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Als Bildungspolitik werden die politischen Maßnahmen für die Organisation und Verwaltung des Bildungswesens in Deutschland bezeichnet, darunter fallen Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen, aber auch Einrichtungen für berufliche Aus- und Weiterbildung. Das Bildungssystem ist föderalistisch organisiert, was bedeutet, dass Bildungspolitik in Deutschland weitgehend auf Landesebene beschlossen wird. Alle News zum Thema gibt es von der Bildung.Table-Redaktion.
Was sind die Besonderheiten der Bildungspolitik in Deutschland?
Deutschland ist seit 1949 ein föderalistischer Staat sodass die Bundesländer durch ihre eigenen Landesverfassungen und Institutionen staatlicher Gewalt weitgehend autonom handeln können.2006 wurde durch die „Föderalismusreform I“ die deutsche Bildungspolitik größtenteils in die Verantwortung der Bundesländer übergeben. Dieser Bildungsföderalismus hat zum Teil erhebliche Unterschiede in den Schulen in Deutschland zur Folge, eine Kernaufgabe der aktuellen Bildungspolitik ist es, diese Unterschiede auszubalancieren.
Um diese Aufgabe zu erleichtern, gibt es vierteljährliche Treffen der Kultusminister aller Bundesländer, die sogenannte Kultusministerkonferenz (KMK). Hierbei werden länderübergreifend die Ziele der Bildungspolitik festgelegt, um einen gemeinsamen Standard innerhalb Deutschlands zu schaffen.
Bildung ist demnach Ländersache und die Landesregierungen haben weitgehend die Freiheit, selbstständig über ihre Bildungspolitik zu entscheiden. Das Bildungssystem in Deutschland folgt jedoch einer Grundstruktur:
- Das Bildungssystem beginnt mit dem nicht verpflichtenden Elementarbereich. Ab dem Schuleintritt ist der weitere Bildungsweg für alle Kinder verpflichtend, je nach Bundesland für eine Dauer zwischen neun und zwölf Jahren.
- Die Grundschule, der sogenannte Primarbereich, schließt je nach Bundesland die 1. bis 4., in Berlin und Brandenburg sogar bis zur 6. Klasse ein. Beim Abschluss der Grundschule wird den Schülern, ausgehend von ihrer Leistung, eine Empfehlung für ihren weiterführenden Bildungsweg ausgesprochen.
- Die Sekundarstufe I oder Mittelstufe Haupt-, Real-, Gesamt- und Förderschulen, sowie Gymnasien bis einschließlich der 9. oder 10. Klasse. Mit dem Abschluss der Sekundarstufe I erreicht man die mittlere Bildung.
- Die Sekundarstufe II umfasst in Deutschland die gymnasiale Oberstufe von Gesamtschulen und Gymnasien, sowie berufsbildende Schulen. Mit dem Abschluss des Sekundarbereichs II und dem Bestehen der Abiturprüfung wird die Allgemeine Hochschulreife erhalten, die zum Eintritt in den Tertiärbereich berechtigt.
- Unter den Tertiärbereich fallen sowohl Hochschulen als auch Berufs- und Fachakademien
Für den Bau und die Verwaltung von Schulen sind sogenannte Schulträger verantwortlich. Hier wird zwischen staatlichen und privaten Schulträgern unterschieden. In öffentlichen Schulen ist dies meist eine kommunale Körperschaft, zum Beispiel Städte oder Gemeinden. Private Schulträger können dafür Privatpersonen oder gemeinnützige Körperschaften, wie Vereine oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, sein.
Welche Folgen hat Corona für das deutsche Bildungssystem?
Durch die Coronavirus-Krise wurden einige Missstände der aktuellen Bildungspolitik in Deutschland in den Fokus gerückt. Die Digitalisierung der deutschen Bildungseinrichtungen ist noch nicht genügend fortgeschritten. Es wurde deutlich, dass sowohl Schulen als auch Schülerinnen und Schülern oft an der nötigen technischen Infrastruktur fehlt. Der Distanzunterricht aufgezeigt:
- in vielen Haushalten konnten keine Endgeräte für den Heimunterricht bereitgestellt werden;
- für viele Familien sind Arbeit und Kinder ohne Betreuungseinrichtungen nicht vereinbar;
- oft sind weder bei Lernenden noch Lehrenden die dafür verlangten digitalen Kompetenzen vorhanden;
- vor allem hat es an Methoden, um den Onlineunterricht ansprechender zu gestalten, gefehlt.
Doch hat der erhöhte Druck durch Corona ausgereicht, um den Ausbau der digitalen Infrastruktur und Kompetenzen zu beschleunigen?
Die fehlende Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesländern hat sich unter anderen an unterschiedlichen regionalen Schutzmaßnamen an Schulen gezeigt, sowie an fehlender Planungssicherheit durch Schnellbeschlüsse der Politik und Bildungseinrichtungen. Durch den Distanzunterricht wuchs die Ungleichheit von Bildungschancen. Kinder, die über keine ausreichende Breitbandabdeckung in ihrer Region oder deren Familien nicht über die zeitlichen oder ökonomischen Ressourcen verfügen, sie gut im Homeschooling zu unterstützen, weisen Lernlücken auf.
Bildungspolitische Maßnahmen in der Coronakrise
Im Oktober 2020 wurde auf der Kultusministerkonferenz die „Vereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen” beschlossen. Ziel dieses Abkommens ist es das föderalistische Bildungssystem etwas zu vereinheitlichen – besonders im Hinblick auf Organisation des Schulsystems, Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen und Weiterbildung von Lehrenden. Im Rahmen dessen wurde die Einrichtung einer „Ständigen wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz“ beschlossen, um zukünftige bildungspolitische Entscheidungen vermehrt auf wissenschaftlicher Basis zu treffen. Sie setzt sich aus führenden Wissenschaftler:innen der Bildungsforschung zusammen. Ihre Aufgabe ist die Beratung der Bundesländer zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Bildungswesens. Stärkere Zusammenarbeit soll zu mehr Vergleichbarkeit und Transparenz im Bildungssystem in Deutschland führen.
Weiterhin wird sowohl in der Bildungspolitik als auch in Bildungseinrichtungen selbst darüber diskutiert, wie der durch Corona verpasste Lernstoff aufgeholt werden soll. Die Bundesregierung stellt hierfür das Aufholpaket „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ in Höhe von zwei Milliarden Euro auf. Förder- und Nachhilfeprogramme sollen mit diesem Geld von den Ländern umgesetzt werden, um Lernlücken bei Schülerinnen und Schülern zu schließen. Ebenso wird ein Fokus auf Freizeit-, Sport- und Ferienaktivitäten gesetzt, sowie auf eine bessere sozialpädagogische Betreuung an Schulen und im Alltag, um Kinder und Jugendliche während dieser schwierigen Phase besser zu begleiten. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schafft Angebote für Familien mit Kindern, wie die „Corona-Auszeit“. Ebenfalls diskutiert werden die Möglichkeit einer freiwilligen Wiederholung des Schuljahrs oder ein zusätzliches Schuljahr bis zum Abschluss einzufügen. Auch über ein Stutzen des Lehrplans wird nachgedacht.
DigitalPakt Schule – Digitalisierung an Schulen
2019 wurde der DigitalPakt Schule in Höhe von 5 Milliarden Euro von der deutschen Bundesregierung beschlossen, um die Digitalisierung an Schulen voranzutreiben und im Zuge dessen digitale Kompetenzen besser zu vermitteln. Wegen der durch den Coronavirus bedingten Schulschließungen wurde der Digitalpakt um weitere 1,5 Milliarden Euro ergänzt. Die Umsetzung des Digitalpakts wird durch die Bundesländer organisiert, um Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten für den Distanzunterricht auszustatten und somit mehr Teilhabe an digitaler Bildung zu ermöglichen. Aber es soll nicht nur in eine flächendeckende digitale Bildungsinfrastruktur investiert werden und in digitale Bildungsanbieter, sondern auch eine Weiterbildung der Lehrenden in digitalen Kompetenzen muss erfolgen. Dafür müssen neue Methoden und pädagogische Konzepte entwickelt und den Lehrkräften vermittelt werden.
Wie sieht die Bildungspolitik der Parteien in Deutschland aus?
Im Hinblick auf die Zukunft ist es interessant sich die Bildungspolitik der Parteien näher zu anzuschauen. Punkte, die fast allen Parteien besonders wichtig erscheinen, sind der gesicherte Spracherwerb der deutschen Sprache für ausländische Lernende, frühkindliche Förderung und ein Vorantreiben der Digitalisierung des Bildungssektors:
- Ein wichtiges Ziel der Bildungspolitik für die Union (CDU/CSU) ist es, soziale Herkunft und Bildungserfolg zu entkoppeln. Die langfristigen Folgen der Coronavirus Pandemie sollen durch Bildungs- und Freizeitangebote ausgeglichen werden. Lehrende und Lernende sollen ihre digitalen Kompetenzen auszubauen. Darüber hinausgehend sollen Lehrpläne an die neuen digitalen Infrastrukturen angepasst werden und eine europaweite Vereinheitlichung digitaler Bildungsplattformen soll stattfinden.
- Die SPD will das ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebot für junge Schüler und Schülerinnen ausbauen. Ebenso soll die technische Ausstattung von Schulen, sowie deren Sanierung gefördert werden. Um länderübergreifend Unterrichtskonzepte und Lernmaterien zugänglich zu machen, will die SPD eine Open Source Plattform (OSP) einrichten und Kompetenzzentren für digitale Lehre errichten, um die Weiterbildung von Lehrkräften und eine bundesweite Vernetzung im Bildungssektor voranzutreiben.
- Die Linken setzt sich für mehr Bildungsgerechtigkeit und inklusive Bildung ein. Auf ihrer Agenda stehen gebührenfreie Kitas mit kostenloser Verpflegung, die Errichtung von mehr Gemeinschaftsschulen mit Ganztagsbetreuung, die Bereitstellung von Computern und Druckern für Schüler und Schülerinnen, sowie ein durch einen Bildungstarif geregelten, kostenlosen Internetzugang. Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, sollen die Arbeitsbedingungen und das Gehalt für Lehrkräfte und Erzieher:innen verbessert werden. Lehrkräfte sollen außerdem in Digitalkompetenzen besser geschult werden und Bildungseinrichtungen besser ausgestattet werden.
- Bündnis 90/Die Grünen legen ihren Fokus auf eine ausgebaute Betreuungsstruktur durch Ganztagsunterricht und eine verbesserte Betreuungsqualität an Kitas. Auch eine Verbesserung der technischen Ausstattung an Schulen und von Lernenden. Auch rückt eine Stärkung digitaler Kompetenzen in den Fokus. Ein wichtiger Punkt in ihrer Agenda ist eine attraktivere Gestaltung des beruflichen Bildungssektors durch die Einführung einer Ausbildungsgarantie und Mindestvergütung für Auszubildende.
- Die AFD zeichnet sich in ihrem Parteiprogramm von den anderen Parteien unter anderem dadurch ab, dass sie die ersten vier Jahre Schulbesuch als digitalfrei plant. Der Unterricht soll generell fachwissenschaftlicher gestaltet werden, statt wie derzeit auf Kompetenzvermittlung zu setzen. Dennoch setzt sie auch auf einen Ausbau der digitalen Infrastrukturen an Schulen. Schüler und Schülerinnen mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen sollen nach Meinung der AFD nicht am Regelunterricht teilnehmen, sondern getrennt betreut werden. Ebenso wie die Grünen wollen sie das berufliche Ausbildungssystem fördern und attraktiver gestalten. Hochschulen sollen wieder Diplom- und Magisterstudiengänge eingeführt werden und die Annahme an Hochschulen durch Aufnahmeprüfungen gesteuert werden.
- Die FDP will sich für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern einsetzen. Sie macht sich stark für bundesweite Abschlussprüfungen für die Mittlere Reife und das Abitur und für mehr personelle und finanzielle Freiheiten an Schulen. Theorie und Praxis besser zu verbinden, soll das Lehramtsstudium zukünftig dual ausgerichtet werden. Bundesweit sollen außerdem sogenannte Talentschulen eingeführt werden. Dies sind Schulen, an denen das Selbstkonzept der Schüler und Schülerinnen gestärkt wird und ihre Potenziale in die Entwicklung mit einbezogen werden. Außerdem sprechen sie über eine länderübergreifende Einführung der Schulfächer Wirtschaft und Informatik und über eine Fortführung des DigitalPakt Schule, die über eine Bereitstellung technischer Infrastruktur hinausgeht.
Zum Thema BAföG sind sich alle Parteien einig, dass es einer Reform benötigt. Was genau verändert werden muss, unterscheidet sich aber von Partei zu Partei:
· Die Union will das BAföG flexibilisieren und das Aufstiegs-BAföG weiterentwickeln.
· Die SPD und die Linke wollen langfristig den Weg für den Vollzuschuss ebnen und die Altersgrenze abschaffen.
· Die Grünen, die FDP und die Linke wollen BAföG elternunabhängig gestalten, die Linke setzt sich zudem dafür ein langfristig Studiengebühren gänzlich abzuschaffen. Die FDP legt ihren Fokus darauf „Midlife-BAföG – ein zweites Bildungssystem für das ganze Leben“ zu schaffen, um lebenslange Weiterbildung zu ermöglichen.
Bei der Bildungspolitik auf dem Laufenden bleiben
Die Coronakrise hat nicht nur gezeigt, wo die Probleme und Schwierigkeiten der deutschen Bildungspolitik liegen, sondern auch die Weichen für eine zukünftige digitale Infrastruktur gelegt. Lesen Sie aktuelle News und Beiträge zur Bildungspolitik in Deutschland von der Table.Redaktion.