es ist keineswegs so, dass China in Sachen Klimaschutz nichts tut. Kein Land hat in den vergangenen Jahren so viel in Windkraft und Solarenergie investiert wie die Volksrepublik. Daher ist die Bilanz von Chinas Rolle auf der COP27, die am vergangenen Wochenende zu Ende ging, eher ernüchternd. Denn China weigert sich weiter, in den Klimahilfsfonds für Entwicklungsländer einzuzahlen – und sieht sich selbst als gefürchtete Wirtschaftssupermacht noch immer irgendwie als Entwicklungsland. Die Debatte über Chinas Status sei aber mit dem Ende der COP27 nicht vorbei, schreibt Christiane Kühl in ihrer Analyse. Im Gegenteil: Sie ist mitten im Gange und dürfte schon auf der nächsten COP in einem Jahr in Dubai wieder ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Nicht sehr rosig sieht es für die deutsche Automobilindustrie in China aus. Denn je mehr Elektroautos auf dem größten Automarkt der Welt verkauft werden, desto geringer ist der Marktanteil der deutschen Autobauer. Mit der chinesischen E-Konkurrenz kann vor allem Volkswagen immer weniger mithalten. Eine Lose-Lose-Situation zeichnet sich ab, wie aus einer Studie des Berliner China-Forschungsinstituts Merics hervorgeht, die sich unser Autor Christian Domke Seidel genauer angeschaut hat. Setzen die deutschen Autobauer weiter massiv auf China, gehen sie ein geopolitisches Risiko ein. Fahren sie ihre Investitionen im Reich der Mitte zurück, drohen sie von der chinesischen Konkurrenz und Tesla abgehängt zu werden.
Um einen unmöglichen Ausweg ganz anderer Art geht es in der heutigen Kolumne “China-Perspektive”. Der familiäre und gesellschaftliche Druck auf Lesben und Schwule, nicht verheiratet zu sein, lastet schwer. Viele von ihnen gehen daher Scheinehen ein. Das schafft aber Folgeprobleme. Die naheliegende Lösung wäre die gleichgeschlechtliche Ehe. Doch davon ist China unter Xi Jinping weiter entfernt denn je.
Kurz nach Beginn der Klimakonferenz in Ägypten hatte der Vorsitzende der Aosis-Gruppe gefährdeter Inselstaaten, Gaston Browne, für einen ersten Paukenschlag gesorgt. Er forderte, auch China solle sich in Zukunft an der Finanzierung der Klimapolitik beteiligen. Von einem Mitglied der von China dominierten G77-Gruppe aus 134 Entwicklungsländern war das ein Ausrufezeichen. Browne ruderte zwar zurück, doch das Zeichen war gesetzt (Climate.Table berichtete). Chinas Unterhändler Xie Zhenhua stellte daraufhin schnell klar, dass sein Land zwar einen Mechanismus für Ausgleichszahlungen für Schäden in armen Ländern unterstütze – aber keineswegs finanziell (China.Table berichtete).
Die Debatte hinter den Kulissen, ob sich China als ambitionierte Supermacht langfristig weiter aus Verpflichtungen zur Finanzierung von Klimahilfen heraushalten könne, konnte Xie aber nicht mehr aufhalten. Sie wurde zu einer der zentralen Diskussionen der am Sonntag zu Ende gegangenen COP27. Und die Debatte über Chinas Status ist nicht beendet. Sie wird auf der COP28 in Dubai im November 2023 weitergehen.
Die deutsche Unterhändlerin, Klima-Staatssekretärin Jennifer Morgan, bezeichnete den plötzlichen EU-Vorstoß für einen Klimaschäden-Entschädigungsfonds für die ärmsten Länder am Rande der Konferenz China Time in Hamburg im Gespräch mit China.Table am Mittwoch als “einen der wichtigsten Momente der COP”. Es sei sehr wichtig gewesen in Sharm el Sheikh, dass es durch die Entscheidung für einen Loss & Damage-Fonds “einen Riss in die Mauer zwischen Industrieländer und Entwicklungsländer” gegeben habe, so Morgan, die zusammen mit der chilenischen Umweltministerin Maisa Rojas als “Facilitator” in diesem schwierigen Bereich vermitteln sollte. “Allein deswegen hat es sich gelohnt, das zu machen.”
Am Ende setzte sich die EU in zähen Verhandlungen damit durch, die geplanten Fondsgelder nur an besonders gefährdete Entwicklungsländer auszuzahlen – und nicht auch an Länder vom Entwicklungsstand Chinas. Nachgeben mussten Brüssel und Verbündete allerdings bei der gewünschten Ausweitung der Geberländer auf Länder wie China oder die Golfstaaten. Im Abschlussdokument der COP27 schließt die Formulierung eine Erweiterung der Beitragszahlergruppe zwar nicht aus. Doch es ist nun zunächst Aufgabe eines Übergangsausschusses, neue Finanzierungsquellen für “Loss & Damage” vorzuschlagen. (Climate.Table berichtete).
China wisse schon, dass es mehr tun müsse, sagte Morgan, die auf der COP27 auch mit Chinas Klimazar Xie Zhenhua gesprochen hatte, den sie seit vielen Jahren kennt. “Ich habe eine gute Arbeitsbeziehung mit Xie Zhenhua”, sagte Morgan auf einer Podiumsdiskussion der Konferenz. “Wir mögen nicht immer einer Meinung sein. Aber wir können einander das sagen.” Der erfahrene Xie ist international durchaus angesehen, auch der US-Klimaunterhändler John Kerry soll gut mit ihm auskommen.
Xie blieb auf dieser COP ebenso wie Kerry eher unauffällig. Am meisten beachtet wurde seine Zusage, dass China an einem Methanplan arbeite, der auch Teil der langfristigen Klimaziele werden solle. Methan hat eine vierfach höhere Treibhauswirkung als CO2 und entweicht in China unter anderem aus Nassreisfeldern. Bisher hatte China nur mit CO2-Minderungszielen gearbeitet. “Daran sieht man, dass es Bewegung gibt”, sagte Morgan.
Offiziell aber bleibt China bei seiner Linie. Die Industrieländer hätten “noch nicht ihre Verpflichtung erfüllt, jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung an Entwicklungsländer” zu zahlen, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Montag nach der COP27 – ganz so, als habe es die Debatte um Chinas Rolle bei dieser Finanzierung nie gegeben.
China stößt auch aufgrund seiner Größe mehr Treibhausgase aus als jedes andere Land der Welt, rund 30 Prozent der weltweiten Emissionen. Pro Kopf emittiere jeder Chinese etwa 7 Tonnen CO2 pro Jahr, sagte der bekannte Klimaexperte Mojib Latif auf der China Time-Konferenz. Jeder Deutsche emittiere 9 Tonnen im Jahr, jeder Inder nur zwei Tonnen. China nähert sich den Industrieländern also an, und zwar auch bei den kumulierten, sogenannten “historischen Emissionen” – die so wichtig sind, weil das CO2 jahrhundertelang in der Atmosphäre verbleibt. “Am meisten haben kumulativ die USA emittiert, mit 20 Prozent Anteil”, sagte Latif. “Doch China ist mit elf Prozent schon die Nummer zwei.” All das schwächt Chinas Entwicklungsland-Argument.
Bis 2060 will China klimaneutral sein – sein Zielpunkt liegt damit zwischen den meisten Industrieländern (2050) und Entwicklungsländern wie Indien (2070). Spätestens ab 2030 sollen Chinas Emissionen sinken. Welche Menge bis dann aber in die Luft geblasen wird, hat Peking offengelassen. Viele Experten halten allerdings einen früheren Zeitpunkt dieses “Emissionsgipfels” für möglich und fordern mehr Ehrgeiz von Peking.
Es sei typisch, dass China zu wenig verspreche und das dann übererfülle, sagte die Klimaexpertin Liu Hongqiao in Hamburg. Liu berichtet unter anderem für den Fachdienst Carbon Brief seit zehn Jahren über Chinas Klimapolitik. Sie ist sicher, China werde erst dann ein ehrgeizigeres Ziel ausgeben, wenn es absolut überzeugt sei, den Höhepunkt der Emissionen überschritten zu haben. “Dann macht man möglicherweise eine neue Berechnung.”
Es ist ein Ansatz, der nicht in die Welt der Klima-COPs passt, die stetig wachsende Commitments vorsieht – und nach möglichst viel Transparenz strebt. Chinas System sei wenig transparent, betonte Jacob Werksman von der Generaldirektion für Klimapolitik der EU-Kommission auf der Hamburger Konferenz: “Das macht es schwer, Chinas Klimamaßnahmen zu erkennen und von ihnen inspiriert zu werden.”
Die Volksrepublik selbst sieht sich durchaus als Staat, der anderen beim Klimaschutz hilft – und auch selbst viel gegen die Klimakrise tut. China besitze knapp 40 Prozent der globalen Windenergie-Kapazität sowie 33 Prozent der globalen Fotovoltaik-Kapazität, betonte Chinas Generalkonsul in Hamburg Cong Wu auf der China.Time. Peking fördere die Süd-Süd-Kooperation und helfe Entwicklungsländern durch mehr grünere Projekte in der Seidenstraßen-Initiative (“Green BRI”) und seine neue Global Development Initiative.
Wie geht es nun weiter? “Wir werden versuchen, China aus dem politischen Framing herauszuholen, hinter dem es sich seit 30 Jahren versteckt hat”, sagte Werksman. Peking nutze die Klassifikation als Entwicklungsland von 1992, um sich vor der Verantwortung zu drücken. “Doch jetzt nach der COP27 wird es sichtbarer und sichtbarer, dass das nicht mehr möglich ist”, sagte Jennifer Morgan. Und es ist wie beim Fußball: Nach der COP ist vor der COP.
Die bedingungslose Unterstützung scheint gesunder Skepsis gewichen zu sein. Lange Zeit förderte die Bundesregierung das wirtschaftliche Treiben der deutschen Autohersteller in China nach Kräften. Vorstandsmitglieder der Marken begleiteten die Politiker routinemäßig bei ihren Reisen in die Volksrepublik.
Doch zwischen Politik und Konzernzentralen weichen die Vorstellungen davon, was der beste Kurs für die Autoindustrie ist, immer mehr ab. Das zeigt sich deutlich in diesen Wochen. Das Auswärtige Amt betont in seinem Strategiepapier den Abbau riskanter Abhängigkeiten (China.Table berichtete). Das Wirtschaftsministerium wartet derweil nicht auf die Strategie und schafft bereits Fakten. Es fährt seine Förderung für das China-Geschäft zurück (China.Table berichtete). Im Kontrast dazu will der Landeschef von Volkswagen, Ralf Brandstätter, noch mehr als zuvor in China investieren, um Marktanteile zu halten. Das passt ganz offensichtlich nicht mehr zusammen.
Die Position der Politik wird nun von einer Studie des China-Forschungsinstituts Merics gestützt. Die Merics-Experten betonen, dass Regierung und Hersteller zwar das gleiche Ziel haben: den langfristigen Erfolg deutscher Autohersteller. Doch dass dies mit höheren Investitionen in China zu erreichen sei, sei keine ausgemachte Sache. Und das liegt an der Transformation der Mobilität.
Laut Merics ist das große Problem, dass die chinesische Wirtschaft vom weiteren Engagement deutscher Autohersteller deutlich stärker profitiert als die deutsche. Das hat drei Gründe.
Doch selbst wenn all diese Probleme gelöst werden, ist der fortgesetzte Erfolg der deutschen Hersteller in China trotz milliardenschwerer Investitionen keine ausgemachte Sache. Merics rechnet vor, dass der Marktanteil deutscher Hersteller am chinesischen Neuwagenmarkt allein in den Monaten Januar bis Mai 2022 um 24 Prozent gesunken ist.
Und je mehr Elektroautos verkauft werden, desto geringer sei der Marktanteil der deutschen Firmen. In den Top 15 der Elektroautohersteller finden sich lediglich vier Marken, die nicht rein chinesisch sind. Nämlich auf Platz zwei SAIC-GM-Wuling (9,6 Prozent Marktanteil) und auf Platz drei Tesla (7,0 Prozent). Mit SAIC-VW (1,8 Prozent) und FAW-VW (1,6 Prozent) findet sich Volkswagen auf den Plätzen 14 und 15 wieder. BYD, der Marktführer, führt das Ranking mit 29,3 Prozent Marktanteil unangefochten an.
Laut Merics versuchen deutsche Marken ihre Schwächen mit Joint Ventures und Partnerschaften auszugleichen. So kooperieren BMW, Mercedes und Volkswagen mit dem Internetkonzern Baidu. BMW außerdem noch mit der chinesischen Softwareschmiede Archermind. Die Deutschen umwerben auch das übrige Who-is-Who der chinesischen Tech-Giganten von Alibaba über Tencent bis Xiaomi. Durch diese Investitionen erhoffen sich die Marken Zugang zur Wertschöpfungskette für Elektroautos, die aktuell von chinesischen Firmen dominiert wird. Sei es bei der Batterie, den Halbleitern oder der Software.
Merics weist darauf hin, dass diese Investitionen den deutschen Herstellern dabei helfen könnten, auf dem globalen Automarkt nicht den Anschluss zu verlieren. Einerseits mit neuen Technologien, andererseits mit dem Zugang zu einem Markt, der sich bei geopolitischen Spannungen für weniger engagierte Firmen schnell schließen könnte. Gerade das ist aber auch eine Frage politischer Überzeugungen.
Vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat Renault 18 Prozent seiner Fahrzeuge in Russland verkauft. Durch die Sanktionen musste die Marke ihre Geschäfte für einen symbolischen Euro an den russischen Hersteller Avtovaz verkaufen. Derartige Szenarien drohen theoretisch auch in China, wie Merics ausführt. Dazu kommen wirtschaftspolitische Überlegungen. Denn die hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung machen auch die chinesischen Partner besser.
Außerdem ist längst nicht klar, dass Forschungsergebnisse, die in China erzielt werden – beispielsweise im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder des autonomen Fahrens – überhaupt außerhalb des Landes genutzt werden können. Es gibt in der Volksrepublik strenge Regeln, was den Export von Technologie und grenzüberschreitendem Datentransfer angeht. Schon jetzt werden Gewinne deutscher Hersteller in China vor allem in der Volksrepublik wieder reinvestiert, weil eine Abführung nach Deutschland nicht so leicht ist. Das immerhin ist ein Hoffnungsschimmer. Denn es gilt der Umkehrschluss. Versiegen die Investitionen der deutschen Marken, schadet das in erster Linie der chinesischen Wirtschaft.
29.11.2022, 11:00 Uhr (US-Zeit)
CSIS / Präsenzveranstaltung mit Webcast Assessing the 2022 G20 Summit: The Sherpa Perspective on Bali Outcomes Mehr
30.11.2022 15:00 Uhr (Deutsche Zeit)
Table.Live-Briefing Petra Sigmund zur China-Strategie der Bundesregierung Anmeldung
30.11.2022, 15:00 Uhr (Chinesischer Zeit)
Dezan Shira / Webinar Cybersecurity – Regulatory Framework 2022 Mehr
01.12.2022, 09:00 Uhr (Deutsche Zeit)
Merics / Online Event Can China escape from its Zero Covid trap? Mehr
01.12.2022, 19:00 Uhr (Deutscher Zeit)
Rosa Luxemburg Stiftung / Vortrag & Diskussion China heute – Feindbild und Feindschaft Mehr
01.12.2022-02.12.2022 – Shanghai
Konferenz Automotive Safety Summit Mehr
03.12.2022 – Shenyang, Conrad Hotel
Weihnachtsmarkt German Christmas Market Shenyang 2022 Mehr
03.12.2022, 11:00 Uhr (Deutscher Zeit) – Düsseldorf
Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Düsseldorf Wandertag der Asian Social Business Community Mehr
Der für Apple produzierende Elektronik-Auftragshersteller Foxconn hat nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage bei den Beschäftigten in seiner Fabrik in Zhengzhou um Entschuldigung gebeten. Foxconn teilte am Donnerstag mit, ein technischer Fehler habe zu falschen Lohnabrechnungen geführt. “Wir entschuldigen uns für einen Eingabefehler in das Computersystem und garantieren, dass der tatsächliche Lohn derselbe ist wie in den offiziellen Einstellungsplakaten” versprochen, erklärte das Unternehmen.
Das Unternehmen bot zudem eine Geldprämie von 10.000 Yuan (1.400 Euro) für alle, die das Fabrikgelände friedlich verlassen. Am Dienstag und Mittwoch war es in dem Werk zu Ausschreitungen gekommen (China.Table berichtete). Die Mitarbeiter empörten sich darüber, weniger Lohn als bei der Einstellung versprochen ausgezahlt bekommen zu haben. In dem Versuch, die Lage unter Kontrolle zu bringen, hatten das Management und die Provinzregierung zu Wochenbeginn Sicherheitskräfte in weißen Schutzanzügen auf das Werksgelände geschickt. Dies trug jedoch nur zusätzlich zur Eskalation bei. In sozialen Medien verbreitete Videos zeigten, wie Polizisten in weißen Schutzanzügen auf protestierende Arbeiter einschlugen und sie traten.
Die Mitarbeiter sind auch unzufrieden, weil sie das Werk wegen Corona-Schutzregeln nicht verlassen dürfen. Auf dem größten Fabrikgelände der Welt können bis zu 350.000 Mitarbeiter leben und arbeiten. Zum Teil sollten Corona-positive Arbeiterinnen und Arbeiter mit negativen Kollegen im gleichen Zimmer schlafen. Auch die Versorgungslage war schlecht (China.Table berichtete).
Generell gilt das Leben in Closed Loops von Großfabriken als unangenehm. Foxconn versucht derzeit in Zhengzhou, 100.000 Mitarbeiter zu ersetzen, die bereits im Oktober aus dem Werk geflohen waren (China.Table berichtete). Die Produktion von Apple-Produkten für das Weihnachtsgeschäft hängt vom Funktionieren des Standorts ab. fin
Zahlreiche chinesische Städte umgehen die Vorgabe der Zentralregierung, aus den Corona-Maßnahmen schrittweise auszusteigen (China.Table berichtete). Um steigenden Infektionszahlen zu begegnen, führen sie erneut Einschränkungen ein. Sie vermeiden dabei aber derzeit noch vollständige Lockdowns. “Ausgangssperren à la Shanghai konnten vermieden werden, doch sie wurden durch häufige Teillockdowns ersetzt”, schreiben Ökonomen des japanischen Wertpapierhauses Nomura.
Die Großstadt Changchun in der Nordostprovinz Jilin fordert ihre Bürger auf, jede nicht dringend notwendige Mobilität einzustellen. Changchun ist ein wichtiger VW-Standort, an dem auch immer zahlreiche Deutsche arbeiten. Die Bürger dort sollen nun ohne Umwege zur Arbeit und zurück nach Hause fahren und andere Aktivitäten außer Haus möglichst unterlassen.
Auch in Sanya auf Hainan sind die Bürger aufgefordert, die Wohnung nicht unnötig zu verlassen, berichtet Reuters. In Peking müssen viele Bürger im Rahmen von Teillockdowns ebenfalls zuhause bleiben. In Zhengzhou laufen die Massentests weiter, zugleich läuft eine fünftägige Kampagne an, die ebenfalls Kontaktvermeidung vorsieht. Shanghai reguliert den Reiseverkehr, um Eintragungen neuer Infektionen zu verhindern.
Offenbar gelingt es Peking bisher nicht, die Balance zwischen gegensätzlichen Zielen zu finden. “Die Regierung versucht, die Auswirkungen auf die Wirtschaft zu minimieren und zugleich die Infektionszahlen unter Kontrolle zu bekommen”, schreibt Ökonomin Cui Ernan von Gavekal Dragonomics. “Aber bisher hat sie keines des beiden Ziele erreicht.” Derzeit gehen die Corona-Zahlen herauf und die Konjunkturaussichten herunter. Nomura hat seine Vorhersage für das Wachstum im kommenden Jahr von 4,3 auf 4,0 Prozent gesenkt. fin
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, wird in der kommenden Wochen zu einem Treffen mit Xi Jinping und weiteren chinesischen Beamten nach Peking reisen. Michel werde am 1. Dezember die chinesische Hauptstadt besuchen, bestätigte der Sprecher Michels am Donnerstag. Der EU-Ratschef soll wie Bundeskanzler Olaf Scholz bereits Anfang November für einen eintägigen Kurzbesuch in die Volksrepublik reisen. Es ist das erste Treffen zwischen Xi und Michel seit 2018.
Die EU-China-Beziehungen sind derzeit nicht in Höchstform (China.Table berichtete). Beim G20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali war es zu keinem Treffen zwischen Xi und einem EU-Vertreter gekommen. Vor dem Hintergrund “eines angespannten geopolitischen und wirtschaftlichen Umfelds” sei der Besuch eine “günstige Gelegenheit für die EU und China, sich zu engagieren”, hieß es zu dem Treffen. Dabei werde über globale Herausforderung und Themen des gemeinsamen Interesses gesprochen. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten im Oktober bei ihrem Gipfel-Treffen auch über China gesprochen (China.Table berichtete). ari
SPD-Chef Lars Klingbeil lehnt eine Entkoppelung der deutschen Wirtschaft von China ab, fordert aber eine Reduzierung der Abhängigkeit. “Wir müssen die Risiken minimieren, etwa bei der Rohstoff-Beschaffung immer auch Lieferanten neben China haben”, sagte Klingbeil in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Man müsse in dem Bewusstsein handeln, “dass es sein kann, dass wir von einem Tag auf den nächsten ohne China auskommen müssen. Es gibt immer eine Alternative.“
Mit Blick auf den auch in der Bundesregierung diskutierten Umgang Deutschlands und der EU mit Peking fordert Klingbeil eine “sehr selbstbewusste” Haltung der Europäer. “Ich halte eine Entkopplung, das völlige Loslösen von China, für falsch. Das ist nicht realisierbar”, warnte e. Nötig sei eine Diversifizierung, wie sie auch die Regierung von den Firmen fordert. Man wisse nicht, wie sich China die nächsten Jahre entwickele. “Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es Taiwan angreift, ist eher gestiegen als gesunken. Deswegen müssen wir uns auf dieses Szenario vorbereiten.” rtr
Robert Bosch hat in Shanghai ein weiteres Forschungs- und Entwicklungszentrum eröffnet. Wie das Wirtschaftsmedium Caixin berichtet, beschäftigt sich das neue Zentrum der Schwaben mit den Themenbereichen rund ums Autonome Fahren. Entwickelt werden soll ein Fahrsystem, das autonomes Fahren der Stufe 3 im Straßenverkehr in der Stadt und Autobahnen ermöglichen soll. Für das neue Entwicklungszentrum im Stadtteil Pudong hat Bosch rund 20 Millionen Euro investiert. flee
In China gibt es eine ganz besondere Art von Dating-Websites und Apps. Sie bringen Lesben mit Schwulen zusammen, die eine heterosexuelle Ehe eingehen wollen (zum Beispiel diese beiden: www.chinagayles.com und www.gayleshome.com).
Mindestens fünf Unternehmen sind derzeit in diesem Geschäft tätig. Sie sind wahrscheinlich nicht so profitabel wie Tinder oder Parship, aber die älteste ist seit mehr als zehn Jahren aktiv, was bedeutet, dass es einen echten Markt gibt. Eine der Apps soll bereits mehr als 250.000 Downloads erreicht haben.
Menschen, die dort ihren Partner gefunden haben, verabreden sich. Wenn beide Seiten das Gefühl haben, dass es passt, heiraten sie. Es wird eine große Hochzeitszeremonie abgehalten. Einige von ihnen bekommen vielleicht sogar Kinder.
Die Ehe mit dem echten Trauschein ist natürlich fake.
Es ist eine Show, die für die Eltern, Arbeitskollegen und Bekannten inszeniert wird, für die die Frischvermählten “normale”, heterosexuelle Menschen sind. Im Privaten führen sie weiterhin gleichgeschlechtliche Beziehungen oder haben Dates.
Die Ursache für dieses bizarre Phänomen ist die anhaltende Intoleranz gegenüber Homosexualität und die starre gesellschaftliche Norm für ein normales Erwachsenenleben in China.
Der Druck kommt hauptsächlich von den Eltern. Für durchschnittliche chinesische Eltern sind Familie und Kinder ein Muss für jeden. Ein ständig lediges Kind ist eine Schande für die Familie. Das ultimative Argument ist: “Wer wird sich um dich kümmern, wenn du alt bist?”
In Megastädten wie Peking, Shanghai und Shenzhen gelingt es einigen schwulen Frauen und Männern, sich aus diesem Schlamassel herauszuhalten. Aber in kleineren Städten und auf dem Land ist das fast unmöglich.
Viele Schwule und Lesben heiraten Heterosexuelle, ohne ihnen die Wahrheit zu sagen. Frauen, die auf diese Weise zu Opfern werden, sind besonders gefährdet, weil es für eine geschiedene Frau in einer immer noch recht sexistischen Gesellschaft viel schwieriger ist, wieder zu heiraten.
Dank der Apps können homosexuelle Männer und Frauen, die nicht in einer Ehe mit einem wirklich heterosexuellen Partner fremdgehen wollen, zueinander finden. Im günstigsten Fall verstehen sich alle Beteiligten so gut, dass auch ein echtes Zusammenleben klappt. Ein schwuler Freund von mir, der in einer solchen Ehe lebt, kann sogar zwischen seiner Frau und ihrer Freundin vermitteln, wenn es zwischen den beiden Frauen Reibereien gibt. Es gibt Berichten zufolge sehr glückliche Fälle, in denen ein schwules Paar ein lesbisches Paar heiratet, und alle kommen großartig miteinander aus.
Dennoch ist es nach außen hin schwer, ein Schein-Eheleben aufrechtzuerhalten. Es ist ein Theaterstück, das das Paar spielen muss, solange die Ehe hält. Die beiden werden zu Schauspielern, die auch die Drehbücher ihres Lebens schreiben.
Viele dieser Paare haben bereits Pläne für Kinder, wenn sie ihr Eheprojekt starten. “Jetzt, wo wir uns entschieden haben zu heiraten, warum nicht ein Baby bekommen? Wir möchten beide Vater und Mutter sein und die nächste Generation haben”, sagen sie dann. (Für die ganz neugierigen Leser: Sie greifen dabei fast immer zu einer Spritze).
Selbst wenn sie ursprünglich keine Kinder haben wollten, werden ihre Eltern sie dazu drängen.
Die Kinder werden natürlich das unglückliche Produkt einer großen Lüge sein. Die möglichen psychologischen Auswirkungen auf die Kinder werden dabei nicht berücksichtigt.
Viele chinesische LGBT-Personen haben zwar ihre eigene sexuelle Orientierung insgeheim akzeptiert, aber sie stecken noch immer in einer konservativen Mentalität fest. Dies gilt insbesondere für schwule Männer.
In der schwulen Gemeinschaft ist die starre binäre Rollenverteilung von Oben und Unten nach wie vor üblich, wobei sich die Oberen oft als Supermännchen fühlen und die Unteren unter Bottom Shaming oder Slut Shaming leiden. In selbst gedrehten Schwulenpornos hört man oft, wie der passive Teil den aktiven Teil als “hubby” oder “daddy” bezeichnet.
In Beziehungen würden viele schwule Männer in ihren gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auch dem Rollenmodell von Hetero-Paaren folgen, wobei einer von ihnen die Rolle des Mannes und der andere die der Frau übernimmt. Ich habe schon öfter die folgende Aussage eines schwulen Paares gehört: “Wir leben genau das Leben einer normalen Mann-Frau-Familie, nur dass wir beide Männer sind.”
Viele reiche schwule Paare und Singles, die nicht in eine Schein- oder Scheinehe verwickelt sind, würden auch gerne eigene Kinder bekommen. Adoptionen sind extrem selten. Biologische Nachkommenschaft durch bezahlte Leihmütter wird bevorzugt.
Das allgemeine soziale Umfeld für die LGBT-Gruppe ist heute weit weniger hart als noch vor 30 Jahren in China. Homosexualität ist nicht mehr als Verbrechen oder Krankheit eingestuft. Mit kleinen oder großen Mitteln können die Mitglieder dieser Gruppe eine Form von LGBT-Leben führen.
Die lebendigste LGBT-Szene gab es in China zwischen 2000 und 2015 in den Großstädten. Es gibt auch eine ganze Reihe von Organisationen, die sich aktiv für diese Gruppe einsetzen. Nach dieser Zeit begann die Regierung, alle Diskussionen und Organisationen zu unterdrücken, die sich mit Rechten befassen, einschließlich Arbeitsrechten, Frauenrechten und LGBT-Rechten.
So bleiben die LGBT-Menschen an den Rand gedrängt. Die Regierung behandelt sie wie eine Nichtexistenz. Die Darstellung in Film und Fernsehen ist verboten. In den Lehrbüchern für Kinder in Grund- und Sekundarschulen sind LGBT-Themen nicht zu finden.
Gleichgeschlechtliche Ehe? Keine Hoffnung, solange die Kommunisten an der Macht sind.
Juliane Weinzierl ist für Brainlab, einem Spezialisten für Medizintechnik-Software, als Business-Managerin China nach Peking gezogen. Sie war zuvor Projektmanagerin in der Zentrale in München.
Matthew Qiu wird bei dem E-Auto-Hersteller Aiways neuer CEO. Er ersetzt Chalie Zhang, der das Unternehmen erst seit Januar geleitet hat. Qiu war zuvor Produktionsvorstand. Zhang wechselt in den Aufsichtsrat.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
So ist in Peking derzeit die Lage. Einen Lockdown haben die Behörden nicht über die Hauptstadt verhängt. Geschäfte, Restaurants, Malls und selbst Parks sind trotzdem alle dicht. Und so vertrösten sich einige wenige hartgesottene Frauen damit, ihre Taichi-Übungen vor dem Parkeingang abzuhalten – nichts im Vergleich zu dem, was hier unter normalen Bedingungen los ist.
es ist keineswegs so, dass China in Sachen Klimaschutz nichts tut. Kein Land hat in den vergangenen Jahren so viel in Windkraft und Solarenergie investiert wie die Volksrepublik. Daher ist die Bilanz von Chinas Rolle auf der COP27, die am vergangenen Wochenende zu Ende ging, eher ernüchternd. Denn China weigert sich weiter, in den Klimahilfsfonds für Entwicklungsländer einzuzahlen – und sieht sich selbst als gefürchtete Wirtschaftssupermacht noch immer irgendwie als Entwicklungsland. Die Debatte über Chinas Status sei aber mit dem Ende der COP27 nicht vorbei, schreibt Christiane Kühl in ihrer Analyse. Im Gegenteil: Sie ist mitten im Gange und dürfte schon auf der nächsten COP in einem Jahr in Dubai wieder ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Nicht sehr rosig sieht es für die deutsche Automobilindustrie in China aus. Denn je mehr Elektroautos auf dem größten Automarkt der Welt verkauft werden, desto geringer ist der Marktanteil der deutschen Autobauer. Mit der chinesischen E-Konkurrenz kann vor allem Volkswagen immer weniger mithalten. Eine Lose-Lose-Situation zeichnet sich ab, wie aus einer Studie des Berliner China-Forschungsinstituts Merics hervorgeht, die sich unser Autor Christian Domke Seidel genauer angeschaut hat. Setzen die deutschen Autobauer weiter massiv auf China, gehen sie ein geopolitisches Risiko ein. Fahren sie ihre Investitionen im Reich der Mitte zurück, drohen sie von der chinesischen Konkurrenz und Tesla abgehängt zu werden.
Um einen unmöglichen Ausweg ganz anderer Art geht es in der heutigen Kolumne “China-Perspektive”. Der familiäre und gesellschaftliche Druck auf Lesben und Schwule, nicht verheiratet zu sein, lastet schwer. Viele von ihnen gehen daher Scheinehen ein. Das schafft aber Folgeprobleme. Die naheliegende Lösung wäre die gleichgeschlechtliche Ehe. Doch davon ist China unter Xi Jinping weiter entfernt denn je.
Kurz nach Beginn der Klimakonferenz in Ägypten hatte der Vorsitzende der Aosis-Gruppe gefährdeter Inselstaaten, Gaston Browne, für einen ersten Paukenschlag gesorgt. Er forderte, auch China solle sich in Zukunft an der Finanzierung der Klimapolitik beteiligen. Von einem Mitglied der von China dominierten G77-Gruppe aus 134 Entwicklungsländern war das ein Ausrufezeichen. Browne ruderte zwar zurück, doch das Zeichen war gesetzt (Climate.Table berichtete). Chinas Unterhändler Xie Zhenhua stellte daraufhin schnell klar, dass sein Land zwar einen Mechanismus für Ausgleichszahlungen für Schäden in armen Ländern unterstütze – aber keineswegs finanziell (China.Table berichtete).
Die Debatte hinter den Kulissen, ob sich China als ambitionierte Supermacht langfristig weiter aus Verpflichtungen zur Finanzierung von Klimahilfen heraushalten könne, konnte Xie aber nicht mehr aufhalten. Sie wurde zu einer der zentralen Diskussionen der am Sonntag zu Ende gegangenen COP27. Und die Debatte über Chinas Status ist nicht beendet. Sie wird auf der COP28 in Dubai im November 2023 weitergehen.
Die deutsche Unterhändlerin, Klima-Staatssekretärin Jennifer Morgan, bezeichnete den plötzlichen EU-Vorstoß für einen Klimaschäden-Entschädigungsfonds für die ärmsten Länder am Rande der Konferenz China Time in Hamburg im Gespräch mit China.Table am Mittwoch als “einen der wichtigsten Momente der COP”. Es sei sehr wichtig gewesen in Sharm el Sheikh, dass es durch die Entscheidung für einen Loss & Damage-Fonds “einen Riss in die Mauer zwischen Industrieländer und Entwicklungsländer” gegeben habe, so Morgan, die zusammen mit der chilenischen Umweltministerin Maisa Rojas als “Facilitator” in diesem schwierigen Bereich vermitteln sollte. “Allein deswegen hat es sich gelohnt, das zu machen.”
Am Ende setzte sich die EU in zähen Verhandlungen damit durch, die geplanten Fondsgelder nur an besonders gefährdete Entwicklungsländer auszuzahlen – und nicht auch an Länder vom Entwicklungsstand Chinas. Nachgeben mussten Brüssel und Verbündete allerdings bei der gewünschten Ausweitung der Geberländer auf Länder wie China oder die Golfstaaten. Im Abschlussdokument der COP27 schließt die Formulierung eine Erweiterung der Beitragszahlergruppe zwar nicht aus. Doch es ist nun zunächst Aufgabe eines Übergangsausschusses, neue Finanzierungsquellen für “Loss & Damage” vorzuschlagen. (Climate.Table berichtete).
China wisse schon, dass es mehr tun müsse, sagte Morgan, die auf der COP27 auch mit Chinas Klimazar Xie Zhenhua gesprochen hatte, den sie seit vielen Jahren kennt. “Ich habe eine gute Arbeitsbeziehung mit Xie Zhenhua”, sagte Morgan auf einer Podiumsdiskussion der Konferenz. “Wir mögen nicht immer einer Meinung sein. Aber wir können einander das sagen.” Der erfahrene Xie ist international durchaus angesehen, auch der US-Klimaunterhändler John Kerry soll gut mit ihm auskommen.
Xie blieb auf dieser COP ebenso wie Kerry eher unauffällig. Am meisten beachtet wurde seine Zusage, dass China an einem Methanplan arbeite, der auch Teil der langfristigen Klimaziele werden solle. Methan hat eine vierfach höhere Treibhauswirkung als CO2 und entweicht in China unter anderem aus Nassreisfeldern. Bisher hatte China nur mit CO2-Minderungszielen gearbeitet. “Daran sieht man, dass es Bewegung gibt”, sagte Morgan.
Offiziell aber bleibt China bei seiner Linie. Die Industrieländer hätten “noch nicht ihre Verpflichtung erfüllt, jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung an Entwicklungsländer” zu zahlen, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Montag nach der COP27 – ganz so, als habe es die Debatte um Chinas Rolle bei dieser Finanzierung nie gegeben.
China stößt auch aufgrund seiner Größe mehr Treibhausgase aus als jedes andere Land der Welt, rund 30 Prozent der weltweiten Emissionen. Pro Kopf emittiere jeder Chinese etwa 7 Tonnen CO2 pro Jahr, sagte der bekannte Klimaexperte Mojib Latif auf der China Time-Konferenz. Jeder Deutsche emittiere 9 Tonnen im Jahr, jeder Inder nur zwei Tonnen. China nähert sich den Industrieländern also an, und zwar auch bei den kumulierten, sogenannten “historischen Emissionen” – die so wichtig sind, weil das CO2 jahrhundertelang in der Atmosphäre verbleibt. “Am meisten haben kumulativ die USA emittiert, mit 20 Prozent Anteil”, sagte Latif. “Doch China ist mit elf Prozent schon die Nummer zwei.” All das schwächt Chinas Entwicklungsland-Argument.
Bis 2060 will China klimaneutral sein – sein Zielpunkt liegt damit zwischen den meisten Industrieländern (2050) und Entwicklungsländern wie Indien (2070). Spätestens ab 2030 sollen Chinas Emissionen sinken. Welche Menge bis dann aber in die Luft geblasen wird, hat Peking offengelassen. Viele Experten halten allerdings einen früheren Zeitpunkt dieses “Emissionsgipfels” für möglich und fordern mehr Ehrgeiz von Peking.
Es sei typisch, dass China zu wenig verspreche und das dann übererfülle, sagte die Klimaexpertin Liu Hongqiao in Hamburg. Liu berichtet unter anderem für den Fachdienst Carbon Brief seit zehn Jahren über Chinas Klimapolitik. Sie ist sicher, China werde erst dann ein ehrgeizigeres Ziel ausgeben, wenn es absolut überzeugt sei, den Höhepunkt der Emissionen überschritten zu haben. “Dann macht man möglicherweise eine neue Berechnung.”
Es ist ein Ansatz, der nicht in die Welt der Klima-COPs passt, die stetig wachsende Commitments vorsieht – und nach möglichst viel Transparenz strebt. Chinas System sei wenig transparent, betonte Jacob Werksman von der Generaldirektion für Klimapolitik der EU-Kommission auf der Hamburger Konferenz: “Das macht es schwer, Chinas Klimamaßnahmen zu erkennen und von ihnen inspiriert zu werden.”
Die Volksrepublik selbst sieht sich durchaus als Staat, der anderen beim Klimaschutz hilft – und auch selbst viel gegen die Klimakrise tut. China besitze knapp 40 Prozent der globalen Windenergie-Kapazität sowie 33 Prozent der globalen Fotovoltaik-Kapazität, betonte Chinas Generalkonsul in Hamburg Cong Wu auf der China.Time. Peking fördere die Süd-Süd-Kooperation und helfe Entwicklungsländern durch mehr grünere Projekte in der Seidenstraßen-Initiative (“Green BRI”) und seine neue Global Development Initiative.
Wie geht es nun weiter? “Wir werden versuchen, China aus dem politischen Framing herauszuholen, hinter dem es sich seit 30 Jahren versteckt hat”, sagte Werksman. Peking nutze die Klassifikation als Entwicklungsland von 1992, um sich vor der Verantwortung zu drücken. “Doch jetzt nach der COP27 wird es sichtbarer und sichtbarer, dass das nicht mehr möglich ist”, sagte Jennifer Morgan. Und es ist wie beim Fußball: Nach der COP ist vor der COP.
Die bedingungslose Unterstützung scheint gesunder Skepsis gewichen zu sein. Lange Zeit förderte die Bundesregierung das wirtschaftliche Treiben der deutschen Autohersteller in China nach Kräften. Vorstandsmitglieder der Marken begleiteten die Politiker routinemäßig bei ihren Reisen in die Volksrepublik.
Doch zwischen Politik und Konzernzentralen weichen die Vorstellungen davon, was der beste Kurs für die Autoindustrie ist, immer mehr ab. Das zeigt sich deutlich in diesen Wochen. Das Auswärtige Amt betont in seinem Strategiepapier den Abbau riskanter Abhängigkeiten (China.Table berichtete). Das Wirtschaftsministerium wartet derweil nicht auf die Strategie und schafft bereits Fakten. Es fährt seine Förderung für das China-Geschäft zurück (China.Table berichtete). Im Kontrast dazu will der Landeschef von Volkswagen, Ralf Brandstätter, noch mehr als zuvor in China investieren, um Marktanteile zu halten. Das passt ganz offensichtlich nicht mehr zusammen.
Die Position der Politik wird nun von einer Studie des China-Forschungsinstituts Merics gestützt. Die Merics-Experten betonen, dass Regierung und Hersteller zwar das gleiche Ziel haben: den langfristigen Erfolg deutscher Autohersteller. Doch dass dies mit höheren Investitionen in China zu erreichen sei, sei keine ausgemachte Sache. Und das liegt an der Transformation der Mobilität.
Laut Merics ist das große Problem, dass die chinesische Wirtschaft vom weiteren Engagement deutscher Autohersteller deutlich stärker profitiert als die deutsche. Das hat drei Gründe.
Doch selbst wenn all diese Probleme gelöst werden, ist der fortgesetzte Erfolg der deutschen Hersteller in China trotz milliardenschwerer Investitionen keine ausgemachte Sache. Merics rechnet vor, dass der Marktanteil deutscher Hersteller am chinesischen Neuwagenmarkt allein in den Monaten Januar bis Mai 2022 um 24 Prozent gesunken ist.
Und je mehr Elektroautos verkauft werden, desto geringer sei der Marktanteil der deutschen Firmen. In den Top 15 der Elektroautohersteller finden sich lediglich vier Marken, die nicht rein chinesisch sind. Nämlich auf Platz zwei SAIC-GM-Wuling (9,6 Prozent Marktanteil) und auf Platz drei Tesla (7,0 Prozent). Mit SAIC-VW (1,8 Prozent) und FAW-VW (1,6 Prozent) findet sich Volkswagen auf den Plätzen 14 und 15 wieder. BYD, der Marktführer, führt das Ranking mit 29,3 Prozent Marktanteil unangefochten an.
Laut Merics versuchen deutsche Marken ihre Schwächen mit Joint Ventures und Partnerschaften auszugleichen. So kooperieren BMW, Mercedes und Volkswagen mit dem Internetkonzern Baidu. BMW außerdem noch mit der chinesischen Softwareschmiede Archermind. Die Deutschen umwerben auch das übrige Who-is-Who der chinesischen Tech-Giganten von Alibaba über Tencent bis Xiaomi. Durch diese Investitionen erhoffen sich die Marken Zugang zur Wertschöpfungskette für Elektroautos, die aktuell von chinesischen Firmen dominiert wird. Sei es bei der Batterie, den Halbleitern oder der Software.
Merics weist darauf hin, dass diese Investitionen den deutschen Herstellern dabei helfen könnten, auf dem globalen Automarkt nicht den Anschluss zu verlieren. Einerseits mit neuen Technologien, andererseits mit dem Zugang zu einem Markt, der sich bei geopolitischen Spannungen für weniger engagierte Firmen schnell schließen könnte. Gerade das ist aber auch eine Frage politischer Überzeugungen.
Vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat Renault 18 Prozent seiner Fahrzeuge in Russland verkauft. Durch die Sanktionen musste die Marke ihre Geschäfte für einen symbolischen Euro an den russischen Hersteller Avtovaz verkaufen. Derartige Szenarien drohen theoretisch auch in China, wie Merics ausführt. Dazu kommen wirtschaftspolitische Überlegungen. Denn die hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung machen auch die chinesischen Partner besser.
Außerdem ist längst nicht klar, dass Forschungsergebnisse, die in China erzielt werden – beispielsweise im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder des autonomen Fahrens – überhaupt außerhalb des Landes genutzt werden können. Es gibt in der Volksrepublik strenge Regeln, was den Export von Technologie und grenzüberschreitendem Datentransfer angeht. Schon jetzt werden Gewinne deutscher Hersteller in China vor allem in der Volksrepublik wieder reinvestiert, weil eine Abführung nach Deutschland nicht so leicht ist. Das immerhin ist ein Hoffnungsschimmer. Denn es gilt der Umkehrschluss. Versiegen die Investitionen der deutschen Marken, schadet das in erster Linie der chinesischen Wirtschaft.
29.11.2022, 11:00 Uhr (US-Zeit)
CSIS / Präsenzveranstaltung mit Webcast Assessing the 2022 G20 Summit: The Sherpa Perspective on Bali Outcomes Mehr
30.11.2022 15:00 Uhr (Deutsche Zeit)
Table.Live-Briefing Petra Sigmund zur China-Strategie der Bundesregierung Anmeldung
30.11.2022, 15:00 Uhr (Chinesischer Zeit)
Dezan Shira / Webinar Cybersecurity – Regulatory Framework 2022 Mehr
01.12.2022, 09:00 Uhr (Deutsche Zeit)
Merics / Online Event Can China escape from its Zero Covid trap? Mehr
01.12.2022, 19:00 Uhr (Deutscher Zeit)
Rosa Luxemburg Stiftung / Vortrag & Diskussion China heute – Feindbild und Feindschaft Mehr
01.12.2022-02.12.2022 – Shanghai
Konferenz Automotive Safety Summit Mehr
03.12.2022 – Shenyang, Conrad Hotel
Weihnachtsmarkt German Christmas Market Shenyang 2022 Mehr
03.12.2022, 11:00 Uhr (Deutscher Zeit) – Düsseldorf
Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Düsseldorf Wandertag der Asian Social Business Community Mehr
Der für Apple produzierende Elektronik-Auftragshersteller Foxconn hat nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage bei den Beschäftigten in seiner Fabrik in Zhengzhou um Entschuldigung gebeten. Foxconn teilte am Donnerstag mit, ein technischer Fehler habe zu falschen Lohnabrechnungen geführt. “Wir entschuldigen uns für einen Eingabefehler in das Computersystem und garantieren, dass der tatsächliche Lohn derselbe ist wie in den offiziellen Einstellungsplakaten” versprochen, erklärte das Unternehmen.
Das Unternehmen bot zudem eine Geldprämie von 10.000 Yuan (1.400 Euro) für alle, die das Fabrikgelände friedlich verlassen. Am Dienstag und Mittwoch war es in dem Werk zu Ausschreitungen gekommen (China.Table berichtete). Die Mitarbeiter empörten sich darüber, weniger Lohn als bei der Einstellung versprochen ausgezahlt bekommen zu haben. In dem Versuch, die Lage unter Kontrolle zu bringen, hatten das Management und die Provinzregierung zu Wochenbeginn Sicherheitskräfte in weißen Schutzanzügen auf das Werksgelände geschickt. Dies trug jedoch nur zusätzlich zur Eskalation bei. In sozialen Medien verbreitete Videos zeigten, wie Polizisten in weißen Schutzanzügen auf protestierende Arbeiter einschlugen und sie traten.
Die Mitarbeiter sind auch unzufrieden, weil sie das Werk wegen Corona-Schutzregeln nicht verlassen dürfen. Auf dem größten Fabrikgelände der Welt können bis zu 350.000 Mitarbeiter leben und arbeiten. Zum Teil sollten Corona-positive Arbeiterinnen und Arbeiter mit negativen Kollegen im gleichen Zimmer schlafen. Auch die Versorgungslage war schlecht (China.Table berichtete).
Generell gilt das Leben in Closed Loops von Großfabriken als unangenehm. Foxconn versucht derzeit in Zhengzhou, 100.000 Mitarbeiter zu ersetzen, die bereits im Oktober aus dem Werk geflohen waren (China.Table berichtete). Die Produktion von Apple-Produkten für das Weihnachtsgeschäft hängt vom Funktionieren des Standorts ab. fin
Zahlreiche chinesische Städte umgehen die Vorgabe der Zentralregierung, aus den Corona-Maßnahmen schrittweise auszusteigen (China.Table berichtete). Um steigenden Infektionszahlen zu begegnen, führen sie erneut Einschränkungen ein. Sie vermeiden dabei aber derzeit noch vollständige Lockdowns. “Ausgangssperren à la Shanghai konnten vermieden werden, doch sie wurden durch häufige Teillockdowns ersetzt”, schreiben Ökonomen des japanischen Wertpapierhauses Nomura.
Die Großstadt Changchun in der Nordostprovinz Jilin fordert ihre Bürger auf, jede nicht dringend notwendige Mobilität einzustellen. Changchun ist ein wichtiger VW-Standort, an dem auch immer zahlreiche Deutsche arbeiten. Die Bürger dort sollen nun ohne Umwege zur Arbeit und zurück nach Hause fahren und andere Aktivitäten außer Haus möglichst unterlassen.
Auch in Sanya auf Hainan sind die Bürger aufgefordert, die Wohnung nicht unnötig zu verlassen, berichtet Reuters. In Peking müssen viele Bürger im Rahmen von Teillockdowns ebenfalls zuhause bleiben. In Zhengzhou laufen die Massentests weiter, zugleich läuft eine fünftägige Kampagne an, die ebenfalls Kontaktvermeidung vorsieht. Shanghai reguliert den Reiseverkehr, um Eintragungen neuer Infektionen zu verhindern.
Offenbar gelingt es Peking bisher nicht, die Balance zwischen gegensätzlichen Zielen zu finden. “Die Regierung versucht, die Auswirkungen auf die Wirtschaft zu minimieren und zugleich die Infektionszahlen unter Kontrolle zu bekommen”, schreibt Ökonomin Cui Ernan von Gavekal Dragonomics. “Aber bisher hat sie keines des beiden Ziele erreicht.” Derzeit gehen die Corona-Zahlen herauf und die Konjunkturaussichten herunter. Nomura hat seine Vorhersage für das Wachstum im kommenden Jahr von 4,3 auf 4,0 Prozent gesenkt. fin
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, wird in der kommenden Wochen zu einem Treffen mit Xi Jinping und weiteren chinesischen Beamten nach Peking reisen. Michel werde am 1. Dezember die chinesische Hauptstadt besuchen, bestätigte der Sprecher Michels am Donnerstag. Der EU-Ratschef soll wie Bundeskanzler Olaf Scholz bereits Anfang November für einen eintägigen Kurzbesuch in die Volksrepublik reisen. Es ist das erste Treffen zwischen Xi und Michel seit 2018.
Die EU-China-Beziehungen sind derzeit nicht in Höchstform (China.Table berichtete). Beim G20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali war es zu keinem Treffen zwischen Xi und einem EU-Vertreter gekommen. Vor dem Hintergrund “eines angespannten geopolitischen und wirtschaftlichen Umfelds” sei der Besuch eine “günstige Gelegenheit für die EU und China, sich zu engagieren”, hieß es zu dem Treffen. Dabei werde über globale Herausforderung und Themen des gemeinsamen Interesses gesprochen. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten im Oktober bei ihrem Gipfel-Treffen auch über China gesprochen (China.Table berichtete). ari
SPD-Chef Lars Klingbeil lehnt eine Entkoppelung der deutschen Wirtschaft von China ab, fordert aber eine Reduzierung der Abhängigkeit. “Wir müssen die Risiken minimieren, etwa bei der Rohstoff-Beschaffung immer auch Lieferanten neben China haben”, sagte Klingbeil in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Man müsse in dem Bewusstsein handeln, “dass es sein kann, dass wir von einem Tag auf den nächsten ohne China auskommen müssen. Es gibt immer eine Alternative.“
Mit Blick auf den auch in der Bundesregierung diskutierten Umgang Deutschlands und der EU mit Peking fordert Klingbeil eine “sehr selbstbewusste” Haltung der Europäer. “Ich halte eine Entkopplung, das völlige Loslösen von China, für falsch. Das ist nicht realisierbar”, warnte e. Nötig sei eine Diversifizierung, wie sie auch die Regierung von den Firmen fordert. Man wisse nicht, wie sich China die nächsten Jahre entwickele. “Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es Taiwan angreift, ist eher gestiegen als gesunken. Deswegen müssen wir uns auf dieses Szenario vorbereiten.” rtr
Robert Bosch hat in Shanghai ein weiteres Forschungs- und Entwicklungszentrum eröffnet. Wie das Wirtschaftsmedium Caixin berichtet, beschäftigt sich das neue Zentrum der Schwaben mit den Themenbereichen rund ums Autonome Fahren. Entwickelt werden soll ein Fahrsystem, das autonomes Fahren der Stufe 3 im Straßenverkehr in der Stadt und Autobahnen ermöglichen soll. Für das neue Entwicklungszentrum im Stadtteil Pudong hat Bosch rund 20 Millionen Euro investiert. flee
In China gibt es eine ganz besondere Art von Dating-Websites und Apps. Sie bringen Lesben mit Schwulen zusammen, die eine heterosexuelle Ehe eingehen wollen (zum Beispiel diese beiden: www.chinagayles.com und www.gayleshome.com).
Mindestens fünf Unternehmen sind derzeit in diesem Geschäft tätig. Sie sind wahrscheinlich nicht so profitabel wie Tinder oder Parship, aber die älteste ist seit mehr als zehn Jahren aktiv, was bedeutet, dass es einen echten Markt gibt. Eine der Apps soll bereits mehr als 250.000 Downloads erreicht haben.
Menschen, die dort ihren Partner gefunden haben, verabreden sich. Wenn beide Seiten das Gefühl haben, dass es passt, heiraten sie. Es wird eine große Hochzeitszeremonie abgehalten. Einige von ihnen bekommen vielleicht sogar Kinder.
Die Ehe mit dem echten Trauschein ist natürlich fake.
Es ist eine Show, die für die Eltern, Arbeitskollegen und Bekannten inszeniert wird, für die die Frischvermählten “normale”, heterosexuelle Menschen sind. Im Privaten führen sie weiterhin gleichgeschlechtliche Beziehungen oder haben Dates.
Die Ursache für dieses bizarre Phänomen ist die anhaltende Intoleranz gegenüber Homosexualität und die starre gesellschaftliche Norm für ein normales Erwachsenenleben in China.
Der Druck kommt hauptsächlich von den Eltern. Für durchschnittliche chinesische Eltern sind Familie und Kinder ein Muss für jeden. Ein ständig lediges Kind ist eine Schande für die Familie. Das ultimative Argument ist: “Wer wird sich um dich kümmern, wenn du alt bist?”
In Megastädten wie Peking, Shanghai und Shenzhen gelingt es einigen schwulen Frauen und Männern, sich aus diesem Schlamassel herauszuhalten. Aber in kleineren Städten und auf dem Land ist das fast unmöglich.
Viele Schwule und Lesben heiraten Heterosexuelle, ohne ihnen die Wahrheit zu sagen. Frauen, die auf diese Weise zu Opfern werden, sind besonders gefährdet, weil es für eine geschiedene Frau in einer immer noch recht sexistischen Gesellschaft viel schwieriger ist, wieder zu heiraten.
Dank der Apps können homosexuelle Männer und Frauen, die nicht in einer Ehe mit einem wirklich heterosexuellen Partner fremdgehen wollen, zueinander finden. Im günstigsten Fall verstehen sich alle Beteiligten so gut, dass auch ein echtes Zusammenleben klappt. Ein schwuler Freund von mir, der in einer solchen Ehe lebt, kann sogar zwischen seiner Frau und ihrer Freundin vermitteln, wenn es zwischen den beiden Frauen Reibereien gibt. Es gibt Berichten zufolge sehr glückliche Fälle, in denen ein schwules Paar ein lesbisches Paar heiratet, und alle kommen großartig miteinander aus.
Dennoch ist es nach außen hin schwer, ein Schein-Eheleben aufrechtzuerhalten. Es ist ein Theaterstück, das das Paar spielen muss, solange die Ehe hält. Die beiden werden zu Schauspielern, die auch die Drehbücher ihres Lebens schreiben.
Viele dieser Paare haben bereits Pläne für Kinder, wenn sie ihr Eheprojekt starten. “Jetzt, wo wir uns entschieden haben zu heiraten, warum nicht ein Baby bekommen? Wir möchten beide Vater und Mutter sein und die nächste Generation haben”, sagen sie dann. (Für die ganz neugierigen Leser: Sie greifen dabei fast immer zu einer Spritze).
Selbst wenn sie ursprünglich keine Kinder haben wollten, werden ihre Eltern sie dazu drängen.
Die Kinder werden natürlich das unglückliche Produkt einer großen Lüge sein. Die möglichen psychologischen Auswirkungen auf die Kinder werden dabei nicht berücksichtigt.
Viele chinesische LGBT-Personen haben zwar ihre eigene sexuelle Orientierung insgeheim akzeptiert, aber sie stecken noch immer in einer konservativen Mentalität fest. Dies gilt insbesondere für schwule Männer.
In der schwulen Gemeinschaft ist die starre binäre Rollenverteilung von Oben und Unten nach wie vor üblich, wobei sich die Oberen oft als Supermännchen fühlen und die Unteren unter Bottom Shaming oder Slut Shaming leiden. In selbst gedrehten Schwulenpornos hört man oft, wie der passive Teil den aktiven Teil als “hubby” oder “daddy” bezeichnet.
In Beziehungen würden viele schwule Männer in ihren gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auch dem Rollenmodell von Hetero-Paaren folgen, wobei einer von ihnen die Rolle des Mannes und der andere die der Frau übernimmt. Ich habe schon öfter die folgende Aussage eines schwulen Paares gehört: “Wir leben genau das Leben einer normalen Mann-Frau-Familie, nur dass wir beide Männer sind.”
Viele reiche schwule Paare und Singles, die nicht in eine Schein- oder Scheinehe verwickelt sind, würden auch gerne eigene Kinder bekommen. Adoptionen sind extrem selten. Biologische Nachkommenschaft durch bezahlte Leihmütter wird bevorzugt.
Das allgemeine soziale Umfeld für die LGBT-Gruppe ist heute weit weniger hart als noch vor 30 Jahren in China. Homosexualität ist nicht mehr als Verbrechen oder Krankheit eingestuft. Mit kleinen oder großen Mitteln können die Mitglieder dieser Gruppe eine Form von LGBT-Leben führen.
Die lebendigste LGBT-Szene gab es in China zwischen 2000 und 2015 in den Großstädten. Es gibt auch eine ganze Reihe von Organisationen, die sich aktiv für diese Gruppe einsetzen. Nach dieser Zeit begann die Regierung, alle Diskussionen und Organisationen zu unterdrücken, die sich mit Rechten befassen, einschließlich Arbeitsrechten, Frauenrechten und LGBT-Rechten.
So bleiben die LGBT-Menschen an den Rand gedrängt. Die Regierung behandelt sie wie eine Nichtexistenz. Die Darstellung in Film und Fernsehen ist verboten. In den Lehrbüchern für Kinder in Grund- und Sekundarschulen sind LGBT-Themen nicht zu finden.
Gleichgeschlechtliche Ehe? Keine Hoffnung, solange die Kommunisten an der Macht sind.
Juliane Weinzierl ist für Brainlab, einem Spezialisten für Medizintechnik-Software, als Business-Managerin China nach Peking gezogen. Sie war zuvor Projektmanagerin in der Zentrale in München.
Matthew Qiu wird bei dem E-Auto-Hersteller Aiways neuer CEO. Er ersetzt Chalie Zhang, der das Unternehmen erst seit Januar geleitet hat. Qiu war zuvor Produktionsvorstand. Zhang wechselt in den Aufsichtsrat.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
So ist in Peking derzeit die Lage. Einen Lockdown haben die Behörden nicht über die Hauptstadt verhängt. Geschäfte, Restaurants, Malls und selbst Parks sind trotzdem alle dicht. Und so vertrösten sich einige wenige hartgesottene Frauen damit, ihre Taichi-Übungen vor dem Parkeingang abzuhalten – nichts im Vergleich zu dem, was hier unter normalen Bedingungen los ist.