angesichts des Russland-Ukraine-Konflikts reist die neue Außenministerin Annalena Baerbock nach ihrem Besuch gestern in Kiew heute weiter nach Moskau. Vor dem Hintergrund der russischen Drohkulisse und der damit anhaltenden Sanktionsdebatte erwartet sie dort ein schwieriges Gespräch mit ihrem Amtskollegen Sergej Lawrow, wie Falk Steiner in den News aufzeigt.
Die Gaspipeline Nord Stream 2 wird bei dem Gespräch ganz sicher auch eine Rolle spielen. Lawrows Ministerium hatte gestern davor gewarnt, das Zertifizierungsverfahren zu politisieren. Erneute Zweifel an dem Projekt äußerte dagegen RWE-Chef Markus Krebber am Montag. Er warb stattdessen für ein deutsches LNG-Terminal. Dieses könne als Versicherung in Krisenzeiten dienen, analysiert mein Kollege Manuel Berkel .
Im EU-Parlament wurde gestern des verstorbenen Parlamentspräsidenten David Maria Sassoli gedacht. Heute steht die Wahl seiner Nachfolgerin Roberta Metsola an, die zwar auch Gegenkandidaten hat, diese aber kaum fürchten muss. Mit Metsola wird neben der Kommission die zweite EU-Institution von einer konservativen EVP-Politikerin geführt werden, wie Eric Bonse erklärt. Er hat zudem einen Blick auf die 14 designierten Stellvertreter:innen geworfen und bemerkt, dass sich dort ein etwas diverseres Bild ergibt.
Die derzeitige geopolitische Lage wird nach Ansicht des Versorgers RWE noch einige Zeit für Unsicherheit auf den Energiemärkten sorgen. “Es wird länger dauern, bis sich die Preise stabilisieren“, sagte CEO Markus Krebber am Montag beim Handelsblatt Energie-Gipfel in Berlin.
Im Strommarkt stand der Day-Ahead-Preis für Baseload mittags bei 235,87 Euro, an der EEX wurde das Kalenderjahr 2023 mit 115,10 Euro gehandelt. Gas-Futures für Februar am niederländischen Handelspunkt TTF starteten am Montagmorgen bei 91 Euro pro Megawattstunde, nachdem sie am Freitag noch bei 86,97 Euro geschlossen hatten. Am Wochenende hatte die Nachrichtenagentur Reuters über Gespräche zwischen dem US-Außenministerium und europäischen Versorgern über Notfallpläne berichtet. Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine bereiten die USA demnach Gaslieferungen nach Europa vor, falls Russland als Reaktion auf mögliche Sanktionen die Gaslieferungen in den Westen stoppen sollte (Europe.Table berichtete).
Vor diesem Hintergrund warb der RWE-CEO für ein eigenes deutsches Terminal zum Import von Flüssigerdgas. “Ein LNG-Terminal für Deutschland gehört auf die energiepolitische Agenda”, sagte Krebber. Die Essener haben sich Importkapazitäten für das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel gesichert, das von einem Joint-Venture unter Führung von Gasunie gebaut werden soll, aber unter erheblichem Druck von Umweltverbänden steht. Außerdem untersucht RWE nach eigenen Angaben die Möglichkeit, über das Terminal Wasserstoff zu importieren. Pläne für ein weiteres LNG-Terminal in Deutschland verfolgt die Hanseatic Energy Hub GmbH in Stade.
Laut Krebber brauche es den politischen Willen für ein LNG-Terminal in Deutschland. Unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten werde wahrscheinlich kein deutsches Terminal errichtet, sagte er in Berlin. Falls sich die aktuelle Krise auflöse, würde solch eine Anlage wahrscheinlich gar nicht genutzt. Ein eigenes deutsches Terminal stelle vielmehr eine Versicherung dar.
Krebber streute zudem weitere Zweifel an der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 (Europe.Table berichtete), an der die deutschen Konzerne Uniper und Wintershall Dea finanziell beteiligt sind. Mengenmäßig reiche die vorhandene Infrastruktur aus, sagte der RWE-Chef. Thema sei eher die Diversifizierung der Importe.
Die aktuell hohen Energiepreise in Europa sollten nach Ansicht von Krebber nicht energiewirtschaftlich gelöst werden. Hohe Preise seien eigentlich genau der richtige Anreiz, um in den klimaneutralen Umbau von Industrie und Energieversorgung zu investieren. Die hohen Preise könnten laut Krebber aber auch zu einer schleichenden Deindustrialisierung führen. Zuerst gehe die Energienachfrage in der industriellen Produktion zurück.
Im Streit um die Nachhaltigkeit von neuen Gaskraftwerken warb Krebber für Pragmatismus. “Wenn wir mit der Förderung auf grünen Wasserstoff warten, wird die Investition nicht in Deutschland stattfinden können”, sagte der RWE-Chef und warb außerdem für eine abgestimmte Planung von Wasserstoff-Leitungen. Kraftwerksinvestoren müssten wissen, wann an welchen Standorten Wasserstoff verfügbar sei. Von Manuel Berkel
Der Wachwechsel geht auf eine Übereinkunft von EVP, S&D und Renew von 2019 zurück. Nach der Europawahl hatten die drei größten Fraktionen vereinbart, den Präsidenten zur Halbzeit der Legislatur auszuwechseln. So sollte die Machtbalance in den EU-Institutionen gewahrt werden. Allerdings wird die EVP mit der Wahl Roberta Metsolas zwei der drei großen Institutionen (Europaparlament, Kommission und Rat) führen.
Neben Roberta Metsola (EVP) kommt auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) aus der konservativen Parteienfamilie. Beide wollen künftig als Team auftreten und der EU ein neues, weibliches Gesicht geben, heißt es bei der EVP. Dass sich Roberta Metsola gegen die Abtreibung ausspricht und ein konservatives Familienbild pflegt (Europe.Table berichtete), stehe dem nicht entgegen, sagen Vertreter von EVP und Renew. Sie habe sich verpflichtet, in der Abtreibungs-Frage die Mehrheitsmeinung des Parlaments zu vertreten.
Ein ganz anderes, weniger konservatives Bild ergibt sich bei den stellvertretenden Parlamentspräsidenten. Nach einem zwischen den Fraktionen vereinbarten “Paket”, das allerdings noch einmal aufgeschnürt werden könnte, sollen die Sozialdemokraten fünf Vizepräsidenten stellen. Dies wären Katarina Barley, Eva Kaili, Pedro Silva Pereira, Pina Picierno und Evelyn Regner. Für die EVP sind Othmar Karas, Ewa Kopacz und Rainer Wieland nominiert. Letzterer war zuletzt in die Kritik geraten, weil ihm vorgeworfen wird, seine Büroräume im EP-Gebäude für über 600.000 Euro aus Steuergeldern saniert zu haben. Wieland selbst weist die Vorwürfe zurück.
Auf der Liste von Renew kandidieren Nicola Beer aus Deutschland, Dita Charanzová (Tschechien) und Michal Šimečka (Slowakei). Die Grünen sollen zwei Stellvertreter erhalten, die Linke einen. Insgesamt sind 14 Vizepräsidenten vorgesehen. Generalsekretär des Parlaments bleibt voraussichtlich Klaus Welle (EVP/CDU).
Begleitet wird das Personalpaket von einem Programm, in dem die drei Fraktionen die Prioritäten für den zweiten Teil der Legislaturperiode festzurren. “Unsere pro-europäischen Fraktionen werden noch enger zusammenarbeiten”, heißt es in einem Entwurf vom Montag, der Europe.Table vorliegt. Es gehe darum, Reformen im Interesse aller Bürger zu beschleunigen und das europäische Projekt zu erneuern.
Im Detail enthält das Zehn-Punkte-Papier jedoch nicht viel Neues. EVP, S&D und Renew bekennen sich zum Rechtsstaat und fordern, den neuen Konditionalitäts-Mechanismus “ohne Verzögerung” einzusetzen. In der Klimapolitik schreiben sie einen “Klimasozialfonds” fest, ohne jedoch eine Größenordnung zu nennen.
Außerdem fordern die drei großen Fraktionen ein Initiativrecht für das Europaparlament. Von der Leyen hatte dies zu Beginn ihrer Amtszeit zugesagt, ihr Versprechen aber bisher nicht in die Tat umgesetzt. Mit Stephan Israel
19.01.2022 – 12:00-18:00 Uhr, online
Deutsche Medienakademie, Konferenz Next-Gen-Networks aus Unternehmenssicht
Die Deutsche Medienakademie beschäftigt sich mit der Frage, was absehbare Veränderungen in den Bereichen Breitband, Cloud, Security, Resilienz etc. für die Netzstrategie der Unternehmen bedeutet. INFOS & ANMELDUNG
19.01.2022 – 15:00-17:00 Uhr, online
DIHK, Seminar Sustainable Product Initiative – political explanations, business perspectives
Das Seminar des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) geht der Frage nach, worauf sich Betriebe im Zuge des neuen Rechtsrahmens zur Förderung der Nachhaltigkeit diverser Produkte (Sustainable Product Initiative) einstellen müssen. INFOS & ANMELDUNG
19.01.2022 – 15:30-16:30 Uhr, online
BVMW, Q&A Das Lieferkettengesetz in der unternehmerischen Praxis
Die Frage- und Antwortrunde des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) addressiert häufig gestellte Fragen in Bezug auf die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf die Alltagspraxis von Unternehmen.
INFOS & ANMELDUNG
19.01.2022 – 17:00-18:30 Uhr, online
VDE, Seminar Nachhaltigkeit als zukünftiger Wettbewerbsfaktor – Industrie 4.0 als Schlüssel zum Erfolg
Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) stellt in diesem Seminar einen konkreten Lösungsweg für das Thema CO2-Reporting im Schaltschrankbau vor. ANMELDUNG VIA E-MAIL
19.01.2022 – 18:00-19:30 Uhr, online
FES, Diskussion Die “Taiwan-Frage” – Zunehmendes Eskalationspotenzial, veränderte Debatte in Europa
Die Friedrich-Ebert-Stfitung (FES) widmet sich in dieser Diskussionsrunde dem taiwanisch-chinesischen Souveränitätskonflikt und fragt, welche Interessen für Europa und Deutschland auf dem Spiel und welche politischen Optionen zur Verfügung stehen. INFOS & ANMELDUNG
20.01.2022 – 16:00-17:30 Uhr, online
HBS, Konferenz Auf dem Weg zu einer neuen Klima-Außenpolitik
Auf der Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) werden die EU-China-Beziehungen im Schatten der Klimakrise diskutiert. Es geht um die Bedeutung des CBAM, die wachsenden Spannungen zwischen China und den USA und um die Frage, ob eine Kooperation mit China trotz offener Menschenrechts- und Wirtschaftsfragen möglich ist. INFOS & ANMELDUNG
Deutschland drängt im Russland-Ukraine-Konflikt auf eine Wiederbelebung des sogenannten Normandie-Formats. In diesem Kreis, bestehend aus Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland, solle nach friedlichen Lösungen gesucht werden, so Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag bei einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. “Diplomatie ist der einzige Weg”, betonte sie. Forderungen der ukrainischen Staatsführung nach Waffenlieferungen begegnete Baerbock in Kiew erneut mit dem Hinweis auf eine geschichtlich begründete Zurückhaltung der Bundesrepublik bei Rüstungsexporten.
Neue Gespräche in Normandie-Zusammensetzung wolle sie auch bei ihrem Besuch in Moskau am Dienstag im Gespräch mit Außenminister Sergej Lawrow thematisieren. Baerbock ist seit fünf Wochen im Amt, ihr heutiger Gesprächspartner und Amtskollege Lawrow seit bald 18 Jahren. Der russische Außenminister warf dem Westen im Vorfeld des Gesprächs erneut vor, “die Architektur internationaler Beziehungen zu unterminieren und das Völkerrecht durch eigene Regeln zu ersetzen“.
In der Ankündigung des russischen Außenministeriums heißt es, man sei “enttäuscht über den derzeitigen Stand der russisch-deutschen Beziehungen”. Neben den aktuellen Krisen wolle man auch über Wirtschaft, Handel, Kultur und Denkmalpflege sprechen, so das russische Außenministerium. Und weiter: “Ein besonderes Augenmerk wird auf der Förderung der Zusammenarbeit in den Bereichen erneuerbare Energien und Wasserstoff, Klimaschutz und Umwelt liegen.”
Unterdessen unterstrich Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch in Madrid erneut, dass weitere Agressionen der russischen Seite in politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen münden würden. Derweil wird US-Außenminister Anthony Blinken am Donnerstag zu weiteren Gesprächen in Berlin erwartet. Dabei dürfte es nicht zuletzt um die europäische und speziell deutsche Gasversorgung im Falle weiterer Anspannungen gehen.
Ein erster Anlauf für neue US-Sanktionen gegen Russland, der auch die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 mit einschließen sollte, war am Donnerstag im US-Senat gescheitert. Allerdings steht ein anderer, aussichtsreicherer und von US-Präsident Biden begrüßter Sanktions-Gesetzentwurf noch aus: Diese “Mutter aller Sanktionen”, wie US-Senator Bob Menendez nennt, der den Text eingebracht hat, würde “weit über das hinausgehen, was man von Sanktionen kennt”. Unter anderem sollten die Rohstoffindustrie und die Möglichkeiten für Staatsschulden sanktioniert werden, so der Vorsitzende des Senatsausschusses für Auswärtiges Menendez im Interview mit MSNBC.
Während deutsche Medien berichte, dass ein SWIFT-Ausschluss der Russischen Föderation vorerst vom Tisch sei, hält Menendez an dieser Option weiter fest. Allerdings sollen die Menendez-Sanktionen erst im Falle eines Angriffs Russlands auf den derzeit unabhängigen Teil der Ukraine in Kraft treten.
Russlands Außenministerium betonte in seiner Mitteilung am Montag, dass es das derzeit ausgesetzte Zertifizierungsverfahren zu Nord Stream 2 beobachte: Die “Zertifizierung durch die deutschen Regulierungsbehörden und die Europäische Kommission darf nicht künstlich verzögert und politisiert werden” und müsse unter strikter Einhaltung der geltenden Vorschriften erfolgen, so das Ministerium. fst/rtr
Mehr als 2 Milliarden Euro an EU-Mitteln, die Unternehmen helfen sollen, ihre Energieeffizienz zu verbessern, trugen nur wenig zu den Klimaschutzzielen bei. Sie finanzierten in einigen Fällen Investitionen, die ohnehin getätigt worden wären. Das teilte der Europäische Rechnungshof in einem am Montag veröffentlichten Sonderbericht mit. Die Prüfer forderten mehr Klarheit bei der Überprüfung, wie sich die EU-Finanzierung tatsächlich auf die Energieeffizienz der Unternehmen auswirkt.
Die EU betrachtet die Eindämmung des Energieverbrauchs als wesentlich für das Erreichen der Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Die rekordhohen Gas- und Strompreise der letzten Monate haben den Fokus auf Maßnahmen zum Energiesparen noch verstärkt.
Die EU gab im Zeitraum von 2014 bis 2020 insgesamt 2,4 Milliarden Euro aus ihrem Haushalt aus, um die Energieeffizienz in Unternehmen zu fördern. Diese Summe schließt Energieaudits und Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs oder der Energieintensität in der Industrie, im Dienstleistungssektor oder im öffentlichen Sektor mit ein. Die Prüfer schätzten, dass die mit diesen Mitteln geförderten Projekte nur 0,3 Prozent der jährlichen Einsparungen erzielten, die erforderlich sind, um das Ziel der EU zu erreichen, den Endenergieverbrauch bis 2030 um 32,5 Prozent im Vergleich zu den prognostizierten Werten zu senken.
“Die Finanzierung durch die Europäische Union ist unzureichend an die Bedürfnisse der Unternehmen gekoppelt”, sagte Samo Jereb, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, gegenüber Reuters. Es sei nicht richtig analysiert worden, was die Unternehmen wirklich brauchen. Die Kommission sollte den Finanzierungsbedarf der Länder im Bereich der Energieeffizienz besser bewerten und feststellen, welche Art von Instrument am besten geeignet ist, bevor sie künftige Mittel bereitstellt, so die Prüfer. rtr/luk
Im Streit über die EU-Regeln zu Start- und Landerechten in der Luftfahrt unterstützt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Position der Lufthansa. Wissing habe sich bei EU-Verkehrskommissarin Adina Valean in einem Brief für eine kurzfristige Entlastung bei den Vorschriften aufgrund der sich wieder verschärfenden Corona-Krise im Luftverkehr eingesetzt, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums am Montag. Grund seien die klimaschädlichen Auswirkungen der zurzeit für Airlines geltenden Slotregeln. Am Dienstag werde sich Wissing mit Valean darüber persönlich austauschen.
Die Lufthansa musste aufgrund eines Nachfrage-Einbruchs zu Jahresbeginn mehr als 30.000 Flüge streichen. Hintergrund war die Verschärfung der Reiseauflagen weltweit aufgrund der Lage in der Corona-Pandemie. Die Airline-Gruppe hatte erklärt, 18.000 Flüge hätten nur deshalb stattgefunden, um die Slots zu behalten. Das stehe im Widerspruch zur Klimaschutzpolitik der EU.
Ein Sprecher der EU-Kommission hatte vergangene Woche erklärt, es gebe keine Hinweise auf Leerflüge, auch nicht von der Lufthansa. In der Wintersaison habe der Flugbetrieb nach Daten der europäischen Luftfahrtbehörde Eurocontrol 73 bis 78 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 erreicht.
Normalerweise müssen Airlines 80 Prozent ihrer Rechte ständig nutzen, um sie nicht für Konkurrenten freigeben zu müssen. Die Quote wurde aufgrund der Corona-Krise gesenkt und liegt bis Ende März bei 50 Prozent. Dann soll sie auf 64 Prozent steigen, weil von einer Erholung der Buchungszahlen ausgegangen wird.
Die Kommission erklärte, es gebe zudem die “justified non-use”-Regelung. Dieser zufolge können Airlines im Falle von Reiseeinschränkungen, wie durch die Omikron-Welle, Ausnahmen der Slot-Quoten erhalten . Derzeit gebe es solche Ausnahmen unter anderem für Flüge von und nach Österreich, Großbritannien, Niederlande, Schweiz, China und Türkei.
Lufthansa-Lobbyist Kay Lindemann sagte vorige Woche dem “Tagesspiegel”, Flüge seien nicht leer, sondern nur schlecht ausgelastet. Ausnahmen von der Quote scheiterten häufig daran, dass die Behörden des Abflug- und Ankunftslandes zustimmen müssten und das nicht funktioniere.
Die Billig-Airlines Ryanair und Wizz drängen darauf, die ursprünglichen Slotregeln wieder anzuwenden. Die Airlines wollen ihr Flugangebot schnell ausbauen. Ryanair warf der Lufthansa vor, mit ihrem Vorstoß den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher beschränken zu wollen. rtr/luk
Beim Treffen der EU-Landwirtschaftsminister:innen am Montag in Brüssel sprach sich der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, für nachhaltigere Kohlenstoff-Kreisläufe aus. Die EU-Kommission hatte beim Agrar- und Fischereirat ihre Mitteilung über Kohlenstoffkreisläufe vorgestellt. Darin sind Vorschläge für Maßnahmen, um Landwirte bei der Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu unterstützen und so die ökonomische Nutzung von natürlichen Kohlenstoffsenken in der Landwirtschaft zu erleichtern.
“Es ist eine Chance für unsere Landwirte als verlässliche Einkommenssäule und kann zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen”, sagte Özdemir und warb für Kooperation mit den Umweltminister:innen. Ohne einander werde man nicht erfolgreich sein.
Die Nutzung natürlicher Kohlenstoffsenken in der Landwirtschaft ist Teil der Farm-to-Fork-Strategie. Bis Ende des Jahres will die Kommission einen Rechtsrahmen für die CO2-Speicherung vorlegen. luk
In der Ampelkoalition bahnt sich ein erster Zwist zwischen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und den Grünen an. Wissing wollte sich am Montag nicht auf ein Koalitionsziel von 15 Millionen rein elektrisch betriebener Autos in Deutschland bis 2030 festlegen. “Wir wollen elektrisch betriebene Fahrzeuge, natürlich ist der Hybrid auch ein Beitrag dazu”, sagte der FDP-Politiker bei der “Handelsblatt”-Energiekonferenz in Berlin. Er verwies auf den Koalitionsvertrag, wonach dort lediglich von elektrischen Fahrzeugen die Rede sei.
Der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar widersprach umgehend und verwies auf die nötige Verkehrswende: “Um das zu erreichen, haben wir im Koalitionsvertrag ein klares Ziel von mindestens 15 Millionen vollelektrischen Pkw bis 2030 vereinbart”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Wissings Verweis auf den Passus zu elektrischen Fahrzeugen im Koalitionsvertrag steht gegenüber, dass an anderer Stelle im Vertrag die Zahl mit “vollelektrisch” präzisiert ist (Europe.Table berichtete). Der Unterschied könnte erheblich sein, da 2021 nur etwa die Hälfte der zugelassenen Elektroautos rein elektrisch waren. Die sogenannten Plug-in-Hybride stehen in der Kritik, da ihre elektrische Reichweite begrenzt ist und sie häufig nahezu ausschließlich mit herkömmlichem Sprit betankt werden. In einem “Tagesspiegel”-Interview hatte Wissing kürzlich von “vollelektrischen” Fahrzeugen gesprochen, im Bundestag dagegen wiederum allgemein von elektrischen.
Nicht festlegen wollte sich Wissing auch bei der Rolle von E-Fuels in Pkw (Europe.Table berichtete), mit denen Verbrenner-Motoren weiter betrieben werden könnten. Ihm sei “Technologie-Offenheit” wichtig beim Klimaschutz. “Selbstverständlich sind auch E-Fuels ein wichtiger Beitrag.” Er deutete aber an, dass für den Pkw zunächst nicht ausreichende Mengen zur Verfügung stünden und daher der Treibstoff eher im Schwerlast- oder Flugverkehr zum Einsatz kommen könnte. Der Autokäufer sollte sich jetzt nach Möglichkeiten umsehen, sofort CO2-frei zu fahren. rtr
Als Clément Beaune im Juli 2020 Staatsminister für Europaangelegenheiten wurde, war er in Frankreich nur Eingeweihten ein Begriff. Seitdem aber hat sich der 40-Jährige einen Ruf als erfahrener Europapolitiker erarbeitet und zählt zu den bekanntesten Gesichtern der französischen EU-Ratspräsidentschaft. Er ist Frankreichs “Monsieur Europe”.
Strahlend stellte er im Dezember gemeinsam mit Emmanuel Macron das Programm der Ratspräsidentschaft Frankreichs bei einer Pressekonferenz im Elyséepalast vor. Eine große Ehre. Die Anwesenden spürten aber auch, dass auf Beaune ein “großer Druck” lastete, wie er selbst zugab.
Er absolviert seit Monaten einen Termin nach dem anderen, wirkt dabei immer jovial, egal wie groß der Stress ist. Beaune hat bei seinen Mitarbeitern den Ruf, ein Arbeitstier zu sein, und das kommt ihm derzeit zugute. Denn es sind Hunderte von Treffen zu den unterschiedlichsten Europa-Themen in ganz Frankreich geplant, vor allem in den ersten drei Monaten, vor den französischen Präsidentschaftswahlen. Hinzu kommen Ministerräte und Gipfel.
Macrons Vorhaben sind umfangreich und ehrgeizig. Beaunes Rolle ist es, das Orchester der Regierung zu dirigieren. Wie virtuos ihm das gelingt, hat auch Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen im April. Macron hat seine Kandidatur zwar noch nicht offiziell erklärt, aber alle gehen davon aus, dass er ein zweites Mal antritt. Mit der Ratspräsidentschaft steht er zusätzlich im Mittelpunkt des Interesses, auch im Ausland.
Beaune, Sohn eines Medizinprofessors und einer Krankenschwester, ist für die Aufgabe gut vorbereitet. Der ehemalige Student von Sciences Po, der Eliteschule ENA und des Collège d’Europe in Brügge ist ein enger Vertrauter Macrons. Er war schon dessen Europaberater im Wirtschaftsministerium von 2014 bis 2016. Dann folgte er Macron in den Elyséepalast, von 2017 bis 2020 beriet er ihn in EU-Themen. Sein Einfluss überstieg den manchen Ministers.
Clément Beaune, der früher mal Sozialist war, gehört zum linken Spektrum von Macrons Bewegung La République en Marche (LREM). Er schrieb viele von dessen Reden, auch die berühmte Europarede an der Pariser Universität Sorbonne 2017 stammt aus seiner Feder.
Während der Präsidentschaftswahl könnte es allerdings auch für Beaune schwierig werden, auf so vielen Hochzeiten zu tanzen. “Er vertritt Frankreich in Europa und Europa in Frankreich und Macron gegenüber den Franzosen. Das ist ziemlich viel”, sagte Yves Bertoncini, Präsident des Mouvement Européen – France, ein pro-europäischer Verband, gegenüber “L’Express”. Bertoncini kennt Beaune gut, weil er dessen Professor an der Sciences Po war. Dort lernte Beaune auch die Grüne Franziska Brantner kennen, inzwischen Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. Die beiden pflegen seither ein gutes Verhältnis.
Nach Jahren im Schatten als Berater Macrons drängte es Clément Beaune ins Rampenlicht: Er wurde Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. An die öffentliche Rolle hat er sich schnell gewöhnt. In der Nationalversammlung vertritt er mit Vehemenz die Europaideen Macrons, wirkt dabei freundlich und furchtlos. Durch Kritik lässt er sich nicht beirren: “Über Europa in den Medien zu sprechen, ist ein ständiger Kampf”, sagte er. “Dabei ist die EU Teil des Alltags der Franzosen.”
Bei den europäischen Think-Tanks ist Beaune hochgeachtet. Endlich habe Macron einen Staatssekretär ernannt, der den europäischen Ambitionen entspreche, heißt es. Er kenne seine Themen und könne gut verhandeln. Beaune sei der Beste in der Position seit 20 Jahren, betonten manche Politologen sogar.
Beaune selbst hat ehrgeizige Pläne. Er sieht sich als Abgeordneter der französischen Nationalversammlung oder Minister in Bercy, dem Wirtschafts- und Finanzministerium, sollte Macron wiedergewählt werden. Helfen kann ihm dabei sein gut gepflegtes Netzwerk.
Die europäische Ratspräsidentschaft hat Clément Beaune mit Macrons Europaberater Alexandre Adam vorbereitet, der ein guter Freund seit 20 Jahren ist. Beide kennen sich vom Collège d’Europe. Der 41-jährige Adam folgte Beaune im November 2020 als Europaberater im Elyséepalast.
Adam stammt aus Straßburg und kennt Deutschland bestens. Wie viele strategische Berater hat er eine klassische Diplomatenkarriere hinter sich. Er studierte in Straßburg am Institut d´études politiques (Sciences Po) Politikwissenschaften und dann an der Universität in Straßburg Jura.
Schon damals interessierte er sich für Europaangelegenheiten. Nach dem Aufenthalt am Collège d’Europe, der Nachwuchsschmiede für den EU-Betrieb, arbeitete Adam in verschiedenen Bereichen des französischen Außenministeriums und in der französischen EU-Vertretung in Brüssel. Es folgte die deutsche Botschaft in Berlin, bevor er zu Beginn der Präsidentschaft von Macron als Berater für deutsch-französische Angelegenheiten in den Elyséepalast berufen wurde. Er arbeitete unter Beaune und kannte deshalb genau seinen neuen Job. Für seine ruhige, geduldige Art wird er in seinem Umfeld geschätzt.
Während der Ratspräsidentschaft hat Adam eher eine Rolle im Hintergrund. Er soll definieren, was die Prioritäten sind und woran gearbeitet werden soll. Einmal die Woche findet ein informelles Treffen zur französischen Ratspräsidentschaft statt, bei dem die wichtigen Themen erläutert werden. Mit viel Geduld erklärt Adam immer wieder bei Briefings mit Journalisten Frankreichs Ideen für Europa. So auch die Themen für Macrons Europarede am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg. Tanja Kuchenbecker
“Jetzt führen Sie mich aber schon sehr weit in eine Fach- und Detaildebatte”, sagt Christian Lindner. Der FDP-Politiker absolviert gerade seinen ersten “Doorstep” in Brüssel, und die Journalisten bombardieren ihn mehrsprachig mit Fragen. Sie wollen wissen: Wofür steht dieser Mann, der etlichen EU-Hauptstädten vor der Bundestagswahl als Gottseibeiuns erschienen war und nun tatsächlich als Bundesfinanzminister zu Euro-Gruppe und Ecofin angereist ist.
Ja, wofür steht Lindner überhaupt? Der FDP-Chef hat sich in den vergangenen Wochen nicht wirklich in die Karten blicken lassen, welche Änderungen an den europäischen Fiskalregeln er für geboten hält. Was wohl auch daran liegt, dass sich Lindner in einer Koalition befindet und seine neuen Partner den Wünschen der Regierungen in Paris oder Rom etwas aufgeschlossener gegenüberstehen.
Was der Minister nun in Brüssel vorträgt, klingt jedenfalls nicht mehr nach der reinen Lehre des FDP-Wahlprogramms. Mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire sei er sich einig, dass sich das makroökonomische Umfeld verändert habe, sagt Lindner. Sprich: Die Pandemie hat die Staatsverschuldung in neue Höhen getrieben hat. Es brauche daher eine “kluge Balance” aus fiskalischer Stabilität und besseren Investitionsmöglichkeiten.
Als Muster scheint Lindner sein eigener Nachtragshaushalt vorzuschweben, mit dem der Finanzminister 60 Milliarden Euro in einem Klimafonds geparkt hat, um die Schuldenbremse nicht antasten zu müssen. Auf der einen Seite also Möglichkeiten schaffen, um gezielt zu investieren, aber im regulären Staatshaushalt durch Fiskalregeln die Verdrängung von Investitionen durch Konsumausgaben verhindern.
Wie Lindner das Muster auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt übertragen will, sagt er nicht. Die eigentliche Debatte werde erst im Sommer geführt, wenn die EU-Kommission ihre Reformvorschläge vorgelegt habe. Bis dahin dürfte auch seine neue Kollegin aus den Niederlanden ihre Stimme gefunden haben, die ebenfalls zum ersten Mal an der Runde der EU-Finanzminister teilnimmt. Sie wolle nun mit allen Ländern reden und zuhören, sagt Sigrid Kaag bei ihrem Doorstep. Verglichen damit war Lindner doch schon recht konkret. Till Hoppe
angesichts des Russland-Ukraine-Konflikts reist die neue Außenministerin Annalena Baerbock nach ihrem Besuch gestern in Kiew heute weiter nach Moskau. Vor dem Hintergrund der russischen Drohkulisse und der damit anhaltenden Sanktionsdebatte erwartet sie dort ein schwieriges Gespräch mit ihrem Amtskollegen Sergej Lawrow, wie Falk Steiner in den News aufzeigt.
Die Gaspipeline Nord Stream 2 wird bei dem Gespräch ganz sicher auch eine Rolle spielen. Lawrows Ministerium hatte gestern davor gewarnt, das Zertifizierungsverfahren zu politisieren. Erneute Zweifel an dem Projekt äußerte dagegen RWE-Chef Markus Krebber am Montag. Er warb stattdessen für ein deutsches LNG-Terminal. Dieses könne als Versicherung in Krisenzeiten dienen, analysiert mein Kollege Manuel Berkel .
Im EU-Parlament wurde gestern des verstorbenen Parlamentspräsidenten David Maria Sassoli gedacht. Heute steht die Wahl seiner Nachfolgerin Roberta Metsola an, die zwar auch Gegenkandidaten hat, diese aber kaum fürchten muss. Mit Metsola wird neben der Kommission die zweite EU-Institution von einer konservativen EVP-Politikerin geführt werden, wie Eric Bonse erklärt. Er hat zudem einen Blick auf die 14 designierten Stellvertreter:innen geworfen und bemerkt, dass sich dort ein etwas diverseres Bild ergibt.
Die derzeitige geopolitische Lage wird nach Ansicht des Versorgers RWE noch einige Zeit für Unsicherheit auf den Energiemärkten sorgen. “Es wird länger dauern, bis sich die Preise stabilisieren“, sagte CEO Markus Krebber am Montag beim Handelsblatt Energie-Gipfel in Berlin.
Im Strommarkt stand der Day-Ahead-Preis für Baseload mittags bei 235,87 Euro, an der EEX wurde das Kalenderjahr 2023 mit 115,10 Euro gehandelt. Gas-Futures für Februar am niederländischen Handelspunkt TTF starteten am Montagmorgen bei 91 Euro pro Megawattstunde, nachdem sie am Freitag noch bei 86,97 Euro geschlossen hatten. Am Wochenende hatte die Nachrichtenagentur Reuters über Gespräche zwischen dem US-Außenministerium und europäischen Versorgern über Notfallpläne berichtet. Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine bereiten die USA demnach Gaslieferungen nach Europa vor, falls Russland als Reaktion auf mögliche Sanktionen die Gaslieferungen in den Westen stoppen sollte (Europe.Table berichtete).
Vor diesem Hintergrund warb der RWE-CEO für ein eigenes deutsches Terminal zum Import von Flüssigerdgas. “Ein LNG-Terminal für Deutschland gehört auf die energiepolitische Agenda”, sagte Krebber. Die Essener haben sich Importkapazitäten für das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel gesichert, das von einem Joint-Venture unter Führung von Gasunie gebaut werden soll, aber unter erheblichem Druck von Umweltverbänden steht. Außerdem untersucht RWE nach eigenen Angaben die Möglichkeit, über das Terminal Wasserstoff zu importieren. Pläne für ein weiteres LNG-Terminal in Deutschland verfolgt die Hanseatic Energy Hub GmbH in Stade.
Laut Krebber brauche es den politischen Willen für ein LNG-Terminal in Deutschland. Unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten werde wahrscheinlich kein deutsches Terminal errichtet, sagte er in Berlin. Falls sich die aktuelle Krise auflöse, würde solch eine Anlage wahrscheinlich gar nicht genutzt. Ein eigenes deutsches Terminal stelle vielmehr eine Versicherung dar.
Krebber streute zudem weitere Zweifel an der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 (Europe.Table berichtete), an der die deutschen Konzerne Uniper und Wintershall Dea finanziell beteiligt sind. Mengenmäßig reiche die vorhandene Infrastruktur aus, sagte der RWE-Chef. Thema sei eher die Diversifizierung der Importe.
Die aktuell hohen Energiepreise in Europa sollten nach Ansicht von Krebber nicht energiewirtschaftlich gelöst werden. Hohe Preise seien eigentlich genau der richtige Anreiz, um in den klimaneutralen Umbau von Industrie und Energieversorgung zu investieren. Die hohen Preise könnten laut Krebber aber auch zu einer schleichenden Deindustrialisierung führen. Zuerst gehe die Energienachfrage in der industriellen Produktion zurück.
Im Streit um die Nachhaltigkeit von neuen Gaskraftwerken warb Krebber für Pragmatismus. “Wenn wir mit der Förderung auf grünen Wasserstoff warten, wird die Investition nicht in Deutschland stattfinden können”, sagte der RWE-Chef und warb außerdem für eine abgestimmte Planung von Wasserstoff-Leitungen. Kraftwerksinvestoren müssten wissen, wann an welchen Standorten Wasserstoff verfügbar sei. Von Manuel Berkel
Der Wachwechsel geht auf eine Übereinkunft von EVP, S&D und Renew von 2019 zurück. Nach der Europawahl hatten die drei größten Fraktionen vereinbart, den Präsidenten zur Halbzeit der Legislatur auszuwechseln. So sollte die Machtbalance in den EU-Institutionen gewahrt werden. Allerdings wird die EVP mit der Wahl Roberta Metsolas zwei der drei großen Institutionen (Europaparlament, Kommission und Rat) führen.
Neben Roberta Metsola (EVP) kommt auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) aus der konservativen Parteienfamilie. Beide wollen künftig als Team auftreten und der EU ein neues, weibliches Gesicht geben, heißt es bei der EVP. Dass sich Roberta Metsola gegen die Abtreibung ausspricht und ein konservatives Familienbild pflegt (Europe.Table berichtete), stehe dem nicht entgegen, sagen Vertreter von EVP und Renew. Sie habe sich verpflichtet, in der Abtreibungs-Frage die Mehrheitsmeinung des Parlaments zu vertreten.
Ein ganz anderes, weniger konservatives Bild ergibt sich bei den stellvertretenden Parlamentspräsidenten. Nach einem zwischen den Fraktionen vereinbarten “Paket”, das allerdings noch einmal aufgeschnürt werden könnte, sollen die Sozialdemokraten fünf Vizepräsidenten stellen. Dies wären Katarina Barley, Eva Kaili, Pedro Silva Pereira, Pina Picierno und Evelyn Regner. Für die EVP sind Othmar Karas, Ewa Kopacz und Rainer Wieland nominiert. Letzterer war zuletzt in die Kritik geraten, weil ihm vorgeworfen wird, seine Büroräume im EP-Gebäude für über 600.000 Euro aus Steuergeldern saniert zu haben. Wieland selbst weist die Vorwürfe zurück.
Auf der Liste von Renew kandidieren Nicola Beer aus Deutschland, Dita Charanzová (Tschechien) und Michal Šimečka (Slowakei). Die Grünen sollen zwei Stellvertreter erhalten, die Linke einen. Insgesamt sind 14 Vizepräsidenten vorgesehen. Generalsekretär des Parlaments bleibt voraussichtlich Klaus Welle (EVP/CDU).
Begleitet wird das Personalpaket von einem Programm, in dem die drei Fraktionen die Prioritäten für den zweiten Teil der Legislaturperiode festzurren. “Unsere pro-europäischen Fraktionen werden noch enger zusammenarbeiten”, heißt es in einem Entwurf vom Montag, der Europe.Table vorliegt. Es gehe darum, Reformen im Interesse aller Bürger zu beschleunigen und das europäische Projekt zu erneuern.
Im Detail enthält das Zehn-Punkte-Papier jedoch nicht viel Neues. EVP, S&D und Renew bekennen sich zum Rechtsstaat und fordern, den neuen Konditionalitäts-Mechanismus “ohne Verzögerung” einzusetzen. In der Klimapolitik schreiben sie einen “Klimasozialfonds” fest, ohne jedoch eine Größenordnung zu nennen.
Außerdem fordern die drei großen Fraktionen ein Initiativrecht für das Europaparlament. Von der Leyen hatte dies zu Beginn ihrer Amtszeit zugesagt, ihr Versprechen aber bisher nicht in die Tat umgesetzt. Mit Stephan Israel
19.01.2022 – 12:00-18:00 Uhr, online
Deutsche Medienakademie, Konferenz Next-Gen-Networks aus Unternehmenssicht
Die Deutsche Medienakademie beschäftigt sich mit der Frage, was absehbare Veränderungen in den Bereichen Breitband, Cloud, Security, Resilienz etc. für die Netzstrategie der Unternehmen bedeutet. INFOS & ANMELDUNG
19.01.2022 – 15:00-17:00 Uhr, online
DIHK, Seminar Sustainable Product Initiative – political explanations, business perspectives
Das Seminar des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) geht der Frage nach, worauf sich Betriebe im Zuge des neuen Rechtsrahmens zur Förderung der Nachhaltigkeit diverser Produkte (Sustainable Product Initiative) einstellen müssen. INFOS & ANMELDUNG
19.01.2022 – 15:30-16:30 Uhr, online
BVMW, Q&A Das Lieferkettengesetz in der unternehmerischen Praxis
Die Frage- und Antwortrunde des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) addressiert häufig gestellte Fragen in Bezug auf die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf die Alltagspraxis von Unternehmen.
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19.01.2022 – 17:00-18:30 Uhr, online
VDE, Seminar Nachhaltigkeit als zukünftiger Wettbewerbsfaktor – Industrie 4.0 als Schlüssel zum Erfolg
Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) stellt in diesem Seminar einen konkreten Lösungsweg für das Thema CO2-Reporting im Schaltschrankbau vor. ANMELDUNG VIA E-MAIL
19.01.2022 – 18:00-19:30 Uhr, online
FES, Diskussion Die “Taiwan-Frage” – Zunehmendes Eskalationspotenzial, veränderte Debatte in Europa
Die Friedrich-Ebert-Stfitung (FES) widmet sich in dieser Diskussionsrunde dem taiwanisch-chinesischen Souveränitätskonflikt und fragt, welche Interessen für Europa und Deutschland auf dem Spiel und welche politischen Optionen zur Verfügung stehen. INFOS & ANMELDUNG
20.01.2022 – 16:00-17:30 Uhr, online
HBS, Konferenz Auf dem Weg zu einer neuen Klima-Außenpolitik
Auf der Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) werden die EU-China-Beziehungen im Schatten der Klimakrise diskutiert. Es geht um die Bedeutung des CBAM, die wachsenden Spannungen zwischen China und den USA und um die Frage, ob eine Kooperation mit China trotz offener Menschenrechts- und Wirtschaftsfragen möglich ist. INFOS & ANMELDUNG
Deutschland drängt im Russland-Ukraine-Konflikt auf eine Wiederbelebung des sogenannten Normandie-Formats. In diesem Kreis, bestehend aus Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland, solle nach friedlichen Lösungen gesucht werden, so Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag bei einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. “Diplomatie ist der einzige Weg”, betonte sie. Forderungen der ukrainischen Staatsführung nach Waffenlieferungen begegnete Baerbock in Kiew erneut mit dem Hinweis auf eine geschichtlich begründete Zurückhaltung der Bundesrepublik bei Rüstungsexporten.
Neue Gespräche in Normandie-Zusammensetzung wolle sie auch bei ihrem Besuch in Moskau am Dienstag im Gespräch mit Außenminister Sergej Lawrow thematisieren. Baerbock ist seit fünf Wochen im Amt, ihr heutiger Gesprächspartner und Amtskollege Lawrow seit bald 18 Jahren. Der russische Außenminister warf dem Westen im Vorfeld des Gesprächs erneut vor, “die Architektur internationaler Beziehungen zu unterminieren und das Völkerrecht durch eigene Regeln zu ersetzen“.
In der Ankündigung des russischen Außenministeriums heißt es, man sei “enttäuscht über den derzeitigen Stand der russisch-deutschen Beziehungen”. Neben den aktuellen Krisen wolle man auch über Wirtschaft, Handel, Kultur und Denkmalpflege sprechen, so das russische Außenministerium. Und weiter: “Ein besonderes Augenmerk wird auf der Förderung der Zusammenarbeit in den Bereichen erneuerbare Energien und Wasserstoff, Klimaschutz und Umwelt liegen.”
Unterdessen unterstrich Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch in Madrid erneut, dass weitere Agressionen der russischen Seite in politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen münden würden. Derweil wird US-Außenminister Anthony Blinken am Donnerstag zu weiteren Gesprächen in Berlin erwartet. Dabei dürfte es nicht zuletzt um die europäische und speziell deutsche Gasversorgung im Falle weiterer Anspannungen gehen.
Ein erster Anlauf für neue US-Sanktionen gegen Russland, der auch die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 mit einschließen sollte, war am Donnerstag im US-Senat gescheitert. Allerdings steht ein anderer, aussichtsreicherer und von US-Präsident Biden begrüßter Sanktions-Gesetzentwurf noch aus: Diese “Mutter aller Sanktionen”, wie US-Senator Bob Menendez nennt, der den Text eingebracht hat, würde “weit über das hinausgehen, was man von Sanktionen kennt”. Unter anderem sollten die Rohstoffindustrie und die Möglichkeiten für Staatsschulden sanktioniert werden, so der Vorsitzende des Senatsausschusses für Auswärtiges Menendez im Interview mit MSNBC.
Während deutsche Medien berichte, dass ein SWIFT-Ausschluss der Russischen Föderation vorerst vom Tisch sei, hält Menendez an dieser Option weiter fest. Allerdings sollen die Menendez-Sanktionen erst im Falle eines Angriffs Russlands auf den derzeit unabhängigen Teil der Ukraine in Kraft treten.
Russlands Außenministerium betonte in seiner Mitteilung am Montag, dass es das derzeit ausgesetzte Zertifizierungsverfahren zu Nord Stream 2 beobachte: Die “Zertifizierung durch die deutschen Regulierungsbehörden und die Europäische Kommission darf nicht künstlich verzögert und politisiert werden” und müsse unter strikter Einhaltung der geltenden Vorschriften erfolgen, so das Ministerium. fst/rtr
Mehr als 2 Milliarden Euro an EU-Mitteln, die Unternehmen helfen sollen, ihre Energieeffizienz zu verbessern, trugen nur wenig zu den Klimaschutzzielen bei. Sie finanzierten in einigen Fällen Investitionen, die ohnehin getätigt worden wären. Das teilte der Europäische Rechnungshof in einem am Montag veröffentlichten Sonderbericht mit. Die Prüfer forderten mehr Klarheit bei der Überprüfung, wie sich die EU-Finanzierung tatsächlich auf die Energieeffizienz der Unternehmen auswirkt.
Die EU betrachtet die Eindämmung des Energieverbrauchs als wesentlich für das Erreichen der Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Die rekordhohen Gas- und Strompreise der letzten Monate haben den Fokus auf Maßnahmen zum Energiesparen noch verstärkt.
Die EU gab im Zeitraum von 2014 bis 2020 insgesamt 2,4 Milliarden Euro aus ihrem Haushalt aus, um die Energieeffizienz in Unternehmen zu fördern. Diese Summe schließt Energieaudits und Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs oder der Energieintensität in der Industrie, im Dienstleistungssektor oder im öffentlichen Sektor mit ein. Die Prüfer schätzten, dass die mit diesen Mitteln geförderten Projekte nur 0,3 Prozent der jährlichen Einsparungen erzielten, die erforderlich sind, um das Ziel der EU zu erreichen, den Endenergieverbrauch bis 2030 um 32,5 Prozent im Vergleich zu den prognostizierten Werten zu senken.
“Die Finanzierung durch die Europäische Union ist unzureichend an die Bedürfnisse der Unternehmen gekoppelt”, sagte Samo Jereb, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, gegenüber Reuters. Es sei nicht richtig analysiert worden, was die Unternehmen wirklich brauchen. Die Kommission sollte den Finanzierungsbedarf der Länder im Bereich der Energieeffizienz besser bewerten und feststellen, welche Art von Instrument am besten geeignet ist, bevor sie künftige Mittel bereitstellt, so die Prüfer. rtr/luk
Im Streit über die EU-Regeln zu Start- und Landerechten in der Luftfahrt unterstützt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Position der Lufthansa. Wissing habe sich bei EU-Verkehrskommissarin Adina Valean in einem Brief für eine kurzfristige Entlastung bei den Vorschriften aufgrund der sich wieder verschärfenden Corona-Krise im Luftverkehr eingesetzt, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums am Montag. Grund seien die klimaschädlichen Auswirkungen der zurzeit für Airlines geltenden Slotregeln. Am Dienstag werde sich Wissing mit Valean darüber persönlich austauschen.
Die Lufthansa musste aufgrund eines Nachfrage-Einbruchs zu Jahresbeginn mehr als 30.000 Flüge streichen. Hintergrund war die Verschärfung der Reiseauflagen weltweit aufgrund der Lage in der Corona-Pandemie. Die Airline-Gruppe hatte erklärt, 18.000 Flüge hätten nur deshalb stattgefunden, um die Slots zu behalten. Das stehe im Widerspruch zur Klimaschutzpolitik der EU.
Ein Sprecher der EU-Kommission hatte vergangene Woche erklärt, es gebe keine Hinweise auf Leerflüge, auch nicht von der Lufthansa. In der Wintersaison habe der Flugbetrieb nach Daten der europäischen Luftfahrtbehörde Eurocontrol 73 bis 78 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 erreicht.
Normalerweise müssen Airlines 80 Prozent ihrer Rechte ständig nutzen, um sie nicht für Konkurrenten freigeben zu müssen. Die Quote wurde aufgrund der Corona-Krise gesenkt und liegt bis Ende März bei 50 Prozent. Dann soll sie auf 64 Prozent steigen, weil von einer Erholung der Buchungszahlen ausgegangen wird.
Die Kommission erklärte, es gebe zudem die “justified non-use”-Regelung. Dieser zufolge können Airlines im Falle von Reiseeinschränkungen, wie durch die Omikron-Welle, Ausnahmen der Slot-Quoten erhalten . Derzeit gebe es solche Ausnahmen unter anderem für Flüge von und nach Österreich, Großbritannien, Niederlande, Schweiz, China und Türkei.
Lufthansa-Lobbyist Kay Lindemann sagte vorige Woche dem “Tagesspiegel”, Flüge seien nicht leer, sondern nur schlecht ausgelastet. Ausnahmen von der Quote scheiterten häufig daran, dass die Behörden des Abflug- und Ankunftslandes zustimmen müssten und das nicht funktioniere.
Die Billig-Airlines Ryanair und Wizz drängen darauf, die ursprünglichen Slotregeln wieder anzuwenden. Die Airlines wollen ihr Flugangebot schnell ausbauen. Ryanair warf der Lufthansa vor, mit ihrem Vorstoß den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher beschränken zu wollen. rtr/luk
Beim Treffen der EU-Landwirtschaftsminister:innen am Montag in Brüssel sprach sich der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, für nachhaltigere Kohlenstoff-Kreisläufe aus. Die EU-Kommission hatte beim Agrar- und Fischereirat ihre Mitteilung über Kohlenstoffkreisläufe vorgestellt. Darin sind Vorschläge für Maßnahmen, um Landwirte bei der Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu unterstützen und so die ökonomische Nutzung von natürlichen Kohlenstoffsenken in der Landwirtschaft zu erleichtern.
“Es ist eine Chance für unsere Landwirte als verlässliche Einkommenssäule und kann zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen”, sagte Özdemir und warb für Kooperation mit den Umweltminister:innen. Ohne einander werde man nicht erfolgreich sein.
Die Nutzung natürlicher Kohlenstoffsenken in der Landwirtschaft ist Teil der Farm-to-Fork-Strategie. Bis Ende des Jahres will die Kommission einen Rechtsrahmen für die CO2-Speicherung vorlegen. luk
In der Ampelkoalition bahnt sich ein erster Zwist zwischen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und den Grünen an. Wissing wollte sich am Montag nicht auf ein Koalitionsziel von 15 Millionen rein elektrisch betriebener Autos in Deutschland bis 2030 festlegen. “Wir wollen elektrisch betriebene Fahrzeuge, natürlich ist der Hybrid auch ein Beitrag dazu”, sagte der FDP-Politiker bei der “Handelsblatt”-Energiekonferenz in Berlin. Er verwies auf den Koalitionsvertrag, wonach dort lediglich von elektrischen Fahrzeugen die Rede sei.
Der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar widersprach umgehend und verwies auf die nötige Verkehrswende: “Um das zu erreichen, haben wir im Koalitionsvertrag ein klares Ziel von mindestens 15 Millionen vollelektrischen Pkw bis 2030 vereinbart”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Wissings Verweis auf den Passus zu elektrischen Fahrzeugen im Koalitionsvertrag steht gegenüber, dass an anderer Stelle im Vertrag die Zahl mit “vollelektrisch” präzisiert ist (Europe.Table berichtete). Der Unterschied könnte erheblich sein, da 2021 nur etwa die Hälfte der zugelassenen Elektroautos rein elektrisch waren. Die sogenannten Plug-in-Hybride stehen in der Kritik, da ihre elektrische Reichweite begrenzt ist und sie häufig nahezu ausschließlich mit herkömmlichem Sprit betankt werden. In einem “Tagesspiegel”-Interview hatte Wissing kürzlich von “vollelektrischen” Fahrzeugen gesprochen, im Bundestag dagegen wiederum allgemein von elektrischen.
Nicht festlegen wollte sich Wissing auch bei der Rolle von E-Fuels in Pkw (Europe.Table berichtete), mit denen Verbrenner-Motoren weiter betrieben werden könnten. Ihm sei “Technologie-Offenheit” wichtig beim Klimaschutz. “Selbstverständlich sind auch E-Fuels ein wichtiger Beitrag.” Er deutete aber an, dass für den Pkw zunächst nicht ausreichende Mengen zur Verfügung stünden und daher der Treibstoff eher im Schwerlast- oder Flugverkehr zum Einsatz kommen könnte. Der Autokäufer sollte sich jetzt nach Möglichkeiten umsehen, sofort CO2-frei zu fahren. rtr
Als Clément Beaune im Juli 2020 Staatsminister für Europaangelegenheiten wurde, war er in Frankreich nur Eingeweihten ein Begriff. Seitdem aber hat sich der 40-Jährige einen Ruf als erfahrener Europapolitiker erarbeitet und zählt zu den bekanntesten Gesichtern der französischen EU-Ratspräsidentschaft. Er ist Frankreichs “Monsieur Europe”.
Strahlend stellte er im Dezember gemeinsam mit Emmanuel Macron das Programm der Ratspräsidentschaft Frankreichs bei einer Pressekonferenz im Elyséepalast vor. Eine große Ehre. Die Anwesenden spürten aber auch, dass auf Beaune ein “großer Druck” lastete, wie er selbst zugab.
Er absolviert seit Monaten einen Termin nach dem anderen, wirkt dabei immer jovial, egal wie groß der Stress ist. Beaune hat bei seinen Mitarbeitern den Ruf, ein Arbeitstier zu sein, und das kommt ihm derzeit zugute. Denn es sind Hunderte von Treffen zu den unterschiedlichsten Europa-Themen in ganz Frankreich geplant, vor allem in den ersten drei Monaten, vor den französischen Präsidentschaftswahlen. Hinzu kommen Ministerräte und Gipfel.
Macrons Vorhaben sind umfangreich und ehrgeizig. Beaunes Rolle ist es, das Orchester der Regierung zu dirigieren. Wie virtuos ihm das gelingt, hat auch Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen im April. Macron hat seine Kandidatur zwar noch nicht offiziell erklärt, aber alle gehen davon aus, dass er ein zweites Mal antritt. Mit der Ratspräsidentschaft steht er zusätzlich im Mittelpunkt des Interesses, auch im Ausland.
Beaune, Sohn eines Medizinprofessors und einer Krankenschwester, ist für die Aufgabe gut vorbereitet. Der ehemalige Student von Sciences Po, der Eliteschule ENA und des Collège d’Europe in Brügge ist ein enger Vertrauter Macrons. Er war schon dessen Europaberater im Wirtschaftsministerium von 2014 bis 2016. Dann folgte er Macron in den Elyséepalast, von 2017 bis 2020 beriet er ihn in EU-Themen. Sein Einfluss überstieg den manchen Ministers.
Clément Beaune, der früher mal Sozialist war, gehört zum linken Spektrum von Macrons Bewegung La République en Marche (LREM). Er schrieb viele von dessen Reden, auch die berühmte Europarede an der Pariser Universität Sorbonne 2017 stammt aus seiner Feder.
Während der Präsidentschaftswahl könnte es allerdings auch für Beaune schwierig werden, auf so vielen Hochzeiten zu tanzen. “Er vertritt Frankreich in Europa und Europa in Frankreich und Macron gegenüber den Franzosen. Das ist ziemlich viel”, sagte Yves Bertoncini, Präsident des Mouvement Européen – France, ein pro-europäischer Verband, gegenüber “L’Express”. Bertoncini kennt Beaune gut, weil er dessen Professor an der Sciences Po war. Dort lernte Beaune auch die Grüne Franziska Brantner kennen, inzwischen Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. Die beiden pflegen seither ein gutes Verhältnis.
Nach Jahren im Schatten als Berater Macrons drängte es Clément Beaune ins Rampenlicht: Er wurde Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. An die öffentliche Rolle hat er sich schnell gewöhnt. In der Nationalversammlung vertritt er mit Vehemenz die Europaideen Macrons, wirkt dabei freundlich und furchtlos. Durch Kritik lässt er sich nicht beirren: “Über Europa in den Medien zu sprechen, ist ein ständiger Kampf”, sagte er. “Dabei ist die EU Teil des Alltags der Franzosen.”
Bei den europäischen Think-Tanks ist Beaune hochgeachtet. Endlich habe Macron einen Staatssekretär ernannt, der den europäischen Ambitionen entspreche, heißt es. Er kenne seine Themen und könne gut verhandeln. Beaune sei der Beste in der Position seit 20 Jahren, betonten manche Politologen sogar.
Beaune selbst hat ehrgeizige Pläne. Er sieht sich als Abgeordneter der französischen Nationalversammlung oder Minister in Bercy, dem Wirtschafts- und Finanzministerium, sollte Macron wiedergewählt werden. Helfen kann ihm dabei sein gut gepflegtes Netzwerk.
Die europäische Ratspräsidentschaft hat Clément Beaune mit Macrons Europaberater Alexandre Adam vorbereitet, der ein guter Freund seit 20 Jahren ist. Beide kennen sich vom Collège d’Europe. Der 41-jährige Adam folgte Beaune im November 2020 als Europaberater im Elyséepalast.
Adam stammt aus Straßburg und kennt Deutschland bestens. Wie viele strategische Berater hat er eine klassische Diplomatenkarriere hinter sich. Er studierte in Straßburg am Institut d´études politiques (Sciences Po) Politikwissenschaften und dann an der Universität in Straßburg Jura.
Schon damals interessierte er sich für Europaangelegenheiten. Nach dem Aufenthalt am Collège d’Europe, der Nachwuchsschmiede für den EU-Betrieb, arbeitete Adam in verschiedenen Bereichen des französischen Außenministeriums und in der französischen EU-Vertretung in Brüssel. Es folgte die deutsche Botschaft in Berlin, bevor er zu Beginn der Präsidentschaft von Macron als Berater für deutsch-französische Angelegenheiten in den Elyséepalast berufen wurde. Er arbeitete unter Beaune und kannte deshalb genau seinen neuen Job. Für seine ruhige, geduldige Art wird er in seinem Umfeld geschätzt.
Während der Ratspräsidentschaft hat Adam eher eine Rolle im Hintergrund. Er soll definieren, was die Prioritäten sind und woran gearbeitet werden soll. Einmal die Woche findet ein informelles Treffen zur französischen Ratspräsidentschaft statt, bei dem die wichtigen Themen erläutert werden. Mit viel Geduld erklärt Adam immer wieder bei Briefings mit Journalisten Frankreichs Ideen für Europa. So auch die Themen für Macrons Europarede am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg. Tanja Kuchenbecker
“Jetzt führen Sie mich aber schon sehr weit in eine Fach- und Detaildebatte”, sagt Christian Lindner. Der FDP-Politiker absolviert gerade seinen ersten “Doorstep” in Brüssel, und die Journalisten bombardieren ihn mehrsprachig mit Fragen. Sie wollen wissen: Wofür steht dieser Mann, der etlichen EU-Hauptstädten vor der Bundestagswahl als Gottseibeiuns erschienen war und nun tatsächlich als Bundesfinanzminister zu Euro-Gruppe und Ecofin angereist ist.
Ja, wofür steht Lindner überhaupt? Der FDP-Chef hat sich in den vergangenen Wochen nicht wirklich in die Karten blicken lassen, welche Änderungen an den europäischen Fiskalregeln er für geboten hält. Was wohl auch daran liegt, dass sich Lindner in einer Koalition befindet und seine neuen Partner den Wünschen der Regierungen in Paris oder Rom etwas aufgeschlossener gegenüberstehen.
Was der Minister nun in Brüssel vorträgt, klingt jedenfalls nicht mehr nach der reinen Lehre des FDP-Wahlprogramms. Mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire sei er sich einig, dass sich das makroökonomische Umfeld verändert habe, sagt Lindner. Sprich: Die Pandemie hat die Staatsverschuldung in neue Höhen getrieben hat. Es brauche daher eine “kluge Balance” aus fiskalischer Stabilität und besseren Investitionsmöglichkeiten.
Als Muster scheint Lindner sein eigener Nachtragshaushalt vorzuschweben, mit dem der Finanzminister 60 Milliarden Euro in einem Klimafonds geparkt hat, um die Schuldenbremse nicht antasten zu müssen. Auf der einen Seite also Möglichkeiten schaffen, um gezielt zu investieren, aber im regulären Staatshaushalt durch Fiskalregeln die Verdrängung von Investitionen durch Konsumausgaben verhindern.
Wie Lindner das Muster auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt übertragen will, sagt er nicht. Die eigentliche Debatte werde erst im Sommer geführt, wenn die EU-Kommission ihre Reformvorschläge vorgelegt habe. Bis dahin dürfte auch seine neue Kollegin aus den Niederlanden ihre Stimme gefunden haben, die ebenfalls zum ersten Mal an der Runde der EU-Finanzminister teilnimmt. Sie wolle nun mit allen Ländern reden und zuhören, sagt Sigrid Kaag bei ihrem Doorstep. Verglichen damit war Lindner doch schon recht konkret. Till Hoppe