Table.Briefing: China

Kiews Hoffnung + Europäische Fürsprecher

  • Ukraine setzt auf eine stärkere Rolle Pekings
  • Wahlausgänge in Ungarn und Serbien in Chinas Sinne
  • Guangzhous Bürger rechnen mit baldigem Lockdown
  • Ratifizierung von Konventionen zur Zwangsarbeit
  • Kolumnist von Stand News in Hongkong festgenommen
  • Corona-Blase soll Produktion bei CATL aufrechterhalten
  • Drogeriekette Müller bietet Zahlung per Alipay+
  • Von der Leyen kündigt Treffen zu Global Gateway an
  • Porträt: Wang Jixian provoziert Peking mit Videos aus Odessa
Liebe Leserin, lieber Leser,

der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist inzwischen für seine klaren Worte bekannt. Mit Kritik hält er sich nicht zurück – nicht gegenüber den USA, nicht gegenüber Europa und auch nicht gegenüber Deutschland. Doch ausgerechnet gegenüber China ist die ukrainische Führung bislang äußerst zurückhaltend gewesen. Frank Sieren ist in seiner Analyse den Gründen für diese auffällige Zurückhaltung nachgegangen – und findet sie vor allem im monetären Bereich.

Überaus gute Nachrichten für Peking gab es derweil auch aus Ungarn und Serbien. Mit Viktor Orbán und Aleksandar Vučić konnten zwei sehr China-freundliche Politiker die jeweilige Parlamentswahl gewinnen. Die Europäische Kommission könnte damit ungewollt Ungarn weiter in Richtung Volksrepublik treiben, schreibt Amelie Richter. Auch Serbien sieht derweil nicht mehr Russland, sondern zunehmend China als “neuen besten Freund” im Osten. Doch noch ist diese Entwicklung nicht vorgezeichnet. Vor allem ein Land, das derzeit selbst eine Wende in Bezug auf China vollzieht, könnte demnach noch entscheidenden Einfluss nehmen: Deutschland.

Zudem möchte ich Sie noch auf unser heutiges Porträt hinweisen. Es geht um Wang Jixian, einen chinesischen Programmierer, der derzeit in der ukrainischen Hafenstadt Odessa lebt und arbeitet. Einige bezeichnen ihn als den “letzten Chinesen in Odessa”. Fabian Peltsch zeigt, wie Wang Jixian innerhalb weniger Wochen zu einem der sichtbarsten Chinesen im Ukraine-Krieg geworden ist. Denn während die Regierung in Peking in diesem Krieg einen wahren Eiertanz aufführt, bezieht Wang klar Stellung. Wie und warum er sein Gesicht mit einem Porno vergleicht, erfahren Sie in unserem heutigen Porträt.  

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Analyse

Ukrainische Hoffnung auf chinesische Hilfe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hält sich mit Kritik an der Volksrepublik China zurück. Im Gegensatz zur EU und den USA verlangt Selenskyj von der chinesischen Regierung nicht, sie solle den Angriffskrieg Putins klar verurteilen. Bislang hatte der ukrainische Regierungschef aber auch noch nicht die Gelegenheit, mit Chinas Staatschef Xi Jinping persönlich zu sprechen. Xi sprach seit Kriegsausbruch zwar schon mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, den wichtigsten EU-Regierungschefs sowie mit US-Präsident Joe Biden. Doch zwischen der Ukraine und China hatten bislang nur die Außenminister zueinander Kontakt. Zuletzt Anfang vergangener Woche.

“Es gibt viele Gerüchte darüber, dass China Russland militärisch, wirtschaftlich und diplomatisch auf verschiedene Weise unterstützen will. Aber wir haben Chinas neutrale Position gesehen”, fasst der Chef des ukrainischen Präsidialamtes Andriy Yermak die Position der Ukraine zu China zusammen. Man sehe in der engen Beziehung Chinas zu Russland vielmehr eine Chance. Yermak gab sich überzeugt, dass “China eine der stärksten globalen Führungsmächte ist”.

Wohl auch deshalb hat sich Präsident Selenskyj vergangene Woche beim konservativen US-Sender Fox News gewünscht, “China sollte einer der Sicherheitsgaranten einer Einigung mit Russland sein”. Dabei bezieht er sich auf ein neues Sicherheitsarrangement, das die Ukraine vor weiteren russischen Aggressionen schützen würde, anstelle einer Nato-Mitgliedschaft. “Wir behandeln China mit größtem Respekt und erwarten, dass es eine proaktive Rolle spielt”, fügte Yermak hinzu. Aus diplomatischen Kreisen in Peking ist zu hören, dass China der Ukraine massive Aufbauhilfe zugesagt haben soll.

Der von Selenskyj bestimmte Verhandlungsführer mit den Russen, David Arakhamia, wünschte sich ebenfalls eine stärkere Vermittlerrolle Chinas in dem Konflikt, äußerte allerdings auch Kritik. China zur Unterstützung für die Ukraine zu bewegen, werde immer schwieriger. “Aber ich glaube, China wird schlussendlich einsteigen”, sagte Arakhamia. Kiew wünscht sich eine “deutlichere Positionierung” Chinas bei der Beendigung des Krieges in der Ukraine und “beim Aufbau eines neuen globalen Sicherheitssystems.”

“Nachhaltiger Sicherheitsmechanismus für Europa”

Die EU hatte Peking beim EU-China-Gipfel vor anderthalb Wochen dafür kritisiert, dass Xi Jinping noch nicht mit Selenskyj gesprochen hatte. In Peking heißt es, ein solcher Kontakt sei weiterhin geplant. Gleichzeitig pocht Peking gegenüber Washington und Brüssel darauf, dass es einen Gipfel zwischen den USA und Russland geben sollte, dem Moskau bereits zugestimmt habe, der jedoch von Washington bislang abgelehnt werde.

In einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Dmytro Kuleba signalisierte Chinas Außenminister Wang Yi vergangene Woche, dass China bereit sei, eine konstruktive Rolle zu spielen, dabei aber seine “objektive Position” nicht verlassen werde (China.Table berichtete). Es müsse vor allem darum gehen, einen “ausbalancierten, effektiven und nachhaltigen Sicherheitsmechanismus in Europa zu etablieren”. China habe weder die Mentalität, das Feuer aus sicherer Distanz zu betrachten noch Interesse daran, Öl ins Feuer zu gießen, sagte Wang.

China sei eine “Schlüsselmacht, um den Frieden zu garantieren”, gibt das chinesische Außenministerium die Position Kulebas in dem Gespräch wieder. Die Ukraine halte Chinas “internationalen Einfluss und Prestige” für wichtig und hofft, dass die Volksrepublik “weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es darum geht, eine Waffenruhe zu erreichen und den Konflikt zu stoppen.” Kuleba wiederum gab seine Position auf Twitter neutraler und knapper, wenn auch nicht kritischer wieder: “Wir sind beide überzeugt, dass ein Ende des Krieges gegen die Ukraine dem gemeinsamen Interesse an Frieden, der globalen Sicherheit, der Nahrungsmittelversorgung und dem internationalen Handel dient.”

Ukraine bedankt sich für chinesische Solidarität

Welche Lücken jedoch zwischen den Positionen Chinas, der EU und der Ukraine bestehen, zeigte das Beispiel Butscha, wo Hunderte zivile Leichen entdeckt worden waren. Kiew und der Westen machen russische Soldaten für das Blutbad verantwortlich. In der chinesischen Berichterstattung kam Butscha erst gar nicht vor (China.Table berichtete). Dann äußerte sich die Führung in Peking zurückhaltend. Man verurteilte die Morde, ohne Russland jedoch als Schuldigen zu benennen: “Die Attacken gegen Zivilisten sind inakzeptabel. Die Berichte und Bilder von zivilen Toten sind zutiefst verstörend”, sagte Zhang Jun, Chinas UN-Botschafter nur und forderte eine Untersuchung der Morde. Aus der EU hagelte es Kritik dafür. “Niemand kann neutral bleiben, wenn er mit einer solchen nackten Aggression gegen Zivilisten konfrontiert wird”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

“Russland und China haben durch ihre Äußerungen und Aktionen deutlich gemacht, dass sie glauben, dass Großmächte Anspruch auf eine Einflusszone in ihrer jeweiligen Nachbarschaft haben“, stellt EU-Außenkommissar Josep Borrell hingegen fest (China.Table berichtete). Anders als in Brüssel und Washington, werden in Kiew, Moskau und Peking aber bisher nicht in einen Topf geworfen.

Die Ukraine hingegen bedankte sich bei den Chinesen für deren Solidarität mit den Opfern. Auch haben Präsident Selenskyj oder sein Außenminister Peking bisher nicht öffentlich kritisiert, dass sich die chinesische Regierung beharrlich weigert, den Einmarsch russischer Truppen als “Invasion” oder “Angriffskrieg” zu verurteilen. Statt dessen spricht Peking von einem “Konflikt in der Ukraine” und betont immer wieder die USA und die Nato seien verantwortlich dafür, die Krise initiiert und befeuert zu haben.

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Ungarn und Serbien bleiben auf Peking-Kurs

Viktor Orbán, Ungarn und Aleksandar Vučić, Serbien bei der Eröffnung einer Teilstrecke der Schnelltrasse Budapest-Belgrad Mitte März - die Trasse wird von China finanziert.
Viktor Orbán und Aleksandar Vučić bei der Eröffnung einer Teilstrecke der Schnelltrasse Budapest-Belgrad Mitte März.

In Wochen der angespannten Kommunikation zwischen der EU und China dürften die aktuellen Nachrichten aus Ungarn in Peking zumindest zu einem kleinen Aufatmen geführt haben. Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei konnten bei der Parlamentswahl in Ungarn vor gut einer Woche einen großen Sieg einfahren – und der Volksrepublik bleibt damit der eifrigste Unterstützer innerhalb der Europäischen Union erhalten. 

Orbán tritt nun bereits seine fünfte Amtszeit an, im Parlament hält seine Partei zwei Drittel der Sitze und damit eine “Supermehrheit”. China werde Ungarn weiterhin dabei unterstützen, den “selbst gewählten Entwicklungsweg zu bewahren”, sagte Chinas Außenminister Wang Yi beim Gratulations-Telefonat mit seinem ungarischen Kollegen Péter Szijjártó vergangene Woche. Peking hofft – oder pocht – also auf eine Fortsetzung der bisherigen China-Politik. Mit Orbán an der Spitze stehen die Chancen dafür jedenfalls gut.

China war kein Wahlkampfthema

Dabei hatte es 2021 und zu Beginn dieses Jahres zeitweise danach ausgesehen, dass die China-kritische Opposition bei der Parlamentswahl dieses Mal eine reale Chance gegen Orbán hat. Die Bauabsichten für einen Ableger der chinesischen Fudan-Universität in Budapest führten zu Protesten.

Die Opposition habe die Regierung aus diesem Anlass erstmals mit der China-Frage konfrontiert, erklärt Roland Freudenstein, Vizepräsident und Leiter des Brüsseler Büros des zentraleuropäischen Thinktanks Globsec. “Aber in den ersten Monaten des Jahres 2022 gelang es Fidesz dank ihrer überwältigenden Dominanz im Medienraum und der russischen Invasion in der Ukraine, die Themen der öffentlichen Debatte vor den Wahlen festzulegen, und China war kein Teil davon”, sagt Freudenstein gegenüber China.Table.

Nach dem Wahlerfolg sei Orbán “wie auf Steroiden”, sagt Freudenstein – ein Abrücken von der bisherigen China-Politik sei unwahrscheinlich. Eher im Gegenteil: “Er wird versuchen, bei den meisten seiner Politikstrategien noch eines draufzusetzen. Einschließlich bei seiner Idee, dass ein zunehmend totalitäres China die Zukunft und der ‘alte Westen’ die Vergangenheit ist.” Ungarn diene China als Trojanisches Pferd in der EU, so Freudenstein.

Zukunft des Fudan-Campus noch unklar

Ein mächtiges Werkzeug der Softpower wäre dabei der Fudan-Campus mitten in der ungarischen Hauptstadt. Das Schicksal des Milliarden-Projekts ist derzeit noch unklar. Der Bürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, hat genügend Stimmen für ein Referendum gesammelt, um den Bau noch abzuwenden (China.Table berichtete). Lokalen Medienberichten zufolge könnte die Abstimmung frühestens im Sommer stattfinden. Vermutet wird ein Termin im Oktober – falls das von Fidesz dominierte Parlament dem Referendum zustimmt.

Globsec-Büroleiter Freudenstein geht davon aus, dass der Fudan-Ableger gebaut wird. “Gerade, weil sich Fidesz so unangreifbar fühlt.” Das könnte sich aber noch ändern: Ungarn schlittere unter anderem wegen der möglichen Kürzung von EU-Geldern aus rechtsstaatlichen Gründen in große finanzielle Schwierigkeiten, warnt Freudenstein. Ungarn muss sich als erstes EU-Land wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit einem Verfahren stellen.

Die EU-Kommission wirft Orbáns Regierung vor, EU-Mittel in dunklen Kanälen versickern zu lassen. Der langwierige Mechanismus, den Brüssel vergangene Woche gegen Budapest eingeleitet hat, könnte dazu führen, dass Ungarns jährlicher Anteil am EU-Haushalt in Höhe von 6,14 Milliarden Euro eingefroren wird.

Die geschmälerten finanziellen Aussichten könnten dazu führen, dass Budapest sich nach anderen Geldgebern umsieht, erklärt Matej Šimalčík geschäftsführender Direktor der Denkfabrik Central European Institute of Asian Studies: “Das kann Ungarn natürlich näher an China als alternative Finanzierungsquelle heranführen”, sagt Šimalčík der Zeitung South China Morning Post.

China ersetzt Russland als Serbiens wichtigster Partner

Und auch aus Ungarns Nachbarland Serbien gab es Anfang April gute Nachrichten für Peking. Dort konnte sich Präsident Aleksandar Vučić eine weitere Amtszeit sichern. Vučić und Orbán waren Mitte März sogar zusammen auf Wahlkampftour – bei der Eröffnung der Schnellbahnstrecke von Belgrad nach Novi Sad. Mit der neuen Zugverbindung gehe Serbien Schritte “in die Zukunft”, freute sich Vučić bei der Einweihung des ersten Teilabschnitts der von China finanzierten Schnellbahntrasse.

Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine werde China für den Nicht-EU-Staat Serbien immer wichtiger, erklärte der Politikwissenschaftler Vuk Vuksanovic vom Thinktank Belgrade Centre for Security Policy schon vor der Wahl: “Tatsächlich bietet der Krieg in der Ukraine Serbien die Gelegenheit, die bereits vor dem Krieg verfolgte Politik, Russland durch China als wichtigsten nicht-westlichen Partner Serbiens zu ersetzen, fortzusetzen und zu verstärken”, schreibt Vuksanovic in The Diplomat.

Spätestens seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie habe Serbien Russland schrittweise durch China als seinen “besten Freund im Osten” ersetzt, so der Politikwissenschaftler. Er nennt ein anschauliches Beispiel: Serbiens Präsident Vučić küsste aus Dankbarkeit für Pekings medizinische Hilfe die chinesische Flagge – medizinische Hilfe aus Russland wurde nicht mit der gleichen Begeisterung aufgenommen. “Diese Episode zeigte, dass Peking über Ressourcen verfügte, die Moskau nicht hatte, und deckt das verborgene Misstrauen zwischen Serbien und Russland auf”, sagt Vuksanovic.

Chinesische Luftabwehr-Systeme in Belgrad?

Serbien erhält derzeit auch militärische Unterstützung aus Peking: Am Wochenende wurden sechs Y-20-Transportflugzeuge der chinesischen Luftwaffe auf dem Zivilflughafen von Belgrad gesichtet, wie staatliche und westliche Medien berichteten. Sie sollen das chinesische Boden-Luft-Raketensystem HQ-22 nach Serbien geliefert haben, schreibt die chinesische Zeitung Global Times. Die offiziell zunächst nicht bestätigte Waffenlieferung über das Territorium von mindestens zwei Nato-Mitgliedstaaten, der Türkei und Bulgarien, wurde von Beobachtern als Pekings Demonstration für seinen wachsenden globalen Einfluss angesehen.

Russlands Krieg in der Ukraine entwickelt sich mehr und mehr zu einem Wendepunkt für die China-Beziehungen in Ost- und Mitteleuropa. Die Forderung nach einer Neubewertung der Abhängigkeit von anderen autokratischen Regimen, allen voran China, wird zunehmend lauter. Ungarn scheint sich dem EU-Trend allerdings zu widersetzen. Orbán stimmte zwar für EU-Sanktionen gegen Russland, zog dann jedoch eine rote Linie als es um Waffentransporte durch ungarisches Territorium ging. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Orbán während des letzten EU-Gipfels explizit für seine unklare Haltung gerügt.

Durch sein Verhalten isoliere sich Orbán noch weiter innerhalb der EU, schlussfolgert die Plattform China Observers in Central and Eastern Europe (Choice). Er könne seine Verbindungen zu autoritären Regimen immer weniger als Druckmittel einsetzen. Bemerkenswert im Zusammenhang sei die “aktuelle Neukalibrierung der außenpolitischen Agenda Berlins“, meinen die Mitarbeiter von Choice. Da Deutschland Ungarns Wirtschaftspartner Nummer eins bleibe, komme Berlin in den außenpolitischen Überlegungen Budapests eine besondere Rolle zu. Deutschlands Haltung gegenüber China signalisiert also, wie viel Spielraum Orbán in seinem Spagat haben wird.

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News

Hinweise auf Lockdown: Hamsterkäufe in Guangzhou

Die 16-Millionen-Metropole Guangzhou stellt sich als nächste chinesische Großstadt auf einen Lockdown ein. Die Stadtverwaltung hat für den Bezirk Baiyun bereits eine lange Liste von Kontrollmaßnahmen erlassen. Zudem wurden im gesamten Stadtgebiete Pandemie-Packs mit Masken und Schnelltests an die Haushalte verteilt. Grundschulen wechseln auf Distanzunterricht. Die Stadt kann nur noch bei Vorlage eines negativen Testergebnisses verlassen werden. Besonders ominös: Im Pazhou International Convention and Exhibition Center entsteht eine riesige Quarantäne-Einrichtung – zusätzlich zu bestehenden Isolationszentren.

Massentestungen in Guangzhou: Die Stadt bereitet sich auf einen Lockdown vor.
Shanghai? Nein, Guangzhou.

Viele Bürger von Guangzhou reagierten mit Hamsterkäufen. Die Bilder und Berichte vom Lockdown in Shanghai, wo Lebensmittel knapp sind, veranlassten die Menschen dazu, sich möglichst umfangreich mit Vorräten einzudecken. Aktuelle Videos von leeren Supermarktregalen sorgen für weitere Nervosität. Die Behörden versichern derweil, es gebe ausreichend Lebensmittel für alle – und befeuern damit wohl eher noch das Misstrauen.

Derweil startete in Guangzhou die erste Runde von Massentests – wie in Shanghai zur Anlaufphase des großen Lockdowns. Vor den Entnahmestellen der Proben bildeten sich lange Schlangen. Und die Behörden schickten einige Stadtviertel bereits in den Vor-Lockdown. Auch in Shanghai hatte sich die Situation schrittweise verschärft.

Damit reagierte die Stadtverwaltung von Guangzhou auf bisher 22 bestätigte Coronavirus-Fälle. Da die Omikron-Variante von Sars-CoV-2 hochansteckend ist, könnten die laufenden Massentests eine ganze Reihe von symptomfreien Fällen zutage fördern. Diese würden nach Null-Covid-Logik einen Lockdown nötig machen.

Shanghais KP-Chef wird auf der Straße beschimpft

Insgesamt verdichtet sich der Eindruck, dass andere chinesischen Metropolen vom Debakel in Shanghai lernen. Während dort die Hunde von Covid-positiven Bürgern auf offener Straße getötet werden, betreibt Shenzhen ein Quarantänezentrum für Haustiere. Während in Shanghai die Verteilung von Lebensmitteln nicht klappt, boostert die Provinz Guangdong ihre Lieferfahrer.

Aus Shanghai sind derweil abermals beunruhigende Entwicklungen zu hören. Die Zahl der binnen Tagesfrist bestätigten Infektionen stieg am Montag auf 26.087. Am Sonntag lag die Zahl noch knapp unter 25.000. Die Quarantänelager werden zum Teil als chaotisch und verschmutzt beschrieben. Parteisekretär Li Qiang musste sich auf offener Straße wegen der schlechten Versorgungslage beschimpfen lassen.

Die Stadt begann bezirksweise mit vorsichtigen Lockerungen, um den Druck etwas abzubauen. Sie führte dazu drei Risikokategorien ein und kündigte eine “situationsbezogene Anpassung der Maßnahmen” an. Noch am Montag veröffentlichen die Bezirke Jing’an im Zentrum und Jinshan im Südwesten Listen von Compounds mit ihrer Einstufung. Diese befanden sich zunächst mehrheitlich in den Kategorien eines “mittleren” und “hohen” Risikos. Noch ist unklar, wo die Bewohner freigegebener Compounds nach der Lockerung hingehen dürfen.

Der Lockdown in der überforderten Stadt ist gekennzeichnet von persönlichen Tragödien. Viel Aufmerksamkeit erhielt der Fall der Mutter des in Hongkong tätigen Ökonomen Larry Hsien Ping Lang. Offenbar verstarb sie in einer Notaufnahme, weil sich im Krankenhaus vier Stunden niemand um sie gekümmert hatte. Sie konnte keinen negativen Test vorlegen. fin

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China will Konventionen über Zwangsarbeit ratifizieren

China will offenbar nächste Woche während eines Treffens seiner obersten Legislative zwei Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Zwangsarbeit ratifizieren. Das Vorhaben gilt als wichtiger Schritt zur Verbesserung der Beziehungen zu Europa.

Einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge, würden während einer Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses die Konvention über Zwangsarbeit von 1930 und die Konvention zur Abschaffung der Zwangsarbeit von 1957 ratifiziert. Die Entscheidung wurde laut Xinhua am Montag bekannt gegeben.

Die beiden Konventionen gehören zu den größten Streitpunkten in den nun schon fast acht Jahre andauernden Verhandlungen über das umfassende Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) – über das Ende 2020 eigentlich eine grundsätzliche Einigung erzielt wurde. In der im Dezember 2020 veröffentlichten Vereinbarung hatte China zugestimmt, die Ratifizierung der beiden ILO-Konventionen als Kompromiss über Zwangsarbeit voranzutreiben.

Das CAI-Abkommen ist allerdings in der Schwebe, seit sich Brüssel und Peking im vergangenen Jahr gegenseitig mit Sanktionen belegt haben. Ausgangspunkt sind Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, die China allerdings vehement bestreitet.

China hatte damals weitreichende Sanktionen gegen EU-Diplomaten, Gesetzgeber und Forscher verhängt, was das Europäische Parlament dazu veranlasste, die Ratifizierung des Investitionsabkommens auszusetzen (China.Table berichtete). Die Zeitung “South China Morning Post” zitierte einen EU-Beamten, der sagte, dass das Investitionsabkommen “keine Chance hat, solange es Sanktionen” gegen Mitglieder des Europäischen Parlaments gäbe. In dem Bericht wird auch Francesca Ghiretti von der deutschen Denkfabrik Merics, zitiert. Sie ist überzeugt, dass die Ratifizierung der Konventionen “nicht ausreichen” werde, um das CAI freizuschalten. Es wäre allerdings ein “wichtiges Signal Chinas an die EU” nach dem von Misstrauen geprägten bilateralen Gipfel Anfang des Monats (China.Table berichtete). rad

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Weiterer Journalist in Hongkong verhaftet

Die Hongkonger Polizei hat einen weiteren bekannten Journalisten der Stadt festgenommen. Der frühere Kolumnist des inzwischen geschlossenen Online-Nachrichtenportals Stand News, Allan Au, wurde am Montag wegen Verschwörung zur Veröffentlichung von staatsgefährdendem Material verhaftet. Au ist damit der achte Reporter oder Verleger, der im Zuge der Ermittlungen gegen das regierungskritische Medium festgenommen worden ist.

Der 54-Jährige war in Hongkong als ehemaliger Radiomoderator des öffentlich-rechtlichen Senders RTHK bekannt geworden. Auf Druck der Behörden war Au im Juni 2021 jedoch entlassen worden. Die Ermittlungen gegen ihn basieren jedoch nicht auf Verstößen gegen das Nationale Sicherheitsgesetz, sondern ein veraltetes Seditionsgesetz, das nach 1997 kaum noch Anwendung gefunden hatte. Erst nach den Massenprotesten in der Stadt im Sommer 2019 hatten sich die Behörden wieder auf das Seditionsgesetz berufen. Die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 2020 lieferte den Ermittlern im Anschluss die Basis für eine breite politische Säuberung.

Benedict Rogers von Hong Kong Watch, einer Organisation, die auf Menschenrechtsverstöße aufmerksam macht, erkennt in dem Zeitpunkt der Festnahme ein klares Signal politischer Kontinuität. “In derselben Woche, in der Sicherheitsminister John Lee zum Nachfolger von (Regierungschefin) Carrie Lam gesalbt wurde, bestätigt die Verhaftung von Allan Au, … dass Peking sein Vorgehen gegen Menschenrechte und Pressefreiheit in Hongkong fortsetzen wird”, sagte Rogers, dem seinerseits eine Haftstrafe in Hongkong droht, sollte er in die Stadt zurückkehren.

John Lee hatte in der vergangenen Woche seine Kandidatur bei der Wahl zum kommenden Regierungschef am 8. Mai angekündigt (China.Table berichtete). Laut Medienberichten genießt er die Rückendeckung der chinesischen Zentralregierung in Peking. grz

  • Hongkong
  • Menschenrechte
  • Nationales Sicherheitsgesetz
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Batterie-Hersteller führt Corona-Blase für Arbeitskräfte ein

Contemporary Amperex Technology Limited (CATL) hat in seinem Hauptwerk in Ningde ein “Closed-Loop-Management”-System eingeführt. Damit soll die Produktion aufrechterhalten werden, während das Land mit scharfen Lockdowns gegen weitere Coronavirus-Ausbrüche kämpft. CATL ist der weltweit größte Lieferant von Elektroauto-Batterien, unter anderem für den US-Autobauer Tesla.

“Um die Versorgung des Marktes bestmöglich zu gewährleisten, haben wir strenge Netzmanagementmaßnahmen für den ordnungsgemäßen Betrieb der Produktionsbasis in Ningde ergriffen”, sagte ein Vertreter des Unternehmens. Man habe das System am Samstagabend eingeführt.

Das “Closed-Loop-Management”-Verfahren ähnelt einer Blase, in der die Arbeiter isoliert schlafen, leben und arbeiten, um die Übertragung von Viren zu verhindern. Ein ähnliches System wurde bei den Olympischen Winterspielen in Peking eingesetzt, um das Veranstaltungspersonal sowie Athleten und andere Angereiste von der Öffentlichkeit abzuschotten.

In Shanghai konnte das Joint Venture von General Motors mit einem solchen System trotz hartem Lockdown die Produktion aufrechterhalten. Tesla und Volkswagens Joint Venture mit SAIC Motor mussten hingegen ihren Betrieb einstellen, da der Lockdown weiter gilt. In der 25-Millionen-Metropole fürchten sich immer mehr Menschen vor einer Einlieferung in eines der städtischen Quarantänezentren (China.Table berichtete). rad/rtr

  • Autoindustrie

Alipay gewinnt neuen Partner in Deutschland

Alipay+ (支付宝 zhīfùbǎo) ist eine Partnerschaft mit der deutschen Drogerie-Kette Müller eingegangen. Damit können Kunden von nun an ihren Einkauf über den digitalen Zahlungsdienst der chinesischen Ant Group bezahlen. Die Ant Group ist eine Tochterfirma des chinesischen Konzerns Alibaba. Alipay ist mit rund 640 Millionen aktiven Nutzern der führende Bezahldienst in China.

Die Integration von Alipay+ im Kassenterminal erfolgt über epay, welches die Annahme von mobilen Zahlungen über QR- und Barcodes in den Märkten ermöglicht. Kunden, die mit Alipay+ bezahlen wollen, müssen auf ihrem Smartphone den zugeordneten QR-Code öffnen. Das Kassenpersonal scannt den Code, und der zu zahlende Betrag wird direkt in der App angezeigt und muss vom Kunden bestätigt werden.

Schon seit September 2021 können Kunden des Discounters Aldi Süd das mobile Zahlverfahren Alipay nutzen. Aldi Süd war damals der erste Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland, der das Online-Bezahlsystem der chinesischen Ant Group anbot. Datenschützer warnen jedoch vor den Bezahl-Apps aus China. International tätige chinesische Anbieter wie Alipay oder auch Wechat Pay seien dem Zugriff nationaler Geheimdienste und Sicherheitsbehörden ausgesetzt. rad

  • Alipay
  • Handel
  • WeChat

EU kündigt Treffen zu “Global Gateway” an

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat für Juni ein großes Treffen zur Infrastruktur-Initiative und selbst ernannter “Belt and Road”-Alternative “Global Gateway” angekündigt. Zu der Veranstaltung Ende Juni würden rund 2.500 Teilnehmer in Brüssel erwartet, teilte die EU-Kommission am Montag mit. Online sollen sich demnach weitere 10.000 Menschen dem Hybrid-Event im Rahmen der Europäischen Entwicklungstage (EDD) zuschalten, hieß es in der Ankündigung. Wer die Teilnehmer genau sein werden, ließ die Brüsseler Behörde zunächst noch offen.

Die Europäische Kommission will bei dem Treffen auch ihre Strategie zur Mobilisierung von Investitionen für “Global Gateway” überprüfen. Die EU-Kommission hatte angekündigt, für die Seidenstraßen-Konkurrenz rund 300 Milliarden Euro aufzubringen (China.Table berichtete). Ein großer Teil davon soll von der Privatwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Brüssel will bis Mitte des Jahres erste konkrete Projekte vorstellen, die mit “Global Gateway” finanziert werden.

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  • Neue Seidenstraße

Presseschau

China’s Echoes of Russia’s Alternate Reality Intensify Around the World NYTIMES
Unmut über den Lockdown in Shanghai: Kein Fleisch, kein Reis, keine Nudeln TAGESSPIEGEL
Behörden wollen Lockdown in Shanghai lockern NTV
“30 Prozent von Chinas Wirtschaft stehen still” NTV
Corona-Beschränkungen in China drücken Ölpreise deutlich nach unten HANDELSBLATT
China keilt gegen USA wegen Lockdown-Kritik NTV
China: Erzeugerpreise steigen weiter auf hohem Niveau HANDELSBLATT
What jobs crisis? Top Chinese regulator says tech is booming CNN
China to ratify forced labour conventions in ‘major signal’ to EU SCMP
Autoabsatz in China geht im März deutlich zurück HANDELSBLATT
China accelerates inward economic pivot with plan to create a ‘unified domestic market’ SCMP
Hyperschallgleiter made in China FAZ
China liefert Raketenabwehrsystem an prorussisches Serbien STANDARD
Hong Kong police arrest veteran journalist for alleged sedition REUTERS

Portrait

Wang Jixian – Politischer Influencer in Odessa

Wang Jixian lebt in Odessa, Ukraine und berichtet auf Youtube über sein Leben im Krieg.
Wang Jixian zeigt stolz seine Solidarität mit der Ukraine

An die nächtlichen Einschläge und das Geheul der Sirenen habe er sich mittlerweile gewöhnt, sagt Wang Jixian. An seinem 38. Geburtstag seien die Explosionen so nah gekommen, dass sich schwarzer, öliger Staub auf den Fenstern seiner Wohnung im obersten Stockwerk abgelagert hat. Wang lebt und arbeitet in der ukrainischen Stadt Odessa. Einige Medien haben ihn als den “letzten Chinesen in Odessa” bezeichnet. Sicher ist, dass Wang innerhalb weniger Wochen zu einem der sichtbarsten Chinesen in diesem Konflikt geworden ist.

Während seine Regierung zu Hause einen Eiertanz vollzieht, um Russland nicht zu verstimmen, und das Wort “Krieg” nach wie vor vermeidet, verurteilt Wang den russischen Präsidenten Wladimir Putin offen als Aggressor und fordert Konsequenzen. Russland müsse für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden, und das besser früher als später, so Wang.

Auf seinem YouTube-Kanal “Jixian in der Ukraine” (吉贤在乌克兰) spricht der in Peking geborene Programmierer in seiner Muttersprache über die beklemmende Atmosphäre in der Küstenstadt am Schwarzen Meer, die Putin seit Wochen mit Raketen und Granaten beschießen lässt. Angst und Schrecken herrscht in Odessa, die Bewohner fürchten einen Einmarsch russischer Truppen. Wang schließt nicht aus, dass auch er sterben könnte. Sein Testament hat er jedenfalls schon geschrieben und in einem seiner Videos veröffentlicht.

In den ersten audiovisuellen Kriegstagebüchern, die er kurz nach dem Beginn der Angriffe online stellte, trug Wang noch eine chinesische Flagge am Revers. Die habe er schnell abgelegt, sagt der Absolvent der Beijing Union University. Dass die chinesische Regierung die russischen Angriffe nicht verurteilt, enttäusche ihn nicht nur, es widere ihn an. “Die chinesischen Staatsmedien übersetzen eins zu eins was die russischen Medien berichten. Aber wenn es sich nur um eine ‘punktuelle Militäroperationen’ handelt, warum sehen wir hier dann zerbombte Häuserkomplexe und tote Zivilisten? Es ist so feige, keine eigene Position dazu zu beziehen.”

Chinas Zensoren filtern Inhalte und Bilder seines Gesichts

Mit Sätzen wie diesen hat Wang sich in seinem Heimatland China zur Persona non grata gemacht. Auf Chinas Social-Media-Kanälen wie Weibo ist er längst nicht mehr zu finden. Die chinesischen Zensoren filtern mittlerweile sogar Bilder seines Gesichts mithilfe von KI-Software aus dem Netz, sagt der IT-Spezialist. “Mein Gesicht wird in China wie ein Porno behandelt. Du kannst es nur mit einem VPN sehen oder einen Freund fragen, ob er es dir auf DVD brennt”, sagt er bissig. “Die Regierung würde mir am liebsten einen Sack über den Kopf ziehen.”

In den Kommentarspalten auf YouTube und Twitter erhält Wang viel Zuspruch, aber auch Drohungen von chinesischen Nationalisten, die ihn als Verräter und Werkzeug westlicher Mächte titulieren. Dass er für ein amerikanisches Unternehmen tätig ist, wird dabei als Beweis angeführt. Wangs Arbeitgeber, der Software-Entwickler RegDesk, hatte ihn im Juli 2021 von Mazedonien in die Ukraine versetzt. Schon damals begann er Videos aus seinem Alltag zu posten, für gerade mal 36 Follower. Mittlerweile sind es 110.000. Große Zeitungen wie die New York Times haben Berichte über ihn geschrieben.

Keine Angst, nach China zurückzukehren

Seine neue Sichtbarkeit als politischer Influencer scheint Wang nicht zu verunsichern – im Gegenteil. Auf Instagram postet er Selfies mit gewinnendem Lächeln und manchmal auch mit nacktem Oberkörper. In einer Zeit, in der die Selbstzensur vielen Chinesen – und zunehmend vielen Ausländern – ins Blut übergegangen scheint, ist Wangs offene Kritik an seiner Regierung bereits eine Sensation. “Es gibt noch andere Chinesen in der Ukraine. Die sind mutiger als ich”, sagt Wang. “Manche verteidigen ihr Zuhause und ihre Familie mit der Waffe in der Hand”. Der große Unterschied bestünde darin, dass sie ihr Gesicht nicht zeigen. “Ich habe ein hübsches Gesicht, warum soll ich das verstecken?”, fragt er ironisch-süffisant.

Seine Familie in China werde aufgrund seiner Videoserien mittlerweile ebenfalls unter Druck gesetzt. “Mein Vater lässt sich davon aber nicht einschüchtern. Wie der Vater, so der Sohn”, sagt Wang und lacht. Er selbst habe keine Angst, nach China zurückzukehren. “Was könnte gefährlicher für mich sein als Raketenangriffe und potenzielle Nuklearattacken? Damit muss ich mich hier jeden Tag auseinandersetzen.” Fabian Peltsch

  • Russland
  • Ukraine
  • Zivilgesellschaft

Personalie

Jens Thyssen wechselt zu Volkswagen in Peking und steigt in die Abteilung “Mobility Asia” ein. Dort wird er als “Head of ADAS/AD Driving Functions” daran arbeiten, ADAS- und AD-Funktionen an lokale Anforderungen anzupassen und für den lokalen Markt freizugeben. Zuvor war Thyssen bei CARIAD in Ingolstadt für die konzernweite ADAS-Aufzeichnungstechnik verantwortlich.

Dessert

Der erste Stahlkastenträger steht. Am Wochenende hat der Bau der Hongqimen-Brücke begonnen. Bis 2024 sollen 76 weitere Träger folgen, um den Bezirk Nansha und die Stadt Zhongshan miteinander zu verbinden. Die 32 Kilometer lange Brücke ist ein wichtiger Teil des Infrastrukturprojekts Guangdong-Hongkong-Macao Greater Bay Area.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Ukraine setzt auf eine stärkere Rolle Pekings
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    der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist inzwischen für seine klaren Worte bekannt. Mit Kritik hält er sich nicht zurück – nicht gegenüber den USA, nicht gegenüber Europa und auch nicht gegenüber Deutschland. Doch ausgerechnet gegenüber China ist die ukrainische Führung bislang äußerst zurückhaltend gewesen. Frank Sieren ist in seiner Analyse den Gründen für diese auffällige Zurückhaltung nachgegangen – und findet sie vor allem im monetären Bereich.

    Überaus gute Nachrichten für Peking gab es derweil auch aus Ungarn und Serbien. Mit Viktor Orbán und Aleksandar Vučić konnten zwei sehr China-freundliche Politiker die jeweilige Parlamentswahl gewinnen. Die Europäische Kommission könnte damit ungewollt Ungarn weiter in Richtung Volksrepublik treiben, schreibt Amelie Richter. Auch Serbien sieht derweil nicht mehr Russland, sondern zunehmend China als “neuen besten Freund” im Osten. Doch noch ist diese Entwicklung nicht vorgezeichnet. Vor allem ein Land, das derzeit selbst eine Wende in Bezug auf China vollzieht, könnte demnach noch entscheidenden Einfluss nehmen: Deutschland.

    Zudem möchte ich Sie noch auf unser heutiges Porträt hinweisen. Es geht um Wang Jixian, einen chinesischen Programmierer, der derzeit in der ukrainischen Hafenstadt Odessa lebt und arbeitet. Einige bezeichnen ihn als den “letzten Chinesen in Odessa”. Fabian Peltsch zeigt, wie Wang Jixian innerhalb weniger Wochen zu einem der sichtbarsten Chinesen im Ukraine-Krieg geworden ist. Denn während die Regierung in Peking in diesem Krieg einen wahren Eiertanz aufführt, bezieht Wang klar Stellung. Wie und warum er sein Gesicht mit einem Porno vergleicht, erfahren Sie in unserem heutigen Porträt.  

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    Ihr
    Michael Radunski
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    Analyse

    Ukrainische Hoffnung auf chinesische Hilfe

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hält sich mit Kritik an der Volksrepublik China zurück. Im Gegensatz zur EU und den USA verlangt Selenskyj von der chinesischen Regierung nicht, sie solle den Angriffskrieg Putins klar verurteilen. Bislang hatte der ukrainische Regierungschef aber auch noch nicht die Gelegenheit, mit Chinas Staatschef Xi Jinping persönlich zu sprechen. Xi sprach seit Kriegsausbruch zwar schon mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, den wichtigsten EU-Regierungschefs sowie mit US-Präsident Joe Biden. Doch zwischen der Ukraine und China hatten bislang nur die Außenminister zueinander Kontakt. Zuletzt Anfang vergangener Woche.

    “Es gibt viele Gerüchte darüber, dass China Russland militärisch, wirtschaftlich und diplomatisch auf verschiedene Weise unterstützen will. Aber wir haben Chinas neutrale Position gesehen”, fasst der Chef des ukrainischen Präsidialamtes Andriy Yermak die Position der Ukraine zu China zusammen. Man sehe in der engen Beziehung Chinas zu Russland vielmehr eine Chance. Yermak gab sich überzeugt, dass “China eine der stärksten globalen Führungsmächte ist”.

    Wohl auch deshalb hat sich Präsident Selenskyj vergangene Woche beim konservativen US-Sender Fox News gewünscht, “China sollte einer der Sicherheitsgaranten einer Einigung mit Russland sein”. Dabei bezieht er sich auf ein neues Sicherheitsarrangement, das die Ukraine vor weiteren russischen Aggressionen schützen würde, anstelle einer Nato-Mitgliedschaft. “Wir behandeln China mit größtem Respekt und erwarten, dass es eine proaktive Rolle spielt”, fügte Yermak hinzu. Aus diplomatischen Kreisen in Peking ist zu hören, dass China der Ukraine massive Aufbauhilfe zugesagt haben soll.

    Der von Selenskyj bestimmte Verhandlungsführer mit den Russen, David Arakhamia, wünschte sich ebenfalls eine stärkere Vermittlerrolle Chinas in dem Konflikt, äußerte allerdings auch Kritik. China zur Unterstützung für die Ukraine zu bewegen, werde immer schwieriger. “Aber ich glaube, China wird schlussendlich einsteigen”, sagte Arakhamia. Kiew wünscht sich eine “deutlichere Positionierung” Chinas bei der Beendigung des Krieges in der Ukraine und “beim Aufbau eines neuen globalen Sicherheitssystems.”

    “Nachhaltiger Sicherheitsmechanismus für Europa”

    Die EU hatte Peking beim EU-China-Gipfel vor anderthalb Wochen dafür kritisiert, dass Xi Jinping noch nicht mit Selenskyj gesprochen hatte. In Peking heißt es, ein solcher Kontakt sei weiterhin geplant. Gleichzeitig pocht Peking gegenüber Washington und Brüssel darauf, dass es einen Gipfel zwischen den USA und Russland geben sollte, dem Moskau bereits zugestimmt habe, der jedoch von Washington bislang abgelehnt werde.

    In einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Dmytro Kuleba signalisierte Chinas Außenminister Wang Yi vergangene Woche, dass China bereit sei, eine konstruktive Rolle zu spielen, dabei aber seine “objektive Position” nicht verlassen werde (China.Table berichtete). Es müsse vor allem darum gehen, einen “ausbalancierten, effektiven und nachhaltigen Sicherheitsmechanismus in Europa zu etablieren”. China habe weder die Mentalität, das Feuer aus sicherer Distanz zu betrachten noch Interesse daran, Öl ins Feuer zu gießen, sagte Wang.

    China sei eine “Schlüsselmacht, um den Frieden zu garantieren”, gibt das chinesische Außenministerium die Position Kulebas in dem Gespräch wieder. Die Ukraine halte Chinas “internationalen Einfluss und Prestige” für wichtig und hofft, dass die Volksrepublik “weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es darum geht, eine Waffenruhe zu erreichen und den Konflikt zu stoppen.” Kuleba wiederum gab seine Position auf Twitter neutraler und knapper, wenn auch nicht kritischer wieder: “Wir sind beide überzeugt, dass ein Ende des Krieges gegen die Ukraine dem gemeinsamen Interesse an Frieden, der globalen Sicherheit, der Nahrungsmittelversorgung und dem internationalen Handel dient.”

    Ukraine bedankt sich für chinesische Solidarität

    Welche Lücken jedoch zwischen den Positionen Chinas, der EU und der Ukraine bestehen, zeigte das Beispiel Butscha, wo Hunderte zivile Leichen entdeckt worden waren. Kiew und der Westen machen russische Soldaten für das Blutbad verantwortlich. In der chinesischen Berichterstattung kam Butscha erst gar nicht vor (China.Table berichtete). Dann äußerte sich die Führung in Peking zurückhaltend. Man verurteilte die Morde, ohne Russland jedoch als Schuldigen zu benennen: “Die Attacken gegen Zivilisten sind inakzeptabel. Die Berichte und Bilder von zivilen Toten sind zutiefst verstörend”, sagte Zhang Jun, Chinas UN-Botschafter nur und forderte eine Untersuchung der Morde. Aus der EU hagelte es Kritik dafür. “Niemand kann neutral bleiben, wenn er mit einer solchen nackten Aggression gegen Zivilisten konfrontiert wird”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

    “Russland und China haben durch ihre Äußerungen und Aktionen deutlich gemacht, dass sie glauben, dass Großmächte Anspruch auf eine Einflusszone in ihrer jeweiligen Nachbarschaft haben“, stellt EU-Außenkommissar Josep Borrell hingegen fest (China.Table berichtete). Anders als in Brüssel und Washington, werden in Kiew, Moskau und Peking aber bisher nicht in einen Topf geworfen.

    Die Ukraine hingegen bedankte sich bei den Chinesen für deren Solidarität mit den Opfern. Auch haben Präsident Selenskyj oder sein Außenminister Peking bisher nicht öffentlich kritisiert, dass sich die chinesische Regierung beharrlich weigert, den Einmarsch russischer Truppen als “Invasion” oder “Angriffskrieg” zu verurteilen. Statt dessen spricht Peking von einem “Konflikt in der Ukraine” und betont immer wieder die USA und die Nato seien verantwortlich dafür, die Krise initiiert und befeuert zu haben.

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    Ungarn und Serbien bleiben auf Peking-Kurs

    Viktor Orbán, Ungarn und Aleksandar Vučić, Serbien bei der Eröffnung einer Teilstrecke der Schnelltrasse Budapest-Belgrad Mitte März - die Trasse wird von China finanziert.
    Viktor Orbán und Aleksandar Vučić bei der Eröffnung einer Teilstrecke der Schnelltrasse Budapest-Belgrad Mitte März.

    In Wochen der angespannten Kommunikation zwischen der EU und China dürften die aktuellen Nachrichten aus Ungarn in Peking zumindest zu einem kleinen Aufatmen geführt haben. Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei konnten bei der Parlamentswahl in Ungarn vor gut einer Woche einen großen Sieg einfahren – und der Volksrepublik bleibt damit der eifrigste Unterstützer innerhalb der Europäischen Union erhalten. 

    Orbán tritt nun bereits seine fünfte Amtszeit an, im Parlament hält seine Partei zwei Drittel der Sitze und damit eine “Supermehrheit”. China werde Ungarn weiterhin dabei unterstützen, den “selbst gewählten Entwicklungsweg zu bewahren”, sagte Chinas Außenminister Wang Yi beim Gratulations-Telefonat mit seinem ungarischen Kollegen Péter Szijjártó vergangene Woche. Peking hofft – oder pocht – also auf eine Fortsetzung der bisherigen China-Politik. Mit Orbán an der Spitze stehen die Chancen dafür jedenfalls gut.

    China war kein Wahlkampfthema

    Dabei hatte es 2021 und zu Beginn dieses Jahres zeitweise danach ausgesehen, dass die China-kritische Opposition bei der Parlamentswahl dieses Mal eine reale Chance gegen Orbán hat. Die Bauabsichten für einen Ableger der chinesischen Fudan-Universität in Budapest führten zu Protesten.

    Die Opposition habe die Regierung aus diesem Anlass erstmals mit der China-Frage konfrontiert, erklärt Roland Freudenstein, Vizepräsident und Leiter des Brüsseler Büros des zentraleuropäischen Thinktanks Globsec. “Aber in den ersten Monaten des Jahres 2022 gelang es Fidesz dank ihrer überwältigenden Dominanz im Medienraum und der russischen Invasion in der Ukraine, die Themen der öffentlichen Debatte vor den Wahlen festzulegen, und China war kein Teil davon”, sagt Freudenstein gegenüber China.Table.

    Nach dem Wahlerfolg sei Orbán “wie auf Steroiden”, sagt Freudenstein – ein Abrücken von der bisherigen China-Politik sei unwahrscheinlich. Eher im Gegenteil: “Er wird versuchen, bei den meisten seiner Politikstrategien noch eines draufzusetzen. Einschließlich bei seiner Idee, dass ein zunehmend totalitäres China die Zukunft und der ‘alte Westen’ die Vergangenheit ist.” Ungarn diene China als Trojanisches Pferd in der EU, so Freudenstein.

    Zukunft des Fudan-Campus noch unklar

    Ein mächtiges Werkzeug der Softpower wäre dabei der Fudan-Campus mitten in der ungarischen Hauptstadt. Das Schicksal des Milliarden-Projekts ist derzeit noch unklar. Der Bürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, hat genügend Stimmen für ein Referendum gesammelt, um den Bau noch abzuwenden (China.Table berichtete). Lokalen Medienberichten zufolge könnte die Abstimmung frühestens im Sommer stattfinden. Vermutet wird ein Termin im Oktober – falls das von Fidesz dominierte Parlament dem Referendum zustimmt.

    Globsec-Büroleiter Freudenstein geht davon aus, dass der Fudan-Ableger gebaut wird. “Gerade, weil sich Fidesz so unangreifbar fühlt.” Das könnte sich aber noch ändern: Ungarn schlittere unter anderem wegen der möglichen Kürzung von EU-Geldern aus rechtsstaatlichen Gründen in große finanzielle Schwierigkeiten, warnt Freudenstein. Ungarn muss sich als erstes EU-Land wegen möglicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit einem Verfahren stellen.

    Die EU-Kommission wirft Orbáns Regierung vor, EU-Mittel in dunklen Kanälen versickern zu lassen. Der langwierige Mechanismus, den Brüssel vergangene Woche gegen Budapest eingeleitet hat, könnte dazu führen, dass Ungarns jährlicher Anteil am EU-Haushalt in Höhe von 6,14 Milliarden Euro eingefroren wird.

    Die geschmälerten finanziellen Aussichten könnten dazu führen, dass Budapest sich nach anderen Geldgebern umsieht, erklärt Matej Šimalčík geschäftsführender Direktor der Denkfabrik Central European Institute of Asian Studies: “Das kann Ungarn natürlich näher an China als alternative Finanzierungsquelle heranführen”, sagt Šimalčík der Zeitung South China Morning Post.

    China ersetzt Russland als Serbiens wichtigster Partner

    Und auch aus Ungarns Nachbarland Serbien gab es Anfang April gute Nachrichten für Peking. Dort konnte sich Präsident Aleksandar Vučić eine weitere Amtszeit sichern. Vučić und Orbán waren Mitte März sogar zusammen auf Wahlkampftour – bei der Eröffnung der Schnellbahnstrecke von Belgrad nach Novi Sad. Mit der neuen Zugverbindung gehe Serbien Schritte “in die Zukunft”, freute sich Vučić bei der Einweihung des ersten Teilabschnitts der von China finanzierten Schnellbahntrasse.

    Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine werde China für den Nicht-EU-Staat Serbien immer wichtiger, erklärte der Politikwissenschaftler Vuk Vuksanovic vom Thinktank Belgrade Centre for Security Policy schon vor der Wahl: “Tatsächlich bietet der Krieg in der Ukraine Serbien die Gelegenheit, die bereits vor dem Krieg verfolgte Politik, Russland durch China als wichtigsten nicht-westlichen Partner Serbiens zu ersetzen, fortzusetzen und zu verstärken”, schreibt Vuksanovic in The Diplomat.

    Spätestens seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie habe Serbien Russland schrittweise durch China als seinen “besten Freund im Osten” ersetzt, so der Politikwissenschaftler. Er nennt ein anschauliches Beispiel: Serbiens Präsident Vučić küsste aus Dankbarkeit für Pekings medizinische Hilfe die chinesische Flagge – medizinische Hilfe aus Russland wurde nicht mit der gleichen Begeisterung aufgenommen. “Diese Episode zeigte, dass Peking über Ressourcen verfügte, die Moskau nicht hatte, und deckt das verborgene Misstrauen zwischen Serbien und Russland auf”, sagt Vuksanovic.

    Chinesische Luftabwehr-Systeme in Belgrad?

    Serbien erhält derzeit auch militärische Unterstützung aus Peking: Am Wochenende wurden sechs Y-20-Transportflugzeuge der chinesischen Luftwaffe auf dem Zivilflughafen von Belgrad gesichtet, wie staatliche und westliche Medien berichteten. Sie sollen das chinesische Boden-Luft-Raketensystem HQ-22 nach Serbien geliefert haben, schreibt die chinesische Zeitung Global Times. Die offiziell zunächst nicht bestätigte Waffenlieferung über das Territorium von mindestens zwei Nato-Mitgliedstaaten, der Türkei und Bulgarien, wurde von Beobachtern als Pekings Demonstration für seinen wachsenden globalen Einfluss angesehen.

    Russlands Krieg in der Ukraine entwickelt sich mehr und mehr zu einem Wendepunkt für die China-Beziehungen in Ost- und Mitteleuropa. Die Forderung nach einer Neubewertung der Abhängigkeit von anderen autokratischen Regimen, allen voran China, wird zunehmend lauter. Ungarn scheint sich dem EU-Trend allerdings zu widersetzen. Orbán stimmte zwar für EU-Sanktionen gegen Russland, zog dann jedoch eine rote Linie als es um Waffentransporte durch ungarisches Territorium ging. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Orbán während des letzten EU-Gipfels explizit für seine unklare Haltung gerügt.

    Durch sein Verhalten isoliere sich Orbán noch weiter innerhalb der EU, schlussfolgert die Plattform China Observers in Central and Eastern Europe (Choice). Er könne seine Verbindungen zu autoritären Regimen immer weniger als Druckmittel einsetzen. Bemerkenswert im Zusammenhang sei die “aktuelle Neukalibrierung der außenpolitischen Agenda Berlins“, meinen die Mitarbeiter von Choice. Da Deutschland Ungarns Wirtschaftspartner Nummer eins bleibe, komme Berlin in den außenpolitischen Überlegungen Budapests eine besondere Rolle zu. Deutschlands Haltung gegenüber China signalisiert also, wie viel Spielraum Orbán in seinem Spagat haben wird.

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    News

    Hinweise auf Lockdown: Hamsterkäufe in Guangzhou

    Die 16-Millionen-Metropole Guangzhou stellt sich als nächste chinesische Großstadt auf einen Lockdown ein. Die Stadtverwaltung hat für den Bezirk Baiyun bereits eine lange Liste von Kontrollmaßnahmen erlassen. Zudem wurden im gesamten Stadtgebiete Pandemie-Packs mit Masken und Schnelltests an die Haushalte verteilt. Grundschulen wechseln auf Distanzunterricht. Die Stadt kann nur noch bei Vorlage eines negativen Testergebnisses verlassen werden. Besonders ominös: Im Pazhou International Convention and Exhibition Center entsteht eine riesige Quarantäne-Einrichtung – zusätzlich zu bestehenden Isolationszentren.

    Massentestungen in Guangzhou: Die Stadt bereitet sich auf einen Lockdown vor.
    Shanghai? Nein, Guangzhou.

    Viele Bürger von Guangzhou reagierten mit Hamsterkäufen. Die Bilder und Berichte vom Lockdown in Shanghai, wo Lebensmittel knapp sind, veranlassten die Menschen dazu, sich möglichst umfangreich mit Vorräten einzudecken. Aktuelle Videos von leeren Supermarktregalen sorgen für weitere Nervosität. Die Behörden versichern derweil, es gebe ausreichend Lebensmittel für alle – und befeuern damit wohl eher noch das Misstrauen.

    Derweil startete in Guangzhou die erste Runde von Massentests – wie in Shanghai zur Anlaufphase des großen Lockdowns. Vor den Entnahmestellen der Proben bildeten sich lange Schlangen. Und die Behörden schickten einige Stadtviertel bereits in den Vor-Lockdown. Auch in Shanghai hatte sich die Situation schrittweise verschärft.

    Damit reagierte die Stadtverwaltung von Guangzhou auf bisher 22 bestätigte Coronavirus-Fälle. Da die Omikron-Variante von Sars-CoV-2 hochansteckend ist, könnten die laufenden Massentests eine ganze Reihe von symptomfreien Fällen zutage fördern. Diese würden nach Null-Covid-Logik einen Lockdown nötig machen.

    Shanghais KP-Chef wird auf der Straße beschimpft

    Insgesamt verdichtet sich der Eindruck, dass andere chinesischen Metropolen vom Debakel in Shanghai lernen. Während dort die Hunde von Covid-positiven Bürgern auf offener Straße getötet werden, betreibt Shenzhen ein Quarantänezentrum für Haustiere. Während in Shanghai die Verteilung von Lebensmitteln nicht klappt, boostert die Provinz Guangdong ihre Lieferfahrer.

    Aus Shanghai sind derweil abermals beunruhigende Entwicklungen zu hören. Die Zahl der binnen Tagesfrist bestätigten Infektionen stieg am Montag auf 26.087. Am Sonntag lag die Zahl noch knapp unter 25.000. Die Quarantänelager werden zum Teil als chaotisch und verschmutzt beschrieben. Parteisekretär Li Qiang musste sich auf offener Straße wegen der schlechten Versorgungslage beschimpfen lassen.

    Die Stadt begann bezirksweise mit vorsichtigen Lockerungen, um den Druck etwas abzubauen. Sie führte dazu drei Risikokategorien ein und kündigte eine “situationsbezogene Anpassung der Maßnahmen” an. Noch am Montag veröffentlichen die Bezirke Jing’an im Zentrum und Jinshan im Südwesten Listen von Compounds mit ihrer Einstufung. Diese befanden sich zunächst mehrheitlich in den Kategorien eines “mittleren” und “hohen” Risikos. Noch ist unklar, wo die Bewohner freigegebener Compounds nach der Lockerung hingehen dürfen.

    Der Lockdown in der überforderten Stadt ist gekennzeichnet von persönlichen Tragödien. Viel Aufmerksamkeit erhielt der Fall der Mutter des in Hongkong tätigen Ökonomen Larry Hsien Ping Lang. Offenbar verstarb sie in einer Notaufnahme, weil sich im Krankenhaus vier Stunden niemand um sie gekümmert hatte. Sie konnte keinen negativen Test vorlegen. fin

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    China will Konventionen über Zwangsarbeit ratifizieren

    China will offenbar nächste Woche während eines Treffens seiner obersten Legislative zwei Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Zwangsarbeit ratifizieren. Das Vorhaben gilt als wichtiger Schritt zur Verbesserung der Beziehungen zu Europa.

    Einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge, würden während einer Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses die Konvention über Zwangsarbeit von 1930 und die Konvention zur Abschaffung der Zwangsarbeit von 1957 ratifiziert. Die Entscheidung wurde laut Xinhua am Montag bekannt gegeben.

    Die beiden Konventionen gehören zu den größten Streitpunkten in den nun schon fast acht Jahre andauernden Verhandlungen über das umfassende Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) – über das Ende 2020 eigentlich eine grundsätzliche Einigung erzielt wurde. In der im Dezember 2020 veröffentlichten Vereinbarung hatte China zugestimmt, die Ratifizierung der beiden ILO-Konventionen als Kompromiss über Zwangsarbeit voranzutreiben.

    Das CAI-Abkommen ist allerdings in der Schwebe, seit sich Brüssel und Peking im vergangenen Jahr gegenseitig mit Sanktionen belegt haben. Ausgangspunkt sind Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, die China allerdings vehement bestreitet.

    China hatte damals weitreichende Sanktionen gegen EU-Diplomaten, Gesetzgeber und Forscher verhängt, was das Europäische Parlament dazu veranlasste, die Ratifizierung des Investitionsabkommens auszusetzen (China.Table berichtete). Die Zeitung “South China Morning Post” zitierte einen EU-Beamten, der sagte, dass das Investitionsabkommen “keine Chance hat, solange es Sanktionen” gegen Mitglieder des Europäischen Parlaments gäbe. In dem Bericht wird auch Francesca Ghiretti von der deutschen Denkfabrik Merics, zitiert. Sie ist überzeugt, dass die Ratifizierung der Konventionen “nicht ausreichen” werde, um das CAI freizuschalten. Es wäre allerdings ein “wichtiges Signal Chinas an die EU” nach dem von Misstrauen geprägten bilateralen Gipfel Anfang des Monats (China.Table berichtete). rad

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    Weiterer Journalist in Hongkong verhaftet

    Die Hongkonger Polizei hat einen weiteren bekannten Journalisten der Stadt festgenommen. Der frühere Kolumnist des inzwischen geschlossenen Online-Nachrichtenportals Stand News, Allan Au, wurde am Montag wegen Verschwörung zur Veröffentlichung von staatsgefährdendem Material verhaftet. Au ist damit der achte Reporter oder Verleger, der im Zuge der Ermittlungen gegen das regierungskritische Medium festgenommen worden ist.

    Der 54-Jährige war in Hongkong als ehemaliger Radiomoderator des öffentlich-rechtlichen Senders RTHK bekannt geworden. Auf Druck der Behörden war Au im Juni 2021 jedoch entlassen worden. Die Ermittlungen gegen ihn basieren jedoch nicht auf Verstößen gegen das Nationale Sicherheitsgesetz, sondern ein veraltetes Seditionsgesetz, das nach 1997 kaum noch Anwendung gefunden hatte. Erst nach den Massenprotesten in der Stadt im Sommer 2019 hatten sich die Behörden wieder auf das Seditionsgesetz berufen. Die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 2020 lieferte den Ermittlern im Anschluss die Basis für eine breite politische Säuberung.

    Benedict Rogers von Hong Kong Watch, einer Organisation, die auf Menschenrechtsverstöße aufmerksam macht, erkennt in dem Zeitpunkt der Festnahme ein klares Signal politischer Kontinuität. “In derselben Woche, in der Sicherheitsminister John Lee zum Nachfolger von (Regierungschefin) Carrie Lam gesalbt wurde, bestätigt die Verhaftung von Allan Au, … dass Peking sein Vorgehen gegen Menschenrechte und Pressefreiheit in Hongkong fortsetzen wird”, sagte Rogers, dem seinerseits eine Haftstrafe in Hongkong droht, sollte er in die Stadt zurückkehren.

    John Lee hatte in der vergangenen Woche seine Kandidatur bei der Wahl zum kommenden Regierungschef am 8. Mai angekündigt (China.Table berichtete). Laut Medienberichten genießt er die Rückendeckung der chinesischen Zentralregierung in Peking. grz

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    Batterie-Hersteller führt Corona-Blase für Arbeitskräfte ein

    Contemporary Amperex Technology Limited (CATL) hat in seinem Hauptwerk in Ningde ein “Closed-Loop-Management”-System eingeführt. Damit soll die Produktion aufrechterhalten werden, während das Land mit scharfen Lockdowns gegen weitere Coronavirus-Ausbrüche kämpft. CATL ist der weltweit größte Lieferant von Elektroauto-Batterien, unter anderem für den US-Autobauer Tesla.

    “Um die Versorgung des Marktes bestmöglich zu gewährleisten, haben wir strenge Netzmanagementmaßnahmen für den ordnungsgemäßen Betrieb der Produktionsbasis in Ningde ergriffen”, sagte ein Vertreter des Unternehmens. Man habe das System am Samstagabend eingeführt.

    Das “Closed-Loop-Management”-Verfahren ähnelt einer Blase, in der die Arbeiter isoliert schlafen, leben und arbeiten, um die Übertragung von Viren zu verhindern. Ein ähnliches System wurde bei den Olympischen Winterspielen in Peking eingesetzt, um das Veranstaltungspersonal sowie Athleten und andere Angereiste von der Öffentlichkeit abzuschotten.

    In Shanghai konnte das Joint Venture von General Motors mit einem solchen System trotz hartem Lockdown die Produktion aufrechterhalten. Tesla und Volkswagens Joint Venture mit SAIC Motor mussten hingegen ihren Betrieb einstellen, da der Lockdown weiter gilt. In der 25-Millionen-Metropole fürchten sich immer mehr Menschen vor einer Einlieferung in eines der städtischen Quarantänezentren (China.Table berichtete). rad/rtr

    • Autoindustrie

    Alipay gewinnt neuen Partner in Deutschland

    Alipay+ (支付宝 zhīfùbǎo) ist eine Partnerschaft mit der deutschen Drogerie-Kette Müller eingegangen. Damit können Kunden von nun an ihren Einkauf über den digitalen Zahlungsdienst der chinesischen Ant Group bezahlen. Die Ant Group ist eine Tochterfirma des chinesischen Konzerns Alibaba. Alipay ist mit rund 640 Millionen aktiven Nutzern der führende Bezahldienst in China.

    Die Integration von Alipay+ im Kassenterminal erfolgt über epay, welches die Annahme von mobilen Zahlungen über QR- und Barcodes in den Märkten ermöglicht. Kunden, die mit Alipay+ bezahlen wollen, müssen auf ihrem Smartphone den zugeordneten QR-Code öffnen. Das Kassenpersonal scannt den Code, und der zu zahlende Betrag wird direkt in der App angezeigt und muss vom Kunden bestätigt werden.

    Schon seit September 2021 können Kunden des Discounters Aldi Süd das mobile Zahlverfahren Alipay nutzen. Aldi Süd war damals der erste Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland, der das Online-Bezahlsystem der chinesischen Ant Group anbot. Datenschützer warnen jedoch vor den Bezahl-Apps aus China. International tätige chinesische Anbieter wie Alipay oder auch Wechat Pay seien dem Zugriff nationaler Geheimdienste und Sicherheitsbehörden ausgesetzt. rad

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    • Handel
    • WeChat

    EU kündigt Treffen zu “Global Gateway” an

    EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat für Juni ein großes Treffen zur Infrastruktur-Initiative und selbst ernannter “Belt and Road”-Alternative “Global Gateway” angekündigt. Zu der Veranstaltung Ende Juni würden rund 2.500 Teilnehmer in Brüssel erwartet, teilte die EU-Kommission am Montag mit. Online sollen sich demnach weitere 10.000 Menschen dem Hybrid-Event im Rahmen der Europäischen Entwicklungstage (EDD) zuschalten, hieß es in der Ankündigung. Wer die Teilnehmer genau sein werden, ließ die Brüsseler Behörde zunächst noch offen.

    Die Europäische Kommission will bei dem Treffen auch ihre Strategie zur Mobilisierung von Investitionen für “Global Gateway” überprüfen. Die EU-Kommission hatte angekündigt, für die Seidenstraßen-Konkurrenz rund 300 Milliarden Euro aufzubringen (China.Table berichtete). Ein großer Teil davon soll von der Privatwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Brüssel will bis Mitte des Jahres erste konkrete Projekte vorstellen, die mit “Global Gateway” finanziert werden.

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    • Neue Seidenstraße

    Presseschau

    China’s Echoes of Russia’s Alternate Reality Intensify Around the World NYTIMES
    Unmut über den Lockdown in Shanghai: Kein Fleisch, kein Reis, keine Nudeln TAGESSPIEGEL
    Behörden wollen Lockdown in Shanghai lockern NTV
    “30 Prozent von Chinas Wirtschaft stehen still” NTV
    Corona-Beschränkungen in China drücken Ölpreise deutlich nach unten HANDELSBLATT
    China keilt gegen USA wegen Lockdown-Kritik NTV
    China: Erzeugerpreise steigen weiter auf hohem Niveau HANDELSBLATT
    What jobs crisis? Top Chinese regulator says tech is booming CNN
    China to ratify forced labour conventions in ‘major signal’ to EU SCMP
    Autoabsatz in China geht im März deutlich zurück HANDELSBLATT
    China accelerates inward economic pivot with plan to create a ‘unified domestic market’ SCMP
    Hyperschallgleiter made in China FAZ
    China liefert Raketenabwehrsystem an prorussisches Serbien STANDARD
    Hong Kong police arrest veteran journalist for alleged sedition REUTERS

    Portrait

    Wang Jixian – Politischer Influencer in Odessa

    Wang Jixian lebt in Odessa, Ukraine und berichtet auf Youtube über sein Leben im Krieg.
    Wang Jixian zeigt stolz seine Solidarität mit der Ukraine

    An die nächtlichen Einschläge und das Geheul der Sirenen habe er sich mittlerweile gewöhnt, sagt Wang Jixian. An seinem 38. Geburtstag seien die Explosionen so nah gekommen, dass sich schwarzer, öliger Staub auf den Fenstern seiner Wohnung im obersten Stockwerk abgelagert hat. Wang lebt und arbeitet in der ukrainischen Stadt Odessa. Einige Medien haben ihn als den “letzten Chinesen in Odessa” bezeichnet. Sicher ist, dass Wang innerhalb weniger Wochen zu einem der sichtbarsten Chinesen in diesem Konflikt geworden ist.

    Während seine Regierung zu Hause einen Eiertanz vollzieht, um Russland nicht zu verstimmen, und das Wort “Krieg” nach wie vor vermeidet, verurteilt Wang den russischen Präsidenten Wladimir Putin offen als Aggressor und fordert Konsequenzen. Russland müsse für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden, und das besser früher als später, so Wang.

    Auf seinem YouTube-Kanal “Jixian in der Ukraine” (吉贤在乌克兰) spricht der in Peking geborene Programmierer in seiner Muttersprache über die beklemmende Atmosphäre in der Küstenstadt am Schwarzen Meer, die Putin seit Wochen mit Raketen und Granaten beschießen lässt. Angst und Schrecken herrscht in Odessa, die Bewohner fürchten einen Einmarsch russischer Truppen. Wang schließt nicht aus, dass auch er sterben könnte. Sein Testament hat er jedenfalls schon geschrieben und in einem seiner Videos veröffentlicht.

    In den ersten audiovisuellen Kriegstagebüchern, die er kurz nach dem Beginn der Angriffe online stellte, trug Wang noch eine chinesische Flagge am Revers. Die habe er schnell abgelegt, sagt der Absolvent der Beijing Union University. Dass die chinesische Regierung die russischen Angriffe nicht verurteilt, enttäusche ihn nicht nur, es widere ihn an. “Die chinesischen Staatsmedien übersetzen eins zu eins was die russischen Medien berichten. Aber wenn es sich nur um eine ‘punktuelle Militäroperationen’ handelt, warum sehen wir hier dann zerbombte Häuserkomplexe und tote Zivilisten? Es ist so feige, keine eigene Position dazu zu beziehen.”

    Chinas Zensoren filtern Inhalte und Bilder seines Gesichts

    Mit Sätzen wie diesen hat Wang sich in seinem Heimatland China zur Persona non grata gemacht. Auf Chinas Social-Media-Kanälen wie Weibo ist er längst nicht mehr zu finden. Die chinesischen Zensoren filtern mittlerweile sogar Bilder seines Gesichts mithilfe von KI-Software aus dem Netz, sagt der IT-Spezialist. “Mein Gesicht wird in China wie ein Porno behandelt. Du kannst es nur mit einem VPN sehen oder einen Freund fragen, ob er es dir auf DVD brennt”, sagt er bissig. “Die Regierung würde mir am liebsten einen Sack über den Kopf ziehen.”

    In den Kommentarspalten auf YouTube und Twitter erhält Wang viel Zuspruch, aber auch Drohungen von chinesischen Nationalisten, die ihn als Verräter und Werkzeug westlicher Mächte titulieren. Dass er für ein amerikanisches Unternehmen tätig ist, wird dabei als Beweis angeführt. Wangs Arbeitgeber, der Software-Entwickler RegDesk, hatte ihn im Juli 2021 von Mazedonien in die Ukraine versetzt. Schon damals begann er Videos aus seinem Alltag zu posten, für gerade mal 36 Follower. Mittlerweile sind es 110.000. Große Zeitungen wie die New York Times haben Berichte über ihn geschrieben.

    Keine Angst, nach China zurückzukehren

    Seine neue Sichtbarkeit als politischer Influencer scheint Wang nicht zu verunsichern – im Gegenteil. Auf Instagram postet er Selfies mit gewinnendem Lächeln und manchmal auch mit nacktem Oberkörper. In einer Zeit, in der die Selbstzensur vielen Chinesen – und zunehmend vielen Ausländern – ins Blut übergegangen scheint, ist Wangs offene Kritik an seiner Regierung bereits eine Sensation. “Es gibt noch andere Chinesen in der Ukraine. Die sind mutiger als ich”, sagt Wang. “Manche verteidigen ihr Zuhause und ihre Familie mit der Waffe in der Hand”. Der große Unterschied bestünde darin, dass sie ihr Gesicht nicht zeigen. “Ich habe ein hübsches Gesicht, warum soll ich das verstecken?”, fragt er ironisch-süffisant.

    Seine Familie in China werde aufgrund seiner Videoserien mittlerweile ebenfalls unter Druck gesetzt. “Mein Vater lässt sich davon aber nicht einschüchtern. Wie der Vater, so der Sohn”, sagt Wang und lacht. Er selbst habe keine Angst, nach China zurückzukehren. “Was könnte gefährlicher für mich sein als Raketenangriffe und potenzielle Nuklearattacken? Damit muss ich mich hier jeden Tag auseinandersetzen.” Fabian Peltsch

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    Personalie

    Jens Thyssen wechselt zu Volkswagen in Peking und steigt in die Abteilung “Mobility Asia” ein. Dort wird er als “Head of ADAS/AD Driving Functions” daran arbeiten, ADAS- und AD-Funktionen an lokale Anforderungen anzupassen und für den lokalen Markt freizugeben. Zuvor war Thyssen bei CARIAD in Ingolstadt für die konzernweite ADAS-Aufzeichnungstechnik verantwortlich.

    Dessert

    Der erste Stahlkastenträger steht. Am Wochenende hat der Bau der Hongqimen-Brücke begonnen. Bis 2024 sollen 76 weitere Träger folgen, um den Bezirk Nansha und die Stadt Zhongshan miteinander zu verbinden. Die 32 Kilometer lange Brücke ist ein wichtiger Teil des Infrastrukturprojekts Guangdong-Hongkong-Macao Greater Bay Area.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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