als vor sechs Jahren Kuka vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea gekauft wurde, war der Aufschrei groß: mit dem Roboterhersteller aus Augsburg würden deutsches Knowhow und Technologie billigend nach China abgegeben. Kuka stehe exemplarisch für den Ausverkauf Deutschlands. Am heutigen Dienstag plant der chinesische Mutterkonzern Midea den nächsten großen Schritt in Sachen Kuka. Frank Sieren nimmt das zum Anlass, um Bilanz zu ziehen, ob sich die Übernahme für den neuen Besitzer bereits bezahlt gemacht hat.
Vor wenigen Wochen wartete China mit einer besonderen Überraschung auf: Peking ratifizierte plötzlich zwei internationale Arbeitsrechtskonventionen und sagte damit zu, mögliche Zwangsarbeit mit allen Mitteln verhindern zu wollen. Da passt es, dass in wenigen Tagen die Jahreskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf stattfindet. Dort wird China mit Vorwürfen konfrontiert werden, die kein gutes Licht auf die Volksrepublik werfen. Marcel Grzanna hat sich deshalb angeschaut, welche Maßnahmen die UN-Organisation gegenüber China ergreifen könnte.
Slowenien hat China in den vergangenen Monaten geärgert. Unter Ministerpräsident Janez Janša war der EU-Staat zumindest verbal an Taiwan herangerückt. Peking hat sich entsprechend aufgeregt gezeigt. Doch mit der Abkehr von China könnte bald Schluss sein: Janša wurde abgewählt. Sein Nachfolger, Robert Golob, dürfte einen China-freundlicheren Kurs fahren – vor allem in der Wirtschaftspolitik.
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Der größte deutsche Industrieroboterhersteller Kuka ist erfolgreich in das neue Geschäftsjahr gestartet. Zwischen Januar und März stiegen die Umsätze des Augsburger Konzerns um 18,3 Prozent auf 853,4 Millionen Euro. Kuka verzeichnete mit knapp 1,3 Milliarden Euro zudem ein um rund 42 Prozent höheres Auftragsvolumen. In China verdoppelte sich gar die Zahl der Aufträge. Die dortigen Umsätze stiegen um 61,2 Prozent. Noch liegen Deutschland und die USA mit 28 und 27 Prozent beim Konzernumsatz vorne. China folgt jedoch bereits auf Platz drei mit 17 Prozent.
Es wird auch höchste Zeit aus Sicht des chinesischen Managements, dass Kuka endlich abwirft, was der Name den neuen Besitzern versprochen hatte. Die Umsätze von Kuka bewegten sich jahrelang im Krebsgang: 2021 waren sie mit 3,3 Mrd. Euro nur etwas besser als 2016 mit 2,9 Mrd. Euro. Mideas Vizepräsident Andy Gu hatte bereits Druck gemacht und zeigte sich “definitiv nicht zufrieden” mit Kukas Abschneiden. Auch deshalb steht dem neuen Geschäftsführer Peter Mohnen in Alexander Tan nun ein chinesischer Finanzchef zur Seite.
Zumindest der Start ins neue Jahr könnte nun für die erhoffte Beschleunigung sorgen. Zumal die Prognosen gut sind. Laut einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG will Kuka den Umsatz in China bis 2024 um jährlich 30 Prozent steigern. Bis 2027 soll der Umsatz in der Volksrepublik von 589 Millionen Euro auf 2,35 Milliarden Euro klettern. Das wären 40 Prozent der Gesamterlöse, die dann vor allem mit auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Kleinrobotern und Software generiert werden sollen.
2016 war Kuka mehrheitlich vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea übernommen worden. Auch weil keine westlichen Gegenangebote gemacht wurden. In der Folge änderte die Bundesregierung sogar das Außenwirtschaftsgesetz, um in Zukunft mehr Mitspracherechte bei Firmenverkäufen zu haben. Inzwischen befinden sich mehr als 95 Prozent der Kuka-Anteile im Besitz von Midea. Wie kürzlich bekannt wurde, sollen bei der Hauptversammlung am 17. Mai die letzten deutschen Kleinaktionäre aus dem Unternehmen herausgekauft werden. Das Unternehmen hatte zudem im November überraschend den Rückzug von der Börse verkündet.
So soll das Unternehmen jenseits der Zwänge, Quartalszahlen veröffentlichen zu müssen, in Ruhe wachsen können. Denn Geld von Börsenanlegern braucht Kuka nicht. Das hat die Muttergesellschaft genug. Zwischen 2016 und 2021 hat sich der Midea-Umsatz mehr als verdoppelt auf über 53 Milliarden US-Dollar. Ähnlich entwickelte sich der Gewinn.
Die Diskrepanz zwischen dem Erfolg von Midea und der Seitwärtsbewegung von Kuka, setzt das Kuka-Management unter Druck. Auch wenn man beide Branchen nur bedingt vergleichen kann und die Marktposition von Kuka eine andere ist. Die Weltmarktanteile des japanischen Marktführers Fanuc und des Schweizer-schwedischen Roboterherstellers ABB sind jeweils fast doppelt so groß wie die von Kuka. Es folgen ein japanischer und ein italienischer Hersteller. Kuka rangiert wie 2016 auf Platz fünf.
Midea will bis 2025 rund 800 Millionen Euro in Kukas Forschung und Entwicklung stecken. So viel wie noch nie. “Ein Löwenanteil davon geht nach Augsburg“, betont Mohnen, “denn dort entwickeln wir Steuerungen, Software und Mechatronik.”
Der Betriebsrat zieht mit. Aufsichtsratsvize Michael Leppek von der IG Metall stützt den Kurs: “Wir geben eine wenig effektive Börsennotierung auf gegen einen gemeinsamen Wachstumsplan und langfristige Zusagen für Kuka mit dem Schwerpunkt auf Produktion und Technologien.”
So hält die Verbindung einstweilen: Die Chinesen brauchen das Know-how der Deutschen; die Deutschen das Geld und das Netzwerk in China. Klar ist jedoch: Es muss immer auch in China entwickelt und produziert werden. Schon heute produziert Kuka in Shanghai und Shunde in der südchinesischen Provinz Guangdong, dem Hauptstandort von Midea.
Die Lebensversicherung für Augsburg: Bei Forschung und Entwicklung besser bleiben als die Chinesen. 2021 stellte Kuka auf der digitalen Hannover Messe Teile eines neuen Betriebssystems vor, mit dem das Programmieren von Robotern so einfach werden soll wie das Arbeiten am Computer.
Obwohl China schon jetzt den größten Bestand an Industrierobotern hat, stammt ein Großteil noch immer aus ausländischer Herstellung. Allein im Jahr 2020 wurden in China 168.000 Roboter neu installiert. Laut Branchenverband IFR lag der Marktanteil der ausländischen Anbieter zuletzt bei 73 Prozent.
Peking möchte das so schnell wie möglich ändern und hat einen zweiten Entwicklungsplan für die Robotik in den 14. Fünfjahresplan aufgenommen. Die Robotik sei “die Schlüsseltechnologie der modernen Industrie”, erklärt Song Xiaogang, der Generalsekretär der China Robot Industry Alliance (CRIA).
Bei der Roboterdichte – Maschinen pro 10.000 Arbeiter – liegt China mit 246 Einheiten im globalen Ranking auf Platz neun. 2017 war es noch der 25. Platz mit 49 Robotern. Weltweit führend in Sachen Industrie-Roboter ist derzeit Südkorea. Hier kamen im Jahr 2020 auf 10.000 Arbeiter 932 Roboter. Deutschland belegt mit 371 Einheiten den vierten Platz.
Die Chance von Kuka als chinesisches Unternehmen: Weltweit spielen chinesische Roboterbauer kaum eine Rolle. Innerhalb Chinas lieferten heimische Anbieter wie Efort und Siasun zuletzt um die 45.000 Roboter aus, was einem Marktanteil von 27 Prozent entspricht. Zweitdrittel des Marktes werden also noch von ausländischen Unternehmen bedient. Das will Peking ändern.
Seit Dezember liegen zwei Einschätzungen der Expertenkommission der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) mit großer Tragweite auf dem Tisch. Ihre Kraft entfalten können sie jedoch erst bei der anstehenden IAO-Jahreskonferenz ab 27. Mai in Genf. Die 110. Session der UN-Organisation wird Einzelheiten zur Sprache bringen, die der Volksrepublik China ein dramatisch schlechtes Zeugnis ausstellen.
In ihrem Bericht greifen die Experten zahlreiche Vorwürfe des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) auf. Demnach verletze die Volksrepublik die internationalen Konventionen durch ein “weit verbreitetes und systematisches” Zwangsarbeitsprogramm, von dem in erster Linie Uiguren und andere muslimische Minderheiten betroffen seien.
Der IGB geht davon aus, dass vor allem die Insassen der Internierungslager in Xinjiang unter Zwang arbeiten müssen. Seiner Schätzung nach sind dort bis zu 1,8 Millionen Menschen untergebracht. Indikator für die große Zahl sind die wachsenden Ausmaße der Lager. Der IGB hat 39 davon ausgemacht, deren Flächen sich seit 2017 verdreifacht haben. Ausführlich griff die Kommission in dem Bericht die gesammelten Anschuldigungen auf und formulierte daraus ihre Empfehlungen an die chinesische Regierung.
“Die Länge der Stellungnahmen zu China lassen darauf schließen, dass die Kommission diesen Einschätzungen starke Aufmerksamkeit verleihen will. Sie sind länger als normalerweise üblich”, sagt Tim DeMeyer, Senior Advisor der IAO in Genf.
Einen Vorgeschmack darauf, wie die IAO mit den Vorwürfen gegen China umgehen will, wird die Session geben. Dann treffen Vertreter aller Mitgliedsstaaten und die Geschäftsführung zusammen, um rund zwei Wochen lang über die Entwicklung in einzelnen Staaten zu diskutieren und die Verbesserung globaler Standards für Arbeiter:innen und deren Beschäftigungsverhältnisse zu erarbeiten und bestenfalls zu beschließen.
DeMeyer erkennt in der Stellungnahme der Kommission eine “klare Handlungsanweisung” an die Konferenz, um China zu Gegenmaßnahmen zu bewegen. Doch der Belgier, der früher unter anderem das IAO-Büro in Peking leitete, sagt auch: “Tatsache bleibt, dass wir es trotz der Autorität des IAO-Aufsichtssystems immer mit einem souveränen Staat zu tun haben, der niemals zum Handeln gezwungen werden kann.” Verfügbares Werkzeug bleibt einzig die Diplomatie.
Sprache statt Strafe. Die entscheidende Frage in Genf wird also sein, ob sich die Parteien von ihren unterschiedlichen Positionen aus annähern können. Der Sinologe Björn Alpermann von der Universität Würzburg ist skeptisch. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass Chinas Vertreter nur einen Hauch von der offiziellen Position des Landes abweichen werden. Insofern ist die Konferenz in dieser Hinsicht eher ein zahnloser Tiger.”
Maßgeblichen Anteil an den kritischen Einschätzungen des IGB und der IAO-Expertenkommission hat die Arbeit von Adrian Zenz, dessen akribischen Recherchen das Ausmaß und die Systematik der Zwangsarbeit durch Uiguren in den vergangenen Jahren offenbart hat. Zenz erfuhr von chinesischer Seite Drohungen und Diffamierungen, auch weil er von den USA finanziert würde.
Sinologe Alpermann dagegen spricht von “innovativer Pionierarbeit”. Auch wenn er selbst “auf der Sachebene Kritik an einzelnen Details” übt, “ziehe ich den Hut davor.” Alpermann hält den Vorwurf der US-Finanzierung von Zenz für wenig stichhaltig. “Wenn es darum geht, welcher Wissenschaftler von wem bezahlt wird, dann dürfte ich keiner einzigen chinesischen akademischen Quelle mehr trauen können”, sagt er.
Bislang verteidigt Peking seine Haltung, dass die Vorwürfe einer systematischen Zwangsarbeit frei erfunden seien. Dennoch hatte die IAO-Kommission Ende vergangenen Jahres auf die Anschuldigungen hingewiesen. Im Rahmen ihrer Kompetenzen bat die Kommission die chinesische Regierung, diverse Schritte einzuleiten, um Missstände zu verbessern. Dabei müssen die Experten quasi über Umwege das Problem anvisieren. Denn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts hatte Peking die Konventionen 29 und 105, die sich explizit gegen Zwangsarbeit richten, noch nicht ratifiziert. Das geschah erst vor wenigen Wochen und ist damit für den IAO-Bericht nicht relevant.
Die erhobenen Vorwürfe werden stattdessen unter der von China im Januar 2006 ratifizierten Konvention 111 diskutiert. Diese richtet sich gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, beispielsweise wenn Arbeitnehmer:innen daran gehindert werden, ihren Arbeitsplatz auszuwählen. Die Kommission fordert China deshalb auf, seine Gesetzgebung gegen Diskriminierung zu präzisieren. “Wenn jemand unter Zwang arbeitet, hat er folglich nicht die Möglichkeit, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen”, sagt Senior Advisor DeMeyer. So sei die Hoffnung, Verbesserungen beim Thema Zwangsarbeit über besseren Schutz vor Diskriminierung zu erreichen.
Doch so oder so mahlen die Mühlen der IAO langsam, zumal China mit seinem Sitz in der Geschäftsführung eine rasche Einigung auf einen Aktionsplan verschleppen kann. Mindestens dürften vier oder fünf Jahre ins Land ziehen. Aber unabhängig davon, wann es zu einem Entschluss kommt, wäre der nächste Schritt die Einrichtung eine unabhängige Untersuchungskommission, die den Vorwürfen gründlich nachgehen muss. “Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Unterzeichnung der Zwangsarbeit-Konventionen durch die chinesische Regierung ein Zeichen dafür ist, dass das Land zuversichtlich ist, den Vorwurf der Zwangsarbeit ausräumen zu können”, sagt DeMeyer.
Sollte eine Untersuchungskommission jedoch zu dem Schluss kommen, dass die Vorwürfe stimmen, würde China die Zwangsarbeit rechtlich bindend verhindern müssen. Doch selbst für den Fall, dass dies nicht geschähe, wäre die Möglichkeiten zu Sanktionen durch die IAO begrenzt. Das zeigt das Beispiel Myanmar, das bislang als einziges Land der Geschichte bestraft worden ist. Die Sanktionen begrenzten sich darauf, Myanmar innerhalb der IAO weitgehend zu isolieren und die Mitgliedsstaaten aufzufordern, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Myanmar dahingehend zu überprüfen, ob sie in irgendeiner Form zum Einsatz von Zwangsarbeit beigetragen hatten.
Im Januar erlitt das chinesische Außenministerium laut Sprecher Zhao Lijian einen “schweren Schock”. Sloweniens Ministerpräsident Janez Janša hatte Taiwan ein “demokratisches Land” genannt und engere Beziehungen zu Taipeh angekündigt. Auch die Eröffnung einer Handelsvertretung mit dem Namen “Taiwan-Büro” schloss der Rechtspopulist nicht aus (China.Table berichtete). Ob der Plan in Ljubljana jetzt noch aktuell ist, ist allerdings fraglich: Janša ist abgewählt – und mit der neuen Regierung unter Polit-Neuling Robert Golob stehen die Zeichen der China-Politik in dem zentraleuropäischen EU-Staat wieder stärker auf wirtschaftlicher Zusammenarbeit als auf Konfrontation.
Der designierte Ministerpräsident Golob konnte mit seiner oppositionellen Freiheitsbewegung (Gibanje Svoboda, GS) vor gut zwei Wochen 34 Prozent der Stimmen erreichen – Janša kam lediglich auf 24 Prozent. Der grün-liberale Golob war den Slowenen zuvor nur als Geschäftsmann und Vorsitzender des teilstaatlichen Energiekonzerns Gen-I bekannt gewesen. Aus diesem Posten, mutmaßlich auf Janšas Bestrebungen hin, geschasst, gründete der Politik-Quereinsteiger Golob die GS-Partei.
Der Erfolg des 55-Jährigen überraschte nicht. “Die Freiheitsbewegung hatte bereits in Umfragen vor den Wahlen große Unterstützung”, erklärt die slowenische Politologin und China-Expertin Nina Pejič China.Table. Unter Amtsinhaber Janša waren unabhängige Medien und einzelne Journalisten immer mehr unter Druck geraten. Kritiker warfen dem auch als “Donald Trump der Karawanken” betitelten Janša zudem vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden.
Mit der Freiheitsbewegung soll sich das nun ändern, das war der Hauptpunkt der Wahlkampagne Golobs. Was GS in Bezug auf die Außenpolitik plant, blieb indes relativ unklar: “Die Freiheitsbewegung hat ihre Position gegenüber China nicht klar zum Ausdruck gebracht“, sagt Pejič.
Seit vergangener Woche laufen die Koalitionsgespräche zwischen GS und den Sozialdemokraten. Auch bei der Besetzung des wichtigsten außenpolitischen Postens könnten nun primär die wirtschaftlichen Verbindungen zur Volksrepublik im Fokus stehen – denn als Außenministerin wird derzeit Marta Kos gehandelt. Kos hatte als Botschafterin Slowenien bereits in der Schweiz und Deutschland vertreten und war 2020 wegen Uneinigkeiten über die außenpolitischen Positionen der Regierung Janša zurückgetreten. “Sie scheint hohes Ansehen zu genießen, besonders in der Wirtschaft”, so Pejič. Eine konfrontative Haltung gegenüber Peking ist mit Kos unwahrscheinlicher.
Pejič geht jedoch davon aus, dass Ljubljana die Stoßrichtung der EU-Politik gegenüber China im großen Rahmen durchaus unterstützen wird, beispielsweise hinsichtlich der Forderungen zur Einhaltung der Menschenrechte. Zustimmung könnte es der Chinaexpertin zufolge auch für ein bestimmtes Projekt geben: das Investitionsabkommen CAI zwischen der EU und China. Denn Golobs Partei konzentriere sich stark auf die Wettbewerbsfähigkeit Sloweniens und der EU, so Pejič. Auch die Wirtschaftsbeziehungen mit Taiwan sollen weiter verbessert werden – allerdings mit einem anderen Ansatz als dem der Vorgängerregierung: “Ich glaube, dass wir auch eine Diversifizierung erwarten können: weit offene Türen für Geschäfte mit Taipeh, allerdings ohne die politische Auseinandersetzung.”
Eine stärkere Konzentration auf die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Slowenien und China erwartet auch Tinkara Godec. Die Slowenin forscht an der Universität Wien zu den EU-China-Beziehungen. Während des Wahlkampfes haben die Verbindungen zwischen den beiden Staaten keinerlei Rolle gespielt, so Godec. “Weder auf dem Twitter-Account der Freiheitsbewegung, noch im Wahlprogramm wird China erwähnt.” Auch bei den TV-Debatten habe China bei keiner der Parteien größere Erwähnung gefunden.
Nach den politischen Verwerfungen wegen Janšas Aussage zu Taiwan im Januar habe sie erwartet, dass China als Thema prominenter werden würde. “Das war letztendlich aber kein Punkt von Interesse für die Parteien während des Wahlkampfs.”
Janša hatte in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik offen kritisiert und vor einer zu großen wirtschaftlichen Abhängigkeit gewarnt. Ob die neue Regierung das fortsetzen werde, müsse sich zeigen, so Godec. Die Parteien, die nun die Regierungskoalition bilden, beschreiben sich selbst gerne als die Beschützer der Demokratie in Slowenien. “Es wird spannend, zu sehen, ob sie diese Haltung auch in der internationalen Politik einnehmen und nicht nur einen wirtschaftlichen Fokus haben werden”, so Godec.
Die Behörden in Shanghai haben eine Lockerung des Corona-Lockdowns für den 1. Juni angekündigt. Bei einer Pressekonferenz am Montag verkündete Vize-Bürgermeister Zong Ming die Absicht, im kommenden Monat eine strenge durch eine “normale Virus-Kontrolle” ersetzen zu wollen. Die Infektionszahlen in der Stadt waren zuletzt rückläufig. Der Lockdown schränkt das Leben der 25 Millionen Einwohner seit knapp zwei Monaten erheblich ein.
Zong sagte, dass Alltag und Produktivität in Shanghai vielleicht schon zur Monatsmitte, spätestens aber Ende Juni zur Normalität zurückkehren sollen. In der kommenden Woche soll der öffentliche Transport wieder aufgenommen werden. Einzelne Geschäfte haben bereits die Erlaubnis erhalten, wieder zu öffnen (China.Table berichtete). Doch viele Betreiber nehmen die Gelegenheit noch nicht wahr, wohl aus Angst davor, möglicherweise tage- oder wochenlang in ihrem Geschäft bleiben und dort auch übernachten zu müssen.
Die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Shanghai war erstmals seit dem 24. März wieder unter einen vierstelligen Wert gefallen. In der Spitze waren es mehrere Zehntausend Ansteckungen binnen 24 Stunden. In den allermeisten Bezirken der Stadt gab es keine Übertragungen mehr, die sich außerhalb der isolierten Zonen ereignet haben.
Allerdings gab es bereits vor wenigen Wochen eine vergleichbare Situation, als in den vermeintlich virusfreien Gebieten dennoch neue Coronavirus-Fälle entdeckt worden waren und verlängerte Einschränkungen folgten. Viele Bürger:innen dürften sich auf die Ankündigung deswegen nur bedingt verlassen, auch weil Verlautbarung und Praxis während des Lockdowns häufig nicht übereinstimmten. Viele Betroffene klagten, dass es ihnen verboten war, Wohnungen oder Nachbarschaften zu verlassen, obwohl sie laut Regularien dazu berechtigt gewesen wären.
In Peking scheint ein Lockdown derweil weiterhin im Bereich des Möglichen. Die Infektionszahlen halten sich bislang in Grenzen, doch viele Maßnahmen schränken das Leben der Hauptstädter bereits jetzt ein. Tausende Student:innen der Tsinghua-Universität dürfen ihren Campus nicht mehr verlassen. Auch an der Peking Universität verschärfen sich die Maßnahmen. Die Uni errichtete eine Trennwand zwischen Campus und Wohnbereichen der Angestellten. In einem Video rissen Student:innen diese Wand jedoch ein. grz
Chinas monatliche Chipproduktion ist dramatisch zurückgegangen – und zwar auf den niedrigsten Stand seit 2020. Die Produktion integrierter Schaltkreise ging im April gegenüber dem Vorjahr um 12,1 Prozent auf 25,9 Milliarden Einheiten zurück. Das teilte das Nationale Statistikamt in Peking am Montag mit.
Der Rückgang in der Chipproduktion hat weitreichende Folgen: In Industriezweigen, die auf Chips angewiesen sind, kam es zuletzt zu dramatischen Produktionseinbrüchen. So verzeichnete beispielsweise Chinas Autofertigung im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 43,5 Prozent. Die Produktion von Industrierobotern, die in Automontagebändern weit verbreitet sind, ging im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr um 8,4 Prozent zurück.
Hinzu kommt Chinas strikte Null-Covid-Strategie: So wurde in Shanghai, wo vor dem Lockdown durchschnittlich rund 4.000 Fahrzeuge pro Tag verkauft wurden, im April kein einziges Fahrzeug verkauft. Das berichtet die Shanghai Automobile Dealers Association.
Derweil versucht China, die lokale Halbleiterproduktion anzukurbeln, um die Abhängigkeit von importierten Chips zu verringern. Im April vergangenen Jahres war die nationale Chipproduktion im Jahresvergleich um 29,4 Prozent auf 28,6 Milliarden Einheiten gestiegen. Auch die USA und die EU versuchen, ihren Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion zu steigern. Unter anderem wollen die USA China mit einer asiatischen Chip-Allianz auf dem Halbleitermarkt ausbremsen (China-Table berichtete). rad
US-Präsident Joe Biden hat am Freitag ein Gesetz unterzeichnet, das Taiwan helfen soll, seinen verlorenen Beobachterstatus bei der World Health Assembly (WHA) wiederzuerlangen. Das Repräsentantenhaus hatte das Gesetz Ende April ohne Gegenstimmen verabschiedet. Die Abgeordneten der Republikaner und der Demokraten, die es eingebracht hatten, lobten den Präsidenten für seine “Hilfsstrategie für Taiwan”. Taiwan leiste vorbildliche Beiträge für den Gesundheitsschutz, daher solle das Außenministerium darauf hinarbeiten, Chinas Blockadehaltung zu unterlaufen.
Auch der Senat der Tschechischen Republik, die zweite Kammer des tschechischen Parlaments, hat am 11. Mai eine Resolution verabschiedet, die zur Wiedereinsetzung von Taiwan als Beobachter der WHA aufruft. Von 2009 bis 2016 war Taiwan ohne Stimmrecht in der Versammlung vertreten. Das Gremium kontrolliert die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO). Es tritt ab Sonntag in Genf zusammen. Taiwan will eine Delegation unter der stellvertretenden Gesundheitsministerin Lee Li-fen 李麗芬 entsenden. fin
China hat die Ausweitung des nationalen Emissionshandels (ETS) auf die Sektoren Zement, Stahl und Aluminium auf das Jahr 2023 verschoben. Der Handel mit Emissions-Zertifikaten für diese drei Sektoren soll sogar erst 2025 starten. Als Ursache werden “Probleme der Datenqualität” genannt.
Am bisherigen Emissionshandels-System müssen lediglich fossile Kraftwerke, zumeist Kohlemeiler, teilnehmen. Schon bei der Einführung des derzeitigen Systems gab es jahrelange Verzögerungen. Anfang 2016 war zudem geplant, auch die Branchen Chemie und Raffinerien, Zementherstellung, Stahl sowie Zellstoff- und Papierproduktion und sogar den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Analysten gehen davon aus, dass die Klimawirkungen des chinesischen Emissionshandels aktuell gering sind (China.Table berichtete).
Dass die Ausweitung des Emissionshandels auf wichtige Industriesektoren verschoben wird, könnte mit der derzeit stockenden Wirtschaftsdynamik zusammenhängen. Die Zentralregierung hat jüngst neue Infrastruktur- und Bau-Ausgaben angekündigt, um das Wachstum anzukurbeln. Eine Integration des Zement-, Stahl- und Aluminiumsektors in den Emissionshandel wäre neben den Covid-Lockdowns eine weitere Belastung für viele Unternehmen. nib
Der Immobilien-Entwickler Sunac China kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Das hat der Konzern am Donnerstag bekannt gegeben. Das Unternehmen hat Zinszahlungen für eine Auslandsanleihe nicht bedient, wie Nikkei Asia berichtet.
Schon im letzten Monat war es zu Verzögerungen gekommen. Jetzt musste Sunac nach einer 30-Tages-Frist den Zahlungsausfall mitteilen. Es handelt sich um die Zinszahlungen für eine Anleihe in Höhe von 750 Millionen US-Dollar. Sunac ist einer der größten Immobilien-Entwickler der Volksrepublik. Das Unternehmen muss bis Juni 2023 mehr als drei Milliarden US-Dollar an Anleihen im In- und Ausland zurückzahlen.
Sunacs Chairman machte dem Bericht zufolge die “dramatischen Veränderungen im Makro-Umfeld des Immobiliensektors in China” verantwortlich. Die Verkaufszahlen waren im vergangenen Jahr eingebrochen. Die Regierung hatte gegen die hohe Verschuldung der Immobilien-Konzerne durchgegriffen. Die Covid-Lockdowns verschärfen das Geschäftsumfeld zusätzlich.
Erst vor wenigen Tagen hatte auch der Immobilien-Entwickler Shimao um einen Zahlungsaufschub gebeten. Eine 70-Millionen-Anleihe soll erst im kommenden Jahr bedient werden. nib
Nur drei Tage nach der Ernennung des als Hardliner bekannten John Lee zum neuen Regierungschef setzte die Hongkonger Polizei vier prominente Unterstützer der Demokratieaktivisten von 2019 fest. Neben dem prominenten 90 Jahre alten Kardinal Joseph Zen waren das die Anwältin und ehemalige Oppositionsabgeordnete Margaret Ng, die Kanto-Pop-Sängerin und kanadische Staatsangehörige Denise Ho und der Universitätsprofessor Hui Po-keung.
John Lee war der einzige Kandidat für die Wahl des Regierungschefs und erhielt 99,2 Prozent der abgegebenen 1.428 Stimmen. Er hatte bereits seit den 1970er-Jahren bei der Polizei der britischen Kolonialverwaltung gearbeitet und war vor seiner Wahl zuletzt Sicherheitsminister. Damit fiel auch der Umgang der Hongkonger Regierung mit den Demonstrationen von 2019 in seine Zuständigkeit.
Die Festnahme der vier prominenten Demokratieaktivisten zeigt, wie nervös und ängstlich die chinesische Regierung ist. Peking fürchtet seit jeher, Proteste und Kritik könnten in der Stadt wieder ausbrechen und auch auf das Festland übergreifen. Das wäre der Super-GAU für Peking, vor allem in einer Krisensituation wie zurzeit mit dem Covid-Chaos und einem massiven Einbruch der Konjunktur.
Bis vor zehn Jahren war Hongkong vorwiegend als boomende Wirtschaftsmetropole bekannt. Viele Berichte schilderten die Hongkonger vor allem als Wirtschaftsakteure und Unternehmer, die sich nicht für Politik interessierten. Bis zu einem gewissen Grad ist das richtig, aber unser Buch zeigt auch eine andere Seite der Geschichte.
Schon im Jahr 1898, als die New Territories für 99 Jahre an Großbritannien verpachtet wurden, gab es die ersten Proteste. Auch im 20. Jahrhundert lehnte sich die Bevölkerung immer wieder gegen die britische Fremdherrschaft und gegen soziale Ungerechtigkeit auf. Ein Großteil dieser Geschichte wurde schlicht verdrängt. Die Besetzung Hongkongs sowie die dunklen Aspekte der britischen Herrschaft hätten Großbritannien schlecht aussehen lassen, sodass viele Darstellungen diese Dimension einfach aussparten. Erst in den letzten Jahren hat sich Hongkongs Identität als “Stadt des Protests” wirklich herausgebildet und wurde weltweit wahrgenommen, erstmals durch die Regenschirm-Bewegung von 2014, dann aber vor allem durch die Proteste von 2019. Seither hat das Wort “Hongkong” eine andere Bedeutung.
Schon unter den Briten entstand aufgrund dieser Widerstände nicht nur eine dynamische Wirtschaftsmetropole, sondern eine lebendige und kreative Zivilgesellschaft, die auch nach der Rückgabe der Stadt an China im Jahr 1997 weiterlebte. Da die politischen Strukturen kaum echte Mitbestimmung der Bevölkerung zuließen, wurden viele Themen anderswo ausgehandelt. In Universitäten, Debattierclubs und Buchläden, auf öffentlichen Plätzen und in der Presse diskutierten die Hongkonger ihre Anliegen. Die Vielfalt und Dynamik der Presselandschaft waren auch im globalen Vergleich bemerkenswert. Nirgendwo gab es so viele kleine und große Verlage, Redaktionen, Online-Medien auf engstem Raum. Für viele Jahre kam die beste China-Berichterstattung aus Hongkong.
Das verwundert nicht, war doch die Geschichte von Hongkong schon seit den Anfängen aufs Engste mit der chinesischen Geschichte verknüpft. Wichtige Ereignisse in China haben Hongkong stets unmittelbar beeinflusst. So planten etwa die Revolutionäre um Sun Yat-sen schon um 1900 ihre Aufstände von Hongkong aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Hongkong der Brückenkopf des Westens zur Bekämpfung des Kommunismus und zugleich Chinas einziges Tor zur Welt. Seit der Gründung Hongkongs machten Chinesen, die vom Festland eingewandert waren, den Großteil der Hongkonger Bevölkerung aus. Einige flohen aufgrund der politischen Situation, andere kamen als Arbeiter. Sie passten sich an und trugen zugleich dazu bei, eine einzigartige Identität Hongkongs zu prägen. Durch die weiterhin bestehenden familiären und wirtschaftlichen Kontakte zum Festland war Hongkong bis in die 2010er Jahre hinein ein wichtiger Helfer und Ermöglicher für China. Umgekehrt profitierte die Hongkonger Wirtschaft enorm vom wirtschaftlichen Aufstieg Chinas.
Der Wendepunkt kam um 2013, als Xi Jinping chinesischer Staatspräsident wurde. Die Regierung des Festlands begann, sich stärker in Hongkong einzumischen. Sie war unzufrieden mit der Art, wie die Hongkonger Regierung mit den Protesten der Bürger umging. Diese wiederum erlebten eine Hongkonger Regierung, die ihre Probleme nicht verstand – oder nicht bereit war, auf sie einzugehen. Die Situation spitzte sich immer weiter zu und mündete in die Proteste von 2014 und 2019.
Als Reaktion auf die Proteste 2019 hat die Regierung des Festlands harte Maßnahmen gegen die Demokratiebewegung und gegen die freie Presse der Stadt ergriffen. Die im Juni 2020 erlassenen nationalen Sicherheitsgesetze sind sehr weit gefasst und bewusst vage. Sie verbieten Aufruhr, Subversion, Absprachen mit ausländischen Mächten und Terrorismus, aber es werden keine klaren Definitionen für diese Aktivitäten gegeben. Seit der Einführung des Gesetzes wurden mehr als 180 Menschen verhaftet, weil sie Protestparolen gerufen, vor Gericht geklatscht und die Reaktion der Regierung auf Covid kritisiert hatten.
Viele Hongkonger haben die Stadt verlassen. In unseren Gesprächen und Interviews mit Hongkongern begegnete uns oft ein immenses Gefühl der Verzweiflung. Sie haben Angst, in der Stadt nicht mehr leben zu können, und dass ihre Heimat in gewohnter Form nicht mehr existiert. Das Tempo, mit dem die Menschen Hongkong verlassen, hat sich jüngst noch beschleunigt, was sowohl auf die nationale Sicherheitsgesetzgebung als auch in jüngerer Zeit auf die drakonische Covid-Null-Politik zurückzuführen ist. In den nächsten Jahren könnten bis zu 300.000 Menschen der Stadt den Rücken kehren. In vielen Gegenden der Welt kam es zu einem echten Wachstum der Exilgemeinden aus Hongkong. Es besteht die Hoffnung, dass außerhalb der Stadt das Hongkonger Leben und die unverwechselbare Hongkonger Kultur weiter bestehen und gedeihen werden.
Mit der fortgesetzten Unterdrückung der Freiheitsrechte, der zunehmenden Verfolgung von Regierungskritikern und dem generellen Klima der Furcht ist Hongkongs Rolle als Stadt der Innovation und Kreativität bedroht. Das ist ein großes Problem für eine Stadt, die ihre Existenz darauf gründete, nicht einfach nur ein wirtschaftliches Zentrum mit globaler Bedeutung zu sein, sondern auch des freien Austausches und der Kritik. Es ist aber ein mindestens ebenso großer Verlust für Festland-China, auch wenn China das nicht wahrhaben will.
Julia Haes ist Geschäftsführerin des China-Instituts für die deutsche Wirtschaft in München und CEO von Finiens. Beide Unternehmen beraten chinesische und deutsche Firmen. Im Podcast “China ungeschminkt” spricht sie mit Klaus Mühlhahn und Anja Blanke über Chinathemen.
Klaus Mühlhahn ist Professor für Sinologie und zugleich Präsident der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Zuvor war er Vizepräsident der Freien Universität Berlin. Mühlhahn gilt als führender China-Experte, 2009 wurde er mit dem John-King-Fairbank-Preis der American Historical Association ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr erschien Mühlhahns Buch “Geschichte des modernen China. Von der Qing-Dynastie bis zur Gegenwart” in der “Historischen Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung”.
Am 16. Mai, erscheint ihr Buch “Hongkong: Umkämpfe Metropole. Von 1841 bis heute” im Verlag Herder .
als vor sechs Jahren Kuka vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea gekauft wurde, war der Aufschrei groß: mit dem Roboterhersteller aus Augsburg würden deutsches Knowhow und Technologie billigend nach China abgegeben. Kuka stehe exemplarisch für den Ausverkauf Deutschlands. Am heutigen Dienstag plant der chinesische Mutterkonzern Midea den nächsten großen Schritt in Sachen Kuka. Frank Sieren nimmt das zum Anlass, um Bilanz zu ziehen, ob sich die Übernahme für den neuen Besitzer bereits bezahlt gemacht hat.
Vor wenigen Wochen wartete China mit einer besonderen Überraschung auf: Peking ratifizierte plötzlich zwei internationale Arbeitsrechtskonventionen und sagte damit zu, mögliche Zwangsarbeit mit allen Mitteln verhindern zu wollen. Da passt es, dass in wenigen Tagen die Jahreskonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf stattfindet. Dort wird China mit Vorwürfen konfrontiert werden, die kein gutes Licht auf die Volksrepublik werfen. Marcel Grzanna hat sich deshalb angeschaut, welche Maßnahmen die UN-Organisation gegenüber China ergreifen könnte.
Slowenien hat China in den vergangenen Monaten geärgert. Unter Ministerpräsident Janez Janša war der EU-Staat zumindest verbal an Taiwan herangerückt. Peking hat sich entsprechend aufgeregt gezeigt. Doch mit der Abkehr von China könnte bald Schluss sein: Janša wurde abgewählt. Sein Nachfolger, Robert Golob, dürfte einen China-freundlicheren Kurs fahren – vor allem in der Wirtschaftspolitik.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Der größte deutsche Industrieroboterhersteller Kuka ist erfolgreich in das neue Geschäftsjahr gestartet. Zwischen Januar und März stiegen die Umsätze des Augsburger Konzerns um 18,3 Prozent auf 853,4 Millionen Euro. Kuka verzeichnete mit knapp 1,3 Milliarden Euro zudem ein um rund 42 Prozent höheres Auftragsvolumen. In China verdoppelte sich gar die Zahl der Aufträge. Die dortigen Umsätze stiegen um 61,2 Prozent. Noch liegen Deutschland und die USA mit 28 und 27 Prozent beim Konzernumsatz vorne. China folgt jedoch bereits auf Platz drei mit 17 Prozent.
Es wird auch höchste Zeit aus Sicht des chinesischen Managements, dass Kuka endlich abwirft, was der Name den neuen Besitzern versprochen hatte. Die Umsätze von Kuka bewegten sich jahrelang im Krebsgang: 2021 waren sie mit 3,3 Mrd. Euro nur etwas besser als 2016 mit 2,9 Mrd. Euro. Mideas Vizepräsident Andy Gu hatte bereits Druck gemacht und zeigte sich “definitiv nicht zufrieden” mit Kukas Abschneiden. Auch deshalb steht dem neuen Geschäftsführer Peter Mohnen in Alexander Tan nun ein chinesischer Finanzchef zur Seite.
Zumindest der Start ins neue Jahr könnte nun für die erhoffte Beschleunigung sorgen. Zumal die Prognosen gut sind. Laut einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG will Kuka den Umsatz in China bis 2024 um jährlich 30 Prozent steigern. Bis 2027 soll der Umsatz in der Volksrepublik von 589 Millionen Euro auf 2,35 Milliarden Euro klettern. Das wären 40 Prozent der Gesamterlöse, die dann vor allem mit auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Kleinrobotern und Software generiert werden sollen.
2016 war Kuka mehrheitlich vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea übernommen worden. Auch weil keine westlichen Gegenangebote gemacht wurden. In der Folge änderte die Bundesregierung sogar das Außenwirtschaftsgesetz, um in Zukunft mehr Mitspracherechte bei Firmenverkäufen zu haben. Inzwischen befinden sich mehr als 95 Prozent der Kuka-Anteile im Besitz von Midea. Wie kürzlich bekannt wurde, sollen bei der Hauptversammlung am 17. Mai die letzten deutschen Kleinaktionäre aus dem Unternehmen herausgekauft werden. Das Unternehmen hatte zudem im November überraschend den Rückzug von der Börse verkündet.
So soll das Unternehmen jenseits der Zwänge, Quartalszahlen veröffentlichen zu müssen, in Ruhe wachsen können. Denn Geld von Börsenanlegern braucht Kuka nicht. Das hat die Muttergesellschaft genug. Zwischen 2016 und 2021 hat sich der Midea-Umsatz mehr als verdoppelt auf über 53 Milliarden US-Dollar. Ähnlich entwickelte sich der Gewinn.
Die Diskrepanz zwischen dem Erfolg von Midea und der Seitwärtsbewegung von Kuka, setzt das Kuka-Management unter Druck. Auch wenn man beide Branchen nur bedingt vergleichen kann und die Marktposition von Kuka eine andere ist. Die Weltmarktanteile des japanischen Marktführers Fanuc und des Schweizer-schwedischen Roboterherstellers ABB sind jeweils fast doppelt so groß wie die von Kuka. Es folgen ein japanischer und ein italienischer Hersteller. Kuka rangiert wie 2016 auf Platz fünf.
Midea will bis 2025 rund 800 Millionen Euro in Kukas Forschung und Entwicklung stecken. So viel wie noch nie. “Ein Löwenanteil davon geht nach Augsburg“, betont Mohnen, “denn dort entwickeln wir Steuerungen, Software und Mechatronik.”
Der Betriebsrat zieht mit. Aufsichtsratsvize Michael Leppek von der IG Metall stützt den Kurs: “Wir geben eine wenig effektive Börsennotierung auf gegen einen gemeinsamen Wachstumsplan und langfristige Zusagen für Kuka mit dem Schwerpunkt auf Produktion und Technologien.”
So hält die Verbindung einstweilen: Die Chinesen brauchen das Know-how der Deutschen; die Deutschen das Geld und das Netzwerk in China. Klar ist jedoch: Es muss immer auch in China entwickelt und produziert werden. Schon heute produziert Kuka in Shanghai und Shunde in der südchinesischen Provinz Guangdong, dem Hauptstandort von Midea.
Die Lebensversicherung für Augsburg: Bei Forschung und Entwicklung besser bleiben als die Chinesen. 2021 stellte Kuka auf der digitalen Hannover Messe Teile eines neuen Betriebssystems vor, mit dem das Programmieren von Robotern so einfach werden soll wie das Arbeiten am Computer.
Obwohl China schon jetzt den größten Bestand an Industrierobotern hat, stammt ein Großteil noch immer aus ausländischer Herstellung. Allein im Jahr 2020 wurden in China 168.000 Roboter neu installiert. Laut Branchenverband IFR lag der Marktanteil der ausländischen Anbieter zuletzt bei 73 Prozent.
Peking möchte das so schnell wie möglich ändern und hat einen zweiten Entwicklungsplan für die Robotik in den 14. Fünfjahresplan aufgenommen. Die Robotik sei “die Schlüsseltechnologie der modernen Industrie”, erklärt Song Xiaogang, der Generalsekretär der China Robot Industry Alliance (CRIA).
Bei der Roboterdichte – Maschinen pro 10.000 Arbeiter – liegt China mit 246 Einheiten im globalen Ranking auf Platz neun. 2017 war es noch der 25. Platz mit 49 Robotern. Weltweit führend in Sachen Industrie-Roboter ist derzeit Südkorea. Hier kamen im Jahr 2020 auf 10.000 Arbeiter 932 Roboter. Deutschland belegt mit 371 Einheiten den vierten Platz.
Die Chance von Kuka als chinesisches Unternehmen: Weltweit spielen chinesische Roboterbauer kaum eine Rolle. Innerhalb Chinas lieferten heimische Anbieter wie Efort und Siasun zuletzt um die 45.000 Roboter aus, was einem Marktanteil von 27 Prozent entspricht. Zweitdrittel des Marktes werden also noch von ausländischen Unternehmen bedient. Das will Peking ändern.
Seit Dezember liegen zwei Einschätzungen der Expertenkommission der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) mit großer Tragweite auf dem Tisch. Ihre Kraft entfalten können sie jedoch erst bei der anstehenden IAO-Jahreskonferenz ab 27. Mai in Genf. Die 110. Session der UN-Organisation wird Einzelheiten zur Sprache bringen, die der Volksrepublik China ein dramatisch schlechtes Zeugnis ausstellen.
In ihrem Bericht greifen die Experten zahlreiche Vorwürfe des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) auf. Demnach verletze die Volksrepublik die internationalen Konventionen durch ein “weit verbreitetes und systematisches” Zwangsarbeitsprogramm, von dem in erster Linie Uiguren und andere muslimische Minderheiten betroffen seien.
Der IGB geht davon aus, dass vor allem die Insassen der Internierungslager in Xinjiang unter Zwang arbeiten müssen. Seiner Schätzung nach sind dort bis zu 1,8 Millionen Menschen untergebracht. Indikator für die große Zahl sind die wachsenden Ausmaße der Lager. Der IGB hat 39 davon ausgemacht, deren Flächen sich seit 2017 verdreifacht haben. Ausführlich griff die Kommission in dem Bericht die gesammelten Anschuldigungen auf und formulierte daraus ihre Empfehlungen an die chinesische Regierung.
“Die Länge der Stellungnahmen zu China lassen darauf schließen, dass die Kommission diesen Einschätzungen starke Aufmerksamkeit verleihen will. Sie sind länger als normalerweise üblich”, sagt Tim DeMeyer, Senior Advisor der IAO in Genf.
Einen Vorgeschmack darauf, wie die IAO mit den Vorwürfen gegen China umgehen will, wird die Session geben. Dann treffen Vertreter aller Mitgliedsstaaten und die Geschäftsführung zusammen, um rund zwei Wochen lang über die Entwicklung in einzelnen Staaten zu diskutieren und die Verbesserung globaler Standards für Arbeiter:innen und deren Beschäftigungsverhältnisse zu erarbeiten und bestenfalls zu beschließen.
DeMeyer erkennt in der Stellungnahme der Kommission eine “klare Handlungsanweisung” an die Konferenz, um China zu Gegenmaßnahmen zu bewegen. Doch der Belgier, der früher unter anderem das IAO-Büro in Peking leitete, sagt auch: “Tatsache bleibt, dass wir es trotz der Autorität des IAO-Aufsichtssystems immer mit einem souveränen Staat zu tun haben, der niemals zum Handeln gezwungen werden kann.” Verfügbares Werkzeug bleibt einzig die Diplomatie.
Sprache statt Strafe. Die entscheidende Frage in Genf wird also sein, ob sich die Parteien von ihren unterschiedlichen Positionen aus annähern können. Der Sinologe Björn Alpermann von der Universität Würzburg ist skeptisch. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass Chinas Vertreter nur einen Hauch von der offiziellen Position des Landes abweichen werden. Insofern ist die Konferenz in dieser Hinsicht eher ein zahnloser Tiger.”
Maßgeblichen Anteil an den kritischen Einschätzungen des IGB und der IAO-Expertenkommission hat die Arbeit von Adrian Zenz, dessen akribischen Recherchen das Ausmaß und die Systematik der Zwangsarbeit durch Uiguren in den vergangenen Jahren offenbart hat. Zenz erfuhr von chinesischer Seite Drohungen und Diffamierungen, auch weil er von den USA finanziert würde.
Sinologe Alpermann dagegen spricht von “innovativer Pionierarbeit”. Auch wenn er selbst “auf der Sachebene Kritik an einzelnen Details” übt, “ziehe ich den Hut davor.” Alpermann hält den Vorwurf der US-Finanzierung von Zenz für wenig stichhaltig. “Wenn es darum geht, welcher Wissenschaftler von wem bezahlt wird, dann dürfte ich keiner einzigen chinesischen akademischen Quelle mehr trauen können”, sagt er.
Bislang verteidigt Peking seine Haltung, dass die Vorwürfe einer systematischen Zwangsarbeit frei erfunden seien. Dennoch hatte die IAO-Kommission Ende vergangenen Jahres auf die Anschuldigungen hingewiesen. Im Rahmen ihrer Kompetenzen bat die Kommission die chinesische Regierung, diverse Schritte einzuleiten, um Missstände zu verbessern. Dabei müssen die Experten quasi über Umwege das Problem anvisieren. Denn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts hatte Peking die Konventionen 29 und 105, die sich explizit gegen Zwangsarbeit richten, noch nicht ratifiziert. Das geschah erst vor wenigen Wochen und ist damit für den IAO-Bericht nicht relevant.
Die erhobenen Vorwürfe werden stattdessen unter der von China im Januar 2006 ratifizierten Konvention 111 diskutiert. Diese richtet sich gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, beispielsweise wenn Arbeitnehmer:innen daran gehindert werden, ihren Arbeitsplatz auszuwählen. Die Kommission fordert China deshalb auf, seine Gesetzgebung gegen Diskriminierung zu präzisieren. “Wenn jemand unter Zwang arbeitet, hat er folglich nicht die Möglichkeit, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen”, sagt Senior Advisor DeMeyer. So sei die Hoffnung, Verbesserungen beim Thema Zwangsarbeit über besseren Schutz vor Diskriminierung zu erreichen.
Doch so oder so mahlen die Mühlen der IAO langsam, zumal China mit seinem Sitz in der Geschäftsführung eine rasche Einigung auf einen Aktionsplan verschleppen kann. Mindestens dürften vier oder fünf Jahre ins Land ziehen. Aber unabhängig davon, wann es zu einem Entschluss kommt, wäre der nächste Schritt die Einrichtung eine unabhängige Untersuchungskommission, die den Vorwürfen gründlich nachgehen muss. “Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Unterzeichnung der Zwangsarbeit-Konventionen durch die chinesische Regierung ein Zeichen dafür ist, dass das Land zuversichtlich ist, den Vorwurf der Zwangsarbeit ausräumen zu können”, sagt DeMeyer.
Sollte eine Untersuchungskommission jedoch zu dem Schluss kommen, dass die Vorwürfe stimmen, würde China die Zwangsarbeit rechtlich bindend verhindern müssen. Doch selbst für den Fall, dass dies nicht geschähe, wäre die Möglichkeiten zu Sanktionen durch die IAO begrenzt. Das zeigt das Beispiel Myanmar, das bislang als einziges Land der Geschichte bestraft worden ist. Die Sanktionen begrenzten sich darauf, Myanmar innerhalb der IAO weitgehend zu isolieren und die Mitgliedsstaaten aufzufordern, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Myanmar dahingehend zu überprüfen, ob sie in irgendeiner Form zum Einsatz von Zwangsarbeit beigetragen hatten.
Im Januar erlitt das chinesische Außenministerium laut Sprecher Zhao Lijian einen “schweren Schock”. Sloweniens Ministerpräsident Janez Janša hatte Taiwan ein “demokratisches Land” genannt und engere Beziehungen zu Taipeh angekündigt. Auch die Eröffnung einer Handelsvertretung mit dem Namen “Taiwan-Büro” schloss der Rechtspopulist nicht aus (China.Table berichtete). Ob der Plan in Ljubljana jetzt noch aktuell ist, ist allerdings fraglich: Janša ist abgewählt – und mit der neuen Regierung unter Polit-Neuling Robert Golob stehen die Zeichen der China-Politik in dem zentraleuropäischen EU-Staat wieder stärker auf wirtschaftlicher Zusammenarbeit als auf Konfrontation.
Der designierte Ministerpräsident Golob konnte mit seiner oppositionellen Freiheitsbewegung (Gibanje Svoboda, GS) vor gut zwei Wochen 34 Prozent der Stimmen erreichen – Janša kam lediglich auf 24 Prozent. Der grün-liberale Golob war den Slowenen zuvor nur als Geschäftsmann und Vorsitzender des teilstaatlichen Energiekonzerns Gen-I bekannt gewesen. Aus diesem Posten, mutmaßlich auf Janšas Bestrebungen hin, geschasst, gründete der Politik-Quereinsteiger Golob die GS-Partei.
Der Erfolg des 55-Jährigen überraschte nicht. “Die Freiheitsbewegung hatte bereits in Umfragen vor den Wahlen große Unterstützung”, erklärt die slowenische Politologin und China-Expertin Nina Pejič China.Table. Unter Amtsinhaber Janša waren unabhängige Medien und einzelne Journalisten immer mehr unter Druck geraten. Kritiker warfen dem auch als “Donald Trump der Karawanken” betitelten Janša zudem vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden.
Mit der Freiheitsbewegung soll sich das nun ändern, das war der Hauptpunkt der Wahlkampagne Golobs. Was GS in Bezug auf die Außenpolitik plant, blieb indes relativ unklar: “Die Freiheitsbewegung hat ihre Position gegenüber China nicht klar zum Ausdruck gebracht“, sagt Pejič.
Seit vergangener Woche laufen die Koalitionsgespräche zwischen GS und den Sozialdemokraten. Auch bei der Besetzung des wichtigsten außenpolitischen Postens könnten nun primär die wirtschaftlichen Verbindungen zur Volksrepublik im Fokus stehen – denn als Außenministerin wird derzeit Marta Kos gehandelt. Kos hatte als Botschafterin Slowenien bereits in der Schweiz und Deutschland vertreten und war 2020 wegen Uneinigkeiten über die außenpolitischen Positionen der Regierung Janša zurückgetreten. “Sie scheint hohes Ansehen zu genießen, besonders in der Wirtschaft”, so Pejič. Eine konfrontative Haltung gegenüber Peking ist mit Kos unwahrscheinlicher.
Pejič geht jedoch davon aus, dass Ljubljana die Stoßrichtung der EU-Politik gegenüber China im großen Rahmen durchaus unterstützen wird, beispielsweise hinsichtlich der Forderungen zur Einhaltung der Menschenrechte. Zustimmung könnte es der Chinaexpertin zufolge auch für ein bestimmtes Projekt geben: das Investitionsabkommen CAI zwischen der EU und China. Denn Golobs Partei konzentriere sich stark auf die Wettbewerbsfähigkeit Sloweniens und der EU, so Pejič. Auch die Wirtschaftsbeziehungen mit Taiwan sollen weiter verbessert werden – allerdings mit einem anderen Ansatz als dem der Vorgängerregierung: “Ich glaube, dass wir auch eine Diversifizierung erwarten können: weit offene Türen für Geschäfte mit Taipeh, allerdings ohne die politische Auseinandersetzung.”
Eine stärkere Konzentration auf die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Slowenien und China erwartet auch Tinkara Godec. Die Slowenin forscht an der Universität Wien zu den EU-China-Beziehungen. Während des Wahlkampfes haben die Verbindungen zwischen den beiden Staaten keinerlei Rolle gespielt, so Godec. “Weder auf dem Twitter-Account der Freiheitsbewegung, noch im Wahlprogramm wird China erwähnt.” Auch bei den TV-Debatten habe China bei keiner der Parteien größere Erwähnung gefunden.
Nach den politischen Verwerfungen wegen Janšas Aussage zu Taiwan im Januar habe sie erwartet, dass China als Thema prominenter werden würde. “Das war letztendlich aber kein Punkt von Interesse für die Parteien während des Wahlkampfs.”
Janša hatte in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik offen kritisiert und vor einer zu großen wirtschaftlichen Abhängigkeit gewarnt. Ob die neue Regierung das fortsetzen werde, müsse sich zeigen, so Godec. Die Parteien, die nun die Regierungskoalition bilden, beschreiben sich selbst gerne als die Beschützer der Demokratie in Slowenien. “Es wird spannend, zu sehen, ob sie diese Haltung auch in der internationalen Politik einnehmen und nicht nur einen wirtschaftlichen Fokus haben werden”, so Godec.
Die Behörden in Shanghai haben eine Lockerung des Corona-Lockdowns für den 1. Juni angekündigt. Bei einer Pressekonferenz am Montag verkündete Vize-Bürgermeister Zong Ming die Absicht, im kommenden Monat eine strenge durch eine “normale Virus-Kontrolle” ersetzen zu wollen. Die Infektionszahlen in der Stadt waren zuletzt rückläufig. Der Lockdown schränkt das Leben der 25 Millionen Einwohner seit knapp zwei Monaten erheblich ein.
Zong sagte, dass Alltag und Produktivität in Shanghai vielleicht schon zur Monatsmitte, spätestens aber Ende Juni zur Normalität zurückkehren sollen. In der kommenden Woche soll der öffentliche Transport wieder aufgenommen werden. Einzelne Geschäfte haben bereits die Erlaubnis erhalten, wieder zu öffnen (China.Table berichtete). Doch viele Betreiber nehmen die Gelegenheit noch nicht wahr, wohl aus Angst davor, möglicherweise tage- oder wochenlang in ihrem Geschäft bleiben und dort auch übernachten zu müssen.
Die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Shanghai war erstmals seit dem 24. März wieder unter einen vierstelligen Wert gefallen. In der Spitze waren es mehrere Zehntausend Ansteckungen binnen 24 Stunden. In den allermeisten Bezirken der Stadt gab es keine Übertragungen mehr, die sich außerhalb der isolierten Zonen ereignet haben.
Allerdings gab es bereits vor wenigen Wochen eine vergleichbare Situation, als in den vermeintlich virusfreien Gebieten dennoch neue Coronavirus-Fälle entdeckt worden waren und verlängerte Einschränkungen folgten. Viele Bürger:innen dürften sich auf die Ankündigung deswegen nur bedingt verlassen, auch weil Verlautbarung und Praxis während des Lockdowns häufig nicht übereinstimmten. Viele Betroffene klagten, dass es ihnen verboten war, Wohnungen oder Nachbarschaften zu verlassen, obwohl sie laut Regularien dazu berechtigt gewesen wären.
In Peking scheint ein Lockdown derweil weiterhin im Bereich des Möglichen. Die Infektionszahlen halten sich bislang in Grenzen, doch viele Maßnahmen schränken das Leben der Hauptstädter bereits jetzt ein. Tausende Student:innen der Tsinghua-Universität dürfen ihren Campus nicht mehr verlassen. Auch an der Peking Universität verschärfen sich die Maßnahmen. Die Uni errichtete eine Trennwand zwischen Campus und Wohnbereichen der Angestellten. In einem Video rissen Student:innen diese Wand jedoch ein. grz
Chinas monatliche Chipproduktion ist dramatisch zurückgegangen – und zwar auf den niedrigsten Stand seit 2020. Die Produktion integrierter Schaltkreise ging im April gegenüber dem Vorjahr um 12,1 Prozent auf 25,9 Milliarden Einheiten zurück. Das teilte das Nationale Statistikamt in Peking am Montag mit.
Der Rückgang in der Chipproduktion hat weitreichende Folgen: In Industriezweigen, die auf Chips angewiesen sind, kam es zuletzt zu dramatischen Produktionseinbrüchen. So verzeichnete beispielsweise Chinas Autofertigung im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 43,5 Prozent. Die Produktion von Industrierobotern, die in Automontagebändern weit verbreitet sind, ging im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr um 8,4 Prozent zurück.
Hinzu kommt Chinas strikte Null-Covid-Strategie: So wurde in Shanghai, wo vor dem Lockdown durchschnittlich rund 4.000 Fahrzeuge pro Tag verkauft wurden, im April kein einziges Fahrzeug verkauft. Das berichtet die Shanghai Automobile Dealers Association.
Derweil versucht China, die lokale Halbleiterproduktion anzukurbeln, um die Abhängigkeit von importierten Chips zu verringern. Im April vergangenen Jahres war die nationale Chipproduktion im Jahresvergleich um 29,4 Prozent auf 28,6 Milliarden Einheiten gestiegen. Auch die USA und die EU versuchen, ihren Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion zu steigern. Unter anderem wollen die USA China mit einer asiatischen Chip-Allianz auf dem Halbleitermarkt ausbremsen (China-Table berichtete). rad
US-Präsident Joe Biden hat am Freitag ein Gesetz unterzeichnet, das Taiwan helfen soll, seinen verlorenen Beobachterstatus bei der World Health Assembly (WHA) wiederzuerlangen. Das Repräsentantenhaus hatte das Gesetz Ende April ohne Gegenstimmen verabschiedet. Die Abgeordneten der Republikaner und der Demokraten, die es eingebracht hatten, lobten den Präsidenten für seine “Hilfsstrategie für Taiwan”. Taiwan leiste vorbildliche Beiträge für den Gesundheitsschutz, daher solle das Außenministerium darauf hinarbeiten, Chinas Blockadehaltung zu unterlaufen.
Auch der Senat der Tschechischen Republik, die zweite Kammer des tschechischen Parlaments, hat am 11. Mai eine Resolution verabschiedet, die zur Wiedereinsetzung von Taiwan als Beobachter der WHA aufruft. Von 2009 bis 2016 war Taiwan ohne Stimmrecht in der Versammlung vertreten. Das Gremium kontrolliert die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO). Es tritt ab Sonntag in Genf zusammen. Taiwan will eine Delegation unter der stellvertretenden Gesundheitsministerin Lee Li-fen 李麗芬 entsenden. fin
China hat die Ausweitung des nationalen Emissionshandels (ETS) auf die Sektoren Zement, Stahl und Aluminium auf das Jahr 2023 verschoben. Der Handel mit Emissions-Zertifikaten für diese drei Sektoren soll sogar erst 2025 starten. Als Ursache werden “Probleme der Datenqualität” genannt.
Am bisherigen Emissionshandels-System müssen lediglich fossile Kraftwerke, zumeist Kohlemeiler, teilnehmen. Schon bei der Einführung des derzeitigen Systems gab es jahrelange Verzögerungen. Anfang 2016 war zudem geplant, auch die Branchen Chemie und Raffinerien, Zementherstellung, Stahl sowie Zellstoff- und Papierproduktion und sogar den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Analysten gehen davon aus, dass die Klimawirkungen des chinesischen Emissionshandels aktuell gering sind (China.Table berichtete).
Dass die Ausweitung des Emissionshandels auf wichtige Industriesektoren verschoben wird, könnte mit der derzeit stockenden Wirtschaftsdynamik zusammenhängen. Die Zentralregierung hat jüngst neue Infrastruktur- und Bau-Ausgaben angekündigt, um das Wachstum anzukurbeln. Eine Integration des Zement-, Stahl- und Aluminiumsektors in den Emissionshandel wäre neben den Covid-Lockdowns eine weitere Belastung für viele Unternehmen. nib
Der Immobilien-Entwickler Sunac China kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Das hat der Konzern am Donnerstag bekannt gegeben. Das Unternehmen hat Zinszahlungen für eine Auslandsanleihe nicht bedient, wie Nikkei Asia berichtet.
Schon im letzten Monat war es zu Verzögerungen gekommen. Jetzt musste Sunac nach einer 30-Tages-Frist den Zahlungsausfall mitteilen. Es handelt sich um die Zinszahlungen für eine Anleihe in Höhe von 750 Millionen US-Dollar. Sunac ist einer der größten Immobilien-Entwickler der Volksrepublik. Das Unternehmen muss bis Juni 2023 mehr als drei Milliarden US-Dollar an Anleihen im In- und Ausland zurückzahlen.
Sunacs Chairman machte dem Bericht zufolge die “dramatischen Veränderungen im Makro-Umfeld des Immobiliensektors in China” verantwortlich. Die Verkaufszahlen waren im vergangenen Jahr eingebrochen. Die Regierung hatte gegen die hohe Verschuldung der Immobilien-Konzerne durchgegriffen. Die Covid-Lockdowns verschärfen das Geschäftsumfeld zusätzlich.
Erst vor wenigen Tagen hatte auch der Immobilien-Entwickler Shimao um einen Zahlungsaufschub gebeten. Eine 70-Millionen-Anleihe soll erst im kommenden Jahr bedient werden. nib
Nur drei Tage nach der Ernennung des als Hardliner bekannten John Lee zum neuen Regierungschef setzte die Hongkonger Polizei vier prominente Unterstützer der Demokratieaktivisten von 2019 fest. Neben dem prominenten 90 Jahre alten Kardinal Joseph Zen waren das die Anwältin und ehemalige Oppositionsabgeordnete Margaret Ng, die Kanto-Pop-Sängerin und kanadische Staatsangehörige Denise Ho und der Universitätsprofessor Hui Po-keung.
John Lee war der einzige Kandidat für die Wahl des Regierungschefs und erhielt 99,2 Prozent der abgegebenen 1.428 Stimmen. Er hatte bereits seit den 1970er-Jahren bei der Polizei der britischen Kolonialverwaltung gearbeitet und war vor seiner Wahl zuletzt Sicherheitsminister. Damit fiel auch der Umgang der Hongkonger Regierung mit den Demonstrationen von 2019 in seine Zuständigkeit.
Die Festnahme der vier prominenten Demokratieaktivisten zeigt, wie nervös und ängstlich die chinesische Regierung ist. Peking fürchtet seit jeher, Proteste und Kritik könnten in der Stadt wieder ausbrechen und auch auf das Festland übergreifen. Das wäre der Super-GAU für Peking, vor allem in einer Krisensituation wie zurzeit mit dem Covid-Chaos und einem massiven Einbruch der Konjunktur.
Bis vor zehn Jahren war Hongkong vorwiegend als boomende Wirtschaftsmetropole bekannt. Viele Berichte schilderten die Hongkonger vor allem als Wirtschaftsakteure und Unternehmer, die sich nicht für Politik interessierten. Bis zu einem gewissen Grad ist das richtig, aber unser Buch zeigt auch eine andere Seite der Geschichte.
Schon im Jahr 1898, als die New Territories für 99 Jahre an Großbritannien verpachtet wurden, gab es die ersten Proteste. Auch im 20. Jahrhundert lehnte sich die Bevölkerung immer wieder gegen die britische Fremdherrschaft und gegen soziale Ungerechtigkeit auf. Ein Großteil dieser Geschichte wurde schlicht verdrängt. Die Besetzung Hongkongs sowie die dunklen Aspekte der britischen Herrschaft hätten Großbritannien schlecht aussehen lassen, sodass viele Darstellungen diese Dimension einfach aussparten. Erst in den letzten Jahren hat sich Hongkongs Identität als “Stadt des Protests” wirklich herausgebildet und wurde weltweit wahrgenommen, erstmals durch die Regenschirm-Bewegung von 2014, dann aber vor allem durch die Proteste von 2019. Seither hat das Wort “Hongkong” eine andere Bedeutung.
Schon unter den Briten entstand aufgrund dieser Widerstände nicht nur eine dynamische Wirtschaftsmetropole, sondern eine lebendige und kreative Zivilgesellschaft, die auch nach der Rückgabe der Stadt an China im Jahr 1997 weiterlebte. Da die politischen Strukturen kaum echte Mitbestimmung der Bevölkerung zuließen, wurden viele Themen anderswo ausgehandelt. In Universitäten, Debattierclubs und Buchläden, auf öffentlichen Plätzen und in der Presse diskutierten die Hongkonger ihre Anliegen. Die Vielfalt und Dynamik der Presselandschaft waren auch im globalen Vergleich bemerkenswert. Nirgendwo gab es so viele kleine und große Verlage, Redaktionen, Online-Medien auf engstem Raum. Für viele Jahre kam die beste China-Berichterstattung aus Hongkong.
Das verwundert nicht, war doch die Geschichte von Hongkong schon seit den Anfängen aufs Engste mit der chinesischen Geschichte verknüpft. Wichtige Ereignisse in China haben Hongkong stets unmittelbar beeinflusst. So planten etwa die Revolutionäre um Sun Yat-sen schon um 1900 ihre Aufstände von Hongkong aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Hongkong der Brückenkopf des Westens zur Bekämpfung des Kommunismus und zugleich Chinas einziges Tor zur Welt. Seit der Gründung Hongkongs machten Chinesen, die vom Festland eingewandert waren, den Großteil der Hongkonger Bevölkerung aus. Einige flohen aufgrund der politischen Situation, andere kamen als Arbeiter. Sie passten sich an und trugen zugleich dazu bei, eine einzigartige Identität Hongkongs zu prägen. Durch die weiterhin bestehenden familiären und wirtschaftlichen Kontakte zum Festland war Hongkong bis in die 2010er Jahre hinein ein wichtiger Helfer und Ermöglicher für China. Umgekehrt profitierte die Hongkonger Wirtschaft enorm vom wirtschaftlichen Aufstieg Chinas.
Der Wendepunkt kam um 2013, als Xi Jinping chinesischer Staatspräsident wurde. Die Regierung des Festlands begann, sich stärker in Hongkong einzumischen. Sie war unzufrieden mit der Art, wie die Hongkonger Regierung mit den Protesten der Bürger umging. Diese wiederum erlebten eine Hongkonger Regierung, die ihre Probleme nicht verstand – oder nicht bereit war, auf sie einzugehen. Die Situation spitzte sich immer weiter zu und mündete in die Proteste von 2014 und 2019.
Als Reaktion auf die Proteste 2019 hat die Regierung des Festlands harte Maßnahmen gegen die Demokratiebewegung und gegen die freie Presse der Stadt ergriffen. Die im Juni 2020 erlassenen nationalen Sicherheitsgesetze sind sehr weit gefasst und bewusst vage. Sie verbieten Aufruhr, Subversion, Absprachen mit ausländischen Mächten und Terrorismus, aber es werden keine klaren Definitionen für diese Aktivitäten gegeben. Seit der Einführung des Gesetzes wurden mehr als 180 Menschen verhaftet, weil sie Protestparolen gerufen, vor Gericht geklatscht und die Reaktion der Regierung auf Covid kritisiert hatten.
Viele Hongkonger haben die Stadt verlassen. In unseren Gesprächen und Interviews mit Hongkongern begegnete uns oft ein immenses Gefühl der Verzweiflung. Sie haben Angst, in der Stadt nicht mehr leben zu können, und dass ihre Heimat in gewohnter Form nicht mehr existiert. Das Tempo, mit dem die Menschen Hongkong verlassen, hat sich jüngst noch beschleunigt, was sowohl auf die nationale Sicherheitsgesetzgebung als auch in jüngerer Zeit auf die drakonische Covid-Null-Politik zurückzuführen ist. In den nächsten Jahren könnten bis zu 300.000 Menschen der Stadt den Rücken kehren. In vielen Gegenden der Welt kam es zu einem echten Wachstum der Exilgemeinden aus Hongkong. Es besteht die Hoffnung, dass außerhalb der Stadt das Hongkonger Leben und die unverwechselbare Hongkonger Kultur weiter bestehen und gedeihen werden.
Mit der fortgesetzten Unterdrückung der Freiheitsrechte, der zunehmenden Verfolgung von Regierungskritikern und dem generellen Klima der Furcht ist Hongkongs Rolle als Stadt der Innovation und Kreativität bedroht. Das ist ein großes Problem für eine Stadt, die ihre Existenz darauf gründete, nicht einfach nur ein wirtschaftliches Zentrum mit globaler Bedeutung zu sein, sondern auch des freien Austausches und der Kritik. Es ist aber ein mindestens ebenso großer Verlust für Festland-China, auch wenn China das nicht wahrhaben will.
Julia Haes ist Geschäftsführerin des China-Instituts für die deutsche Wirtschaft in München und CEO von Finiens. Beide Unternehmen beraten chinesische und deutsche Firmen. Im Podcast “China ungeschminkt” spricht sie mit Klaus Mühlhahn und Anja Blanke über Chinathemen.
Klaus Mühlhahn ist Professor für Sinologie und zugleich Präsident der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Zuvor war er Vizepräsident der Freien Universität Berlin. Mühlhahn gilt als führender China-Experte, 2009 wurde er mit dem John-King-Fairbank-Preis der American Historical Association ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr erschien Mühlhahns Buch “Geschichte des modernen China. Von der Qing-Dynastie bis zur Gegenwart” in der “Historischen Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung”.
Am 16. Mai, erscheint ihr Buch “Hongkong: Umkämpfe Metropole. Von 1841 bis heute” im Verlag Herder .