolger bekannt. Dieser schaut ab da dem noch amtierenden Präsidenten auf die Finger. Der Amtsinhaber soll nicht nach dem Motto handeln: “Nach mir die Sintflut.” So wurde das politische Spitzenpersonal zwar nicht von den Bürgern der Volksrepublik gewählt, sondern von der kommunistischen Partei ausgesucht. Doch es gab zumindest alle fünf Jahre einen neuen Impuls und alle zehn Jahre einen großen.
Dieses durchaus sinnvolle System hat Staatschef Xi schon 2018 ausgehebelt. Er kann nun so lange regieren, wie die Partei, deren Chef er ist, ihn lässt. Lange Regierungszeiten von Politikern haben Vor- und Nachteile. Unter den westlichen Demokratien ist Deutschland ein Land, dessen Wähler sich entschieden haben, Helmut Kohl und Angela Merkel (beide 16 Jahre) lange im Amt zu lassen. Xi hat erst zehn Jahre auf dem Buckel. Gerade in einem so großen Land spricht auch einiges dafür, länger im Amt zu bleiben, um große Reformen durchzusetzen. Zum Beispiel war und ist Xi durchaus viel effektiver als seine Vorgänger, was den Kampf gegen die Korruption betrifft.
Die Nachteile jedoch überwiegen. Vor allem, weil Xi immer mehr die Züge eines Alleinherrschers trägt. Im jährlichen Bericht des Premierministers vor dem Nationalen Volkskongress wurde normalerweise der amtierende Staatspräsident in die Reihe seiner Vorgänger eingebettet, um deren Vorarbeit zu würdigen. Dieses Jahr wurde nur Xi erwähnt.
Dies entspricht so gar nicht dem chinesischen Denken, das sehr viel mehr als im Westen vom Gedanken des Austarierens komplexer Netzwerke und ihrer Geschichte geprägt ist. Die Balance gilt in der chinesischen Kultur als die höhere Kunst und die bessere Politik als der kraftvolle, alles hinwegfegende Alleingang. Xi neigt scheinbar eher zum Letzteren. Das gilt womöglich auch für die Auswahl des neuen Premierministers.
Darüber, wer der Nachfolger werden könnte, gibt es im Vorfeld in der Öffentlichkeit viele Spekulationen. Oft kommt es dann jedoch anders, als die meisten vermutet haben. Vieles deutet darauf hin, dass der neue Premierminister eher ein treuer Gefährte Xis sein wird, denn ein Mann oder eine Frau, der oder die sich als ein Korrektiv zum Präsidenten verstehen würde. Es wird erwartet, dass Staatspräsident Xi im Herbst über die Nachfolge Lis berät. Der Staatschef hat das Vorschlagsrecht für den Premier-Posten.
Normalerweise war ein Politiker, der Premierminister wurde, vorher schon einfaches Mitglied des Politbüros. Von den 25 Mitgliedern des Politbüros sitzen sieben bereits im Ständigen Ausschuss und sind damit eigentlich überqualifiziert für neue Impulse. Bleiben 18. Von denen haben neun Mitglieder bereits das Pensionsalter von 68 Jahren erreicht. Xi wird im Juni 68. Damit bleiben neun Kandidaten für das Amt des Premiers, wenn sich Xi an die bisher üblichen Auswahlverfahren halten sollte. Von den neun sind sechs bereits so alt, dass sie die nächsten zehn Jahre nicht mehr voll regieren können, ohne das Pensionsalter zu überschreiten.
Bleiben demnach drei Kandidaten:
Bleiben also Chen und Ding. Chen hat den größten Teil seiner Karriere in der Boom-Provinz Zhejiang südlich von Shanghai verbracht. Er war aber auch Parteisekretär in der noch sehr armen Provinz Guizhou. Ding ist Xis wichtigster Mann in der Partei. Er hat schon in Shanghai für ihn gearbeitet und ist ihm dann nach Peking gefolgt.
Einer der beiden könnte es also werden. Wenn Xi sich nicht zu einer Überraschung hinreißen lässt. Die Macht dazu hat er. Oder anderes herum formuliert: Die Auswahl des neuen Premierministers wird vor allem zeigen, wie mächtig Xi Jinping ist – und das wiederum spricht für eine Überraschung und eine Besetzung, mit der niemand gerechnet hat.
Der chinesische Autohersteller BYD hat erneut die Preise angehoben. Die Fahrzeuge der Serie Dynasty kosten seit Mittwoch 3.000 Yuan (430 Euro) mehr, die der Serie Ocean 6.000 Yuan (860 Euro). Als Grund habe das Unternehmen die steigenden Kosten für Rohstoffe genannt, berichtet Bloomberg. Wichtige Rohstoffe sind zuletzt deutlich teurer geworden. Das gilt insbesondere für Nickel, ein wichtiges Metall für E-Auto-Batterien. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Preis für Nickel verdreifacht.
Es ist die zweite Preisanpassung in weniger als zwei Monaten. Im Januar waren die Fahrzeuge bereits um bis zu 7.000 Yuan (1.000 Euro) teurer geworden, damals kam als Grund auch noch die Senkung der staatlichen Subventionen für E-Autos hinzu. China will diese dieses Jahr um 30 Prozent senken und Ende des Jahres ganz abschaffen
Preiserhöhungen hatte diese Woche daher auch schon Tesla in China bekannt gegeben, und das gleich zweimal. Beim Model Y Long Range und dem Model 3 Performance erhöhte Tesla den Preis zunächst um 18.000 Yuan (2.570 Euro), dann noch einmal um weitere 10.000 Yuan (1.430).
BYD ist einer der größten Elektroauto-Hersteller Chinas. Im Februar setzte das Unternehmen 87.473 Elektroautos und Plug-in Hybride ab. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt rund 600.000. jul
Der Absatz von Autos mit neuen Antriebsformen (NEV) ist im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 189 Prozent gestiegen. Das berichtet die China Passenger Car Association (CPCA). Marktführer bei den E-Antrieben in China ist demnach weiterhin BYD, und zwar sowohl bei Hybriden wie bei rein batterieelektrischen Autos. Auf den nächsten Plätzen folgen Saic, Tesla, Geely, GAC Aion und Great Wall. Deutsche Hersteller befinden sich nicht unter den Top 10. Da die Coronavirus-Pandemie im Februar 2021 schon als überwunden gelten konnte, handelt es sich um einen realen Anstieg ohne viel statistische Effekte. fin
Das chinesische Industrieministerium hat der Evergrande New Energy Vehicle Group die Erlaubnis erteilt, E-Autos zu verkaufen. Zwei Modelle der Tochterfirma des hoch verschuldeten Immobilienentwicklers Evergrande haben die behördliche Zulassung erhalten. Sie dürfen nun unter dem Markennamen Hengchi verkauft werden, wie das Wirtschaftsportal Caixin meldet.
Evergrande NEV hat bisher noch kein einziges Auto verkauft. Hochfliegende Pläne des Unternehmens erlitten immer wieder Rückschläge. Einige Analysten mutmaßen, dass die Pläne zur Expansion in den Autosektor zum Teil der Beschaffung von Finanzmitteln für die in Schwierigkeiten steckende Muttergesellschaft dienen, wie Caixin berichtet. Evergrande wollte bis zu sieben Milliarden US-Dollar in die Autoproduktion investieren. Laut Branchenkennern wird es für Evergrande nicht einfach, im ohnehin überfüllten E-Auto-Markt Chinas Fuß zu fassen. nib
Während in der Ukraine der Krieg tobt, vermitteln Chinas jährlich stattfindende “Zwei Sitzungen” das Bild eines Landes, das die Augen vor der Wahrheit verschließt. Die Kommunistische Partei und ihr Beratungsgremium kommen in Peking zur Vollversammlung zusammen, doch die Erschütterung der gesamten Weltordnung bleibt praktisch unerwähnt – eine Auslassung, die angesichts des tief verwurzelten Bewusstseins Chinas für seinen einzigartigen Platz in der Geschichte umso krasser wirkt. Angesichts seines unverhohlenen Großmachtstrebens könnte das moderne China durchaus an einem entscheidenden Punkt stehen.
Zwei Dokumente enthalten alles Wesentliche über Chinas Abkoppelung: Die gemeinsame Erklärung über die chinesisch-russische Zusammenarbeit, die am 4. Februar bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking unterzeichnet wurde, und der Arbeitsbericht, den der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang am 5. März dem Nationalen Volkskongress vorlegte. Die weitreichende Erklärung über die chinesisch-russische Zusammenarbeit sprach von einer “grenzenlosen Freundschaft zwischen den beiden Staaten”. Sie enthielt eine beinahe atemlose Aufzählung gemeinsamer Interessen sowie Verpflichtungen im Bereich des Klimawandels, der globalen Gesundheit, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Handelspolitik und der regionalen und geostrategischen Ambitionen. Der Westen wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass er es mit einem mächtigen Zusammenschluss als neuen Gegner im Osten zu tun habe.
Doch bereits 29 Tage später ging Ministerpräsident Li weitgehend zur Tagesordnung über und präsentierte das, was inzwischen zum jährlichen chinesischen Standardrezept für Entwicklung und Wohlstand gehört. Eine bekannte Liste von Reformen betonte Chinas anhaltendes Engagement für Armutsbekämpfung, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Digitalisierung, Umweltschutz, die Bewältigung der demografischen Herausforderungen, Krankheitsprävention und eine breite Palette von Wirtschafts- und Finanzthemen. Ja, es gab eine weithin beachtete Änderung der Wirtschaftsprognose – mit einem Wachstumsziel von “rund 5,5 Prozent” für 2022, das für chinesische Verhältnisse zwar schwach, aber doch etwas stärker als erwartet ausfiel – und einige Hinweise auf wahrscheinliche politische Unterstützung durch die Steuer-, Währungs- und Regulierungsbehörden. Dieser Arbeitsbericht zeichnete sich jedoch dadurch aus, dass er so wenig wie möglich über eine Welt in Aufruhr enthielt.
Doch China kann nicht beides haben. Es kann auf keinen Fall auf Kurs bleiben, wie Li nahelegt, und gleichzeitig an dem von Xi Jinping und Wladimir Putin verkündeten Partnerschaftsabkommen mit Russland festhalten. Viele glaubten, China und Russland hätten sich zusammengetan, um eine Grand Strategy für einen neuen Kalten Krieg zu entwerfen. Ich nannte es Chinas Triangulationsgambit: sich mit Russland zusammenschließen, um die Vereinigten Staaten in die Enge zu treiben, so wie die chinesisch-amerikanische Annäherung vor 50 Jahren die ehemalige Sowjetunion erfolgreich in die Enge trieb. Die USA, der Architekt dieser früheren Dreieckskonstellation, wurden nun selbst trianguliert.
Doch innerhalb von nur einem Monat hat Putins schrecklicher Krieg gegen die Ukraine dieses Konzept auf den Kopf gestellt. Wenn China an seiner neuen Partnerschaft mit Russland festhält, macht es sich mitschuldig. So wie Russland durch drakonische westliche Sanktionen isoliert wird, die seine Wirtschaft für Jahrzehnte zerstören könnten, droht China das gleiche Schicksal, wenn es seine neue Partnerschaft vertieft. Dieser Ausgang steht natürlich in völligem Widerspruch zu Chinas Entwicklungszielen, die Li soeben verkündet hat. Dennoch ist die Gefahr sehr real, wenn China an seiner uneingeschränkten Unterstützung für Russland festhält, einschließlich der Abschwächung der Auswirkungen westlicher Sanktionen, wie es eine wörtliche Auslegung der Erklärung vom 4. Februar impliziert.
Die chinesische Führung scheint dieses unhaltbare Dilemma zu erkennen. Nachdem der Einmarsch Russlands in der Ukraine vom Ständigen Ausschuss des Politbüros, den sieben obersten Parteiführern, mit untypischem Schweigen quittiert wurde, hat China auf sein althergebrachtes Prinzip zurückgegriffen, seine Achtung der nationalen Souveränität zu bekräftigen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Monat betonte Außenminister Wang Yi diesen Punkt, ebenso wie Chinas langjähriges Pochen auf Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten – ein Argument, das sich unmittelbar auf Taiwan bezieht.
Doch auf dem Nationalen Volkskongress am 7. März blieb Wang hartnäckig und betonte, dass China und Russland ihre “umfassende strategische Partnerschaft … stetig vorantreiben werden”. Es scheint, als ob Putin, als er Anfang Februar nach Peking reiste, genau wusste, dass er China eine Falle stellen würde.
Xi steht nun vor einer richtungsweisenden Entscheidung. Er hat von allen internationalen Staatsoberhäuptern den größten Einfluss, um ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Um dies zu erreichen, muss er Putin deutlich zu verstehen geben, dass Russlands brutale Invasion Chinas eigene grundsätzliche rote Linie der territorialen Souveränität überschreitet. Das bedeutet, dass er Putins Bemühungen, die Geschichte nach dem Kalten Krieg neu zu schreiben und das imperiale Russland wieder auferstehen zu lassen, entschieden zurückweisen muss. Um ein Ende des verheerenden Konflikts auszuhandeln, den Putin ausgelöst hat, wird Xi seine Partnerschaftszusage vom 4. Februar als entscheidendes Druckmittel bei Verhandlungen erneut zur Disposition stellen müssen. Russlands Aussichten sind bestenfalls trübe; ohne China hat es gar keine. China hält den Trumpf in der Hand, wenn es um das Überleben von Putins Russland geht.
Auch Xis eigener Platz in der Geschichte könnte auf dem Spiel stehen. Noch in diesem Jahr wird der 20. Parteitag in Peking zusammentreten. Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung ist kein Geheimnis: Xis Ernennung zu einer beispiellosen dritten fünfjährigen Amtszeit als Generalsekretär der Partei. China-Beobachter, zu denen auch ich gehöre, sind seit langem davon ausgegangen, dass diesem gründlich vorbereiteten Resultat nichts im Wege stehen würde. Doch die Geschichte und die aktuellen Ereignisse, die sie prägen, haben eine verblüffende Gabe, das Kalkül der Führung eines jeden Landes zu verändern. Das gilt nicht nur für Demokratien wie die USA, sondern auch für Autokratien wie China und Russland.
Xis Optionen sind klar: Er kann den Kurs beibehalten, den er mit seiner Erklärung vom 4. Februar mit Russland eingeschlagen hat, und auf ewig mit den Sanktionen, der Isolation und dem unerträglichen wirtschaftlichen und finanziellen Druck behaftet sein, der mit dieser Haltung einhergeht. Oder er kann den Frieden vermitteln, der die Welt retten und Chinas Status als Großmacht unter der Führung eines großen Staatsmannes festigen wird.
Als Architekt des “chinesischen Traums” und der nach seinem Dafürhalten noch größeren Verjüngung einer großen Nation, hat Xi keine Wahl. Ich wette, dass Xi das Unvorstellbare tun wird – die Bedrohung durch Russland entschärfen, bevor es zu spät ist.
Stephen S. Roach, Mitglied der Fakultät der Universität Yale und ehemaliger Chairman von Morgan Stanley Asia, ist Autor von Unbalanced: The Codependency of America and China (Yale University Press, 2014) und des in Kürze erscheinenden Accidental Conflict. Übersetzung: Sandra Pontow.
Copyright: Project Syndicate, 2022.
www.project-syndicate.org
Wenn man Renjie Qian nach seiner Vision für die Mobilität in Deutschland fragt, antwortet er ganz nüchtern: “Mehr Ladesäulen.” Selbst in neuen Gebäuden würden oft keine Ladesäulen mitgedacht, das sei ein echtes Problem. Qian arbeitet als Projektleiter und Datenanalyst beim Center Automotive Research (CAR) in Duisburg. Vor zehn Jahren ist er aus seinem Heimatland China nach Deutschland gezogen. Aus der Metropole Shanghai ans Studienkolleg in Linnich, einer 13.000-Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen.
“Das war ein Kulturschock”, sagt Qian. “Ich bin in Shanghai geboren und aufgewachsen, hatte mein ganzes Leben dort verbracht. Ich dachte, dass alle Städte in etwa so seien. Die lauten Straßen, die Geschäfte, das Treiben.” Er muss lachen. Was wir als Städte bezeichnen, sind für ihn Dörfer. “Das Leben hier ist entspannter.” Für das Studium zog Qian nach Duisburg, in den Stadtteil Marxloh, der von vielen als “No-Go-Area” bezeichnet wird. “Das war sagenhaft”, sagt er. Und belässt es dabei.
Dass er beruflich in der Automobilindustrie gelandet ist, war eher ein Zufall – oder “Schicksal”, wie Qian es nennt. “Ich bin ein Glücksmensch, immer wenn ich Hilfe brauche, kommt sie auch.” In dem Fall war es der Job, der zu ihm kam. Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR, war damals mit seinem Institut an der Uni Duisburg-Essen und suchte einen studentischen Mitarbeiter.
Dass Qian chinesischer Muttersprachler war, spielte ihm in die Karten: Dudenhöffers Institut entwickelt Mobilitäts-Studien und veranstaltet internationale Kongresse in der Mobilitätsbranche – dafür arbeitet sein Team auch mit chinesischen Unternehmen zusammen. Qian wurde nach seinem Studium übernommen und ist heute maßgeblich für den Kontakt nach China verantwortlich. Er sieht sich als Verbindungsglied zwischen den Ländern.
“Chinas Autobranche hat sich stark entwickelt in den vergangenen Jahren”, sagt Qian. “Vor zehn Jahren hätte ich mir kein chinesisches Auto gekauft, heute ist das anders.” Er sieht die Expertise seines Heimatlandes vor allem in der Elektromobilität. “China, aber auch Japan und Korea haben viel investiert in dem Bereich. Deutschland hinkt noch hinterher.” Zu lange hätte man sich hier auf die Erfolge der Verbrennungsmotoren ausgeruht. Und womit können die deutschen Autobauer jetzt noch trumpfen? “Mit Software”, sagt Qian. Dabei geht es nicht nur um Multimedia, das Navi oder Spielereien, sondern auch um Management-Systeme von Motoren und Batterien.
Obwohl der 35-Jährige seine Heimat manchmal vermisst, sieht er seine Zukunft in Deutschland. Ihm gefällt das neue, ruhigere Leben – und dass die Natur hier so nahe am Menschen ist. “Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich noch nie ein Vogelnest gesehen”, erzählt Qian. Shanghai ist ihm mittlerweile zu groß. Svenja Napp
Christiane Fischer ist seit Beginn des Monats neue Leiterin des Bereichs Supplier Management, Divisional Logistics Automotive Electronics bei Bosch China in Suzhou, Jiangsu. Fischer war zuvor Senior Logistics Manager bei United Automotive Electronic Systems (UAES), dem Joint Venture von Zhong-Lian Automotive Electronics und Bosch in Shanghai.
Freda Wang wird Regional President für China und den asiatisch-pazifischen Raum beim Autohersteller Aston Martin Lagonda. Sie tritt die Nachfolge von Michael Peng an, der jetzt als Executive Vice President für die Region zuständig ist. Wang arbeitete zuvor über zehn Jahre bei Mercedes-Benz, zuletzt als Vice President of National Sales in Kanada.
Mario Strübing ist neuer Director Aftersales bei FAW-Volkswagen in Hangzhou, Zhejiang. Strübing war zuvor Manager Aftersales bei Volkswagen in Wolfsburg.
bislang galt Chinas Null-Covid-Strategie als überaus erfolgreich. Mit strikten Lockdowns, großangelegten Massentests und digitaler Nachverfolgung schien es, als könnte die Regierung in Peking auch Corona unter Kontrolle halten. Doch was sich zuletzt schon in Hongkong andeutete, bricht sich nun auch auf dem Festland Bahn: Landesweit steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide an. In seinen wichtigsten Werken in Changchun muss auch Volkswagen die Produktion stoppen. Zunächst nur für die kommenden Tage. Doch sollten die Corona-Zahlen weiter steigen, dürfte Chinas Null-Covid-Strategie vor dem Aus stehen, analysiert unser Autorenteam in Peking. Und damit nicht genug: Chinas neues Wachstumsziel und schließlich auch der internationale Handel könnten deshalb in schwere Turbulenzen geraten.
Es war eine Ankündigung, die überraschte – aber eigentlich auch nicht. Chinas Ministerpräsident Li Keqiang erklärte am Freitag zum Ende des Nationalen Volkskongresses, dass er sein Amt zum Ende des Jahres niederlegen werde. Eigentlich normal in der Volksrepublik. Denn dort war bisher nach zwei Amtszeiten von je fünf Jahren Schluss für den Premier und auch den Staatspräsidenten. Aber nicht mit Xi Jinping. Der Staats- und Parteichef plant, sich für eine weitere Amtszeit bestätigen zu lassen und kann sich nun einen genehmen Ministerpräsidenten auswählen. Frank Sieren wirft einen Blick auf die möglichen Nachfolger von Li Keqiang – sollte Xi bisherigen Besetzungsmustern folgen. Überraschungen sind bei ihm aber nicht auszuschließen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre!
Lange sah es so aus, als könnte China durch seine strengen Schutzmaßnahmen Corona aussperren. Sogar als die viel ansteckendere Omikron-Variante Anfang Januar erstmals in chinesischen Städten entdeckt worden war, gelang es den Behörden zunächst, die Ausbrüche wieder einzudämmen. Doch nun melden 19 Regionen parallel neue Infektionsherde. Und mit Changchun im Norden und Shenzhen ganz im Süden wurden gleich zwei für die Wirtschaft wichtige Millionen-Metropolen in einen Lockdown geschickt.
Davon ist auch Volkswagen betroffen: Der Konzern muss wegen des Lockdowns in Changchun vorübergehend die Produktion in drei seiner Werke stoppen. Die Anlagen, die gemeinsam mit dem chinesischen Partner FAW betrieben werden, sollen auf Anordnung der Behörden vorerst bis einschließlich Mittwoch geschlossen bleiben, erklärte eine VW-Sprecherin in Peking. Betroffen sind ein VW-Werk, ein Audi-Werk sowie ein Komponentenwerk.
Die Schließung bedeute laut der Sprecherin nicht automatisch, dass auch weniger Fahrzeuge gebaut würden. So könnten Ausfälle später etwa mit Sonderschichten nachgeholt werden, wenn es zu keinem längerfristigen Produktionsstopp kommt. Wie genau der Begriff längerfristig in diesem Zusammenhang definiert ist, blieb allerdings unklar.
Derweil hat auch der Apple-Partner Foxconn die Produktion seiner Fertigungsstätte in Shenzhen ausgesetzt. Dort werden unter anderem auch iPhones hergestellt. Wie das taiwanische Mutterhaus Hon Hai am Montag in Taipeh mitteilte, werden die Produktionslinien in anderen Werken angepasst, um die potenziellen Auswirkungen der Unterbrechung möglichst gering zu halten. Bis wann die Produktion ausgesetzt wird, hänge von den Anordnungen der Behörden ab. Die Regierung der 17-Millionen-Metropole hatte am Vortag zunächst einen einwöchigen Lockdown verhängt. In dieser Zeit sollen alle Bewohner getestet werden.
Sowohl in Changchun als auch in Shenzhen hofft man, dass beide Städte möglichst bald wieder zur Normalität zurückkehren können. Die Strategie ist klar: Die gesamte Bevölkerung soll zu Hause bleiben und innerhalb einiger Tage mehrfach getestet werden. Infizierte müssen zur Isolation in Krankenhäuser. So sollen die Ausbrüche unter Kontrolle gebracht werden. Sollten die Infektionszahlen allerdings weiter rapide ansteigen, dürfte es selbst in China schwierig werden, jeden einzelnen Fall zurückzuverfolgen und jedes Mal sämtliche Kontaktpersonen in Quarantäne zu schicken.
In Hongkong hat sich gezeigt, wie schnell das gehen kann. Auch die chinesische Sonderverwaltungsregion verfolgt eine strikte Null-Corona-Politik, mit der bis Anfang des Jahres jeder Ausbruch erfolgreich wieder unter Kontrolle gebracht wurde. Doch gegen Omikron hatte das Nachverfolgungs- und Isolationsprinzip der Hongkonger Behörden keine Chance (China.Table berichtete). Mittlerweile werden mehrere Zehntausend Fälle pro Tag verzeichnet. Die Regierung ist völlig überfordert.
Deutsche Wirtschaftsvertreter in China verweisen zwar darauf, dass Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren dazugelernt und sich auf Lockdown-Situationen eingestellt hätten. Äußerst schwierig würde es jedoch, wenn sich nicht nur einzelne Städte, sondern mehrere Regionen und wichtige Wirtschaftszentren gleichzeitig in einen Lockdown begeben müssten (China.Table berichtete). Schon jetzt könnte sich ein solches Szenario abzeichnen, das dann die gesamte Weltwirtschaft hart treffen würde.
Dabei hatte man eigentlich gehofft, dass Chinas Wirtschaftswachstum der globalen Wirtschaft dabei helfen könnte, die Verwerfungen der Ukraine-Krise etwas abzufedern. Schließlich verkündete die Regierung auf dem Pekinger Volkskongress vergangene Woche ein durchaus ambitioniertes Wachstumsziel von 5,5 Prozent (China.Table berichtete). Ein Wert, der deutlich über den Wachstumsprognosen der meisten Ökonomen liegt.
Könnte das Coronavirus der Führung nun einen Strich durch die Rechnung machen? Derzeit scheint es noch zu früh, um ein derartiges Schreckensszenario an die Wand zu malen. Ein zumindest leichtes Zeichen der Entspannung gibt es: Die Infektionszahlen sind zu Wochenbeginn landesweit erstmals seit Tagen wieder zurückgegangen. Wurden am Sonntag noch 3100 Infektionen gemeldet, waren es am Montag 2125 lokale Infektionen. Bleibt ein exponentieller Anstieg aus und kehren Shenzhen und Changchun wie geplant in den nächsten Tagen aus ihren Massentest-Lockdowns wieder zurück zum normalen Leben, dürfte das für weitere Erleichterung sorgen. Steigen die Zahlen jedoch weiter, stehen China schwierige Wochen bevor. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Viele Jahrzehnte hat sich das autoritäre politische System der Volksrepublik China eine politische Tugend geleistet. Nach zwei Amtsperioden, also alle zehn Jahre, mussten der Staatspräsident, aber auch sein Premierminister mit ihren Teams abtreten und zwei neue Politiker haben übernommen. “Das ist das letzte Jahr, das ich Premier sein werde”, bestätigte Li Keqiang am Freitag. Er gibt seinen Posten turnusmäßig nach zwei Amtszeiten ab. Präsident Xi Jinping will hingegen einen anderen Weg gehen.
Normalerweise wird bereits nach etwa fünf Jahren der Präsidenten-Nachfolger bekannt. Dieser schaut ab da dem noch amtierenden Präsidenten auf die Finger. Der Amtsinhaber soll nicht nach dem Motto handeln: “Nach mir die Sintflut.” So wurde das politische Spitzenpersonal zwar nicht von den Bürgern der Volksrepublik gewählt, sondern von der kommunistischen Partei ausgesucht. Doch es gab zumindest alle fünf Jahre einen neuen Impuls und alle zehn Jahre einen großen.
Dieses durchaus sinnvolle System hat Staatschef Xi schon 2018 ausgehebelt. Er kann nun so lange regieren, wie die Partei, deren Chef er ist, ihn lässt. Lange Regierungszeiten von Politikern haben Vor- und Nachteile. Unter den westlichen Demokratien ist Deutschland ein Land, dessen Wähler sich entschieden haben, Helmut Kohl und Angela Merkel (beide 16 Jahre) lange im Amt zu lassen. Xi hat erst zehn Jahre auf dem Buckel. Gerade in einem so großen Land spricht auch einiges dafür, länger im Amt zu bleiben, um große Reformen durchzusetzen. Zum Beispiel war und ist Xi durchaus viel effektiver als seine Vorgänger, was den Kampf gegen die Korruption betrifft.
Die Nachteile jedoch überwiegen. Vor allem, weil Xi immer mehr die Züge eines Alleinherrschers trägt. Im jährlichen Bericht des Premierministers vor dem Nationalen Volkskongress wurde normalerweise der amtierende Staatspräsident in die Reihe seiner Vorgänger eingebettet, um deren Vorarbeit zu würdigen. Dieses Jahr wurde nur Xi erwähnt.
Dies entspricht so gar nicht dem chinesischen Denken, das sehr viel mehr als im Westen vom Gedanken des Austarierens komplexer Netzwerke und ihrer Geschichte geprägt ist. Die Balance gilt in der chinesischen Kultur als die höhere Kunst und die bessere Politik als der kraftvolle, alles hinwegfegende Alleingang. Xi neigt scheinbar eher zum Letzteren. Das gilt womöglich auch für die Auswahl des neuen Premierministers.
Darüber, wer der Nachfolger werden könnte, gibt es im Vorfeld in der Öffentlichkeit viele Spekulationen. Oft kommt es dann jedoch anders, als die meisten vermutet haben. Vieles deutet darauf hin, dass der neue Premierminister eher ein treuer Gefährte Xis sein wird, denn ein Mann oder eine Frau, der oder die sich als ein Korrektiv zum Präsidenten verstehen würde. Es wird erwartet, dass Staatspräsident Xi im Herbst über die Nachfolge Lis berät. Der Staatschef hat das Vorschlagsrecht für den Premier-Posten.
Normalerweise war ein Politiker, der Premierminister wurde, vorher schon einfaches Mitglied des Politbüros. Von den 25 Mitgliedern des Politbüros sitzen sieben bereits im Ständigen Ausschuss und sind damit eigentlich überqualifiziert für neue Impulse. Bleiben 18. Von denen haben neun Mitglieder bereits das Pensionsalter von 68 Jahren erreicht. Xi wird im Juni 68. Damit bleiben neun Kandidaten für das Amt des Premiers, wenn sich Xi an die bisher üblichen Auswahlverfahren halten sollte. Von den neun sind sechs bereits so alt, dass sie die nächsten zehn Jahre nicht mehr voll regieren können, ohne das Pensionsalter zu überschreiten.
Bleiben demnach drei Kandidaten:
Bleiben also Chen und Ding. Chen hat den größten Teil seiner Karriere in der Boom-Provinz Zhejiang südlich von Shanghai verbracht. Er war aber auch Parteisekretär in der noch sehr armen Provinz Guizhou. Ding ist Xis wichtigster Mann in der Partei. Er hat schon in Shanghai für ihn gearbeitet und ist ihm dann nach Peking gefolgt.
Einer der beiden könnte es also werden. Wenn Xi sich nicht zu einer Überraschung hinreißen lässt. Die Macht dazu hat er. Oder anderes herum formuliert: Die Auswahl des neuen Premierministers wird vor allem zeigen, wie mächtig Xi Jinping ist – und das wiederum spricht für eine Überraschung und eine Besetzung, mit der niemand gerechnet hat.
Der chinesische Autohersteller BYD hat erneut die Preise angehoben. Die Fahrzeuge der Serie Dynasty kosten seit Mittwoch 3.000 Yuan (430 Euro) mehr, die der Serie Ocean 6.000 Yuan (860 Euro). Als Grund habe das Unternehmen die steigenden Kosten für Rohstoffe genannt, berichtet Bloomberg. Wichtige Rohstoffe sind zuletzt deutlich teurer geworden. Das gilt insbesondere für Nickel, ein wichtiges Metall für E-Auto-Batterien. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Preis für Nickel verdreifacht.
Es ist die zweite Preisanpassung in weniger als zwei Monaten. Im Januar waren die Fahrzeuge bereits um bis zu 7.000 Yuan (1.000 Euro) teurer geworden, damals kam als Grund auch noch die Senkung der staatlichen Subventionen für E-Autos hinzu. China will diese dieses Jahr um 30 Prozent senken und Ende des Jahres ganz abschaffen
Preiserhöhungen hatte diese Woche daher auch schon Tesla in China bekannt gegeben, und das gleich zweimal. Beim Model Y Long Range und dem Model 3 Performance erhöhte Tesla den Preis zunächst um 18.000 Yuan (2.570 Euro), dann noch einmal um weitere 10.000 Yuan (1.430).
BYD ist einer der größten Elektroauto-Hersteller Chinas. Im Februar setzte das Unternehmen 87.473 Elektroautos und Plug-in Hybride ab. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt rund 600.000. jul
Der Absatz von Autos mit neuen Antriebsformen (NEV) ist im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 189 Prozent gestiegen. Das berichtet die China Passenger Car Association (CPCA). Marktführer bei den E-Antrieben in China ist demnach weiterhin BYD, und zwar sowohl bei Hybriden wie bei rein batterieelektrischen Autos. Auf den nächsten Plätzen folgen Saic, Tesla, Geely, GAC Aion und Great Wall. Deutsche Hersteller befinden sich nicht unter den Top 10. Da die Coronavirus-Pandemie im Februar 2021 schon als überwunden gelten konnte, handelt es sich um einen realen Anstieg ohne viel statistische Effekte. fin
Das chinesische Industrieministerium hat der Evergrande New Energy Vehicle Group die Erlaubnis erteilt, E-Autos zu verkaufen. Zwei Modelle der Tochterfirma des hoch verschuldeten Immobilienentwicklers Evergrande haben die behördliche Zulassung erhalten. Sie dürfen nun unter dem Markennamen Hengchi verkauft werden, wie das Wirtschaftsportal Caixin meldet.
Evergrande NEV hat bisher noch kein einziges Auto verkauft. Hochfliegende Pläne des Unternehmens erlitten immer wieder Rückschläge. Einige Analysten mutmaßen, dass die Pläne zur Expansion in den Autosektor zum Teil der Beschaffung von Finanzmitteln für die in Schwierigkeiten steckende Muttergesellschaft dienen, wie Caixin berichtet. Evergrande wollte bis zu sieben Milliarden US-Dollar in die Autoproduktion investieren. Laut Branchenkennern wird es für Evergrande nicht einfach, im ohnehin überfüllten E-Auto-Markt Chinas Fuß zu fassen. nib
Während in der Ukraine der Krieg tobt, vermitteln Chinas jährlich stattfindende “Zwei Sitzungen” das Bild eines Landes, das die Augen vor der Wahrheit verschließt. Die Kommunistische Partei und ihr Beratungsgremium kommen in Peking zur Vollversammlung zusammen, doch die Erschütterung der gesamten Weltordnung bleibt praktisch unerwähnt – eine Auslassung, die angesichts des tief verwurzelten Bewusstseins Chinas für seinen einzigartigen Platz in der Geschichte umso krasser wirkt. Angesichts seines unverhohlenen Großmachtstrebens könnte das moderne China durchaus an einem entscheidenden Punkt stehen.
Zwei Dokumente enthalten alles Wesentliche über Chinas Abkoppelung: Die gemeinsame Erklärung über die chinesisch-russische Zusammenarbeit, die am 4. Februar bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking unterzeichnet wurde, und der Arbeitsbericht, den der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang am 5. März dem Nationalen Volkskongress vorlegte. Die weitreichende Erklärung über die chinesisch-russische Zusammenarbeit sprach von einer “grenzenlosen Freundschaft zwischen den beiden Staaten”. Sie enthielt eine beinahe atemlose Aufzählung gemeinsamer Interessen sowie Verpflichtungen im Bereich des Klimawandels, der globalen Gesundheit, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Handelspolitik und der regionalen und geostrategischen Ambitionen. Der Westen wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass er es mit einem mächtigen Zusammenschluss als neuen Gegner im Osten zu tun habe.
Doch bereits 29 Tage später ging Ministerpräsident Li weitgehend zur Tagesordnung über und präsentierte das, was inzwischen zum jährlichen chinesischen Standardrezept für Entwicklung und Wohlstand gehört. Eine bekannte Liste von Reformen betonte Chinas anhaltendes Engagement für Armutsbekämpfung, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Digitalisierung, Umweltschutz, die Bewältigung der demografischen Herausforderungen, Krankheitsprävention und eine breite Palette von Wirtschafts- und Finanzthemen. Ja, es gab eine weithin beachtete Änderung der Wirtschaftsprognose – mit einem Wachstumsziel von “rund 5,5 Prozent” für 2022, das für chinesische Verhältnisse zwar schwach, aber doch etwas stärker als erwartet ausfiel – und einige Hinweise auf wahrscheinliche politische Unterstützung durch die Steuer-, Währungs- und Regulierungsbehörden. Dieser Arbeitsbericht zeichnete sich jedoch dadurch aus, dass er so wenig wie möglich über eine Welt in Aufruhr enthielt.
Doch China kann nicht beides haben. Es kann auf keinen Fall auf Kurs bleiben, wie Li nahelegt, und gleichzeitig an dem von Xi Jinping und Wladimir Putin verkündeten Partnerschaftsabkommen mit Russland festhalten. Viele glaubten, China und Russland hätten sich zusammengetan, um eine Grand Strategy für einen neuen Kalten Krieg zu entwerfen. Ich nannte es Chinas Triangulationsgambit: sich mit Russland zusammenschließen, um die Vereinigten Staaten in die Enge zu treiben, so wie die chinesisch-amerikanische Annäherung vor 50 Jahren die ehemalige Sowjetunion erfolgreich in die Enge trieb. Die USA, der Architekt dieser früheren Dreieckskonstellation, wurden nun selbst trianguliert.
Doch innerhalb von nur einem Monat hat Putins schrecklicher Krieg gegen die Ukraine dieses Konzept auf den Kopf gestellt. Wenn China an seiner neuen Partnerschaft mit Russland festhält, macht es sich mitschuldig. So wie Russland durch drakonische westliche Sanktionen isoliert wird, die seine Wirtschaft für Jahrzehnte zerstören könnten, droht China das gleiche Schicksal, wenn es seine neue Partnerschaft vertieft. Dieser Ausgang steht natürlich in völligem Widerspruch zu Chinas Entwicklungszielen, die Li soeben verkündet hat. Dennoch ist die Gefahr sehr real, wenn China an seiner uneingeschränkten Unterstützung für Russland festhält, einschließlich der Abschwächung der Auswirkungen westlicher Sanktionen, wie es eine wörtliche Auslegung der Erklärung vom 4. Februar impliziert.
Die chinesische Führung scheint dieses unhaltbare Dilemma zu erkennen. Nachdem der Einmarsch Russlands in der Ukraine vom Ständigen Ausschuss des Politbüros, den sieben obersten Parteiführern, mit untypischem Schweigen quittiert wurde, hat China auf sein althergebrachtes Prinzip zurückgegriffen, seine Achtung der nationalen Souveränität zu bekräftigen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Monat betonte Außenminister Wang Yi diesen Punkt, ebenso wie Chinas langjähriges Pochen auf Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten – ein Argument, das sich unmittelbar auf Taiwan bezieht.
Doch auf dem Nationalen Volkskongress am 7. März blieb Wang hartnäckig und betonte, dass China und Russland ihre “umfassende strategische Partnerschaft … stetig vorantreiben werden”. Es scheint, als ob Putin, als er Anfang Februar nach Peking reiste, genau wusste, dass er China eine Falle stellen würde.
Xi steht nun vor einer richtungsweisenden Entscheidung. Er hat von allen internationalen Staatsoberhäuptern den größten Einfluss, um ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Um dies zu erreichen, muss er Putin deutlich zu verstehen geben, dass Russlands brutale Invasion Chinas eigene grundsätzliche rote Linie der territorialen Souveränität überschreitet. Das bedeutet, dass er Putins Bemühungen, die Geschichte nach dem Kalten Krieg neu zu schreiben und das imperiale Russland wieder auferstehen zu lassen, entschieden zurückweisen muss. Um ein Ende des verheerenden Konflikts auszuhandeln, den Putin ausgelöst hat, wird Xi seine Partnerschaftszusage vom 4. Februar als entscheidendes Druckmittel bei Verhandlungen erneut zur Disposition stellen müssen. Russlands Aussichten sind bestenfalls trübe; ohne China hat es gar keine. China hält den Trumpf in der Hand, wenn es um das Überleben von Putins Russland geht.
Auch Xis eigener Platz in der Geschichte könnte auf dem Spiel stehen. Noch in diesem Jahr wird der 20. Parteitag in Peking zusammentreten. Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung ist kein Geheimnis: Xis Ernennung zu einer beispiellosen dritten fünfjährigen Amtszeit als Generalsekretär der Partei. China-Beobachter, zu denen auch ich gehöre, sind seit langem davon ausgegangen, dass diesem gründlich vorbereiteten Resultat nichts im Wege stehen würde. Doch die Geschichte und die aktuellen Ereignisse, die sie prägen, haben eine verblüffende Gabe, das Kalkül der Führung eines jeden Landes zu verändern. Das gilt nicht nur für Demokratien wie die USA, sondern auch für Autokratien wie China und Russland.
Xis Optionen sind klar: Er kann den Kurs beibehalten, den er mit seiner Erklärung vom 4. Februar mit Russland eingeschlagen hat, und auf ewig mit den Sanktionen, der Isolation und dem unerträglichen wirtschaftlichen und finanziellen Druck behaftet sein, der mit dieser Haltung einhergeht. Oder er kann den Frieden vermitteln, der die Welt retten und Chinas Status als Großmacht unter der Führung eines großen Staatsmannes festigen wird.
Als Architekt des “chinesischen Traums” und der nach seinem Dafürhalten noch größeren Verjüngung einer großen Nation, hat Xi keine Wahl. Ich wette, dass Xi das Unvorstellbare tun wird – die Bedrohung durch Russland entschärfen, bevor es zu spät ist.
Stephen S. Roach, Mitglied der Fakultät der Universität Yale und ehemaliger Chairman von Morgan Stanley Asia, ist Autor von Unbalanced: The Codependency of America and China (Yale University Press, 2014) und des in Kürze erscheinenden Accidental Conflict. Übersetzung: Sandra Pontow.
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Wenn man Renjie Qian nach seiner Vision für die Mobilität in Deutschland fragt, antwortet er ganz nüchtern: “Mehr Ladesäulen.” Selbst in neuen Gebäuden würden oft keine Ladesäulen mitgedacht, das sei ein echtes Problem. Qian arbeitet als Projektleiter und Datenanalyst beim Center Automotive Research (CAR) in Duisburg. Vor zehn Jahren ist er aus seinem Heimatland China nach Deutschland gezogen. Aus der Metropole Shanghai ans Studienkolleg in Linnich, einer 13.000-Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen.
“Das war ein Kulturschock”, sagt Qian. “Ich bin in Shanghai geboren und aufgewachsen, hatte mein ganzes Leben dort verbracht. Ich dachte, dass alle Städte in etwa so seien. Die lauten Straßen, die Geschäfte, das Treiben.” Er muss lachen. Was wir als Städte bezeichnen, sind für ihn Dörfer. “Das Leben hier ist entspannter.” Für das Studium zog Qian nach Duisburg, in den Stadtteil Marxloh, der von vielen als “No-Go-Area” bezeichnet wird. “Das war sagenhaft”, sagt er. Und belässt es dabei.
Dass er beruflich in der Automobilindustrie gelandet ist, war eher ein Zufall – oder “Schicksal”, wie Qian es nennt. “Ich bin ein Glücksmensch, immer wenn ich Hilfe brauche, kommt sie auch.” In dem Fall war es der Job, der zu ihm kam. Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR, war damals mit seinem Institut an der Uni Duisburg-Essen und suchte einen studentischen Mitarbeiter.
Dass Qian chinesischer Muttersprachler war, spielte ihm in die Karten: Dudenhöffers Institut entwickelt Mobilitäts-Studien und veranstaltet internationale Kongresse in der Mobilitätsbranche – dafür arbeitet sein Team auch mit chinesischen Unternehmen zusammen. Qian wurde nach seinem Studium übernommen und ist heute maßgeblich für den Kontakt nach China verantwortlich. Er sieht sich als Verbindungsglied zwischen den Ländern.
“Chinas Autobranche hat sich stark entwickelt in den vergangenen Jahren”, sagt Qian. “Vor zehn Jahren hätte ich mir kein chinesisches Auto gekauft, heute ist das anders.” Er sieht die Expertise seines Heimatlandes vor allem in der Elektromobilität. “China, aber auch Japan und Korea haben viel investiert in dem Bereich. Deutschland hinkt noch hinterher.” Zu lange hätte man sich hier auf die Erfolge der Verbrennungsmotoren ausgeruht. Und womit können die deutschen Autobauer jetzt noch trumpfen? “Mit Software”, sagt Qian. Dabei geht es nicht nur um Multimedia, das Navi oder Spielereien, sondern auch um Management-Systeme von Motoren und Batterien.
Obwohl der 35-Jährige seine Heimat manchmal vermisst, sieht er seine Zukunft in Deutschland. Ihm gefällt das neue, ruhigere Leben – und dass die Natur hier so nahe am Menschen ist. “Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich noch nie ein Vogelnest gesehen”, erzählt Qian. Shanghai ist ihm mittlerweile zu groß. Svenja Napp
Christiane Fischer ist seit Beginn des Monats neue Leiterin des Bereichs Supplier Management, Divisional Logistics Automotive Electronics bei Bosch China in Suzhou, Jiangsu. Fischer war zuvor Senior Logistics Manager bei United Automotive Electronic Systems (UAES), dem Joint Venture von Zhong-Lian Automotive Electronics und Bosch in Shanghai.
Freda Wang wird Regional President für China und den asiatisch-pazifischen Raum beim Autohersteller Aston Martin Lagonda. Sie tritt die Nachfolge von Michael Peng an, der jetzt als Executive Vice President für die Region zuständig ist. Wang arbeitete zuvor über zehn Jahre bei Mercedes-Benz, zuletzt als Vice President of National Sales in Kanada.
Mario Strübing ist neuer Director Aftersales bei FAW-Volkswagen in Hangzhou, Zhejiang. Strübing war zuvor Manager Aftersales bei Volkswagen in Wolfsburg.