Analyse
Erscheinungsdatum: 15. April 2025

Warum Sport im Ganztag eine Schlüsselrolle einnimmt

Der Countdown läuft: Ab dem übernächsten Schuljahr gilt schrittweise ein Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen. Das birgt Chancen und Herausforderungen zugleich, wie Sportangebote zeigen, die bereits an vielen Schulen existieren.

Sportangebote könnten die Lösung für eine der größten Herausforderungen für den Ganztag sein. Sie könnten helfen, die Trennung zwischen Unterricht am Vormittag und Betreuung am Nachmittag zu überwinden. Das ist die wohl größte Hoffnung, die mit Sport an Ganztagsschulen verbunden ist. Und das ist wohl auch der Grund dafür, warum immer mehr Grundschulen mit Vereinen zusammenarbeiten, bevor der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen ab dem Schuljahr 2026/27 zunächst für Erstklässler gilt.

Auch sonst sind mit Sportangeboten in Ganztagsschulen große Erwartungen verbunden. Sie fördern nicht nur die Konzentration von Kindern und Jugendlichen, sondern sorgen auch für Integration und vermitteln soziale Kompetenzen. Bewegungsangebote sollen dazu beitragen, dass Bildungseinrichtungen zu Lebensorten werden, an denen Persönlichkeitsentwicklung individuell gefördert wird.

Aktuell steht der Ausbau von Sportangeboten im Ganztag allerdings noch vor zahlreichen Herausforderungen. Das zeigte unter anderem ein Treffen mit 14 Grundschulen, das die Leuphana Universität Lüneburg und die Initiative „Sport vernetzt“ des Basketballvereins Alba Berlin Ende März in Berlin veranstalteten. Zu den häufig genannten Problemen zählen:

Die Sportpädagogin Jessica Süssenbach von der Leuphana Universität Lüneburg beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Ganztag. Sie fordert über den ganzen Schultag verteilte Bewegungsangebote. Unter anderem für Kinder aus sozial benachteiligten Familien seien diese enorm wichtig, sagte sie zu Table.Briefings. Sportliche Nachmittagsangebote helfen ihnen unter anderem, den Übergang zum Sportverein zu finden. Dafür sei auch die Arbeit mit Eltern wichtig. Süssenbach zufolge ist es nützlich, den Eltern anhand von Videos zu zeigen, wie Sportangebote funktionieren, damit diese eine Vorstellung davon bekommen, auch wenn sie selbst womöglich keinen Bezug dazu haben. Dadurch werde den Eltern klar: Ganztag ist nicht nur „Aufbewahrung“.

Für Schüler sind die Sportangebote überdies eine Möglichkeit, zu lernen, sich mit anderen Kindern auszuprobieren und Teil einer Gruppe zu sein. Übergewichtige Kinder könnten dabei laut Süssenbach einen „gesunden Umgang mit dem Körper“ durch „Selbst- und Fremdwahrnehmung“ lernen.

Besonders über Teamsportarten wie Fußball oder Handball lernen die Schüler auf spielerische Weise, für sich und in der Gruppe zu entscheiden sowie mit anderen solidarisch zu sein. Sie übernehmen dabei im Idealfall Verantwortung und setzen eigene Ideen um. Dafür ist eine bewegungsfreundliche Umgebung auch abseits der Sporthalle nötig, wie in den Pausen frei zugängliche Bälle. Gleichzeitig braucht es Rückzugsorte zum Entspannen und zur körperlichen Erholung.

Rund zwei Drittel der Grundschulen bieten bundesweit bereits Ganztagsbetreuung an. Sportangebote machen darunter ein Drittel aus, dazu zählen auch Zirkusaktivitäten. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es solche Angebote bereits an drei Viertel der allgemeinbildenden Schulen. Hier beteiligen sich auch der Anglerverband, die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk an Ganztagsangeboten. Für die Vereine sieht Süssenbach ein hohes Potenzial, allerdings fühlten sich kleine und mittlere Vereine mit ihrer auf Ehrenamt fußenden Struktur überfordert.

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Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung hat den Schulen vor kurzem erst eine Handreichung zur Verfügung gestellt, wie Vereine Träger von Ganztagsangeboten werden können, was dafür notwendig ist und wer die richtigen Ansprechpartner sind (zum Download). Das soll Vereinen die Möglichkeit geben, „genau diese jungen Menschen abzuholen, die bisher kaum Zugänge zu Sport und Sportvereinen haben“.

Die Schulen oder Träger des Nachmittags sollen der Handreichung zufolge sozialpädagogisches Personal einsetzen, um optimal angepasste Bewegungsangebote durchführen zu können. Die Schulen profitieren dagegen von multiprofessionellen Teams, indem Lehrkräfte im Idealfall von Vereinsvertretern lernen, wie Bewegungsangebote gestaltet werden können.

Das Ziel: Durch den sinnvollen Wechsel zwischen intensiven Lernphasen und Zeiten der Entspannung oder freier Aktivität wird der Schulalltag rhythmisiert. So bieten einige Schulen schon vor der ersten Stunde einen fünfminütigen Lauf oder eine Pausenliga mit einem speziell dafür entwickelten Ballspiel an. Dabei gewinnt das Team, das nicht nur geschickt im Umgang mit dem Ball ist, sondern auch fair spielt und Teamgeist zeigt.

Die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sieht Sport als zentrales Puzzleteil, um soziale Herkunft und Schulerfolg voneinander zu trennen. Angesichts klammer Kassen empfiehlt sie Ganztagsschulen, die Sportangebote ausbauen wollen, möglichst viele Partner ins Boot zu holen – auch aus der Wirtschaft.

Damit sich die Sportangebote an den Wünschen und Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientieren, müssten sie diese mitgestalten können, fordert Julian Lagemann vom Vorstand der Deutschen Sportjugend. Alle Kinder hätten das Recht auf eine frei gewählte Teilhabe an Bewegung, Spiel und Sport, auch im Ganztag, sagte er zu Table.Briefings. Ihm zufolge sollten Jugendliche aktiv an der Auswahl von Sportarten, Spielformen und Bewegungsangeboten beteiligt werden, etwa durch regelmäßige Befragungen. Auch während der Bewegungsangebote könnten Kinder mitentscheiden. Sie können etwa Regeln mitgestalten oder zwischen verschiedenen Bewegungsformen wählen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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