Table.Briefing: China

Energiesicherheit im Fokus + Ende der Joint-Venture-Pflicht

  • Große Pläne für Ausbau der Energiespeicher
  • Ende der Joint-Venture-Pflicht birgt Tücken
  • China äußert sich weiterhin unklar zu Ukraine-Konflikt
  • EU-Kommission stellt Lieferkettengesetz vor
  • Puma macht Boykott zu schaffen
  • Brüssel warnt vor Abhängigkeit bei Rohmaterialien
  • Polestar plant klimaneutrales Auto
  • EU-Indopazifik-Treffen: Keine “Anti-China-Strategie”
  • Im Portrait: Journalistin und Autorin Lin Hierse
Liebe Leserin, lieber Leser,

an die flächendeckenden Stromausfälle des vergangenen Spätsommers dürften sich viele in China noch erinnern. Millionen saßen im Dunkeln, ganze Fabriken standen still – mit Auswirkungen auf die Lieferketten weltweit. Der Ausbau von Energiespeichern steht daher ganz oben auf der Agenda der chinesischen Führung, um Energiesicherheit zu gewährleisten. Und Peking hat große Pläne, analysiert Nico Beckert. Dennoch ist jetzt schon klar, dass auch Milliardeninvestitionen in der laufenden Energiewende die Netze nicht völlig sicher machen.

Lange haben insbesondere die deutschen Autobauer in China auf diesen Schritt gewartet: die Lockerung der Joint-Venture-Pflicht. Dieser Zwang sah vor, dass ausländische Hersteller nie mehr als 50 Prozent an einem Unternehmen in China halten und nur Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischen Partnern betreiben durften. Im Geschäft mit Nutzfahrzeugen fiel diese Auflage vor zwei Jahren, ausländischer Hersteller von Elektro- und Hybridautos waren schon vorher davon befreit. Seit Beginn des Jahres ist der Zwang zur Beteiligung einheimischer Unternehmen für die gesamte Branche weitgehend aufgehoben. Doch nicht alle Akteure sind glücklich sind mit dieser Lockerung, schreibt Christian Domke Seidel in seiner Analyse zum Wegfall des Joint-Venture-Zwang. Denn die Freigabe kommt mit einem Haken.

Wer an unserer Live-Veranstaltung China-Strategie 2022 am Dienstag teilgenommen hat, musste leider üble Schwächen beim Zoom-Zugang und vor allem bei der Tonübertragung ertragen. Einigen von uns war während der Veranstaltung aufgefallen, dass ausgerechnet die Sprecher aus China vergleichsweise gut zu hören waren, die aus Deutschland aber nicht. Nun hat sich tatsächlich die für uns zunächst unwahrscheinlichste Ursache bestätigt: Die Telekom hatte ausgerechnet am Dienstag flächendeckend mit erheblichen Netzausfällen zu kämpfen. In China hingegen waren die Zoom-Server gut angebunden. Womit sich bestätigt: Im Vergleich zu China ist Deutschland digital eben doch noch Entwicklungsland.

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

Energiespeicher – wichtiger Baustein der Energiewende

China benötigt Energiespeicher, um Stromversorgung auch während der Energiewende zu versorgen. Das Bild zeigt die Baustelle eines Pumpspeicherkraftwerks nahe der Stadt Fukang.
Für Pumpspeicherkraftwerke sind teils große Eingriffe in die Natur nötig. Das Bild zeigt die Baustelle des Pumpspeicherkraftwerks nahe der Stadt Fukang.

Wie heikel das Thema Energiesicherheit ist, bekam China im letzten Herbst auf drastische Weise zu spüren: Aufgrund von Engpässen mussten zahlreiche Provinzen den Strom rationieren. Dabei ging nicht nur in Privathaushalten das Licht aus – auch Fabriken standen still. Für Chinas politische Eliten war dies ein Schock und auch ausländische Investoren beobachteten die Lage mit Sorge.

Damit so etwas nicht wieder passiert, macht Peking Energiesicherheit zu einem wichtigen Ziel. Die Energiewende soll aber nicht aufgegeben werden. Im Gegenteil: China möchte seine Stromerzeugungs-Kapazität aus Sonne und Wind bis 2030 auf 1.200 Gigawatt verdoppeln. Kohlestrom soll weiterhin langfristig aus dem Netz gedrängt werden.

Um die Energiewende voranzutreiben und dennoch eine zuverlässige Stromversorgung sicherzustellen, besitzt der Ausbau von Energiespeichern eine essenzielle Bedeutung. Denn China sieht sich mit den gleichen Problemen konfrontiert wie Deutschland: Wind und Sonne liefern mal mehr Energie, als nachgefragt wird, mal herrscht Flaute. Die Folge sind Stromengpässe und ein instabiles Netz. Pumpkraftwerke und Batteriespeicher können die erneuerbaren Energien in Überschuss-Zeiten auffangen und in den sogenannten Dunkelflauten oder bei hoher Stromnachfrage wieder ins Netz speisen.

China will Kapazität vervielfachen

Beim Ausbau seiner Energiespeicher hat China große Pläne. Die Kapazität der Pumpspeicher soll bis 2025 auf 62 Gigawatt verdoppelt werden. 2030 soll sie bereits bei 120 Gigawatt liegen. Bei dieser Form der Energiespeicher wird Wasser mit überschüssiger Energie in ein Reservoir in höheren Lagen gepumpt. Bei Flaute oder hoher Nachfrage wird das Wasser wieder abgelassen und erzeugt über Turbinen Energie.

Bei den Batterie-Speichern strebt China sogar eine Verachtfachung der derzeitigen Kapazität an. Derzeit verfügt das Land über 3,5 Gigawatt an solchen Speichern, hauptsächlich in Form von Lithium-Ionen-Batterien. Bis zum Jahr 2025 soll die Kapazität auf 30 Gigawatt wachsen. Idealerweise stammt ein Großteil dieser Batterie-Speicher aus ausgedienten E-Auto-Batterien. Dadurch machen die Energiespeicher anderen Sektoren keine Konkurrenz um knappe und teurer werdende Batterie-Rohstoffe. Derzeit haben die chinesischen Behörden allerdings noch Sicherheitsbedenken. Chinas Nationale Energiebehörde hatte infolge einer tödlichen Explosion in einer Batterie-Speicher-Einrichtung zuletzt ein Verbot der Zweitnutzung vorgeschlagen (China.Table berichtete).

Energiespeicher in China: Wer soll den Ausbau bezahlen?

Ein Problem für den Ausbau der Energiespeicher könnten allerdings die Kosten sein. Ein Großteil der Verantwortung zum Ausbau von Energiespeichern liegt bei den Erzeugern von erneuerbaren Energien:

  • Bei einigen neuen Solar- und Windkraftanlagen müssen Projektentwickler für mindestens 15 Prozent der neu installierten Kraftwerksleistung Energiespeicher-Systeme aufbauen;
  • Wenn für mindestens 20 Prozent der neu installierten Kraftwerksleistung parallel Energiespeicher entstehen, werden diese Kraftwerke mit Vorrang ans Stromnetz angeschlossen.

Für die Betreiber von Solar- und Windparks bedeutet das zusätzliche Investitionen, die fossile Energieträger nicht mit sich bringen. Und dabei ist der Solar-Sektor schon jetzt von hohen Kosten und geringen Gewinnen geplagt. Betreiber stehen häufig vor dem Problem, dass die Versorger ihre Wind- und Solarparks nur langsam an das Stromnetz anschließen, wie die South China Morning Post berichtet. Ein Industrievertreter beklagt demnach, dass der Markt für Energiespeicher in China “derzeit kein tragfähiges Geschäftsmodell” hat.

Energiespeicher könnten zu steigenden Strompreisen führen

Neben der Frage der Kostenverteilung fehlen auch finanzielle Anreize. Chinas System der Stromtarife sieht keine Extra-Vergütungen für Anbieter vor, die in Zeiten hoher Nachfrage Strom liefern. “Damit Pumpspeicherkraftwerke rentabel sein können, sollte der Strompreis während der Spitzenlast mindestens dreimal so hoch sein wie der Niederlasttarif”, sagt Lin Boqiang, Energieexperte und Dekan am China Institute for Energy Policy Studies an der Universität Xiamen gegenüber der SCMP.

Chinas Pläne für Energiespeicher klingen ambitioniert, ihre Dimensionen könnten aber noch immer zu gering sein. Laut Branchenanalysten braucht China bis 2030 bereits Energiespeicher mit einer Kapazität von 200 Gigawatt. “Das 120 Gigawatt-Ziel [für Pumpspeicher] erscheint nicht ambitioniert genug, um die Klimaziele zu erreichen”, sagt ein Analyst.

Der Ausbau der Energiespeicher zeigt, vor welch immensen Herausforderungen Chinas Planer bei der Energiewende stehen. Der Umbau des Energiesystems ist eine Operation am offenen Herzen der chinesischen Volkswirtschaft, bei der die Interessen unterschiedlicher Akteure in Einklang gebracht werden müssen. Die Energiekrise des letzten Jahres hat gezeigt, zu was für drastischen Störungen es kommen kann, wenn die Verantwortung für eine sichere und kostengünstige Stromversorgung auf einzelne Akteure verlagert wird. (China.Table berichtete)

  • Energie
  • Erneuerbare Energien
  • Klima
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Das süße Gift der Lockerungen

Die aktuellen Öffnungen der chinesischen Wirtschaft dürfen nicht überbewertet werden – mahnt Jürgen Matthes im Gespräch mit China.Table. Matthes ist Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und erklärt: “Es gibt in China einen graduellen, aber beständigen Trend weg von einem sehr restriktivem hin zu einem etwas offenerem Umgang mit ausländischen Investitionen im eigenen Land.”

Diese Äußerung überrascht. Denn eigentlich sind die politischen Problemzonen im Verhältnis zwischen Europa und China in den vergangenen Jahren eher größer geworden. Sanktionen wurden mit Gegensanktionen beantwortet, ohne dass zentrale Streitpunkte aus der Welt geschafft werden konnten. Die Lockerungen in der chinesischen Joint-Venture-Pflicht scheinen zumindest auf wirtschaftlicher Ebene ein erster, kleiner Schritt der Entspannung.

Dem Bund der Deutschen Industrie (BDI) reicht das allerdings nicht aus. Gegenüber China.Table fordert Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: “Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen gegenüber China auf Reziprozität beim Marktzugang und ein Level-Playing-Field pochen. Die chinesische Regierung muss alle Formen von Marktzugangsbarrieren beseitigen und einen fairen Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern ermöglichen.”

Hohe Risiko des Technologietransfers

In dieser Form sei das kaum zu erwarten, glaubt Matthes. China würde zwischen einer Öffnung einerseits und Autarkie im Sinne der Dual Circulation andererseits pendeln. Entsprechend haben die Lockerungen einen Haken, wie Matthes erläutert: “Die Öffnungen sind kleine Schritte in Bereichen, in denen es China nicht weh tut, weil die eigenen Firmen meist schon stark genug sind, um sich dem globalen Wettbewerb zu stellen.” Eine Einschränkung, die auch der BDI sieht. Zwar würde sich für europäische Firmen ein enormes Absatzpotential auftun, das Risiko des Technologietransfers sei aber groß. Zumal die chinesische Regierung immer stärker auf Importsubstitution setze und dabei einheimische Unternehmen bevorzuge. “Diese Praxis benachteiligt deutsche Unternehmen oder schließt diese gar vom chinesischen Markt aus.”

Während chinesische Firmen in Europa vor einem weitgehend barrierefreien Markt stehen, sind europäische Unternehmen mit einer Vielzahl von Restriktionen konfrontiert. Das chinesische Modell einer parteistaatlich gelenkten Wirtschaft würde auch hierzulande ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, glaubt Niedermark und fordert Anpassungen am europäischen Rechtsrahmen etwa für Reziprozität im öffentlichen Auftragswesen, schärfere Anti-Subventions-Regeln und ein gemeinsamer Kurs der EU-Staaten bei der Investitionskontrolle. “Wir wollen unseren Markt offenhalten, müssen aber mehr dafür tun, dass Marktmechanismen tatsächlich zum Einsatz kommen und nicht durch ausländische Staatsunternehmen verzerrt werden.

Deutsche Hersteller erweitern ihre Partnerschaften

Die Lockerungen, die jetzt umgesetzt werden, wurden bereits im Jahr 2018 angekündigt. Deutsche Automobilhersteller standen also schon in den Startlöchern. Pünktlich mit Beginn der Lockerungen erhöhte BMW für 3,7 Milliarden Euro seinen Anteil am Joint-Venture mit Brilliance von 50 auf 75 Prozent (China.Table berichtete). Den Schritt hatten die Münchener bereits im Jahr 2018 angekündigt. Auch Audi hat direkt eine erweiterte Partnerschaft mit FAW angekündigt (China.Table berichtete). Bis zum Jahr 2024 soll ein neues Werk entstehen, indem jährlich 150.000 Elektroautos gefertigt werden sollen. Der deutsche Autohersteller hält an der Audi FAW NEV Company, wie das Unternehmen heißt, ebenfalls die Mehrheit. 

Ein Alleingang – ohne chinesischen Partner – kommt für Audi nicht infrage. “Die Kooperation ermöglicht uns einen tiefen Einblick in den chinesischen Markt – deshalb werden wir dieses Erfolgsmodell auch in Zukunft beibehalten. Durch unseren lokalen Partner ist es uns möglich, Expertise und Kunden-Anforderungen bereits in früher Entwicklungsphase in das Fahrzeug einzubringen – das hat sich als sehr hilfreich erwiesen”, erklärte eine Unternehmenssprecherin gegenüber China.Table. BMW sieht es ähnlich. Einen Partner vor Ort zu haben, der den Markt kennt und dahingehend sein Know-how einbringen könnte, sei wichtig. Es gäbe weder Pläne für einen Alleingang, noch Gründe dafür, das Joint-Venture mit Brilliance infrage zu stellen, wird das Unternehmen sehr deutlich. Niedermark kann das nachvollziehen. “Zahlreiche deutsche Unternehmen sind bereits seit Jahren oder gar Jahrzehnten in China investiert. Für sie bleibt der chinesische Markt auch in Zukunft wichtig.” 

“Nach außen chinesisch wirken – Probleme im Geschäft minimieren”

Auch Matthes überraschen die Aussagen nicht. Der chinesische Automarkt sei ohnehin schwierig und würde durch geopolitische Maßnahmen weiter verkompliziert: “Wir kriegen von deutschen Firmen in China mit, dass der Markt schwieriger wird, da heimische Firmen immer stärker bevorzugt werden. Das neue Narrativ, auf sich selbst schauen zu wollen, ist erstaunlich schnell im ganzen System angekommen.” Die Nachfrageperspektiven für ausländische Firmen in China seien eher weniger optimistisch, so Matthes weiter. Viele würden sich wie Schachfiguren im geopolitischen Spiel fühlen.

Auf der anderen Seite sei China aber nun mal ein großer und dynamischer Markt. Bestehende Joint-Ventures beizubehalten oder zu intensivieren sei eine Art, auf die veränderte Stimmung im Land zu reagieren, so Matthes. “Immer mehr deutsche Firmen in China überlegen sich, was die höheren geopolitischen Risiken für ihr Unternehmen bedeuten. Manche entscheiden sich, so chinesisch wie möglich nach außen zu wirken, um drohende Probleme im Geschäftsalltag zu minimieren.”

  • Autoindustrie

News

Studie: China könnte Russland-Sanktionen zum Teil ausgleichen

Chinas offizielle Stellen äußerten sich am Mittwoch erneut unklar und widersprüchlich zu der Situation in der Ukraine. Obwohl Russland bereits mit Truppenbewegungen Fakten schafft, forderte die Regierung in Peking alle Beteiligten erneut zu “Dialog” und “Zurückhaltung” auf. China werde sich Sanktionen westlicher Länder, Japans und Australiens gegen Russland nicht anschließen, sagte ein Außenamtssprecher in Peking. Man halte Sanktionen für keine gute Lösung. “Die Sicherheitsanliegen aller Staaten sollten immer respektiert werden, die Prinzipien der UN-Charta sollten dabei immer im Blick bleiben.”

Bündnis zwischen China und Russland unwahrscheinlich

Chinas Führung befindet sich in der Zwickmühle: Einerseits hat sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin Hilfe gegen den Westen versichert, andererseits pocht sie selbst auf Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder (China.Table berichtete). Der Gedanke eines Bündnisses der Autokraten mag für China intuitiv attraktiv erscheinen. In der Praxis schafft es Komplikationen, sich zu sehr an Putin und seine Fixierung auf ein großes Russland zu binden.

Derweil schaltet sich die Weltbank in die Diskussion über die Wirksamkeit von Finanzsanktionen ein. Sie hat untersucht, was mit russischen Warenströmen passiert, wenn die westlichen Länder die Abwicklung von Dollar-Zahlungen einstellen. China würde in diesem Fall im großen Stil als Handelspartner einspringen, so die Studie. Der Yuan-Handel mit China wäre dann ein möglicher Ausweg für Moskau. Nach der Annektion der Krim im Jahr 2014 war China bereits zu Russlands wichtigster Export-Region aufgestiegen.

Taiwan versetzt Truppen in Einsatzbereitschaft

In Taiwan nimmt derzeit die Sorge zu, Xi Jinping könne sich Putin zum Vorbild nehmen und in die vermeintlich eigenen Territorien einmarschieren. Präsidentin Tsai Ing-wen rief die Streitkräfte zu besonderer Wachsamkeit auf. Die Finanzbehörden sollen derweil die Märkte überwachen und notfalls stabilisieren.

In der Region wächst die Sorge, dass China die Ablenkung durch den Ukraine-Konflikt für eine kurzfristige Aktion nutzen könnte. Das taiwanische Militär beobachtet jedoch bisher keine besonderen Vorkommnisse. Tsai warnte vor “Kriegsführung in den Köpfen”. Sie bezog sich darauf, dass eine wirkungslose Reaktion des Westens auf den Ukraine-Übergriff als Schwächung der Garantien für Taiwan gewertet werde.

China nutzte die Gelegenheit tatsächlich, um seine Drohungen gegen Taiwan zu verstärken. Anders als Donbass sei Taiwan wirklich ein “unveräußerlicher Teil” des größeren Landes. “Taiwan ist natürlich nicht die Ukraine!”, stellte eine Außenamtssprecherin daher klar. “Taiwan war immer ein unveräußerlicher Teil von Chinas Territorium. Das ist eine unwiderlegbare historische und rechtliche Tatsache”, sagte die Sprecherin laut der Nachrichtenagentur AFP. fin

  • Geopolitik
  • Russland
  • Taiwan
  • Ukraine

EU-Kommission ohne Details zu Importverbot

Die EU-Kommission arbeitet nach eigenen Angaben an einer eigenständigen Gesetzgebung, um die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit zu verbieten. Das gab die Brüsseler Behörde am Mittwoch im Rahmen der Vorstellung des EU-Lieferkettengesetzes bekannt. Details dazu, wie das Importverbot aussehen könnte, gab es jedoch nicht. Wie China.Table bereits berichtete, fällt der Umfang des EU-Lieferkettengesetzes geringer aus als erwartet. Konkret sieht der Entwurf mehrere Grenzen vor: Firmen in der EU sind betroffen, wenn sie weltweit einen Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften und mehr als 500 Mitarbeitende haben. Strengere Regeln gibt es für Unternehmen, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist. Hier sind 250 Angestellte vorgesehen. Hier soll jeweils jedoch die gesamte Wertschöpfungskette unter das Gesetz fallen.

Um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, gilt das EU-Lieferkettengesetz auch für Firmen aus Drittstaaten. Bei diesen gilt je nach Risiko ein Umsatz von 150 Millionen beziehungsweise 40 Millionen Euro, der in der EU erwirtschaftet werden muss. Zu solchen Risikobranchen zählen etwa die Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft. Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 13.000 EU-Firmen und 4.000 Firmen aus Drittstaaten betroffen.

Bei der Überprüfung von Zulieferern sollen auch die Standards der Internationalen Arbeitsagentur (ILO) eine Rolle spielen. Kommt es zu Verstößen, sollen Bußgelder verhängt werden. Bei etablierten Lieferanten soll mindestens einmal jährlich geprüft werden. Das könnte für Unternehmen in China schwierig werden – denn China hat nicht alle ILO-Konventionen ratifiziert und keine Konventionen zu Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen verabschiedet.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigte sich dem Vorschlag der EU-Kommission gegenüber skeptisch: “Der Entwurf droht Unternehmen zu überfordern”, teilte der BDI mit. Der Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette sei “realitätsfern”. Beobachter befürchten, dass Unternehmen in China Gegenmaßnahmen drohen könnten, sollten sie aufgrund des EU-Lieferkettengesetzes nicht mehr in bestimmten Regionen produzieren oder Zulieferer wechseln wollen.

Aus der Politik kamen weitere Bedenken: “Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich europäische Unternehmen infolge dieses Vorschlags aus einigen Regionen dieser Welt zurückziehen”, sagte der CSU-Europapolitiker Markus Ferber. Er befürchtet, dass diese Lücken durch chinesische Konkurrenz genutzt würden. ari

  • EU
  • Handel
  • Lieferketten

Puma leidet unter Boykott

Der Herzogenauracher Sportartikelhersteller Puma stellt sich auf ein schwieriges laufendes Jahr ein. Zu schaffen macht Puma der anhaltende Boykott in China. Im ersten Quartal dürfte der Umsatz hier erneut zurückgehen, sagte Puma-Chef Björn Gulden am Mittwoch. “Ich kann für das Gesamtjahr kein Wachstum hier versprechen, hoffe aber, dass es so kommt.” Immer noch habe Puma Schwierigkeiten damit, chinesische Prominente als Werbeträger zu gewinnen.

Ausgelöst wurde der Käuferstreik durch die Entscheidung von Puma, keine Baumwolle mehr aus der Provinz Xinjiang zu beziehen, nachdem es zu Berichten über Menschenrechtsverletzungen an der dort lebenden Minderheit der Uiguren gekommen war. Auch die Rivalen Adidas und Nike stehen unter Druck. Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe zurück.

Dennoch bleibt Puma-Chef Gulden zuversichtlich. Das Unternehmen sagte für das Jahr 2022 ein währungsbereinigtes Umsatzplus von mindestens zehn Prozent voraus. Der Betriebsgewinn solle sich auf 600 bis 700 Millionen Euro verbessern von 557 Millionen Euro im abgelaufenen Jahr. An der Börse gaben die Aktien bis zu 3,6 Prozent nach und notierten zeitweise so niedrig wie seit fast elf Monaten nicht mehr. Die Prognose liege etwas unter den Markterwartungen, schrieben die Experten von Jefferies.

Puma stellt sie überdies unter den Vorbehalt, dass die Produktion in den wichtigsten Herkunftsländern in Asien aufrechterhalten wird und es zu keinen wesentlichen Geschäftsunterbrechungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise kommt. Zudem dürfte der Inflationsdruck durch höhere Frachtraten und Rohstoffpreise steigen. Gulden kündigte als Reaktion auf den Inflationsdruck Preiserhöhungen an. In der ersten Jahreshälfte dürften die Verkaufspreise etwas angehoben werden, in der zweiten dann stärker. rtr

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  • Peking
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  • Zivilgesellschaft

EU-Kommission warnt vor Abhängigkeiten bei Solarpanelen

Die EU-Kommission warnt in einem neuen Bericht vor strategischen Abhängigkeiten Europas bei einer Reihe von Rohmaterialien und Technologien. So sei die EU bei Solarpanelen, Permanentmagneten und Magnesium verwundbar, da sie sehr stark auf China angewiesen sei, schreibt die Behörde in ihrer veröffentlichten Untersuchung. Auch bei Cybersicherheitstechnologien und Cloud Computing sieht die Kommission die EU als verletzlich an.

Die neue Analyse soll auch den Ministern beim Wettbewerbsfähigkeitsrat präsentiert werden. Darin stuft die Kommission unter anderem die Schwäche Europas bei Photovoltaik-Technologien als problematisch ein. Der Anteil der EU an der globalen Produktion bei der Produktion von Solarzellen und -Modulen liege hier bei 0,4 bzw. 2-3 Prozent. China sei in allen Stufen der Wertschöpfungskette führend. Angesichts dieser Marktkonzentration sei die Solarindustrie unter Umständen “nicht mehr in der Lage, diese Risiken durch Diversifizierung abzufedern”, so der Bericht. Aus Sicht der Kommission ist das umso problematischer, da die Behörde eine Verdreifachung der Solarenergiegewinnung bis 2030 für nötig hält, um die EU-Klimaziele zu erreichen.

Probleme für den Green Deal sieht die Kommission auch durch Abhängigkeiten bei Seltenen Erden für die Herstellung von Permanentmagneten und bei Magnesium. Letzteres ist als Vorprodukt für die Aluminiumherstellung zentral. Hier kontrolliere China 89 Prozent der Magnesiumproduktion und die gesamte Wertschöpfungskette, so der Bericht. Im vierten Quartal 2021 hätten europäische Unternehmen bereits starke Preisanstiege und Lieferschwierigkeiten verzeichnet. Der Spielraum für eine Diversifizierung sei hier aber, ebenso wie bei den Seltenen Erden, derzeit begrenzt.

Daneben hat die Kommission auch Schwachpunkte bei digitalen Technologien betrachtet. Erhebliche Lücken sieht sie bei Cybersicherheitstechnologien: “Europa verlässt sich teilweise auf internationale Anbieter, um seine Infrastrukturen zu schützen”, so der Bericht. Im Verteidigungssektor werde der Großteil der eingesetzten Hard- und Software in den USA entwickelt und in China hergestellt. “Diese Abhängigkeiten führen zu erheblichen Risiken.” Als Abhilfemaßnahmen verweist die Kommission unter anderem auf geplante Gesetze wie den Cyber Resilience Act und die Revision der Cybersicherheitsrichtline. tho

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  • EU
  • Handel
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  • Technologie

Polestar: Klimaneutrales Auto bis 2030

Unter dem Namen “Polestar 0” plant das gleichnamige Gemeinschaftsunternehmen des schwedischen Automobilherstellers Volvo und seiner chinesischen Mutterfirma Geely einen serienreifen Pkw mit Netto-Null-Emissionen. Das Projekt wurde bereits im April 2021 gestartet. Nun hat Polestar erste Kooperationspartner bekannt gegeben. Darunter sind der deutsche Zulieferer ZF, der schwedische Stahlkonzern SSAB und der norwegische Aluminiumproduzent Hydro, sowie die Unternehmen ZKW und Autoliv. In einem öffentlichen Aufruf auf seiner Internetseite sucht Polestar bis zum 23. März zudem weitere Mitstreiter und Forscher, die sich beteiligen wollen.

Polestar wurde 2017 als Joint Venture von Geely und Volvo gegründet und ist eine reine Elektroauto-Marke. Für den “Polestar 0” will das Unternehmen nicht auf Kompensationszertifikate zurückgreifen, um Emissionen auszugleichen. Stattdessen soll CO₂ im gesamten Produktionsprozess vermieden werden. Das schließt unter anderem die Rohstoffgewinnung, die Materialveredelung und -herstellung sowie den Transport ein. 

Das Unternehmen kritisiert eine mangelnde Transparenz in der Automobilbranche. Für Verbraucher sei ein Vergleich der Klimaauswirkungen von Fahrzeugen dadurch fast unmöglich. Ein wesentliches Problem seien die unterschiedlichen Berechnungsmethoden, die von verschiedenen Autoherstellern für Ökobilanzen verwendet werden. Polestar fordert eine Einigung der Branche auf vergleichbare Berechnungsmethoden.

Polestar selbst gibt den CO2-Fußabdruck seiner Fahrzeuge genau an. Demnach verlässt ein neuer Polestar 2 die Fabrik mit einer CO2-Bilanz von 26 Tonnen. Schuld an der schlechten Energiebilanz des E-Autos ist die Batterie. Beim Volvo XC40, einem vergleichbaren Modell mit Verbrennungsmotor, ist der Fußabdruck in der Produktion geringer. Nach 50.000 Kilometern Fahrt wird das Elektroauto gegenüber dem Verbrenner allerdings klimafreundlicher. jul

Erstes EU-Indopazifik-Treffen in Paris

Im Schatten der sich verschärfenden Ukraine-Krise hat in Paris das erste Treffen zwischen EU-Außenministern und ihren Kollegen aus Ländern der Indopazifik-Region stattgefunden. Zu den eingeladenen Nationen gehörten Neuseeland, Indien, Südkorea, Japan und eine Reihe weiterer asiatischer Länder – China wurde nicht eingeladen. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian betonte, dass China damit nicht benachteiligt werde. “Die Indo-Pazifik-Strategie ist keine Anti-China-Strategie. Diese Strategie ist gegen niemanden gerichtet”, sagte Le Drian.

Le Drian listete Projekte auf, die demnach geplant oder bereits angestoßen sind. Im Gesundheitsbereich gebe es Pläne zur Erweiterung der Herstellung von Impfstoffen in den indopazifischen Ländern, unter anderem in Indonesien. Im Rahmen der digitalen Partnerschaft will die EU die digitale “Privatsphäre des Einzelnen” gewährleisten, wie französische Beamte einem Medienbericht zufolge betonten. Das Projekt kann als indirekte Alternative zur wachsenden internationalen Dominanz des chinesischen Unternehmens Huawei bei der Bereitstellung von digitaler 5G-Technologie gesehen werden. Im Bereich der Verteidigung soll es eine koordinierte erweiterte Präsenz in der Region geben, auch, um wichtige Seewege offenzuhalten, wie Le Drian betonte.

Das Treffen der Minister stand unter dem Eindruck der sich zuspitzenden Lage in der Ostukraine. Le Drian äußerte sich besorgt über ein entstehendes Bündnis zwischen Russland und China, “das sich eindeutig der multilateralen Ordnung widersetzt”. “Und das war ein weiterer Grund für uns, uns stärker im Indopazifik zu engagieren”, sagte der französische Minister.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die Region eine “Aorta” für Europa, da 40 Prozent des EU-Handels durch die Gewässer der Region fließen. “Deshalb brauchen wir freie Schifffahrt und eine Sicherheitsarchitektur, die wir gemeinsam aufbauen müssen”, sagte Borrell. Er verwies gleichzeitig auf den langjährigen “engagierten Dialog” zwischen der EU und China. ari

  • EU
  • Geopolitik
  • Indopazifik

Presseschau

China wirft USA Verschärfung von Ukraine-Konflikt vor NTV
China und das Ukraine-Dilemma SUEDDEUTSCHE
Zwischen Unterstützung und Zurückhaltung – Chinas schwierige Rolle im Ukrainekonflikt HANDELSBLATT
Moskau und Peking sitzen im selben Boot, aber halten unterschiedlichen Kurs STANDARD
As sanctions start, Russia’s trade flow shifting towards China REUTERS
With some seeing parallels to Ukraine, Taiwan steps up its defenses. NYTIMES
China says Taiwan is ‘not Ukraine’ as island raises alert level EURACTIV
Indiens Freundschaft mit Russland bedroht die Asien-Strategie des Westens HANDELSBLATT
How China Under Xi Jinping Is Turning Away From the World NYTIMES
Schizophrene Frau in China mehrfach verkauft NTV
Justice Department ends Trump-era China Initiative following bias concerns CNN
US grant to Nepal puts spotlight on geopolitical rivalry with China DW
US-Börsen starten freundlich – Tesla-Aktie profitiert von hoher Nachfrage in China HANDELSBLATT
Why China Keeps on Targeting Its Technology Giants: QuickTake BLOOMBERG
Kampf gegen Corona: Hongkong mit drastischer Maßnahme EURONEWS
As Britain scraps free mass testing, Hong Kong will swab its entire population CNN

Portrait

Lin Hierse – China-Berichterstattung nicht divers genug

Lin Hierse, Journalistin und Buchautorin, bei China.Table im Portrait.
Lin Hierse, Journalistin und Buchautorin.

Es sei offensichtlich, warum sie für ein Porträt im China.Table angefragt werde, sagt Lin Hierse auf die Frage, was sie über Anfragen wie diese denkt. “Wir kennen uns nicht. Aber das, was von mir und meiner Arbeit sichtbar ist, ist immer auch an Identitätsfragen gekoppelt.”

Als Tochter eines Deutschen und einer Chinesin ist die 31 Jahre alte Journalistin in Braunschweig aufgewachsen. Als Kind war es für sie selbstverständlich in einem 100-jährigen Fachwerkhaus mit chinesischem Spitzvordach aufzuwachsen, an Heiligabend Jiaozi zu essen und alle zwei Jahre die Sommerferien in China zu verbringen. Doch: “Von außen wurde mir vermittelt, dass das eben nicht die Normalität ist. Dass in meiner eigenen Welt eigentlich zwei Welten aufeinanderprallen”, sagt sie. Heute beschäftigt sie sich mit Fragen rund um Heimat, Migration und Identität. So auch in ihrem ersten Roman “Wovon wir träumen”, der am 10. März erscheinen wird.

Lin Hierse: Migration prägt Biografien

“Ich habe den Roman nicht geschrieben, weil ich dachte, es ist wichtig, dass ich über meine Beziehung zu China schreibe”, sagt sie, “sondern, weil das ein sehr prägender Teil meines Lebens ist.” Ausgehend vom Tod ihrer chinesischen Großmutter schreibt Hierse über Fragen zur eigenen Identität und der Beziehung zur Mutter. “Migration ist etwas sehr Prägendes. Wenn man den Ort verlässt, an dem man aufgewachsen ist, dann hat das nicht nur Einfluss auf die eigene Biografie, sondern auch auf die der Kinder.”

Hierse ist eine der wenigen deutschen Journalist:innen mit Migrationsgeschichte. Das bringe eine gewisse Verantwortung mit sich, sich immer wieder dazu zu äußern. “Das ist problematisch, weil ich auch nur eine Perspektive von vielen dazu einnehmen kann. Und außerdem möchte ich auch zu anderen Themen arbeiten.”

Schon als Mädchen schrieb Hierse leidenschaftlich gern. Schreiben zu ihrem Beruf zu machen, erschien ihr aber lange nicht als Option. Nach der Schule studierte sie erst einmal Asienwissenschaft und Humangeographie. Nebenbei bloggte sie für Sinonerds, eine Community junger Menschen, die mit China-Klischees brechen möchte. Zufällig erfuhr sie von der Möglichkeit eines Volontariats bei der taz in Berlin, wo sie seit 2019 als Redakteurin arbeitet.

Es begleitete sie das Gefühl, den Platz auch bekommen zu haben, weil sie Halbchinesin ist und diese für die Branche wertvolle Perspektive einbringen kann. Es ist aber gar nicht ihr Plan, als China-Expertin zu fungieren. Immer wieder muss sie sich abgrenzen. “So geht es mir auch aktuell bei Olympia. Ich nehme lieber Texte darüber ab, als dass ich sie selbst schreibe.” Um noch mehr Distanz zu schaffen, hat sie ihre Kolumne umbenannt. “China Town” ist nun “poetical correctness“. Hierse erklärt das so: “Jetzt geht es eher um meine Art des Schreibens, den Blick auf das Abseitigere und weniger um meine Herkunft.”

Medienberichte: klischeebeladen und rassistisch konnotiert

Ein Thema, worüber sie gerne spricht, ist die China-Berichterstattung in deutschen Medien. “Ich habe oft das Gefühl, wir haben China nicht richtig verstanden. Und mit ‘Wir’ meine ich sowohl ‘Wir’ im Sinne von Deutschland als auch Journalist:innen.” Obwohl es Kolleg:innen gebe, die differenziert berichten, fehle es in Teilen an Expertise. Meist sei diese auf klassische Wirtschafts- und Politikthemen beschränkt. Doch in Zeiten, wo es politisch angespannter sei, sei es wichtig, die Gesellschaft in ihrer Diversität zu verstehen.

Das Bild von China sei überwiegend klischeebeladen und rassistisch gefärbt. “Oft fällt Medien nichts Besseres ein, als einen Drachen irgendwo draufzukleben oder eine Menschenmasse zu zeigen.” Geschichten von Menschen fehlten. Diese würden zeigen, wie sich das Große auf das Kleine auswirke. So zum Beispiel in der Reportage ihrer Zeit-Kollegin Xifan Yang über eine junge Frau aus Shanghai, die als Pflegekraft nach Deutschland kommt.

Auch Hierses Roman ist ein solches Beispiel. Anhand ihrer Protagonistin schreibt sie über deutsch-chinesische Geschichte und möchte zeigen, dass Migration nicht nur Trauma, sondern auch Traum sein kann. Denn, so Hierse, die meisten Menschen migrieren, weil sie von einem guten Leben träumen. Lisa Winter

  • Bildung
  • Gesellschaft
  • Zivilgesellschaft

Personalien

Zhu Zhanjun wird neuer Co-Chef der Firma GCL Technology in Shenzhen, einem der größten Hersteller von Polysilizium für die Solar- und Halbleiterindustrie.

Richard Li wird neuer China-Chef des Privat- und Geschäftskundenbereichs der britischen Großbank Standard Chartered. Li ist bereits seit mehr als 30 Jahren im Bankensektor tätig und war unter anderem Executive Vice President, Chief Client Officer und Leiter des Privatkundengeschäfts und der Vermögensverwaltung. Er schloss sein Studium an der Shanghai Jiao Tong University und der Shanghai University of International Business and Economics mit einem Bachelor of Engineering und einem Master of Economics ab.

Dessert

Kinder kosten Geld. Aber in keinem Land wird im Verhältnis zur Wirtschaftskraft so viel Geld für den Nachwuchs ausgegeben wie in China. Die durchschnittlichen Kosten für die Aufbringung eines Kindes betragen fast das Siebenfache des Pro-Kopf-BIP des Landes.

Durchschnittlich 485.000 Yuan (rund 68.000 Euro), geben chinesische Familien für die Erziehung eines Nachkommens bis zum 18. Lebensjahr aus, errechnete der aus Demografen und Wirtschaftswissenschaftlern bestehende Thinktank YuWa Population Research Institute. Nicht mal in den USA wird so viel für das Kind ausgegeben.

Und in chinesischen Städten ist es sogar noch sehr viel mehr. Während die durchschnittlichen Kosten für ein Kind auf dem Land 300.000 Yuan (rund 42.000 Euro) betragen, sind es in der Stadt 630.000 Yuan (gut 88.000 Euro).

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Im Portrait: Journalistin und Autorin Lin Hierse
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    an die flächendeckenden Stromausfälle des vergangenen Spätsommers dürften sich viele in China noch erinnern. Millionen saßen im Dunkeln, ganze Fabriken standen still – mit Auswirkungen auf die Lieferketten weltweit. Der Ausbau von Energiespeichern steht daher ganz oben auf der Agenda der chinesischen Führung, um Energiesicherheit zu gewährleisten. Und Peking hat große Pläne, analysiert Nico Beckert. Dennoch ist jetzt schon klar, dass auch Milliardeninvestitionen in der laufenden Energiewende die Netze nicht völlig sicher machen.

    Lange haben insbesondere die deutschen Autobauer in China auf diesen Schritt gewartet: die Lockerung der Joint-Venture-Pflicht. Dieser Zwang sah vor, dass ausländische Hersteller nie mehr als 50 Prozent an einem Unternehmen in China halten und nur Gemeinschaftsunternehmen mit einheimischen Partnern betreiben durften. Im Geschäft mit Nutzfahrzeugen fiel diese Auflage vor zwei Jahren, ausländischer Hersteller von Elektro- und Hybridautos waren schon vorher davon befreit. Seit Beginn des Jahres ist der Zwang zur Beteiligung einheimischer Unternehmen für die gesamte Branche weitgehend aufgehoben. Doch nicht alle Akteure sind glücklich sind mit dieser Lockerung, schreibt Christian Domke Seidel in seiner Analyse zum Wegfall des Joint-Venture-Zwang. Denn die Freigabe kommt mit einem Haken.

    Wer an unserer Live-Veranstaltung China-Strategie 2022 am Dienstag teilgenommen hat, musste leider üble Schwächen beim Zoom-Zugang und vor allem bei der Tonübertragung ertragen. Einigen von uns war während der Veranstaltung aufgefallen, dass ausgerechnet die Sprecher aus China vergleichsweise gut zu hören waren, die aus Deutschland aber nicht. Nun hat sich tatsächlich die für uns zunächst unwahrscheinlichste Ursache bestätigt: Die Telekom hatte ausgerechnet am Dienstag flächendeckend mit erheblichen Netzausfällen zu kämpfen. In China hingegen waren die Zoom-Server gut angebunden. Womit sich bestätigt: Im Vergleich zu China ist Deutschland digital eben doch noch Entwicklungsland.

    Ihr
    Felix Lee
    Bild von Felix  Lee

    Analyse

    Energiespeicher – wichtiger Baustein der Energiewende

    China benötigt Energiespeicher, um Stromversorgung auch während der Energiewende zu versorgen. Das Bild zeigt die Baustelle eines Pumpspeicherkraftwerks nahe der Stadt Fukang.
    Für Pumpspeicherkraftwerke sind teils große Eingriffe in die Natur nötig. Das Bild zeigt die Baustelle des Pumpspeicherkraftwerks nahe der Stadt Fukang.

    Wie heikel das Thema Energiesicherheit ist, bekam China im letzten Herbst auf drastische Weise zu spüren: Aufgrund von Engpässen mussten zahlreiche Provinzen den Strom rationieren. Dabei ging nicht nur in Privathaushalten das Licht aus – auch Fabriken standen still. Für Chinas politische Eliten war dies ein Schock und auch ausländische Investoren beobachteten die Lage mit Sorge.

    Damit so etwas nicht wieder passiert, macht Peking Energiesicherheit zu einem wichtigen Ziel. Die Energiewende soll aber nicht aufgegeben werden. Im Gegenteil: China möchte seine Stromerzeugungs-Kapazität aus Sonne und Wind bis 2030 auf 1.200 Gigawatt verdoppeln. Kohlestrom soll weiterhin langfristig aus dem Netz gedrängt werden.

    Um die Energiewende voranzutreiben und dennoch eine zuverlässige Stromversorgung sicherzustellen, besitzt der Ausbau von Energiespeichern eine essenzielle Bedeutung. Denn China sieht sich mit den gleichen Problemen konfrontiert wie Deutschland: Wind und Sonne liefern mal mehr Energie, als nachgefragt wird, mal herrscht Flaute. Die Folge sind Stromengpässe und ein instabiles Netz. Pumpkraftwerke und Batteriespeicher können die erneuerbaren Energien in Überschuss-Zeiten auffangen und in den sogenannten Dunkelflauten oder bei hoher Stromnachfrage wieder ins Netz speisen.

    China will Kapazität vervielfachen

    Beim Ausbau seiner Energiespeicher hat China große Pläne. Die Kapazität der Pumpspeicher soll bis 2025 auf 62 Gigawatt verdoppelt werden. 2030 soll sie bereits bei 120 Gigawatt liegen. Bei dieser Form der Energiespeicher wird Wasser mit überschüssiger Energie in ein Reservoir in höheren Lagen gepumpt. Bei Flaute oder hoher Nachfrage wird das Wasser wieder abgelassen und erzeugt über Turbinen Energie.

    Bei den Batterie-Speichern strebt China sogar eine Verachtfachung der derzeitigen Kapazität an. Derzeit verfügt das Land über 3,5 Gigawatt an solchen Speichern, hauptsächlich in Form von Lithium-Ionen-Batterien. Bis zum Jahr 2025 soll die Kapazität auf 30 Gigawatt wachsen. Idealerweise stammt ein Großteil dieser Batterie-Speicher aus ausgedienten E-Auto-Batterien. Dadurch machen die Energiespeicher anderen Sektoren keine Konkurrenz um knappe und teurer werdende Batterie-Rohstoffe. Derzeit haben die chinesischen Behörden allerdings noch Sicherheitsbedenken. Chinas Nationale Energiebehörde hatte infolge einer tödlichen Explosion in einer Batterie-Speicher-Einrichtung zuletzt ein Verbot der Zweitnutzung vorgeschlagen (China.Table berichtete).

    Energiespeicher in China: Wer soll den Ausbau bezahlen?

    Ein Problem für den Ausbau der Energiespeicher könnten allerdings die Kosten sein. Ein Großteil der Verantwortung zum Ausbau von Energiespeichern liegt bei den Erzeugern von erneuerbaren Energien:

    • Bei einigen neuen Solar- und Windkraftanlagen müssen Projektentwickler für mindestens 15 Prozent der neu installierten Kraftwerksleistung Energiespeicher-Systeme aufbauen;
    • Wenn für mindestens 20 Prozent der neu installierten Kraftwerksleistung parallel Energiespeicher entstehen, werden diese Kraftwerke mit Vorrang ans Stromnetz angeschlossen.

    Für die Betreiber von Solar- und Windparks bedeutet das zusätzliche Investitionen, die fossile Energieträger nicht mit sich bringen. Und dabei ist der Solar-Sektor schon jetzt von hohen Kosten und geringen Gewinnen geplagt. Betreiber stehen häufig vor dem Problem, dass die Versorger ihre Wind- und Solarparks nur langsam an das Stromnetz anschließen, wie die South China Morning Post berichtet. Ein Industrievertreter beklagt demnach, dass der Markt für Energiespeicher in China “derzeit kein tragfähiges Geschäftsmodell” hat.

    Energiespeicher könnten zu steigenden Strompreisen führen

    Neben der Frage der Kostenverteilung fehlen auch finanzielle Anreize. Chinas System der Stromtarife sieht keine Extra-Vergütungen für Anbieter vor, die in Zeiten hoher Nachfrage Strom liefern. “Damit Pumpspeicherkraftwerke rentabel sein können, sollte der Strompreis während der Spitzenlast mindestens dreimal so hoch sein wie der Niederlasttarif”, sagt Lin Boqiang, Energieexperte und Dekan am China Institute for Energy Policy Studies an der Universität Xiamen gegenüber der SCMP.

    Chinas Pläne für Energiespeicher klingen ambitioniert, ihre Dimensionen könnten aber noch immer zu gering sein. Laut Branchenanalysten braucht China bis 2030 bereits Energiespeicher mit einer Kapazität von 200 Gigawatt. “Das 120 Gigawatt-Ziel [für Pumpspeicher] erscheint nicht ambitioniert genug, um die Klimaziele zu erreichen”, sagt ein Analyst.

    Der Ausbau der Energiespeicher zeigt, vor welch immensen Herausforderungen Chinas Planer bei der Energiewende stehen. Der Umbau des Energiesystems ist eine Operation am offenen Herzen der chinesischen Volkswirtschaft, bei der die Interessen unterschiedlicher Akteure in Einklang gebracht werden müssen. Die Energiekrise des letzten Jahres hat gezeigt, zu was für drastischen Störungen es kommen kann, wenn die Verantwortung für eine sichere und kostengünstige Stromversorgung auf einzelne Akteure verlagert wird. (China.Table berichtete)

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    • Klima
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    Das süße Gift der Lockerungen

    Die aktuellen Öffnungen der chinesischen Wirtschaft dürfen nicht überbewertet werden – mahnt Jürgen Matthes im Gespräch mit China.Table. Matthes ist Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und erklärt: “Es gibt in China einen graduellen, aber beständigen Trend weg von einem sehr restriktivem hin zu einem etwas offenerem Umgang mit ausländischen Investitionen im eigenen Land.”

    Diese Äußerung überrascht. Denn eigentlich sind die politischen Problemzonen im Verhältnis zwischen Europa und China in den vergangenen Jahren eher größer geworden. Sanktionen wurden mit Gegensanktionen beantwortet, ohne dass zentrale Streitpunkte aus der Welt geschafft werden konnten. Die Lockerungen in der chinesischen Joint-Venture-Pflicht scheinen zumindest auf wirtschaftlicher Ebene ein erster, kleiner Schritt der Entspannung.

    Dem Bund der Deutschen Industrie (BDI) reicht das allerdings nicht aus. Gegenüber China.Table fordert Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: “Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen gegenüber China auf Reziprozität beim Marktzugang und ein Level-Playing-Field pochen. Die chinesische Regierung muss alle Formen von Marktzugangsbarrieren beseitigen und einen fairen Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern ermöglichen.”

    Hohe Risiko des Technologietransfers

    In dieser Form sei das kaum zu erwarten, glaubt Matthes. China würde zwischen einer Öffnung einerseits und Autarkie im Sinne der Dual Circulation andererseits pendeln. Entsprechend haben die Lockerungen einen Haken, wie Matthes erläutert: “Die Öffnungen sind kleine Schritte in Bereichen, in denen es China nicht weh tut, weil die eigenen Firmen meist schon stark genug sind, um sich dem globalen Wettbewerb zu stellen.” Eine Einschränkung, die auch der BDI sieht. Zwar würde sich für europäische Firmen ein enormes Absatzpotential auftun, das Risiko des Technologietransfers sei aber groß. Zumal die chinesische Regierung immer stärker auf Importsubstitution setze und dabei einheimische Unternehmen bevorzuge. “Diese Praxis benachteiligt deutsche Unternehmen oder schließt diese gar vom chinesischen Markt aus.”

    Während chinesische Firmen in Europa vor einem weitgehend barrierefreien Markt stehen, sind europäische Unternehmen mit einer Vielzahl von Restriktionen konfrontiert. Das chinesische Modell einer parteistaatlich gelenkten Wirtschaft würde auch hierzulande ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, glaubt Niedermark und fordert Anpassungen am europäischen Rechtsrahmen etwa für Reziprozität im öffentlichen Auftragswesen, schärfere Anti-Subventions-Regeln und ein gemeinsamer Kurs der EU-Staaten bei der Investitionskontrolle. “Wir wollen unseren Markt offenhalten, müssen aber mehr dafür tun, dass Marktmechanismen tatsächlich zum Einsatz kommen und nicht durch ausländische Staatsunternehmen verzerrt werden.

    Deutsche Hersteller erweitern ihre Partnerschaften

    Die Lockerungen, die jetzt umgesetzt werden, wurden bereits im Jahr 2018 angekündigt. Deutsche Automobilhersteller standen also schon in den Startlöchern. Pünktlich mit Beginn der Lockerungen erhöhte BMW für 3,7 Milliarden Euro seinen Anteil am Joint-Venture mit Brilliance von 50 auf 75 Prozent (China.Table berichtete). Den Schritt hatten die Münchener bereits im Jahr 2018 angekündigt. Auch Audi hat direkt eine erweiterte Partnerschaft mit FAW angekündigt (China.Table berichtete). Bis zum Jahr 2024 soll ein neues Werk entstehen, indem jährlich 150.000 Elektroautos gefertigt werden sollen. Der deutsche Autohersteller hält an der Audi FAW NEV Company, wie das Unternehmen heißt, ebenfalls die Mehrheit. 

    Ein Alleingang – ohne chinesischen Partner – kommt für Audi nicht infrage. “Die Kooperation ermöglicht uns einen tiefen Einblick in den chinesischen Markt – deshalb werden wir dieses Erfolgsmodell auch in Zukunft beibehalten. Durch unseren lokalen Partner ist es uns möglich, Expertise und Kunden-Anforderungen bereits in früher Entwicklungsphase in das Fahrzeug einzubringen – das hat sich als sehr hilfreich erwiesen”, erklärte eine Unternehmenssprecherin gegenüber China.Table. BMW sieht es ähnlich. Einen Partner vor Ort zu haben, der den Markt kennt und dahingehend sein Know-how einbringen könnte, sei wichtig. Es gäbe weder Pläne für einen Alleingang, noch Gründe dafür, das Joint-Venture mit Brilliance infrage zu stellen, wird das Unternehmen sehr deutlich. Niedermark kann das nachvollziehen. “Zahlreiche deutsche Unternehmen sind bereits seit Jahren oder gar Jahrzehnten in China investiert. Für sie bleibt der chinesische Markt auch in Zukunft wichtig.” 

    “Nach außen chinesisch wirken – Probleme im Geschäft minimieren”

    Auch Matthes überraschen die Aussagen nicht. Der chinesische Automarkt sei ohnehin schwierig und würde durch geopolitische Maßnahmen weiter verkompliziert: “Wir kriegen von deutschen Firmen in China mit, dass der Markt schwieriger wird, da heimische Firmen immer stärker bevorzugt werden. Das neue Narrativ, auf sich selbst schauen zu wollen, ist erstaunlich schnell im ganzen System angekommen.” Die Nachfrageperspektiven für ausländische Firmen in China seien eher weniger optimistisch, so Matthes weiter. Viele würden sich wie Schachfiguren im geopolitischen Spiel fühlen.

    Auf der anderen Seite sei China aber nun mal ein großer und dynamischer Markt. Bestehende Joint-Ventures beizubehalten oder zu intensivieren sei eine Art, auf die veränderte Stimmung im Land zu reagieren, so Matthes. “Immer mehr deutsche Firmen in China überlegen sich, was die höheren geopolitischen Risiken für ihr Unternehmen bedeuten. Manche entscheiden sich, so chinesisch wie möglich nach außen zu wirken, um drohende Probleme im Geschäftsalltag zu minimieren.”

    • Autoindustrie

    News

    Studie: China könnte Russland-Sanktionen zum Teil ausgleichen

    Chinas offizielle Stellen äußerten sich am Mittwoch erneut unklar und widersprüchlich zu der Situation in der Ukraine. Obwohl Russland bereits mit Truppenbewegungen Fakten schafft, forderte die Regierung in Peking alle Beteiligten erneut zu “Dialog” und “Zurückhaltung” auf. China werde sich Sanktionen westlicher Länder, Japans und Australiens gegen Russland nicht anschließen, sagte ein Außenamtssprecher in Peking. Man halte Sanktionen für keine gute Lösung. “Die Sicherheitsanliegen aller Staaten sollten immer respektiert werden, die Prinzipien der UN-Charta sollten dabei immer im Blick bleiben.”

    Bündnis zwischen China und Russland unwahrscheinlich

    Chinas Führung befindet sich in der Zwickmühle: Einerseits hat sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin Hilfe gegen den Westen versichert, andererseits pocht sie selbst auf Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder (China.Table berichtete). Der Gedanke eines Bündnisses der Autokraten mag für China intuitiv attraktiv erscheinen. In der Praxis schafft es Komplikationen, sich zu sehr an Putin und seine Fixierung auf ein großes Russland zu binden.

    Derweil schaltet sich die Weltbank in die Diskussion über die Wirksamkeit von Finanzsanktionen ein. Sie hat untersucht, was mit russischen Warenströmen passiert, wenn die westlichen Länder die Abwicklung von Dollar-Zahlungen einstellen. China würde in diesem Fall im großen Stil als Handelspartner einspringen, so die Studie. Der Yuan-Handel mit China wäre dann ein möglicher Ausweg für Moskau. Nach der Annektion der Krim im Jahr 2014 war China bereits zu Russlands wichtigster Export-Region aufgestiegen.

    Taiwan versetzt Truppen in Einsatzbereitschaft

    In Taiwan nimmt derzeit die Sorge zu, Xi Jinping könne sich Putin zum Vorbild nehmen und in die vermeintlich eigenen Territorien einmarschieren. Präsidentin Tsai Ing-wen rief die Streitkräfte zu besonderer Wachsamkeit auf. Die Finanzbehörden sollen derweil die Märkte überwachen und notfalls stabilisieren.

    In der Region wächst die Sorge, dass China die Ablenkung durch den Ukraine-Konflikt für eine kurzfristige Aktion nutzen könnte. Das taiwanische Militär beobachtet jedoch bisher keine besonderen Vorkommnisse. Tsai warnte vor “Kriegsführung in den Köpfen”. Sie bezog sich darauf, dass eine wirkungslose Reaktion des Westens auf den Ukraine-Übergriff als Schwächung der Garantien für Taiwan gewertet werde.

    China nutzte die Gelegenheit tatsächlich, um seine Drohungen gegen Taiwan zu verstärken. Anders als Donbass sei Taiwan wirklich ein “unveräußerlicher Teil” des größeren Landes. “Taiwan ist natürlich nicht die Ukraine!”, stellte eine Außenamtssprecherin daher klar. “Taiwan war immer ein unveräußerlicher Teil von Chinas Territorium. Das ist eine unwiderlegbare historische und rechtliche Tatsache”, sagte die Sprecherin laut der Nachrichtenagentur AFP. fin

    • Geopolitik
    • Russland
    • Taiwan
    • Ukraine

    EU-Kommission ohne Details zu Importverbot

    Die EU-Kommission arbeitet nach eigenen Angaben an einer eigenständigen Gesetzgebung, um die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit zu verbieten. Das gab die Brüsseler Behörde am Mittwoch im Rahmen der Vorstellung des EU-Lieferkettengesetzes bekannt. Details dazu, wie das Importverbot aussehen könnte, gab es jedoch nicht. Wie China.Table bereits berichtete, fällt der Umfang des EU-Lieferkettengesetzes geringer aus als erwartet. Konkret sieht der Entwurf mehrere Grenzen vor: Firmen in der EU sind betroffen, wenn sie weltweit einen Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften und mehr als 500 Mitarbeitende haben. Strengere Regeln gibt es für Unternehmen, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist. Hier sind 250 Angestellte vorgesehen. Hier soll jeweils jedoch die gesamte Wertschöpfungskette unter das Gesetz fallen.

    Um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, gilt das EU-Lieferkettengesetz auch für Firmen aus Drittstaaten. Bei diesen gilt je nach Risiko ein Umsatz von 150 Millionen beziehungsweise 40 Millionen Euro, der in der EU erwirtschaftet werden muss. Zu solchen Risikobranchen zählen etwa die Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft. Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 13.000 EU-Firmen und 4.000 Firmen aus Drittstaaten betroffen.

    Bei der Überprüfung von Zulieferern sollen auch die Standards der Internationalen Arbeitsagentur (ILO) eine Rolle spielen. Kommt es zu Verstößen, sollen Bußgelder verhängt werden. Bei etablierten Lieferanten soll mindestens einmal jährlich geprüft werden. Das könnte für Unternehmen in China schwierig werden – denn China hat nicht alle ILO-Konventionen ratifiziert und keine Konventionen zu Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen verabschiedet.

    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigte sich dem Vorschlag der EU-Kommission gegenüber skeptisch: “Der Entwurf droht Unternehmen zu überfordern”, teilte der BDI mit. Der Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette sei “realitätsfern”. Beobachter befürchten, dass Unternehmen in China Gegenmaßnahmen drohen könnten, sollten sie aufgrund des EU-Lieferkettengesetzes nicht mehr in bestimmten Regionen produzieren oder Zulieferer wechseln wollen.

    Aus der Politik kamen weitere Bedenken: “Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich europäische Unternehmen infolge dieses Vorschlags aus einigen Regionen dieser Welt zurückziehen”, sagte der CSU-Europapolitiker Markus Ferber. Er befürchtet, dass diese Lücken durch chinesische Konkurrenz genutzt würden. ari

    • EU
    • Handel
    • Lieferketten

    Puma leidet unter Boykott

    Der Herzogenauracher Sportartikelhersteller Puma stellt sich auf ein schwieriges laufendes Jahr ein. Zu schaffen macht Puma der anhaltende Boykott in China. Im ersten Quartal dürfte der Umsatz hier erneut zurückgehen, sagte Puma-Chef Björn Gulden am Mittwoch. “Ich kann für das Gesamtjahr kein Wachstum hier versprechen, hoffe aber, dass es so kommt.” Immer noch habe Puma Schwierigkeiten damit, chinesische Prominente als Werbeträger zu gewinnen.

    Ausgelöst wurde der Käuferstreik durch die Entscheidung von Puma, keine Baumwolle mehr aus der Provinz Xinjiang zu beziehen, nachdem es zu Berichten über Menschenrechtsverletzungen an der dort lebenden Minderheit der Uiguren gekommen war. Auch die Rivalen Adidas und Nike stehen unter Druck. Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe zurück.

    Dennoch bleibt Puma-Chef Gulden zuversichtlich. Das Unternehmen sagte für das Jahr 2022 ein währungsbereinigtes Umsatzplus von mindestens zehn Prozent voraus. Der Betriebsgewinn solle sich auf 600 bis 700 Millionen Euro verbessern von 557 Millionen Euro im abgelaufenen Jahr. An der Börse gaben die Aktien bis zu 3,6 Prozent nach und notierten zeitweise so niedrig wie seit fast elf Monaten nicht mehr. Die Prognose liege etwas unter den Markterwartungen, schrieben die Experten von Jefferies.

    Puma stellt sie überdies unter den Vorbehalt, dass die Produktion in den wichtigsten Herkunftsländern in Asien aufrechterhalten wird und es zu keinen wesentlichen Geschäftsunterbrechungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise kommt. Zudem dürfte der Inflationsdruck durch höhere Frachtraten und Rohstoffpreise steigen. Gulden kündigte als Reaktion auf den Inflationsdruck Preiserhöhungen an. In der ersten Jahreshälfte dürften die Verkaufspreise etwas angehoben werden, in der zweiten dann stärker. rtr

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    • Zivilgesellschaft

    EU-Kommission warnt vor Abhängigkeiten bei Solarpanelen

    Die EU-Kommission warnt in einem neuen Bericht vor strategischen Abhängigkeiten Europas bei einer Reihe von Rohmaterialien und Technologien. So sei die EU bei Solarpanelen, Permanentmagneten und Magnesium verwundbar, da sie sehr stark auf China angewiesen sei, schreibt die Behörde in ihrer veröffentlichten Untersuchung. Auch bei Cybersicherheitstechnologien und Cloud Computing sieht die Kommission die EU als verletzlich an.

    Die neue Analyse soll auch den Ministern beim Wettbewerbsfähigkeitsrat präsentiert werden. Darin stuft die Kommission unter anderem die Schwäche Europas bei Photovoltaik-Technologien als problematisch ein. Der Anteil der EU an der globalen Produktion bei der Produktion von Solarzellen und -Modulen liege hier bei 0,4 bzw. 2-3 Prozent. China sei in allen Stufen der Wertschöpfungskette führend. Angesichts dieser Marktkonzentration sei die Solarindustrie unter Umständen “nicht mehr in der Lage, diese Risiken durch Diversifizierung abzufedern”, so der Bericht. Aus Sicht der Kommission ist das umso problematischer, da die Behörde eine Verdreifachung der Solarenergiegewinnung bis 2030 für nötig hält, um die EU-Klimaziele zu erreichen.

    Probleme für den Green Deal sieht die Kommission auch durch Abhängigkeiten bei Seltenen Erden für die Herstellung von Permanentmagneten und bei Magnesium. Letzteres ist als Vorprodukt für die Aluminiumherstellung zentral. Hier kontrolliere China 89 Prozent der Magnesiumproduktion und die gesamte Wertschöpfungskette, so der Bericht. Im vierten Quartal 2021 hätten europäische Unternehmen bereits starke Preisanstiege und Lieferschwierigkeiten verzeichnet. Der Spielraum für eine Diversifizierung sei hier aber, ebenso wie bei den Seltenen Erden, derzeit begrenzt.

    Daneben hat die Kommission auch Schwachpunkte bei digitalen Technologien betrachtet. Erhebliche Lücken sieht sie bei Cybersicherheitstechnologien: “Europa verlässt sich teilweise auf internationale Anbieter, um seine Infrastrukturen zu schützen”, so der Bericht. Im Verteidigungssektor werde der Großteil der eingesetzten Hard- und Software in den USA entwickelt und in China hergestellt. “Diese Abhängigkeiten führen zu erheblichen Risiken.” Als Abhilfemaßnahmen verweist die Kommission unter anderem auf geplante Gesetze wie den Cyber Resilience Act und die Revision der Cybersicherheitsrichtline. tho

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    Polestar: Klimaneutrales Auto bis 2030

    Unter dem Namen “Polestar 0” plant das gleichnamige Gemeinschaftsunternehmen des schwedischen Automobilherstellers Volvo und seiner chinesischen Mutterfirma Geely einen serienreifen Pkw mit Netto-Null-Emissionen. Das Projekt wurde bereits im April 2021 gestartet. Nun hat Polestar erste Kooperationspartner bekannt gegeben. Darunter sind der deutsche Zulieferer ZF, der schwedische Stahlkonzern SSAB und der norwegische Aluminiumproduzent Hydro, sowie die Unternehmen ZKW und Autoliv. In einem öffentlichen Aufruf auf seiner Internetseite sucht Polestar bis zum 23. März zudem weitere Mitstreiter und Forscher, die sich beteiligen wollen.

    Polestar wurde 2017 als Joint Venture von Geely und Volvo gegründet und ist eine reine Elektroauto-Marke. Für den “Polestar 0” will das Unternehmen nicht auf Kompensationszertifikate zurückgreifen, um Emissionen auszugleichen. Stattdessen soll CO₂ im gesamten Produktionsprozess vermieden werden. Das schließt unter anderem die Rohstoffgewinnung, die Materialveredelung und -herstellung sowie den Transport ein. 

    Das Unternehmen kritisiert eine mangelnde Transparenz in der Automobilbranche. Für Verbraucher sei ein Vergleich der Klimaauswirkungen von Fahrzeugen dadurch fast unmöglich. Ein wesentliches Problem seien die unterschiedlichen Berechnungsmethoden, die von verschiedenen Autoherstellern für Ökobilanzen verwendet werden. Polestar fordert eine Einigung der Branche auf vergleichbare Berechnungsmethoden.

    Polestar selbst gibt den CO2-Fußabdruck seiner Fahrzeuge genau an. Demnach verlässt ein neuer Polestar 2 die Fabrik mit einer CO2-Bilanz von 26 Tonnen. Schuld an der schlechten Energiebilanz des E-Autos ist die Batterie. Beim Volvo XC40, einem vergleichbaren Modell mit Verbrennungsmotor, ist der Fußabdruck in der Produktion geringer. Nach 50.000 Kilometern Fahrt wird das Elektroauto gegenüber dem Verbrenner allerdings klimafreundlicher. jul

    Erstes EU-Indopazifik-Treffen in Paris

    Im Schatten der sich verschärfenden Ukraine-Krise hat in Paris das erste Treffen zwischen EU-Außenministern und ihren Kollegen aus Ländern der Indopazifik-Region stattgefunden. Zu den eingeladenen Nationen gehörten Neuseeland, Indien, Südkorea, Japan und eine Reihe weiterer asiatischer Länder – China wurde nicht eingeladen. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian betonte, dass China damit nicht benachteiligt werde. “Die Indo-Pazifik-Strategie ist keine Anti-China-Strategie. Diese Strategie ist gegen niemanden gerichtet”, sagte Le Drian.

    Le Drian listete Projekte auf, die demnach geplant oder bereits angestoßen sind. Im Gesundheitsbereich gebe es Pläne zur Erweiterung der Herstellung von Impfstoffen in den indopazifischen Ländern, unter anderem in Indonesien. Im Rahmen der digitalen Partnerschaft will die EU die digitale “Privatsphäre des Einzelnen” gewährleisten, wie französische Beamte einem Medienbericht zufolge betonten. Das Projekt kann als indirekte Alternative zur wachsenden internationalen Dominanz des chinesischen Unternehmens Huawei bei der Bereitstellung von digitaler 5G-Technologie gesehen werden. Im Bereich der Verteidigung soll es eine koordinierte erweiterte Präsenz in der Region geben, auch, um wichtige Seewege offenzuhalten, wie Le Drian betonte.

    Das Treffen der Minister stand unter dem Eindruck der sich zuspitzenden Lage in der Ostukraine. Le Drian äußerte sich besorgt über ein entstehendes Bündnis zwischen Russland und China, “das sich eindeutig der multilateralen Ordnung widersetzt”. “Und das war ein weiterer Grund für uns, uns stärker im Indopazifik zu engagieren”, sagte der französische Minister.

    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die Region eine “Aorta” für Europa, da 40 Prozent des EU-Handels durch die Gewässer der Region fließen. “Deshalb brauchen wir freie Schifffahrt und eine Sicherheitsarchitektur, die wir gemeinsam aufbauen müssen”, sagte Borrell. Er verwies gleichzeitig auf den langjährigen “engagierten Dialog” zwischen der EU und China. ari

    • EU
    • Geopolitik
    • Indopazifik

    Presseschau

    China wirft USA Verschärfung von Ukraine-Konflikt vor NTV
    China und das Ukraine-Dilemma SUEDDEUTSCHE
    Zwischen Unterstützung und Zurückhaltung – Chinas schwierige Rolle im Ukrainekonflikt HANDELSBLATT
    Moskau und Peking sitzen im selben Boot, aber halten unterschiedlichen Kurs STANDARD
    As sanctions start, Russia’s trade flow shifting towards China REUTERS
    With some seeing parallels to Ukraine, Taiwan steps up its defenses. NYTIMES
    China says Taiwan is ‘not Ukraine’ as island raises alert level EURACTIV
    Indiens Freundschaft mit Russland bedroht die Asien-Strategie des Westens HANDELSBLATT
    How China Under Xi Jinping Is Turning Away From the World NYTIMES
    Schizophrene Frau in China mehrfach verkauft NTV
    Justice Department ends Trump-era China Initiative following bias concerns CNN
    US grant to Nepal puts spotlight on geopolitical rivalry with China DW
    US-Börsen starten freundlich – Tesla-Aktie profitiert von hoher Nachfrage in China HANDELSBLATT
    Why China Keeps on Targeting Its Technology Giants: QuickTake BLOOMBERG
    Kampf gegen Corona: Hongkong mit drastischer Maßnahme EURONEWS
    As Britain scraps free mass testing, Hong Kong will swab its entire population CNN

    Portrait

    Lin Hierse – China-Berichterstattung nicht divers genug

    Lin Hierse, Journalistin und Buchautorin, bei China.Table im Portrait.
    Lin Hierse, Journalistin und Buchautorin.

    Es sei offensichtlich, warum sie für ein Porträt im China.Table angefragt werde, sagt Lin Hierse auf die Frage, was sie über Anfragen wie diese denkt. “Wir kennen uns nicht. Aber das, was von mir und meiner Arbeit sichtbar ist, ist immer auch an Identitätsfragen gekoppelt.”

    Als Tochter eines Deutschen und einer Chinesin ist die 31 Jahre alte Journalistin in Braunschweig aufgewachsen. Als Kind war es für sie selbstverständlich in einem 100-jährigen Fachwerkhaus mit chinesischem Spitzvordach aufzuwachsen, an Heiligabend Jiaozi zu essen und alle zwei Jahre die Sommerferien in China zu verbringen. Doch: “Von außen wurde mir vermittelt, dass das eben nicht die Normalität ist. Dass in meiner eigenen Welt eigentlich zwei Welten aufeinanderprallen”, sagt sie. Heute beschäftigt sie sich mit Fragen rund um Heimat, Migration und Identität. So auch in ihrem ersten Roman “Wovon wir träumen”, der am 10. März erscheinen wird.

    Lin Hierse: Migration prägt Biografien

    “Ich habe den Roman nicht geschrieben, weil ich dachte, es ist wichtig, dass ich über meine Beziehung zu China schreibe”, sagt sie, “sondern, weil das ein sehr prägender Teil meines Lebens ist.” Ausgehend vom Tod ihrer chinesischen Großmutter schreibt Hierse über Fragen zur eigenen Identität und der Beziehung zur Mutter. “Migration ist etwas sehr Prägendes. Wenn man den Ort verlässt, an dem man aufgewachsen ist, dann hat das nicht nur Einfluss auf die eigene Biografie, sondern auch auf die der Kinder.”

    Hierse ist eine der wenigen deutschen Journalist:innen mit Migrationsgeschichte. Das bringe eine gewisse Verantwortung mit sich, sich immer wieder dazu zu äußern. “Das ist problematisch, weil ich auch nur eine Perspektive von vielen dazu einnehmen kann. Und außerdem möchte ich auch zu anderen Themen arbeiten.”

    Schon als Mädchen schrieb Hierse leidenschaftlich gern. Schreiben zu ihrem Beruf zu machen, erschien ihr aber lange nicht als Option. Nach der Schule studierte sie erst einmal Asienwissenschaft und Humangeographie. Nebenbei bloggte sie für Sinonerds, eine Community junger Menschen, die mit China-Klischees brechen möchte. Zufällig erfuhr sie von der Möglichkeit eines Volontariats bei der taz in Berlin, wo sie seit 2019 als Redakteurin arbeitet.

    Es begleitete sie das Gefühl, den Platz auch bekommen zu haben, weil sie Halbchinesin ist und diese für die Branche wertvolle Perspektive einbringen kann. Es ist aber gar nicht ihr Plan, als China-Expertin zu fungieren. Immer wieder muss sie sich abgrenzen. “So geht es mir auch aktuell bei Olympia. Ich nehme lieber Texte darüber ab, als dass ich sie selbst schreibe.” Um noch mehr Distanz zu schaffen, hat sie ihre Kolumne umbenannt. “China Town” ist nun “poetical correctness“. Hierse erklärt das so: “Jetzt geht es eher um meine Art des Schreibens, den Blick auf das Abseitigere und weniger um meine Herkunft.”

    Medienberichte: klischeebeladen und rassistisch konnotiert

    Ein Thema, worüber sie gerne spricht, ist die China-Berichterstattung in deutschen Medien. “Ich habe oft das Gefühl, wir haben China nicht richtig verstanden. Und mit ‘Wir’ meine ich sowohl ‘Wir’ im Sinne von Deutschland als auch Journalist:innen.” Obwohl es Kolleg:innen gebe, die differenziert berichten, fehle es in Teilen an Expertise. Meist sei diese auf klassische Wirtschafts- und Politikthemen beschränkt. Doch in Zeiten, wo es politisch angespannter sei, sei es wichtig, die Gesellschaft in ihrer Diversität zu verstehen.

    Das Bild von China sei überwiegend klischeebeladen und rassistisch gefärbt. “Oft fällt Medien nichts Besseres ein, als einen Drachen irgendwo draufzukleben oder eine Menschenmasse zu zeigen.” Geschichten von Menschen fehlten. Diese würden zeigen, wie sich das Große auf das Kleine auswirke. So zum Beispiel in der Reportage ihrer Zeit-Kollegin Xifan Yang über eine junge Frau aus Shanghai, die als Pflegekraft nach Deutschland kommt.

    Auch Hierses Roman ist ein solches Beispiel. Anhand ihrer Protagonistin schreibt sie über deutsch-chinesische Geschichte und möchte zeigen, dass Migration nicht nur Trauma, sondern auch Traum sein kann. Denn, so Hierse, die meisten Menschen migrieren, weil sie von einem guten Leben träumen. Lisa Winter

    • Bildung
    • Gesellschaft
    • Zivilgesellschaft

    Personalien

    Zhu Zhanjun wird neuer Co-Chef der Firma GCL Technology in Shenzhen, einem der größten Hersteller von Polysilizium für die Solar- und Halbleiterindustrie.

    Richard Li wird neuer China-Chef des Privat- und Geschäftskundenbereichs der britischen Großbank Standard Chartered. Li ist bereits seit mehr als 30 Jahren im Bankensektor tätig und war unter anderem Executive Vice President, Chief Client Officer und Leiter des Privatkundengeschäfts und der Vermögensverwaltung. Er schloss sein Studium an der Shanghai Jiao Tong University und der Shanghai University of International Business and Economics mit einem Bachelor of Engineering und einem Master of Economics ab.

    Dessert

    Kinder kosten Geld. Aber in keinem Land wird im Verhältnis zur Wirtschaftskraft so viel Geld für den Nachwuchs ausgegeben wie in China. Die durchschnittlichen Kosten für die Aufbringung eines Kindes betragen fast das Siebenfache des Pro-Kopf-BIP des Landes.

    Durchschnittlich 485.000 Yuan (rund 68.000 Euro), geben chinesische Familien für die Erziehung eines Nachkommens bis zum 18. Lebensjahr aus, errechnete der aus Demografen und Wirtschaftswissenschaftlern bestehende Thinktank YuWa Population Research Institute. Nicht mal in den USA wird so viel für das Kind ausgegeben.

    Und in chinesischen Städten ist es sogar noch sehr viel mehr. Während die durchschnittlichen Kosten für ein Kind auf dem Land 300.000 Yuan (rund 42.000 Euro) betragen, sind es in der Stadt 630.000 Yuan (gut 88.000 Euro).

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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