das chinesische Wirtschaftswunder ist von üppiger Kapitalzufuhr angetrieben. Schon seit den 90er-Jahren wiederholt sich jedoch immer wieder ein Muster: Ehrgeizige Firmenchefs nehmen im Expansionsdrang viel zu hohe Kredite auf. Die staatlichen Banken müssen die ausufernden Konglomerate dann mühsam entschulden. Jetzt könnte die Evergrande-Immobiliengruppe dran sein. Sie hat landesweit viele Millionen Quadratmeter Wohn- und Geschäftsfläche geschaffen. Nun zeigen sich Probleme beim Schuldendienst. Unser Autorenteam in Peking beleuchtet die Frage, ob hier ein “zweites HNA” droht. Zur Erinnerung: Der Touristikkonzern aus Hainan wurde im Januar zahlungsunfähig. Eine jahrelange Investitionsorgie endete in der Zerschlagung.
Ein Jahr Sicherheitsgesetz in Hongkong. Sein Inkrafttreten markierte das Ende der Idee, zumindest in einem Winkel des chinesischen Territoriums mit Freiheit zu experimentieren. Marcel Grzanna fasst zusammen, wie engmaschig die Überwachung seitdem geworden ist. Es gibt praktisch keine Hoffnung mehr für eine Rückkehr auf den Pfad in Richtung Demokratie.
Henry Kissinger ist eine diplomatische Legende. Im Jahr 1971 reiste er zweimal heimlich nach Peking, um eine Öffnung für Gespräche zu bewirken. Seitdem ist er darum bemüht, ein tragfähiges und berechenbares Verhältnis seines Landes zu China zu schaffen. Jetzt, im hohen Alter von 98 Jahren, steht er vor den Trümmern seiner Anstrengungen. Es droht eine Konfrontation: Die USA sehen ihren Status bedroht, während China sich der alten Weltordnung konsequent verweigert. Unser Kolumnist Johnny Erling erklärt, was das alles mit dem Himmelstempel in Peking zu tun hat.
Als die Kommunistische Partei am 1. Juli in Peking ihren 100. Geburtstag feierte, waren unter den Gästen auch einige der einflussreichsten Unternehmer des Landes. Besondere Beachtung fand, dass mit Xu Jiayin der Chef des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande gesichtet wurde. Wollte der Unternehmer, der später Fotos von sich auf der Feier veröffentlichte, mit seinem Auftritt zeigen, dass er trotz aller finanzieller Probleme weiterhin in der Gunst Pekings steht?
Sollte dies seine Absicht gewesen sein, hat Xu das Manöver nicht viel geholfen. Evergrande, das zu den größten Immobilienfirmen Chinas zählt, kommt aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Der Aktienkurs des Unternehmens sank in dieser Woche erneut auf ein neues Jahrestief, nachdem es zuvor bereits seit sechs Monaten praktisch ununterbrochen bergab gegangen war.
Investoren wenden sich in Scharen ab, weil es Sorgen gibt, dass das Unternehmen in einer ernsthaften Schuldenkrise steckt. “Könnte Evergrande zusammenbrechen?”, fragte kürzlich die Hongkonger Zeitung South China Morning Post und erinnerte an das Schicksal des Mega-Konzerns HNA aus der südchinesischen Provinz Hainan. Nach Jahren aggressiver Expansion musste der Reisekonzern und Großinvestor im Januar über Nacht Insolvenz anmelden. Eine von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe ist nun dabei, das Unternehmen zu restrukturieren.
Ähnlich wie HNA hatte auch die Immobilienfirma von Xu in den vergangenen Jahren rasant expandiert und dabei bis Ende des vergangenen Jahres einen Schuldenberg von umgerechnet über 104 Milliarden Dollar angehäuft. Bis Ende Juni konnte dieser Betrag zwar auf rund 88 Milliarden Dollar verkleinert werden, doch Erleichterung macht sich an den Märkten nicht breit.
Wie die Finanzagentur Bloomberg berichtet, haben sich mehrere chinesische Banken von Evergrande abgewendet. Drei namentlich nicht genannte Institute mit einem Kreditengagement von umgerechnet rund sieben Milliarden US-Dollar sollen beschlossen haben, Evergrandes fällige Darlehen in diesem Jahr nicht mehr zu verlängern. Drei weitere Banken erlauben Evergrande zwar, bestehende Kreditlinien zu verlängern, reduzierten jedoch den Zugang des Unternehmens zu frischem Kapital.
Mit Fitch und Moody’s stuften seit Juni gleich zwei internationale Ratingagenturen Evergrande herab. “Obwohl Evergrande seine Schulden reduziert hat, um seine finanzielle Stabilität zu verbessern, sieht sich das Unternehmen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten immer noch mit beträchtlichen fälligen Schulden und kündbaren Anleihen konfrontiert”, teilte Moody’s mit.
Längst haben die Schwierigkeiten von Evergrande auch die Regierung in Peking auf den Plan gerufen. Wie Bloomberg weiter berichtete, wurde Evergrande-Gründer Xu nur Tage vor dem Parteigeburtstag in Peking zurechtgewiesen. Das Treffen deutet darauf hin, dass die chinesischen Behörden zunehmend besorgt sind, dass Evergrande systemische Risiken für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt darstellen könnte. Beamte des Finanzstabilitäts- und Entwicklungsausschusses sollen Xu demnach aufgefordert haben, die Schuldenprobleme seines Unternehmens so schnell wie möglich zu lösen. Der Unternehmer solle etwa neue strategische Investoren zur Stabilisierung des Immobilienriesen finden.
Noch vor vier Jahren hätte sich der 62 Jahre alte Firmengründer wohl nicht ausmalen können, dass es einmal so rasant mit seinem Imperium bergab gehen könnte. Der boomende Aktienmarkt in China hatte den Bauunternehmer damals für kurze Zeit mit einem geschätzten Vermögen von 43 Milliarden Dollar zum reichsten Mann Chinas gemacht, weil die Evergrande-Papiere damals innerhalb eines halben Jahres an der Hongkonger Börse um fast 500 Prozent in die Höhe geschnellt waren. Dieser Höhenflug ist längst vorbei. Die Evergrande-Aktie, die in der Spitze 31 Hongkong-Dollar wert war, wurde zuletzt zu einem Kurs von unter neun Hongkong-Dollar gehandelt.
Evergrande ist damit heute zugleich eine der größten und eine der am höchsten verschuldeten Immobiliengruppen der Welt. Das Unternehmen besitzt 798 Objekte in 234 Städten und verwaltet 231 Millionen Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche. Allein 2020 hat es 149 neue Projekt ein Angriff genommen. Doch die schnelle Expansion der vergangenen Jahre war auf Pump finanziert. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz für Hongkong wollte die chinesische Regierung für Ruhe in der Stadt sorgen. Nach den monatelangen Massenprotesten des Jahres 2019 gegen Pekings wachsenden Einfluss erklärten die Behörden die “Stabilisierung” durch eine drastische Verschärfung der Gesetzeslage zum obersten Gebot. Regierungschefin Carrie Lam hatte auch gehofft, ausländischen Firmen und Investoren das Gefühl vermitteln zu können, dass trotz der politischen Säuberung der vergangenen zwölf Monate alles einfach so weitergeht wie früher. Business as usual eben.
Die vermeintlich vertrauensbildende Maßnahme hat ihre Wirkung offenbar nicht entfaltet. Im Gegenteil warnt die US-Regierung amerikanische Firmen inzwischen vor den steigenden Risiken, die mit ihrem wirtschaftlichen und finanziellen Engagement in der Stadt seit Einführung des Sicherheitsgesetzes verbunden sind. Die Behörden erhalten Zugriff auf sensible Daten, die Rechtssicherheit sinkt und Vergeltungsmaßnahmen durch chinesische Behörden werden zu einem realen Szenario. All das in einer Metropole, die jahrzehntelang zu den liberalsten Finanzzentren der Welt gehörte. Washington will seine Firmen auf die neuen Herausforderungen entsprechend vorbereiten, berichtete die Financial Times.
Das Sicherheitsgesetz habe die Grenze zwischen der Volksrepublik und Hongkong aufgeweicht, argumentieren US-Diplomaten. Diese Grenze haben ausländischen Unternehmen als Schutzwall gegen chinesische Interessen gesehen. Deshalb müssten sich die Firmen darüber im Klaren sein, dass ihre Daten heute nicht mehr sicher sind. Die Rechtslage ermögliche es chinesischen Behörden, auf diese Daten zuzugreifen. Das kürzlich beschlossene Pekinger Anti-Sanktionsgesetz schaffe zusätzliche Unsicherheit, weil ausländische Firmen dadurch erpressbar werden.
Auf die Gerichte der Stadt wollen sich die Amerikaner auch nicht mehr verlassen. Deren Umgang mit Oppositionellen ist ein Hinweis auf den neuen Geist in Hongkongs Gerichtssälen. Völlig überraschend hatte die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche das bereits angesetzte Verfahren gegen 47 pro-demokratische Politiker und Aktivisten um mehrere Monate vertagt. Man brauche mehr Zeit, begründeten die Ermittler. Die Betroffenen sitzen daher weiterhin im Gefängnis, ohne dass ihre Verfahren vorankommen.
Die meisten Angeklagten befinden sich bereits seit Februar in Haft. Ihre Teilnahme an der Organisation von nicht genehmigten Vorwahlen im Sommer vergangenen Jahres werten die Behörden als Verschwörung gegen den Staat. Jetzt wird die Gruppe frühestens im September einen Richter sehen. Dass sie dann auch schon ein Urteil erhalten, ist so gut wie ausgeschlossen. Erwartet wird eine Übertragung der Zuständigkeit an das Hohe Gericht.
Der frühere Hongkonger Abgeordnete Ted Hui, der aus Angst vor Strafverfolgung mit seiner Familie aus der Stadt geflohen ist und jetzt in Australien im Exil lebt, hält die Verschleppung für Absicht. “Die Verzögerung ist politisch motiviert. Das Ziel des Regimes ist es, die Gefangenen so lange wie möglich einzusperren und sie und ihre Familien psychisch und physisch zu zermürben”, sagt Hui dem China.Table.
Der Ex-Parlamentarier rechnet damit, dass das anstehende Verfahren zudem künstlich um bis zu zwei Jahre in die Länge gezogen wird. Bereits die Vertagung in den September verhindert, dass die 47 Angeklagten vor den Parlamentswahlen im Herbst politisch aktiv werden können. Nach der ebenfalls in Peking beschlossenen Wahlrechtsreform für Hongkong haben die Demokraten der Stadt ohnehin nur noch minimale Chancen auf eine politische Teilhabe.
Der Protestbewegung hat die chinesische Regierung ganz offensichtlich den Wind aus den Segeln genommen. Ihre führenden Köpfe haben Hongkong verlassen, sitzen im Gefängnis oder warten auf ihr Gerichtsverfahren. Das schafft Frustration bei denen, die im Laufe der Proteste mit auf die Straße gegangen waren. Kundgebungen von bis zu zwei Millionen Menschen hatten die Forderungen der demokratischen Opposition vor zwei Jahren gestützt. Ted Hui hält es für denkbar, dass sich ein kleiner Teil der Frustrierten radikalisiert. Vor allem junge Menschen hatten stets betont, dass sie bis zuletzt für den Erhalt ihrer Bürgerrechte kämpfen wollten, statt sich der autoritären Politik der Volksrepublik zu unterwerfen.
Dennoch traut Hui jüngsten Berichten über geplante Bombenanschläge in Hongkong nicht so recht. “Ich kann nicht ausschließen, dass manche darüber nachdenken, andere Mittel einzusetzen, aber ich halte es für wahrscheinlicher, dass diese Geschichte von der Propaganda komplett inszeniert worden ist, um der Öffentlichkeit eine Drohkulisse zu skizzieren und die Einführung des Sicherheitsgesetzes besser rechtfertigen zu können”, sagte Hui. Insgesamt nahm die Polizei seit Anfang Juli 17 Verdächtige fest, darunter zahlreiche Jugendliche unter 18 Jahren. Die Jungen und Mädchen sollen von einer Gruppe namens “Returning valiant” (Mutige Rückkehr) angeworben worden sein, um Anschläge gegen Infrastruktur und Regierungseinrichtungen in der Stadt auszuführen.
Hongkongs Justizministerin Teresa Cheng erinnerte die Menschen der Stadt nach den Festnahmen in einem Beitrag in der pro-Pekinger Tageszeitung Sing Tao Daily daran, dass bereits die verbale Rechtfertigung oder die Glorifizierung von “Terrorakten” Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz bedeuten. Schritt für Schritt wird das Spektrum des Sagbaren in der Stadt verringert, obwohl die Meinungsfreiheit in Hongkong noch bis 2047 vertraglich gewährleistet sein sollte.
Die autoritäre Entwicklung in ihrer Heimatstadt schreckt offenbar nicht nur Aktivisten ab. “Tausende der 7,5 Millionen Einwohner des Territoriums haben sich bereits für ein neues Leben anderswo auf den Weg gemacht”, kommentiert die Journalistin Clara Ferreira Marques in einem Meinungsbeitrag der Nachrichtenagentur Bloomberg. “Viele Tausende werden wahrscheinlich folgen, wenn die Pandemiebeschränkungen aufgehoben werden.” Unter den Ausreisewilligen seien auch durchschnittliche Familien, die durch die Verhaftungen von Kindern motiviert wurden. Auch Marques hat Hongkong kürzlich verlassen. Die Flucht der Menschen werde die Stadt verändert hinterlassen, lautet ihr Fazit.
16.07.2021, 18 bis 20 Uhr (MEZ)
Podiumsgespräch live im Paulinum Leipzig & via Youtube, Globe21Festival: Lang lebe Mao Zedong? Der Maoismus und sein Erbe im heutigen China Mehr
20.07.2021, 15 bis 16 Uhr (MEZ)
Webinar (Anmeldung erforderlich), Center for Strategic and International Studies (CSIS): Cross-Strait Relations After the 20th Party Congress Mehr
20.07.2021, 16 Uhr (MEZ)
Webinar (Anmeldung erforderlich), Ostasiatisches Seminar Uni Göttingen: Maritime Security and Strategic Implications in the South China Sea Anmeldung
In der Region war die Freude groß, als der chinesische Batteriehersteller und Daimler-Zulieferer Farasis vor zwei Jahren ankündigte, im nach der Wende besonders gebeutelten Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) ein neues Werk zu errichten. 600 Millionen Euro an Investitionen und etwa 600 hochwertige Arbeitsplätze versprach das chinesische Unternehmen. Nun teilte Farasis mit, der Bau könnte nochmals auf den Prüfstand kommen. Man überarbeite seine europaweite “Lokalisierungsstrategie”. Das Handelsblatt hatte gar berichtet, dass das Projekt in Bitterfeld womöglich gar nicht mehr zustande komme, zumindest sei aber von einer Verzögerung beim Bau um rund zwei Jahre bis Herbst 2024 auszugehen.
Eigentlich sollte das Werk bereits im kommenden Jahr eröffnen. Im Gespräch war auch, dass Bitterfeld neuer Europasitz von Farasis wird. Das 2002 zunächst im Silicon Valley gegründete Unternehmen hat seinen Stammsitz im chinesischen Ganzhou, seinen Deutschlandsitz bislang in Frickenhausen bei Esslingen. Farasis teilte mit, Bitterfeld bleibe weiterhin Bestandteil der überarbeiteten Europastrategie. Nähere Angaben werde es innerhalb der nächsten sechs Wochen geben.
Farasis ist einer von derzeit drei chinesischen Akkuherstellern, die Produktionspläne in Deutschland haben. Der aktuell bekannteste ist CATL aus Ningde. Das Unternehmen baut in Erfurt ein Werk für Fahrzeugbatterien. Svolt aus Changzhou errichtet im Saarland eine Akku-Produktionsstätte (China.Table berichtete).
Für Daimler ist Farasis besonders wichtig. Zwar baut der Stuttgarter Autobauer die Batterien für seine Elektroautos selbst, die meisten Zellen, die in den Batterien stecken, werden aber von Herstellern wie Farasis zugeliefert. Daimler betonte auf Anfrage von China.Table, dass Farasis ein “strategischer Partner für Batteriezellen” bleibe. Die Beteiligung von Daimler an Farasis in China bleibe zudem unverändert bestehen. Daimler war erst im vergangenen Jahr eine strategische Partnerschaft mit dem Unternehmen eingegangen, inklusive einer Kapitalbeteiligung in Höhe von rund drei Prozent.
Zu Details der Lieferantenbeziehungen äußere sich Daimler grundsätzlich nicht. Nur so viel: Die Versorgung der Mercedes-EQ Offensive sei sichergestellt, die Partner würden weiterhin “innovative und leistungsfähige Batteriezellen nach unseren spezifischen Vorgaben” liefern. flee
Ketchup der Marke Heinz mit der Aufschrift “Made in China” auf der Verpackung darf bereits seit Beginn des Jahres nicht mehr in die USA eingeführt werden. Viele T-Shirts ebenfalls nicht, sofern sie aus Xinjiang-Baumwolle hergestellt sind. Schon bald dürfte es sämtliche Produkte aus Xinjiang treffen. Der US-Senat hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Einfuhr von Waren aus der chinesischen Nordwestprovinz verbietet.
Grund für die Neuregelung ist der Umgang der chinesischen Führung mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region. “Wir werden kein Auge zudrücken bei den andauernden Verbrechen der Kommunistischen Partei Chinas gegen die Menschlichkeit, und wir werden nicht zulassen, dass Unternehmen einen Freifahrtschein haben, um von diesen schrecklichen Missbräuchen zu profitieren”, sagte der republikanische Senator Marco Rubio. “Kein amerikanisches Unternehmen sollte von diesen Missbräuchen profitieren. Kein amerikanischer Verbraucher sollte versehentlich Produkte aus Sklavenarbeit kaufen”, ergänzte Jeff Merkley von den Demokraten, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Rubio und Merkley hatten den Entwurf gemeinsam eingebracht.
Das “Gesetz zur Verhinderung von Zwangsarbeit der Uiguren” (“Uyghur Forced Labor Prevention Act”) würde eine “widerlegbare Vermutung” schaffen, dass in Xinjiang produzierte Waren mit Zwangsarbeit hergestellt werden und daher nach dem Tarifgesetz von 1930 verboten sind, heißt es in dem Entwurf. Die Beweislast würde auf die Importeure verlagert werden. Der Beschluss erfolgte im Senat einstimmig. Der Gesetzentwurf wird nun dem Repräsentantenhaus vorgelegt. Eine Zustimmung gilt auch dort als sicher. flee
China will in den nächsten fünf Jahren mindestens 30 Gigawatt an neuen Batterie-basierten Stromspeichern installieren. Laut Behördenangaben wäre das eine Verachtfachung der Kapazität bei Batteriespeichern im Vergleich zu Ende 2020, so das Wirtschaftsportal Caixin. Bisher hat Peking bei Energiespeichern vor allem auf Pumpspeicherkraftwerke gesetzt, bei denen Wasser mit überschüssiger Energie in höhere Lagen gepumpt wird, um es bei Bedarf abzulassen und Energie zu gewinnen. Solche Kraftwerke machen in China laut Caixin fast 90 Prozent der Speicherkapazität aus. Peking will in Zukunft jedoch weniger stark in Pumpspeicher investieren (China.Table berichtete).
Die Batteriespeicher sollen den bisherigen Ausbau der Solar- und Windkraftanlagen flankieren. Sie können in sogenannten Dunkelflauten – wenn weder Wind- noch Solarkraftwerke Strom liefern – zur Stabilität des Stromnetzes beitragen. Stromspeicher gelten deswegen als wichtiges Instrument, um die Energiewende zu erreichen. Bisher gelten Batterie-basierte Speicherlösungen noch als sehr kostenintensiv. Die Preise könnten mit einer zunehmenden Nachfrage, neuen Innovationen und der Nutzung ausgedienter E-Auto-Batterien zukünftig jedoch sinken. nib
Chinas Mega-Metropolen sind zunehmend von Hitzewellen und extremen Niederschlägen betroffen. Das zeigt ein neuer Bericht von Greenpeace Ostasien. Die NGO hat die Risiken von Extremwetterereignissen als Folge des Klimawandels analysiert. Demnach hat die Dauer und Häufigkeit von Hitzewellen in den drei untersuchten Metropolregionen Peking, Shanghai und Guangzhou-Shenzhen stark zugenommen. Hunderte Millionen Menschen sind davon betroffen.
Vor allem die Region Guangzhou-Shenzhen, wozu auch Hongkong gehört, leidet seit 1998 immer mehr unter starker Hitze. Seit 1998 trafen 73 Hitzewellen die Gegend. In den knapp 40 Jahren vorher waren es lediglich 25. In der Metropolregion um Shanghai ist die Durchschnittstemperatur seit 1961 durchgängig gestiegen, der Trend beschleunigt sich jedoch seit 1990. Im Großraum Peking-Tianjin-Hebei sei die Durchschnittstemperatur alle zehn Jahre um 0,32 Grad gestiegen.
Auch die Häufigkeit und Dauer sintflutartiger Regenstürme nahm in Shanghai und Guangzhou-Shenzhen zu. Über den Untersuchungszeitraum wechselten sich Perioden mit extremen Niederschläge und relativer Trockenheit ab. Auch wenn die globalen Emissionen um das Jahr 2040 ihren Höchststand erreichen sollten, wird die Durchschnittstemperatur in einigen Teilen Pekings bis 2100 um 2,6 Grad ansteigen, so die Berechnungen von Greenpeace. Die Sommer würden in den drei untersuchten Regionen um 24 bis 40 Tage länger werden.
Die Küstenregionen Chinas müssen sich auch auf den steigenden Meeresspiegel infolge der Klimakrise einstellen. Shanghai ist Prognosen zufolge, gemessen an der Einwohnerzahl, die am stärksten vom ansteigenden Meeresspiegel betroffene Stadt der Welt. Bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad sind gut 40 Prozent der Bevölkerung von den Fluten bedroht (China.Table berichtete). Und auch Hongkong gehört zu den besonders gefährdeten Städten. Der Meeresspiegel vor Chinas Küsten steigt sogar stärker an als im globalen Durchschnitt. Das zeigt ein neuer Bericht des Ministeriums für nationale Ressourcen. nib
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will weitere Untersuchungen zum Ursprung des Coronavirus. “Ich fordere China auf, die Fortsetzung der Untersuchungen über die Herkunft von COVID zu ermöglichen“, sagte er laut Reuters gestern bei einem Besuch der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf. Es würden mehr Informationen zum Ursprung des Virus benötigt, so Spahn demzufolge.
Auch der Vorsitzende der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, rief China auf, “transparent und offen zu sein” und bei der Aufklärung der Pandemie “zu kooperieren”. Die Ermittlungen der Ursprünge der Covid-Pandemie in China seien behindert worden, weil China keinen Zugang zu entsprechenden Rohdaten gewährt habe, so Tedros. Im März war ein Team aus westlichen und chinesischen Wissenschaftler:innen vier Wochen in und um Wuhan aktiv, um den Ursprung des Virus aufzuklären. In einem gemeinsamen Bericht kamen die Wissenschaftler:innen zum Ergebnis, das Virus sei wahrscheinlich von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen übergegangen. Tedros wird die Mitgliedsstaaten der WHO heute über eine vorgeschlagene zweite Phase der Studie zum Corona-Ursprung informieren, so Reuters. nib
Der chinesische App-Konzern Tencent hat möglicherweise ein Auge auf das erfolgreiche deutsche Computerspiele-Studio Crytek aus Frankfurt geworfen. Die Bild-Zeitung berichtet über ein Übernahmeangebot. Der Zukauf hätte für Tencent strategisch Sinn, weil das Unternehmen aus Shenzhen so seine Stellung als Marktführer in der Spielebranche ausbauen könnte. Es hat bereits den Berliner Spieleentwickler Yager übernommen. Crytek ist für beliebte Hits wie “Crysis” und “Far Cry” bekannt, die besonders realistische Simulationen von Kampfhandlungen bieten. Die Bild verbreitete daher auch gleich das Gerücht, die chinesische Armee wolle die Technik für Kriegssimulationen nutzen. fin
Das Museum of Chinese in America in New York will mit einer Ausstellung zu Rassismus gegen asiatische Mitbürger:innen aus der Corona-Pause gehen. Im Fokus steht eine Zunahme der Ressentiments gegen asiatischstämmige Amerikaner:innen während der Pandemie. Wann genau die Infektionslage die Wiedereröffnung erlaubt, ist noch unklar. An den Wänden wird es einen Zeitstrahl mit Tiefpunkten der Behandlung von US-Asiat:innen geben, dazu kommen aktuelle Stimmen in Form von Videos, Fotos, Musik, Protestplakaten und anderen Dokumenten von Übergriffen und Diskriminierungen.
Das Museum wurde 1980 als Geschichtsprojekt “New York Chinatown” gegründet und hat es sich laut eigenen Angaben zur Aufgabe gemacht, “die Geschichte, das Erbe, die Kultur und die vielfältigen Erfahrungen der Menschen chinesischer Abstammung in den Vereinigten Staaten zu bewahren und zu präsentieren”. fin
Peking wünscht sich von ausländischen Politikern, die Provinzen zu besuchen, statt nur auf Kurztrips in die Hauptstadt zu kommen, um China besser zu verstehen. Deutsche Kanzler folgten dem Ratschlag. Helmut Schmidt fuhr beim Antrittsbesuch 1975 nach Xinjiang, Helmut Kohl 1987 als erster Regierungschef nach Tibet. Am umtriebigsten war Angela Merkel unterwegs. Zuletzt bereiste die Kanzlerin im September 2019 die zentralchinesische Stadt Wuhan. Seit ihrem Amtsantritt kam sie zwölfmal nach China und schaute sich in rund 40 Prozent aller chinesischen Provinzen um.
Henry Kissinger schlägt sie jedoch alle. Er brachte es auf fast 100 Reisen in die Volksrepublik, nach seinem ersten geheimen Peking-Besuch vor 50 Jahren am 9. Juli 1971, der zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen Chinas mit den USA führte. Vergangene Woche feierte ihn Vizepräsident Wang Qishan dafür. Online zugeschaltet erinnerte sich der 98-jährige Kissinger in seiner 15-minütigen Video-Botschaft, wie es gelang, China zum “Teil des internationalen diplomatischen Systems” zu machen. Er rief die USA und China zum Dialog auf, damit es auch künftig so bleibt. Beide Nationen sollten sich jeweils einen Emissär wählen, der “das Vertrauen ihrer Präsidenten hat, um diese Diskussion zu führen.”
Der Gedanke, dass Washington und Peking sich gegeneinander aufstellen und dabei sind, “andere Nationen dafür auf ihre Seite zu ziehen” bereitet Kissinger schlaflose Nächte. Als Historiker sorgt ihn, ob sich das Reich der Mitte durch seinen Aufstieg unaufhaltsam zum Rivalen der westlichen Ordnung entwickelt und sich aus dem internationalen System abkoppelt.
Bei seinen Chinareisen entdeckte Kissinger einst einen Platz, wo er trefflich darüber nachdenken konnte. Es war der Tiantan (天坛) im Süden Pekings, auch bekannt als Himmelstempel. Ich erfuhr davon, als ich einst die Verwalter der mingzeitlichen Tempelanlage interviewte. Stolz erzählten sie mir, wie vernarrt Kissinger in ihren Park war. Er habe ihn fünfzehnmal besucht, brachte im Juni 2013 als damals 90-Jähriger sogar seinen Enkel mit.
Was faszinierte ihn so sehr an der 1406 bis 1420 erbauten Anlage, die dem Kaiser als Altar diente, um den Himmel um gute Ernten anzuflehen? Als “Sohn des Himmels” leitete der Kaiser die jährliche Opferzeremonie in der dreistöckigen runden Halle mit ihrem Dach aus blauglasierten Ziegeln. Ihre geniale Holzkonstruktion kam ohne Nägel aus. Der runde Tempel auf quadratischem Platz verkörperte den Himmel über der Erde und auch die hierarchische Weltordnung “Tian Xia”(天下) – Alles unter Chinas Himmel.
Kissinger bewunderte den Tiantan als “Meisterstück klassischer Baukunst” und liebte den anliegenden Zypressenwald mit uralten Bäumen. Das “altchinesische” Ambiente zog ihn auch aus anderem Grund in Bann. Es war die Zeit, als er über dem Mysterium China brütete. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er in zwei Büchern, 2011 in “China: Zwischen Tradition und Herausforderung” und 2014 im übergeordneten Werk “Weltordnung”. Er ging von der Frage der traditionellen Diplomatie aus, “wie sich ein Gleichgewicht miteinander rivalisierender Kräfte herstellen und so die Interessen von Staaten und der Widerstreit der Nationalismen austarieren lässt”. Die Antwort sah er in den Paktsystemen des Westfälischen Friedens (1648) und des Wiener Kongress (1815). Europa gelang es so, “die internationale Ordnung neu zu definieren.”
Zum ersten Mal besuchte Kissinger den Tiantan-Park im Oktober 1971, drei Monate nach seinem Coup am 9. Juli. Er war wieder in Peking, um mit China den Entwurf für ein Gemeinsames Kommuniqué vorzuverhandeln, das beim Besuch Richard Nixons im Februar 1972 veröffentlicht werden sollte. Sein Verhandlungspartner war Vizeaußenminister Qiao Guanhua, (乔冠华), der 1937 in Deutschland an der Universität Tübingen über den altchinesischen Philosophen Zhuangzi promoviert hatte. Der Biograph Luo Yingsheng beschreibt, dass sich beide Unterhändler nach zwei Tagen an der Frage festbissen, eine akzeptable Sprachregelung zur Taiwanfrage zu finden. Qiao schlug Kissinger eine halbtägige Pause vor, um mit ihm durch den Himmelstempel zu spazieren. Dort stritten beide weiter. Doch Qiaos Kalkül ging auf: “Manche Dinge kann man nur beim Spaziergang direkt ansprechen”. Kissinger habe eingelenkt.
Auch ein zweites Mal 1973 verabredeten sich Kissinger und Qiao nach einem Verhandlungs-Impasse erneut zum Gang durch den Tiantan-Park. Qiao zeigte ihm die im 18. Jahrhundert fertig gebaute, ovale Stein-Umfassung um den vorderen Opfertempel, die von den Einheimischen Echo-Mauer genannt wurde, weil sie durch ihre Bauweise den Schall weiterleitete. 60 Meter voneinander entfernt konnten sich beide hören und verstehen. Kissinger nannte sie das erste “schnurlose Mauertelefon der Welt”. Wenn ihm Peking ein paar der Steine mitgeben würde, hätte er den ersten “heißen Draht zu China”.
Kissinger und alle US-Präsidenten von Nixon über Bush bis Obama hielten an der Strategie fest, China weiterhin in die internationale Ordnung des westlich-westfälischen Konzepts einbinden zu wollen, auch nachdem ihr anfänglich gemeinsames Interesse keine Rolle mehr spielte, die sowjetische Gefahr abzuwehren. Sie sahen daher im Beitritt Pekings in die Welthandelsorganisation WTO einen wichtigen Schritt.
Kissinger legte die “Saat für eine Politik des Engagements, die zum Betriebssystem für die amerikanisch-chinesischen Beziehungen wurde”, schrieb der US-China Forscher Orville Schell in einem brillanten Essay. Das ging so lange gut, “bis China unter Xi Jinping aggressiv und angriffslustig zu handeln begann.” Schell zitiert dann Kurt Campell, den führenden Asien-Spezialist im Nationalen Sicherheitsrat der Regierung Biden. Dieser erklärte im Mai offiziell, was jeder bereits wusste: “Das Engagement ist zu Ende”. Derzeit gebe es in den USA “einen wachsenden parteiübergreifenden Konsens, von Kissingers Engagement-Politik zu einer Strategie des strategischen Wettbewerbs überzugehen, einschließlich härterer konfrontativer Maßnahmen, um mit Peking zu konkurrieren”, schlussfolgert Schell.
Kissinger meldete sich zuletzt mit immer stärkeren Warnungen zu Wort. Er fragt, ob die derzeitige Entwicklung zum großen Konflikt führt, so unvermeidlich, wie sich einst auch der Erste Weltkrieg nicht verhindern ließ. Die Antworten dazu findet er heute nicht mehr im Himmelstempel.
Shanghai mag’s ja gerne groß. Nun ist die Metropole um eine Rekord-Attraktion reicher. Auf einer Fläche von mehr als 38.000 Quadratmetern eröffnet an diesem Samstag das größte Planetarium der Welt. Herzstück ist ein gewölbter Saal mit einer gigantischen Kugel in der Mitte, die die Himmelskörper symbolisieren soll – und damit auch für Chinas Griff nach den Sternen steht.
das chinesische Wirtschaftswunder ist von üppiger Kapitalzufuhr angetrieben. Schon seit den 90er-Jahren wiederholt sich jedoch immer wieder ein Muster: Ehrgeizige Firmenchefs nehmen im Expansionsdrang viel zu hohe Kredite auf. Die staatlichen Banken müssen die ausufernden Konglomerate dann mühsam entschulden. Jetzt könnte die Evergrande-Immobiliengruppe dran sein. Sie hat landesweit viele Millionen Quadratmeter Wohn- und Geschäftsfläche geschaffen. Nun zeigen sich Probleme beim Schuldendienst. Unser Autorenteam in Peking beleuchtet die Frage, ob hier ein “zweites HNA” droht. Zur Erinnerung: Der Touristikkonzern aus Hainan wurde im Januar zahlungsunfähig. Eine jahrelange Investitionsorgie endete in der Zerschlagung.
Ein Jahr Sicherheitsgesetz in Hongkong. Sein Inkrafttreten markierte das Ende der Idee, zumindest in einem Winkel des chinesischen Territoriums mit Freiheit zu experimentieren. Marcel Grzanna fasst zusammen, wie engmaschig die Überwachung seitdem geworden ist. Es gibt praktisch keine Hoffnung mehr für eine Rückkehr auf den Pfad in Richtung Demokratie.
Henry Kissinger ist eine diplomatische Legende. Im Jahr 1971 reiste er zweimal heimlich nach Peking, um eine Öffnung für Gespräche zu bewirken. Seitdem ist er darum bemüht, ein tragfähiges und berechenbares Verhältnis seines Landes zu China zu schaffen. Jetzt, im hohen Alter von 98 Jahren, steht er vor den Trümmern seiner Anstrengungen. Es droht eine Konfrontation: Die USA sehen ihren Status bedroht, während China sich der alten Weltordnung konsequent verweigert. Unser Kolumnist Johnny Erling erklärt, was das alles mit dem Himmelstempel in Peking zu tun hat.
Als die Kommunistische Partei am 1. Juli in Peking ihren 100. Geburtstag feierte, waren unter den Gästen auch einige der einflussreichsten Unternehmer des Landes. Besondere Beachtung fand, dass mit Xu Jiayin der Chef des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande gesichtet wurde. Wollte der Unternehmer, der später Fotos von sich auf der Feier veröffentlichte, mit seinem Auftritt zeigen, dass er trotz aller finanzieller Probleme weiterhin in der Gunst Pekings steht?
Sollte dies seine Absicht gewesen sein, hat Xu das Manöver nicht viel geholfen. Evergrande, das zu den größten Immobilienfirmen Chinas zählt, kommt aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Der Aktienkurs des Unternehmens sank in dieser Woche erneut auf ein neues Jahrestief, nachdem es zuvor bereits seit sechs Monaten praktisch ununterbrochen bergab gegangen war.
Investoren wenden sich in Scharen ab, weil es Sorgen gibt, dass das Unternehmen in einer ernsthaften Schuldenkrise steckt. “Könnte Evergrande zusammenbrechen?”, fragte kürzlich die Hongkonger Zeitung South China Morning Post und erinnerte an das Schicksal des Mega-Konzerns HNA aus der südchinesischen Provinz Hainan. Nach Jahren aggressiver Expansion musste der Reisekonzern und Großinvestor im Januar über Nacht Insolvenz anmelden. Eine von der Regierung eingesetzte Arbeitsgruppe ist nun dabei, das Unternehmen zu restrukturieren.
Ähnlich wie HNA hatte auch die Immobilienfirma von Xu in den vergangenen Jahren rasant expandiert und dabei bis Ende des vergangenen Jahres einen Schuldenberg von umgerechnet über 104 Milliarden Dollar angehäuft. Bis Ende Juni konnte dieser Betrag zwar auf rund 88 Milliarden Dollar verkleinert werden, doch Erleichterung macht sich an den Märkten nicht breit.
Wie die Finanzagentur Bloomberg berichtet, haben sich mehrere chinesische Banken von Evergrande abgewendet. Drei namentlich nicht genannte Institute mit einem Kreditengagement von umgerechnet rund sieben Milliarden US-Dollar sollen beschlossen haben, Evergrandes fällige Darlehen in diesem Jahr nicht mehr zu verlängern. Drei weitere Banken erlauben Evergrande zwar, bestehende Kreditlinien zu verlängern, reduzierten jedoch den Zugang des Unternehmens zu frischem Kapital.
Mit Fitch und Moody’s stuften seit Juni gleich zwei internationale Ratingagenturen Evergrande herab. “Obwohl Evergrande seine Schulden reduziert hat, um seine finanzielle Stabilität zu verbessern, sieht sich das Unternehmen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten immer noch mit beträchtlichen fälligen Schulden und kündbaren Anleihen konfrontiert”, teilte Moody’s mit.
Längst haben die Schwierigkeiten von Evergrande auch die Regierung in Peking auf den Plan gerufen. Wie Bloomberg weiter berichtete, wurde Evergrande-Gründer Xu nur Tage vor dem Parteigeburtstag in Peking zurechtgewiesen. Das Treffen deutet darauf hin, dass die chinesischen Behörden zunehmend besorgt sind, dass Evergrande systemische Risiken für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt darstellen könnte. Beamte des Finanzstabilitäts- und Entwicklungsausschusses sollen Xu demnach aufgefordert haben, die Schuldenprobleme seines Unternehmens so schnell wie möglich zu lösen. Der Unternehmer solle etwa neue strategische Investoren zur Stabilisierung des Immobilienriesen finden.
Noch vor vier Jahren hätte sich der 62 Jahre alte Firmengründer wohl nicht ausmalen können, dass es einmal so rasant mit seinem Imperium bergab gehen könnte. Der boomende Aktienmarkt in China hatte den Bauunternehmer damals für kurze Zeit mit einem geschätzten Vermögen von 43 Milliarden Dollar zum reichsten Mann Chinas gemacht, weil die Evergrande-Papiere damals innerhalb eines halben Jahres an der Hongkonger Börse um fast 500 Prozent in die Höhe geschnellt waren. Dieser Höhenflug ist längst vorbei. Die Evergrande-Aktie, die in der Spitze 31 Hongkong-Dollar wert war, wurde zuletzt zu einem Kurs von unter neun Hongkong-Dollar gehandelt.
Evergrande ist damit heute zugleich eine der größten und eine der am höchsten verschuldeten Immobiliengruppen der Welt. Das Unternehmen besitzt 798 Objekte in 234 Städten und verwaltet 231 Millionen Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche. Allein 2020 hat es 149 neue Projekt ein Angriff genommen. Doch die schnelle Expansion der vergangenen Jahre war auf Pump finanziert. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz für Hongkong wollte die chinesische Regierung für Ruhe in der Stadt sorgen. Nach den monatelangen Massenprotesten des Jahres 2019 gegen Pekings wachsenden Einfluss erklärten die Behörden die “Stabilisierung” durch eine drastische Verschärfung der Gesetzeslage zum obersten Gebot. Regierungschefin Carrie Lam hatte auch gehofft, ausländischen Firmen und Investoren das Gefühl vermitteln zu können, dass trotz der politischen Säuberung der vergangenen zwölf Monate alles einfach so weitergeht wie früher. Business as usual eben.
Die vermeintlich vertrauensbildende Maßnahme hat ihre Wirkung offenbar nicht entfaltet. Im Gegenteil warnt die US-Regierung amerikanische Firmen inzwischen vor den steigenden Risiken, die mit ihrem wirtschaftlichen und finanziellen Engagement in der Stadt seit Einführung des Sicherheitsgesetzes verbunden sind. Die Behörden erhalten Zugriff auf sensible Daten, die Rechtssicherheit sinkt und Vergeltungsmaßnahmen durch chinesische Behörden werden zu einem realen Szenario. All das in einer Metropole, die jahrzehntelang zu den liberalsten Finanzzentren der Welt gehörte. Washington will seine Firmen auf die neuen Herausforderungen entsprechend vorbereiten, berichtete die Financial Times.
Das Sicherheitsgesetz habe die Grenze zwischen der Volksrepublik und Hongkong aufgeweicht, argumentieren US-Diplomaten. Diese Grenze haben ausländischen Unternehmen als Schutzwall gegen chinesische Interessen gesehen. Deshalb müssten sich die Firmen darüber im Klaren sein, dass ihre Daten heute nicht mehr sicher sind. Die Rechtslage ermögliche es chinesischen Behörden, auf diese Daten zuzugreifen. Das kürzlich beschlossene Pekinger Anti-Sanktionsgesetz schaffe zusätzliche Unsicherheit, weil ausländische Firmen dadurch erpressbar werden.
Auf die Gerichte der Stadt wollen sich die Amerikaner auch nicht mehr verlassen. Deren Umgang mit Oppositionellen ist ein Hinweis auf den neuen Geist in Hongkongs Gerichtssälen. Völlig überraschend hatte die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche das bereits angesetzte Verfahren gegen 47 pro-demokratische Politiker und Aktivisten um mehrere Monate vertagt. Man brauche mehr Zeit, begründeten die Ermittler. Die Betroffenen sitzen daher weiterhin im Gefängnis, ohne dass ihre Verfahren vorankommen.
Die meisten Angeklagten befinden sich bereits seit Februar in Haft. Ihre Teilnahme an der Organisation von nicht genehmigten Vorwahlen im Sommer vergangenen Jahres werten die Behörden als Verschwörung gegen den Staat. Jetzt wird die Gruppe frühestens im September einen Richter sehen. Dass sie dann auch schon ein Urteil erhalten, ist so gut wie ausgeschlossen. Erwartet wird eine Übertragung der Zuständigkeit an das Hohe Gericht.
Der frühere Hongkonger Abgeordnete Ted Hui, der aus Angst vor Strafverfolgung mit seiner Familie aus der Stadt geflohen ist und jetzt in Australien im Exil lebt, hält die Verschleppung für Absicht. “Die Verzögerung ist politisch motiviert. Das Ziel des Regimes ist es, die Gefangenen so lange wie möglich einzusperren und sie und ihre Familien psychisch und physisch zu zermürben”, sagt Hui dem China.Table.
Der Ex-Parlamentarier rechnet damit, dass das anstehende Verfahren zudem künstlich um bis zu zwei Jahre in die Länge gezogen wird. Bereits die Vertagung in den September verhindert, dass die 47 Angeklagten vor den Parlamentswahlen im Herbst politisch aktiv werden können. Nach der ebenfalls in Peking beschlossenen Wahlrechtsreform für Hongkong haben die Demokraten der Stadt ohnehin nur noch minimale Chancen auf eine politische Teilhabe.
Der Protestbewegung hat die chinesische Regierung ganz offensichtlich den Wind aus den Segeln genommen. Ihre führenden Köpfe haben Hongkong verlassen, sitzen im Gefängnis oder warten auf ihr Gerichtsverfahren. Das schafft Frustration bei denen, die im Laufe der Proteste mit auf die Straße gegangen waren. Kundgebungen von bis zu zwei Millionen Menschen hatten die Forderungen der demokratischen Opposition vor zwei Jahren gestützt. Ted Hui hält es für denkbar, dass sich ein kleiner Teil der Frustrierten radikalisiert. Vor allem junge Menschen hatten stets betont, dass sie bis zuletzt für den Erhalt ihrer Bürgerrechte kämpfen wollten, statt sich der autoritären Politik der Volksrepublik zu unterwerfen.
Dennoch traut Hui jüngsten Berichten über geplante Bombenanschläge in Hongkong nicht so recht. “Ich kann nicht ausschließen, dass manche darüber nachdenken, andere Mittel einzusetzen, aber ich halte es für wahrscheinlicher, dass diese Geschichte von der Propaganda komplett inszeniert worden ist, um der Öffentlichkeit eine Drohkulisse zu skizzieren und die Einführung des Sicherheitsgesetzes besser rechtfertigen zu können”, sagte Hui. Insgesamt nahm die Polizei seit Anfang Juli 17 Verdächtige fest, darunter zahlreiche Jugendliche unter 18 Jahren. Die Jungen und Mädchen sollen von einer Gruppe namens “Returning valiant” (Mutige Rückkehr) angeworben worden sein, um Anschläge gegen Infrastruktur und Regierungseinrichtungen in der Stadt auszuführen.
Hongkongs Justizministerin Teresa Cheng erinnerte die Menschen der Stadt nach den Festnahmen in einem Beitrag in der pro-Pekinger Tageszeitung Sing Tao Daily daran, dass bereits die verbale Rechtfertigung oder die Glorifizierung von “Terrorakten” Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz bedeuten. Schritt für Schritt wird das Spektrum des Sagbaren in der Stadt verringert, obwohl die Meinungsfreiheit in Hongkong noch bis 2047 vertraglich gewährleistet sein sollte.
Die autoritäre Entwicklung in ihrer Heimatstadt schreckt offenbar nicht nur Aktivisten ab. “Tausende der 7,5 Millionen Einwohner des Territoriums haben sich bereits für ein neues Leben anderswo auf den Weg gemacht”, kommentiert die Journalistin Clara Ferreira Marques in einem Meinungsbeitrag der Nachrichtenagentur Bloomberg. “Viele Tausende werden wahrscheinlich folgen, wenn die Pandemiebeschränkungen aufgehoben werden.” Unter den Ausreisewilligen seien auch durchschnittliche Familien, die durch die Verhaftungen von Kindern motiviert wurden. Auch Marques hat Hongkong kürzlich verlassen. Die Flucht der Menschen werde die Stadt verändert hinterlassen, lautet ihr Fazit.
16.07.2021, 18 bis 20 Uhr (MEZ)
Podiumsgespräch live im Paulinum Leipzig & via Youtube, Globe21Festival: Lang lebe Mao Zedong? Der Maoismus und sein Erbe im heutigen China Mehr
20.07.2021, 15 bis 16 Uhr (MEZ)
Webinar (Anmeldung erforderlich), Center for Strategic and International Studies (CSIS): Cross-Strait Relations After the 20th Party Congress Mehr
20.07.2021, 16 Uhr (MEZ)
Webinar (Anmeldung erforderlich), Ostasiatisches Seminar Uni Göttingen: Maritime Security and Strategic Implications in the South China Sea Anmeldung
In der Region war die Freude groß, als der chinesische Batteriehersteller und Daimler-Zulieferer Farasis vor zwei Jahren ankündigte, im nach der Wende besonders gebeutelten Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) ein neues Werk zu errichten. 600 Millionen Euro an Investitionen und etwa 600 hochwertige Arbeitsplätze versprach das chinesische Unternehmen. Nun teilte Farasis mit, der Bau könnte nochmals auf den Prüfstand kommen. Man überarbeite seine europaweite “Lokalisierungsstrategie”. Das Handelsblatt hatte gar berichtet, dass das Projekt in Bitterfeld womöglich gar nicht mehr zustande komme, zumindest sei aber von einer Verzögerung beim Bau um rund zwei Jahre bis Herbst 2024 auszugehen.
Eigentlich sollte das Werk bereits im kommenden Jahr eröffnen. Im Gespräch war auch, dass Bitterfeld neuer Europasitz von Farasis wird. Das 2002 zunächst im Silicon Valley gegründete Unternehmen hat seinen Stammsitz im chinesischen Ganzhou, seinen Deutschlandsitz bislang in Frickenhausen bei Esslingen. Farasis teilte mit, Bitterfeld bleibe weiterhin Bestandteil der überarbeiteten Europastrategie. Nähere Angaben werde es innerhalb der nächsten sechs Wochen geben.
Farasis ist einer von derzeit drei chinesischen Akkuherstellern, die Produktionspläne in Deutschland haben. Der aktuell bekannteste ist CATL aus Ningde. Das Unternehmen baut in Erfurt ein Werk für Fahrzeugbatterien. Svolt aus Changzhou errichtet im Saarland eine Akku-Produktionsstätte (China.Table berichtete).
Für Daimler ist Farasis besonders wichtig. Zwar baut der Stuttgarter Autobauer die Batterien für seine Elektroautos selbst, die meisten Zellen, die in den Batterien stecken, werden aber von Herstellern wie Farasis zugeliefert. Daimler betonte auf Anfrage von China.Table, dass Farasis ein “strategischer Partner für Batteriezellen” bleibe. Die Beteiligung von Daimler an Farasis in China bleibe zudem unverändert bestehen. Daimler war erst im vergangenen Jahr eine strategische Partnerschaft mit dem Unternehmen eingegangen, inklusive einer Kapitalbeteiligung in Höhe von rund drei Prozent.
Zu Details der Lieferantenbeziehungen äußere sich Daimler grundsätzlich nicht. Nur so viel: Die Versorgung der Mercedes-EQ Offensive sei sichergestellt, die Partner würden weiterhin “innovative und leistungsfähige Batteriezellen nach unseren spezifischen Vorgaben” liefern. flee
Ketchup der Marke Heinz mit der Aufschrift “Made in China” auf der Verpackung darf bereits seit Beginn des Jahres nicht mehr in die USA eingeführt werden. Viele T-Shirts ebenfalls nicht, sofern sie aus Xinjiang-Baumwolle hergestellt sind. Schon bald dürfte es sämtliche Produkte aus Xinjiang treffen. Der US-Senat hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Einfuhr von Waren aus der chinesischen Nordwestprovinz verbietet.
Grund für die Neuregelung ist der Umgang der chinesischen Führung mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region. “Wir werden kein Auge zudrücken bei den andauernden Verbrechen der Kommunistischen Partei Chinas gegen die Menschlichkeit, und wir werden nicht zulassen, dass Unternehmen einen Freifahrtschein haben, um von diesen schrecklichen Missbräuchen zu profitieren”, sagte der republikanische Senator Marco Rubio. “Kein amerikanisches Unternehmen sollte von diesen Missbräuchen profitieren. Kein amerikanischer Verbraucher sollte versehentlich Produkte aus Sklavenarbeit kaufen”, ergänzte Jeff Merkley von den Demokraten, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Rubio und Merkley hatten den Entwurf gemeinsam eingebracht.
Das “Gesetz zur Verhinderung von Zwangsarbeit der Uiguren” (“Uyghur Forced Labor Prevention Act”) würde eine “widerlegbare Vermutung” schaffen, dass in Xinjiang produzierte Waren mit Zwangsarbeit hergestellt werden und daher nach dem Tarifgesetz von 1930 verboten sind, heißt es in dem Entwurf. Die Beweislast würde auf die Importeure verlagert werden. Der Beschluss erfolgte im Senat einstimmig. Der Gesetzentwurf wird nun dem Repräsentantenhaus vorgelegt. Eine Zustimmung gilt auch dort als sicher. flee
China will in den nächsten fünf Jahren mindestens 30 Gigawatt an neuen Batterie-basierten Stromspeichern installieren. Laut Behördenangaben wäre das eine Verachtfachung der Kapazität bei Batteriespeichern im Vergleich zu Ende 2020, so das Wirtschaftsportal Caixin. Bisher hat Peking bei Energiespeichern vor allem auf Pumpspeicherkraftwerke gesetzt, bei denen Wasser mit überschüssiger Energie in höhere Lagen gepumpt wird, um es bei Bedarf abzulassen und Energie zu gewinnen. Solche Kraftwerke machen in China laut Caixin fast 90 Prozent der Speicherkapazität aus. Peking will in Zukunft jedoch weniger stark in Pumpspeicher investieren (China.Table berichtete).
Die Batteriespeicher sollen den bisherigen Ausbau der Solar- und Windkraftanlagen flankieren. Sie können in sogenannten Dunkelflauten – wenn weder Wind- noch Solarkraftwerke Strom liefern – zur Stabilität des Stromnetzes beitragen. Stromspeicher gelten deswegen als wichtiges Instrument, um die Energiewende zu erreichen. Bisher gelten Batterie-basierte Speicherlösungen noch als sehr kostenintensiv. Die Preise könnten mit einer zunehmenden Nachfrage, neuen Innovationen und der Nutzung ausgedienter E-Auto-Batterien zukünftig jedoch sinken. nib
Chinas Mega-Metropolen sind zunehmend von Hitzewellen und extremen Niederschlägen betroffen. Das zeigt ein neuer Bericht von Greenpeace Ostasien. Die NGO hat die Risiken von Extremwetterereignissen als Folge des Klimawandels analysiert. Demnach hat die Dauer und Häufigkeit von Hitzewellen in den drei untersuchten Metropolregionen Peking, Shanghai und Guangzhou-Shenzhen stark zugenommen. Hunderte Millionen Menschen sind davon betroffen.
Vor allem die Region Guangzhou-Shenzhen, wozu auch Hongkong gehört, leidet seit 1998 immer mehr unter starker Hitze. Seit 1998 trafen 73 Hitzewellen die Gegend. In den knapp 40 Jahren vorher waren es lediglich 25. In der Metropolregion um Shanghai ist die Durchschnittstemperatur seit 1961 durchgängig gestiegen, der Trend beschleunigt sich jedoch seit 1990. Im Großraum Peking-Tianjin-Hebei sei die Durchschnittstemperatur alle zehn Jahre um 0,32 Grad gestiegen.
Auch die Häufigkeit und Dauer sintflutartiger Regenstürme nahm in Shanghai und Guangzhou-Shenzhen zu. Über den Untersuchungszeitraum wechselten sich Perioden mit extremen Niederschläge und relativer Trockenheit ab. Auch wenn die globalen Emissionen um das Jahr 2040 ihren Höchststand erreichen sollten, wird die Durchschnittstemperatur in einigen Teilen Pekings bis 2100 um 2,6 Grad ansteigen, so die Berechnungen von Greenpeace. Die Sommer würden in den drei untersuchten Regionen um 24 bis 40 Tage länger werden.
Die Küstenregionen Chinas müssen sich auch auf den steigenden Meeresspiegel infolge der Klimakrise einstellen. Shanghai ist Prognosen zufolge, gemessen an der Einwohnerzahl, die am stärksten vom ansteigenden Meeresspiegel betroffene Stadt der Welt. Bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad sind gut 40 Prozent der Bevölkerung von den Fluten bedroht (China.Table berichtete). Und auch Hongkong gehört zu den besonders gefährdeten Städten. Der Meeresspiegel vor Chinas Küsten steigt sogar stärker an als im globalen Durchschnitt. Das zeigt ein neuer Bericht des Ministeriums für nationale Ressourcen. nib
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will weitere Untersuchungen zum Ursprung des Coronavirus. “Ich fordere China auf, die Fortsetzung der Untersuchungen über die Herkunft von COVID zu ermöglichen“, sagte er laut Reuters gestern bei einem Besuch der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf. Es würden mehr Informationen zum Ursprung des Virus benötigt, so Spahn demzufolge.
Auch der Vorsitzende der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, rief China auf, “transparent und offen zu sein” und bei der Aufklärung der Pandemie “zu kooperieren”. Die Ermittlungen der Ursprünge der Covid-Pandemie in China seien behindert worden, weil China keinen Zugang zu entsprechenden Rohdaten gewährt habe, so Tedros. Im März war ein Team aus westlichen und chinesischen Wissenschaftler:innen vier Wochen in und um Wuhan aktiv, um den Ursprung des Virus aufzuklären. In einem gemeinsamen Bericht kamen die Wissenschaftler:innen zum Ergebnis, das Virus sei wahrscheinlich von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen übergegangen. Tedros wird die Mitgliedsstaaten der WHO heute über eine vorgeschlagene zweite Phase der Studie zum Corona-Ursprung informieren, so Reuters. nib
Der chinesische App-Konzern Tencent hat möglicherweise ein Auge auf das erfolgreiche deutsche Computerspiele-Studio Crytek aus Frankfurt geworfen. Die Bild-Zeitung berichtet über ein Übernahmeangebot. Der Zukauf hätte für Tencent strategisch Sinn, weil das Unternehmen aus Shenzhen so seine Stellung als Marktführer in der Spielebranche ausbauen könnte. Es hat bereits den Berliner Spieleentwickler Yager übernommen. Crytek ist für beliebte Hits wie “Crysis” und “Far Cry” bekannt, die besonders realistische Simulationen von Kampfhandlungen bieten. Die Bild verbreitete daher auch gleich das Gerücht, die chinesische Armee wolle die Technik für Kriegssimulationen nutzen. fin
Das Museum of Chinese in America in New York will mit einer Ausstellung zu Rassismus gegen asiatische Mitbürger:innen aus der Corona-Pause gehen. Im Fokus steht eine Zunahme der Ressentiments gegen asiatischstämmige Amerikaner:innen während der Pandemie. Wann genau die Infektionslage die Wiedereröffnung erlaubt, ist noch unklar. An den Wänden wird es einen Zeitstrahl mit Tiefpunkten der Behandlung von US-Asiat:innen geben, dazu kommen aktuelle Stimmen in Form von Videos, Fotos, Musik, Protestplakaten und anderen Dokumenten von Übergriffen und Diskriminierungen.
Das Museum wurde 1980 als Geschichtsprojekt “New York Chinatown” gegründet und hat es sich laut eigenen Angaben zur Aufgabe gemacht, “die Geschichte, das Erbe, die Kultur und die vielfältigen Erfahrungen der Menschen chinesischer Abstammung in den Vereinigten Staaten zu bewahren und zu präsentieren”. fin
Peking wünscht sich von ausländischen Politikern, die Provinzen zu besuchen, statt nur auf Kurztrips in die Hauptstadt zu kommen, um China besser zu verstehen. Deutsche Kanzler folgten dem Ratschlag. Helmut Schmidt fuhr beim Antrittsbesuch 1975 nach Xinjiang, Helmut Kohl 1987 als erster Regierungschef nach Tibet. Am umtriebigsten war Angela Merkel unterwegs. Zuletzt bereiste die Kanzlerin im September 2019 die zentralchinesische Stadt Wuhan. Seit ihrem Amtsantritt kam sie zwölfmal nach China und schaute sich in rund 40 Prozent aller chinesischen Provinzen um.
Henry Kissinger schlägt sie jedoch alle. Er brachte es auf fast 100 Reisen in die Volksrepublik, nach seinem ersten geheimen Peking-Besuch vor 50 Jahren am 9. Juli 1971, der zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen Chinas mit den USA führte. Vergangene Woche feierte ihn Vizepräsident Wang Qishan dafür. Online zugeschaltet erinnerte sich der 98-jährige Kissinger in seiner 15-minütigen Video-Botschaft, wie es gelang, China zum “Teil des internationalen diplomatischen Systems” zu machen. Er rief die USA und China zum Dialog auf, damit es auch künftig so bleibt. Beide Nationen sollten sich jeweils einen Emissär wählen, der “das Vertrauen ihrer Präsidenten hat, um diese Diskussion zu führen.”
Der Gedanke, dass Washington und Peking sich gegeneinander aufstellen und dabei sind, “andere Nationen dafür auf ihre Seite zu ziehen” bereitet Kissinger schlaflose Nächte. Als Historiker sorgt ihn, ob sich das Reich der Mitte durch seinen Aufstieg unaufhaltsam zum Rivalen der westlichen Ordnung entwickelt und sich aus dem internationalen System abkoppelt.
Bei seinen Chinareisen entdeckte Kissinger einst einen Platz, wo er trefflich darüber nachdenken konnte. Es war der Tiantan (天坛) im Süden Pekings, auch bekannt als Himmelstempel. Ich erfuhr davon, als ich einst die Verwalter der mingzeitlichen Tempelanlage interviewte. Stolz erzählten sie mir, wie vernarrt Kissinger in ihren Park war. Er habe ihn fünfzehnmal besucht, brachte im Juni 2013 als damals 90-Jähriger sogar seinen Enkel mit.
Was faszinierte ihn so sehr an der 1406 bis 1420 erbauten Anlage, die dem Kaiser als Altar diente, um den Himmel um gute Ernten anzuflehen? Als “Sohn des Himmels” leitete der Kaiser die jährliche Opferzeremonie in der dreistöckigen runden Halle mit ihrem Dach aus blauglasierten Ziegeln. Ihre geniale Holzkonstruktion kam ohne Nägel aus. Der runde Tempel auf quadratischem Platz verkörperte den Himmel über der Erde und auch die hierarchische Weltordnung “Tian Xia”(天下) – Alles unter Chinas Himmel.
Kissinger bewunderte den Tiantan als “Meisterstück klassischer Baukunst” und liebte den anliegenden Zypressenwald mit uralten Bäumen. Das “altchinesische” Ambiente zog ihn auch aus anderem Grund in Bann. Es war die Zeit, als er über dem Mysterium China brütete. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er in zwei Büchern, 2011 in “China: Zwischen Tradition und Herausforderung” und 2014 im übergeordneten Werk “Weltordnung”. Er ging von der Frage der traditionellen Diplomatie aus, “wie sich ein Gleichgewicht miteinander rivalisierender Kräfte herstellen und so die Interessen von Staaten und der Widerstreit der Nationalismen austarieren lässt”. Die Antwort sah er in den Paktsystemen des Westfälischen Friedens (1648) und des Wiener Kongress (1815). Europa gelang es so, “die internationale Ordnung neu zu definieren.”
Zum ersten Mal besuchte Kissinger den Tiantan-Park im Oktober 1971, drei Monate nach seinem Coup am 9. Juli. Er war wieder in Peking, um mit China den Entwurf für ein Gemeinsames Kommuniqué vorzuverhandeln, das beim Besuch Richard Nixons im Februar 1972 veröffentlicht werden sollte. Sein Verhandlungspartner war Vizeaußenminister Qiao Guanhua, (乔冠华), der 1937 in Deutschland an der Universität Tübingen über den altchinesischen Philosophen Zhuangzi promoviert hatte. Der Biograph Luo Yingsheng beschreibt, dass sich beide Unterhändler nach zwei Tagen an der Frage festbissen, eine akzeptable Sprachregelung zur Taiwanfrage zu finden. Qiao schlug Kissinger eine halbtägige Pause vor, um mit ihm durch den Himmelstempel zu spazieren. Dort stritten beide weiter. Doch Qiaos Kalkül ging auf: “Manche Dinge kann man nur beim Spaziergang direkt ansprechen”. Kissinger habe eingelenkt.
Auch ein zweites Mal 1973 verabredeten sich Kissinger und Qiao nach einem Verhandlungs-Impasse erneut zum Gang durch den Tiantan-Park. Qiao zeigte ihm die im 18. Jahrhundert fertig gebaute, ovale Stein-Umfassung um den vorderen Opfertempel, die von den Einheimischen Echo-Mauer genannt wurde, weil sie durch ihre Bauweise den Schall weiterleitete. 60 Meter voneinander entfernt konnten sich beide hören und verstehen. Kissinger nannte sie das erste “schnurlose Mauertelefon der Welt”. Wenn ihm Peking ein paar der Steine mitgeben würde, hätte er den ersten “heißen Draht zu China”.
Kissinger und alle US-Präsidenten von Nixon über Bush bis Obama hielten an der Strategie fest, China weiterhin in die internationale Ordnung des westlich-westfälischen Konzepts einbinden zu wollen, auch nachdem ihr anfänglich gemeinsames Interesse keine Rolle mehr spielte, die sowjetische Gefahr abzuwehren. Sie sahen daher im Beitritt Pekings in die Welthandelsorganisation WTO einen wichtigen Schritt.
Kissinger legte die “Saat für eine Politik des Engagements, die zum Betriebssystem für die amerikanisch-chinesischen Beziehungen wurde”, schrieb der US-China Forscher Orville Schell in einem brillanten Essay. Das ging so lange gut, “bis China unter Xi Jinping aggressiv und angriffslustig zu handeln begann.” Schell zitiert dann Kurt Campell, den führenden Asien-Spezialist im Nationalen Sicherheitsrat der Regierung Biden. Dieser erklärte im Mai offiziell, was jeder bereits wusste: “Das Engagement ist zu Ende”. Derzeit gebe es in den USA “einen wachsenden parteiübergreifenden Konsens, von Kissingers Engagement-Politik zu einer Strategie des strategischen Wettbewerbs überzugehen, einschließlich härterer konfrontativer Maßnahmen, um mit Peking zu konkurrieren”, schlussfolgert Schell.
Kissinger meldete sich zuletzt mit immer stärkeren Warnungen zu Wort. Er fragt, ob die derzeitige Entwicklung zum großen Konflikt führt, so unvermeidlich, wie sich einst auch der Erste Weltkrieg nicht verhindern ließ. Die Antworten dazu findet er heute nicht mehr im Himmelstempel.
Shanghai mag’s ja gerne groß. Nun ist die Metropole um eine Rekord-Attraktion reicher. Auf einer Fläche von mehr als 38.000 Quadratmetern eröffnet an diesem Samstag das größte Planetarium der Welt. Herzstück ist ein gewölbter Saal mit einer gigantischen Kugel in der Mitte, die die Himmelskörper symbolisieren soll – und damit auch für Chinas Griff nach den Sternen steht.