Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte enttäuscht auf die Ansage der Ukraine, dass sein Besuch dort “unerwünscht” sei. Deutschlands Führungsrolle in der EU steht also weiterhin auf wackeligen Beinen. Auch bei der Härte der Sanktionen gegen Russland gilt die Bundesregierung eher als Bremserin.
Im Fall eines Gaslieferstopps von russischer Seite müsste sich die europäische Zusammenarbeit nichtsdestotrotz noch einmal ganz neu beweisen. Um die passenden Strukturen zu schaffen, braucht die Union aber Zeit, wie Sie in der Analyse von Manuel Berkel lesen. Ebenfalls darin: die neuen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zur Sicherung kritischer Gasinfrastruktur.
Das Bundeskartellamt schaut jetzt bei Raffinerie-Betreibern und Großhändlern aufgrund der hohen Spritpreise genauer hin. Die Behörde hat eine Sektoruntersuchung eingeleitet, um die genauen Gründe für die Preisentwicklungen auszuleuchten.
Erneut hat die EU-Kommission die Vorstellung des Verordnungsentwurfs zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) verschoben. Viele Akteure tun sich schwer damit, konkrete Vorstellungen von dem komplexen Gebilde zu entwickeln. Experten der Joint Action TEHDAS gehen den einzelnen Fragestellungen nach und zeigen auf, wie die Architektur und Infrastruktur des EHDS im Detail aussehen könnte. Die wichtigsten Erkenntnisse aus den neusten Veröffentlichungen hat Eugenie Ankowitsch herausgearbeitet.
Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, wird gern als Bremsklotz empfunden. Er selbst sieht sich allerdings eher als Hemmschuh, also einer, der Dinge davor bewahrt, unaufhaltsam wegzurollen und Schaden anzurichten, wie Sie im Portrait lesen können.
Europa arbeitet weiter hart daran, um sich auf ein mögliches Ende der russischen Gaslieferungen vorzubereiten und kann dabei durchaus Erfolge verzeichnen – etwa bei der Einfuhr von Flüssiggas (LNG). Im ersten Quartal habe die EU 13 Milliarden Kubikmeter (bcm) LNG mehr importiert als im Vorjahreszeitraum, schrieb Bruegel-Analyst Ben McWilliams am Dienstag auf Twitter. “Das liegt auf dem Zielpfad der EU-Kommission von 50 bcm zusätzlichem LNG innerhalb dieses Jahres.” Stärker ausgelastet waren laut Bruegel vor allem Terminals in den Niederlanden, Frankreich und Belgien.
Einen möglichen Totalausfall russischer Lieferungen sieht Bruegel-Kollege Georg Zachmann deshalb inzwischen nicht in erster Linie als technisches Problem, sondern mehr als eine Herausforderung für die europäische Zusammenarbeit. Die Frage sei, ob der Binnenmarkt und die Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander standhielten, sagte Zachmann bei einer Diskussion mit der Florence School of Regulation. Im Fokus der Diskussion standen zwei Ebenen: die gemeinsame Beschaffung von Gas und die Verteilung des Brennstoffs.
Bei der Beschaffung preschen die Mitgliedstaaten derzeit noch einzeln voran. Italien etwa gab Montagabend ein Abkommen mit Algerien bekannt (Europe.Table berichtete), das ab 2023/24 zusätzliche jährliche Gaslieferungen von 9 bcm vorsieht. Für eine abgestimmte Beschaffung hat die EU-Kommission eine neue Gasplattform eingerichtet (Europe.Table berichtete), die vergangenen Donnerstag erstmals zusammengekommen war.
Gemeinsame Gaseinkäufe seien aber lediglich sinnvoll, um die Speicher bis zum kommenden Winter wieder zu füllen, sagte der ehemalige Kommissionsbeamte Klaus-Dieter Borchardt, der inzwischen als Berater für die Großkanzlei Baker McKenzie arbeitet. Eine gemeinsame Beschaffung könne sogar zu neuen Verzögerungen führen, glaubt Walter Boltz, ehemaliger Vorstand beim österreichischen Regulierer E-Control. Sinnvoll könne aber ein gemeinsamer Rahmenvertrag für kleinere Mitgliedstaaten sein, um die nötigen Mengen für langfristige LNG-Lieferungen zusammenzubekommen.
Für einen Stopp russischer Gaslieferungen innerhalb weniger Wochen sieht Borchardt die EU allerdings nicht vorbereitet. Es sei ausgeschlossen, so schnell die geeigneten Institutionen zu schaffen, sagte der ehemalige Kommissionsbeamte. Einen Verzicht auf russische Gaslieferungen halte er erst im nächsten Jahrzehnt für möglich.
Auch Deutschland braucht nach Ansicht der Bundesnetzagentur Zeit, um unabhängig von russischem Gas zu werden. “Vier Jahre strammes Regiment, wirklich gewollt, dann kann das gelingen”, sagte Behördenchef Klaus Müller im Interview mit der “Zeit”. Eine Voraussetzung sei eine Reduktion des Verbrauchs. Müller warb sogar dafür, über Einschnitte bei Haushaltskunden nachzudenken. In einer Gasnotlage seien etwa der Betrieb von Saunen oder das Heizen großer Singlewohnungen “auf gar keinen Fall mehr zu rechtfertigen”.
Für die Verteilung von Gaslieferungen an einzelne EU-Länder im Fall einer Notlage glaubt Borchardt nicht an eine Lösung über zwischenstaatliche Abkommen. Die Koordination könne zum einen über die Kommission erfolgen und zudem über die Notversorgungskorridore, die in der europäischen SoS-Verordnung vorgesehen sind.
Deutschland trifft derweil Vorbereitungen für mögliche Ausfälle von Energieunternehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium will sich als letztes Mittel im Krisenfall auch Enteignungen von Energiefirmen vorbehalten. Wie am Dienstag aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums verlautete, soll das noch aus dem Jahr 1975 stammende Energiesicherungsgesetz wegen der Verwerfungen auf den Energiemärkten im Zuge des Ukraine-Kriegs modernisiert und ergänzt werden. Der entsprechende Entwurf ging in die Ressortabstimmung.
Schon vor einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung sollen demnach besondere Maßnahmen möglich sein. Konzerne, die zur kritischen Energie-Infrastruktur gezählt werden, könnten dann bei Bedarf unter Treuhandverwaltung gestellt werden. Dies soll greifen, wenn die Unternehmen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen und die Versorgungssicherheit gefährdet ist.
Dieses Modell hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zuletzt bereits bei der Tochter eines ausländischen Unternehmens gewählt – bei Gazprom Germania, dem Deutschland-Geschäft des russischen Gaskonzerns. Die Tochter wurde unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt (Europe.Table berichtete), die nun befristet bis zum 30. September alle Stimmrechte aus Geschäftsanteilen an der Gazprom Germania wahrnimmt. Die Treuhandverwaltung solle im Energiesicherungsgesetz so ausgestaltet werden, dass sie unabhängig von Vorgaben im Außenwirtschaftsrecht ist. mit rtr
Am 6. April wollte die EU-Kommission ihren Verordnungsvorschlag zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) vorlegen. Doch nun wurde die Veröffentlichung erneut verschoben. Über die Gründe kann lediglich spekuliert werden. Es wird kolportiert, dass Finanzierungsfragen des im geleakten Vorentwurf auf 663 Millionen Euro geschätzten Vorhabens unzureichend geklärt wären (Europe.Table berichtete). Auch Eingriffe in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten würden kritisiert. Andere Quellen erklären die Verschiebung damit, dass das Kapitel zur technischen Infrastruktur noch nicht ganz ausgereift war. Offizielle Äußerungen der Kommission zur erneuten Verschiebung gibt es wie üblich nicht.
Zur technischen und Verwaltungsinfrastruktur hat nun die Joint Action Towards the European Health Data Space (TEHDAS) gleich zwei Berichte vorgelegt. An TEHDAS, deren Ziel es ist, die EU-Kommission bei ihrem Legislativvorschlag für den Europäischen Gesundheitsdatenraum für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zu unterstützen, sind 21 EU-Mitgliedstaaten beteiligt. Angeführt wird die Joint Action von dem finnischen Innovationsfonds Sitra.
In einem dieser Berichte, in dem TEHDAS die Zugangsprozesse zu Gesundheitsdaten in unterschiedlichen Ländern untersucht hat, kommen die Autoren zum Ergebnis, dass die Vielfalt der Verwaltungskonzepte von Gesundheitsdaten in den EU-Mitgliedstaaten die Datennutzung behindern. Die Experten heben dabei die unterschiedlichen Ansätze für die Verwaltung und den Zugang zu Gesundheitsdaten hervor, die auf die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen der Länder zurückzuführen seien.
So wurden in Finnland und Frankreich mit Findata und dem Health Data Hub (HDH) nationale Knotenpunkte eingerichtet (Europe.Table berichtete), die darauf abzielen, Anträge auf Datenzugang und die Erteilung von Genehmigungen in ein zentralisiertes System zu integrieren. So ist etwa Findata, 2019 gegründet, befugt, Genehmigungen für die Sekundärnutzung für alle finnischen Gesundheits- und Sozialdaten zu erteilen, die im Rahmen der Primärversorgung sowie für nationale Register erhoben werden. Die Behörde empfängt und verarbeitet die Daten (Europe.Table berichtete) und stellt sie in einer sicheren Umgebung zur Analyse bereit. Ähnliches System des One-Stop-Shops ist in Deutschland mit dem Forschungsdatenzentrum Gesundheit geplant, das sich derzeit im Aufbau befindet und im Herbst erste Anträge bearbeiten will.
In den Niederlanden und Spanien gibt es dagegen mehrere Stellen, die sich mit dem Datenzugang und der Erteilung von Genehmigungen im Rahmen eines dezentralen Systems befassen. Die spanische BIGAN-Plattform etwa wird vom Instituto Aragonés de Ciencias de la Salud (IACS) verwaltet. Sie besteht aus drei verschiedenen Portalen, die je nach Zweck unterschiedliche Dienste anbieten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Datenanbietern, die staatlich organisiert sind, ist die niederländische Stiftung Health-RI eine öffentlich-private Partnerschaft von Organisationen, die in der Gesundheitsforschung tätig sind. Health-RI konzentriert sich auf den Aufbau einer integrierten Forschungsinfrastruktur für Gesundheitsdaten, die für Forscher, Bürger und Leistungserbringer zugänglich ist, um die optimale Nutzung von Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Die Einrichtung ist weder eine Datengenehmigungsbehörde noch ein Dateninhaber. Health-RI ist ein Netzwerk, das Werkzeuge und Standards zur Unterstützung der Wiederverwendung von Gesundheitsdaten bereitstellt. Daneben gibt es in den Niederlanden das Zentralbüro für Statistik (CBS, Centraal Bureau voor de Statistiek), das hauptsächlich Daten aus öffentlichen Quellen, darunter Krankenhausentlassungsregister, Datenbanken der Primärversorgung, Todesursachen, Register der medizinischen Berufe, Gesundheitsbefragungen und Patientenakten, zusammenführt.
Verschiedene Systeme für den Zugang zu Gesundheitsdaten können einen unterschiedlichen Grad an Zentralisierung auf mehreren Ebenen aufweisen, betonten die TEHDAS-Experten, darunter:
• Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigung von Daten
• Die Darstellung von Metadatenkatalogen
• Die Speicherung von Gesundheitsdaten und die Bereitstellung von Analysetools auf Projektbasis
• Die dauerhafte Speicherung von Gesundheitsdaten (außerhalb von spezifischen Projekten)
Obwohl die tatsächlichen Anwendungsfälle sehr unterschiedlich sein können, werden typische
zentralisierte Systeme alle oben genannten Ebenen nutzen, betonen die Autoren. Dadurch würde der Datenzugriff vereinfacht.
Umgekehrt geben dezentralisierte Systeme den lokalen Akteuren in der Regel die Kontrolle über mehrere dieser Ebenen, so die Autoren. In Ermangelung einer einheitlichen, zentralisierten Plattform seien die Datenbanken in der Regel über mehrere lokale Datenhalter verstreut. Vom Nutzer werde erwartet, dass er einen sicheren Raum für die Sammlung und Analyse der für sein Projekt erforderlichen Daten bereitstellt. Bei dezentralen Systemen sei es außerdem häufig erforderlich, dass der Antrag auf Datengenehmigung bei jedem einzelnen Dateninhaber gestellt wird, wobei jeder seine eigenen Kriterien zugrunde lege.
Und so sprechen sich die Autoren des TEHDAS-Berichtes für die Einrichtung einer einzigen Kontaktstelle pro Mitgliedstaat aus, die zentralisiert für den Zugang zu Gesundheitsdaten und die Bearbeitung von Anträgen zuständig ist.
Trotz der unterschiedlichen Systeme in Finnland, Frankreich, Spanien und den Niederlanden ist der Prozess der Überprüfung und Gewährung des Zugangs recht ähnlich. Die Experten schlagen daher ein allgemeingültiges Verfahren zur Beantragung von Gesundheitsdaten vor. Das umfasst demnach folgende Schritte: Kontaktaufnahme und Datenermittlung, Beantragung und Prüfung der Datengenehmigung, Prüfung des Datenantrags, Erteilung der Datengenehmigung und Datennutzungsvereinbarung sowie Datenbereitstellung und Datennutzung.
Für jeden dieser Schritte werden bestimmte technische Dienste benötigt. TEHDAS hat nun in einem weiteren Bericht eine erste Definition von Diensten geliefert, die für die verschiedenen Phasen des Datenzugriffs – von der Identifizierung über die Beantragung der Genehmigung bis hin zur Nutzung – mindestens erforderlich sind.
Als Ergebnis vieler Diskussion sprechen sich die TEHDAS-Experten zunächst für eine EHDS-Architektur auf Basis eines Peer-to-Peer-Netzwerkes (P2P) aus. Dabei speichert jeder Knoten seinen Teil der Daten. Dieses System steht im Gegensatz zu einem Client-Server-Szenario, bei dem alle Informationen in einem einzigen Knoten, dem Server, gespeichert sind und die übrigen Knoten, die Clients, auf diesen Knoten zugreifen. In einem P2P-Netzwerk könne jeder Knoten isoliert arbeiten und eine bestimmte Anzahl von Diensten für die Gemeinschaft seiner Nutzer bereitstellen, wie beispielsweise den Zugriff auf die im Knoten verfügbaren Daten und deren Analyse.
Die “Users’ Journey” als Beschreibung der typischen Schritte, die ein Datennutzer durchläuft, diente den TEHDAS-Experten als Leitfaden zur Definition der technischen EHDS-Infrastruktur im Hinblick auf die Serviceoptionen.
Die Datenfindungsphase ist der Ausgangspunkt des gesamten User’s-Journey-Prozesses. In dieser Phase sucht der Datennutzer nach den Daten, die er benötigt, um ein bestimmtes Projekt durchzuführen. Voraussetzung für die Durchführung dieser Suche sei, dass die verfügbaren Daten ordnungsgemäß aufbereitet und in Metadatenkatalogen veröffentlicht wurden, heißt es in dem Bericht.
In der Phase der Datennutzung führt der Datennutzer schließlich die Datenanalysen durch. Dabei würden Datenintegrationsdienste benötigt. Sie sollten laut dem Bericht alle Softwareelemente umfassen, die eine harmonisierte Sicht auf die Daten ermöglichen, einschließlich der Abfrage der angeforderten Daten und ihrer Verknüpfung mit anderen Datenquellen. Daneben sind aus der Sicht der TEHDAS-Experten Datenbereitstellungsdienste und Datenanalysedienste unerlässlich.
Die Phase des Projektabschlusses ist die letzte Phase, in der der Datennutzer eine ordnungsgemäße Offenlegung seiner Ergebnisse gegenüber den übrigen Nutzern des European Health Data Space sicherstellen und dabei die FAIR-Grundsätze für Ergebnisdaten einhalten muss. Außerdem würden Dienste für die Archivierung und Validierung Ergebnisse sowie Dienstleistungen zur Vorbereitung der Ergebnisausgabe benötigt.
Der nächste Anlauf der Kommission für den Legislativvorschlag zum Europäischen Gesundheitsdatenraum ist für den 3. Mai geplant.
Auch die letzte noch ausstehende Verteilung von Digitalzuständigkeiten zwischen den Bundesministerien ist nun geklärt: Vier Monate nach dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung sind sich jetzt auch das Umwelt- und Verbraucherressort unter Steffi Lemke (Grüne) und das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann (FDP) einig geworden und haben eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen.
Die Zuständigkeiten für die Strategie für digitalen Verbraucherschutz, für Corporate Digital Responsibility (CDR) und das Zentrum für vertrauenswürdige KI (ZVKI) werden damit umziehen. Auch die Verbraucherpolitik in der Informationsgesellschaft wechselt das Haus, nicht aber die Zuständigkeit für das Netzwerkdurchsetzung und die aus dem Digital Services Act entstehenden Fragestellungen dazu. Die Zuständigkeit für Verbraucherschutz im Telekommunikationssektor und der Safer Internet Day, sowie die Zuständigkeit für die Datensouveränität der Verbraucher wechseln das Haus, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage von Europe.Table am Abend mit.
Damit verbleiben im BMJ weiterhin wesentliche Aspekte digitalrelevanter europäischer Vorhaben – die inhaltlich oft nicht trennscharf entlang der Ressortlinien verlaufen. So sind etwa bei der KI-Verordnung viele Fragestellungen sowohl Teil der Verbraucher- als auch der Rechtspolitik. Hier dürfte das BMJ die größere Rolle spielen. Zugleich sind wesentliche Teile des Vertragsrechts oder der Kollektiven Rechtsdurchsetzung in beiden Häusern von größter Relevanz.
Der Abstimmungsaufwand in der Bundesregierung dürfte also trotz der nun erzielten letzten Einigung und der Voranstellung des Digitalen im Namen des Ressorts für Digitales und Verkehr erheblich bleiben: Allein für die noch anstehende KI-Verordnung sind damit mindestens vier Ressorts zuständig, für die Umsetzung des DSA mindestens drei. Durch die Neuverteilung der meisten Aufgaben der bisherigen Gruppe 6.2 im Bundeskanzleramt ist im Ergebnis damit derzeit noch kaum absehbar, wie die tatsächlichen Abstimmungen vonstattengehen sollen.
Die ukrainische Regierung hat einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kiew abgelehnt. Steinmeier zeigte sich am Dienstag am Rande eines Besuchs in Warschau enttäuscht darüber. Eigentlich hätten der polnische Präsident Andrej Duda und er verabredet, zusammen mit den Kollegen aus Estland, Litauen und Lettland nach Kiew zu reisen, “um dort ein starkes Zeichen der europäischen Solidarität mit der Ukraine zu setzen”, sagte er. “Ich war dazu bereit. Aber offenbar – und ich muss zur Kenntnis nehmen -, war das in Kiew nicht gewünscht”, fügte er hinzu.
Dagegen reisten drei Ampel-Politiker am Dienstag in die Westukraine, um dort Parlamentarier des ukrainischen Parlaments zu treffen. Dabei handelt es sich um die Vorsitzenden der Bundestags-Ausschüsse für Verteidigung, Außen und Europa. Büros der Abgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP, Verteidigung), Michael Roth (SPD, Auswärtiger Ausschuss) und Anton Hofreiter (Grüne, Europa-Ausschuss) bestätigten dies. Der außenpolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt (CDU), kritisierte, dass die Ampel-Politiker die Einladung aus dem ukrainischen Parlament nicht weitergegeben hätten und im Nachhinein mit Geheimhaltungsgründen argumentierten. Dies sei “schlechter Stil”.
Die unterschiedliche Behandlung durch die ukrainische Regierung dürfte mit Vorwürfen gegen Steinmeier zu tun haben, er habe in den vergangenen Jahren einen zu Russland-freundlichen Kurs gehabt. Auch der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hatte den Bundespräsidenten deshalb kritisiert. Steinmeier hatte sich 2014 um ein Ende der Kämpfe auf dem Maidan-Platz in Kiew und zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel um den Abschluss des sogenannten Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine bemüht. rtr
Nach starken Preisschwankungen an den Tankstellen will das Bundeskartellamt Raffinerie-Betreibern und Großhändlern auf den Zahn fühlen. Wie die Bonner Behörde am Dienstag mitteilte, hat sie eine sogenannte Sektoruntersuchung eingeleitet. “Ziel ist es insbesondere, die Gründe für die jüngsten Markt- und Preisentwicklungen auszuleuchten”, erklärte Kartellamtschef Andreas Mundt.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges waren im März die Preise für Rohöl und die Preise an den Zapfsäulen stark angestiegen. Als der Rohölpreis wieder fiel, sank der Verbraucherpreis aber nicht im gleichen Maße. Diese Marktverwerfungen riefen das Kartellamt auf den Plan. Sektoruntersuchungen dienen dazu, ein bestimmtes Marktsegment unter die Lupe zu nehmen und dann mögliche Missstände zu benennen. Dies könnte den Gesetzgeber veranlassen, zu handeln.
Das Kartellamt publizierte am Dienstag zudem den Jahresbericht seiner Markttransparenzstelle zu Kraftstoffen. Damit verfolgen die Wettbewerbshüter die Preisentwicklungen an Tankstellen. Dem Bericht des Bundeskartellamtes zufolge sind die Preisunterschiede weiterhin groß, so sind Tankstellen an Autobahnen meistens etwa 25 Cent teurer als an normalen Straßen. Eine weitere Erkenntnis: Morgens zu tanken ist deutlich teurer als abends. dpa
Der Hersteller von Windkraftanlagen Nordex ist nach einem Cyberangriff Ende März weiter beeinträchtigt. “Um die Anlagen unserer Kunden zu schützen, wurde der Fernüberwachungszugriff aus der IT-Struktur des Unternehmens auf die unter Vertrag stehenden Turbinen vorsorglich deaktiviert”, teilte das Unternehmen am Dienstag in Hamburg mit.
Die Turbinen selbst laufen den Angaben nach aber weiter uneingeschränkt, auch die Kommunikation mit Netzbetreibern und Energiehändlern sei nicht beeinträchtigt. Weiter hieß es, inzwischen habe man für den Großteil der Anlagen alternative Überwachungsdienste aufgesetzt.
Nachdem der Angriff Nordex am 31. März aufgefallen war, hatte der Konzern den Angaben nach verschiedene IT-Systeme in unterschiedlichen Geschäftsbereichen vorsorglich abgestellt. Bisherigen Erkenntnissen zufolge sind die Auswirkungen auf die interne IT-Infrastruktur begrenzt, ein Team aus internen wie externen Experten hatte die forensischen Analysen laut dem Unternehmen in Abstimmung mit den Behörden durchgeführt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Systeme Dritter beeinträchtigt wurden.
“Während die Untersuchungen andauern, setzt das Unternehmen die Wiederherstellung seiner IT-Systeme fort, um die Kontinuität des Geschäftsbetriebs sicher zu stellen und den normalen Betrieb so schnell wie möglich wieder aufzunehmen”, hieß es weiter. Windkraftanlagen-Hersteller Nordex hatte am 2. April per Adhoc-Nachricht über den Vorfall informiert. dpa
Die Bundesregierung hat den EU-Beitrittskandidaten Serbien daran erinnert, die EU-Außen- und Sicherheitspolitik mitzutragen. Mit Blick auf den beabsichtigten Kauf eines chinesischen Luftabwehrsystems durch das Westbalkan-Land teilte das Bundespresseamt am Dienstag mit, dass man die Berichte zur Kenntnis genommen habe.
“Grundsätzlich gilt: Die Erwartung der Bundesregierung an alle EU-Beitrittskandidaten ist, dass sie sich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union anschließen und auch so der EU zunehmend annähern.” Hintergrund ist auch, dass Serbien die EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Invasion in der Ukraine anders als die anderen Westbalkan-Staaten und EU-Beitrittsaspiranten nicht mitträgt. Die Regierung in Belgrad pflegt traditionell enge Beziehungen zu Moskau. In den vergangenen Jahren hatte es auch Streit mit dem Nato-Partner Türkei gegeben, der ein russisches Luftabwehrsystem gekauft hatte.
Bereits am Montag hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Serbien aufgefordert, sich den Sanktionen der EU gegen Russland anzuschließen (Europe.Table berichtete). “Wenn man Mitglied der EU werden will, was Serbien werden möchte, dann ist es zentral, in solchen Momenten auch die Außenpolitik der EU und entsprechend die Sanktionen mitzutragen”, hatte sie gesagt.
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich dagegen zurückhaltender. “Man kann ja die Dinge sehr unterschiedlich bewerten, und trotz allem ist ja festzuhalten, dass wir von allen eine Verurteilung der russischen Aggression gesehen haben”, sagte er mit Blick darauf, dass Serbien den russischen Angriff in der Abstimmung der UN-Vollversammlung mit verurteilt hatte. rtr
Vor dem Hintergrund der Spannungen mit China hat Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen in Taipeh eine EU-Delegation unter Führung schwedischer Parlamentarier begrüßt. Das Treffen am Dienstag musste allerdings virtuell stattfinden, da sich Tsai nach einem Kontakt mit einem Corona-Patienten in Isolation befand. Die Präsidentin der demokratischen Inselrepublik äußerte die Hoffnung, die Beziehungen mit Europa zu verstärken.
“Angesichts der anhaltenden Expansion des Autoritarismus müssen sich die demokratischen Partner in der Welt zusammenschließen, um ihren Lebensstil zu verteidigen”, sagte Taiwans Präsidentin Tsai der Delegation, der auch ein Mitglied und ein Berater des EU-Parlaments angehören.
Die Leiterin Boriana Åberg, Vorsitzende der schwedisch-taiwanischen Freundschaftsgruppe, sagte: “Es ist unsere Pflicht, an der Seite Taiwans zu stehen und mit allen Mitteln seine Freiheit und demokratischen Werte zu verteidigen.” Die Parlamentarierin wies auf die russische Invasion und Gräueltaten in der Ukraine sowie die chinesischen Provokationen und Drohungen gegen Taiwan.
Die chinesische Führung betrachtet das freiheitliche Taiwan als Teil der kommunistischen Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Nach der Invasion Russlands in die Ukraine wachsen die Sorgen, dass auch Peking seine Drohungen eines Tages wahr machen könnte. Auch versucht Peking, Taiwan international zu isolieren. Es reagiert verärgert auf offizielle Kontakte wie jetzt die Visite der Abgeordneten. dpa
Ulrich Kelber kann sehr schnell sein. Fragt man ihn, ob es nervt, wenn der Datenschützer als Bremsklotz empfunden wird, ändert er seinen Hintergrund zu einem Hemmschuh, bevor die Frage fertiggestellt ist. Die Bahn setzt Hemmschuhe ein, um Züge vor dem Wegrollen zu bewahren, erklärt Kelber. “Zur Vermeidung von Unfällen, um es ganz deutlich zu sagen. Damit Sachen dort sind, wo sie hingehören.” Und das ist ein bisschen auch seine Jobbeschreibung.
Ulrich Kelber, Jahrgang 1968, ist seit Januar 2019 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. In den 1990er Jahren war der studierte Informatiker Berater bei einer IT-Firma, ab 2000 saß er für die SPD 18 Jahre im Bundestag und gewann sein Direktmandat auch dann, wenn die Sozialdemokraten schwächelten und die meisten Einwohner in seinem Wahlkreis Bonn ihre Zweitstimme lieber der CDU gaben.
“Das Allerschlimmste ist, wenn wir Recht behalten”
Kelber würde sich freuen, sagt er, wenn er bei der Gesetzgebung öfter und früher eingebunden würde, damit Dinge anders gemacht werden könnten. “An vielen Stellen geht das nämlich.” Er ärgert sich, dass er Gesetzesentwürfe oft erst kurz vor Kabinettssitzungen erhalte und keine Zeit mehr habe, seine Anmerkungen einzuarbeiten. Manchmal bleibt ihm noch die Zeit zu warnen, dass etwas verfassungswidrig oder europarechtswidrig sein könnte. “Das Allerschlimmste ist, wenn wir Recht behalten und dann drei oder vier Jahre später ein Digitalisierungsprojekt durch das Verfassungsgericht oder den Bundesgerichtshof gestoppt wird. Dann wurde viel Zeit und Millionen Euro verloren, obwohl es Alternativen gegeben hätte.”
An anderen Stellen müsse man sich den Weg zum Ziel überlegen. “Wenn wir Pseudonymisierungs- und Anonymisierungstechnologien stärken, ist mehr Datenverarbeitung personenbezogener Daten möglich. Würden wir dezentrale KI, föderale KI, verteiltes Lernen fördern, wäre KI nicht nur möglich, sondern sogar mit Daten möglich, die man mit zentralistischen Datensammelmethoden, also den berühmten Data Lakes, überhaupt nicht erreichen kann. Das wäre der europäische Weg.” Kelber sieht sich als Beschützer der Freiheitsrechte von Bürger:innen: “Im sonstigen Bereich haben einige spionieren und digitalisieren miteinander verwechselt. Und das akzeptieren wir eben nicht.”
“Eingriffe des Staates müssen verhältnismäßig sein”
Die Verantwortung für ein Zustandekommen einer rechtssicheren Grundlage für den transatlantischen Datentransfer (Europe.Table berichtete) sieht Kelber erst einmal bei den US-Amerikanern. Am liebsten wäre ihm eine Regelung, die einen freien Datenfluss zwischen allen demokratisch regierten Ländern ermöglichen würde. “Dazu darf es aber für europäische Bürgerinnen und Bürger keine Rechte zweiter Klasse geben, sondern Eingriffe des Staates müssen verhältnismäßig sein und es muss Rechte geben, sich zu wehren.”
Privat verzichtet Kelber auf Whatsapp, Instagram, Tiktok und Android. Twitter nutzt er intensiv, wurde dafür auch schon kritisiert. Seine fünf Kinder können das machen, wie sie wollen, dürfen sich dann aber nicht mehr mit allen Geräten synchronisieren. Seine Freizeit verbringt er bei den Baseballern der Bonn Capitals als “sehr aktiver Fan”. Dort ist er nicht der Hemmschuh, sondern eher Zugpferd – mit Kuhglocke am Spielfeldrand. Gabriel Bub
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte enttäuscht auf die Ansage der Ukraine, dass sein Besuch dort “unerwünscht” sei. Deutschlands Führungsrolle in der EU steht also weiterhin auf wackeligen Beinen. Auch bei der Härte der Sanktionen gegen Russland gilt die Bundesregierung eher als Bremserin.
Im Fall eines Gaslieferstopps von russischer Seite müsste sich die europäische Zusammenarbeit nichtsdestotrotz noch einmal ganz neu beweisen. Um die passenden Strukturen zu schaffen, braucht die Union aber Zeit, wie Sie in der Analyse von Manuel Berkel lesen. Ebenfalls darin: die neuen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zur Sicherung kritischer Gasinfrastruktur.
Das Bundeskartellamt schaut jetzt bei Raffinerie-Betreibern und Großhändlern aufgrund der hohen Spritpreise genauer hin. Die Behörde hat eine Sektoruntersuchung eingeleitet, um die genauen Gründe für die Preisentwicklungen auszuleuchten.
Erneut hat die EU-Kommission die Vorstellung des Verordnungsentwurfs zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) verschoben. Viele Akteure tun sich schwer damit, konkrete Vorstellungen von dem komplexen Gebilde zu entwickeln. Experten der Joint Action TEHDAS gehen den einzelnen Fragestellungen nach und zeigen auf, wie die Architektur und Infrastruktur des EHDS im Detail aussehen könnte. Die wichtigsten Erkenntnisse aus den neusten Veröffentlichungen hat Eugenie Ankowitsch herausgearbeitet.
Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, wird gern als Bremsklotz empfunden. Er selbst sieht sich allerdings eher als Hemmschuh, also einer, der Dinge davor bewahrt, unaufhaltsam wegzurollen und Schaden anzurichten, wie Sie im Portrait lesen können.
Europa arbeitet weiter hart daran, um sich auf ein mögliches Ende der russischen Gaslieferungen vorzubereiten und kann dabei durchaus Erfolge verzeichnen – etwa bei der Einfuhr von Flüssiggas (LNG). Im ersten Quartal habe die EU 13 Milliarden Kubikmeter (bcm) LNG mehr importiert als im Vorjahreszeitraum, schrieb Bruegel-Analyst Ben McWilliams am Dienstag auf Twitter. “Das liegt auf dem Zielpfad der EU-Kommission von 50 bcm zusätzlichem LNG innerhalb dieses Jahres.” Stärker ausgelastet waren laut Bruegel vor allem Terminals in den Niederlanden, Frankreich und Belgien.
Einen möglichen Totalausfall russischer Lieferungen sieht Bruegel-Kollege Georg Zachmann deshalb inzwischen nicht in erster Linie als technisches Problem, sondern mehr als eine Herausforderung für die europäische Zusammenarbeit. Die Frage sei, ob der Binnenmarkt und die Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander standhielten, sagte Zachmann bei einer Diskussion mit der Florence School of Regulation. Im Fokus der Diskussion standen zwei Ebenen: die gemeinsame Beschaffung von Gas und die Verteilung des Brennstoffs.
Bei der Beschaffung preschen die Mitgliedstaaten derzeit noch einzeln voran. Italien etwa gab Montagabend ein Abkommen mit Algerien bekannt (Europe.Table berichtete), das ab 2023/24 zusätzliche jährliche Gaslieferungen von 9 bcm vorsieht. Für eine abgestimmte Beschaffung hat die EU-Kommission eine neue Gasplattform eingerichtet (Europe.Table berichtete), die vergangenen Donnerstag erstmals zusammengekommen war.
Gemeinsame Gaseinkäufe seien aber lediglich sinnvoll, um die Speicher bis zum kommenden Winter wieder zu füllen, sagte der ehemalige Kommissionsbeamte Klaus-Dieter Borchardt, der inzwischen als Berater für die Großkanzlei Baker McKenzie arbeitet. Eine gemeinsame Beschaffung könne sogar zu neuen Verzögerungen führen, glaubt Walter Boltz, ehemaliger Vorstand beim österreichischen Regulierer E-Control. Sinnvoll könne aber ein gemeinsamer Rahmenvertrag für kleinere Mitgliedstaaten sein, um die nötigen Mengen für langfristige LNG-Lieferungen zusammenzubekommen.
Für einen Stopp russischer Gaslieferungen innerhalb weniger Wochen sieht Borchardt die EU allerdings nicht vorbereitet. Es sei ausgeschlossen, so schnell die geeigneten Institutionen zu schaffen, sagte der ehemalige Kommissionsbeamte. Einen Verzicht auf russische Gaslieferungen halte er erst im nächsten Jahrzehnt für möglich.
Auch Deutschland braucht nach Ansicht der Bundesnetzagentur Zeit, um unabhängig von russischem Gas zu werden. “Vier Jahre strammes Regiment, wirklich gewollt, dann kann das gelingen”, sagte Behördenchef Klaus Müller im Interview mit der “Zeit”. Eine Voraussetzung sei eine Reduktion des Verbrauchs. Müller warb sogar dafür, über Einschnitte bei Haushaltskunden nachzudenken. In einer Gasnotlage seien etwa der Betrieb von Saunen oder das Heizen großer Singlewohnungen “auf gar keinen Fall mehr zu rechtfertigen”.
Für die Verteilung von Gaslieferungen an einzelne EU-Länder im Fall einer Notlage glaubt Borchardt nicht an eine Lösung über zwischenstaatliche Abkommen. Die Koordination könne zum einen über die Kommission erfolgen und zudem über die Notversorgungskorridore, die in der europäischen SoS-Verordnung vorgesehen sind.
Deutschland trifft derweil Vorbereitungen für mögliche Ausfälle von Energieunternehmen. Das Bundeswirtschaftsministerium will sich als letztes Mittel im Krisenfall auch Enteignungen von Energiefirmen vorbehalten. Wie am Dienstag aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums verlautete, soll das noch aus dem Jahr 1975 stammende Energiesicherungsgesetz wegen der Verwerfungen auf den Energiemärkten im Zuge des Ukraine-Kriegs modernisiert und ergänzt werden. Der entsprechende Entwurf ging in die Ressortabstimmung.
Schon vor einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung sollen demnach besondere Maßnahmen möglich sein. Konzerne, die zur kritischen Energie-Infrastruktur gezählt werden, könnten dann bei Bedarf unter Treuhandverwaltung gestellt werden. Dies soll greifen, wenn die Unternehmen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen und die Versorgungssicherheit gefährdet ist.
Dieses Modell hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zuletzt bereits bei der Tochter eines ausländischen Unternehmens gewählt – bei Gazprom Germania, dem Deutschland-Geschäft des russischen Gaskonzerns. Die Tochter wurde unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt (Europe.Table berichtete), die nun befristet bis zum 30. September alle Stimmrechte aus Geschäftsanteilen an der Gazprom Germania wahrnimmt. Die Treuhandverwaltung solle im Energiesicherungsgesetz so ausgestaltet werden, dass sie unabhängig von Vorgaben im Außenwirtschaftsrecht ist. mit rtr
Am 6. April wollte die EU-Kommission ihren Verordnungsvorschlag zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) vorlegen. Doch nun wurde die Veröffentlichung erneut verschoben. Über die Gründe kann lediglich spekuliert werden. Es wird kolportiert, dass Finanzierungsfragen des im geleakten Vorentwurf auf 663 Millionen Euro geschätzten Vorhabens unzureichend geklärt wären (Europe.Table berichtete). Auch Eingriffe in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten würden kritisiert. Andere Quellen erklären die Verschiebung damit, dass das Kapitel zur technischen Infrastruktur noch nicht ganz ausgereift war. Offizielle Äußerungen der Kommission zur erneuten Verschiebung gibt es wie üblich nicht.
Zur technischen und Verwaltungsinfrastruktur hat nun die Joint Action Towards the European Health Data Space (TEHDAS) gleich zwei Berichte vorgelegt. An TEHDAS, deren Ziel es ist, die EU-Kommission bei ihrem Legislativvorschlag für den Europäischen Gesundheitsdatenraum für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zu unterstützen, sind 21 EU-Mitgliedstaaten beteiligt. Angeführt wird die Joint Action von dem finnischen Innovationsfonds Sitra.
In einem dieser Berichte, in dem TEHDAS die Zugangsprozesse zu Gesundheitsdaten in unterschiedlichen Ländern untersucht hat, kommen die Autoren zum Ergebnis, dass die Vielfalt der Verwaltungskonzepte von Gesundheitsdaten in den EU-Mitgliedstaaten die Datennutzung behindern. Die Experten heben dabei die unterschiedlichen Ansätze für die Verwaltung und den Zugang zu Gesundheitsdaten hervor, die auf die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen der Länder zurückzuführen seien.
So wurden in Finnland und Frankreich mit Findata und dem Health Data Hub (HDH) nationale Knotenpunkte eingerichtet (Europe.Table berichtete), die darauf abzielen, Anträge auf Datenzugang und die Erteilung von Genehmigungen in ein zentralisiertes System zu integrieren. So ist etwa Findata, 2019 gegründet, befugt, Genehmigungen für die Sekundärnutzung für alle finnischen Gesundheits- und Sozialdaten zu erteilen, die im Rahmen der Primärversorgung sowie für nationale Register erhoben werden. Die Behörde empfängt und verarbeitet die Daten (Europe.Table berichtete) und stellt sie in einer sicheren Umgebung zur Analyse bereit. Ähnliches System des One-Stop-Shops ist in Deutschland mit dem Forschungsdatenzentrum Gesundheit geplant, das sich derzeit im Aufbau befindet und im Herbst erste Anträge bearbeiten will.
In den Niederlanden und Spanien gibt es dagegen mehrere Stellen, die sich mit dem Datenzugang und der Erteilung von Genehmigungen im Rahmen eines dezentralen Systems befassen. Die spanische BIGAN-Plattform etwa wird vom Instituto Aragonés de Ciencias de la Salud (IACS) verwaltet. Sie besteht aus drei verschiedenen Portalen, die je nach Zweck unterschiedliche Dienste anbieten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Datenanbietern, die staatlich organisiert sind, ist die niederländische Stiftung Health-RI eine öffentlich-private Partnerschaft von Organisationen, die in der Gesundheitsforschung tätig sind. Health-RI konzentriert sich auf den Aufbau einer integrierten Forschungsinfrastruktur für Gesundheitsdaten, die für Forscher, Bürger und Leistungserbringer zugänglich ist, um die optimale Nutzung von Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Die Einrichtung ist weder eine Datengenehmigungsbehörde noch ein Dateninhaber. Health-RI ist ein Netzwerk, das Werkzeuge und Standards zur Unterstützung der Wiederverwendung von Gesundheitsdaten bereitstellt. Daneben gibt es in den Niederlanden das Zentralbüro für Statistik (CBS, Centraal Bureau voor de Statistiek), das hauptsächlich Daten aus öffentlichen Quellen, darunter Krankenhausentlassungsregister, Datenbanken der Primärversorgung, Todesursachen, Register der medizinischen Berufe, Gesundheitsbefragungen und Patientenakten, zusammenführt.
Verschiedene Systeme für den Zugang zu Gesundheitsdaten können einen unterschiedlichen Grad an Zentralisierung auf mehreren Ebenen aufweisen, betonten die TEHDAS-Experten, darunter:
• Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigung von Daten
• Die Darstellung von Metadatenkatalogen
• Die Speicherung von Gesundheitsdaten und die Bereitstellung von Analysetools auf Projektbasis
• Die dauerhafte Speicherung von Gesundheitsdaten (außerhalb von spezifischen Projekten)
Obwohl die tatsächlichen Anwendungsfälle sehr unterschiedlich sein können, werden typische
zentralisierte Systeme alle oben genannten Ebenen nutzen, betonen die Autoren. Dadurch würde der Datenzugriff vereinfacht.
Umgekehrt geben dezentralisierte Systeme den lokalen Akteuren in der Regel die Kontrolle über mehrere dieser Ebenen, so die Autoren. In Ermangelung einer einheitlichen, zentralisierten Plattform seien die Datenbanken in der Regel über mehrere lokale Datenhalter verstreut. Vom Nutzer werde erwartet, dass er einen sicheren Raum für die Sammlung und Analyse der für sein Projekt erforderlichen Daten bereitstellt. Bei dezentralen Systemen sei es außerdem häufig erforderlich, dass der Antrag auf Datengenehmigung bei jedem einzelnen Dateninhaber gestellt wird, wobei jeder seine eigenen Kriterien zugrunde lege.
Und so sprechen sich die Autoren des TEHDAS-Berichtes für die Einrichtung einer einzigen Kontaktstelle pro Mitgliedstaat aus, die zentralisiert für den Zugang zu Gesundheitsdaten und die Bearbeitung von Anträgen zuständig ist.
Trotz der unterschiedlichen Systeme in Finnland, Frankreich, Spanien und den Niederlanden ist der Prozess der Überprüfung und Gewährung des Zugangs recht ähnlich. Die Experten schlagen daher ein allgemeingültiges Verfahren zur Beantragung von Gesundheitsdaten vor. Das umfasst demnach folgende Schritte: Kontaktaufnahme und Datenermittlung, Beantragung und Prüfung der Datengenehmigung, Prüfung des Datenantrags, Erteilung der Datengenehmigung und Datennutzungsvereinbarung sowie Datenbereitstellung und Datennutzung.
Für jeden dieser Schritte werden bestimmte technische Dienste benötigt. TEHDAS hat nun in einem weiteren Bericht eine erste Definition von Diensten geliefert, die für die verschiedenen Phasen des Datenzugriffs – von der Identifizierung über die Beantragung der Genehmigung bis hin zur Nutzung – mindestens erforderlich sind.
Als Ergebnis vieler Diskussion sprechen sich die TEHDAS-Experten zunächst für eine EHDS-Architektur auf Basis eines Peer-to-Peer-Netzwerkes (P2P) aus. Dabei speichert jeder Knoten seinen Teil der Daten. Dieses System steht im Gegensatz zu einem Client-Server-Szenario, bei dem alle Informationen in einem einzigen Knoten, dem Server, gespeichert sind und die übrigen Knoten, die Clients, auf diesen Knoten zugreifen. In einem P2P-Netzwerk könne jeder Knoten isoliert arbeiten und eine bestimmte Anzahl von Diensten für die Gemeinschaft seiner Nutzer bereitstellen, wie beispielsweise den Zugriff auf die im Knoten verfügbaren Daten und deren Analyse.
Die “Users’ Journey” als Beschreibung der typischen Schritte, die ein Datennutzer durchläuft, diente den TEHDAS-Experten als Leitfaden zur Definition der technischen EHDS-Infrastruktur im Hinblick auf die Serviceoptionen.
Die Datenfindungsphase ist der Ausgangspunkt des gesamten User’s-Journey-Prozesses. In dieser Phase sucht der Datennutzer nach den Daten, die er benötigt, um ein bestimmtes Projekt durchzuführen. Voraussetzung für die Durchführung dieser Suche sei, dass die verfügbaren Daten ordnungsgemäß aufbereitet und in Metadatenkatalogen veröffentlicht wurden, heißt es in dem Bericht.
In der Phase der Datennutzung führt der Datennutzer schließlich die Datenanalysen durch. Dabei würden Datenintegrationsdienste benötigt. Sie sollten laut dem Bericht alle Softwareelemente umfassen, die eine harmonisierte Sicht auf die Daten ermöglichen, einschließlich der Abfrage der angeforderten Daten und ihrer Verknüpfung mit anderen Datenquellen. Daneben sind aus der Sicht der TEHDAS-Experten Datenbereitstellungsdienste und Datenanalysedienste unerlässlich.
Die Phase des Projektabschlusses ist die letzte Phase, in der der Datennutzer eine ordnungsgemäße Offenlegung seiner Ergebnisse gegenüber den übrigen Nutzern des European Health Data Space sicherstellen und dabei die FAIR-Grundsätze für Ergebnisdaten einhalten muss. Außerdem würden Dienste für die Archivierung und Validierung Ergebnisse sowie Dienstleistungen zur Vorbereitung der Ergebnisausgabe benötigt.
Der nächste Anlauf der Kommission für den Legislativvorschlag zum Europäischen Gesundheitsdatenraum ist für den 3. Mai geplant.
Auch die letzte noch ausstehende Verteilung von Digitalzuständigkeiten zwischen den Bundesministerien ist nun geklärt: Vier Monate nach dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung sind sich jetzt auch das Umwelt- und Verbraucherressort unter Steffi Lemke (Grüne) und das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann (FDP) einig geworden und haben eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen.
Die Zuständigkeiten für die Strategie für digitalen Verbraucherschutz, für Corporate Digital Responsibility (CDR) und das Zentrum für vertrauenswürdige KI (ZVKI) werden damit umziehen. Auch die Verbraucherpolitik in der Informationsgesellschaft wechselt das Haus, nicht aber die Zuständigkeit für das Netzwerkdurchsetzung und die aus dem Digital Services Act entstehenden Fragestellungen dazu. Die Zuständigkeit für Verbraucherschutz im Telekommunikationssektor und der Safer Internet Day, sowie die Zuständigkeit für die Datensouveränität der Verbraucher wechseln das Haus, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage von Europe.Table am Abend mit.
Damit verbleiben im BMJ weiterhin wesentliche Aspekte digitalrelevanter europäischer Vorhaben – die inhaltlich oft nicht trennscharf entlang der Ressortlinien verlaufen. So sind etwa bei der KI-Verordnung viele Fragestellungen sowohl Teil der Verbraucher- als auch der Rechtspolitik. Hier dürfte das BMJ die größere Rolle spielen. Zugleich sind wesentliche Teile des Vertragsrechts oder der Kollektiven Rechtsdurchsetzung in beiden Häusern von größter Relevanz.
Der Abstimmungsaufwand in der Bundesregierung dürfte also trotz der nun erzielten letzten Einigung und der Voranstellung des Digitalen im Namen des Ressorts für Digitales und Verkehr erheblich bleiben: Allein für die noch anstehende KI-Verordnung sind damit mindestens vier Ressorts zuständig, für die Umsetzung des DSA mindestens drei. Durch die Neuverteilung der meisten Aufgaben der bisherigen Gruppe 6.2 im Bundeskanzleramt ist im Ergebnis damit derzeit noch kaum absehbar, wie die tatsächlichen Abstimmungen vonstattengehen sollen.
Die ukrainische Regierung hat einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kiew abgelehnt. Steinmeier zeigte sich am Dienstag am Rande eines Besuchs in Warschau enttäuscht darüber. Eigentlich hätten der polnische Präsident Andrej Duda und er verabredet, zusammen mit den Kollegen aus Estland, Litauen und Lettland nach Kiew zu reisen, “um dort ein starkes Zeichen der europäischen Solidarität mit der Ukraine zu setzen”, sagte er. “Ich war dazu bereit. Aber offenbar – und ich muss zur Kenntnis nehmen -, war das in Kiew nicht gewünscht”, fügte er hinzu.
Dagegen reisten drei Ampel-Politiker am Dienstag in die Westukraine, um dort Parlamentarier des ukrainischen Parlaments zu treffen. Dabei handelt es sich um die Vorsitzenden der Bundestags-Ausschüsse für Verteidigung, Außen und Europa. Büros der Abgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP, Verteidigung), Michael Roth (SPD, Auswärtiger Ausschuss) und Anton Hofreiter (Grüne, Europa-Ausschuss) bestätigten dies. Der außenpolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt (CDU), kritisierte, dass die Ampel-Politiker die Einladung aus dem ukrainischen Parlament nicht weitergegeben hätten und im Nachhinein mit Geheimhaltungsgründen argumentierten. Dies sei “schlechter Stil”.
Die unterschiedliche Behandlung durch die ukrainische Regierung dürfte mit Vorwürfen gegen Steinmeier zu tun haben, er habe in den vergangenen Jahren einen zu Russland-freundlichen Kurs gehabt. Auch der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hatte den Bundespräsidenten deshalb kritisiert. Steinmeier hatte sich 2014 um ein Ende der Kämpfe auf dem Maidan-Platz in Kiew und zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel um den Abschluss des sogenannten Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine bemüht. rtr
Nach starken Preisschwankungen an den Tankstellen will das Bundeskartellamt Raffinerie-Betreibern und Großhändlern auf den Zahn fühlen. Wie die Bonner Behörde am Dienstag mitteilte, hat sie eine sogenannte Sektoruntersuchung eingeleitet. “Ziel ist es insbesondere, die Gründe für die jüngsten Markt- und Preisentwicklungen auszuleuchten”, erklärte Kartellamtschef Andreas Mundt.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges waren im März die Preise für Rohöl und die Preise an den Zapfsäulen stark angestiegen. Als der Rohölpreis wieder fiel, sank der Verbraucherpreis aber nicht im gleichen Maße. Diese Marktverwerfungen riefen das Kartellamt auf den Plan. Sektoruntersuchungen dienen dazu, ein bestimmtes Marktsegment unter die Lupe zu nehmen und dann mögliche Missstände zu benennen. Dies könnte den Gesetzgeber veranlassen, zu handeln.
Das Kartellamt publizierte am Dienstag zudem den Jahresbericht seiner Markttransparenzstelle zu Kraftstoffen. Damit verfolgen die Wettbewerbshüter die Preisentwicklungen an Tankstellen. Dem Bericht des Bundeskartellamtes zufolge sind die Preisunterschiede weiterhin groß, so sind Tankstellen an Autobahnen meistens etwa 25 Cent teurer als an normalen Straßen. Eine weitere Erkenntnis: Morgens zu tanken ist deutlich teurer als abends. dpa
Der Hersteller von Windkraftanlagen Nordex ist nach einem Cyberangriff Ende März weiter beeinträchtigt. “Um die Anlagen unserer Kunden zu schützen, wurde der Fernüberwachungszugriff aus der IT-Struktur des Unternehmens auf die unter Vertrag stehenden Turbinen vorsorglich deaktiviert”, teilte das Unternehmen am Dienstag in Hamburg mit.
Die Turbinen selbst laufen den Angaben nach aber weiter uneingeschränkt, auch die Kommunikation mit Netzbetreibern und Energiehändlern sei nicht beeinträchtigt. Weiter hieß es, inzwischen habe man für den Großteil der Anlagen alternative Überwachungsdienste aufgesetzt.
Nachdem der Angriff Nordex am 31. März aufgefallen war, hatte der Konzern den Angaben nach verschiedene IT-Systeme in unterschiedlichen Geschäftsbereichen vorsorglich abgestellt. Bisherigen Erkenntnissen zufolge sind die Auswirkungen auf die interne IT-Infrastruktur begrenzt, ein Team aus internen wie externen Experten hatte die forensischen Analysen laut dem Unternehmen in Abstimmung mit den Behörden durchgeführt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass Systeme Dritter beeinträchtigt wurden.
“Während die Untersuchungen andauern, setzt das Unternehmen die Wiederherstellung seiner IT-Systeme fort, um die Kontinuität des Geschäftsbetriebs sicher zu stellen und den normalen Betrieb so schnell wie möglich wieder aufzunehmen”, hieß es weiter. Windkraftanlagen-Hersteller Nordex hatte am 2. April per Adhoc-Nachricht über den Vorfall informiert. dpa
Die Bundesregierung hat den EU-Beitrittskandidaten Serbien daran erinnert, die EU-Außen- und Sicherheitspolitik mitzutragen. Mit Blick auf den beabsichtigten Kauf eines chinesischen Luftabwehrsystems durch das Westbalkan-Land teilte das Bundespresseamt am Dienstag mit, dass man die Berichte zur Kenntnis genommen habe.
“Grundsätzlich gilt: Die Erwartung der Bundesregierung an alle EU-Beitrittskandidaten ist, dass sie sich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union anschließen und auch so der EU zunehmend annähern.” Hintergrund ist auch, dass Serbien die EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Invasion in der Ukraine anders als die anderen Westbalkan-Staaten und EU-Beitrittsaspiranten nicht mitträgt. Die Regierung in Belgrad pflegt traditionell enge Beziehungen zu Moskau. In den vergangenen Jahren hatte es auch Streit mit dem Nato-Partner Türkei gegeben, der ein russisches Luftabwehrsystem gekauft hatte.
Bereits am Montag hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Serbien aufgefordert, sich den Sanktionen der EU gegen Russland anzuschließen (Europe.Table berichtete). “Wenn man Mitglied der EU werden will, was Serbien werden möchte, dann ist es zentral, in solchen Momenten auch die Außenpolitik der EU und entsprechend die Sanktionen mitzutragen”, hatte sie gesagt.
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich dagegen zurückhaltender. “Man kann ja die Dinge sehr unterschiedlich bewerten, und trotz allem ist ja festzuhalten, dass wir von allen eine Verurteilung der russischen Aggression gesehen haben”, sagte er mit Blick darauf, dass Serbien den russischen Angriff in der Abstimmung der UN-Vollversammlung mit verurteilt hatte. rtr
Vor dem Hintergrund der Spannungen mit China hat Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen in Taipeh eine EU-Delegation unter Führung schwedischer Parlamentarier begrüßt. Das Treffen am Dienstag musste allerdings virtuell stattfinden, da sich Tsai nach einem Kontakt mit einem Corona-Patienten in Isolation befand. Die Präsidentin der demokratischen Inselrepublik äußerte die Hoffnung, die Beziehungen mit Europa zu verstärken.
“Angesichts der anhaltenden Expansion des Autoritarismus müssen sich die demokratischen Partner in der Welt zusammenschließen, um ihren Lebensstil zu verteidigen”, sagte Taiwans Präsidentin Tsai der Delegation, der auch ein Mitglied und ein Berater des EU-Parlaments angehören.
Die Leiterin Boriana Åberg, Vorsitzende der schwedisch-taiwanischen Freundschaftsgruppe, sagte: “Es ist unsere Pflicht, an der Seite Taiwans zu stehen und mit allen Mitteln seine Freiheit und demokratischen Werte zu verteidigen.” Die Parlamentarierin wies auf die russische Invasion und Gräueltaten in der Ukraine sowie die chinesischen Provokationen und Drohungen gegen Taiwan.
Die chinesische Führung betrachtet das freiheitliche Taiwan als Teil der kommunistischen Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Nach der Invasion Russlands in die Ukraine wachsen die Sorgen, dass auch Peking seine Drohungen eines Tages wahr machen könnte. Auch versucht Peking, Taiwan international zu isolieren. Es reagiert verärgert auf offizielle Kontakte wie jetzt die Visite der Abgeordneten. dpa
Ulrich Kelber kann sehr schnell sein. Fragt man ihn, ob es nervt, wenn der Datenschützer als Bremsklotz empfunden wird, ändert er seinen Hintergrund zu einem Hemmschuh, bevor die Frage fertiggestellt ist. Die Bahn setzt Hemmschuhe ein, um Züge vor dem Wegrollen zu bewahren, erklärt Kelber. “Zur Vermeidung von Unfällen, um es ganz deutlich zu sagen. Damit Sachen dort sind, wo sie hingehören.” Und das ist ein bisschen auch seine Jobbeschreibung.
Ulrich Kelber, Jahrgang 1968, ist seit Januar 2019 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. In den 1990er Jahren war der studierte Informatiker Berater bei einer IT-Firma, ab 2000 saß er für die SPD 18 Jahre im Bundestag und gewann sein Direktmandat auch dann, wenn die Sozialdemokraten schwächelten und die meisten Einwohner in seinem Wahlkreis Bonn ihre Zweitstimme lieber der CDU gaben.
“Das Allerschlimmste ist, wenn wir Recht behalten”
Kelber würde sich freuen, sagt er, wenn er bei der Gesetzgebung öfter und früher eingebunden würde, damit Dinge anders gemacht werden könnten. “An vielen Stellen geht das nämlich.” Er ärgert sich, dass er Gesetzesentwürfe oft erst kurz vor Kabinettssitzungen erhalte und keine Zeit mehr habe, seine Anmerkungen einzuarbeiten. Manchmal bleibt ihm noch die Zeit zu warnen, dass etwas verfassungswidrig oder europarechtswidrig sein könnte. “Das Allerschlimmste ist, wenn wir Recht behalten und dann drei oder vier Jahre später ein Digitalisierungsprojekt durch das Verfassungsgericht oder den Bundesgerichtshof gestoppt wird. Dann wurde viel Zeit und Millionen Euro verloren, obwohl es Alternativen gegeben hätte.”
An anderen Stellen müsse man sich den Weg zum Ziel überlegen. “Wenn wir Pseudonymisierungs- und Anonymisierungstechnologien stärken, ist mehr Datenverarbeitung personenbezogener Daten möglich. Würden wir dezentrale KI, föderale KI, verteiltes Lernen fördern, wäre KI nicht nur möglich, sondern sogar mit Daten möglich, die man mit zentralistischen Datensammelmethoden, also den berühmten Data Lakes, überhaupt nicht erreichen kann. Das wäre der europäische Weg.” Kelber sieht sich als Beschützer der Freiheitsrechte von Bürger:innen: “Im sonstigen Bereich haben einige spionieren und digitalisieren miteinander verwechselt. Und das akzeptieren wir eben nicht.”
“Eingriffe des Staates müssen verhältnismäßig sein”
Die Verantwortung für ein Zustandekommen einer rechtssicheren Grundlage für den transatlantischen Datentransfer (Europe.Table berichtete) sieht Kelber erst einmal bei den US-Amerikanern. Am liebsten wäre ihm eine Regelung, die einen freien Datenfluss zwischen allen demokratisch regierten Ländern ermöglichen würde. “Dazu darf es aber für europäische Bürgerinnen und Bürger keine Rechte zweiter Klasse geben, sondern Eingriffe des Staates müssen verhältnismäßig sein und es muss Rechte geben, sich zu wehren.”
Privat verzichtet Kelber auf Whatsapp, Instagram, Tiktok und Android. Twitter nutzt er intensiv, wurde dafür auch schon kritisiert. Seine fünf Kinder können das machen, wie sie wollen, dürfen sich dann aber nicht mehr mit allen Geräten synchronisieren. Seine Freizeit verbringt er bei den Baseballern der Bonn Capitals als “sehr aktiver Fan”. Dort ist er nicht der Hemmschuh, sondern eher Zugpferd – mit Kuhglocke am Spielfeldrand. Gabriel Bub