Deutschlands neue Regierung ist erst wenige Tage im Amt – und schon drohen mit China gleich mehrere Konflikte. Im ersten Fall geraten deutsche Unternehmen wie der Autozulieferer Continental in einem ursprünglich rein politischen Streit zwischen die Fronten. Zu Wochenbeginn warnt der Bundesverband der Deutschen Industrie deshalb Peking vor einem “verheerenden Eigentor“. Die Deutsche Handelskammer in China wendet sich sogar schriftlich an das chinesische Wirtschaftsministerium. Die neusten Entwicklungen finden Sie in unseren News.
Im zweiten Fall geht es um die großen Vorhaben der neuen Bundesregierung: die Solarenergie auszubauen – und gleichzeitig Menschenrechte in globalen Lieferketten durchzusetzen. Das wird schwierig. Denn in der Solarindustrie führt längst kein Weg mehr am Weltmarktführer China vorbei. Und die Volksrepublik lässt die Rohstoffe für Solarmodule in Xinjiang produzieren, wo es Experten zufolge zu Zwangsarbeit kommt. Schnell wird in solchen Fällen Handelssanktionen das Wort geredet. Doch sie führen in die Sackgasse, wie Nico Beckert analysiert.
Und auch der Sport ist nicht vor politischen Konflikten gefeit. Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai hat sich erstmals zu ihren Vergewaltigungsvorwürfen gegen einen ranghohen Parteikader geäußert. Marcel Grzanna hat sich das Interview genauer angeschaut. Für ihn wirken die Aussagen der Tennisspielerin wie vorgegebene Ausflüchte. So reiht sich der Fall Peng Shuai immer mehr ein in eine schlechte Historie: Wie die chinesische Regierung mit Dissidenten, Aktivisten oder Kritikern im eigenen Land umzugehen pflegt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien hat die neue Bundesregierung einiges vor. Sie will “alle geeigneten Dachflächen” für die Solarenergie nutzen. Bis 2030 sollen “circa 200 Gigawatt” an Fotovoltaik-Kapazität erreicht werden. Das bedeutet eine Vervierfachung der aktuell installierten Leistung. Dafür will die Ampel-Koalition viele “Hürden für den Ausbau” aus dem Weg räumen. So steht es im Koalitionsvertrag.
Eine große Hürde, die dort nicht genannt wird, ist die Lieferkette der Solarindustrie. Ein großer Teil des Grundstoffs von Solarzellen, Polysilizium, stammt aus der Autonomen Region Xinjiang. Es stehen jedoch Vorwürfe im Raum, dass dieses Polysilizium durch Zwangsarbeit der Volksgruppe der Uiguren hergestellt wird. Damit drohen erhebliche Probleme, wenn künftig ethische Maßstäbe für diese Lieferkette gelten sollen.
Jüngst hat Außenministerin Annalena Baerbock eine eindeutigere Politik gegen Menschenrechtsverletzungen in China angekündigt. “Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem”, sagte sie in einem Interview mit taz und China.Table.
Doch nicht nur China stände dann vor einem Problem. Auch der Ausbau der Solarenergie in Deutschland könnte ins Stocken geraten. Viel des Polysiliziums wird direkt in China weiterverarbeitet. Die Volksrepublik ist Weltmarktführer im Solarbereich und dominiert alle Produktionsschritte. Weltweit stammen drei von vier Solarmodulen und 83 Prozent der Solarzellen aus China. Beim Ausgangsstoff Polysilizium dominiert China 77 Prozent des Weltmarktes. Xinjiang spielt hier wiederum eine besondere Rolle. Geschätzt 50 Prozent der weltweiten Produktion von Polysilizium stammen aus der westchinesischen Region.
Für die Herstellung von Polysilizium und dem Vorprodukt Siliziummetall sind große Mengen Energie nötig. In Xinjiang gibt es sie im Überfluss. In kaum einem anderen Landesteil sind Strom und Prozesshitze zur Herstellung von Polysilizium derart günstig. Vier der größten Hersteller der Welt haben Fabriken in Xinjiang, wie Recherchen des Nachrichtenportals Bloomberg zeigen. Gegen drei Produzenten wurden Vorwürfe laut, dass es in ihren Fabriken zu Zwangsarbeit komme.
Die Vorwürfe beruhen auf Analysen der Beratungsfirmen Horizon Advisory und S&P Global Market Intelligence sowie auf Recherchen des Xinjiang-Forschers Adrian Zenz. Sie kommen unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass bei der Herstellung von Polysilizium hunderte Zwangsarbeiter eingesetzt werden. Einem Recherche-Team von Bloomberg wurde der Zutritt in die Fabriken verwehrt. Die Journalisten haben keinen Einblick in die Produktion erhalten und deuten das als Zeichen, dass die Hersteller etwas zu verbergen haben.
Andere Experten geben jedoch zum Teil Entwarnung. Zwar sieht der chinesische Weltmarktanteil auf dem Papier sehr hoch aus. Doch ein großer Teil davon bleibt im Inland. Kein anderes Land installiert so viele Solarmodule wie China. Ein großer Teil der heimischen Produktion geht also gar nicht in den Export.
Außerdem stammt die andere Hälfte der chinesischen Produktion aus Regionen außerhalb Xinjiangs. Zusammen mit der Herstellung in anderen Weltgegenden kommen genug Solarmodule zusammen, um den Bedarf zu decken. “Die USA und Europa zusammen hatten 2020 einen Anteil an den weltweiten PV-Neuinstallationen von rund 30 Prozent”, sagt Marktbeobachter Johannes Bernreuter von der Beratungsfirma Bernreuter Research. “Rechnerisch ist also momentan genügend Polysilizium für die USA und Europa vorhanden, das nicht von Xinjiang tangiert ist.”
Überraschend ist, dass weder die Statistikbehörde der EU (Eurostat) noch das Statistische Bundesamt über aufgeschlüsselte Daten verfügen, wie viele Solarzellen und -module Deutschland aus China importiert.
Doch wenn westliche Käufer Solarzellen und -module aus China kaufen, standen sie bisher vor einem Problem: Bei der Herstellung wird Polysilizium aus verschiedenen Quellen gemischt. Es könnte gut sein, dass auch Ausgangsstoff aus Xinjiang dabei ist, der mit Zwangsarbeit hergestellt wurde. Allerdings stellen sich die chinesischen Hersteller auf die Bedürfnisse des Westens ein. Einige Firmen produzieren vermutlich Xinjiang-freie Segmente und verwenden sie in ihren Solarmodulen für den Export in die USA und Europa, erläutert Bernreuter. “Sie können auch plausibel dokumentieren, dass die Solarmodule und -zellen keine Vorprodukte aus Xinjiang enthalten.”
Demnach könnten sich die Stoffströme einfach aufteilen: Xinjiang-freie Produkte werden für den Export hergestellt. Solarmodule, deren Ausgangsstoff mit Zwangsarbeit hergestellt wird, werden aufgrund der hohen inländischen Nachfrage weiterhin in China verbaut. Westliche Sanktionen und Boykotte von Polysilizium aus Xinjiang hätten somit kaum Effekte. Bernreuter kritisiert: “Zugespitzt formuliert: Der Westen erleichtert sein Gewissen, aber den Uiguren geht es nicht besser.” Allerdings sollte man Sanktionen als politisches Signal nicht unterschätzen, fügt Bernreuter hinzu.
Ein weiteres Problem in der Solar-Lieferkette ist der Ausgangsstoff für Polysilizium: das sogenannte metallurgische Silizium. Die chinesischen Hersteller dieses hochreinen Siliziums haben kein Interesse an Transparenz. Importeure können also kaum sicherzustellen, dass keine Zwangsarbeit bei der Herstellung von metallurgischem Silizium verwendet wird. Einige westliche und asiatische Hersteller von Polysilizium haben ihre Geschäftsbeziehungen zum größten Produzenten von metallurgischem Silizium, Hoshine Silicon aus Xinjiang, deswegen schon beendet. Zudem hat die US-Zollbehörde Maßnahmen gegen Hoshine ergriffen. Es gebe Informationen, dass das Unternehmen Zwangsarbeit einsetzt, so die Behörde. Produkte von Hoshine werden durch den Zoll in US-Häfen konfisziert.
Doch damit ist die Lage mitnichten geklärt. Die USA beraten derzeit über weitere Maßnahmen, um Zwangsarbeit in Xinjiang in importierten Produkten auszuschließen. Da diese noch deutlich weiter reichen, verringert sie das Volumen von legal importierbaren Ausgangsstoffen weiter. Jüngst haben sich das US-Repräsentantenhaus und der Senat auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt, der Produkte aus Xinjiang generell unter den Verdacht der Zwangsarbeit stellt (China.Table berichtete).
Die Beweislast wird dadurch umgekehrt. Der Import würde verboten, solange der US-Regierung keine belastbaren Beweise vorgelegt werden, dass bei der Herstellung keine Zwangsarbeit genutzt wurde. US-Präsident Biden muss dem Gesetz noch zustimmen. Die Republikaner werfen Biden eine Verzögerungstaktik vor, da das Gesetz den Ausbau der erneuerbaren Energien erschwere. Bidens Pläne zum Ausbau der Solarenergie sind ähnlich ambitioniert wie die der neuen Bundesregierung. Bis 2050 soll gut die Hälfte des US-Stroms durch Sonnenenergie hergestellt werden. Derzeit sind es lediglich vier Prozent.
Doch laut Experten könnte das US-Gesetz für die Solar-Lieferkette wirkungslos bleiben. Sollte der US-Gesetzesentwurf im kommenden Jahr in Kraft treten, seien die chinesischen Hersteller schon vorbereitet. “Wir gehen davon aus, dass die Hersteller von Solar-Wafern – die sich alle in China befinden – dann in der Lage sein werden, die Lieferketten für verschiedene Märkte zu trennen“, sagt Jenny Chase von Bloomberg NEF und bestätigt damit die Vermutung des Polysilizium-Experten Bernreuter. Eine weitere Frage wird sein, ob die Abnehmerländer den Anbietern die Herkunftsangaben einfach so glauben.
Solar-Lieferketten sind derzeit noch so komplex, dass es schwer möglich ist, wirklich komplett Xinjiang-freie Solarmodule und -zellen herzustellen. Industrieexperte Bernreuter rät der Branche daher, auf Sicherheit zu spielen und sich von China unabhängiger zu machen. “Es führt kein Weg daran vorbei, neue Solarlieferketten außerhalb Chinas aufzubauen.” Das könnte den Preis der Module um circa zehn Prozent erhöhen. “Wenn Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Kriterien (ESG) für sie kein Lippenbekenntnis sind, müssen Anleger und Verbraucher bereit sein, diesen Preis zu zahlen”, so Bernreuter.
Auch die neue Bundesregierung deutet gegenüber China.Table Handlungswillen an. Das Auswärtige Amt teilt mit, die Regierung wolle “ein mögliches Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit auf europäischer Ebene unterstützen”. Ebenso soll das europäische Lieferkettengesetz “unterstützt” werden. Klare Kante gegen Zwangsarbeit in Xinjiang klingt jedoch anders.
Die chinesische Weltklasse-Tennisspielerin Peng Shuai hat sich von ihren Vergewaltigungsvorwürfen gegen den früheren Vize-Premierminister Zhang Gaoli distanziert. Eine rund vierminütige Videosequenz vom vergangenen Sonntag, die seit Wochenbeginn in sozialen Medien kursiert, zeigt die 35-Jährige im Gespräch mit einer Journalistin aus Singapur. Darin sagt Peng, sie habe “niemals geschrieben oder gesagt, dass mich jemand vergewaltigt hat”.
Die Aussage ist das Gegenteil von dem, was seit Anfang November zum globalen Politikum eskalierte. Damals hatte Peng dem ehemaligen Regierungsmitglied Zhang über den Kurznachrichtendienst Weibo vorgeworfen, sie zum Sex gezwungen zu haben. Nach 30 Minuten war der Beitrag wieder gelöscht. Danach verschwand für mehrere Wochen auch die Athletin (China.Table berichtete). Zhang zählte als Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros bis 2017 zum innersten Machtzirkel der Kommunistischen Partei.
“Dieser Post bei Weibo war eine private Angelegenheit. Darüber hat es wahrscheinlich schon einige Missverständnisse gegeben. Jegliche verzerrte Interpretation ist grundlos”, sagte Peng am Sonntag. Das mutmaßlich nicht geplante Interview war ihre erste öffentliche mündliche Äußerung zu den Geschehnissen. Zuvor waren lediglich schriftliche Stellungnahmen aufgetaucht, bei denen aber nicht klar war, ob Peng sie selbst formuliert hatte.
Sie bestätigte der Reporterin der Tageszeitung Lianhe Zaobao dagegen, dass sie es selbst gewesen sei, die einen Brief an den Chef des Frauentennis-Weltverbandes WTA, Steve Simon, geschrieben habe. Darin hatte Peng Simon gebeten, ihre Privatsphäre zu respektieren, nachdem der Funktionär mit Konsequenzen für den Tennis-Standort China gedroht und Aufklärung von den chinesischen Behörden gefordert hatte. Peng räumte ein, dass sie das besagte Schreiben in Chinesisch formuliert habe, ehe es ins Englische übersetzt worden sei. Ihr Englisch sei nicht ausreichend gut, begründete sie.
Doch auch das neue Video ist für viele Skeptiker nicht überzeugend. Peng schaut sich teilweise nervös um, antwortet auf mehrere Fragen, sie habe nicht richtig verstanden und wählt im entscheidenden Abschnitt ihre Worte sehr langsam und bedacht. Der Tennis-Weltverband erklärte, die Aufnahmen hätten “die erheblichen Bedenken der WTA hinsichtlich ihres Wohlbefindens und ihrer Möglichkeiten, frei von Zensur oder Zwang zu kommunizieren, weder verringert noch ausgeräumt”.
Anlass für die Zweifel ist die dokumentiert schlechte Historie der chinesischen Regierung im Umgang mit Dissidenten, Aktivisten oder Kritikern im eigenen Land. Die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders verwies auf eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2018 mit dem Titel “Scripted and Staged”, die vergleichbare Fälle untersucht, in denen Beschuldigte erst verschwanden und nach ihrem Auftauchen öffentlich Abbitte leisteten.
Safeguard-Direktor Peter Dahlin stellte zudem die Aussage Pengs infrage, ihre Fremdsprachenkenntnisse seien nicht gut genug, um dem WTA-Direktor auf Englisch schreiben zu können. Er postete ein Video einer Pressekonferenz, in dem die frühere Wimbledon-Siegerin im Doppel in fließendem Englisch auf die Fragen von Journalisten antwortet.
Auch der Menschenrechtsanwalt Teng Biao, der einst im Gewahrsam durch chinesische Sicherheitsbehörden gefoltert wurde und heute in den USA im Exil lebt, bezweifelt, dass Pengs Aussagen auf Freiwilligkeit beruhen. Beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er: “Seit 47 Tagen wird das Thema in der Welt diskutiert, niemand war in der Lage, Peng zu erreichen, außer die Partei und ihre Marionetten. Braucht es 47 Tage, um mitzuteilen, dass sie missverstanden worden ist?”
Zumal Peng in dem Video, das in Shanghai am Rande einer Werbeveranstaltung für die Olympischen Winterspiele im Februar in Peking entstanden ist, behauptet, sie habe sich während der gesamten Zeit “frei bewegen” können. Es drängt sich also die Frage auf, weshalb sie nicht früher an die Öffentlichkeit getreten ist, um die Eskalation zu verhindern.
Denn ihr Fall brachte bei zahlreichen westlichen Regierungen das Fass zum Überlaufen. Angeführt von den USA haben bereits knapp zwei Dutzend westliche Nationen angekündigt, keine Regierungsdelegation zu den Olympischen Spielen senden zu wollen.
Gleichzeitig hat die WTA alle ihre Turniere in der Volksrepublik und in Hongkong bis auf Weiteres ausgesetzt. Peng hätte also frühzeitig Schadensbegrenzung betreiben können, wenn sie sich tatsächlich frei bewegen und äußern konnte, wie sie es jetzt behauptet. Stattdessen verschärften sich die Spannungen zwischen China und vielen demokratischen Staaten, während sie schwieg.
Wang Yaqiu von Human Rights Watch (HRW) bezweifelt sogar, dass das Interview mit der Journalistin aus Singapur ein Zufall war. “So traf Peng Shuai nach 48 Tagen unerwartet auf eine Journalistin einer pro-Pekinger Zeitung und beantwortete dann beiläufig ihre Fragen zu einem Ereignis, das internationale Aufmerksamkeit erregte. Wow, so natürlich, sehr echt, das glaubt jetzt jeder. Herzlichen Glückwunsch, KPC!”, schrieb Wang auf Twitter.
Von staatlicher chinesischer Seite gab es dagegen den Versuch, die Glaubwürdigkeit von Pengs Aussagen zu untermauern. Der ehemalige Chefredakteur und jetzige Chef-Kolumnist der staatlichen Tageszeitung Global Times, Hu Xijin, behauptete, dass Peng es entschieden ablehne, von “sexuellen Übergriffen” zu sprechen, auch weil sie “bestritt, dass sie glaubte, sexuell missbraucht worden zu sein.” Hu forderte die “Außenwelt” auf, “ihre Grundeinstellung zu respektieren”. Im Klartext heißt das: Peng habe sich nie als Opfer von sexueller Gewalt gesehen, sondern Dritte hätten ihren Post lediglich falsch interpretiert.
Im Handelskonflikt zwischen Litauen und China positionieren sich deutsche Wirtschaftsvertreter zunehmend kritisch und erhöhen damit auch den Druck auf Berlin. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wirft Peking nun ein “verheerendes Eigentor” vor. “Die jüngsten Maßnahmen Chinas gegen Litauen entfalten die Wirkung eines Handelsboykotts mit Auswirkungen auf die ganze EU”, teilte der BDI mit. “Betroffen sind auch Einfuhren aus China, die in deutschen Produktionsniederlassungen in Litauen benötigt werden, und Ausfuhren aus Deutschland nach China, die litauische Komponenten enthalten” Das Vorgehen zeige, dass China bereit sei, sich von “politisch unliebsamen Partnern ökonomisch zu entkoppeln”. Dennoch sei es wichtig, die Wirtschaftsbeziehungen zu China auf einem hohen Niveau beizubehalten.
Auch die Deutsche Handelskammer in China schaltete sich ein: Es müsse “eine rasche Lösung” gefunden werden, “um die reibungslose Einfuhr von Produkten und Teilen aus der gesamten EU nach China sowie die Ausfuhr in die EU zu ermöglichen”, hieß es in einem Statement. Die Kammer wandte sich zudem schriftlich an das chinesische Handelsministerium. “Schon seit Längerem, bereitet uns die zunehmende Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen Sorge. De-facto-Handelsbarrieren, wie wir sie jetzt im Zusammenhang mit Im- und Exporten aus Litauen sehen, schaden mehr als dass sie Nutzen bringen.”
China blockiert seit Beginn des Monats Einfuhren aus Litauen, in dem der EU-Staat nicht im Zollsystem auffindbar ist. Seit vergangener Woche sind nun auch deutsche Automobil-Unternehmen betroffen, die mit litauischen Zulieferern zusammenarbeiten (China.Table berichtete), darunter Continental und der FT zufolge auch der in Lippstadt ansässige Konzern Hella.
Die EU bereitet nach eigenen Angaben derzeit Material für eine mögliche Klage vor der Welthandelsorganisation vor. Die nötigen Informationen zusammenzutragen wird jedoch nicht einfach, da China offiziell nie von einer Blockade Litauens im Zoll-System gesprochen hat. Zudem fürchten Unternehmen, die sich nun gegen die Volksrepublik aussprechen, einen langfristigen Ausschluss vom dortigen Markt oder andere Repressalien. ari
Bei der Parlamentswahl am Sonntag in Hongkong haben pro-Peking Kandidaten einen überwältigenden Sieg erreicht. 82 der 90 Parlamentssitze befinden sich nun in der Hand Peking-treuer Kräfte. Lediglich ein Sitz konnte von einem Peking-kritischen Kandidaten gewonnen werden.
Aus Sicht von Beobachtern vor Ort war die erste Wahl seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung allerdings eine Farce. Unter einem umstrittenen neuen Wahlsystem waren fast alle pro-demokratischen Vertreter ausgeschlossen worden. Antreten durften nur Peking-treue “Patrioten”. Aus Protest blieb deshalb die Mehrheit der Hongkonger der Wahl am Sonntag fern. Offiziellen Angaben zufolge gaben nur rund 30 Prozent der Stimmberechtigten ihre Stimme ab – etwa halb so viele wie bei der vorherigen Parlamentswahl im Jahr 2016. Bürgerrechtlern zufolge haben die Menschen in Hongkong mit der niedrigsten Wahlbeteiligung seit 1997 ein Zeichen gegen die Einschränkung der Demokratie durch China gesetzt.
Gemäß dem neuen Wahlsystem wurden nur 20 der 90 Abgeordneten im Legislativrat direkt gewählt. Ganze 40 von ihnen wurden von einem Peking-treuen Wahlkomitee bestimmt, 30 weitere von ebenfalls der chinesischen Zentralregierung nahestehenden Interessengruppen. Alle 153 Kandidaten wurden zudem vor der Abstimmung auf ihren “Patriotismus” und ihre politische Loyalität gegenüber Peking hin überprüft (China.Table berichtete).
Die größten pro-demokratischen Parteien hatten daraufhin keine Kandidaten aufgestellt. Dutzende prominente Oppositionelle – darunter viele, die bei der vorigen Wahl Sitze im Parlament gewonnen hatten – wurden wegen Verstößen gegen das sogenannte Nationale Sicherheitsgesetz inhaftiert oder von der Wahl ausgeschlossen.
Ungeachtet dessen lobte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam am Montag den Urnengang. “Fair, offen und ehrlich” sei der dieser gewesen, die ganze Breite der Gesellschaft sei im neuen Parlament repräsentiert. Kritik am Wahlsystem und der Vor-Auswahl der Kandidaten wies Lam zurück. Wenn 1,3 Millionen Menschen wählen, könne man nicht behaupten, es sei eine Wahl gewesen, die von den Bürger:innen nicht unterstützt werde. “Die Menschen benötigen noch Zeit, sich an das neue Wahlsystem zu gewöhnen”, meinte Lam.
Einen ähnlichen Ton schlug am Montag auch Peking an. In dem Dokument “Hongkongs demokratischer Fortschritt im Rahmen von Ein Land, zwei Systeme” werden die Wahl und das neue Wahlsystem als ein verbessertes System gepriesen, welches die langfristige Entwicklung der Demokratie in Hongkong garantiere. Im Hinblick auf die Zukunft heißt es: “Die Zentralregierung wird die Demokratie in Hongkong entlang der Realitäten weiterentwickeln.” rad
Chinas “Königin des Livestreamings” muss wegen Steuerhinterziehung eine Geldstrafe in Millionen-Höhe bezahlen. Die Bloggerin Viya, die mit bürgerlichem Namen Huang Wei heißt, wurde zur Zahlung von 1,3 Milliarden Yuan (180 Millionen Euro) verurteilt, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Chinas Steuerbehörden am Montag berichtete. Sie soll 2019 und 2020 unter anderem ihr Einkommen falsch angegeben haben. Die 36-Jährige entschuldigte sich öffentlich: “Es tut mir zutiefst leid, dass ich gegen die Steuergesetze und -vorschriften verstoßen habe”, erklärte sie dem Bericht zufolge auf Weibo. “Ich akzeptiere die Bestrafung durch das Finanzamt voll und ganz.”
Zur Berühmtheit wurde Viya durch ihre Verkaufs-Livestreams auf der Plattform Taobao. Bei dem als Singles’ Day bekannten Online-Shopping-Tag im November verkaufte sie Medienberichten zufolge an nur einem Abend Produkte im Gesamtwert von 8,5 Milliarden Yuan.
Viya ist lediglich der jüngste Fall eines öffentlich denunzierten Promis. Die Regierung in Peking geht derzeit nicht nur gegen Technologie-Firmen und Plattformen vor, sondern auch gegen Berühmtheiten, die sich nach Ansicht der KPCh nicht regelkonform verhalten (China.Table berichtete). Razzien wegen Steuerhinterziehung hatten bereits die Karriere anderer bekannter Persönlichkeiten der Unterhaltungsindustrie beendet. ari/rtr
Chinas Zentralbank hat einen wichtigen Zinssatz gesenkt, um den wackligen Finanzmärkten des Landes mehr Liquidität zuzuführen. Die Loan Prime Rate (LPR) sank von 3,85 Prozent auf 3,8 Prozent. Es handelte sich um die erste Zinssenkung der People’s Bank of China (PBoC) seit fast zwei Jahren. Chinas Geldpolitik läuft damit gegen den Trend in den USA. Dort strebt die Zentralbank aufgrund von Inflationstendenzen eine Steigerung des Zinsniveaus an. Als Grund für die Zinssenkung der PBoC gelten die anhaltenden Unsicherheiten am chinesischen Immobilienmarkt. Nach dem Wohnungsbaukonzern Evergrande befindet sich auch Konkurrent Kaisa in zunehmenden Schwierigkeiten (China.Table berichtete). fin
Sie trug eine modische Brille, hatte dezent Lippenstift aufgetragen und blickte offensiv in die Kamera. Das war einer der letzten Eindrücke von Hayrigul Niyaz in den Sozialmedien, bevor sie verschwand. Sie war kurz davor von einem Auslandsstudium in der Türkei zurückgekehrt und hatte ein Reisebüro in Urumqi aufgemacht, der Hauptstadt der Autonomen Region Xinjiang. Der Aufenthalt in der Türkei war für die chinesischen Behörden offenbar Grund genug, sie festzunehmen. Polizisten tauchten bei ihr zu Hause auf und nahmen sie mit. Das war 2017.
Ihr Bruder Memeteli, der als Geflüchteter in Deutschland lebt, vermutet, dass sie in einem Gefängnis oder Internierungslager festgehalten wird. Auch der Rest der Familie hat keinen Kontakt zu ihr und weiß nichts über ihren Verbleib. Die Organisation Amnesty International setzt sich nun mit einer weltweiten Kampagne für die Freilassung von Hayrigul Niyaz ein.
Hayrigul Niyaz wurde in der Stadt Toksu am Rande der Wüste Taklamakan geboren und ist dort auch aufgewachsen. Anders als etwa in der Provinzhauptstadt Urumqi bilden die Uigur:innen dort noch die Mehrheit der Bevölkerung. Das ist der Regierung in Peking ein Dorn im Auge, weshalb sie den Zuzug von Han-Chinesen in die Region fördert. Niyaz zog es aber schon früh weg aus Toksu. Sie hat es in die große weite Welt geschafft: Zum Studium ging sie an die Marmara-Universität in Istanbul.
Die heute 35-jährige Hayrigul Niyaz gilt in ihrem Umfeld als fröhlicher Mensch. Sie reist gerne und fährt gerne Ski. Sie spricht neben Uigurisch und Mandarin auch Russisch, Englisch und Türkisch. Diese internationale Erfahrung wollte sie nutzen, als sie 2016 nach China zurückkehrte und in Urumqi ihr eigenes Business eröffnete.
Ihr völliges Verschwinden beleuchtet nun die Ungerechtigkeiten des Polizeistaats in Xinjiang. “Wir sind typische Uiguren, Religion ist Teil unserer Identität, aber wir sind keine ultrareligiösen Menschen”, sagt Memeteli. Der Führung in Peking gehe es nicht um Religion, sagt er, sondern darum, die uigurische Identität auszulöschen.
Ziemlich sicher ist, dass Hayrigul Niyaz keinen Rechtsbeistand hat. Sie hat auch keinen Zugang zu Kommunikationswegen. Im April 2020 hat ihr Bruder mit Familienmitgliedern in Xinjiang gesprochen. Doch das Gespräch war von der Polizei arrangiert und überwacht. Als Memeteli sich weigerte, den Behörden zusätzliche Informationen zu seiner Schwester zu geben, reagierte diese mit Drohungen. Seitdem ist jeder Kontakt abgerissen – auch zu den anderen Familienmitgliedern.
So wie Hayrigul Niyaz und ihrer Familie ergeht es derzeit vielen Uiguren. Der UN-Menschenrechtsausschuss vermutet, dass die chinesischen Behörden in den vergangenen vier Jahren Hunderttausende Menschen zeitweise in Internierungs- und Umerziehungslagern festgehalten haben. Offizielle Zahlen gibt die chinesische Führung nicht bekannt. Die kommunistische Führung in Peking wirft offiziell nur einigen uigurischen Gruppen Separatismus und Terrorismus vor. Doch längst stehen rund zehn Millionen Uiguren in der Provinz Xinjiang unter Generalverdacht. Felix Lee
Jean-Philippe Parain übernimmt bei BMW ab 1. April 2022 die Verantwortung für die Vertriebsregionen Asien-Pazifik, Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika. Er löst in dieser Rolle Hendrik von Kuenheim ab.
Ritu Chandy, bisher Regional CEO für Asien-Pazifik bei BMW Financial Services, wird ab 1. April Leiterin des Konzernfinanzwesens bei BMW.
Chinas Neujahrsfest ist zwar erst im Februar. In der Volksrepublik laufen die Vorbereitungen trotzdem schon auf Hochtouren. In Loudi in der Provinz Hunan trocknen etliche rote Lampions, um das Jahr des Tigers einleuchten zu können.
Deutschlands neue Regierung ist erst wenige Tage im Amt – und schon drohen mit China gleich mehrere Konflikte. Im ersten Fall geraten deutsche Unternehmen wie der Autozulieferer Continental in einem ursprünglich rein politischen Streit zwischen die Fronten. Zu Wochenbeginn warnt der Bundesverband der Deutschen Industrie deshalb Peking vor einem “verheerenden Eigentor“. Die Deutsche Handelskammer in China wendet sich sogar schriftlich an das chinesische Wirtschaftsministerium. Die neusten Entwicklungen finden Sie in unseren News.
Im zweiten Fall geht es um die großen Vorhaben der neuen Bundesregierung: die Solarenergie auszubauen – und gleichzeitig Menschenrechte in globalen Lieferketten durchzusetzen. Das wird schwierig. Denn in der Solarindustrie führt längst kein Weg mehr am Weltmarktführer China vorbei. Und die Volksrepublik lässt die Rohstoffe für Solarmodule in Xinjiang produzieren, wo es Experten zufolge zu Zwangsarbeit kommt. Schnell wird in solchen Fällen Handelssanktionen das Wort geredet. Doch sie führen in die Sackgasse, wie Nico Beckert analysiert.
Und auch der Sport ist nicht vor politischen Konflikten gefeit. Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai hat sich erstmals zu ihren Vergewaltigungsvorwürfen gegen einen ranghohen Parteikader geäußert. Marcel Grzanna hat sich das Interview genauer angeschaut. Für ihn wirken die Aussagen der Tennisspielerin wie vorgegebene Ausflüchte. So reiht sich der Fall Peng Shuai immer mehr ein in eine schlechte Historie: Wie die chinesische Regierung mit Dissidenten, Aktivisten oder Kritikern im eigenen Land umzugehen pflegt.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien hat die neue Bundesregierung einiges vor. Sie will “alle geeigneten Dachflächen” für die Solarenergie nutzen. Bis 2030 sollen “circa 200 Gigawatt” an Fotovoltaik-Kapazität erreicht werden. Das bedeutet eine Vervierfachung der aktuell installierten Leistung. Dafür will die Ampel-Koalition viele “Hürden für den Ausbau” aus dem Weg räumen. So steht es im Koalitionsvertrag.
Eine große Hürde, die dort nicht genannt wird, ist die Lieferkette der Solarindustrie. Ein großer Teil des Grundstoffs von Solarzellen, Polysilizium, stammt aus der Autonomen Region Xinjiang. Es stehen jedoch Vorwürfe im Raum, dass dieses Polysilizium durch Zwangsarbeit der Volksgruppe der Uiguren hergestellt wird. Damit drohen erhebliche Probleme, wenn künftig ethische Maßstäbe für diese Lieferkette gelten sollen.
Jüngst hat Außenministerin Annalena Baerbock eine eindeutigere Politik gegen Menschenrechtsverletzungen in China angekündigt. “Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem”, sagte sie in einem Interview mit taz und China.Table.
Doch nicht nur China stände dann vor einem Problem. Auch der Ausbau der Solarenergie in Deutschland könnte ins Stocken geraten. Viel des Polysiliziums wird direkt in China weiterverarbeitet. Die Volksrepublik ist Weltmarktführer im Solarbereich und dominiert alle Produktionsschritte. Weltweit stammen drei von vier Solarmodulen und 83 Prozent der Solarzellen aus China. Beim Ausgangsstoff Polysilizium dominiert China 77 Prozent des Weltmarktes. Xinjiang spielt hier wiederum eine besondere Rolle. Geschätzt 50 Prozent der weltweiten Produktion von Polysilizium stammen aus der westchinesischen Region.
Für die Herstellung von Polysilizium und dem Vorprodukt Siliziummetall sind große Mengen Energie nötig. In Xinjiang gibt es sie im Überfluss. In kaum einem anderen Landesteil sind Strom und Prozesshitze zur Herstellung von Polysilizium derart günstig. Vier der größten Hersteller der Welt haben Fabriken in Xinjiang, wie Recherchen des Nachrichtenportals Bloomberg zeigen. Gegen drei Produzenten wurden Vorwürfe laut, dass es in ihren Fabriken zu Zwangsarbeit komme.
Die Vorwürfe beruhen auf Analysen der Beratungsfirmen Horizon Advisory und S&P Global Market Intelligence sowie auf Recherchen des Xinjiang-Forschers Adrian Zenz. Sie kommen unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass bei der Herstellung von Polysilizium hunderte Zwangsarbeiter eingesetzt werden. Einem Recherche-Team von Bloomberg wurde der Zutritt in die Fabriken verwehrt. Die Journalisten haben keinen Einblick in die Produktion erhalten und deuten das als Zeichen, dass die Hersteller etwas zu verbergen haben.
Andere Experten geben jedoch zum Teil Entwarnung. Zwar sieht der chinesische Weltmarktanteil auf dem Papier sehr hoch aus. Doch ein großer Teil davon bleibt im Inland. Kein anderes Land installiert so viele Solarmodule wie China. Ein großer Teil der heimischen Produktion geht also gar nicht in den Export.
Außerdem stammt die andere Hälfte der chinesischen Produktion aus Regionen außerhalb Xinjiangs. Zusammen mit der Herstellung in anderen Weltgegenden kommen genug Solarmodule zusammen, um den Bedarf zu decken. “Die USA und Europa zusammen hatten 2020 einen Anteil an den weltweiten PV-Neuinstallationen von rund 30 Prozent”, sagt Marktbeobachter Johannes Bernreuter von der Beratungsfirma Bernreuter Research. “Rechnerisch ist also momentan genügend Polysilizium für die USA und Europa vorhanden, das nicht von Xinjiang tangiert ist.”
Überraschend ist, dass weder die Statistikbehörde der EU (Eurostat) noch das Statistische Bundesamt über aufgeschlüsselte Daten verfügen, wie viele Solarzellen und -module Deutschland aus China importiert.
Doch wenn westliche Käufer Solarzellen und -module aus China kaufen, standen sie bisher vor einem Problem: Bei der Herstellung wird Polysilizium aus verschiedenen Quellen gemischt. Es könnte gut sein, dass auch Ausgangsstoff aus Xinjiang dabei ist, der mit Zwangsarbeit hergestellt wurde. Allerdings stellen sich die chinesischen Hersteller auf die Bedürfnisse des Westens ein. Einige Firmen produzieren vermutlich Xinjiang-freie Segmente und verwenden sie in ihren Solarmodulen für den Export in die USA und Europa, erläutert Bernreuter. “Sie können auch plausibel dokumentieren, dass die Solarmodule und -zellen keine Vorprodukte aus Xinjiang enthalten.”
Demnach könnten sich die Stoffströme einfach aufteilen: Xinjiang-freie Produkte werden für den Export hergestellt. Solarmodule, deren Ausgangsstoff mit Zwangsarbeit hergestellt wird, werden aufgrund der hohen inländischen Nachfrage weiterhin in China verbaut. Westliche Sanktionen und Boykotte von Polysilizium aus Xinjiang hätten somit kaum Effekte. Bernreuter kritisiert: “Zugespitzt formuliert: Der Westen erleichtert sein Gewissen, aber den Uiguren geht es nicht besser.” Allerdings sollte man Sanktionen als politisches Signal nicht unterschätzen, fügt Bernreuter hinzu.
Ein weiteres Problem in der Solar-Lieferkette ist der Ausgangsstoff für Polysilizium: das sogenannte metallurgische Silizium. Die chinesischen Hersteller dieses hochreinen Siliziums haben kein Interesse an Transparenz. Importeure können also kaum sicherzustellen, dass keine Zwangsarbeit bei der Herstellung von metallurgischem Silizium verwendet wird. Einige westliche und asiatische Hersteller von Polysilizium haben ihre Geschäftsbeziehungen zum größten Produzenten von metallurgischem Silizium, Hoshine Silicon aus Xinjiang, deswegen schon beendet. Zudem hat die US-Zollbehörde Maßnahmen gegen Hoshine ergriffen. Es gebe Informationen, dass das Unternehmen Zwangsarbeit einsetzt, so die Behörde. Produkte von Hoshine werden durch den Zoll in US-Häfen konfisziert.
Doch damit ist die Lage mitnichten geklärt. Die USA beraten derzeit über weitere Maßnahmen, um Zwangsarbeit in Xinjiang in importierten Produkten auszuschließen. Da diese noch deutlich weiter reichen, verringert sie das Volumen von legal importierbaren Ausgangsstoffen weiter. Jüngst haben sich das US-Repräsentantenhaus und der Senat auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt, der Produkte aus Xinjiang generell unter den Verdacht der Zwangsarbeit stellt (China.Table berichtete).
Die Beweislast wird dadurch umgekehrt. Der Import würde verboten, solange der US-Regierung keine belastbaren Beweise vorgelegt werden, dass bei der Herstellung keine Zwangsarbeit genutzt wurde. US-Präsident Biden muss dem Gesetz noch zustimmen. Die Republikaner werfen Biden eine Verzögerungstaktik vor, da das Gesetz den Ausbau der erneuerbaren Energien erschwere. Bidens Pläne zum Ausbau der Solarenergie sind ähnlich ambitioniert wie die der neuen Bundesregierung. Bis 2050 soll gut die Hälfte des US-Stroms durch Sonnenenergie hergestellt werden. Derzeit sind es lediglich vier Prozent.
Doch laut Experten könnte das US-Gesetz für die Solar-Lieferkette wirkungslos bleiben. Sollte der US-Gesetzesentwurf im kommenden Jahr in Kraft treten, seien die chinesischen Hersteller schon vorbereitet. “Wir gehen davon aus, dass die Hersteller von Solar-Wafern – die sich alle in China befinden – dann in der Lage sein werden, die Lieferketten für verschiedene Märkte zu trennen“, sagt Jenny Chase von Bloomberg NEF und bestätigt damit die Vermutung des Polysilizium-Experten Bernreuter. Eine weitere Frage wird sein, ob die Abnehmerländer den Anbietern die Herkunftsangaben einfach so glauben.
Solar-Lieferketten sind derzeit noch so komplex, dass es schwer möglich ist, wirklich komplett Xinjiang-freie Solarmodule und -zellen herzustellen. Industrieexperte Bernreuter rät der Branche daher, auf Sicherheit zu spielen und sich von China unabhängiger zu machen. “Es führt kein Weg daran vorbei, neue Solarlieferketten außerhalb Chinas aufzubauen.” Das könnte den Preis der Module um circa zehn Prozent erhöhen. “Wenn Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Kriterien (ESG) für sie kein Lippenbekenntnis sind, müssen Anleger und Verbraucher bereit sein, diesen Preis zu zahlen”, so Bernreuter.
Auch die neue Bundesregierung deutet gegenüber China.Table Handlungswillen an. Das Auswärtige Amt teilt mit, die Regierung wolle “ein mögliches Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit auf europäischer Ebene unterstützen”. Ebenso soll das europäische Lieferkettengesetz “unterstützt” werden. Klare Kante gegen Zwangsarbeit in Xinjiang klingt jedoch anders.
Die chinesische Weltklasse-Tennisspielerin Peng Shuai hat sich von ihren Vergewaltigungsvorwürfen gegen den früheren Vize-Premierminister Zhang Gaoli distanziert. Eine rund vierminütige Videosequenz vom vergangenen Sonntag, die seit Wochenbeginn in sozialen Medien kursiert, zeigt die 35-Jährige im Gespräch mit einer Journalistin aus Singapur. Darin sagt Peng, sie habe “niemals geschrieben oder gesagt, dass mich jemand vergewaltigt hat”.
Die Aussage ist das Gegenteil von dem, was seit Anfang November zum globalen Politikum eskalierte. Damals hatte Peng dem ehemaligen Regierungsmitglied Zhang über den Kurznachrichtendienst Weibo vorgeworfen, sie zum Sex gezwungen zu haben. Nach 30 Minuten war der Beitrag wieder gelöscht. Danach verschwand für mehrere Wochen auch die Athletin (China.Table berichtete). Zhang zählte als Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros bis 2017 zum innersten Machtzirkel der Kommunistischen Partei.
“Dieser Post bei Weibo war eine private Angelegenheit. Darüber hat es wahrscheinlich schon einige Missverständnisse gegeben. Jegliche verzerrte Interpretation ist grundlos”, sagte Peng am Sonntag. Das mutmaßlich nicht geplante Interview war ihre erste öffentliche mündliche Äußerung zu den Geschehnissen. Zuvor waren lediglich schriftliche Stellungnahmen aufgetaucht, bei denen aber nicht klar war, ob Peng sie selbst formuliert hatte.
Sie bestätigte der Reporterin der Tageszeitung Lianhe Zaobao dagegen, dass sie es selbst gewesen sei, die einen Brief an den Chef des Frauentennis-Weltverbandes WTA, Steve Simon, geschrieben habe. Darin hatte Peng Simon gebeten, ihre Privatsphäre zu respektieren, nachdem der Funktionär mit Konsequenzen für den Tennis-Standort China gedroht und Aufklärung von den chinesischen Behörden gefordert hatte. Peng räumte ein, dass sie das besagte Schreiben in Chinesisch formuliert habe, ehe es ins Englische übersetzt worden sei. Ihr Englisch sei nicht ausreichend gut, begründete sie.
Doch auch das neue Video ist für viele Skeptiker nicht überzeugend. Peng schaut sich teilweise nervös um, antwortet auf mehrere Fragen, sie habe nicht richtig verstanden und wählt im entscheidenden Abschnitt ihre Worte sehr langsam und bedacht. Der Tennis-Weltverband erklärte, die Aufnahmen hätten “die erheblichen Bedenken der WTA hinsichtlich ihres Wohlbefindens und ihrer Möglichkeiten, frei von Zensur oder Zwang zu kommunizieren, weder verringert noch ausgeräumt”.
Anlass für die Zweifel ist die dokumentiert schlechte Historie der chinesischen Regierung im Umgang mit Dissidenten, Aktivisten oder Kritikern im eigenen Land. Die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders verwies auf eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2018 mit dem Titel “Scripted and Staged”, die vergleichbare Fälle untersucht, in denen Beschuldigte erst verschwanden und nach ihrem Auftauchen öffentlich Abbitte leisteten.
Safeguard-Direktor Peter Dahlin stellte zudem die Aussage Pengs infrage, ihre Fremdsprachenkenntnisse seien nicht gut genug, um dem WTA-Direktor auf Englisch schreiben zu können. Er postete ein Video einer Pressekonferenz, in dem die frühere Wimbledon-Siegerin im Doppel in fließendem Englisch auf die Fragen von Journalisten antwortet.
Auch der Menschenrechtsanwalt Teng Biao, der einst im Gewahrsam durch chinesische Sicherheitsbehörden gefoltert wurde und heute in den USA im Exil lebt, bezweifelt, dass Pengs Aussagen auf Freiwilligkeit beruhen. Beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er: “Seit 47 Tagen wird das Thema in der Welt diskutiert, niemand war in der Lage, Peng zu erreichen, außer die Partei und ihre Marionetten. Braucht es 47 Tage, um mitzuteilen, dass sie missverstanden worden ist?”
Zumal Peng in dem Video, das in Shanghai am Rande einer Werbeveranstaltung für die Olympischen Winterspiele im Februar in Peking entstanden ist, behauptet, sie habe sich während der gesamten Zeit “frei bewegen” können. Es drängt sich also die Frage auf, weshalb sie nicht früher an die Öffentlichkeit getreten ist, um die Eskalation zu verhindern.
Denn ihr Fall brachte bei zahlreichen westlichen Regierungen das Fass zum Überlaufen. Angeführt von den USA haben bereits knapp zwei Dutzend westliche Nationen angekündigt, keine Regierungsdelegation zu den Olympischen Spielen senden zu wollen.
Gleichzeitig hat die WTA alle ihre Turniere in der Volksrepublik und in Hongkong bis auf Weiteres ausgesetzt. Peng hätte also frühzeitig Schadensbegrenzung betreiben können, wenn sie sich tatsächlich frei bewegen und äußern konnte, wie sie es jetzt behauptet. Stattdessen verschärften sich die Spannungen zwischen China und vielen demokratischen Staaten, während sie schwieg.
Wang Yaqiu von Human Rights Watch (HRW) bezweifelt sogar, dass das Interview mit der Journalistin aus Singapur ein Zufall war. “So traf Peng Shuai nach 48 Tagen unerwartet auf eine Journalistin einer pro-Pekinger Zeitung und beantwortete dann beiläufig ihre Fragen zu einem Ereignis, das internationale Aufmerksamkeit erregte. Wow, so natürlich, sehr echt, das glaubt jetzt jeder. Herzlichen Glückwunsch, KPC!”, schrieb Wang auf Twitter.
Von staatlicher chinesischer Seite gab es dagegen den Versuch, die Glaubwürdigkeit von Pengs Aussagen zu untermauern. Der ehemalige Chefredakteur und jetzige Chef-Kolumnist der staatlichen Tageszeitung Global Times, Hu Xijin, behauptete, dass Peng es entschieden ablehne, von “sexuellen Übergriffen” zu sprechen, auch weil sie “bestritt, dass sie glaubte, sexuell missbraucht worden zu sein.” Hu forderte die “Außenwelt” auf, “ihre Grundeinstellung zu respektieren”. Im Klartext heißt das: Peng habe sich nie als Opfer von sexueller Gewalt gesehen, sondern Dritte hätten ihren Post lediglich falsch interpretiert.
Im Handelskonflikt zwischen Litauen und China positionieren sich deutsche Wirtschaftsvertreter zunehmend kritisch und erhöhen damit auch den Druck auf Berlin. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wirft Peking nun ein “verheerendes Eigentor” vor. “Die jüngsten Maßnahmen Chinas gegen Litauen entfalten die Wirkung eines Handelsboykotts mit Auswirkungen auf die ganze EU”, teilte der BDI mit. “Betroffen sind auch Einfuhren aus China, die in deutschen Produktionsniederlassungen in Litauen benötigt werden, und Ausfuhren aus Deutschland nach China, die litauische Komponenten enthalten” Das Vorgehen zeige, dass China bereit sei, sich von “politisch unliebsamen Partnern ökonomisch zu entkoppeln”. Dennoch sei es wichtig, die Wirtschaftsbeziehungen zu China auf einem hohen Niveau beizubehalten.
Auch die Deutsche Handelskammer in China schaltete sich ein: Es müsse “eine rasche Lösung” gefunden werden, “um die reibungslose Einfuhr von Produkten und Teilen aus der gesamten EU nach China sowie die Ausfuhr in die EU zu ermöglichen”, hieß es in einem Statement. Die Kammer wandte sich zudem schriftlich an das chinesische Handelsministerium. “Schon seit Längerem, bereitet uns die zunehmende Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen Sorge. De-facto-Handelsbarrieren, wie wir sie jetzt im Zusammenhang mit Im- und Exporten aus Litauen sehen, schaden mehr als dass sie Nutzen bringen.”
China blockiert seit Beginn des Monats Einfuhren aus Litauen, in dem der EU-Staat nicht im Zollsystem auffindbar ist. Seit vergangener Woche sind nun auch deutsche Automobil-Unternehmen betroffen, die mit litauischen Zulieferern zusammenarbeiten (China.Table berichtete), darunter Continental und der FT zufolge auch der in Lippstadt ansässige Konzern Hella.
Die EU bereitet nach eigenen Angaben derzeit Material für eine mögliche Klage vor der Welthandelsorganisation vor. Die nötigen Informationen zusammenzutragen wird jedoch nicht einfach, da China offiziell nie von einer Blockade Litauens im Zoll-System gesprochen hat. Zudem fürchten Unternehmen, die sich nun gegen die Volksrepublik aussprechen, einen langfristigen Ausschluss vom dortigen Markt oder andere Repressalien. ari
Bei der Parlamentswahl am Sonntag in Hongkong haben pro-Peking Kandidaten einen überwältigenden Sieg erreicht. 82 der 90 Parlamentssitze befinden sich nun in der Hand Peking-treuer Kräfte. Lediglich ein Sitz konnte von einem Peking-kritischen Kandidaten gewonnen werden.
Aus Sicht von Beobachtern vor Ort war die erste Wahl seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung allerdings eine Farce. Unter einem umstrittenen neuen Wahlsystem waren fast alle pro-demokratischen Vertreter ausgeschlossen worden. Antreten durften nur Peking-treue “Patrioten”. Aus Protest blieb deshalb die Mehrheit der Hongkonger der Wahl am Sonntag fern. Offiziellen Angaben zufolge gaben nur rund 30 Prozent der Stimmberechtigten ihre Stimme ab – etwa halb so viele wie bei der vorherigen Parlamentswahl im Jahr 2016. Bürgerrechtlern zufolge haben die Menschen in Hongkong mit der niedrigsten Wahlbeteiligung seit 1997 ein Zeichen gegen die Einschränkung der Demokratie durch China gesetzt.
Gemäß dem neuen Wahlsystem wurden nur 20 der 90 Abgeordneten im Legislativrat direkt gewählt. Ganze 40 von ihnen wurden von einem Peking-treuen Wahlkomitee bestimmt, 30 weitere von ebenfalls der chinesischen Zentralregierung nahestehenden Interessengruppen. Alle 153 Kandidaten wurden zudem vor der Abstimmung auf ihren “Patriotismus” und ihre politische Loyalität gegenüber Peking hin überprüft (China.Table berichtete).
Die größten pro-demokratischen Parteien hatten daraufhin keine Kandidaten aufgestellt. Dutzende prominente Oppositionelle – darunter viele, die bei der vorigen Wahl Sitze im Parlament gewonnen hatten – wurden wegen Verstößen gegen das sogenannte Nationale Sicherheitsgesetz inhaftiert oder von der Wahl ausgeschlossen.
Ungeachtet dessen lobte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam am Montag den Urnengang. “Fair, offen und ehrlich” sei der dieser gewesen, die ganze Breite der Gesellschaft sei im neuen Parlament repräsentiert. Kritik am Wahlsystem und der Vor-Auswahl der Kandidaten wies Lam zurück. Wenn 1,3 Millionen Menschen wählen, könne man nicht behaupten, es sei eine Wahl gewesen, die von den Bürger:innen nicht unterstützt werde. “Die Menschen benötigen noch Zeit, sich an das neue Wahlsystem zu gewöhnen”, meinte Lam.
Einen ähnlichen Ton schlug am Montag auch Peking an. In dem Dokument “Hongkongs demokratischer Fortschritt im Rahmen von Ein Land, zwei Systeme” werden die Wahl und das neue Wahlsystem als ein verbessertes System gepriesen, welches die langfristige Entwicklung der Demokratie in Hongkong garantiere. Im Hinblick auf die Zukunft heißt es: “Die Zentralregierung wird die Demokratie in Hongkong entlang der Realitäten weiterentwickeln.” rad
Chinas “Königin des Livestreamings” muss wegen Steuerhinterziehung eine Geldstrafe in Millionen-Höhe bezahlen. Die Bloggerin Viya, die mit bürgerlichem Namen Huang Wei heißt, wurde zur Zahlung von 1,3 Milliarden Yuan (180 Millionen Euro) verurteilt, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Chinas Steuerbehörden am Montag berichtete. Sie soll 2019 und 2020 unter anderem ihr Einkommen falsch angegeben haben. Die 36-Jährige entschuldigte sich öffentlich: “Es tut mir zutiefst leid, dass ich gegen die Steuergesetze und -vorschriften verstoßen habe”, erklärte sie dem Bericht zufolge auf Weibo. “Ich akzeptiere die Bestrafung durch das Finanzamt voll und ganz.”
Zur Berühmtheit wurde Viya durch ihre Verkaufs-Livestreams auf der Plattform Taobao. Bei dem als Singles’ Day bekannten Online-Shopping-Tag im November verkaufte sie Medienberichten zufolge an nur einem Abend Produkte im Gesamtwert von 8,5 Milliarden Yuan.
Viya ist lediglich der jüngste Fall eines öffentlich denunzierten Promis. Die Regierung in Peking geht derzeit nicht nur gegen Technologie-Firmen und Plattformen vor, sondern auch gegen Berühmtheiten, die sich nach Ansicht der KPCh nicht regelkonform verhalten (China.Table berichtete). Razzien wegen Steuerhinterziehung hatten bereits die Karriere anderer bekannter Persönlichkeiten der Unterhaltungsindustrie beendet. ari/rtr
Chinas Zentralbank hat einen wichtigen Zinssatz gesenkt, um den wackligen Finanzmärkten des Landes mehr Liquidität zuzuführen. Die Loan Prime Rate (LPR) sank von 3,85 Prozent auf 3,8 Prozent. Es handelte sich um die erste Zinssenkung der People’s Bank of China (PBoC) seit fast zwei Jahren. Chinas Geldpolitik läuft damit gegen den Trend in den USA. Dort strebt die Zentralbank aufgrund von Inflationstendenzen eine Steigerung des Zinsniveaus an. Als Grund für die Zinssenkung der PBoC gelten die anhaltenden Unsicherheiten am chinesischen Immobilienmarkt. Nach dem Wohnungsbaukonzern Evergrande befindet sich auch Konkurrent Kaisa in zunehmenden Schwierigkeiten (China.Table berichtete). fin
Sie trug eine modische Brille, hatte dezent Lippenstift aufgetragen und blickte offensiv in die Kamera. Das war einer der letzten Eindrücke von Hayrigul Niyaz in den Sozialmedien, bevor sie verschwand. Sie war kurz davor von einem Auslandsstudium in der Türkei zurückgekehrt und hatte ein Reisebüro in Urumqi aufgemacht, der Hauptstadt der Autonomen Region Xinjiang. Der Aufenthalt in der Türkei war für die chinesischen Behörden offenbar Grund genug, sie festzunehmen. Polizisten tauchten bei ihr zu Hause auf und nahmen sie mit. Das war 2017.
Ihr Bruder Memeteli, der als Geflüchteter in Deutschland lebt, vermutet, dass sie in einem Gefängnis oder Internierungslager festgehalten wird. Auch der Rest der Familie hat keinen Kontakt zu ihr und weiß nichts über ihren Verbleib. Die Organisation Amnesty International setzt sich nun mit einer weltweiten Kampagne für die Freilassung von Hayrigul Niyaz ein.
Hayrigul Niyaz wurde in der Stadt Toksu am Rande der Wüste Taklamakan geboren und ist dort auch aufgewachsen. Anders als etwa in der Provinzhauptstadt Urumqi bilden die Uigur:innen dort noch die Mehrheit der Bevölkerung. Das ist der Regierung in Peking ein Dorn im Auge, weshalb sie den Zuzug von Han-Chinesen in die Region fördert. Niyaz zog es aber schon früh weg aus Toksu. Sie hat es in die große weite Welt geschafft: Zum Studium ging sie an die Marmara-Universität in Istanbul.
Die heute 35-jährige Hayrigul Niyaz gilt in ihrem Umfeld als fröhlicher Mensch. Sie reist gerne und fährt gerne Ski. Sie spricht neben Uigurisch und Mandarin auch Russisch, Englisch und Türkisch. Diese internationale Erfahrung wollte sie nutzen, als sie 2016 nach China zurückkehrte und in Urumqi ihr eigenes Business eröffnete.
Ihr völliges Verschwinden beleuchtet nun die Ungerechtigkeiten des Polizeistaats in Xinjiang. “Wir sind typische Uiguren, Religion ist Teil unserer Identität, aber wir sind keine ultrareligiösen Menschen”, sagt Memeteli. Der Führung in Peking gehe es nicht um Religion, sagt er, sondern darum, die uigurische Identität auszulöschen.
Ziemlich sicher ist, dass Hayrigul Niyaz keinen Rechtsbeistand hat. Sie hat auch keinen Zugang zu Kommunikationswegen. Im April 2020 hat ihr Bruder mit Familienmitgliedern in Xinjiang gesprochen. Doch das Gespräch war von der Polizei arrangiert und überwacht. Als Memeteli sich weigerte, den Behörden zusätzliche Informationen zu seiner Schwester zu geben, reagierte diese mit Drohungen. Seitdem ist jeder Kontakt abgerissen – auch zu den anderen Familienmitgliedern.
So wie Hayrigul Niyaz und ihrer Familie ergeht es derzeit vielen Uiguren. Der UN-Menschenrechtsausschuss vermutet, dass die chinesischen Behörden in den vergangenen vier Jahren Hunderttausende Menschen zeitweise in Internierungs- und Umerziehungslagern festgehalten haben. Offizielle Zahlen gibt die chinesische Führung nicht bekannt. Die kommunistische Führung in Peking wirft offiziell nur einigen uigurischen Gruppen Separatismus und Terrorismus vor. Doch längst stehen rund zehn Millionen Uiguren in der Provinz Xinjiang unter Generalverdacht. Felix Lee
Jean-Philippe Parain übernimmt bei BMW ab 1. April 2022 die Verantwortung für die Vertriebsregionen Asien-Pazifik, Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika. Er löst in dieser Rolle Hendrik von Kuenheim ab.
Ritu Chandy, bisher Regional CEO für Asien-Pazifik bei BMW Financial Services, wird ab 1. April Leiterin des Konzernfinanzwesens bei BMW.
Chinas Neujahrsfest ist zwar erst im Februar. In der Volksrepublik laufen die Vorbereitungen trotzdem schon auf Hochtouren. In Loudi in der Provinz Hunan trocknen etliche rote Lampions, um das Jahr des Tigers einleuchten zu können.