Table.Briefing: Europe

Schulden: Lindner will Flexibilität bei Investitionen + Strom-Kontingent in Österreich

  • Schuldenregeln: Lindner für mehr Spielraum bei Investitionen
  • Österreich plant günstiges Strom-Kontingent
  • Studie: Deutschland kann Winter ohne russisches Gas überstehen
  • Kommission will Bewertung von Waldbrandrisiken harmonisieren
  • Türkei: Vier Schiffe verlassen ukrainische Häfen, eines legt an
  • Putin und Erdogan wollen Zusammenarbeit ausbauen
  • EU-Agrarförderung: Ausnahmen im Klima- und Artenschutz möglich
  • Italien: Azione-Partei zieht sich aus Mitte-Links-Wahlbündnis zurück
  • EU schreibt partizipative Studie zur Zukunft von Online-Plattformen aus
  • Monika Griefahn – Kämpferin für E-Fuels
Liebe Leserin, lieber Leser,

Finanzminister Christian Lindner will sich bei der Reform der europäischen Schuldenregeln für neue Flexibilitätsklauseln für Investitionen einsetzen; die Maastrichter Kriterien sollen aber eingehalten werden. Das geht aus einem Positionspapier der Bundesregierung hervor, das mein Kollege Markus Grabitz analysiert hat.

Österreich arbeitet derzeit an der Grundlage für eine Strompreisdeckelung, um den stark steigenden Preisen entgegenzuwirken – ein Schritt, der in Deutschland für die Gaspreise in Überlegung ist. Damit könnte Österreich dem Beispiel Spaniens und Portugals folgen. Hans-Peter Siebenhaar hat die Details.

Während der Europäische Rat die Verordnung zur Senkung der Gasnachfrage im nächsten Winter um 15 Prozent angenommen hat, ist in Deutschland Berechnungen zufolge eine Reduzierung des Verbrauchs um 25 Prozent notwendig. Das geht aus einer Untersuchung hervor, wie Sie in den News nachlesen können.

Von der Mitgründung des deutschen Ablegers von Greenpeace über die Landes- und Bundespolitik hin zur Sprecherin der E-Fuel Alliance: Monika Griefahn blickt auf einen langen Weg im Dienste des Umweltschutzes zurück. Im Portrait stellen wir die 67-Jährige vor.

Einen schönen Start in die Woche wünscht

Ihre
Lisa-Martina Klein
Bild von Lisa-Martina  Klein

Analyse

Schuldenregeln: Lindner für mehr Spielraum bei Investitionen

Die Bundesregierung will bei der Reform der europäischen Schuldenregeln auch neue Flexibilitätsklauseln für öffentliche Investitionen festschreiben. Zur Verbesserung der Qualität der öffentlichen Finanzen ist sie bereit, bei der Reform des Euro-Stabilitätspaktes (Europe.Table berichtete) “an den Stellschrauben der Flexibilitätsklauseln für Investitionen zu drehen”, heißt es in der Positionierung der Bundesregierung zur Reform der EU-Schuldenregeln, die am Donnerstag an den Bundestag gegangen ist. Die EU-Kommission will im Herbst einen Vorschlag zur Reform des Stabilitätspaktes vorlegen. Die Debatte unter den Mitgliedstaaten hat aber bereits begonnen (Europe.Table berichtete).

Maastricht-Regeln bleiben

Die Bundesregierung hatte sich kürzlich auf eine gemeinsame Position geeinigt. Erste Punkte hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in einem Interview mit dem Handelsblatt bekannt gegeben (Europe.Table berichtete). Demnach halte die Koalition an den zentralen Obergrenzen für Defizite und Schulden – den sogenannten Maastricht-Kriterien – fest, wolle den “präventiven Arm” des Paktes effektiver und die mittelfristigen Haushaltsziele verbindlicher machen. Und im Gegenzug sei er bereit, auf die sogenannte Ein-Zwanzigstel-Regel zu verzichten. Die Ein-Zwanzigstel-Regel verpflichtet Mitgliedstaaten, deren Etats sich oberhalb der Maastricht-Kriterien befinden, jedes Jahr ein Zwanzigstel des zu hohen Schuldenbergs abzubauen.  

Die Maastricht-Kriterien sehen vor, dass Länder in normalen Zeiten kein höheres Defizit der öffentlichen Etats von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) haben und dass ihr jeweiliger Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent ihres BIP ausmacht. Etliche EU-Mitgliedstaaten liegen derzeit weit über der 60-Prozent-Marke. Griechenland und Italien haben Werte über 150 Prozent. Deutschland hat einen Wert von knapp 70 Prozent.

Mehr Flexibilität bei den EU-Schuldenregeln

Vom Drehen an Stellschrauben für mehr Flexibilität bei den Schuldenregeln in der Position der Bundesregierung war zunächst nichts bekannt geworden. Lindner hatte sich in seinen öffentlichen Äußerungen auf Obergrenzen für Defizite und Schulden fokussiert. Die Stellschrauben bei den Flexibilisierungsklauseln, die in dem Papier unter der Überschrift “Prinzipien der Bundesregierung für die Reformdiskussion zu den Fiskalregeln” stehen, sehen im Einzelnen vor:

  • Erstens könnten die Flexibilitätsklauseln für Investitionen für “begrenzte” Zeit und nicht nur “bei einer wirtschaftlichen Krise” anwendbar sein. Die bisherigen Regeln sehen vor, dass die Flexibilisierungsklauseln nur bei scharfen Rezessionen greifen.
  • Zweitens könnte die “Gesamtbegrenzung für die Nutzung” der Klauseln in “eng begrenztem Umfang einmalig bis zur Erreichung des Mittelfristigen Haushaltsziels erhöht werden”.
  • Drittens wäre die “Ausweitung der Investitionsklausel auf andere als bisher berücksichtigte EU-Programme möglich”, von denen positive Effekte auf Wachstum und Schuldentragfähigkeit ausgehen.

Lindner will Ausweichklausel definieren

Zudem macht sich die Bundesregierung dafür stark, klare Kriterien für die sogenannte “Ausweichklausel” aufzustellen. Die Ausweichklausel erlaubt bei einem schweren Konjunktureinbruch eine vorübergehende Abweichung von dem Konsolidierungspfad. Die Bundesregierung lobt: In der Krise habe die Klausel den Mitgliedstaaten dazu verholfen, die notwendigen fiskalischen Maßnahmen vorzunehmen. “Die Klausel ist allerdings nur vage in den Rechtstexten angelegt.”

Die Bundesregierung mahnt daher: Konkrete Kriterien für die Nutzung der Klausel sowie “Verfahren zur (De-)Aktivierung” erhöhten die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Maßnahmen für die Mitgliedstaaten sowie die Marktteilnehmer. Weiter heißt es: “Dabei ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Ausweichklausel keine Aussetzung des Wachstums- und Stabilitätspaktes bedeutet.”

Die Bundesregierung unternimmt zudem einen Vorstoß, dem Europäischen Fiskalrat (EFB) die Unabhängigkeit von der Kommission zu geben. Der EFB wacht über die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in der EU. Die organisatorisch-institutionelle Unabhängigkeit des EFB “könnte für eine konsequentere Umsetzung der Regeln hilfreich sein”, schreibt die Bundesregierung in ihrer Positionsbestimmung.

  • Bundesregierung
  • Eurozone
  • Fiskalpolitik
  • Stabilitätspakt

Österreich plant günstiges Strom-Kontingent

In Deutschland richtet sich die politische Aufmerksamkeit derzeit noch vor allem auf die galoppierenden Gaspreise. Doch Österreich ist schon einen Schritt weiter, denn auch die Strompreise sind stark gestiegen. Die Regierung in Wien plant konkrete Schritte, um die Endkundenpreise für Strom in den Griff zu kriegen. “Unser Modell sieht vor, dass wir den Grundverbrauch der Haushalte mit einem gedeckelten Strompreis unterstützen. Die Hilfen sollen so direkt bei den Menschen ankommen. Für den weiteren Verbrauch gelten aber die Marktpreise”, sagte Energieministerin Leonore Gewessler im Interview mit Europe.Table. “Wir wollen damit das Preissignal gegen die Verschwendung aufrechterhalten: mit Energie muss sehr sorgsam umgegangen werden.”

Damit setzt die Regierung in Wien einen Plan des Chefs des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, um. Zusammen mit dem Finanzministerium unter dem konservativen Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) erarbeitet das grüne Energieministerium die Grundlagen für die Strompreisdeckelung. “Das ist in der Umsetzung komplex. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir dem Parlament rasch einen Vorschlag vorlegen können”, sagt Gewessler. Ende August sollen die Pläne vorliegen. 

Konkret ist vorgesehen, eine festzulegende Menge an Strom für jeden Haushalt zu subventionieren. Offenbar will sich die Regierung an dem Durchschnittsverbrauch pro Haushalt in Österreich orientieren. Für den restlichen Verbrauch muss der stark gestiegene Strompreis gezahlt werden. Die sozialdemokratische Opposition macht Druck auf die Regierung, schnell zu handeln. Der energiepolitische Sprecher der SPÖ, Alois Schroll, kritisiert die monatelange Prüfung.

Bonus plus Strompreisdeckelung

In Deutschland ist ein ähnliches Modell derzeit für den Gaspreis in der Diskussion. Bis zu einem Grundverbrauch solle für Haushalte ein Preisdeckel gelten, was darüber hinaus verbraucht wird, müsste mit dem Marktpreis bezahlt werden. Vorgeschlagen hatten es unter anderem das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und die CSU.

Den Preisschock auf den Energiemärkten versucht die schwarz-grüne Regierung in Wien seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges abzufedern. Dazu hat die Koalition bereits drei Pakete geschnürt, um besonders belastete Bevölkerungsgruppen zu entlasten. Jeder Bürger in Österreich bekommt beispielsweise im Oktober 500 Euro als Klimabonus. Nun soll die Strompreisdeckelung hinzukommen.

Zur Finanzierung hat sich der zuständige Minister Brunner aber bislang nicht konkret geäußert. Die oppositionelle SPÖ fordert nach dem Vorbild Spaniens, Energiekonzerne mit einer Übergewinnsteuer zur Finanzierung heranzuziehen (Europe.Table berichtete). “Die Milliarden-Übergewinne von Energiekonzernen müssen abgeschöpft werden, um damit Anti-Teuerungsmaßnahmen wie den von uns geforderten Energiepreisdeckel zu finanzieren”, sagte SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer.

Doch Brunner lehnt diese populäre Forderung ab. Zudem wurde Österreichs größter Stromkonzern Verbund ohnehin bereits über eine Sonderdividende zur Kasse gebeten, die auf Druck von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) beschlossen wurde.

Strompreis: Österreich will Spaniens Beispiel folgen

Mit ihrer geplanten Strompreisdeckelung stehen die Österreicher in der EU nicht allein da. Bereits im Mai hatte Spanien eine staatlich verordnete Verbilligung eingeführt (Europe.Table berichtete). Dadurch wurde nach Angaben der Regierung in Madrid 70 Prozent des Stromverbrauchs deutlich preiswerter. In Spanien war die Situation besonders prekär, weil der regulierte Stromtarif direkt an den Strombörsen hängt (Europe.Table berichtete). Auch Portugal hatte parallel zum großen Nachbarland reagiert.

Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) will nach dem Vorbild Spaniens und Portugals den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln (Europe.Table berichtete) und dadurch den Strompreis senken. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner schlägt vor, das bisherige Grenzkosten-Prinzip abzuschaffen. Nach diesem Marktdesign erhalten alle Energieträger unabhängig von ihren Stromerzeugungskosten – egal ob aus Windkraft, Wasserkraft oder Photovoltaik – den Strompreis als Vergütung, der durch teure Gaskraftwerke gesetzt wird.

Unterstützung kommt vom Ökonomen Felbermayr. Er hält zwar grundsätzlich am bisherigen Marktdesign fest, trotzdem müsse man europaweit überlegen, wie die Koppelung des Gas- und des Strompreises entschärft werden können. “Die iberische Lösung ist keine ganz verkehrte”, sagt er.

Anders als in Spanien ist in Österreich die öffentliche Kritik der Energieerzeuger kaum wahrnehmbar. Der Grund für die Zurückhaltung liegt auf der Hand: Der börsennotierte Marktführer Verbund ist mehrheitlich in Staatsbesitz. Den Posten des CEO hat der frühere oberösterreichische Landespolitiker Michael Strugl von der ÖVP inne.

Die EU-Kommission ist unterdessen nicht begeistert vom Vorgehen Österreichs. Der in Wien lebende Haushaltskommissar Johannes Hahn (ÖVP) kritisierte im ORF zuletzt (Europe.Table berichtete), dass er kein großer Freund von Preisobergrenzen sei. “Wenn einkommensschwache Haushalte unter den hohen Energiepreisen leiden, sollten ihnen prioritär und direkt geholfen werden”, sagt der in Österreich exzellent vernetzte Kommissar.

  • Energie
  • Energiepolitik
  • Energiepreise
  • Erdgas
  • Österreich

News

Studie: Deutschland kann Winter ohne russisches Gas überstehen

Sollte Russland seine Gaslieferungen in den kommenden Wochen komplett einstellen, müsste Deutschland bis zum Frühjahr den Gasverbrauch um etwa 25 Prozent reduzieren. Das geht aus einer gemeinsamen Untersuchung der Universität Bonn und der Universität zu Köln hervor. Auch wenn die geplanten Flüssiggasterminals im Winter wie geplant in Betrieb gingen, seien Einsparungen von 210 Terawattstunden (TWh) bis April 2023 nötig.

Würde man Einsparungen im Gasverbrauch einberechnen, die sich durch alternative Energiequellen in der Stromerzeugung erzielen lassen, wäre laut den Forschenden immer noch eine Reduzierung von rund 20 Prozent notwendig. Eine solche Reduktion sei bei kollektiver Einsparung von Industrie, Haushalten, Gewerbe und dem öffentlichen Sektor umsetzbar, “wenn schnell Maßnahmen getroffen werden, um Gas einzusparen”, lautet das Fazit der Studie. Panikmache sei daher fehl am Platz. “Deutschland kann den nächsten Winter ohne russisches Gas zu überschaubaren Kosten überstehen”, twitterte Georg Zachmann, Bruegel-Analyst und einer der Studienautoren.

Der EU-Notfallplan sieht durchschnittlich 15 Prozent Einsparungen für die Mitgliedstaaten vor. Allerdings werden einzelne Staaten voraussichtlich deutlich mehr Gas einsparen müssten als 15 Prozent (Europe.Table berichtete). Die Internationale Energieagentur (IEA) fordert ein durchschnittliches Einsparungsziel von 20 Prozent. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, gab ebenfalls 20 Prozent Gaseinsparung als Ziel der Bundesregierung aus.

Ökonomische Kosten bei Stopp der Gaslieferungen Russlands handhabbar

Die ökonomischen Kosten der Anpassung an einen Importstopp seien zwar “substanziell, aber mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen handhabbar“, heißt es in der Untersuchung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurde. Es drohten im Fall eines Stopps russischer Gasimporte “weder Massenarmut noch Volksaufstände, sondern Produktionseinbußen, die Deutschland schon in der Vergangenheit bewältigt hat, wenn es sich Krisen stellen musste”.

Die bisherigen Anstrengungen der Bundesregierung zur Nachfrageanpassung sehen die Autoren kritisch. Die Fokussierung auf die Erhöhung der Speicherstände und die Vernachlässigung von Anpassungsmaßnahmen sei nicht geeignet gewesen, Deutschlands Abhängigkeit von Russland und die politische Erpressbarkeit durch Moskau zu beenden. Die Autoren fordern deshalb schnelle Maßnahmen zu Gaseinsparung.

“Je früher wir mit der Verringerung der Nachfrage beginnen, desto billiger wird sie sein”, mahnt Zachmann. Eine frühere Reduzierung der Gasnachfrage führe nicht nur dazu, dass mehr Gas gespeichert wird, sondern auch, dass die Nachfrageelastizität mit der Vorlaufzeit zunehme, so der Energie-Experte. luk

  • Deutschland
  • Energiepolitik
  • Erdgas

Kommission will Bewertung von Waldbrandrisiken harmonisieren

Um sich auf besser auf das steigende Waldbrandrisiko in Europa einstellen zu können, soll die Bewertung der Gefahrenlage in den verschiedenen Regionen vergleichbarer werden. Ein entsprechendes Instrument hat die Europäische Kommission am Freitag vorgestellt.

Gemeinsam mit Brandexperten aus 43 Ländern hat die Brüsseler Behörde Daten aus den vergangenen 20 Jahren zusammengetragen, ausgewertet und harmonisiert. So soll ein Risiko-Vergleich und die Bewertung der Waldbrandgefahr auf gesamteuropäischer Ebene ermöglicht werden.

Einschätzung der Waldbrandgefahr in der EU bisher sehr unterschiedlich

Das sei erforderlich, um die Planung und Koordinierung von Präventionsmaßnahmen und grenzüberschreitender Brandbekämpfung zu verbessern, heißt es in dem Bericht. Die Entwicklung eines paneuropäischen Ansatzes ergebe sich aus einer Reihe von EU-Verordnungen, die von der Kommission verlangten, einen umfassenden Überblick über das Waldbrandrisiko in Europa zu haben.

Bislang seien in den verschiedenen Regionen und Ländern sehr unterschiedliche Methoden angewandt worden, was ein Hindernis bei der Bewertung der Risiken insbesondere bei grenzüberschreitenden Bränden darstelle, teilte die Kommission mit.

Die Entwicklung in Europa sei besorgniserregend. So verbrannte in der EU nach Kommissionsangaben 2019 eine Fläche von mehr als 4000 Quadratkilometer, im Jahr darauf 3400 und im vergangenen Jahr 5000. til

  • Europapolitik
  • Klima & Umwelt
  • Umweltschutz

Türkei: Vier Schiffe verlassen ukrainische Häfen, eines legt an

Vier weitere Getreidefrachter haben aus ukrainischen Häfen abgelegt. Die unter anderem mit Sonnenblumenöl und Mais beladenen Schiffe mit den Zielen China, Türkei und Italien seien auf dem Weg nach Istanbul, um dort kontrolliert zu werden, teilte das türkische Verteidigungsministerium am Sonntag auf Twitter mit. Insgesamt haben damit seit Abschluss des Getreide-Abkommens acht Frachter aus der Ukraine abgelegt.

Der Getreidefrachter “Razoni”, der als erstes Schiff nach dem Abkommen zwischen der Ukraine und Russland einen ukrainischen Hafen verlassen hat, wird nicht wie erwartet an diesem Sonntag im Libanon ankommen. Das teilt die dortige ukrainische Botschaft auf Anfrage mit. Die “Razoni” hatte den ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa am Montag verlassen und sollte an diesem Sonntag in Tripoli festmachen. Der Frachter habe Verspätung, teilt die ukrainische Botschaft mit, nennt aber keine Einzelheiten.

Agrarexporte über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen waren wegen des russischen Angriffskrieges zuvor monatelang blockiert (Europe.Table berichtete). Die Kriegsgegner Ukraine und Russland unterzeichneten am 22. Juli unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen (Europe.Table berichtete), um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Ein Koordinierungszentrum in Istanbul ist mit Vertretern der vier Parteien besetzt. Die Inspektionen sollen unter anderem sicherstellen, dass mit den Schiffen keine Waffen transportiert werden.

Zudem hat nach dem Ende der russischen Seeblockade erstmals auch wieder ein Frachtschiff in einem ukrainischen Hafen angelegt. “Der Schüttgutfrachter Fulmar S ist im Hafen Tschornomorsk angekommen und bereit zum Beladen”, teilte das ukrainische Infrastrukturministerium am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal mit. Mit dem Einlaufen der Fulmar S habe der Getreidekorridor nun einen “Ein- und Ausgang”, erklärte Infrastrukturminister Olexander Kubrakow. Das sei ein wichtiges Signal für die Märkte.

Getreide: Landwirte in der Ukraine unter Druck

Die Ukraine will in Zukunft auch die Freigabe des Seehafens Mykolajiw für die Getreidetransporte erwirken. Ein entsprechender Vorschlag sei an die UN und die Türkei ergangen, teilte Kubrakow mit. Ziel sei es, die Getreideexporte auf drei Millionen Tonnen pro Monat anzuheben.

Ukrainische Landwirte stehen aber trotz der Wiederaufnahme der Getreideexporte über das Schwarze Meer unter starkem Druck. In diesem Jahr würden absehbar nur rund 20 Millionen Tonnen Weizen geerntet, etwa zwei Drittel des Ertrags im Vorjahr vor Beginn des russischen Angriffskriegs, sagte der ukrainische Vize-Landwirtschaftsminister Taras Wyssozkyj den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntag). dpa/rtr

  • Export
  • Türkei

Putin und Erdogan wollen Zusammenarbeit ausbauen

Russland und die Türkei wollen ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit ausweiten. Die Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan teilten am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung nach ihrem Treffen im russischen Sotschi mit, die Kooperation beider Länder solle in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Finanzen und Bau vertieft werden. Nach Angaben des russischen Vizeministerpräsidenten Alexander Nowak erklärte sich die Türkei zudem bereit, Teile der Energielieferungen aus Russland künftig in Rubel zu zahlen.

Putin und Erdogan bekannten sich zudem zu dem Getreideabkommen, das Russland und die Ukraine unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen (UN) unterzeichnet hatten. Das umfasse auch den ungehinderten Export von russischem Getreide sowie Dünger und Rohstoffen, hieß es in der am Freitag veröffentlichten Erklärung.

Außerdem versicherten die beiden Präsidenten einander, bei der Bekämpfung “aller terroristischen Organisationen in Syrien” in gegenseitiger Abstimmung und Solidarität zu handeln. Die Türkei hatte gegen den Widerstand Russlands mit Militäreinsätzen gegen kurdische Milizen Gebiete im Norden Syriens besetzt. rtr

  • Finanzen
  • Geopolitik
  • Landwirtschaft
  • Türkei

EU-Agrarförderung: Ausnahmen im Klima- und Artenschutz möglich

Wenn Landwirte EU-Fördermittel nutzen, müssen sie nach Angaben des Bundesagrarministeriums auch 2023 “Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand” einhalten. Dazu gehörten der Fruchtwechsel auf Ackerland, also der jährliche Wechsel der Hauptkultur, sowie eine Umwandlung eines Mindestanteils von vier Prozent der Ackerfläche in Artenvielfaltsflächen.

Angesichts der Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten aber die Möglichkeit eingeräumt, im Jahr 2023 zur Lebensmittelproduktion ausnahmsweise die Standards zu lockern (Europe.Table berichtete): So kann der verpflichtende Fruchtwechsel den Angaben zufolge ausgesetzt werden, ebenso die Verpflichtung zu vier Prozent nichtproduktiven Flächen (Europe.Table berichtete).

EU-Agrarförderung: Landwirte können Regeln freiwillig umsetzen

Nutzen die EU-Staaten diese Ausnahmeregelungen (Europe.Table berichtete), müssen sie dies der EU-Kommission laut Agrarministerium spätestens am 28. August mitteilen. Für Landwirte bestehe aber keine Verpflichtung, die Ausnahmeregelungen anzuwenden, hieß es. Wer also etwas für Klima- und Artenschutz im Rahmen der EU-Agrarförderung tun wolle, könne die ab 2023 geltenden EU-Regelungen weiterhin anwenden. dpa

  • Agrarpolitik
  • Europapolitik
  • Klima & Umwelt
  • Landwirtschaft

Italien: Azione-Partei zieht sich aus Mitte-Links-Wahlbündnis zurück

Rückschlag für das das linke Lager in Italien wenige Wochen vor der mit Spannung erwarteten Parlamentswahl: Die Partei Azione will das erst vor wenigen Tagen gebildete Mitte-Links-Wahlbündnis (Europe.Table berichtete) vor dem Urnengang Ende September wieder verlassen. “Dies war die schmerzhafteste Entscheidung meines Lebens”, sagte Parteichef Carlo Calenda am Sonntag dem staatlichen Fernsehsender Rai Tre. Er begründete den Schritt damit, dass dem Bündnis auch Parteien angehörten, die gegen die Regierung des amtierenden Ministerpräsidenten Mario Draghi gestimmt hätten. Dessen Einheitsregierung ist im Juli zerbrochen, weshalb nun Neuwahlen anstehen.

Letta: Parlamentswahl in Italien durch Allianz offenes Rennen

Das linke Lager hatte ein Bündnis mit Kräften der bürgerlichen Mitte geschlossen und sieht sich damit für die Neuwahl am 25. September (Europe.Table berichtete) gestärkt. Der Chef der sozialdemokratischen Partei PD, Enrico Letta, sagte erst kürzlich, die Allianz mit der Partei Azione mache die Parlamentswahl zu einem offenen Rennen. In Umfragen gilt derzeit das konservativ-rechte Lager als Favorit, wobei die rechtsextremen “Brüder Italiens” sogar als stärkste Partei hervorgehen könnten.

Dem rechten Block werden 45 Prozent Zustimmung vorhergesagt, der PD und Azione zusammen knapp 30 Prozent. Das italienische Wahlrecht begünstigt allerdings Parteien, die breite Bündnisse eingehen. Laut Letta hofft seine neue Allianz auf weiteren Zulauf aus der fragmentierten politischen Landschaft Italiens.

Azione und ihr Verbündeter +Europa bringen in Umfragen zwar nur fünf bis sieben Prozent Wählerzustimmung auf die Waage. Doch zwei ranghohe Mitglieder von Silvio Berlusconis konservativer Forza Italia waren jüngst zur Azione übergewechselt. Sie begründeten den Schritt damit, dass die politische Ausrichtung des konservativen Blocks zu extrem geworden sei. Er besteht aus der Forza Italia, der Lega und den “Brüdern Italiens”. rtr

  • Demokratie
  • Italien
  • Mario Draghi

EU schreibt partizipative Studie zur Zukunft von Online-Plattformen aus

Die EU-Kommission hat eine Ausschreibung für eine zweijährige partizipative Studie über die Zukunft von Online-Plattformen veröffentlicht. Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) hat die EU einen neuen Rechtsrahmen für Online-Plattformen geschaffen. Die Studie soll nun langfristige Trends und Perspektiven der Online-Plattformen analysieren. So will die Kommission sichergehen, dass der Rechtsrahmen zukunftsorientiert umgesetzt wird. Gleichzeitig soll die Studie Daten für das Monitoring liefern und so die Arbeit der Kommission in diesem Bereich unterstützen.

Wer sich für die Durchführung der Studie bewerben will, muss einen umfassenden Forschungsprozess für zehn spezifische Themen konzipieren und entwickeln, die in Zusammenarbeit mit allen Kommissionsdienststellen festgelegt werden. Die Frist für die Einreichung von Angeboten endet am 22. September 2022 um 16 Uhr.

EU-Studie zu Online-Plattformen: Entwicklung von Metaversen

Ein Beispiel für einen sich abzeichnenden Trend, der eingehend untersucht werden soll, ist die Konzentration der wirtschaftlichen Macht im digitalen Bereich. In diesem Zusammenhang sollten die sich verändernde Rolle der Online-Plattformen und die Stellung der KMU in der EU in den industriellen Lieferketten speziell untersucht werden.

Weitere Themen sind die Zukunft der Nutzung persönlicher Daten und der Online-Identität in der digitalen Plattformökonomie, einschließlich der Entwicklung von Metaversen, Augmented Reality und der Zukunft der sozialen Medien. Die Studie wird auch langfristige Fragen zur Zukunft der globalen Standardisierung im digitalen Bereich, zur Zukunft des Staats als Plattform (government-as-a-platform) sowie zur Zukunft des geistigen Eigentumsrechts untersuchen. vis

  • Digital Markets Act
  • Digital Services Act
  • Digitalisierung
  • Digitalpolitik
  • Plattformen

Presseschau

Österreich will Hass im Internet stärker verfolgen WELT
Griechischer Premier unter Druck: Welche Rolle spielte Mitsotakis in der Abhöraffäre? RND
Atommeiler dürfen Frankreichs Flüsse stärker erwärmen NTV
Bundesnetzagentur: Bürger müssen “viel mehr” Energie sparen BR
Christian Lindner will Fortsetzung von 9-Euro-Ticket nicht finanzieren ZEIT
Volker Wissing dringt auf schnelleren Ausbau von Ladesäulen ZEIT
Cem Özdemir will mehr Getreideanbau ermöglichen ZEIT
SPD-Chefin wirbt für Übergewinnsteuer – FDP-Generalsekretär warnt FAZ
SPD-Fraktionsvize bringt Nachtragshaushalt für Entlastungen ins Spiel HANDELSBLATT

Heads

Monika Griefahn – Kämpferin für E-Fuels

Monika Griefahn setzt sich mit der E-Fuel Alliance dafür ein, dass auch Verbrenner CO2-neutral fahren können.
Monika Griefahn setzt sich mit der E-Fuel Alliance dafür ein, dass auch Verbrenner CO2-neutral fahren können.

Das Thema Umweltschutz begleitet Monika Griefahn seit ihrer Kindheit. 1954 in Mühlheim-Ruhr geboren, wuchs sie im Ruhrgebiet inmitten seiner verschmutzten Luft auf. “Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Alles war gelb von den Schwefelschwaden. Die Wäsche war immer dreckig, wenn man sie draußen aufhängte”, berichtet Griefahn.

Einige Jahrzehnte später blickt sie auf eine berufliche Karriere in der Politik zurück, in der das Thema Umwelt fast immer im Vordergrund stand. Heute engagiert sich die ehemalige niedersächsische Umweltministerin und Bundestagsabgeordnete (1998-2009) bei der E-Fuel Alliance für nachhaltige Kraftstoffe. Kraftstoffe, die durch CO2 aus der Atmosphäre, Wasserstoff und Ökostrom auch den alten Opel Corsa klimafreundlich fahren lassen (Europe.Table berichtete).

Monika Griefahn ist seit 2021 Sprecherin der E-Fuel Alliance

Nach der Schule geht Griefahn nach Hamburg und studiert dort Soziologie und Mathematik. Die wachsende Industrie schwemmt dort Chemikalien in die Elbe. Als Reaktion engagiert sich Griefahn in Bürgerinitiativen und schreibt ihre Doktorarbeit über das Produktionssystem Cradle to Cradle. Eine Art, Produkte herzustellen, sodass ihre Bestandteile vollständig wiederverwertet oder kompostiert werden können.

1980 gründet sie mit einigen anderen Aktivisten den deutschen Ableger der weltgrößten Umweltorganisation – Greenpeace. Ihr Einsatz dort findet auch in der Politik Anklang. Als Gerhard Schröder 1990 sein Kabinett für die Landesregierung in Niedersachsen zusammenstellt, fällt seine Wahl für die Umweltministerin auf die Greenpeace-Chefin. “Schröder hat sich wohl gedacht: Die Frau kann wirklich was ändern”, sagt Griefahn.

Heute hat Monika Griefahn sich von der Politik verabschiedet und arbeitet stattdessen direkt an Lösungen für die Klimakrise. Als Sprecherin der E-Fuel Alliance setzt Monika Griefahn sich seit 2021 dafür ein, auch die Autos klimafreundlich zu gestalten, die heute schon auf unseren Straßen fahren: Derzeit gibt es über 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf der Erde (Europe.Table berichtete). “Wir werden sie nicht einfach verschrotten können. Selbst Autos, die heute bei uns aussortiert werden, fahren oft morgen woanders weiter”, sagt Griefahn.

Abhängigkeit von einzelnen Staaten verringern

E-Fuels sollen eine Lösung bieten. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus CO2 und Wasserstoff. Je nach chemischer Zusammensetzung gleichen sie Benzin, Rohöl oder Diesel. Produktionsanlagen gibt es dafür noch kaum, dabei wären E-Fuels laut Griefahn eine Antwort auf eine Vielzahl von Problemen. “Aktuell importieren wir 60 Prozent fossile Energie aus Ländern wie Russland und Saudi-Arabien. Ich sehe kein Problem darin, in den Bau von großen Anlagen zur Produktion von klimafreundlichen E-Fuels in vielen verschiedenen Ländern zu investieren”, sagt Griefahn.

Länder wie Namibia, Japan, Algerien, Marokko und Australien zeigen bereits Interesse an der Idee. Eine Kooperation mit diesen Ländern stellt die europäische Energieversorgung nicht nur klimafreundlicher und diverser auf, sondern verringert auch die Abhängigkeit von einzelnen Staaten, so Griefahn.

Für die Klimakrise braucht es vielfältige Lösungen. In Monika Griefahns Augen fehlt der Politik dafür noch der Blick. “Wissen wir denn, dass die E-Mobilität die einzige wahre Lösung ist? Ich weiß es nicht. Allein der Kupferverbrauch spricht schon dagegen.” Man müsse Wege finden, die Ressourcen zu nutzen, die schon im Umlauf sind und für neue Ideen offenbleiben: “Wir dürfen Ingenieurs- und Erfindergeist nicht zu sehr einschränken.Svenja Schlicht

  • E-Fuels
  • Elektromobilität
  • Energie
  • Klima & Umwelt
  • Klimapolitik
  • Verkehrspolitik

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Schuldenregeln: Lindner für mehr Spielraum bei Investitionen
    • Österreich plant günstiges Strom-Kontingent
    • Studie: Deutschland kann Winter ohne russisches Gas überstehen
    • Kommission will Bewertung von Waldbrandrisiken harmonisieren
    • Türkei: Vier Schiffe verlassen ukrainische Häfen, eines legt an
    • Putin und Erdogan wollen Zusammenarbeit ausbauen
    • EU-Agrarförderung: Ausnahmen im Klima- und Artenschutz möglich
    • Italien: Azione-Partei zieht sich aus Mitte-Links-Wahlbündnis zurück
    • EU schreibt partizipative Studie zur Zukunft von Online-Plattformen aus
    • Monika Griefahn – Kämpferin für E-Fuels
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Finanzminister Christian Lindner will sich bei der Reform der europäischen Schuldenregeln für neue Flexibilitätsklauseln für Investitionen einsetzen; die Maastrichter Kriterien sollen aber eingehalten werden. Das geht aus einem Positionspapier der Bundesregierung hervor, das mein Kollege Markus Grabitz analysiert hat.

    Österreich arbeitet derzeit an der Grundlage für eine Strompreisdeckelung, um den stark steigenden Preisen entgegenzuwirken – ein Schritt, der in Deutschland für die Gaspreise in Überlegung ist. Damit könnte Österreich dem Beispiel Spaniens und Portugals folgen. Hans-Peter Siebenhaar hat die Details.

    Während der Europäische Rat die Verordnung zur Senkung der Gasnachfrage im nächsten Winter um 15 Prozent angenommen hat, ist in Deutschland Berechnungen zufolge eine Reduzierung des Verbrauchs um 25 Prozent notwendig. Das geht aus einer Untersuchung hervor, wie Sie in den News nachlesen können.

    Von der Mitgründung des deutschen Ablegers von Greenpeace über die Landes- und Bundespolitik hin zur Sprecherin der E-Fuel Alliance: Monika Griefahn blickt auf einen langen Weg im Dienste des Umweltschutzes zurück. Im Portrait stellen wir die 67-Jährige vor.

    Einen schönen Start in die Woche wünscht

    Ihre
    Lisa-Martina Klein
    Bild von Lisa-Martina  Klein

    Analyse

    Schuldenregeln: Lindner für mehr Spielraum bei Investitionen

    Die Bundesregierung will bei der Reform der europäischen Schuldenregeln auch neue Flexibilitätsklauseln für öffentliche Investitionen festschreiben. Zur Verbesserung der Qualität der öffentlichen Finanzen ist sie bereit, bei der Reform des Euro-Stabilitätspaktes (Europe.Table berichtete) “an den Stellschrauben der Flexibilitätsklauseln für Investitionen zu drehen”, heißt es in der Positionierung der Bundesregierung zur Reform der EU-Schuldenregeln, die am Donnerstag an den Bundestag gegangen ist. Die EU-Kommission will im Herbst einen Vorschlag zur Reform des Stabilitätspaktes vorlegen. Die Debatte unter den Mitgliedstaaten hat aber bereits begonnen (Europe.Table berichtete).

    Maastricht-Regeln bleiben

    Die Bundesregierung hatte sich kürzlich auf eine gemeinsame Position geeinigt. Erste Punkte hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in einem Interview mit dem Handelsblatt bekannt gegeben (Europe.Table berichtete). Demnach halte die Koalition an den zentralen Obergrenzen für Defizite und Schulden – den sogenannten Maastricht-Kriterien – fest, wolle den “präventiven Arm” des Paktes effektiver und die mittelfristigen Haushaltsziele verbindlicher machen. Und im Gegenzug sei er bereit, auf die sogenannte Ein-Zwanzigstel-Regel zu verzichten. Die Ein-Zwanzigstel-Regel verpflichtet Mitgliedstaaten, deren Etats sich oberhalb der Maastricht-Kriterien befinden, jedes Jahr ein Zwanzigstel des zu hohen Schuldenbergs abzubauen.  

    Die Maastricht-Kriterien sehen vor, dass Länder in normalen Zeiten kein höheres Defizit der öffentlichen Etats von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) haben und dass ihr jeweiliger Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent ihres BIP ausmacht. Etliche EU-Mitgliedstaaten liegen derzeit weit über der 60-Prozent-Marke. Griechenland und Italien haben Werte über 150 Prozent. Deutschland hat einen Wert von knapp 70 Prozent.

    Mehr Flexibilität bei den EU-Schuldenregeln

    Vom Drehen an Stellschrauben für mehr Flexibilität bei den Schuldenregeln in der Position der Bundesregierung war zunächst nichts bekannt geworden. Lindner hatte sich in seinen öffentlichen Äußerungen auf Obergrenzen für Defizite und Schulden fokussiert. Die Stellschrauben bei den Flexibilisierungsklauseln, die in dem Papier unter der Überschrift “Prinzipien der Bundesregierung für die Reformdiskussion zu den Fiskalregeln” stehen, sehen im Einzelnen vor:

    • Erstens könnten die Flexibilitätsklauseln für Investitionen für “begrenzte” Zeit und nicht nur “bei einer wirtschaftlichen Krise” anwendbar sein. Die bisherigen Regeln sehen vor, dass die Flexibilisierungsklauseln nur bei scharfen Rezessionen greifen.
    • Zweitens könnte die “Gesamtbegrenzung für die Nutzung” der Klauseln in “eng begrenztem Umfang einmalig bis zur Erreichung des Mittelfristigen Haushaltsziels erhöht werden”.
    • Drittens wäre die “Ausweitung der Investitionsklausel auf andere als bisher berücksichtigte EU-Programme möglich”, von denen positive Effekte auf Wachstum und Schuldentragfähigkeit ausgehen.

    Lindner will Ausweichklausel definieren

    Zudem macht sich die Bundesregierung dafür stark, klare Kriterien für die sogenannte “Ausweichklausel” aufzustellen. Die Ausweichklausel erlaubt bei einem schweren Konjunktureinbruch eine vorübergehende Abweichung von dem Konsolidierungspfad. Die Bundesregierung lobt: In der Krise habe die Klausel den Mitgliedstaaten dazu verholfen, die notwendigen fiskalischen Maßnahmen vorzunehmen. “Die Klausel ist allerdings nur vage in den Rechtstexten angelegt.”

    Die Bundesregierung mahnt daher: Konkrete Kriterien für die Nutzung der Klausel sowie “Verfahren zur (De-)Aktivierung” erhöhten die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Maßnahmen für die Mitgliedstaaten sowie die Marktteilnehmer. Weiter heißt es: “Dabei ist zu berücksichtigen, dass die allgemeine Ausweichklausel keine Aussetzung des Wachstums- und Stabilitätspaktes bedeutet.”

    Die Bundesregierung unternimmt zudem einen Vorstoß, dem Europäischen Fiskalrat (EFB) die Unabhängigkeit von der Kommission zu geben. Der EFB wacht über die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in der EU. Die organisatorisch-institutionelle Unabhängigkeit des EFB “könnte für eine konsequentere Umsetzung der Regeln hilfreich sein”, schreibt die Bundesregierung in ihrer Positionsbestimmung.

    • Bundesregierung
    • Eurozone
    • Fiskalpolitik
    • Stabilitätspakt

    Österreich plant günstiges Strom-Kontingent

    In Deutschland richtet sich die politische Aufmerksamkeit derzeit noch vor allem auf die galoppierenden Gaspreise. Doch Österreich ist schon einen Schritt weiter, denn auch die Strompreise sind stark gestiegen. Die Regierung in Wien plant konkrete Schritte, um die Endkundenpreise für Strom in den Griff zu kriegen. “Unser Modell sieht vor, dass wir den Grundverbrauch der Haushalte mit einem gedeckelten Strompreis unterstützen. Die Hilfen sollen so direkt bei den Menschen ankommen. Für den weiteren Verbrauch gelten aber die Marktpreise”, sagte Energieministerin Leonore Gewessler im Interview mit Europe.Table. “Wir wollen damit das Preissignal gegen die Verschwendung aufrechterhalten: mit Energie muss sehr sorgsam umgegangen werden.”

    Damit setzt die Regierung in Wien einen Plan des Chefs des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Gabriel Felbermayr, um. Zusammen mit dem Finanzministerium unter dem konservativen Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) erarbeitet das grüne Energieministerium die Grundlagen für die Strompreisdeckelung. “Das ist in der Umsetzung komplex. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir dem Parlament rasch einen Vorschlag vorlegen können”, sagt Gewessler. Ende August sollen die Pläne vorliegen. 

    Konkret ist vorgesehen, eine festzulegende Menge an Strom für jeden Haushalt zu subventionieren. Offenbar will sich die Regierung an dem Durchschnittsverbrauch pro Haushalt in Österreich orientieren. Für den restlichen Verbrauch muss der stark gestiegene Strompreis gezahlt werden. Die sozialdemokratische Opposition macht Druck auf die Regierung, schnell zu handeln. Der energiepolitische Sprecher der SPÖ, Alois Schroll, kritisiert die monatelange Prüfung.

    Bonus plus Strompreisdeckelung

    In Deutschland ist ein ähnliches Modell derzeit für den Gaspreis in der Diskussion. Bis zu einem Grundverbrauch solle für Haushalte ein Preisdeckel gelten, was darüber hinaus verbraucht wird, müsste mit dem Marktpreis bezahlt werden. Vorgeschlagen hatten es unter anderem das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und die CSU.

    Den Preisschock auf den Energiemärkten versucht die schwarz-grüne Regierung in Wien seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges abzufedern. Dazu hat die Koalition bereits drei Pakete geschnürt, um besonders belastete Bevölkerungsgruppen zu entlasten. Jeder Bürger in Österreich bekommt beispielsweise im Oktober 500 Euro als Klimabonus. Nun soll die Strompreisdeckelung hinzukommen.

    Zur Finanzierung hat sich der zuständige Minister Brunner aber bislang nicht konkret geäußert. Die oppositionelle SPÖ fordert nach dem Vorbild Spaniens, Energiekonzerne mit einer Übergewinnsteuer zur Finanzierung heranzuziehen (Europe.Table berichtete). “Die Milliarden-Übergewinne von Energiekonzernen müssen abgeschöpft werden, um damit Anti-Teuerungsmaßnahmen wie den von uns geforderten Energiepreisdeckel zu finanzieren”, sagte SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer.

    Doch Brunner lehnt diese populäre Forderung ab. Zudem wurde Österreichs größter Stromkonzern Verbund ohnehin bereits über eine Sonderdividende zur Kasse gebeten, die auf Druck von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) beschlossen wurde.

    Strompreis: Österreich will Spaniens Beispiel folgen

    Mit ihrer geplanten Strompreisdeckelung stehen die Österreicher in der EU nicht allein da. Bereits im Mai hatte Spanien eine staatlich verordnete Verbilligung eingeführt (Europe.Table berichtete). Dadurch wurde nach Angaben der Regierung in Madrid 70 Prozent des Stromverbrauchs deutlich preiswerter. In Spanien war die Situation besonders prekär, weil der regulierte Stromtarif direkt an den Strombörsen hängt (Europe.Table berichtete). Auch Portugal hatte parallel zum großen Nachbarland reagiert.

    Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) will nach dem Vorbild Spaniens und Portugals den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln (Europe.Table berichtete) und dadurch den Strompreis senken. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner schlägt vor, das bisherige Grenzkosten-Prinzip abzuschaffen. Nach diesem Marktdesign erhalten alle Energieträger unabhängig von ihren Stromerzeugungskosten – egal ob aus Windkraft, Wasserkraft oder Photovoltaik – den Strompreis als Vergütung, der durch teure Gaskraftwerke gesetzt wird.

    Unterstützung kommt vom Ökonomen Felbermayr. Er hält zwar grundsätzlich am bisherigen Marktdesign fest, trotzdem müsse man europaweit überlegen, wie die Koppelung des Gas- und des Strompreises entschärft werden können. “Die iberische Lösung ist keine ganz verkehrte”, sagt er.

    Anders als in Spanien ist in Österreich die öffentliche Kritik der Energieerzeuger kaum wahrnehmbar. Der Grund für die Zurückhaltung liegt auf der Hand: Der börsennotierte Marktführer Verbund ist mehrheitlich in Staatsbesitz. Den Posten des CEO hat der frühere oberösterreichische Landespolitiker Michael Strugl von der ÖVP inne.

    Die EU-Kommission ist unterdessen nicht begeistert vom Vorgehen Österreichs. Der in Wien lebende Haushaltskommissar Johannes Hahn (ÖVP) kritisierte im ORF zuletzt (Europe.Table berichtete), dass er kein großer Freund von Preisobergrenzen sei. “Wenn einkommensschwache Haushalte unter den hohen Energiepreisen leiden, sollten ihnen prioritär und direkt geholfen werden”, sagt der in Österreich exzellent vernetzte Kommissar.

    • Energie
    • Energiepolitik
    • Energiepreise
    • Erdgas
    • Österreich

    News

    Studie: Deutschland kann Winter ohne russisches Gas überstehen

    Sollte Russland seine Gaslieferungen in den kommenden Wochen komplett einstellen, müsste Deutschland bis zum Frühjahr den Gasverbrauch um etwa 25 Prozent reduzieren. Das geht aus einer gemeinsamen Untersuchung der Universität Bonn und der Universität zu Köln hervor. Auch wenn die geplanten Flüssiggasterminals im Winter wie geplant in Betrieb gingen, seien Einsparungen von 210 Terawattstunden (TWh) bis April 2023 nötig.

    Würde man Einsparungen im Gasverbrauch einberechnen, die sich durch alternative Energiequellen in der Stromerzeugung erzielen lassen, wäre laut den Forschenden immer noch eine Reduzierung von rund 20 Prozent notwendig. Eine solche Reduktion sei bei kollektiver Einsparung von Industrie, Haushalten, Gewerbe und dem öffentlichen Sektor umsetzbar, “wenn schnell Maßnahmen getroffen werden, um Gas einzusparen”, lautet das Fazit der Studie. Panikmache sei daher fehl am Platz. “Deutschland kann den nächsten Winter ohne russisches Gas zu überschaubaren Kosten überstehen”, twitterte Georg Zachmann, Bruegel-Analyst und einer der Studienautoren.

    Der EU-Notfallplan sieht durchschnittlich 15 Prozent Einsparungen für die Mitgliedstaaten vor. Allerdings werden einzelne Staaten voraussichtlich deutlich mehr Gas einsparen müssten als 15 Prozent (Europe.Table berichtete). Die Internationale Energieagentur (IEA) fordert ein durchschnittliches Einsparungsziel von 20 Prozent. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, gab ebenfalls 20 Prozent Gaseinsparung als Ziel der Bundesregierung aus.

    Ökonomische Kosten bei Stopp der Gaslieferungen Russlands handhabbar

    Die ökonomischen Kosten der Anpassung an einen Importstopp seien zwar “substanziell, aber mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen handhabbar“, heißt es in der Untersuchung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurde. Es drohten im Fall eines Stopps russischer Gasimporte “weder Massenarmut noch Volksaufstände, sondern Produktionseinbußen, die Deutschland schon in der Vergangenheit bewältigt hat, wenn es sich Krisen stellen musste”.

    Die bisherigen Anstrengungen der Bundesregierung zur Nachfrageanpassung sehen die Autoren kritisch. Die Fokussierung auf die Erhöhung der Speicherstände und die Vernachlässigung von Anpassungsmaßnahmen sei nicht geeignet gewesen, Deutschlands Abhängigkeit von Russland und die politische Erpressbarkeit durch Moskau zu beenden. Die Autoren fordern deshalb schnelle Maßnahmen zu Gaseinsparung.

    “Je früher wir mit der Verringerung der Nachfrage beginnen, desto billiger wird sie sein”, mahnt Zachmann. Eine frühere Reduzierung der Gasnachfrage führe nicht nur dazu, dass mehr Gas gespeichert wird, sondern auch, dass die Nachfrageelastizität mit der Vorlaufzeit zunehme, so der Energie-Experte. luk

    • Deutschland
    • Energiepolitik
    • Erdgas

    Kommission will Bewertung von Waldbrandrisiken harmonisieren

    Um sich auf besser auf das steigende Waldbrandrisiko in Europa einstellen zu können, soll die Bewertung der Gefahrenlage in den verschiedenen Regionen vergleichbarer werden. Ein entsprechendes Instrument hat die Europäische Kommission am Freitag vorgestellt.

    Gemeinsam mit Brandexperten aus 43 Ländern hat die Brüsseler Behörde Daten aus den vergangenen 20 Jahren zusammengetragen, ausgewertet und harmonisiert. So soll ein Risiko-Vergleich und die Bewertung der Waldbrandgefahr auf gesamteuropäischer Ebene ermöglicht werden.

    Einschätzung der Waldbrandgefahr in der EU bisher sehr unterschiedlich

    Das sei erforderlich, um die Planung und Koordinierung von Präventionsmaßnahmen und grenzüberschreitender Brandbekämpfung zu verbessern, heißt es in dem Bericht. Die Entwicklung eines paneuropäischen Ansatzes ergebe sich aus einer Reihe von EU-Verordnungen, die von der Kommission verlangten, einen umfassenden Überblick über das Waldbrandrisiko in Europa zu haben.

    Bislang seien in den verschiedenen Regionen und Ländern sehr unterschiedliche Methoden angewandt worden, was ein Hindernis bei der Bewertung der Risiken insbesondere bei grenzüberschreitenden Bränden darstelle, teilte die Kommission mit.

    Die Entwicklung in Europa sei besorgniserregend. So verbrannte in der EU nach Kommissionsangaben 2019 eine Fläche von mehr als 4000 Quadratkilometer, im Jahr darauf 3400 und im vergangenen Jahr 5000. til

    • Europapolitik
    • Klima & Umwelt
    • Umweltschutz

    Türkei: Vier Schiffe verlassen ukrainische Häfen, eines legt an

    Vier weitere Getreidefrachter haben aus ukrainischen Häfen abgelegt. Die unter anderem mit Sonnenblumenöl und Mais beladenen Schiffe mit den Zielen China, Türkei und Italien seien auf dem Weg nach Istanbul, um dort kontrolliert zu werden, teilte das türkische Verteidigungsministerium am Sonntag auf Twitter mit. Insgesamt haben damit seit Abschluss des Getreide-Abkommens acht Frachter aus der Ukraine abgelegt.

    Der Getreidefrachter “Razoni”, der als erstes Schiff nach dem Abkommen zwischen der Ukraine und Russland einen ukrainischen Hafen verlassen hat, wird nicht wie erwartet an diesem Sonntag im Libanon ankommen. Das teilt die dortige ukrainische Botschaft auf Anfrage mit. Die “Razoni” hatte den ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa am Montag verlassen und sollte an diesem Sonntag in Tripoli festmachen. Der Frachter habe Verspätung, teilt die ukrainische Botschaft mit, nennt aber keine Einzelheiten.

    Agrarexporte über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen waren wegen des russischen Angriffskrieges zuvor monatelang blockiert (Europe.Table berichtete). Die Kriegsgegner Ukraine und Russland unterzeichneten am 22. Juli unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen (Europe.Table berichtete), um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Ein Koordinierungszentrum in Istanbul ist mit Vertretern der vier Parteien besetzt. Die Inspektionen sollen unter anderem sicherstellen, dass mit den Schiffen keine Waffen transportiert werden.

    Zudem hat nach dem Ende der russischen Seeblockade erstmals auch wieder ein Frachtschiff in einem ukrainischen Hafen angelegt. “Der Schüttgutfrachter Fulmar S ist im Hafen Tschornomorsk angekommen und bereit zum Beladen”, teilte das ukrainische Infrastrukturministerium am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal mit. Mit dem Einlaufen der Fulmar S habe der Getreidekorridor nun einen “Ein- und Ausgang”, erklärte Infrastrukturminister Olexander Kubrakow. Das sei ein wichtiges Signal für die Märkte.

    Getreide: Landwirte in der Ukraine unter Druck

    Die Ukraine will in Zukunft auch die Freigabe des Seehafens Mykolajiw für die Getreidetransporte erwirken. Ein entsprechender Vorschlag sei an die UN und die Türkei ergangen, teilte Kubrakow mit. Ziel sei es, die Getreideexporte auf drei Millionen Tonnen pro Monat anzuheben.

    Ukrainische Landwirte stehen aber trotz der Wiederaufnahme der Getreideexporte über das Schwarze Meer unter starkem Druck. In diesem Jahr würden absehbar nur rund 20 Millionen Tonnen Weizen geerntet, etwa zwei Drittel des Ertrags im Vorjahr vor Beginn des russischen Angriffskriegs, sagte der ukrainische Vize-Landwirtschaftsminister Taras Wyssozkyj den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntag). dpa/rtr

    • Export
    • Türkei

    Putin und Erdogan wollen Zusammenarbeit ausbauen

    Russland und die Türkei wollen ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit ausweiten. Die Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan teilten am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung nach ihrem Treffen im russischen Sotschi mit, die Kooperation beider Länder solle in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Finanzen und Bau vertieft werden. Nach Angaben des russischen Vizeministerpräsidenten Alexander Nowak erklärte sich die Türkei zudem bereit, Teile der Energielieferungen aus Russland künftig in Rubel zu zahlen.

    Putin und Erdogan bekannten sich zudem zu dem Getreideabkommen, das Russland und die Ukraine unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen (UN) unterzeichnet hatten. Das umfasse auch den ungehinderten Export von russischem Getreide sowie Dünger und Rohstoffen, hieß es in der am Freitag veröffentlichten Erklärung.

    Außerdem versicherten die beiden Präsidenten einander, bei der Bekämpfung “aller terroristischen Organisationen in Syrien” in gegenseitiger Abstimmung und Solidarität zu handeln. Die Türkei hatte gegen den Widerstand Russlands mit Militäreinsätzen gegen kurdische Milizen Gebiete im Norden Syriens besetzt. rtr

    • Finanzen
    • Geopolitik
    • Landwirtschaft
    • Türkei

    EU-Agrarförderung: Ausnahmen im Klima- und Artenschutz möglich

    Wenn Landwirte EU-Fördermittel nutzen, müssen sie nach Angaben des Bundesagrarministeriums auch 2023 “Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand” einhalten. Dazu gehörten der Fruchtwechsel auf Ackerland, also der jährliche Wechsel der Hauptkultur, sowie eine Umwandlung eines Mindestanteils von vier Prozent der Ackerfläche in Artenvielfaltsflächen.

    Angesichts der Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten aber die Möglichkeit eingeräumt, im Jahr 2023 zur Lebensmittelproduktion ausnahmsweise die Standards zu lockern (Europe.Table berichtete): So kann der verpflichtende Fruchtwechsel den Angaben zufolge ausgesetzt werden, ebenso die Verpflichtung zu vier Prozent nichtproduktiven Flächen (Europe.Table berichtete).

    EU-Agrarförderung: Landwirte können Regeln freiwillig umsetzen

    Nutzen die EU-Staaten diese Ausnahmeregelungen (Europe.Table berichtete), müssen sie dies der EU-Kommission laut Agrarministerium spätestens am 28. August mitteilen. Für Landwirte bestehe aber keine Verpflichtung, die Ausnahmeregelungen anzuwenden, hieß es. Wer also etwas für Klima- und Artenschutz im Rahmen der EU-Agrarförderung tun wolle, könne die ab 2023 geltenden EU-Regelungen weiterhin anwenden. dpa

    • Agrarpolitik
    • Europapolitik
    • Klima & Umwelt
    • Landwirtschaft

    Italien: Azione-Partei zieht sich aus Mitte-Links-Wahlbündnis zurück

    Rückschlag für das das linke Lager in Italien wenige Wochen vor der mit Spannung erwarteten Parlamentswahl: Die Partei Azione will das erst vor wenigen Tagen gebildete Mitte-Links-Wahlbündnis (Europe.Table berichtete) vor dem Urnengang Ende September wieder verlassen. “Dies war die schmerzhafteste Entscheidung meines Lebens”, sagte Parteichef Carlo Calenda am Sonntag dem staatlichen Fernsehsender Rai Tre. Er begründete den Schritt damit, dass dem Bündnis auch Parteien angehörten, die gegen die Regierung des amtierenden Ministerpräsidenten Mario Draghi gestimmt hätten. Dessen Einheitsregierung ist im Juli zerbrochen, weshalb nun Neuwahlen anstehen.

    Letta: Parlamentswahl in Italien durch Allianz offenes Rennen

    Das linke Lager hatte ein Bündnis mit Kräften der bürgerlichen Mitte geschlossen und sieht sich damit für die Neuwahl am 25. September (Europe.Table berichtete) gestärkt. Der Chef der sozialdemokratischen Partei PD, Enrico Letta, sagte erst kürzlich, die Allianz mit der Partei Azione mache die Parlamentswahl zu einem offenen Rennen. In Umfragen gilt derzeit das konservativ-rechte Lager als Favorit, wobei die rechtsextremen “Brüder Italiens” sogar als stärkste Partei hervorgehen könnten.

    Dem rechten Block werden 45 Prozent Zustimmung vorhergesagt, der PD und Azione zusammen knapp 30 Prozent. Das italienische Wahlrecht begünstigt allerdings Parteien, die breite Bündnisse eingehen. Laut Letta hofft seine neue Allianz auf weiteren Zulauf aus der fragmentierten politischen Landschaft Italiens.

    Azione und ihr Verbündeter +Europa bringen in Umfragen zwar nur fünf bis sieben Prozent Wählerzustimmung auf die Waage. Doch zwei ranghohe Mitglieder von Silvio Berlusconis konservativer Forza Italia waren jüngst zur Azione übergewechselt. Sie begründeten den Schritt damit, dass die politische Ausrichtung des konservativen Blocks zu extrem geworden sei. Er besteht aus der Forza Italia, der Lega und den “Brüdern Italiens”. rtr

    • Demokratie
    • Italien
    • Mario Draghi

    EU schreibt partizipative Studie zur Zukunft von Online-Plattformen aus

    Die EU-Kommission hat eine Ausschreibung für eine zweijährige partizipative Studie über die Zukunft von Online-Plattformen veröffentlicht. Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) hat die EU einen neuen Rechtsrahmen für Online-Plattformen geschaffen. Die Studie soll nun langfristige Trends und Perspektiven der Online-Plattformen analysieren. So will die Kommission sichergehen, dass der Rechtsrahmen zukunftsorientiert umgesetzt wird. Gleichzeitig soll die Studie Daten für das Monitoring liefern und so die Arbeit der Kommission in diesem Bereich unterstützen.

    Wer sich für die Durchführung der Studie bewerben will, muss einen umfassenden Forschungsprozess für zehn spezifische Themen konzipieren und entwickeln, die in Zusammenarbeit mit allen Kommissionsdienststellen festgelegt werden. Die Frist für die Einreichung von Angeboten endet am 22. September 2022 um 16 Uhr.

    EU-Studie zu Online-Plattformen: Entwicklung von Metaversen

    Ein Beispiel für einen sich abzeichnenden Trend, der eingehend untersucht werden soll, ist die Konzentration der wirtschaftlichen Macht im digitalen Bereich. In diesem Zusammenhang sollten die sich verändernde Rolle der Online-Plattformen und die Stellung der KMU in der EU in den industriellen Lieferketten speziell untersucht werden.

    Weitere Themen sind die Zukunft der Nutzung persönlicher Daten und der Online-Identität in der digitalen Plattformökonomie, einschließlich der Entwicklung von Metaversen, Augmented Reality und der Zukunft der sozialen Medien. Die Studie wird auch langfristige Fragen zur Zukunft der globalen Standardisierung im digitalen Bereich, zur Zukunft des Staats als Plattform (government-as-a-platform) sowie zur Zukunft des geistigen Eigentumsrechts untersuchen. vis

    • Digital Markets Act
    • Digital Services Act
    • Digitalisierung
    • Digitalpolitik
    • Plattformen

    Presseschau

    Österreich will Hass im Internet stärker verfolgen WELT
    Griechischer Premier unter Druck: Welche Rolle spielte Mitsotakis in der Abhöraffäre? RND
    Atommeiler dürfen Frankreichs Flüsse stärker erwärmen NTV
    Bundesnetzagentur: Bürger müssen “viel mehr” Energie sparen BR
    Christian Lindner will Fortsetzung von 9-Euro-Ticket nicht finanzieren ZEIT
    Volker Wissing dringt auf schnelleren Ausbau von Ladesäulen ZEIT
    Cem Özdemir will mehr Getreideanbau ermöglichen ZEIT
    SPD-Chefin wirbt für Übergewinnsteuer – FDP-Generalsekretär warnt FAZ
    SPD-Fraktionsvize bringt Nachtragshaushalt für Entlastungen ins Spiel HANDELSBLATT

    Heads

    Monika Griefahn – Kämpferin für E-Fuels

    Monika Griefahn setzt sich mit der E-Fuel Alliance dafür ein, dass auch Verbrenner CO2-neutral fahren können.
    Monika Griefahn setzt sich mit der E-Fuel Alliance dafür ein, dass auch Verbrenner CO2-neutral fahren können.

    Das Thema Umweltschutz begleitet Monika Griefahn seit ihrer Kindheit. 1954 in Mühlheim-Ruhr geboren, wuchs sie im Ruhrgebiet inmitten seiner verschmutzten Luft auf. “Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Alles war gelb von den Schwefelschwaden. Die Wäsche war immer dreckig, wenn man sie draußen aufhängte”, berichtet Griefahn.

    Einige Jahrzehnte später blickt sie auf eine berufliche Karriere in der Politik zurück, in der das Thema Umwelt fast immer im Vordergrund stand. Heute engagiert sich die ehemalige niedersächsische Umweltministerin und Bundestagsabgeordnete (1998-2009) bei der E-Fuel Alliance für nachhaltige Kraftstoffe. Kraftstoffe, die durch CO2 aus der Atmosphäre, Wasserstoff und Ökostrom auch den alten Opel Corsa klimafreundlich fahren lassen (Europe.Table berichtete).

    Monika Griefahn ist seit 2021 Sprecherin der E-Fuel Alliance

    Nach der Schule geht Griefahn nach Hamburg und studiert dort Soziologie und Mathematik. Die wachsende Industrie schwemmt dort Chemikalien in die Elbe. Als Reaktion engagiert sich Griefahn in Bürgerinitiativen und schreibt ihre Doktorarbeit über das Produktionssystem Cradle to Cradle. Eine Art, Produkte herzustellen, sodass ihre Bestandteile vollständig wiederverwertet oder kompostiert werden können.

    1980 gründet sie mit einigen anderen Aktivisten den deutschen Ableger der weltgrößten Umweltorganisation – Greenpeace. Ihr Einsatz dort findet auch in der Politik Anklang. Als Gerhard Schröder 1990 sein Kabinett für die Landesregierung in Niedersachsen zusammenstellt, fällt seine Wahl für die Umweltministerin auf die Greenpeace-Chefin. “Schröder hat sich wohl gedacht: Die Frau kann wirklich was ändern”, sagt Griefahn.

    Heute hat Monika Griefahn sich von der Politik verabschiedet und arbeitet stattdessen direkt an Lösungen für die Klimakrise. Als Sprecherin der E-Fuel Alliance setzt Monika Griefahn sich seit 2021 dafür ein, auch die Autos klimafreundlich zu gestalten, die heute schon auf unseren Straßen fahren: Derzeit gibt es über 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf der Erde (Europe.Table berichtete). “Wir werden sie nicht einfach verschrotten können. Selbst Autos, die heute bei uns aussortiert werden, fahren oft morgen woanders weiter”, sagt Griefahn.

    Abhängigkeit von einzelnen Staaten verringern

    E-Fuels sollen eine Lösung bieten. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus CO2 und Wasserstoff. Je nach chemischer Zusammensetzung gleichen sie Benzin, Rohöl oder Diesel. Produktionsanlagen gibt es dafür noch kaum, dabei wären E-Fuels laut Griefahn eine Antwort auf eine Vielzahl von Problemen. “Aktuell importieren wir 60 Prozent fossile Energie aus Ländern wie Russland und Saudi-Arabien. Ich sehe kein Problem darin, in den Bau von großen Anlagen zur Produktion von klimafreundlichen E-Fuels in vielen verschiedenen Ländern zu investieren”, sagt Griefahn.

    Länder wie Namibia, Japan, Algerien, Marokko und Australien zeigen bereits Interesse an der Idee. Eine Kooperation mit diesen Ländern stellt die europäische Energieversorgung nicht nur klimafreundlicher und diverser auf, sondern verringert auch die Abhängigkeit von einzelnen Staaten, so Griefahn.

    Für die Klimakrise braucht es vielfältige Lösungen. In Monika Griefahns Augen fehlt der Politik dafür noch der Blick. “Wissen wir denn, dass die E-Mobilität die einzige wahre Lösung ist? Ich weiß es nicht. Allein der Kupferverbrauch spricht schon dagegen.” Man müsse Wege finden, die Ressourcen zu nutzen, die schon im Umlauf sind und für neue Ideen offenbleiben: “Wir dürfen Ingenieurs- und Erfindergeist nicht zu sehr einschränken.Svenja Schlicht

    • E-Fuels
    • Elektromobilität
    • Energie
    • Klima & Umwelt
    • Klimapolitik
    • Verkehrspolitik

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen