Table.Briefing: Europe

Schwere Waffen aus Deutschland + Pläne für Twitter + Weniger Investitionen aus China + Öl-Unabhängigkeit „in Tagen“ möglich

  • Deutschland liefert nach langem Zögern schwere Waffen in die Ukraine
  • Twitter-Kauf: Viel Lärm um Musk
  • Chinas Staatsunternehmen investieren weniger in Europa
  • Habeck: Ölembargo für Deutschland handhabbar
  • Reformvorschlag für Energiebeihilfen
  • Stopp russischer Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien
  • Russland droht mit Militäraktion in Moldau
  • EuGH-Urteil zu Urheberrechtsfiltern: Mit hohen Hürden zulässig
  • Presseschau
  • Christian Petry: Europa als “Sozialraum ohne Brüche”
Liebe Leserin, lieber Leser,

lange wurde Deutschland für sein zögerliches Handeln kritisiert, nun scheint die Bundesregierung bei den wohl meist debattierten Themen der vergangenen Wochen dann doch den Fuß von der Bremse zu nehmen. In nur wenigen Tagen könne Deutschland ganz und gar unabhängig sein von russischem Öl, ein Embargo sei nun “handhabbar”, verkündete Wirtschaftsminister Robert Habeck gestern in Warschau.

Auch bei der Lieferung schwerer Waffen vollzieht Deutschland eine Kehrtwende. Gestern kündigte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nicht nur die Lieferung von Flugabwehrpanzern vom Typ Gepard an, sondern auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden. Warum die Debatte um deutsche Waffenlieferungen aber weitergehen dürfte, hat Eric Bonse analysiert.

Weil Polen den russischen Forderungen nach einer Begleichung der Gasrechnung in Rubel bislang nicht nachgekommen ist, hat der russische Versorger Gazprom die Gaslieferungen am Dienstag kurzzeitig gestoppt. Zwar floss gestern Abend wieder Gas über die Jamal-Pipeline nach Polen – ab heute Morgen sollen die Lieferungen aber ganz eingestellt werden. Auch Bulgarien hat mitgeteilt, ab heute keine Gaslieferungen mehr von Gazprom zu erhalten.

Welche Pläne hat Elon Musk für Twitter? Der exzentrische Unternehmer ist dafür bekannt, Regeln infrage zu stellen. In Deutschland und der EU ist man sich aber einig, dass auch der reichste Mensch der Welt sich an die Spielregeln für Plattformen im DSA halten muss. Falk Steiner hat sich in Berlin und Brüssel umgehört.

Ihre
Lisa-Martina Klein
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Analyse

Deutschland liefert nach langem Zögern schwere Waffen in die Ukraine

“Wir sind ein verlässlicher Partner an der Seite der Ukraine – mit unseren Alliierten zusammen”, erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Zugleich bestätigte sie die bis zuletzt heftig umstrittene Lieferung von Panzern in das Kriegsgebiet. Die Lieferung des Flugabwehrpanzers Gepard sei ein “ganz wichtiger Beitrag”, um den Luftraum über der Ukraine zu sichern, sagte Lambrecht nach einem Treffen mit mehr als 40 Staaten, zu dem die USA auf ihren Luftwaffenstützpunkt Ramstein geladen hatten.

“Wir machen keine Alleingänge”, sagte Lambrecht auf eine Frage nach der deutschen Zögerlichkeit. Alles sei mit der Ukraine und den Partnern abgestimmt, wie der Ringtausch von schweren Waffen zeige. Vor allem bei Drohnen und Flugabwehr bediene Deutschland den Bedarf. Allerdings ist unklar, ob die Kritik nun verstummen wird. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin machte erneut Druck auf die Alliierten und versprach, dass man “Himmel und Erde” in Bewegung setzen werde, damit Kiew das bekomme, was es zu seiner Verteidigung brauche.

Stoltenberg lobt Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine

Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, dass seine Regierung die Rückeroberung aller von Russland seit 2014 besetzten Gebiete anstrebe. “Wenn wir genug Waffen haben, werden wir sofort damit beginnen.” Der Bedarf an Kriegsgerät dürfte also nicht nachlassen. Lambrecht stellt sich auf einen langen Konflikt ein. Die Konferenz in Ramstein sei der “Startschuss” für eine langfristige Unterstützung gewesen, sagte sie. “Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine sind gut ausgebildete und gut ausgestattete Streitkräfte.”

Die Debatte über Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine dürfte vor diesem Hintergrund weitergehen. Allerdings wird sie in Berlin anders geführt als in Brüssel. In der EU und in der Nato wird Deutschland längst nicht so hart angegangen wie in der überhitzten innenpolitischen Diskussion. So lobt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg immer wieder den Beitrag Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine. Kritik war von dem Norweger, der als erster die Unterscheidung zwischen “leichten, defensiven” und schweren Waffen aufgegeben hatte, nicht zu hören.

Glucksmann: Führungsrolle Deutschlands in Gefahr

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der für seine bärbeißigen Bemerkungen bekannt ist, hält sich mit Kritik zurück. Auf eine Frage nach der langsamen Reaktion Deutschlands antwortete er, dass die Entscheidung für Waffenlieferungen an die Ukraine in der EU in Rekordtempo gefallen sei. Lautes Murren ist nur im Europaparlament zu vernehmen. Dort fordert der grüne Außenpolitiker Reinhard Bütikofer eine Kehrtwende der SPD in der Russlandpolitik; Kanzler Scholz müsse ein mutiges “nostra culpa” aussprechen. Der französische Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann sieht sogar die deutsche Führungsrolle in der EU gefährdet.

Scholz’ Position zur Waffenlieferung zeige, dass die “von uns allen erhoffte Änderung nicht eingetreten ist”, berichtet die “Welt”. Der Sohn des verstorbenen Starphilosophen André Glucksmann zieht als Fazit: “Dieser Krieg setzt der deutschen Führung in Europa ein Ende.”

Gefahr eines Atomkrieges “real”

Im Ministerrat wird diese Einschätzung jedoch nicht geteilt. Bei allen Entscheidungen über die Ukraine habe Deutschland eine aktive und konstruktive Rolle gespielt, sagt ein EU-Diplomat. Nur Polen und die baltischen Staaten hätten Kritik geäußert, sich aber nicht durchgesetzt. Allerdings entscheidet der Rat nur über Sanktionen, nicht über Waffen – dafür sind die Staaten verantwortlich. Die EU gibt darüber hinaus noch Gelder aus der 2016 gegründeten Friedensfazilität frei, die für zusätzliches Kriegsgerät verwendet werden. Auch dazu trägt Deutschland bei – zuletzt mit einem Zuschuss von 400 Millionen Euro.

Unterdessen warnt Russland vor weiteren Waffenlieferungen. Sie könnten zu einem Atomkrieg führen, sagte Außenminister Sergej Lawrow. “Die Gefahr ist ernst, real, und wir dürfen sie nicht unterschätzen”. Die USA warfen Russland daraufhin eine unverantwortliche Eskalation vor. Lambrecht erklärte, man müsse weiter darauf achten, dass die Nato und Deutschland nicht Kriegspartei würden. “Das hätte verheerende Folgen.” Die Zahl der gelieferten Waffen sei dafür zwar nicht allein entscheidend. Deutschland wolle aber auch nicht vorpreschen.

  • Deutschland
  • Europapolitik
  • Ramstein

Twitter-Kauf: Viel Lärm um Musk

Irgendwie entsetzt, so äußern sich gerade viele prominente Twitternutzer und auch Politiker zur Übernahme der in Deutschland vorwiegend in Multiplikatorenkreisen erfolgreichen Plattform. Denn der exzentrische Unternehmer ist dafür bekannt, dass er seine eigenen Vorstellungen durchsetzen möchte. Und die hat Musk für Twitter bereits mehrfach umrissen: Dass Donald Trump von der Plattform gesperrt wurde, hielt er für falsch. Twitter tue nicht genug für Meinungsäußerungsfreiheit. Und dass Twitter als globale Plattform eine Art demokratische Agora sein müsse.

Doch Musks Perspektive ist alles andere als global. Seine Perspektiven sind maßgeblich von US-Debatten geprägt, insbesondere von der US-Perspektive auf das berühmte “First Amendment”, das die Meinungsäußerungsfreiheit massiv schützt und in Verbindung mit dem weitgehenden Haftungsausschluss der sogenannten Section 230 des Communications Decency Act auf Onlineplattformen sehr weitgehende Möglichkeiten einräumt.

Doch Twitter stand zuletzt in vielen anderen Regionen der Welt unter regulatorischem Druck. Nicht nur, dass die Plattform in Ländern wie Iran, Russland und China auf Behördenanweisung gesperrt ist. Auch in Europa unterliegt Twitter deutlich schärferer Gesetzgebung, etwa in Deutschland dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Und mit dem gerade erst im Trilog geeinten Digital Services Act kommen europaweite Verpflichtungen auf die Plattform zu. “Einige dieser Regeln gehen in die Richtung, die Elon Musk offenbar auch einschlagen will, andere eher nicht, offene Fragen bleiben in beiden Fällen”, sagt Julian Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung. Etwa die Offenlegung von Algorithmen sei ein Beispiel für ersteres. “Grundsätzlich geht das in die Richtung, die auch die EU bevorzugt: mehr Transparenz, mehr Überprüfbarkeit von außen.”

Dorsey: Börsengang war Fehler

Doch der DSA setze darauf, dass algorithmische Empfehlungssysteme erklärt werden und eine profilbildungsfreie Nutzung möglich ist. “Das ist nicht das gleiche, wie den Quellcode bei Github einzustellen”, sagt Jaursch. Auch Musks Interpretation von Meinungsfreiheit sei noch klärungsbedürftig. Musk stellt sich gern als Verfechter radikaler Meinungsfreiheit dar – doch ob der Milliardär Twitter seine persönliche Sicht auch tatsächlich zur Unternehmens-Policy macht?

Twitter-Mitgründer Jack Dorsey jedenfalls zeigt sich schon lange von Musk überzeugt. Der Börsengang sei ein Fehler gewesen, schreibt Dorsey nun, natürlich auf Twitter, denn damit sei der Fehler verbunden gewesen, in die Finanzierung über Onlinewerbung einzusteigen. Grundsätzlich solle niemand Twitter besitzen oder betreiben, es sollte eigentlich ein öffentliches Gut auf Protokollebene sein, so Dorsey. “Das Problem, dass es dennoch eine Firma ist, zu lösen, dafür ist Elon die singuläre Lösung, der ich vertraue.”

Doch Dorseys Hoffnung könnte verfrüht sein. Denn Musks Reichtum liegt vor allem in seinen eigenen Unternehmensanteilen, für den Twitter-Kauf muss der auf dem Papier reichste Mann der Welt Schulden aufnehmen – und bedienen. 44 Milliarden Euro soll der Kaufpreis betragen, Twitter hatte zuletzt Jahresumsätze von fünf Milliarden Euro und damit Verluste erwirtschaftet.

Twitter darf nicht zu Musks Spielzeug werden

“Auch 44 Milliarden Euro befreien Elon Musk nicht von der Einhaltung europäischen Rechts”, sagt Tiemo Wölken (SPD/S&D). “Herr Musk wird sich nach unseren neuen Spielregeln für Plattformen im DSA richten müssen.” Das beinhalte die Rechte für Nutzerinnen und Nutzer, Transparenzverpflichtungen, aber auch den Umgang mit illegalen Inhalten. Wölken hegt starke Zweifel an Musks tatsächlicher Motivation: “Wer zudem Kritiker:innen blockt und Gewerkschafter:innen verfolgen lässt, dem kaufe ich das Label als Verteidiger von Grundrechten und der Meinungsfreiheit nicht ab.”

“Twitter ist demokratierelevant und darf nicht zum Sprachrohr von Elon Musk, seinen Unternehmen oder für Desinformationskampagnen mutieren”, sagt Tabea Rößner, Grüne und Vorsitzende des Digitalausschusses im Deutschen Bundestag. Nicht nur Digital Markets Act und Digital Services Act seien für das Unternehmen relevant, auch die Datenschutzregeln. “Aufhorchen lassen Pläne, Menschen zu ‘authentifizieren’: Es ist bekannt, dass eine Vielzahl von Menschen gerade auf anonyme und pseudonyme Kommunikation angewiesen ist.” Musk hatte angekündigt, eine Prüfung von Accounts daraufhin durchführen zu wollen, ob es sich dabei um echte Menschen handele.

“In unserer Gesellschaft läuft gewaltig etwas schief, wenn mit Elon Musk einer der wirtschaftlich mächtigsten Menschen der Welt eines der größten Social-Media-Unternehmen aufkaufen kann und sich als Retter der Meinungsfreiheit ausgibt”, sagt MdEP Martin Schirdewan (Linke). Meinungsfreiheit dürfe nicht zum Spielzeug eines der reichsten Männer der Welt werden.

Auch EU-Industriekommissar Thierry Breton machte deutlich, dass Twitter sich an europäische Regeln zu halten habe: “Wenn es sich nicht an die Regeln hält, es gibt Sanktionen – sechs Prozent der Einnahmen und, wenn sie weitermachten, ein Verbot in der EU am Markt zu agieren”, so Breton in der Financial Times. Wenn Twitter in Europa tätig sein wolle, müsse es die Regeln einhalten, inklusive Moderation, offenen Algorithmen, Meinungsäußerungsfreiheit, Transparenz bei eigenen Regeln und den Verpflichtungen der EU zu Hassrede, Revenge Porn und Belästigung nachkommen.

Ohne Moderation kein Twitter

Ähnlich scharf ist auch der Tonfall bei Alexandra Geese, die für die Grünen-Fraktion im Europaparlament den DSA mitverhandelt hat: “Wenn Elon Musk seine Ankündigungen umsetzt, kann Twitter auf dem europäischen Markt einpacken.” Seine Vorstellung von Meinungsfreiheit ohne Moderation der Inhalte schließe einen Großteil der Bevölkerung aus, da sich Frauen, People of Colour und viele andere in einem derartigen Umfeld nicht mehr frei äußern würden. Der DSA würde für Plattformen wie Twitter unter anderem mehr menschliche Moderator:innen, klare Meldeverfahren und verpflichtende Analysen zu vom Dienst ausgehenden gesellschaftlichen Risiken bedeuten, so Geese.

Doch auch bislang war Twitter kein Unternehmen, das frei von allen Einflüssen war. Ein nennenswerter Anteil Twitters gehörte dem saudi-arabischen Staatsinvestor KHC. Dessen Ablehnung der ersten Offerte durch Prinz Alwalid bin Talal Al Saud konterte Musk scharf, indem er fragte: “Wie ist die Sicht des Königreichs zur Pressefreiheit?” Eine Antwort erhielt Musk nicht – zumindest nicht öffentlich.

Dass Musk sich mit seinen Vorstellungen außerhalb des europäischen Rechtsrahmens bewegt, ist jedoch noch längst nicht ausgemacht. Musk ist dafür berühmt, dass er sowohl große Worte führt als auch große Pläne schmiedet – und Regeln infrage stellt. Doch weder Tesla noch SpaceX haben wesentliche Verkehrs- oder Luftverkehrsregeln infrage gestellt. Stattdessen führte die Fantasie, mit der Tesla auch die Politik für automatisiertes und autonomes Fahren begeistern konnte, vielmehr zu kleineren Änderungen an Regelwerken, die längst überfällig waren. Was Musk mit der Plattform tatsächlich vorhat, bleibt abzuwarten – nach der Straße und dem Weltraum hat der auch von deutschen Politikern umgarnte Unternehmer nun zumindest ein weiteres Projekt, an dessen Erfolg viele Menschen Zweifel hegen. Musk wird ihnen beweisen wollen, dass er auch das schafft.

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Chinas Unternehmen halten sich in Europa zurück

Die Zeiten, in denen China massiv in Europa investierte, sind erst einmal vorbei. Laut einer neuen Studie der Rhodium Group und des Mercator Institute for China Studies (Merics) stiegen die Direktinvestitionen im vergangenen Jahr zwar um 33 Prozent von 7,9 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 10,6 Milliarden Euro 2021. Vom Höchststand im Jahr 2016 (47 Milliarden Euro) ist die Zahl aber weit entfernt: “Verglichen mit den Spitzenzeiten um 2016 haben sich die chinesischen Investitionen auf niedrigem Niveau eingependelt”, sagt Max Zenglein, Chefvolkswirt bei Merics.

Er geht nicht davon aus, dass Investitionen aus China in dem “derzeitig schwierigen wirtschaftlichen und regulatorischen Umfeld” in absehbarer Zeit signifikant steigen werden. Die strikte “Null-Covid”-Politik mit massiv eingeschränktem Kontakt zum Ausland, Pekings strenge Kontrolle von ausgehendem Kapital und geopolitische Spannungen haben dazu geführt, dass die Direktinvestitionen (FDI) weltweit im vergangenen Jahr nur drei Prozent gestiegen sind. Mit 96 Milliarden Euro lagen diese fast auf dem Niveau des ersten Pandemie-Jahres 2020. Fusions- und Übernahmeaktivitäten (M&A) fielen demnach mit einem Gesamtvolumen von 20 Milliarden Euro sogar auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. 

Deutschland als beliebtes Ziel für Investitionen aus China

Neben den Niederlanden waren der Studie zufolge Deutschland, Großbritannien und Frankreich die beliebtesten Ziele für FDI aus der Volksrepublik. Die Übernahme des Haushaltsgerätegeschäfts von Philips für 3,7 Milliarden Euro durch das Private-Equity-Unternehmen Hillhouse Capital machte die Niederlande 2021 zum größten Einzelempfänger für chinesische Investitionen. Der Deal entsprach der Studie zufolge rund 35 Prozent der Gesamtsumme aller Investitionen 2021. Auf Deutschland, Frankreich und Großbritannien entfielen zusammen weitere 39 Prozent der Investitionen aus China.

Einen großen Zuwachs erlebte der Studie zufolge vor allem ein Nicht-EU-Staat: das Vereinigte Königreich. Dort stiegen die FDI aus China von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 2,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. In Frankreich und Deutschland erfolgte im Gegensatz dazu jedoch ein Rückgang. In der Bundesrepublik fielen die FDI von 2 Milliarden Euro auf 1,5 Milliarden Euro – dem niedrigsten Wert sei 2015. Die Franzosen erhielten 509 Millionen Euro an chinesischen FDI, 2020 waren es noch 872 Millionen Euro gewesen.

Besonders im Fokus: Tech-Start-ups

“Die Art der chinesischen Investitionen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich verändert”, erklärt Rhodium-Group-Direktorin Agatha Kratz. “Die Zeit der milliardenschweren Übernahmen in strategischen Sektoren ist vermutlich vorbei.” Chinesische Firmen errichteten stattdessen selbst Fabriken in Europa. Chinesisches Wagniskapital floss der Studie zufolge zudem vermehrt in europäische Tech-Start-ups. Das Investitionsvolumen in diesem Bereich war demnach mit 1,2 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Besonders beliebt bei chinesischen Anlegern seien E-Commerce-Anwendungen, Fintechs, Spieleentwickler, KI- und Robotikfirmen in Deutschland und Großbritannien.

Wo eigentlich gestiegenes finanzielles Engagement chinesischer Akteure vermutet wird, sah es der Studie zufolge im vergangenen Jahr aber mau aus: In Osteuropa gingen nach einem starken Lauf im Jahr 2020 die FDI zurück und kamen auf 385 Millionen Euro. In Nordeuropa blieb der FDI-Strom mit 1,2 Milliarden Euro stabil. Hier interessiert die chinesischen Anleger vor allem Finnland.

Gerade chinesische Staatsunternehmen scheinen jedoch vorsichtiger zu werden, was Investitionen im Ausland angeht. Die FDI von staatlichen Akteuren fiel laut der Studie auf ein 20-Jahres-Tief in Europa. Mit 1,3 Milliarden Euro lag ihr Anteil bei zwölf Prozent der Gesamtinvestitionen und war damit der niedrigste Wert seit 2001, so die Forscher:innen von Merics und Rhodium Group. Aktiv zeigten sich die chinesischen Staatsunternehmen vor allem in Südeuropa. Dort gab es mit rund 600 Millionen Euro eine große Investition vonseiten chinesischer Staatsunternehmen in den spanischen Energiesektor. Dort kaufte das Energieunternehmen China Three Gorges Anlagen für erneuerbare Energien.

Die Autor:innen der Studie sehen für die Entwicklung der chinesischen FDI in Europa mehrere Gründe: Pekings rigide “Null-Covid”-Politik, die Kontakte zum Ausland erschwert, genauso wie die strenge Kontrolle von ausgehendem Kapital und der Crackdown auf heimische Tech-Konzerne.

Neue EU-Regeln mit abschreckender Wirkung

Aber auch auf der Seite der EU gibt es Bewegungen, die Investoren aus der Volksrepublik abschrecken. In mehreren EU-Staaten wird derzeit das Screening für FDI aus dem Ausland überprüft und erneuert. Weitere neue Gesetzgebungen aus Brüssel könnten in Zukunft den Marktzugang für chinesische Unternehmen beeinflussen und damit die Investitionsbereitschaft verringern, so die Studie.

Darunter das EU-Lieferkettengesetz und zwei Neuerungen, die zu Beginn der Woche eine wichtige rechtliche Hürde genommen haben: Der Handelsausschuss des Europaparlaments stimmte am Montag über seine Positionierung zu einem neuen Gesetz über drittstaatliche Subventionen und über die Trilogeinigung zum neuen Instrument für das internationale Beschaffungswesen (IPI) ab. Über beides soll nun zeitnah im EU-Parlament abgestimmt werden.

Vor allem das Gesetz zu Subventionen aus dem Ausland könnte Änderungen bei der Investitionsfreudigkeit chinesischer Unternehmen innerhalb der EU bringen. Denn der Gesetzesentwurf sieht vor, dass alle in der Europäischen Union tätigen Unternehmen Hilfsgelder aus Drittstaaten offenlegen müssen – und auf einige Investoren aus der Volksrepublik wird das einen eher vergrämenden Effekt haben.

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News

Habeck: Ölembargo für Deutschland handhabbar

Überraschende Wende: Deutschland ist nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck inzwischen auf einen Stopp russischer Öl-Lieferungen ausreichend vorbereitet. “Heute kann ich sagen, dass ein Embargo handhabbar für Deutschland geworden ist“, sagte der Grünen-Politiker nach einem Treffen mit seiner polnischen Kollegin Anna Moskwa am Dienstag in Warschau. Noch Anfang des Monats hieß es, ein Verzicht auf russisches Öl sei bis Ende des Jahres möglich.

Der Import-Anteil sei in den letzten Wochen von einst 35 Prozent gedrückt worden und liege nun noch bei zwölf Prozent, sagte Habeck nun in Warschau. Dieser Teil umfasse allein Lieferungen für die PCK Raffinerie in Schwedt an der Oder, die per Pipeline versorgt und von dem russischen Unternehmen Rosneft kontrolliert wird. Hier sei man auf der Suche nach einer Alternative für die Ölversorgung. “Diese Alternative ist Aufgabe der nächsten Tage.”

Deutschland erhielt bislang zwei Drittel des russischen Öls über Pipelines und ein Drittel auf dem Seeweg. Die entsprechenden Häfen hätten sich inzwischen andere Verträge besorgt, berichtete Habeck. Auch die Raffinerie in Leuna habe ihre Verträge umgestellt.

Wie genau die Unabhängigkeit für die verbliebene Raffinerie in Schwedt erreicht wurde oder werden soll, erläuterte Habeck nicht genau. Der Wirtschaftsminister betonte allerdings, dass Vorbereitungen getroffen worden seien, Schwedt über die in Westdeutschland lagernde nationale Ölreserve mitversorgen zu können. Denkbar ist, dass gezielt Ölsorten angekauft wurden, die in Schwedt verarbeitet werden können.

EU-Embargo gegen Öl aus Russland vor hohen Hürden

Die Raffinerie in Ostdeutschland versorgt auch einen Teil Polens. Habeck sagte in der Pressekonferenz, Deutschland könne seine Ölreserven einsetzen, um über Schwedt Polen weiterhin zu versorgen. Im Vorfeld des Treffens in Warschau hatte es geheißen, dass der polnische Hafen Danzig eine wichtige Rolle dabei spielen könne, die Versorgung von Schwedt per Schiff und über eine Verbindungspipeline sicher zu stellen.

Ein Embargo der gesamten EU von Öl aus Russland steht aber immer noch vor hohen Hürden. Neben Polen und den baltischen Staaten soll nur noch Irland für einen sofortigen Lieferstopp sein. Wahrscheinlicher ist EU-Kreisen von Montag zufolge ein schrittweiser Ausstieg, bei dem die Mitgliedstaaten ihr eigenes Tempo bestimmen. ber/rtr

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Reformvorschlag für Energiebeihilfen

Mit einem vereinfachten Beihilferecht zum Ausbau erneuerbarer Energien könnte die EU nach Ansicht von Umweltrechtlern wesentlich schneller russische Energielieferungen ersetzen. Die Stiftung Umweltenergierecht in Würzburg schlug dazu am Dienstag einen temporären Beihilferahmen nach dem Vorbild der erleichterten Prüfverfahren während der Coronavirus-Pandemie vor.

In Form einer Mitteilung zur beschleunigten Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien könnte der Beihilferahmen demnach vorübergehend an die Stelle der seit Januar geltenden Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (KUEBLL) treten, nach denen viele Rechtsänderungen der Mitgliedstaaten durch die Kommission genehmigt werden müssen.

“Die KUEBLL sind erstens nicht für die sich nun stellenden Herausforderungen konzipiert worden und zweitens besteht erhebliche Rechtsunsicherheit bei der Auslegung neu eingeführter Kriterien. Dementsprechend dürfte auch für das EEG 2023 und etwaige weitere Maßnahmen mit entsprechenden Wartezeiten und Änderungen zu rechnen sein”, sagte die Co-Autorin des Vorschlags, Johanna Kamm, zu Europe.Table.

Innerhalb des Beihilferahmens würde sich die Prüfungstiefe dem Papier zufolge auf die wenigen Vorgaben aus Artikel 4 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) beschränken und beispielsweise Details der Ausschreibungen für Wind- und Solarparks stärker in das Ermessen der Mitgliedsstaaten gestellt werden. Außerdem sei eine Genehmigungsfiktion zu erwägen, sodass beihilferechtliche Genehmigungen nach Ablauf einer Prüfungsfrist automatisch als erteilt gelten würden.

Alternativ könnte die Kommission nach Ansicht der Stiftung auch die KUEBLL überarbeiten und darin ein Kapitel zum Ausbau erneuerbarer Energien zum Ersatz von fossilen Energieimporten schaffen. ber

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Stopp russischer Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien

Die Versorgung Polens mit Gas aus Russland über die Jamal-Pipeline ist am Dienstag vorübergehend gestoppt worden. Wie aus Daten des EU-Verbunds von Gasnetzbetreibern hervorging, floss am Nachmittag kein Gas aus Belarus nach Polen. Am Abend strömte demnach dann wieder Gas durch die Leitung. Das polnische Unternehmen PGNiG erklärte allerdings, der russische Versorger Gazprom habe einen Stopp der Lieferungen über die Jamal-Pipeline für Mittwochmorgen angekündigt. Dies sei ein Vertragsbruch, für den Schadenersatz verlangt werden könne. PGNiG werde zudem Schritte einleiten, um die Gaslieferung entsprechend der Vertragsvereinbarungen zu sichern. PGNiG hat mit Gazprom langfristige Verträge, die dieses Jahr auslaufen.

Gazprom hat am Dienstag auch die staatliche bulgarische Gasgesellschaft Bulgargaz darüber informiert, dass Gaslieferungen ab Mittwoch eingestellt werden, teilte das Energieministerium am Dienstag mit. Zusammen mit den staatlichen Gasunternehmen habe das Ministerium bereits Schritte unternommen, um alternative Regelungen für die Lieferung von Erdgas zu finden und die Situation zu bewältigen. Vorerst seien keine Einschränkungen des Gasverbrauchs in dem Balkanland, das über 90 Prozent seines Gasbedarfs durch Importe von Gazprom deckt, erforderlich.

Polen will Gas aus Russland nicht in Rubel bezahlen

Russland hatte gedroht, europäischen Ländern den Gashahn zuzudrehen, wenn sie ihre Einfuhren nicht wie seit März gefordert in Rubel bezahlen. Polen erklärte daraufhin mehrfach, der Forderung nicht nachkommen zu wollen. Die Europäische Kommission hat ihrerseits Gasimport-Unternehmen in der EU aufgefordert, weiterhin in der vertraglich vereinbarten Währung zu zahlen.

In 97 Prozent der Fälle sind das Euro oder Dollar. Gazprom steht auf einer am Dienstag veröffentlichten Liste russischer Unternehmen und Oligarchen, deren Vermögenswerte nach einem neuen Sanktionsgesetz eingefroren werden können. Polen hat diese Strafmaßnahmen unabhängig von Sanktionen eingeleitet, die die EU-Länder gemeinsam gegen Russland verhängt haben. Über den Stopp russischer Gaslieferungen am Dienstag hatten zunächst polnische Medien berichtet. rtr

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Russland droht mit Militäraktion in Moldau

Russland droht nach Berichten über Anschläge in dem Separatisten-Gebiet Transnistrien in Moldau indirekt mit einem militärischen Einsatz in der Region. Das Außenministerium in Moskau warnte am Dienstag vor einem Szenario, in dem Russland intervenieren müsse, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA ohne nähere Details zu nennen. Der schmale Landstreifen Transnistrien grenzt an die Ukraine. Die ukrainische Regierung äußerte Befürchtungen, Russland könne planen, von Transnistrien aus den Westen des Landes anzugreifen. Moldaus Präsidentin Maia Sandu verurteilte die Anschläge als Versuch, den Frieden in der Region zu stören und erklärte, ihr Land sei bereit zu einer friedlichen Lösung der Konflikte.

In dem von prorussischen Separatisten kontrollierten Transnistrien hatten lokale Behörden mehrere Zwischenfälle gemeldet. Explosionen sollen das Hauptquartier der Staatssicherheit erschüttert und zwei Sendemasten aus Sowjetzeiten beschädigt haben. Über die Antennen wurde von einem Dorf in der Region aus russisches Radio gesendet. Auch eine Militäreinheit sei angegriffen worden. Kurz darauf hatte der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow, erklärt, Russland beobachte die Vorgänge sehr genau. Moldaus Präsidentin Sandu hatte wegen der Vorkommnisse den Obersten Sicherheitsrats des Landes einberufen.

Soldaten aus Russland sind in Transnistrien stationiert

In Transnistrien sind seit dem Ende der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre russische Soldaten stationiert. Nur Russland hat den schmalen Landstreifen als unabhängig anerkannt, international wird das nicht unterstützt. Seine Grenze ist etwa 40 Kilometer von der ukrainischen Hafenstadt Odessa entfernt, deren Einnahme eines der erklärten Kriegsziele Russlands ist. Im Westen grenzt das kleine Land Moldau an das EU- und Nato-Mitglied Rumänien. Moldau hat zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen.

Die Ereignisse in Transnistrien gleichen der Eskalation vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Die russische Regierung hatte zunächst ohne Belege auf Zwischenfälle in den selbst ernannten, prorussischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine verwiesen. Diese sollen nach russischer Darstellung von ukrainischen Kräften provoziert worden sein, was die Regierung in Kiew wiederholt zurückwies. Den eigentlichen Einmarsch rechtfertigte Präsident Wladimir Putin unter anderem mit der unbelegten Behauptung, in beiden Regionen müsse ein Völkermord verhindert werden. rtr

  • International

EuGH-Urteil zu Urheberrechtsfiltern: Mit hohen Hürden zulässig

Der Europäische Gerichtshof hat die umstrittene Verpflichtung von Plattformen zur automatischen Ausfilterung urheberrechtlich unzulässiger Inhalte im Rahmen der Richtlinie zum Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt (DSM-RL) für grundsätzlich zulässig erklärt, den Einsatz jedoch an Bedingungen geknüpft.

Diskussion um Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie

Der heutige Artikel 17 hatte (noch unter dem Entwurfsnamen Artikel 13) der DSM-RL für viel Diskussionen und eine intensive Lobbyschlacht zwischen IT- und Kulturwirtschaft gesorgt – mit dem krönenden Abschluss, dass 10 Abgeordnete nach der Abstimmung im EP im Sommer 2019 angaben, sich schlicht verwählt zu haben.

Polen hatte im Anschluss an die Verabschiedung Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht – und dabei insbesondere den Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie angegriffen. Diese Klage wurde nun abgewiesen. Doch die umfangreiche Begründung wird die nationalen Gesetzgeber und Stakeholder intensiv beschäftigen: Der EuGH bejahte zwar grundsätzlich die Zulässigkeit automatisierter Filter gegen Urheberrechtsverstöße, knüpfte deren Einsatz jedoch an strenge Bedingungen zum Schutz von Meinungsfreiheit und für Inhalte, die qua Rückausnahme legal genutzt werden dürfen, etwa für Satirezwecke.

Als schlechtes Signal für die Meinungsfreiheit wertet Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Internetwirtschaft Eco das Urteil (Europe.Table berichtete). “Zwar sieht der Europäische Gerichtshof Artikel 17 mit ausreichenden Garantien gegen das unerwünschte Overblocking an. Jedoch zeigen bereits erlassene Gesetze der Mitgliedsstaaten, dass die automatische Erkennung und Filterung zur Regel werden.

BVMI: Deutsche Umsetzung verfassungswidrig

Deutlich positiver die Interpretation des Piraten-MdEP Patrick Breyer: Der EuGH habe in seiner Begründung “hohe und von den bisherigen unzuverlässigen Filteralgorithmen kaum zu erfüllende Anforderungen an Uploadfilter zur automatisierten Zensur” gestellt.

Ähnlich die Sichtweise von Tiemo Wölken (SPD/S&D), der in der Abweisung der Klage einen Pyrrhussieg der Befürworter:innen von Uploadfiltern sieht: “Uploadfilter, die nicht zuverlässig zwischen legalen und illegalen Inhalten unterscheiden können, dürfen damit nicht eingesetzt werden.” Zudem dürften Plattformen nicht automatisiert über die Zulässigkeit einer Nutzung entscheiden, wenn diese Abwägungen erfordere, so der Sozialdemokrat. “Nur offensichtliche Rechtsverletzungen dürfen gesperrt werden, legale Zitate, Parodie oder Kunst bleiben geschützt.” Wölken sieht damit die deutsche Umsetzung der Richtlinie als gestärkt an.

Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) will das Urteil in seinen Auswirkungen noch vertieft analysieren, sieht sich aber grundsätzlich bestätigt. “Wir haben immer wieder auf die Ausgewogenheit der Richtlinie und die notwendigen Regelungen für die europäische Kultur- und Kreativwirtschaft, aber auch für die Verbraucher:innen hingewiesen”, so Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des BVMI (Europe.Table berichtete). Allerdings sieht der BVMI die deutsche Umsetzung der DSM-RL kritisch, da diese über die auf europäischer Ebene gefundenen Kompromisse hinausgehe und damit nach Auffassung des Verbandes rechtswidrig sei. fst

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Presseschau

EuGH weist Polens Klage gegen EU-Urheberrechtsreform zurück FAZ
EU-Kommissar Breton unbeeindruckt von Musks Twitter-Übernahme HEISE
Robert Habeck hält Embargo auf russisches Öl für machbar ZEIT
Spanien und Portugal einigen sich mit der EU auf einen Gaspreisdeckel HANDELSBLATT
Gazprom stellt alle Erdgaslieferungen an Polen ein RPONLINE
Österreicher bekommen künftig Geld, wenn sie Geräte reparieren lassen WELT
Grenzkontrollen Österreichs während Flüchtlingskrise waren wohl rechtswidrig HANDELSBLATT
French Presidency pushes for alignment with the new legislative framework in AI Act EURACTIV

Portrait

Christian Petry: Europa als “Sozialraum ohne Brüche”

Christian Petry ist europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Er spricht mit Europe.Table über Zusammenarbeit in der EU.
Christian Petry ist europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag.

Christian Petry sitzt während des Videogesprächs Anfang des Jahres vor dem gut sortieren Bücherregal in seinem Berliner Büro. Aus dem Fenster sieht er eine winterliche Spree durch das Regierungsviertel fließen. Dies ist seine dritte Legislaturperiode in Berlin.

Der 56-Jährige kommt aus der Kommunalpolitik, ist seit 1999 Ortsvorsteher von Welschbach im Saarland. “Das ist ein Zwölfhundert-Seelen-Ort, da ist man für alles Ansprechpartner, vom Spielplatzrasen bis hin zur Friedhofsgestaltung.” Petry ist überzeugt: “Wenn ich diese Anliegen nicht ebenso ernst nähme, wie abstraktere Themen auf EU-Ebene, würde ich meinen Bezug zur Politik verlieren.”

In seiner Heimat wird deutlich, wie sehr beides zusammenhängt, die großen und die kleinen Themen: “Das Saarland ist wegen seiner Geschichte bis heute eine Randzone, obwohl es im Herzen Europas liegt. Es gibt zwar keine Barken mehr. Diese wurden wegen Corona kurzzeitig wieder aufgebaut, das wollen wir nicht mehr. Doch Verkehrsverbindungen reißen jäh ab. Polizei und Rettungshubschrauber müssen wieder kehrt machen. Der französische Bäcker darf sein Baguette eine Straße weiter, in Deutschland, nicht verkaufen.”

Einigkeit in Souveränitätsfragen

Petry wünscht sich, “dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit eines Tages nur noch Zusammenarbeit heißt. Ich möchte, sicher in ferner Zukunft, einen Sozialraum ohne Brüche, Rechtsräume zusammenfassen, ohne dabei Nationalstaaten aufzulösen.” Dann würde es noch Unterschiede geben zwischen Lissabon und Berlin, nicht mehr aber zwischen Saarland und Moselle. Bei Wirtschaft und Handel funktioniere die EU-Zusammenarbeit gut, “in Souveränitätsfragen müssen wir uns einiger werden.” Digitalisierung und Nachhaltigkeit müssten außerdem ohne Protektionismus vorangetrieben werden: “Europa soll offen sein.”

Trotz Corona wagt sich Petry (“ich teste mich täglich, bin dreimal geimpft”) auf Dienstreisen durch Europa – vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich war er nochmal in Paris. “Dann geht’s weiter nach Nordmazedonien.”
Als Mitglied der deutsch-französischen parlamentarischen Versammlung, wo sich Bundestagsabgeordnete und Mitglieder des französischen Parlaments treffen, sprach Petry sich für eine Wiederwahl Emmanuel Macrons aus.

Auch wenn sie politisch nicht auf einer Linie wären, sei ihm das lieber, als dass der Demokrat von Rechtsaußen überholt würde. “Kandidaten aus meinem Lager dagegen scheinen chancenlos zu sein.”
Hinter Petry steht eine Büste von Karl Marx, darunter ein Foto seiner Fußballmannschaft “FC Bundestag“. “Diese ist neben Fußball und Hobby auch Botschafter für Demokratie und Pluralismus”, so Petry. Frauen sucht man auf dem Teamfoto allerdings vergeblich. Sie sei fraktionsübergreifend, doch ohne AfD-Mitglieder: “Teilnehmen kann nur, wer sich mit der Vereinssatzung identifiziert, in der wir uns für eine offene Gesellschaft aussprechen.” Vera Almotlak

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Reformvorschlag für Energiebeihilfen
    • Stopp russischer Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien
    • Russland droht mit Militäraktion in Moldau
    • EuGH-Urteil zu Urheberrechtsfiltern: Mit hohen Hürden zulässig
    • Presseschau
    • Christian Petry: Europa als “Sozialraum ohne Brüche”
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    lange wurde Deutschland für sein zögerliches Handeln kritisiert, nun scheint die Bundesregierung bei den wohl meist debattierten Themen der vergangenen Wochen dann doch den Fuß von der Bremse zu nehmen. In nur wenigen Tagen könne Deutschland ganz und gar unabhängig sein von russischem Öl, ein Embargo sei nun “handhabbar”, verkündete Wirtschaftsminister Robert Habeck gestern in Warschau.

    Auch bei der Lieferung schwerer Waffen vollzieht Deutschland eine Kehrtwende. Gestern kündigte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nicht nur die Lieferung von Flugabwehrpanzern vom Typ Gepard an, sondern auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden. Warum die Debatte um deutsche Waffenlieferungen aber weitergehen dürfte, hat Eric Bonse analysiert.

    Weil Polen den russischen Forderungen nach einer Begleichung der Gasrechnung in Rubel bislang nicht nachgekommen ist, hat der russische Versorger Gazprom die Gaslieferungen am Dienstag kurzzeitig gestoppt. Zwar floss gestern Abend wieder Gas über die Jamal-Pipeline nach Polen – ab heute Morgen sollen die Lieferungen aber ganz eingestellt werden. Auch Bulgarien hat mitgeteilt, ab heute keine Gaslieferungen mehr von Gazprom zu erhalten.

    Welche Pläne hat Elon Musk für Twitter? Der exzentrische Unternehmer ist dafür bekannt, Regeln infrage zu stellen. In Deutschland und der EU ist man sich aber einig, dass auch der reichste Mensch der Welt sich an die Spielregeln für Plattformen im DSA halten muss. Falk Steiner hat sich in Berlin und Brüssel umgehört.

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    Lisa-Martina Klein
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    Analyse

    Deutschland liefert nach langem Zögern schwere Waffen in die Ukraine

    “Wir sind ein verlässlicher Partner an der Seite der Ukraine – mit unseren Alliierten zusammen”, erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Zugleich bestätigte sie die bis zuletzt heftig umstrittene Lieferung von Panzern in das Kriegsgebiet. Die Lieferung des Flugabwehrpanzers Gepard sei ein “ganz wichtiger Beitrag”, um den Luftraum über der Ukraine zu sichern, sagte Lambrecht nach einem Treffen mit mehr als 40 Staaten, zu dem die USA auf ihren Luftwaffenstützpunkt Ramstein geladen hatten.

    “Wir machen keine Alleingänge”, sagte Lambrecht auf eine Frage nach der deutschen Zögerlichkeit. Alles sei mit der Ukraine und den Partnern abgestimmt, wie der Ringtausch von schweren Waffen zeige. Vor allem bei Drohnen und Flugabwehr bediene Deutschland den Bedarf. Allerdings ist unklar, ob die Kritik nun verstummen wird. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin machte erneut Druck auf die Alliierten und versprach, dass man “Himmel und Erde” in Bewegung setzen werde, damit Kiew das bekomme, was es zu seiner Verteidigung brauche.

    Stoltenberg lobt Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine

    Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, dass seine Regierung die Rückeroberung aller von Russland seit 2014 besetzten Gebiete anstrebe. “Wenn wir genug Waffen haben, werden wir sofort damit beginnen.” Der Bedarf an Kriegsgerät dürfte also nicht nachlassen. Lambrecht stellt sich auf einen langen Konflikt ein. Die Konferenz in Ramstein sei der “Startschuss” für eine langfristige Unterstützung gewesen, sagte sie. “Die beste Sicherheitsgarantie für die Ukraine sind gut ausgebildete und gut ausgestattete Streitkräfte.”

    Die Debatte über Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine dürfte vor diesem Hintergrund weitergehen. Allerdings wird sie in Berlin anders geführt als in Brüssel. In der EU und in der Nato wird Deutschland längst nicht so hart angegangen wie in der überhitzten innenpolitischen Diskussion. So lobt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg immer wieder den Beitrag Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine. Kritik war von dem Norweger, der als erster die Unterscheidung zwischen “leichten, defensiven” und schweren Waffen aufgegeben hatte, nicht zu hören.

    Glucksmann: Führungsrolle Deutschlands in Gefahr

    Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der für seine bärbeißigen Bemerkungen bekannt ist, hält sich mit Kritik zurück. Auf eine Frage nach der langsamen Reaktion Deutschlands antwortete er, dass die Entscheidung für Waffenlieferungen an die Ukraine in der EU in Rekordtempo gefallen sei. Lautes Murren ist nur im Europaparlament zu vernehmen. Dort fordert der grüne Außenpolitiker Reinhard Bütikofer eine Kehrtwende der SPD in der Russlandpolitik; Kanzler Scholz müsse ein mutiges “nostra culpa” aussprechen. Der französische Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann sieht sogar die deutsche Führungsrolle in der EU gefährdet.

    Scholz’ Position zur Waffenlieferung zeige, dass die “von uns allen erhoffte Änderung nicht eingetreten ist”, berichtet die “Welt”. Der Sohn des verstorbenen Starphilosophen André Glucksmann zieht als Fazit: “Dieser Krieg setzt der deutschen Führung in Europa ein Ende.”

    Gefahr eines Atomkrieges “real”

    Im Ministerrat wird diese Einschätzung jedoch nicht geteilt. Bei allen Entscheidungen über die Ukraine habe Deutschland eine aktive und konstruktive Rolle gespielt, sagt ein EU-Diplomat. Nur Polen und die baltischen Staaten hätten Kritik geäußert, sich aber nicht durchgesetzt. Allerdings entscheidet der Rat nur über Sanktionen, nicht über Waffen – dafür sind die Staaten verantwortlich. Die EU gibt darüber hinaus noch Gelder aus der 2016 gegründeten Friedensfazilität frei, die für zusätzliches Kriegsgerät verwendet werden. Auch dazu trägt Deutschland bei – zuletzt mit einem Zuschuss von 400 Millionen Euro.

    Unterdessen warnt Russland vor weiteren Waffenlieferungen. Sie könnten zu einem Atomkrieg führen, sagte Außenminister Sergej Lawrow. “Die Gefahr ist ernst, real, und wir dürfen sie nicht unterschätzen”. Die USA warfen Russland daraufhin eine unverantwortliche Eskalation vor. Lambrecht erklärte, man müsse weiter darauf achten, dass die Nato und Deutschland nicht Kriegspartei würden. “Das hätte verheerende Folgen.” Die Zahl der gelieferten Waffen sei dafür zwar nicht allein entscheidend. Deutschland wolle aber auch nicht vorpreschen.

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    Twitter-Kauf: Viel Lärm um Musk

    Irgendwie entsetzt, so äußern sich gerade viele prominente Twitternutzer und auch Politiker zur Übernahme der in Deutschland vorwiegend in Multiplikatorenkreisen erfolgreichen Plattform. Denn der exzentrische Unternehmer ist dafür bekannt, dass er seine eigenen Vorstellungen durchsetzen möchte. Und die hat Musk für Twitter bereits mehrfach umrissen: Dass Donald Trump von der Plattform gesperrt wurde, hielt er für falsch. Twitter tue nicht genug für Meinungsäußerungsfreiheit. Und dass Twitter als globale Plattform eine Art demokratische Agora sein müsse.

    Doch Musks Perspektive ist alles andere als global. Seine Perspektiven sind maßgeblich von US-Debatten geprägt, insbesondere von der US-Perspektive auf das berühmte “First Amendment”, das die Meinungsäußerungsfreiheit massiv schützt und in Verbindung mit dem weitgehenden Haftungsausschluss der sogenannten Section 230 des Communications Decency Act auf Onlineplattformen sehr weitgehende Möglichkeiten einräumt.

    Doch Twitter stand zuletzt in vielen anderen Regionen der Welt unter regulatorischem Druck. Nicht nur, dass die Plattform in Ländern wie Iran, Russland und China auf Behördenanweisung gesperrt ist. Auch in Europa unterliegt Twitter deutlich schärferer Gesetzgebung, etwa in Deutschland dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Und mit dem gerade erst im Trilog geeinten Digital Services Act kommen europaweite Verpflichtungen auf die Plattform zu. “Einige dieser Regeln gehen in die Richtung, die Elon Musk offenbar auch einschlagen will, andere eher nicht, offene Fragen bleiben in beiden Fällen”, sagt Julian Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung. Etwa die Offenlegung von Algorithmen sei ein Beispiel für ersteres. “Grundsätzlich geht das in die Richtung, die auch die EU bevorzugt: mehr Transparenz, mehr Überprüfbarkeit von außen.”

    Dorsey: Börsengang war Fehler

    Doch der DSA setze darauf, dass algorithmische Empfehlungssysteme erklärt werden und eine profilbildungsfreie Nutzung möglich ist. “Das ist nicht das gleiche, wie den Quellcode bei Github einzustellen”, sagt Jaursch. Auch Musks Interpretation von Meinungsfreiheit sei noch klärungsbedürftig. Musk stellt sich gern als Verfechter radikaler Meinungsfreiheit dar – doch ob der Milliardär Twitter seine persönliche Sicht auch tatsächlich zur Unternehmens-Policy macht?

    Twitter-Mitgründer Jack Dorsey jedenfalls zeigt sich schon lange von Musk überzeugt. Der Börsengang sei ein Fehler gewesen, schreibt Dorsey nun, natürlich auf Twitter, denn damit sei der Fehler verbunden gewesen, in die Finanzierung über Onlinewerbung einzusteigen. Grundsätzlich solle niemand Twitter besitzen oder betreiben, es sollte eigentlich ein öffentliches Gut auf Protokollebene sein, so Dorsey. “Das Problem, dass es dennoch eine Firma ist, zu lösen, dafür ist Elon die singuläre Lösung, der ich vertraue.”

    Doch Dorseys Hoffnung könnte verfrüht sein. Denn Musks Reichtum liegt vor allem in seinen eigenen Unternehmensanteilen, für den Twitter-Kauf muss der auf dem Papier reichste Mann der Welt Schulden aufnehmen – und bedienen. 44 Milliarden Euro soll der Kaufpreis betragen, Twitter hatte zuletzt Jahresumsätze von fünf Milliarden Euro und damit Verluste erwirtschaftet.

    Twitter darf nicht zu Musks Spielzeug werden

    “Auch 44 Milliarden Euro befreien Elon Musk nicht von der Einhaltung europäischen Rechts”, sagt Tiemo Wölken (SPD/S&D). “Herr Musk wird sich nach unseren neuen Spielregeln für Plattformen im DSA richten müssen.” Das beinhalte die Rechte für Nutzerinnen und Nutzer, Transparenzverpflichtungen, aber auch den Umgang mit illegalen Inhalten. Wölken hegt starke Zweifel an Musks tatsächlicher Motivation: “Wer zudem Kritiker:innen blockt und Gewerkschafter:innen verfolgen lässt, dem kaufe ich das Label als Verteidiger von Grundrechten und der Meinungsfreiheit nicht ab.”

    “Twitter ist demokratierelevant und darf nicht zum Sprachrohr von Elon Musk, seinen Unternehmen oder für Desinformationskampagnen mutieren”, sagt Tabea Rößner, Grüne und Vorsitzende des Digitalausschusses im Deutschen Bundestag. Nicht nur Digital Markets Act und Digital Services Act seien für das Unternehmen relevant, auch die Datenschutzregeln. “Aufhorchen lassen Pläne, Menschen zu ‘authentifizieren’: Es ist bekannt, dass eine Vielzahl von Menschen gerade auf anonyme und pseudonyme Kommunikation angewiesen ist.” Musk hatte angekündigt, eine Prüfung von Accounts daraufhin durchführen zu wollen, ob es sich dabei um echte Menschen handele.

    “In unserer Gesellschaft läuft gewaltig etwas schief, wenn mit Elon Musk einer der wirtschaftlich mächtigsten Menschen der Welt eines der größten Social-Media-Unternehmen aufkaufen kann und sich als Retter der Meinungsfreiheit ausgibt”, sagt MdEP Martin Schirdewan (Linke). Meinungsfreiheit dürfe nicht zum Spielzeug eines der reichsten Männer der Welt werden.

    Auch EU-Industriekommissar Thierry Breton machte deutlich, dass Twitter sich an europäische Regeln zu halten habe: “Wenn es sich nicht an die Regeln hält, es gibt Sanktionen – sechs Prozent der Einnahmen und, wenn sie weitermachten, ein Verbot in der EU am Markt zu agieren”, so Breton in der Financial Times. Wenn Twitter in Europa tätig sein wolle, müsse es die Regeln einhalten, inklusive Moderation, offenen Algorithmen, Meinungsäußerungsfreiheit, Transparenz bei eigenen Regeln und den Verpflichtungen der EU zu Hassrede, Revenge Porn und Belästigung nachkommen.

    Ohne Moderation kein Twitter

    Ähnlich scharf ist auch der Tonfall bei Alexandra Geese, die für die Grünen-Fraktion im Europaparlament den DSA mitverhandelt hat: “Wenn Elon Musk seine Ankündigungen umsetzt, kann Twitter auf dem europäischen Markt einpacken.” Seine Vorstellung von Meinungsfreiheit ohne Moderation der Inhalte schließe einen Großteil der Bevölkerung aus, da sich Frauen, People of Colour und viele andere in einem derartigen Umfeld nicht mehr frei äußern würden. Der DSA würde für Plattformen wie Twitter unter anderem mehr menschliche Moderator:innen, klare Meldeverfahren und verpflichtende Analysen zu vom Dienst ausgehenden gesellschaftlichen Risiken bedeuten, so Geese.

    Doch auch bislang war Twitter kein Unternehmen, das frei von allen Einflüssen war. Ein nennenswerter Anteil Twitters gehörte dem saudi-arabischen Staatsinvestor KHC. Dessen Ablehnung der ersten Offerte durch Prinz Alwalid bin Talal Al Saud konterte Musk scharf, indem er fragte: “Wie ist die Sicht des Königreichs zur Pressefreiheit?” Eine Antwort erhielt Musk nicht – zumindest nicht öffentlich.

    Dass Musk sich mit seinen Vorstellungen außerhalb des europäischen Rechtsrahmens bewegt, ist jedoch noch längst nicht ausgemacht. Musk ist dafür berühmt, dass er sowohl große Worte führt als auch große Pläne schmiedet – und Regeln infrage stellt. Doch weder Tesla noch SpaceX haben wesentliche Verkehrs- oder Luftverkehrsregeln infrage gestellt. Stattdessen führte die Fantasie, mit der Tesla auch die Politik für automatisiertes und autonomes Fahren begeistern konnte, vielmehr zu kleineren Änderungen an Regelwerken, die längst überfällig waren. Was Musk mit der Plattform tatsächlich vorhat, bleibt abzuwarten – nach der Straße und dem Weltraum hat der auch von deutschen Politikern umgarnte Unternehmer nun zumindest ein weiteres Projekt, an dessen Erfolg viele Menschen Zweifel hegen. Musk wird ihnen beweisen wollen, dass er auch das schafft.

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    Chinas Unternehmen halten sich in Europa zurück

    Die Zeiten, in denen China massiv in Europa investierte, sind erst einmal vorbei. Laut einer neuen Studie der Rhodium Group und des Mercator Institute for China Studies (Merics) stiegen die Direktinvestitionen im vergangenen Jahr zwar um 33 Prozent von 7,9 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 10,6 Milliarden Euro 2021. Vom Höchststand im Jahr 2016 (47 Milliarden Euro) ist die Zahl aber weit entfernt: “Verglichen mit den Spitzenzeiten um 2016 haben sich die chinesischen Investitionen auf niedrigem Niveau eingependelt”, sagt Max Zenglein, Chefvolkswirt bei Merics.

    Er geht nicht davon aus, dass Investitionen aus China in dem “derzeitig schwierigen wirtschaftlichen und regulatorischen Umfeld” in absehbarer Zeit signifikant steigen werden. Die strikte “Null-Covid”-Politik mit massiv eingeschränktem Kontakt zum Ausland, Pekings strenge Kontrolle von ausgehendem Kapital und geopolitische Spannungen haben dazu geführt, dass die Direktinvestitionen (FDI) weltweit im vergangenen Jahr nur drei Prozent gestiegen sind. Mit 96 Milliarden Euro lagen diese fast auf dem Niveau des ersten Pandemie-Jahres 2020. Fusions- und Übernahmeaktivitäten (M&A) fielen demnach mit einem Gesamtvolumen von 20 Milliarden Euro sogar auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. 

    Deutschland als beliebtes Ziel für Investitionen aus China

    Neben den Niederlanden waren der Studie zufolge Deutschland, Großbritannien und Frankreich die beliebtesten Ziele für FDI aus der Volksrepublik. Die Übernahme des Haushaltsgerätegeschäfts von Philips für 3,7 Milliarden Euro durch das Private-Equity-Unternehmen Hillhouse Capital machte die Niederlande 2021 zum größten Einzelempfänger für chinesische Investitionen. Der Deal entsprach der Studie zufolge rund 35 Prozent der Gesamtsumme aller Investitionen 2021. Auf Deutschland, Frankreich und Großbritannien entfielen zusammen weitere 39 Prozent der Investitionen aus China.

    Einen großen Zuwachs erlebte der Studie zufolge vor allem ein Nicht-EU-Staat: das Vereinigte Königreich. Dort stiegen die FDI aus China von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 2,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. In Frankreich und Deutschland erfolgte im Gegensatz dazu jedoch ein Rückgang. In der Bundesrepublik fielen die FDI von 2 Milliarden Euro auf 1,5 Milliarden Euro – dem niedrigsten Wert sei 2015. Die Franzosen erhielten 509 Millionen Euro an chinesischen FDI, 2020 waren es noch 872 Millionen Euro gewesen.

    Besonders im Fokus: Tech-Start-ups

    “Die Art der chinesischen Investitionen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren grundsätzlich verändert”, erklärt Rhodium-Group-Direktorin Agatha Kratz. “Die Zeit der milliardenschweren Übernahmen in strategischen Sektoren ist vermutlich vorbei.” Chinesische Firmen errichteten stattdessen selbst Fabriken in Europa. Chinesisches Wagniskapital floss der Studie zufolge zudem vermehrt in europäische Tech-Start-ups. Das Investitionsvolumen in diesem Bereich war demnach mit 1,2 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Besonders beliebt bei chinesischen Anlegern seien E-Commerce-Anwendungen, Fintechs, Spieleentwickler, KI- und Robotikfirmen in Deutschland und Großbritannien.

    Wo eigentlich gestiegenes finanzielles Engagement chinesischer Akteure vermutet wird, sah es der Studie zufolge im vergangenen Jahr aber mau aus: In Osteuropa gingen nach einem starken Lauf im Jahr 2020 die FDI zurück und kamen auf 385 Millionen Euro. In Nordeuropa blieb der FDI-Strom mit 1,2 Milliarden Euro stabil. Hier interessiert die chinesischen Anleger vor allem Finnland.

    Gerade chinesische Staatsunternehmen scheinen jedoch vorsichtiger zu werden, was Investitionen im Ausland angeht. Die FDI von staatlichen Akteuren fiel laut der Studie auf ein 20-Jahres-Tief in Europa. Mit 1,3 Milliarden Euro lag ihr Anteil bei zwölf Prozent der Gesamtinvestitionen und war damit der niedrigste Wert seit 2001, so die Forscher:innen von Merics und Rhodium Group. Aktiv zeigten sich die chinesischen Staatsunternehmen vor allem in Südeuropa. Dort gab es mit rund 600 Millionen Euro eine große Investition vonseiten chinesischer Staatsunternehmen in den spanischen Energiesektor. Dort kaufte das Energieunternehmen China Three Gorges Anlagen für erneuerbare Energien.

    Die Autor:innen der Studie sehen für die Entwicklung der chinesischen FDI in Europa mehrere Gründe: Pekings rigide “Null-Covid”-Politik, die Kontakte zum Ausland erschwert, genauso wie die strenge Kontrolle von ausgehendem Kapital und der Crackdown auf heimische Tech-Konzerne.

    Neue EU-Regeln mit abschreckender Wirkung

    Aber auch auf der Seite der EU gibt es Bewegungen, die Investoren aus der Volksrepublik abschrecken. In mehreren EU-Staaten wird derzeit das Screening für FDI aus dem Ausland überprüft und erneuert. Weitere neue Gesetzgebungen aus Brüssel könnten in Zukunft den Marktzugang für chinesische Unternehmen beeinflussen und damit die Investitionsbereitschaft verringern, so die Studie.

    Darunter das EU-Lieferkettengesetz und zwei Neuerungen, die zu Beginn der Woche eine wichtige rechtliche Hürde genommen haben: Der Handelsausschuss des Europaparlaments stimmte am Montag über seine Positionierung zu einem neuen Gesetz über drittstaatliche Subventionen und über die Trilogeinigung zum neuen Instrument für das internationale Beschaffungswesen (IPI) ab. Über beides soll nun zeitnah im EU-Parlament abgestimmt werden.

    Vor allem das Gesetz zu Subventionen aus dem Ausland könnte Änderungen bei der Investitionsfreudigkeit chinesischer Unternehmen innerhalb der EU bringen. Denn der Gesetzesentwurf sieht vor, dass alle in der Europäischen Union tätigen Unternehmen Hilfsgelder aus Drittstaaten offenlegen müssen – und auf einige Investoren aus der Volksrepublik wird das einen eher vergrämenden Effekt haben.

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    Habeck: Ölembargo für Deutschland handhabbar

    Überraschende Wende: Deutschland ist nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck inzwischen auf einen Stopp russischer Öl-Lieferungen ausreichend vorbereitet. “Heute kann ich sagen, dass ein Embargo handhabbar für Deutschland geworden ist“, sagte der Grünen-Politiker nach einem Treffen mit seiner polnischen Kollegin Anna Moskwa am Dienstag in Warschau. Noch Anfang des Monats hieß es, ein Verzicht auf russisches Öl sei bis Ende des Jahres möglich.

    Der Import-Anteil sei in den letzten Wochen von einst 35 Prozent gedrückt worden und liege nun noch bei zwölf Prozent, sagte Habeck nun in Warschau. Dieser Teil umfasse allein Lieferungen für die PCK Raffinerie in Schwedt an der Oder, die per Pipeline versorgt und von dem russischen Unternehmen Rosneft kontrolliert wird. Hier sei man auf der Suche nach einer Alternative für die Ölversorgung. “Diese Alternative ist Aufgabe der nächsten Tage.”

    Deutschland erhielt bislang zwei Drittel des russischen Öls über Pipelines und ein Drittel auf dem Seeweg. Die entsprechenden Häfen hätten sich inzwischen andere Verträge besorgt, berichtete Habeck. Auch die Raffinerie in Leuna habe ihre Verträge umgestellt.

    Wie genau die Unabhängigkeit für die verbliebene Raffinerie in Schwedt erreicht wurde oder werden soll, erläuterte Habeck nicht genau. Der Wirtschaftsminister betonte allerdings, dass Vorbereitungen getroffen worden seien, Schwedt über die in Westdeutschland lagernde nationale Ölreserve mitversorgen zu können. Denkbar ist, dass gezielt Ölsorten angekauft wurden, die in Schwedt verarbeitet werden können.

    EU-Embargo gegen Öl aus Russland vor hohen Hürden

    Die Raffinerie in Ostdeutschland versorgt auch einen Teil Polens. Habeck sagte in der Pressekonferenz, Deutschland könne seine Ölreserven einsetzen, um über Schwedt Polen weiterhin zu versorgen. Im Vorfeld des Treffens in Warschau hatte es geheißen, dass der polnische Hafen Danzig eine wichtige Rolle dabei spielen könne, die Versorgung von Schwedt per Schiff und über eine Verbindungspipeline sicher zu stellen.

    Ein Embargo der gesamten EU von Öl aus Russland steht aber immer noch vor hohen Hürden. Neben Polen und den baltischen Staaten soll nur noch Irland für einen sofortigen Lieferstopp sein. Wahrscheinlicher ist EU-Kreisen von Montag zufolge ein schrittweiser Ausstieg, bei dem die Mitgliedstaaten ihr eigenes Tempo bestimmen. ber/rtr

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    Reformvorschlag für Energiebeihilfen

    Mit einem vereinfachten Beihilferecht zum Ausbau erneuerbarer Energien könnte die EU nach Ansicht von Umweltrechtlern wesentlich schneller russische Energielieferungen ersetzen. Die Stiftung Umweltenergierecht in Würzburg schlug dazu am Dienstag einen temporären Beihilferahmen nach dem Vorbild der erleichterten Prüfverfahren während der Coronavirus-Pandemie vor.

    In Form einer Mitteilung zur beschleunigten Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien könnte der Beihilferahmen demnach vorübergehend an die Stelle der seit Januar geltenden Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (KUEBLL) treten, nach denen viele Rechtsänderungen der Mitgliedstaaten durch die Kommission genehmigt werden müssen.

    “Die KUEBLL sind erstens nicht für die sich nun stellenden Herausforderungen konzipiert worden und zweitens besteht erhebliche Rechtsunsicherheit bei der Auslegung neu eingeführter Kriterien. Dementsprechend dürfte auch für das EEG 2023 und etwaige weitere Maßnahmen mit entsprechenden Wartezeiten und Änderungen zu rechnen sein”, sagte die Co-Autorin des Vorschlags, Johanna Kamm, zu Europe.Table.

    Innerhalb des Beihilferahmens würde sich die Prüfungstiefe dem Papier zufolge auf die wenigen Vorgaben aus Artikel 4 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) beschränken und beispielsweise Details der Ausschreibungen für Wind- und Solarparks stärker in das Ermessen der Mitgliedsstaaten gestellt werden. Außerdem sei eine Genehmigungsfiktion zu erwägen, sodass beihilferechtliche Genehmigungen nach Ablauf einer Prüfungsfrist automatisch als erteilt gelten würden.

    Alternativ könnte die Kommission nach Ansicht der Stiftung auch die KUEBLL überarbeiten und darin ein Kapitel zum Ausbau erneuerbarer Energien zum Ersatz von fossilen Energieimporten schaffen. ber

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    Stopp russischer Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien

    Die Versorgung Polens mit Gas aus Russland über die Jamal-Pipeline ist am Dienstag vorübergehend gestoppt worden. Wie aus Daten des EU-Verbunds von Gasnetzbetreibern hervorging, floss am Nachmittag kein Gas aus Belarus nach Polen. Am Abend strömte demnach dann wieder Gas durch die Leitung. Das polnische Unternehmen PGNiG erklärte allerdings, der russische Versorger Gazprom habe einen Stopp der Lieferungen über die Jamal-Pipeline für Mittwochmorgen angekündigt. Dies sei ein Vertragsbruch, für den Schadenersatz verlangt werden könne. PGNiG werde zudem Schritte einleiten, um die Gaslieferung entsprechend der Vertragsvereinbarungen zu sichern. PGNiG hat mit Gazprom langfristige Verträge, die dieses Jahr auslaufen.

    Gazprom hat am Dienstag auch die staatliche bulgarische Gasgesellschaft Bulgargaz darüber informiert, dass Gaslieferungen ab Mittwoch eingestellt werden, teilte das Energieministerium am Dienstag mit. Zusammen mit den staatlichen Gasunternehmen habe das Ministerium bereits Schritte unternommen, um alternative Regelungen für die Lieferung von Erdgas zu finden und die Situation zu bewältigen. Vorerst seien keine Einschränkungen des Gasverbrauchs in dem Balkanland, das über 90 Prozent seines Gasbedarfs durch Importe von Gazprom deckt, erforderlich.

    Polen will Gas aus Russland nicht in Rubel bezahlen

    Russland hatte gedroht, europäischen Ländern den Gashahn zuzudrehen, wenn sie ihre Einfuhren nicht wie seit März gefordert in Rubel bezahlen. Polen erklärte daraufhin mehrfach, der Forderung nicht nachkommen zu wollen. Die Europäische Kommission hat ihrerseits Gasimport-Unternehmen in der EU aufgefordert, weiterhin in der vertraglich vereinbarten Währung zu zahlen.

    In 97 Prozent der Fälle sind das Euro oder Dollar. Gazprom steht auf einer am Dienstag veröffentlichten Liste russischer Unternehmen und Oligarchen, deren Vermögenswerte nach einem neuen Sanktionsgesetz eingefroren werden können. Polen hat diese Strafmaßnahmen unabhängig von Sanktionen eingeleitet, die die EU-Länder gemeinsam gegen Russland verhängt haben. Über den Stopp russischer Gaslieferungen am Dienstag hatten zunächst polnische Medien berichtet. rtr

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    Russland droht mit Militäraktion in Moldau

    Russland droht nach Berichten über Anschläge in dem Separatisten-Gebiet Transnistrien in Moldau indirekt mit einem militärischen Einsatz in der Region. Das Außenministerium in Moskau warnte am Dienstag vor einem Szenario, in dem Russland intervenieren müsse, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA ohne nähere Details zu nennen. Der schmale Landstreifen Transnistrien grenzt an die Ukraine. Die ukrainische Regierung äußerte Befürchtungen, Russland könne planen, von Transnistrien aus den Westen des Landes anzugreifen. Moldaus Präsidentin Maia Sandu verurteilte die Anschläge als Versuch, den Frieden in der Region zu stören und erklärte, ihr Land sei bereit zu einer friedlichen Lösung der Konflikte.

    In dem von prorussischen Separatisten kontrollierten Transnistrien hatten lokale Behörden mehrere Zwischenfälle gemeldet. Explosionen sollen das Hauptquartier der Staatssicherheit erschüttert und zwei Sendemasten aus Sowjetzeiten beschädigt haben. Über die Antennen wurde von einem Dorf in der Region aus russisches Radio gesendet. Auch eine Militäreinheit sei angegriffen worden. Kurz darauf hatte der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow, erklärt, Russland beobachte die Vorgänge sehr genau. Moldaus Präsidentin Sandu hatte wegen der Vorkommnisse den Obersten Sicherheitsrats des Landes einberufen.

    Soldaten aus Russland sind in Transnistrien stationiert

    In Transnistrien sind seit dem Ende der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre russische Soldaten stationiert. Nur Russland hat den schmalen Landstreifen als unabhängig anerkannt, international wird das nicht unterstützt. Seine Grenze ist etwa 40 Kilometer von der ukrainischen Hafenstadt Odessa entfernt, deren Einnahme eines der erklärten Kriegsziele Russlands ist. Im Westen grenzt das kleine Land Moldau an das EU- und Nato-Mitglied Rumänien. Moldau hat zahlreiche Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen.

    Die Ereignisse in Transnistrien gleichen der Eskalation vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine. Die russische Regierung hatte zunächst ohne Belege auf Zwischenfälle in den selbst ernannten, prorussischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine verwiesen. Diese sollen nach russischer Darstellung von ukrainischen Kräften provoziert worden sein, was die Regierung in Kiew wiederholt zurückwies. Den eigentlichen Einmarsch rechtfertigte Präsident Wladimir Putin unter anderem mit der unbelegten Behauptung, in beiden Regionen müsse ein Völkermord verhindert werden. rtr

    • International

    EuGH-Urteil zu Urheberrechtsfiltern: Mit hohen Hürden zulässig

    Der Europäische Gerichtshof hat die umstrittene Verpflichtung von Plattformen zur automatischen Ausfilterung urheberrechtlich unzulässiger Inhalte im Rahmen der Richtlinie zum Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt (DSM-RL) für grundsätzlich zulässig erklärt, den Einsatz jedoch an Bedingungen geknüpft.

    Diskussion um Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie

    Der heutige Artikel 17 hatte (noch unter dem Entwurfsnamen Artikel 13) der DSM-RL für viel Diskussionen und eine intensive Lobbyschlacht zwischen IT- und Kulturwirtschaft gesorgt – mit dem krönenden Abschluss, dass 10 Abgeordnete nach der Abstimmung im EP im Sommer 2019 angaben, sich schlicht verwählt zu haben.

    Polen hatte im Anschluss an die Verabschiedung Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht – und dabei insbesondere den Artikel 17 der Urheberrechtsrichtlinie angegriffen. Diese Klage wurde nun abgewiesen. Doch die umfangreiche Begründung wird die nationalen Gesetzgeber und Stakeholder intensiv beschäftigen: Der EuGH bejahte zwar grundsätzlich die Zulässigkeit automatisierter Filter gegen Urheberrechtsverstöße, knüpfte deren Einsatz jedoch an strenge Bedingungen zum Schutz von Meinungsfreiheit und für Inhalte, die qua Rückausnahme legal genutzt werden dürfen, etwa für Satirezwecke.

    Als schlechtes Signal für die Meinungsfreiheit wertet Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Internetwirtschaft Eco das Urteil (Europe.Table berichtete). “Zwar sieht der Europäische Gerichtshof Artikel 17 mit ausreichenden Garantien gegen das unerwünschte Overblocking an. Jedoch zeigen bereits erlassene Gesetze der Mitgliedsstaaten, dass die automatische Erkennung und Filterung zur Regel werden.

    BVMI: Deutsche Umsetzung verfassungswidrig

    Deutlich positiver die Interpretation des Piraten-MdEP Patrick Breyer: Der EuGH habe in seiner Begründung “hohe und von den bisherigen unzuverlässigen Filteralgorithmen kaum zu erfüllende Anforderungen an Uploadfilter zur automatisierten Zensur” gestellt.

    Ähnlich die Sichtweise von Tiemo Wölken (SPD/S&D), der in der Abweisung der Klage einen Pyrrhussieg der Befürworter:innen von Uploadfiltern sieht: “Uploadfilter, die nicht zuverlässig zwischen legalen und illegalen Inhalten unterscheiden können, dürfen damit nicht eingesetzt werden.” Zudem dürften Plattformen nicht automatisiert über die Zulässigkeit einer Nutzung entscheiden, wenn diese Abwägungen erfordere, so der Sozialdemokrat. “Nur offensichtliche Rechtsverletzungen dürfen gesperrt werden, legale Zitate, Parodie oder Kunst bleiben geschützt.” Wölken sieht damit die deutsche Umsetzung der Richtlinie als gestärkt an.

    Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) will das Urteil in seinen Auswirkungen noch vertieft analysieren, sieht sich aber grundsätzlich bestätigt. “Wir haben immer wieder auf die Ausgewogenheit der Richtlinie und die notwendigen Regelungen für die europäische Kultur- und Kreativwirtschaft, aber auch für die Verbraucher:innen hingewiesen”, so Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des BVMI (Europe.Table berichtete). Allerdings sieht der BVMI die deutsche Umsetzung der DSM-RL kritisch, da diese über die auf europäischer Ebene gefundenen Kompromisse hinausgehe und damit nach Auffassung des Verbandes rechtswidrig sei. fst

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    Presseschau

    EuGH weist Polens Klage gegen EU-Urheberrechtsreform zurück FAZ
    EU-Kommissar Breton unbeeindruckt von Musks Twitter-Übernahme HEISE
    Robert Habeck hält Embargo auf russisches Öl für machbar ZEIT
    Spanien und Portugal einigen sich mit der EU auf einen Gaspreisdeckel HANDELSBLATT
    Gazprom stellt alle Erdgaslieferungen an Polen ein RPONLINE
    Österreicher bekommen künftig Geld, wenn sie Geräte reparieren lassen WELT
    Grenzkontrollen Österreichs während Flüchtlingskrise waren wohl rechtswidrig HANDELSBLATT
    French Presidency pushes for alignment with the new legislative framework in AI Act EURACTIV

    Portrait

    Christian Petry: Europa als “Sozialraum ohne Brüche”

    Christian Petry ist europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Er spricht mit Europe.Table über Zusammenarbeit in der EU.
    Christian Petry ist europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag.

    Christian Petry sitzt während des Videogesprächs Anfang des Jahres vor dem gut sortieren Bücherregal in seinem Berliner Büro. Aus dem Fenster sieht er eine winterliche Spree durch das Regierungsviertel fließen. Dies ist seine dritte Legislaturperiode in Berlin.

    Der 56-Jährige kommt aus der Kommunalpolitik, ist seit 1999 Ortsvorsteher von Welschbach im Saarland. “Das ist ein Zwölfhundert-Seelen-Ort, da ist man für alles Ansprechpartner, vom Spielplatzrasen bis hin zur Friedhofsgestaltung.” Petry ist überzeugt: “Wenn ich diese Anliegen nicht ebenso ernst nähme, wie abstraktere Themen auf EU-Ebene, würde ich meinen Bezug zur Politik verlieren.”

    In seiner Heimat wird deutlich, wie sehr beides zusammenhängt, die großen und die kleinen Themen: “Das Saarland ist wegen seiner Geschichte bis heute eine Randzone, obwohl es im Herzen Europas liegt. Es gibt zwar keine Barken mehr. Diese wurden wegen Corona kurzzeitig wieder aufgebaut, das wollen wir nicht mehr. Doch Verkehrsverbindungen reißen jäh ab. Polizei und Rettungshubschrauber müssen wieder kehrt machen. Der französische Bäcker darf sein Baguette eine Straße weiter, in Deutschland, nicht verkaufen.”

    Einigkeit in Souveränitätsfragen

    Petry wünscht sich, “dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit eines Tages nur noch Zusammenarbeit heißt. Ich möchte, sicher in ferner Zukunft, einen Sozialraum ohne Brüche, Rechtsräume zusammenfassen, ohne dabei Nationalstaaten aufzulösen.” Dann würde es noch Unterschiede geben zwischen Lissabon und Berlin, nicht mehr aber zwischen Saarland und Moselle. Bei Wirtschaft und Handel funktioniere die EU-Zusammenarbeit gut, “in Souveränitätsfragen müssen wir uns einiger werden.” Digitalisierung und Nachhaltigkeit müssten außerdem ohne Protektionismus vorangetrieben werden: “Europa soll offen sein.”

    Trotz Corona wagt sich Petry (“ich teste mich täglich, bin dreimal geimpft”) auf Dienstreisen durch Europa – vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich war er nochmal in Paris. “Dann geht’s weiter nach Nordmazedonien.”
    Als Mitglied der deutsch-französischen parlamentarischen Versammlung, wo sich Bundestagsabgeordnete und Mitglieder des französischen Parlaments treffen, sprach Petry sich für eine Wiederwahl Emmanuel Macrons aus.

    Auch wenn sie politisch nicht auf einer Linie wären, sei ihm das lieber, als dass der Demokrat von Rechtsaußen überholt würde. “Kandidaten aus meinem Lager dagegen scheinen chancenlos zu sein.”
    Hinter Petry steht eine Büste von Karl Marx, darunter ein Foto seiner Fußballmannschaft “FC Bundestag“. “Diese ist neben Fußball und Hobby auch Botschafter für Demokratie und Pluralismus”, so Petry. Frauen sucht man auf dem Teamfoto allerdings vergeblich. Sie sei fraktionsübergreifend, doch ohne AfD-Mitglieder: “Teilnehmen kann nur, wer sich mit der Vereinssatzung identifiziert, in der wir uns für eine offene Gesellschaft aussprechen.” Vera Almotlak

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