Table.Briefing: Europe

Gas und Atomkraft „nachhaltig“ + Gasversorgung in Europa + Turbulenzen in Großbritanniens Regierung

  • “Taxonomie verliert Glaubwürdigkeit”
  • Termine
  • EU rüstet sich für den Gas-Winter
  • EU bewertet Emissionen von Hybrid-Fahrzeugen neu
  • Von der Leyen kündigt Vorschlag zum Stabipakt an
  • Premier Johnson will trotz scharfer Kritik weitermachen
  • Kroatiens Finanzminister Maric tritt zurück
  • Italien: Fünf Sterne wollen weitermachen
  • Frankreich will Energiekonzern EDF verstaatlichen
  • EU-Kartellrecht: Razzien bei Delivery Hero und Glovo
  • Wettbewerbshüter erhöhen Druck auf Amazon
  • Laurence Boone – Eine Ökonomin für Europa
Liebe Leserin, lieber Leser,

#NotMyTaxonomie: dieser Hashtag trendete gestern auf Twitter nach der Zustimmung des EU-Parlaments, Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Viele sehen jetzt die Glaubwürdigkeit der Taxonomie in Gefahr, keine seriöse Bank werde sich dem Siegel anvertrauen, hieß es von den Grünen. Leonie Düngefeld berichtet über das denkwürdige Votum.

Wird nach den regulären Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 wirklich wieder russisches Gas nach Deutschland fließen? Und wenn es hart auf hart kommt, helfen dann die Abkommen, die einige Mitgliedstaaten miteinander abgeschlossen haben? Müssen damit auch Länder ihre eigene Industrie gefährden, damit im Nachbarland die Wohnungen warm bleiben? Viele offene Fragen, aber die EU-Kommission bemüht sich um Antworten, schreibt Manuel Berkel.

14 britische Minister legten gestern ihr Amt aus Protest gegen Premierminister Boris Johnson nieder – aber nicht Boris Johnson selbst. Er würde nur bei einem Entzug des Vertrauens in ihn zurücktreten, sagte er am Mittwochabend. Mehr dazu lesen Sie in den News.

Ihren Posten sicher hat Laurence Boone. Sie löst Clément Beaune als Staatssekretärin für Europaangelegenheiten in Frankreich ab. Unsere Korrespondentin Tanja Kuchenbecker hat die Ökonomin portraitiert.

Ihre
Lisa-Martina Klein
Bild von Lisa-Martina  Klein

Analyse

Taxonomie-Einspruch abgewiesen: Klagen angekündigt

Applaus gab es gestern im Parlament nur für eine Gruppe Aktivistinnen, die nach der Abstimmung aufstand und laut protestierte. Ansonsten stand Ernüchterung in den Gesichtern vieler Abgeordneter. Bis zuletzt hatten Mitglieder beinah aller Fraktionen gemeinsam für ein Veto des Rechtsaktes geworben, der Investitionen in Atomkraft und Erdgas in der Taxonomie als nachhaltig einstufen soll. Letztendlich scheiterten sie an einer konservativen und liberalen Mehrheit.

Für einen Einspruch des Parlaments gegen den Kommissionsvorschlag zur Taxonomie (Europe.Table berichtete) wäre eine absolute Mehrheit (353 Stimmen) nötig gewesen. Für das Veto stimmten lediglich 278 Abgeordnete. 328 stimmten dagegen, 33 enthielten sich. 66 MEPs waren nicht anwesend, unter anderem wegen etlicher Corona-Fälle.

Die deutschen Abgeordneten der Grünen, SPD und Linken stimmten geschlossen für den Einspruch, ebenso die meisten der CDU/CSU. Die Abgeordneten der FDP enthielten sich, was für das Votum wie ein Nein zählte. Die Position vieler Konservativer war bis zur internen Abstimmung der EVP am Dienstagabend unklar gewesen (Europe.Table berichtete). Schließlich war jedoch eine Mehrheit gegen das Veto zu erkennen. In der französisch dominierten Renew-Fraktion war die Unterstützung des Rechtsaktes absehbar gewesen, aus der S&D-Fraktion stimmten lediglich die finnische und die rumänische Delegation gegen den Einspruch.

Glaubwürdigkeit der Taxonomie in Gefahr

Von einem “bitteren Tag” sprachen gestern die Gegner des Rechtsaktes, von einem Rückschritt der europäischen Klima- und Umweltpolitik. “Europas Öko-Siegel für die Finanzbranche ist ein Fall für die Mülltonne geworden”, sagte MEP Michael Bloss (Greens/EFA). “Keine seriöse Bank wird sich diesem Siegel anvertrauen.” Das Europäische Parlament habe die Chance verpasst, die EU-Kommission in die Schranken zu verweisen, erklärte Joachim Schuster (S&D): “Die konservative Mehrheit im Plenum beteiligt sich am Greenwashing von Kommission und einigen Mitgliedstaaten. Setzen sich diese politischen Kräfte in Europa weiterhin durch, verpasst die EU ihr Ziel, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften.” 

“Mit Gas in der Taxonomie hat die Europäische Union ihre Chance verpasst, einen Goldstandard für nachhaltige Finanzen zu setzen”, sagte Laurence Tubiana, CEO der European Climate Foundation. “Stattdessen hat sie einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen.” Die EU-Taxonomie verfehle nun ihr ursprüngliches Ziel, Greenwashing im Finanzsystem zu verhindern. Investoren, Unternehmen und Verbraucher würden nun woanders nach wissenschaftlich fundierter Klarheit und Glaubwürdigkeit suchen.

Thierry Philipponnat, Chefökonom der NGO FinanceWatch, sieht die Glaubwürdigkeit nicht bloß der Taxonomie, sondern auch der gesamten EU-Agenda für nachhaltige Finanzen und des Green Deals in Gefahr. “Gas als nachhaltig zu bezeichnen, selbst als ‘Übergangs’-Brennstoff, wird klimabewusste Investoren nicht überzeugen”, sagte er zu Europe.Table. Die Taxonomie werde ihren Nutzen als Instrument zur Ausrichtung von Kapitalströmen auf nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten verlieren. “Vor allem aber ist die Taxonomie dann nicht mehr geeignet, die Übergangspläne von EU-Unternehmen auf dem Weg zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft zu bewerten”, sagte Philipponnat.

Der Rechtsakt zeuge zudem von einem mangelnden Verständnis der Funktionsweise von Finanzmärkten, sagte Philipponnat: “Es ist ein Hirngespinst, zu glauben, dass die Aufnahme von Gas und Kernenergie in die Taxonomie eine leichtere Finanzierung dieser Aktivitäten ermöglicht.”

Energieversorgung durch Atomkraft & Gas in Taxonomie gesichert

Die Konsequenz auf dem Finanzmarkt könnte sein, dass wir nun mehr Investitionen in Atomenergie und Gas sehen, erklärte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Es bestehe die Gefahr, dass die Entscheidung der EU zur Taxonomie auch andere Länder dazu bewegen könnte, Atomkraft oder Erdgas als nachhaltig zu labeln. Dann könnte eine Abwärtsspirale entstehen. Südkorea hat zum Beispiel Erdgas in der nationalen Taxonomie ergänzt, als die Pläne der EU bekannt wurden. “Die EU hat hier eine Schrittmacherrolle”, sagte Bals. “Andere Regionen könnten folgen.”

Die Unterstützer des Rechtsaktes dagegen sehen die Energieversorgung durch die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die Taxonomie gesichert. “Das deutliche Votum des Europäischen Parlaments ist ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Energiewende mit Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Energiepreisen”, kommentierte Markus Pieper, einer der Abgeordneten der CDU/CSU, die gestern gegen den Einspruch stimmten.

“Wir finden die Entscheidung des Europäischen Parlaments, Gas zeitlich befristet als nachhaltig einzustufen, sinnvoll”, erklärte der Verband der Chemischen Industrie (VCI). “In der Übergangsphase zur Klimaneutralität steigert sie die dringend nötige Versorgungssicherheit, vor allem bei Erdgas.” Auch Finanzkommissarin Mairead McGuinness hatte während der Debatte im Parlament betont, Atomenergie und Erdgas seien lediglich Übergangstechnologien, auf die einige Mitgliedstaaten angewiesen seien.

Klagen vor dem EuGH angekündigt

Bis zum 11. Juli könnte auch der Europäische Rat noch Einspruch gegen den Delegierten Rechtsakt einlegen, jedoch besteht auch dort keine Mehrheit gegen den Taxonomie-Vorschlag. Der Weg ist damit frei, die Verordnung kann am 1. Januar 2023 in Kraft treten und gilt auch ab dann.

“Auf Investoren kommt auf jeden Fall eine lange Phase der Rechtsunsicherheit zu”, erklärte Christoph Bals von Germanwatch, denn es sei klar, dass es verschiedene Rechtsstreite geben werde. Michael Bloss kündigte eine Klage aus dem Parlament heraus an, welche vor allem auf die fehlende Rechtsgrundlage des Delegierten Rechtsaktes zielt. “Es gibt sehr gute Anhaltspunkte für eine Klage”, sagte Bloss. “Der stärkste ist, dass die Kommission über einen Delegierten Rechtsakt nur unwesentliche Bereiche der Politik regeln darf, nicht aber diese Debatte entscheiden kann.”

Auf der Seite der Mitgliedstaaten hatten Österreich und Luxemburg bereits im Januar Rechtsklagen angekündigt (Europe.Table berichtete). Sie argumentieren, die Europäische Kommission würde ihre Kompetenzen überschreiten. Ein von der österreichischen Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten rechnete einer Klage gute Chancen aus (Europe.Table berichtete). Die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bekräftigte gestern diese Absicht. Österreich werde eine bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen, sobald dieses “Greenwashing-Programm” in Kraft trete, sagte die Ministerin der Grünen. Luxemburg habe zugesagt, die Klage zu unterstützen. Österreich werde die kommenden Monate nutzen, um dafür weitere Verbündete zu gewinnen, so Gewessler.

“Es ist unsere ganz klare Erwartung, dass die Bundesregierung sich dieser Klage anschließt”, forderte Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Es gebe viele weitere Argumente, die vor Gericht entscheidend seien. Der Vorschlag der Kommission enthalte starke inhaltliche Widersprüche; so würde die Förderung von Erdgas-Infrastruktur mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien in Konkurrenz treten und gegen das “Do No Significant Harm”-Prinzip der Taxonomie verstoßen. Auch das Vorsorgeprinzip, das in den europäischen Verträgen etabliert wurde, werde verletzt. Die DUH und weitere Umweltverbände kündigten gestern an, sie würden ebenfalls Rechtsmittel prüfen.

  • Erdgas
  • Taxonomie

Termine

08.07.2022 – 12:00-13:00 Uhr, online
Vortrag Digitale Zukunftstechnologien für die Healthcare-Branche
Bei dieser Veranstaltung werden Innovationen und aktuelle Projekte in der Healthcare-Branche vorgestellt, die durch Künstliche Intelligenz, medizinische Digitalanwendungen und Data Science ermöglicht werden. INFOS & ANMELDUNG

08.07.2022 – 14:00 Uhr, online
EBD, Vortrag Briefing – Kommission direkt zur EU-Handelspolitik
Die aktuelle Lage der EU-Handelspolitik wird bei dieser Veranstaltung der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) und der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland vorgestellt und anschließend diskutiert. INFOS

11.07.2022 – 17:00-18:00 Uhr, online
SNV, Workshop Der EU Chips Act – Woran das Halbleitergesetz noch scheitern könnte
At this event of the Foundation New Responsibility (Stiftung Neue Verantwortung, SNV), questions around the EU Chips Act will be answered and potential hurdles and improvements will be highlighted. INFOS & ANMELDUNG

11.07.-12.07.2022, New York (USA)
Conference Mass Data Analysis of Images and Signals in Artificial Intelligence and Pattern Recognition MDA-AI&PR
Research results in the field of mass data analysis of microscopic images as well as case applications in biology, medicine and chemistry will be presented at this conference. INFOS & REGISTRATION

12.07.2022 – 14:00 Uhr, online
Seminar Energy Storage Targets 2030 and 2050: How Much Energy Storage Does Europe Need?
At this seminar, experts will discuss how to support the energy system with the existing infrastructure of renewable energies and how to balance the variability of renewable energy production. INFOS & REGISTRATION

12.07.2022 – 17:00-18:30 Uhr, online
Diskussion Krieg in der Ukraine: Zeitenwende für die EU?
Mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Außen- und Europapolitik kann bei dieser Veranstaltung über den aktuellen Krieg in der Ukraine sowie dessen Auswirkungen auf die EU diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

12.07.2022 – 18:30-21:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Eurogas, Discussion Renewable Barbecue
Eurogas is inviting to the summer barbecue including the renewable barbecue championship. INFOS & REGISTRATION

12.07.-14.07.2022, Frankfurt
Messe Batterie Experts Forum
Firmen unter anderem aus den Bereichen Batterie- & Zellherstellung, Ladetechnologie, Maschinenbau und Recycling werden auf der Messe Produkte und Innovationen vorstellen. Zeitgleich werden bei der Konferenz Themen rund um Batterieherstellung, -technologie und -recycling diskutiert. INFOS & TICKETS

12.07.-14.07.2022, Broadway (USA)
Conference Industrial Conference on Data Mining (ICDM) 2023
This conference aims to discuss the current state of research in machine learning and data mining as well as present new developments. INFOS & REGISTRATION

EU rüstet sich für den Gas-Winter

Den 21. Juli dürften sich viele in Politik und Wirtschaft im Kalender markiert haben. Ab 6 Uhr morgens soll dann durch die Pipeline Nord Stream 1 wieder Gas fließen nach den jährlichen Wartungsarbeiten, die kommenden Montag beginnen. Immer schärfer werden allerdings die Warnungen, dass die schon seit Wochen gedrosselten Gaslieferungen aus Russland danach komplett ausbleiben. “Wir müssen uns auf weitere Unterbrechungen der Gasversorgung aus Russland vorbereiten, sogar auf eine vollständige Beendigung”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern im Parlament. Es sei klar, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Energie als Waffe nutze. Es folgten mehrere Ankündigungen, um die Entschlossenheit Brüssels zu zeigen.

Am 20. Juli wird Kommissionsvize Frans Timmermans die Pläne zur Vorbereitung auf den Winter präsentieren, wie ein Kommissionssprecher auf Anfrage bestätigte. Am 26. Juli – wenige Tage nach dem Stichtag für Nord Stream – treffen sich die Energieminister der Mitgliedstaaten zu einer außerordentlichen Sitzung, kündigte die tschechische Ratspräsidentschaft gestern an.

Notfallplan bei Stopp der Gaslieferungen aus Russland

Die sechs Kernthemen des Aktionsplans zur Wintervorsorge hatte Energiekommissarin Kadri Simson bereits nach dem letzten Energieministerrat Ende Juni genannt. Gestern sagte von der Leyen, im Mittelpunkt des EU-weiten Notfallplans sollten zum einen die Reduktion des Verbrauchs stehen (Europe.Table berichtete) und zum anderen die Solidarität bei der gleichmäßigen Verteilung des Gases. Im Falle einer vollständigen Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland müssten noch vorhandene Gasströme dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt würden.

“Wir müssen für europäische Solidarität sorgen. Und wir müssen den Binnenmarkt und die Lieferketten der Industrie schützen“, erklärte von der Leyen. Es gelte dabei die bittere Lehre nicht zu vergessen, die man zu Beginn der Corona-Pandemie gelernt habe. Egoismus, Protektionismus, geschlossene Grenzen und Exportverbote hätten zu Uneinigkeit und Fragmentierung geführt.

Ein EU-weit abgestimmtes Vorgehen hatte zuletzt auch EVP-Chef Manfred Weber gefordert. Ein Energiegipfel müsse verbindliche Maßnahmen für eine gerechte Gasverteilung beschließen, hatte der CSU-Politiker vergangenen Sonntag in einem Interview angemahnt. Bei einer Gasmangellage müssten die EU-Staaten einander unterstützen, falls einzelne ihre geschützten Kunden nicht mehr mit Gas versorgen könnten.

Industrie abschalten, Nachbarstaaten schützen

Doch fraglich ist nicht nur, ob einzelne Staaten wirklich ganze Industriezweige abschalten, damit die Bürgerinnen und Bürger in anderen Staaten nicht frieren. Geregelt werden müsste bei dem Gipfel Ende Juli auch detaillierter, welche Einschränkungen ein Hilfe suchender Staat zunächst selbst ergreifen müsste. Dürften dessen Haushalte so stark heizen, wie sie wollten? Oder würde den Geberländern gestattet, “ihre” Speicher erst anzutasten, wenn sich die Nachbarn mit 18 Grad warmen Wohnungen begnügen? Ungewohnt markige Worte kamen gestern schon einmal aus der Bundestagsfraktion der Grünen.

Sie mache sich ein wenig Sorgen, wenn in erster Linie darüber gesprochen werde, wie Gas in der EU gerecht verteilt werde, sagte die energiepolitische Sprecherin Ingrid Nestle dem MDR und sieht Deutschland offenbar in einer Vorreiterrolle. “Wir müssen natürlich schon dafür sorgen, dass, wenn es einem Land gelingt, wenig Gas zu verbrauchen, wirklich einzusparen, andere Energiequellen zu erschließen, dieses Land dann auch die Chance hat – ich sage das mal ganz krass -, im Winter seine Industrie zu rettenund nicht sagt’ da gibt es aber noch geschützte Kunden im Ausland und die heizen fröhlich zum Fenster raus und da geht jetzt unser Gas hin”, so die knallharte Ansage der Grünen-Abgeordneten. Erfolge beim Gassparen müssten sich lohnen.

Das mag Überheblichkeit oder ein drastischer Appell sein – im Fall eines Gasmangels kann sich wohl kein EU-Staat seiner Versorgung sicher sein. “Falls sämtliche russischen Gaslieferungen in die EU gestoppt werden sollten, wäre das Ausmaß der Krise weitaus bedeutender als das, was die EU-Gesetzgeber im Sinn hatten, als sie 2017 die SoS-Verordnung beschlossen“, sagt Katja Yafimava, Senior Research Fellow am Oxford Institute of Energy Studies zu Europe.Table.

Wissenschaftlerin fürchtet Domino-Effekt

“Eine solche Störung würde sich in mehreren Mitgliedstaaten – vor allem in Deutschland und in Mittel- und Osteuropa – kurz hintereinander auswirken und könnte dazu führen, dass diese Länder nacheinander Solidaritätsmaßnahmen beantragen. Es käme zu einem Dominoeffekt”, befürchtet die Wissenschaftlerin. Zwingen könne die Kommission die Mitgliedstaaten aber wohl nicht, den Verbrauch von Industriekunden vorsorglich zu senken, um Gas zu speichern.

Mehr Rechtssicherheit könnten auch die Betreiber des europäischen Gas-Transportnetzes gebrauchen. Bisher gibt es erst sechs Solidaritätsvereinbarungen zwischen benachbarten Staaten für den Fall eines Gasmangels. Das Fehlen solcher Abkommen würde im Solidaritätsfall zwar nicht das Auslösen der Hilfe verhindern, sagt eine Sprecherin der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB Gas). “Die Abkommen schaffen aber Rechtssicherheit.”

Technische und finanzielle Unklarheiten und offene Haftungsfragen würden durch die Vereinbarungen ausgeräumt. “Die Bundesregierung sollte ihre Bemühungen zum Abschluss weiterer Solidaritätsverträge fortsetzen”, so die Sprecherin. Die europäischen Netzbetreiber wollen im Oktober ihren aktualisierten Winter Supply Outlook vorlegen, wie ENTSOG auf Anfrage mitteilte. Thema sein könnte er beim nächsten regulären Treffen der Energieminister am 25. Oktober.

Österreich geht gegen Gazprom vor

Keine weitere Zeit verlieren will Österreich, das seine großen Speicherkapazitäten bisher erst knapp zur Hälfte gefüllt hat. Die Regulierungsbehörde habe ein Verfahren eingeleitet, um die Kapazitäten von Gazprom am Speicher Haidach neu zu vergeben, sagte gestern Energieministerin Leonore Gewessler. Seine Anteile an dem Speicher hat der russische Konzern seit Monaten nicht zur Befüllung genutzt, ebenso wie beim niederländischen Speicher Bergermeer.

Aus Moskau folgte darauf prompt eine süffisante Antwort. Auf seinem Twitter-Account verwies Gazprom darauf, dass die größten Anteile an Haidach zu Unternehmen gehörten, die inzwischen unter der Treuhänderschaft der Bonner Bundesnetzagentur stünden.

Ein ganz praktisches Problem gibt es allerdings: Nach der neuen Gasspeicher-Verordnung der EU sind Deutschland und Österreich gemeinsam dafür verantwortlich, die Speicher Haidach und 7-Fields zu füllen. Beide liegen zwar in Österreich, sind aber auch an das deutsche Netz angeschlossen. Doch wer muss welche Anteile füllen und trägt die Kosten dafür? In einer Gesetzesbegründung aus Berlin vom Dienstag heißt es dazu: “Das genaue Verhältnis und der Umfang dieser Verantwortung ist in einem bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und Österreich zu regeln.” Mit dpa, rtr

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News

EU bewertet Emissionen von Hybrid-Fahrzeugen neu

Die CO2-Emissionen von Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen (PHEV) sollen künftig auf der Grundlage bemessen werden, wie viel sie beim tatsächlichen Betrieb auf der Straße emittieren. Das wurde am Dienstag bei einer Sitzung des Technischen Ausschusses für Kraftfahrzeuge der EU-Kommission beschlossen. Dafür soll der sogenannte Utility Factor (Nutzwertfaktor) von PHEV überarbeitet werden. Dieser gibt an, wie groß der Anteil des elektrischen Betriebs des Fahrzeugs ist.

Grund für die Anpassung sind Daten, nach denen ein erheblicher Unterschied besteht zwischen den realen CO2-Emissionen von Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen und den nach dem bisherigen WLTP-Messverfahren ermittelten Emissionen. Bisher seien die Regulierungsbehörden davon ausgegangen, dass PHEVs weitaus mehr im Elektrobetrieb gefahren werden, als dies tatsächlich der Fall ist, kommentiert der Umweltdachverband Transport and Environment (T&E). Dies habe zu unrealistisch niedrigen Emissionswerten geführt. T&E fordert, dass Subventionen und Anreize für den Kauf von PHEV eingestellt werden.

In einem ersten Schritt werden nun ab 2025 neue Nutzwertfaktoren auf der Grundlage der verfügbaren Daten festgelegt. In einem zweiten Schritt sollen diese Faktoren weiter überarbeitet werden, wobei ab 2027 die tatsächlichen Daten von Kraftstoffverbrauchsüberwachungsgeräten an Bord solcher Fahrzeuge berücksichtigt werden, schreibt die Kommission.

Die Anpassung ist Teil eines Durchführungsrechtsakts, zu dessen Erlassung die EU-Kommission im Rahmen des Komitologie-Verfahrens befugt ist. luk

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  • Klima & Umwelt
  • Klimaschutz
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Von der Leyen kündigt Vorschlag zum Stabipakt an

Die Europäische Kommission will mit der Vorstellung der Reform der europäischen Fiskalregeln nicht mehr lange warten. Man werde den Vorschlag zum Stabilitäts- und Wachstumspakt “direkt nach dem Sommer” vorstellen, sagte Präsidentin Ursula von der Leyen gestern in Straßburg. Ein konkreter Termin findet sich in der aktuellen Planung der Behörde aber noch nicht.

Die Herausforderung werde sein, “finanzielle Stabilität mit dem unübersehbaren Investitionsbedarf zu versöhnen”, sagte von der Leyen. Unter den Mitgliedstaaten ist umstritten, wie viel Spielraum die nationalen Haushalte etwa für öffentliche Investitionen in den Klimaschutz bekommen sollen.

Die Kommission hatte Zeit gewonnen, als sie im Mai ankündigte (Europe.Table berichtete), die Regeln noch ein weiteres Jahr auszusetzen. Die zuletzt gestiegenen Spreads besonders für italienische Staatsanleihen sorgen nun aber für neuen Dringlichkeit. Die Europäische Zentralbank hat deshalb angekündigt, bis zum 21. Juli ein neues Anti-Fragmentierungsinstrument entwickeln zu wollen. tho

  • Klimaschutz
  • Stabilitätspakt

Premier Johnson will trotz scharfer Kritik weitermachen

Der britische Premierminister Boris Johnson hat Medienberichten zufolge die Aufforderung einer Reihe von Kabinettsmitgliedern zum Rücktritt zurückgewiesen. Wie der Sender Sky News am Mittwochabend berichtete, hatte eine Delegation von Kabinettsmitgliedern Johnson im Regierungssitz 10 Downing Street besucht und dazu aufgefordert, sein Amt niederzulegen.

Darunter soll unter anderem der erst am Dienstag auf seinen Posten berufene Finanzminister Nadhim Zahawi gewesen sein. Sein Vorgänger Rishi Sunak hatte nur Stunden vorher das Amt aus Protest gegen Johnsons Führungsstil niedergelegt. Ebenfalls zu der Delegation soll Verkehrsminister Grant Shapps gehört haben.

Gegen Johnson gestellt haben sollen sich auch die bislang ultra-loyale Innenministerin Priti Patel, Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng sowie Bau- und Wohnungsminister Michael Gove. Zudem legten seit Dienstag rund drei Dutzend konservative Abgeordnete ihre Regierungs- und Parteiämter nieder.

Johnson habe den Kabinettskollegen jedoch gesagt, dass er nicht gehen werde, berichtete Sky News am Abend unter Berufung auf Partei- und Regierungskreise. Andernfalls werde das Land ins Chaos gestürzt und die Konservativen bei der nächsten Parlamentswahl abgestraft, so Johnson den Berichten zufolge.

Johnson dürfte weiteres Misstrauensvotum kaum überstehen

Damit bleibt nur eine Änderung der Tory-Parteiregeln, um ein weiteres Misstrauensvotum gegen Johnson einzuleiten und den Premier zu stürzen. Erwartet wird, dass dies am kommenden Montag geschehen könnte

Der Tory-Parteichef hatte erst vor einem Monat eine Misstrauensabstimmung in seiner Fraktion knapp überstanden. Den bisherigen Regeln der Tory-Partei zufolge darf für die Dauer von zwölf Monaten nach der Abstimmung kein neuer Versuch unternommen werden. Seiner Sprecherin zufolge will er sich der Herausforderung stellen. Ein weiteres Misstrauensvotum dürfte Johnson angesichts der wachsenden Kritik innerhalb seiner Partei kaum überstehen. dpa

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  • Großbritannien

Kroatiens Finanzminister Maric tritt zurück

Rund ein halbes Jahr vor der Einführung des Euros in Kroatien hat Finanzminister Zdravko Maric seinen Rücktritt eingereicht. Die Gründe dafür waren zunächst nicht klar, wie Medien in Zagreb in der Nacht zum Mittwoch berichteten. Als Nachfolger wolle Ministerpräsident Andrej Plenkovic den Wirtschaftswissenschaftler Marko Primorac ernennen, hieß es unter Berufung auf Quellen in der Regierung.

Zdravko Maric häufig in Kritik

Der Wirtschaftswissenschaftler Maric war seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2016 umstritten. Grund dafür war, dass er zuvor vier Jahre im Vorstand des Pleite-Konzerns Agrokor saß. Gegen den Agrokor-Gründer und -Eigentümer Ivica Todoric sind mehrere Strafverfahren anhängig. Todoric bestreitet Vorwürfe der Staatsanwälte, Agrokor um 165 Millionen Euro geschädigt zu haben. Gegen Maric wurde zu keinem Zeitpunkt ermittelt.

Maric stand auch während seiner Zeit als Minister in der Kritik. Affären um Urlaube in Luxushotels zu “Vorzugspreisen” und um Aufenthalte auf Schiffen reicher kroatischer Unternehmer kratzten an seinem Ruf. Kroatien will am 1. Januar 2023 den Euro anstelle der Landeswährung Kuna einführen. Im Juni hatten die Staats- und Regierungschefs der anderen EU-Staaten auf dem EU-Gipfel in Madrid dafür grünes Licht gegeben (Europe.Table berichtete). dpa

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Italien: Fünf Sterne wollen weitermachen

In Italien ist eine Regierungskrise vorerst abgewendet worden. Die Fünf-Sterne-Bewegung bekannte sich am Mittwoch dazu, zunächst weiter in der regierenden Mehrheit zu bleiben. Die populistische Partei hatte die Politik der Regierung zuletzt kritisiert – etwa mit Blick auf die Lieferung von Waffen an die Ukraine und wegen Verteilung und Höhe von Hilfsgeldern in Italien. Am Mittwoch stand deshalb ein Treffen zwischen Sterne-Parteichef Giuseppe Conte und Ministerpräsident Mario Draghi an.

“Wir sind bereit, eine Regierungsverantwortung zu teilen, so wie wir es bis hier hin gemacht haben, aber in ehrlicher und konstruktiver Weise”, sagte Conte anschließend vor Draghis Amtssitz in Rom. Conte gab dem parteilosen Ministerpräsidenten nach eigener Aussage im Namen der Fünf-Sterne-Bewegung ein Dokument, in dem die Partei ihre Unzufriedenheit begründete und forderte eine Kursänderung. So soll die Lohnsteuer unverzüglich gesenkt und die Zukunft des sogenannten Bürgerschaftsgeldes abgesichert werden. Diese Grundsicherung gilt als sozialpolitisches Vorzeigeprojekt der Fünf-Sterne-Bewegung. Draghi will Conte zufolge nun über die Forderungen nachdenken.

Gerüchte: Draghi wolle Conte aus der Partei drängen

Vor dem Treffen war unklar, ob die Vielparteienregierung Draghis bei einem Austritt der Sterne noch weiter bestehen könnte (Europe.Table berichtete). Bei einem Zerfall des Bündnisses könnten dem Land vorgezogene Neuwahlen drohen.

Die Fünf-Sterne-Bewegung, die drei Minister im Kabinett Draghis stellt, befindet sich nach dem Parteiaustritt von Außenminister Luigi Di Maio (Europe.Table berichtete) und dessen Unterstützern in einer schweren Krise. Die Partei verlor Dutzende Abgeordnete. Forderungen nach einem Verlassen der Regierung wurden in der Folge lauter. Hinzu kamen Gerüchte, Draghi habe mit Sterne-Gründer Beppe Grillo darüber gesprochen, Conte aus der Partei zu drängen. Das dementierte Draghi allerdings. dpa/rtr

  • Italien
  • Mario Draghi

Frankreich will Energiekonzern EDF verstaatlichen

Die Regierung in Frankreich will den hoch verschuldeten Energiekonzern EDF komplett verstaatlichen. “Ich kann bestätigen, dass der Staat beabsichtigt, die Kontrolle über 100 Prozent der Anteile von EDF zu übernehmen”, sagte Ministerpräsidentin Elisabeth Borne am Mittwoch vor dem Parlament.

Der Staat hält bereits über 80 Prozent der Anteile an dem Versorger (Europe.Table berichtete). EDF kämpft mit drastischen Kostensteigerungen bei seinen neuen Atomkraftwerken in Frankreich und Großbritannien. Hinzu kommen Mängel an einigen der älteren Reaktoren. Borne betonte, der Staat müsse sich auch auf Kürzungen russischer Gaslieferungen vorbereiten. rtr

  • Energie

EU-Kartellrecht: Razzien bei Delivery Hero und Glovo

Die EU-Wettbewerbshüter haben die Büros des Essenslieferdienstes Delivery Hero in Berlin und ihres erst kürzlich übernommenen spanischen Wettbewerbers Glovo wegen des Verdachts der Kartellbildung durchsucht. Man arbeite vollumfänglich mit der EU-Kommission zusammen, um bei den Ermittlungen zu unterstützen, teilten Delivery Hero wie auch Glovo am Mittwoch mit. Die Durchsuchungen bedeuteten nicht, dass man tatsächlich gegen Wettbewerbsrecht verstoßen habe und nehme auch nicht das Ergebnis der Ermittlungen vorweg.

Delivery Hero hatte erst am Montag die an Silvester bekanntgegebene Glovo-Übernahme für 780 Millionen Euro vollzogen. Zuvor hielten die Berliner bereits 44 Prozent an dem mit rund 2,3 Milliarden Euro bewerteten Startup.

Bisher nur Untersuchungen bei Glovo & Delivery Hero

Die EU-Kartellbehörde erklärte, verschiedene Essens- sowie Lebensmittellieferdienste in zwei EU-Ländern wegen des Verdachts der Kartellbildung durchsucht zu haben. Es wurden weder Namen noch Länder genannt und auch keine Details zu den mutmaßlichen Absprachen. Ein Sprecher des Bundeskartellamts bestätigte Reuters, die Bonner Behörde habe der EU-Kommission am 27. Juni bei einer Nachprüfung im Bereich Online-Lieferdienste assistiert. Einem Glovo-Sprecher zufolge fanden die Razzien dort vergangene Woche in Barcelona statt.

Zu den größten Anbietern in der EU gehören neben Delivery Hero der Lieferando-Eigner Just Eat Takeaway.com, Uber Eats sowie Wolt von DoorDash. Bis auf Delivery Hero teilten alle mit, bei ihnen habe es keine Durchsuchungen gegeben. Das erklärten ebenso die Lebensmittelschnelllieferdienste Gorillas, Flink und Bolt. Unternehmen, die gegen EU-Wettbewerbsregeln verstoßen haben, drohen Bußgelder von bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes. 

  • Kartellamt
  • Kartellrecht
  • Wettbewerb

Wettbewerbshüter erhöhen Druck auf Amazon

Das Bundeskartellamt führt nach dem Facebook-Konzern Meta und Google auch für Amazon eine schärfere Wettbewerbsaufsicht ein. Die Behörde stufte den Online-Riesen am Mittwoch als ein Unternehmen mit “überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb” ein. “Amazon ist der zentrale Schlüsselspieler im Bereich des E-Commerce”, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

Amazon stimmt Bundeskartellamt nicht zu

Anders als Google und Meta akzeptiert Amazon die Entscheidung nicht. “Wir stimmen den Feststellungen des Bundeskartellamts nicht zu und werden die Entscheidung sowie unsere Optionen, auch Rechtsmittel, sorgfältig prüfen”, hieß es in einer ersten Reaktion am Mittwoch. Das Kartellamt kann seit 2021 Unternehmen mit marktübergreifendem Einfluss Praktiken untersagen, die aus seiner Sicht den Wettbewerb gefährden. Die Google-Mutter Alphabet wurde im Januar als ein solches Unternehmen eingestuft, Meta folgte im Mai. Zu Apple laufen noch Untersuchungen.

Noch auf Basis der klassischen Missbrauchsaufsicht führt das Amt bereits zwei Verfahren gegen Amazon. Dabei untersuchen die Bonner Wettbewerbshüter unter anderem, inwieweit Amazon über seine Algorithmen Einfluss auf die Preissetzung der auf dem Amazon-Marktplatz tätigen Händler nimmt.

Neues Verfahren in Großbritannien

Auch die britische Kartellbehörde CMA kündigte gestern an, den US-Konzern wegen möglicher Benachteiligung von Verkäufern auf seinen Marktplätzen ins Visier zu nehmen. Dabei geht es zum einen darum, wie Amazon Daten von Drittverkäufern sammelt und verwendet, und ob es dabei den eigenen Angeboten einen unlauteren Vorteil verschafft. Zudem untersucht die CMA, nach welchen Kriterien das Unternehmen Anbietern die prominenten Plätze in der “Buy Box” auf den Produktseiten zuweist, die höhere Umsätze versprechen.

Wegen eines ganz ähnlichen Verdachts hat auch die EU-Kommission Untersuchungen gegen Amazon eingeleitet. Hier zeichnet sich aber ein Vergleich ab: Amazon habe sich grundsätzlich mit den Wettbewerbshütern geeinigt, mehr Daten mit den Drittanbietern auf seiner Plattform zu teilen und deren Produkte prominenter zu platzieren, berichtete die “Financial Times” gestern. dpa/tho

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  • Kartellrecht
  • Wettbewerb

Presseschau

Amazon to share more data with rivals after EU antitrust deal FT
Czech EU presidency proposes compromise text on the Chips Act EURACTIV
Norwegens Regierung stoppt Streik auf Öl- und Gasfeldern FAZ
Von der Leyen: Auf Gas-Lieferstopp vorbereiten SUEDDEUTSCHE
Water scarcity: EU countries forced to restrict drinking water access DW
Gas-Krise in Österreich: Öl ist die neue “Alternative Energie” FAZ

Portrait

Laurence Boone – Eine Ökonomin für Europa

Laurence Boone ist Staatssekretärin für Europa-Angelegenheiten in Frankreich.
Laurence Boone ist Staatssekretärin für Europaangelegenheiten in Frankreich.

Mit Laurence Boone wird in Frankreich eine international bekannte Ökonomin Staatssekretärin für Europaangelegenheiten. Sie arbeitet unter Außen- und Europaministerin Catherine Colonna (Europe.Table berichtete). Die 53-jährige Boone war vorher Chefsvolkswirtin und seit Januar stellvertretende Generalsekretärin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Sie weiß genau, wie die EU funktioniert, weil sie früher persönliche Europa-Beauftrage von Ex-Präsident François Hollande war. Als Ökonomin versteht sie die wirtschaftlichen Herausforderungen, die in diesem Jahr in der EU immer wichtiger werden. Inflation und die Sorge um Gaslieferungen werden Europa beschäftigen.

Die Wahl einer Ökonomin für den Posten ist eher ungewöhnlich, passt aber in die Zeit. Bisher waren es eher Politikexperten, die für Europa zuständig waren, von Michel Barnier über Pierre Moscovici zu Bruno Le Maire. Boones Vorgänger war Clément Beaune, der vorher Europaberater von Macron war und Europa und Macrons Engagement dafür geschickt in den Medien dargestellt hat. Er wurde sogar häufig “Monsieur Europe” genannt.

Boone tritt in große Fußstapfen. Doch schon länger hieß es in Pariser Kreisen, Beaune wolle mal etwas anderes machen als Europa und ist deshalb nun zuständig für Transport. Zumindest bei der Aussprache des Nachnamens muss man sich in Europa nicht groß umstellen, witzelten viele auf Twitter und in Frankreichs Medien.

Boone gilt in Frankreich als eine, die hart arbeitet, diplomatisch und pädagogisch ist, dazu pragmatisch und realistisch. Mit Macron verbindet sie das Engagement für ein starkes Europa. Experten zweifeln nicht daran, dass Boone für den Posten geeignet ist. Paul Maurice vom Forschungsinstitut Ifri für internationale Beziehungen erklärte gegenüber Europe.Table: “Sie hat ein ähnliches Profil wie Beaune, beide waren Europaberater. Die Situation ist nur etwas anders. Für Macron war das Europathema im Wahlkampf wichtig, Beaune musste es herausstellen. Boone muss nun die Ukrainekrise in Griff bekommen.” Die Wahl einer Ökonomin sei richtig, denn “wirtschaftliche Fragen wie Inflation und Haushalt werden in Europa in Zukunft immer wichtiger.”

“Linkspolitische Neigungen”

Auch Nicolas Véron vom Institut Bruegel betonte gegenüber “Les Echos” : “Sie ist gut vorbereitet für die Rolle, weil sie viele verschiedene Dinge gemacht hat.” Sie sei erfahren in wirtschaftlicher Analyse bei Großbanken, in internationalen Beziehungen durch die OECD und Europapolitik an der Seite von Hollande. Auf der internationalen Bühne dürfte sie keine Schwierigkeiten haben, sie spricht perfekt Englisch, hat in London an der London School of Economics und in Nanterre bei Paris Wirtschaft studiert.

Die zweifache Mutter, geboren in Boulogne-Billancourt bei Paris, hat als Chefökonomin bei Barclays Capital France und Bank of America Merrill Lynch für Europa gearbeitet. Sie war bei der Versicherung Axa, bevor sie 2018 zur OECD ging. Auch in der Politik hat sie sich einen Namen gemacht. Sie wurde 2014 Wirtschaftsberaterin von Hollande – damals ersetzte sie Emmanuel Macron, der Wirtschaftsminister wurde.

Aus der Zeit kennt sie Macron gut, der wie sie vorher auch im Bankenbereich beschäftigt war. Die beiden blieben danach im engen Arbeitskontakt. Hollande ernannte sie auch zu seiner Spezialberaterin für Europaangelegenheiten, sie blieb fast zwei Jahre im Elyséepalast. Sie hatte sich dafür eingesetzt, dass Griechenland weiter in der Eurozone bleibt und sich damit gegen Deutschland und Angela Merkel gestellt. Boone gilt als Vertreterin einer sozialliberalen Politik und erklärte damals gegenüber “Le Monde”, sie habe “linkspolitische Neigungen”.

Frankreich von Europa überzeugen

Boone übernimmt das Amt in einer schwierigen Zeit, in der Pandemie und der Ukrainekrise. Energiesicherheit, ein Europa der Verteidigung, EU-Erweiterung, Budgetpolitik werden in der nächsten Zeit die Prioritäten der Europäer sein. Im Herbst wird es in der EU um den Stabilitätspakt gehen. Frankreich ist für abgeschwächte Budgetregeln, um für mehr Investitionen wie im Digitalen zu sorgen. Boone wird Frankreichs Standpunkt zusammen mit Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire in der EU verteidigen müssen.

“Sie teilt nicht die deutschen Obsessionen für einen ausgeglichenen Haushalt”, kommentierte die Tageszeitung “Liberation”. Sie ist für mehr finanzielle Solidarität in der EU zwischen den Staaten der Eurozone, so wie sie mit dem europäischen Aufbauplan 2020 begonnen wurde. Den Posten bei Hollande soll sie laut der Zeitung auch aufgegeben haben, weil sie ihn zu “kleinmütig” gegenüber Deutschland fand.

Aber nicht nur in Brüssel muss sie aktiv werden. Auch in Frankreich wird Überzeugungsarbeit in Sachen Europa zu leisten sein, denn die erstarkten Rechtsextremen in der Nationalversammlung unter Marine Le Pen und der Linke Jean-Luc Mélenchon, der die Allianz Nupes geschmiedet hat, stehen Europa skeptisch gegenüber und könnten sich bei europäischen Vorhaben querstellen. Tanja Kuchenbecker

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  • Europapolitik

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • “Taxonomie verliert Glaubwürdigkeit”
    • Termine
    • EU rüstet sich für den Gas-Winter
    • EU bewertet Emissionen von Hybrid-Fahrzeugen neu
    • Von der Leyen kündigt Vorschlag zum Stabipakt an
    • Premier Johnson will trotz scharfer Kritik weitermachen
    • Kroatiens Finanzminister Maric tritt zurück
    • Italien: Fünf Sterne wollen weitermachen
    • Frankreich will Energiekonzern EDF verstaatlichen
    • EU-Kartellrecht: Razzien bei Delivery Hero und Glovo
    • Wettbewerbshüter erhöhen Druck auf Amazon
    • Laurence Boone – Eine Ökonomin für Europa
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    #NotMyTaxonomie: dieser Hashtag trendete gestern auf Twitter nach der Zustimmung des EU-Parlaments, Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Viele sehen jetzt die Glaubwürdigkeit der Taxonomie in Gefahr, keine seriöse Bank werde sich dem Siegel anvertrauen, hieß es von den Grünen. Leonie Düngefeld berichtet über das denkwürdige Votum.

    Wird nach den regulären Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 wirklich wieder russisches Gas nach Deutschland fließen? Und wenn es hart auf hart kommt, helfen dann die Abkommen, die einige Mitgliedstaaten miteinander abgeschlossen haben? Müssen damit auch Länder ihre eigene Industrie gefährden, damit im Nachbarland die Wohnungen warm bleiben? Viele offene Fragen, aber die EU-Kommission bemüht sich um Antworten, schreibt Manuel Berkel.

    14 britische Minister legten gestern ihr Amt aus Protest gegen Premierminister Boris Johnson nieder – aber nicht Boris Johnson selbst. Er würde nur bei einem Entzug des Vertrauens in ihn zurücktreten, sagte er am Mittwochabend. Mehr dazu lesen Sie in den News.

    Ihren Posten sicher hat Laurence Boone. Sie löst Clément Beaune als Staatssekretärin für Europaangelegenheiten in Frankreich ab. Unsere Korrespondentin Tanja Kuchenbecker hat die Ökonomin portraitiert.

    Ihre
    Lisa-Martina Klein
    Bild von Lisa-Martina  Klein

    Analyse

    Taxonomie-Einspruch abgewiesen: Klagen angekündigt

    Applaus gab es gestern im Parlament nur für eine Gruppe Aktivistinnen, die nach der Abstimmung aufstand und laut protestierte. Ansonsten stand Ernüchterung in den Gesichtern vieler Abgeordneter. Bis zuletzt hatten Mitglieder beinah aller Fraktionen gemeinsam für ein Veto des Rechtsaktes geworben, der Investitionen in Atomkraft und Erdgas in der Taxonomie als nachhaltig einstufen soll. Letztendlich scheiterten sie an einer konservativen und liberalen Mehrheit.

    Für einen Einspruch des Parlaments gegen den Kommissionsvorschlag zur Taxonomie (Europe.Table berichtete) wäre eine absolute Mehrheit (353 Stimmen) nötig gewesen. Für das Veto stimmten lediglich 278 Abgeordnete. 328 stimmten dagegen, 33 enthielten sich. 66 MEPs waren nicht anwesend, unter anderem wegen etlicher Corona-Fälle.

    Die deutschen Abgeordneten der Grünen, SPD und Linken stimmten geschlossen für den Einspruch, ebenso die meisten der CDU/CSU. Die Abgeordneten der FDP enthielten sich, was für das Votum wie ein Nein zählte. Die Position vieler Konservativer war bis zur internen Abstimmung der EVP am Dienstagabend unklar gewesen (Europe.Table berichtete). Schließlich war jedoch eine Mehrheit gegen das Veto zu erkennen. In der französisch dominierten Renew-Fraktion war die Unterstützung des Rechtsaktes absehbar gewesen, aus der S&D-Fraktion stimmten lediglich die finnische und die rumänische Delegation gegen den Einspruch.

    Glaubwürdigkeit der Taxonomie in Gefahr

    Von einem “bitteren Tag” sprachen gestern die Gegner des Rechtsaktes, von einem Rückschritt der europäischen Klima- und Umweltpolitik. “Europas Öko-Siegel für die Finanzbranche ist ein Fall für die Mülltonne geworden”, sagte MEP Michael Bloss (Greens/EFA). “Keine seriöse Bank wird sich diesem Siegel anvertrauen.” Das Europäische Parlament habe die Chance verpasst, die EU-Kommission in die Schranken zu verweisen, erklärte Joachim Schuster (S&D): “Die konservative Mehrheit im Plenum beteiligt sich am Greenwashing von Kommission und einigen Mitgliedstaaten. Setzen sich diese politischen Kräfte in Europa weiterhin durch, verpasst die EU ihr Ziel, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften.” 

    “Mit Gas in der Taxonomie hat die Europäische Union ihre Chance verpasst, einen Goldstandard für nachhaltige Finanzen zu setzen”, sagte Laurence Tubiana, CEO der European Climate Foundation. “Stattdessen hat sie einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen.” Die EU-Taxonomie verfehle nun ihr ursprüngliches Ziel, Greenwashing im Finanzsystem zu verhindern. Investoren, Unternehmen und Verbraucher würden nun woanders nach wissenschaftlich fundierter Klarheit und Glaubwürdigkeit suchen.

    Thierry Philipponnat, Chefökonom der NGO FinanceWatch, sieht die Glaubwürdigkeit nicht bloß der Taxonomie, sondern auch der gesamten EU-Agenda für nachhaltige Finanzen und des Green Deals in Gefahr. “Gas als nachhaltig zu bezeichnen, selbst als ‘Übergangs’-Brennstoff, wird klimabewusste Investoren nicht überzeugen”, sagte er zu Europe.Table. Die Taxonomie werde ihren Nutzen als Instrument zur Ausrichtung von Kapitalströmen auf nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten verlieren. “Vor allem aber ist die Taxonomie dann nicht mehr geeignet, die Übergangspläne von EU-Unternehmen auf dem Weg zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft zu bewerten”, sagte Philipponnat.

    Der Rechtsakt zeuge zudem von einem mangelnden Verständnis der Funktionsweise von Finanzmärkten, sagte Philipponnat: “Es ist ein Hirngespinst, zu glauben, dass die Aufnahme von Gas und Kernenergie in die Taxonomie eine leichtere Finanzierung dieser Aktivitäten ermöglicht.”

    Energieversorgung durch Atomkraft & Gas in Taxonomie gesichert

    Die Konsequenz auf dem Finanzmarkt könnte sein, dass wir nun mehr Investitionen in Atomenergie und Gas sehen, erklärte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Es bestehe die Gefahr, dass die Entscheidung der EU zur Taxonomie auch andere Länder dazu bewegen könnte, Atomkraft oder Erdgas als nachhaltig zu labeln. Dann könnte eine Abwärtsspirale entstehen. Südkorea hat zum Beispiel Erdgas in der nationalen Taxonomie ergänzt, als die Pläne der EU bekannt wurden. “Die EU hat hier eine Schrittmacherrolle”, sagte Bals. “Andere Regionen könnten folgen.”

    Die Unterstützer des Rechtsaktes dagegen sehen die Energieversorgung durch die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die Taxonomie gesichert. “Das deutliche Votum des Europäischen Parlaments ist ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Energiewende mit Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Energiepreisen”, kommentierte Markus Pieper, einer der Abgeordneten der CDU/CSU, die gestern gegen den Einspruch stimmten.

    “Wir finden die Entscheidung des Europäischen Parlaments, Gas zeitlich befristet als nachhaltig einzustufen, sinnvoll”, erklärte der Verband der Chemischen Industrie (VCI). “In der Übergangsphase zur Klimaneutralität steigert sie die dringend nötige Versorgungssicherheit, vor allem bei Erdgas.” Auch Finanzkommissarin Mairead McGuinness hatte während der Debatte im Parlament betont, Atomenergie und Erdgas seien lediglich Übergangstechnologien, auf die einige Mitgliedstaaten angewiesen seien.

    Klagen vor dem EuGH angekündigt

    Bis zum 11. Juli könnte auch der Europäische Rat noch Einspruch gegen den Delegierten Rechtsakt einlegen, jedoch besteht auch dort keine Mehrheit gegen den Taxonomie-Vorschlag. Der Weg ist damit frei, die Verordnung kann am 1. Januar 2023 in Kraft treten und gilt auch ab dann.

    “Auf Investoren kommt auf jeden Fall eine lange Phase der Rechtsunsicherheit zu”, erklärte Christoph Bals von Germanwatch, denn es sei klar, dass es verschiedene Rechtsstreite geben werde. Michael Bloss kündigte eine Klage aus dem Parlament heraus an, welche vor allem auf die fehlende Rechtsgrundlage des Delegierten Rechtsaktes zielt. “Es gibt sehr gute Anhaltspunkte für eine Klage”, sagte Bloss. “Der stärkste ist, dass die Kommission über einen Delegierten Rechtsakt nur unwesentliche Bereiche der Politik regeln darf, nicht aber diese Debatte entscheiden kann.”

    Auf der Seite der Mitgliedstaaten hatten Österreich und Luxemburg bereits im Januar Rechtsklagen angekündigt (Europe.Table berichtete). Sie argumentieren, die Europäische Kommission würde ihre Kompetenzen überschreiten. Ein von der österreichischen Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten rechnete einer Klage gute Chancen aus (Europe.Table berichtete). Die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bekräftigte gestern diese Absicht. Österreich werde eine bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen, sobald dieses “Greenwashing-Programm” in Kraft trete, sagte die Ministerin der Grünen. Luxemburg habe zugesagt, die Klage zu unterstützen. Österreich werde die kommenden Monate nutzen, um dafür weitere Verbündete zu gewinnen, so Gewessler.

    “Es ist unsere ganz klare Erwartung, dass die Bundesregierung sich dieser Klage anschließt”, forderte Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Es gebe viele weitere Argumente, die vor Gericht entscheidend seien. Der Vorschlag der Kommission enthalte starke inhaltliche Widersprüche; so würde die Förderung von Erdgas-Infrastruktur mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien in Konkurrenz treten und gegen das “Do No Significant Harm”-Prinzip der Taxonomie verstoßen. Auch das Vorsorgeprinzip, das in den europäischen Verträgen etabliert wurde, werde verletzt. Die DUH und weitere Umweltverbände kündigten gestern an, sie würden ebenfalls Rechtsmittel prüfen.

    • Erdgas
    • Taxonomie

    Termine

    08.07.2022 – 12:00-13:00 Uhr, online
    Vortrag Digitale Zukunftstechnologien für die Healthcare-Branche
    Bei dieser Veranstaltung werden Innovationen und aktuelle Projekte in der Healthcare-Branche vorgestellt, die durch Künstliche Intelligenz, medizinische Digitalanwendungen und Data Science ermöglicht werden. INFOS & ANMELDUNG

    08.07.2022 – 14:00 Uhr, online
    EBD, Vortrag Briefing – Kommission direkt zur EU-Handelspolitik
    Die aktuelle Lage der EU-Handelspolitik wird bei dieser Veranstaltung der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) und der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland vorgestellt und anschließend diskutiert. INFOS

    11.07.2022 – 17:00-18:00 Uhr, online
    SNV, Workshop Der EU Chips Act – Woran das Halbleitergesetz noch scheitern könnte
    At this event of the Foundation New Responsibility (Stiftung Neue Verantwortung, SNV), questions around the EU Chips Act will be answered and potential hurdles and improvements will be highlighted. INFOS & ANMELDUNG

    11.07.-12.07.2022, New York (USA)
    Conference Mass Data Analysis of Images and Signals in Artificial Intelligence and Pattern Recognition MDA-AI&PR
    Research results in the field of mass data analysis of microscopic images as well as case applications in biology, medicine and chemistry will be presented at this conference. INFOS & REGISTRATION

    12.07.2022 – 14:00 Uhr, online
    Seminar Energy Storage Targets 2030 and 2050: How Much Energy Storage Does Europe Need?
    At this seminar, experts will discuss how to support the energy system with the existing infrastructure of renewable energies and how to balance the variability of renewable energy production. INFOS & REGISTRATION

    12.07.2022 – 17:00-18:30 Uhr, online
    Diskussion Krieg in der Ukraine: Zeitenwende für die EU?
    Mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Außen- und Europapolitik kann bei dieser Veranstaltung über den aktuellen Krieg in der Ukraine sowie dessen Auswirkungen auf die EU diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

    12.07.2022 – 18:30-21:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    Eurogas, Discussion Renewable Barbecue
    Eurogas is inviting to the summer barbecue including the renewable barbecue championship. INFOS & REGISTRATION

    12.07.-14.07.2022, Frankfurt
    Messe Batterie Experts Forum
    Firmen unter anderem aus den Bereichen Batterie- & Zellherstellung, Ladetechnologie, Maschinenbau und Recycling werden auf der Messe Produkte und Innovationen vorstellen. Zeitgleich werden bei der Konferenz Themen rund um Batterieherstellung, -technologie und -recycling diskutiert. INFOS & TICKETS

    12.07.-14.07.2022, Broadway (USA)
    Conference Industrial Conference on Data Mining (ICDM) 2023
    This conference aims to discuss the current state of research in machine learning and data mining as well as present new developments. INFOS & REGISTRATION

    EU rüstet sich für den Gas-Winter

    Den 21. Juli dürften sich viele in Politik und Wirtschaft im Kalender markiert haben. Ab 6 Uhr morgens soll dann durch die Pipeline Nord Stream 1 wieder Gas fließen nach den jährlichen Wartungsarbeiten, die kommenden Montag beginnen. Immer schärfer werden allerdings die Warnungen, dass die schon seit Wochen gedrosselten Gaslieferungen aus Russland danach komplett ausbleiben. “Wir müssen uns auf weitere Unterbrechungen der Gasversorgung aus Russland vorbereiten, sogar auf eine vollständige Beendigung”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern im Parlament. Es sei klar, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Energie als Waffe nutze. Es folgten mehrere Ankündigungen, um die Entschlossenheit Brüssels zu zeigen.

    Am 20. Juli wird Kommissionsvize Frans Timmermans die Pläne zur Vorbereitung auf den Winter präsentieren, wie ein Kommissionssprecher auf Anfrage bestätigte. Am 26. Juli – wenige Tage nach dem Stichtag für Nord Stream – treffen sich die Energieminister der Mitgliedstaaten zu einer außerordentlichen Sitzung, kündigte die tschechische Ratspräsidentschaft gestern an.

    Notfallplan bei Stopp der Gaslieferungen aus Russland

    Die sechs Kernthemen des Aktionsplans zur Wintervorsorge hatte Energiekommissarin Kadri Simson bereits nach dem letzten Energieministerrat Ende Juni genannt. Gestern sagte von der Leyen, im Mittelpunkt des EU-weiten Notfallplans sollten zum einen die Reduktion des Verbrauchs stehen (Europe.Table berichtete) und zum anderen die Solidarität bei der gleichmäßigen Verteilung des Gases. Im Falle einer vollständigen Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland müssten noch vorhandene Gasströme dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt würden.

    “Wir müssen für europäische Solidarität sorgen. Und wir müssen den Binnenmarkt und die Lieferketten der Industrie schützen“, erklärte von der Leyen. Es gelte dabei die bittere Lehre nicht zu vergessen, die man zu Beginn der Corona-Pandemie gelernt habe. Egoismus, Protektionismus, geschlossene Grenzen und Exportverbote hätten zu Uneinigkeit und Fragmentierung geführt.

    Ein EU-weit abgestimmtes Vorgehen hatte zuletzt auch EVP-Chef Manfred Weber gefordert. Ein Energiegipfel müsse verbindliche Maßnahmen für eine gerechte Gasverteilung beschließen, hatte der CSU-Politiker vergangenen Sonntag in einem Interview angemahnt. Bei einer Gasmangellage müssten die EU-Staaten einander unterstützen, falls einzelne ihre geschützten Kunden nicht mehr mit Gas versorgen könnten.

    Industrie abschalten, Nachbarstaaten schützen

    Doch fraglich ist nicht nur, ob einzelne Staaten wirklich ganze Industriezweige abschalten, damit die Bürgerinnen und Bürger in anderen Staaten nicht frieren. Geregelt werden müsste bei dem Gipfel Ende Juli auch detaillierter, welche Einschränkungen ein Hilfe suchender Staat zunächst selbst ergreifen müsste. Dürften dessen Haushalte so stark heizen, wie sie wollten? Oder würde den Geberländern gestattet, “ihre” Speicher erst anzutasten, wenn sich die Nachbarn mit 18 Grad warmen Wohnungen begnügen? Ungewohnt markige Worte kamen gestern schon einmal aus der Bundestagsfraktion der Grünen.

    Sie mache sich ein wenig Sorgen, wenn in erster Linie darüber gesprochen werde, wie Gas in der EU gerecht verteilt werde, sagte die energiepolitische Sprecherin Ingrid Nestle dem MDR und sieht Deutschland offenbar in einer Vorreiterrolle. “Wir müssen natürlich schon dafür sorgen, dass, wenn es einem Land gelingt, wenig Gas zu verbrauchen, wirklich einzusparen, andere Energiequellen zu erschließen, dieses Land dann auch die Chance hat – ich sage das mal ganz krass -, im Winter seine Industrie zu rettenund nicht sagt’ da gibt es aber noch geschützte Kunden im Ausland und die heizen fröhlich zum Fenster raus und da geht jetzt unser Gas hin”, so die knallharte Ansage der Grünen-Abgeordneten. Erfolge beim Gassparen müssten sich lohnen.

    Das mag Überheblichkeit oder ein drastischer Appell sein – im Fall eines Gasmangels kann sich wohl kein EU-Staat seiner Versorgung sicher sein. “Falls sämtliche russischen Gaslieferungen in die EU gestoppt werden sollten, wäre das Ausmaß der Krise weitaus bedeutender als das, was die EU-Gesetzgeber im Sinn hatten, als sie 2017 die SoS-Verordnung beschlossen“, sagt Katja Yafimava, Senior Research Fellow am Oxford Institute of Energy Studies zu Europe.Table.

    Wissenschaftlerin fürchtet Domino-Effekt

    “Eine solche Störung würde sich in mehreren Mitgliedstaaten – vor allem in Deutschland und in Mittel- und Osteuropa – kurz hintereinander auswirken und könnte dazu führen, dass diese Länder nacheinander Solidaritätsmaßnahmen beantragen. Es käme zu einem Dominoeffekt”, befürchtet die Wissenschaftlerin. Zwingen könne die Kommission die Mitgliedstaaten aber wohl nicht, den Verbrauch von Industriekunden vorsorglich zu senken, um Gas zu speichern.

    Mehr Rechtssicherheit könnten auch die Betreiber des europäischen Gas-Transportnetzes gebrauchen. Bisher gibt es erst sechs Solidaritätsvereinbarungen zwischen benachbarten Staaten für den Fall eines Gasmangels. Das Fehlen solcher Abkommen würde im Solidaritätsfall zwar nicht das Auslösen der Hilfe verhindern, sagt eine Sprecherin der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB Gas). “Die Abkommen schaffen aber Rechtssicherheit.”

    Technische und finanzielle Unklarheiten und offene Haftungsfragen würden durch die Vereinbarungen ausgeräumt. “Die Bundesregierung sollte ihre Bemühungen zum Abschluss weiterer Solidaritätsverträge fortsetzen”, so die Sprecherin. Die europäischen Netzbetreiber wollen im Oktober ihren aktualisierten Winter Supply Outlook vorlegen, wie ENTSOG auf Anfrage mitteilte. Thema sein könnte er beim nächsten regulären Treffen der Energieminister am 25. Oktober.

    Österreich geht gegen Gazprom vor

    Keine weitere Zeit verlieren will Österreich, das seine großen Speicherkapazitäten bisher erst knapp zur Hälfte gefüllt hat. Die Regulierungsbehörde habe ein Verfahren eingeleitet, um die Kapazitäten von Gazprom am Speicher Haidach neu zu vergeben, sagte gestern Energieministerin Leonore Gewessler. Seine Anteile an dem Speicher hat der russische Konzern seit Monaten nicht zur Befüllung genutzt, ebenso wie beim niederländischen Speicher Bergermeer.

    Aus Moskau folgte darauf prompt eine süffisante Antwort. Auf seinem Twitter-Account verwies Gazprom darauf, dass die größten Anteile an Haidach zu Unternehmen gehörten, die inzwischen unter der Treuhänderschaft der Bonner Bundesnetzagentur stünden.

    Ein ganz praktisches Problem gibt es allerdings: Nach der neuen Gasspeicher-Verordnung der EU sind Deutschland und Österreich gemeinsam dafür verantwortlich, die Speicher Haidach und 7-Fields zu füllen. Beide liegen zwar in Österreich, sind aber auch an das deutsche Netz angeschlossen. Doch wer muss welche Anteile füllen und trägt die Kosten dafür? In einer Gesetzesbegründung aus Berlin vom Dienstag heißt es dazu: “Das genaue Verhältnis und der Umfang dieser Verantwortung ist in einem bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und Österreich zu regeln.” Mit dpa, rtr

    • Energie
    • Erdgas
    • Europapolitik

    News

    EU bewertet Emissionen von Hybrid-Fahrzeugen neu

    Die CO2-Emissionen von Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen (PHEV) sollen künftig auf der Grundlage bemessen werden, wie viel sie beim tatsächlichen Betrieb auf der Straße emittieren. Das wurde am Dienstag bei einer Sitzung des Technischen Ausschusses für Kraftfahrzeuge der EU-Kommission beschlossen. Dafür soll der sogenannte Utility Factor (Nutzwertfaktor) von PHEV überarbeitet werden. Dieser gibt an, wie groß der Anteil des elektrischen Betriebs des Fahrzeugs ist.

    Grund für die Anpassung sind Daten, nach denen ein erheblicher Unterschied besteht zwischen den realen CO2-Emissionen von Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen und den nach dem bisherigen WLTP-Messverfahren ermittelten Emissionen. Bisher seien die Regulierungsbehörden davon ausgegangen, dass PHEVs weitaus mehr im Elektrobetrieb gefahren werden, als dies tatsächlich der Fall ist, kommentiert der Umweltdachverband Transport and Environment (T&E). Dies habe zu unrealistisch niedrigen Emissionswerten geführt. T&E fordert, dass Subventionen und Anreize für den Kauf von PHEV eingestellt werden.

    In einem ersten Schritt werden nun ab 2025 neue Nutzwertfaktoren auf der Grundlage der verfügbaren Daten festgelegt. In einem zweiten Schritt sollen diese Faktoren weiter überarbeitet werden, wobei ab 2027 die tatsächlichen Daten von Kraftstoffverbrauchsüberwachungsgeräten an Bord solcher Fahrzeuge berücksichtigt werden, schreibt die Kommission.

    Die Anpassung ist Teil eines Durchführungsrechtsakts, zu dessen Erlassung die EU-Kommission im Rahmen des Komitologie-Verfahrens befugt ist. luk

    • Elektromobilität
    • Klima & Umwelt
    • Klimaschutz
    • Verkehrspolitik

    Von der Leyen kündigt Vorschlag zum Stabipakt an

    Die Europäische Kommission will mit der Vorstellung der Reform der europäischen Fiskalregeln nicht mehr lange warten. Man werde den Vorschlag zum Stabilitäts- und Wachstumspakt “direkt nach dem Sommer” vorstellen, sagte Präsidentin Ursula von der Leyen gestern in Straßburg. Ein konkreter Termin findet sich in der aktuellen Planung der Behörde aber noch nicht.

    Die Herausforderung werde sein, “finanzielle Stabilität mit dem unübersehbaren Investitionsbedarf zu versöhnen”, sagte von der Leyen. Unter den Mitgliedstaaten ist umstritten, wie viel Spielraum die nationalen Haushalte etwa für öffentliche Investitionen in den Klimaschutz bekommen sollen.

    Die Kommission hatte Zeit gewonnen, als sie im Mai ankündigte (Europe.Table berichtete), die Regeln noch ein weiteres Jahr auszusetzen. Die zuletzt gestiegenen Spreads besonders für italienische Staatsanleihen sorgen nun aber für neuen Dringlichkeit. Die Europäische Zentralbank hat deshalb angekündigt, bis zum 21. Juli ein neues Anti-Fragmentierungsinstrument entwickeln zu wollen. tho

    • Klimaschutz
    • Stabilitätspakt

    Premier Johnson will trotz scharfer Kritik weitermachen

    Der britische Premierminister Boris Johnson hat Medienberichten zufolge die Aufforderung einer Reihe von Kabinettsmitgliedern zum Rücktritt zurückgewiesen. Wie der Sender Sky News am Mittwochabend berichtete, hatte eine Delegation von Kabinettsmitgliedern Johnson im Regierungssitz 10 Downing Street besucht und dazu aufgefordert, sein Amt niederzulegen.

    Darunter soll unter anderem der erst am Dienstag auf seinen Posten berufene Finanzminister Nadhim Zahawi gewesen sein. Sein Vorgänger Rishi Sunak hatte nur Stunden vorher das Amt aus Protest gegen Johnsons Führungsstil niedergelegt. Ebenfalls zu der Delegation soll Verkehrsminister Grant Shapps gehört haben.

    Gegen Johnson gestellt haben sollen sich auch die bislang ultra-loyale Innenministerin Priti Patel, Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng sowie Bau- und Wohnungsminister Michael Gove. Zudem legten seit Dienstag rund drei Dutzend konservative Abgeordnete ihre Regierungs- und Parteiämter nieder.

    Johnson habe den Kabinettskollegen jedoch gesagt, dass er nicht gehen werde, berichtete Sky News am Abend unter Berufung auf Partei- und Regierungskreise. Andernfalls werde das Land ins Chaos gestürzt und die Konservativen bei der nächsten Parlamentswahl abgestraft, so Johnson den Berichten zufolge.

    Johnson dürfte weiteres Misstrauensvotum kaum überstehen

    Damit bleibt nur eine Änderung der Tory-Parteiregeln, um ein weiteres Misstrauensvotum gegen Johnson einzuleiten und den Premier zu stürzen. Erwartet wird, dass dies am kommenden Montag geschehen könnte

    Der Tory-Parteichef hatte erst vor einem Monat eine Misstrauensabstimmung in seiner Fraktion knapp überstanden. Den bisherigen Regeln der Tory-Partei zufolge darf für die Dauer von zwölf Monaten nach der Abstimmung kein neuer Versuch unternommen werden. Seiner Sprecherin zufolge will er sich der Herausforderung stellen. Ein weiteres Misstrauensvotum dürfte Johnson angesichts der wachsenden Kritik innerhalb seiner Partei kaum überstehen. dpa

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    • Großbritannien

    Kroatiens Finanzminister Maric tritt zurück

    Rund ein halbes Jahr vor der Einführung des Euros in Kroatien hat Finanzminister Zdravko Maric seinen Rücktritt eingereicht. Die Gründe dafür waren zunächst nicht klar, wie Medien in Zagreb in der Nacht zum Mittwoch berichteten. Als Nachfolger wolle Ministerpräsident Andrej Plenkovic den Wirtschaftswissenschaftler Marko Primorac ernennen, hieß es unter Berufung auf Quellen in der Regierung.

    Zdravko Maric häufig in Kritik

    Der Wirtschaftswissenschaftler Maric war seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2016 umstritten. Grund dafür war, dass er zuvor vier Jahre im Vorstand des Pleite-Konzerns Agrokor saß. Gegen den Agrokor-Gründer und -Eigentümer Ivica Todoric sind mehrere Strafverfahren anhängig. Todoric bestreitet Vorwürfe der Staatsanwälte, Agrokor um 165 Millionen Euro geschädigt zu haben. Gegen Maric wurde zu keinem Zeitpunkt ermittelt.

    Maric stand auch während seiner Zeit als Minister in der Kritik. Affären um Urlaube in Luxushotels zu “Vorzugspreisen” und um Aufenthalte auf Schiffen reicher kroatischer Unternehmer kratzten an seinem Ruf. Kroatien will am 1. Januar 2023 den Euro anstelle der Landeswährung Kuna einführen. Im Juni hatten die Staats- und Regierungschefs der anderen EU-Staaten auf dem EU-Gipfel in Madrid dafür grünes Licht gegeben (Europe.Table berichtete). dpa

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    • Kroatien

    Italien: Fünf Sterne wollen weitermachen

    In Italien ist eine Regierungskrise vorerst abgewendet worden. Die Fünf-Sterne-Bewegung bekannte sich am Mittwoch dazu, zunächst weiter in der regierenden Mehrheit zu bleiben. Die populistische Partei hatte die Politik der Regierung zuletzt kritisiert – etwa mit Blick auf die Lieferung von Waffen an die Ukraine und wegen Verteilung und Höhe von Hilfsgeldern in Italien. Am Mittwoch stand deshalb ein Treffen zwischen Sterne-Parteichef Giuseppe Conte und Ministerpräsident Mario Draghi an.

    “Wir sind bereit, eine Regierungsverantwortung zu teilen, so wie wir es bis hier hin gemacht haben, aber in ehrlicher und konstruktiver Weise”, sagte Conte anschließend vor Draghis Amtssitz in Rom. Conte gab dem parteilosen Ministerpräsidenten nach eigener Aussage im Namen der Fünf-Sterne-Bewegung ein Dokument, in dem die Partei ihre Unzufriedenheit begründete und forderte eine Kursänderung. So soll die Lohnsteuer unverzüglich gesenkt und die Zukunft des sogenannten Bürgerschaftsgeldes abgesichert werden. Diese Grundsicherung gilt als sozialpolitisches Vorzeigeprojekt der Fünf-Sterne-Bewegung. Draghi will Conte zufolge nun über die Forderungen nachdenken.

    Gerüchte: Draghi wolle Conte aus der Partei drängen

    Vor dem Treffen war unklar, ob die Vielparteienregierung Draghis bei einem Austritt der Sterne noch weiter bestehen könnte (Europe.Table berichtete). Bei einem Zerfall des Bündnisses könnten dem Land vorgezogene Neuwahlen drohen.

    Die Fünf-Sterne-Bewegung, die drei Minister im Kabinett Draghis stellt, befindet sich nach dem Parteiaustritt von Außenminister Luigi Di Maio (Europe.Table berichtete) und dessen Unterstützern in einer schweren Krise. Die Partei verlor Dutzende Abgeordnete. Forderungen nach einem Verlassen der Regierung wurden in der Folge lauter. Hinzu kamen Gerüchte, Draghi habe mit Sterne-Gründer Beppe Grillo darüber gesprochen, Conte aus der Partei zu drängen. Das dementierte Draghi allerdings. dpa/rtr

    • Italien
    • Mario Draghi

    Frankreich will Energiekonzern EDF verstaatlichen

    Die Regierung in Frankreich will den hoch verschuldeten Energiekonzern EDF komplett verstaatlichen. “Ich kann bestätigen, dass der Staat beabsichtigt, die Kontrolle über 100 Prozent der Anteile von EDF zu übernehmen”, sagte Ministerpräsidentin Elisabeth Borne am Mittwoch vor dem Parlament.

    Der Staat hält bereits über 80 Prozent der Anteile an dem Versorger (Europe.Table berichtete). EDF kämpft mit drastischen Kostensteigerungen bei seinen neuen Atomkraftwerken in Frankreich und Großbritannien. Hinzu kommen Mängel an einigen der älteren Reaktoren. Borne betonte, der Staat müsse sich auch auf Kürzungen russischer Gaslieferungen vorbereiten. rtr

    • Energie

    EU-Kartellrecht: Razzien bei Delivery Hero und Glovo

    Die EU-Wettbewerbshüter haben die Büros des Essenslieferdienstes Delivery Hero in Berlin und ihres erst kürzlich übernommenen spanischen Wettbewerbers Glovo wegen des Verdachts der Kartellbildung durchsucht. Man arbeite vollumfänglich mit der EU-Kommission zusammen, um bei den Ermittlungen zu unterstützen, teilten Delivery Hero wie auch Glovo am Mittwoch mit. Die Durchsuchungen bedeuteten nicht, dass man tatsächlich gegen Wettbewerbsrecht verstoßen habe und nehme auch nicht das Ergebnis der Ermittlungen vorweg.

    Delivery Hero hatte erst am Montag die an Silvester bekanntgegebene Glovo-Übernahme für 780 Millionen Euro vollzogen. Zuvor hielten die Berliner bereits 44 Prozent an dem mit rund 2,3 Milliarden Euro bewerteten Startup.

    Bisher nur Untersuchungen bei Glovo & Delivery Hero

    Die EU-Kartellbehörde erklärte, verschiedene Essens- sowie Lebensmittellieferdienste in zwei EU-Ländern wegen des Verdachts der Kartellbildung durchsucht zu haben. Es wurden weder Namen noch Länder genannt und auch keine Details zu den mutmaßlichen Absprachen. Ein Sprecher des Bundeskartellamts bestätigte Reuters, die Bonner Behörde habe der EU-Kommission am 27. Juni bei einer Nachprüfung im Bereich Online-Lieferdienste assistiert. Einem Glovo-Sprecher zufolge fanden die Razzien dort vergangene Woche in Barcelona statt.

    Zu den größten Anbietern in der EU gehören neben Delivery Hero der Lieferando-Eigner Just Eat Takeaway.com, Uber Eats sowie Wolt von DoorDash. Bis auf Delivery Hero teilten alle mit, bei ihnen habe es keine Durchsuchungen gegeben. Das erklärten ebenso die Lebensmittelschnelllieferdienste Gorillas, Flink und Bolt. Unternehmen, die gegen EU-Wettbewerbsregeln verstoßen haben, drohen Bußgelder von bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes. 

    • Kartellamt
    • Kartellrecht
    • Wettbewerb

    Wettbewerbshüter erhöhen Druck auf Amazon

    Das Bundeskartellamt führt nach dem Facebook-Konzern Meta und Google auch für Amazon eine schärfere Wettbewerbsaufsicht ein. Die Behörde stufte den Online-Riesen am Mittwoch als ein Unternehmen mit “überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb” ein. “Amazon ist der zentrale Schlüsselspieler im Bereich des E-Commerce”, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

    Amazon stimmt Bundeskartellamt nicht zu

    Anders als Google und Meta akzeptiert Amazon die Entscheidung nicht. “Wir stimmen den Feststellungen des Bundeskartellamts nicht zu und werden die Entscheidung sowie unsere Optionen, auch Rechtsmittel, sorgfältig prüfen”, hieß es in einer ersten Reaktion am Mittwoch. Das Kartellamt kann seit 2021 Unternehmen mit marktübergreifendem Einfluss Praktiken untersagen, die aus seiner Sicht den Wettbewerb gefährden. Die Google-Mutter Alphabet wurde im Januar als ein solches Unternehmen eingestuft, Meta folgte im Mai. Zu Apple laufen noch Untersuchungen.

    Noch auf Basis der klassischen Missbrauchsaufsicht führt das Amt bereits zwei Verfahren gegen Amazon. Dabei untersuchen die Bonner Wettbewerbshüter unter anderem, inwieweit Amazon über seine Algorithmen Einfluss auf die Preissetzung der auf dem Amazon-Marktplatz tätigen Händler nimmt.

    Neues Verfahren in Großbritannien

    Auch die britische Kartellbehörde CMA kündigte gestern an, den US-Konzern wegen möglicher Benachteiligung von Verkäufern auf seinen Marktplätzen ins Visier zu nehmen. Dabei geht es zum einen darum, wie Amazon Daten von Drittverkäufern sammelt und verwendet, und ob es dabei den eigenen Angeboten einen unlauteren Vorteil verschafft. Zudem untersucht die CMA, nach welchen Kriterien das Unternehmen Anbietern die prominenten Plätze in der “Buy Box” auf den Produktseiten zuweist, die höhere Umsätze versprechen.

    Wegen eines ganz ähnlichen Verdachts hat auch die EU-Kommission Untersuchungen gegen Amazon eingeleitet. Hier zeichnet sich aber ein Vergleich ab: Amazon habe sich grundsätzlich mit den Wettbewerbshütern geeinigt, mehr Daten mit den Drittanbietern auf seiner Plattform zu teilen und deren Produkte prominenter zu platzieren, berichtete die “Financial Times” gestern. dpa/tho

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    Presseschau

    Amazon to share more data with rivals after EU antitrust deal FT
    Czech EU presidency proposes compromise text on the Chips Act EURACTIV
    Norwegens Regierung stoppt Streik auf Öl- und Gasfeldern FAZ
    Von der Leyen: Auf Gas-Lieferstopp vorbereiten SUEDDEUTSCHE
    Water scarcity: EU countries forced to restrict drinking water access DW
    Gas-Krise in Österreich: Öl ist die neue “Alternative Energie” FAZ

    Portrait

    Laurence Boone – Eine Ökonomin für Europa

    Laurence Boone ist Staatssekretärin für Europa-Angelegenheiten in Frankreich.
    Laurence Boone ist Staatssekretärin für Europaangelegenheiten in Frankreich.

    Mit Laurence Boone wird in Frankreich eine international bekannte Ökonomin Staatssekretärin für Europaangelegenheiten. Sie arbeitet unter Außen- und Europaministerin Catherine Colonna (Europe.Table berichtete). Die 53-jährige Boone war vorher Chefsvolkswirtin und seit Januar stellvertretende Generalsekretärin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

    Sie weiß genau, wie die EU funktioniert, weil sie früher persönliche Europa-Beauftrage von Ex-Präsident François Hollande war. Als Ökonomin versteht sie die wirtschaftlichen Herausforderungen, die in diesem Jahr in der EU immer wichtiger werden. Inflation und die Sorge um Gaslieferungen werden Europa beschäftigen.

    Die Wahl einer Ökonomin für den Posten ist eher ungewöhnlich, passt aber in die Zeit. Bisher waren es eher Politikexperten, die für Europa zuständig waren, von Michel Barnier über Pierre Moscovici zu Bruno Le Maire. Boones Vorgänger war Clément Beaune, der vorher Europaberater von Macron war und Europa und Macrons Engagement dafür geschickt in den Medien dargestellt hat. Er wurde sogar häufig “Monsieur Europe” genannt.

    Boone tritt in große Fußstapfen. Doch schon länger hieß es in Pariser Kreisen, Beaune wolle mal etwas anderes machen als Europa und ist deshalb nun zuständig für Transport. Zumindest bei der Aussprache des Nachnamens muss man sich in Europa nicht groß umstellen, witzelten viele auf Twitter und in Frankreichs Medien.

    Boone gilt in Frankreich als eine, die hart arbeitet, diplomatisch und pädagogisch ist, dazu pragmatisch und realistisch. Mit Macron verbindet sie das Engagement für ein starkes Europa. Experten zweifeln nicht daran, dass Boone für den Posten geeignet ist. Paul Maurice vom Forschungsinstitut Ifri für internationale Beziehungen erklärte gegenüber Europe.Table: “Sie hat ein ähnliches Profil wie Beaune, beide waren Europaberater. Die Situation ist nur etwas anders. Für Macron war das Europathema im Wahlkampf wichtig, Beaune musste es herausstellen. Boone muss nun die Ukrainekrise in Griff bekommen.” Die Wahl einer Ökonomin sei richtig, denn “wirtschaftliche Fragen wie Inflation und Haushalt werden in Europa in Zukunft immer wichtiger.”

    “Linkspolitische Neigungen”

    Auch Nicolas Véron vom Institut Bruegel betonte gegenüber “Les Echos” : “Sie ist gut vorbereitet für die Rolle, weil sie viele verschiedene Dinge gemacht hat.” Sie sei erfahren in wirtschaftlicher Analyse bei Großbanken, in internationalen Beziehungen durch die OECD und Europapolitik an der Seite von Hollande. Auf der internationalen Bühne dürfte sie keine Schwierigkeiten haben, sie spricht perfekt Englisch, hat in London an der London School of Economics und in Nanterre bei Paris Wirtschaft studiert.

    Die zweifache Mutter, geboren in Boulogne-Billancourt bei Paris, hat als Chefökonomin bei Barclays Capital France und Bank of America Merrill Lynch für Europa gearbeitet. Sie war bei der Versicherung Axa, bevor sie 2018 zur OECD ging. Auch in der Politik hat sie sich einen Namen gemacht. Sie wurde 2014 Wirtschaftsberaterin von Hollande – damals ersetzte sie Emmanuel Macron, der Wirtschaftsminister wurde.

    Aus der Zeit kennt sie Macron gut, der wie sie vorher auch im Bankenbereich beschäftigt war. Die beiden blieben danach im engen Arbeitskontakt. Hollande ernannte sie auch zu seiner Spezialberaterin für Europaangelegenheiten, sie blieb fast zwei Jahre im Elyséepalast. Sie hatte sich dafür eingesetzt, dass Griechenland weiter in der Eurozone bleibt und sich damit gegen Deutschland und Angela Merkel gestellt. Boone gilt als Vertreterin einer sozialliberalen Politik und erklärte damals gegenüber “Le Monde”, sie habe “linkspolitische Neigungen”.

    Frankreich von Europa überzeugen

    Boone übernimmt das Amt in einer schwierigen Zeit, in der Pandemie und der Ukrainekrise. Energiesicherheit, ein Europa der Verteidigung, EU-Erweiterung, Budgetpolitik werden in der nächsten Zeit die Prioritäten der Europäer sein. Im Herbst wird es in der EU um den Stabilitätspakt gehen. Frankreich ist für abgeschwächte Budgetregeln, um für mehr Investitionen wie im Digitalen zu sorgen. Boone wird Frankreichs Standpunkt zusammen mit Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire in der EU verteidigen müssen.

    “Sie teilt nicht die deutschen Obsessionen für einen ausgeglichenen Haushalt”, kommentierte die Tageszeitung “Liberation”. Sie ist für mehr finanzielle Solidarität in der EU zwischen den Staaten der Eurozone, so wie sie mit dem europäischen Aufbauplan 2020 begonnen wurde. Den Posten bei Hollande soll sie laut der Zeitung auch aufgegeben haben, weil sie ihn zu “kleinmütig” gegenüber Deutschland fand.

    Aber nicht nur in Brüssel muss sie aktiv werden. Auch in Frankreich wird Überzeugungsarbeit in Sachen Europa zu leisten sein, denn die erstarkten Rechtsextremen in der Nationalversammlung unter Marine Le Pen und der Linke Jean-Luc Mélenchon, der die Allianz Nupes geschmiedet hat, stehen Europa skeptisch gegenüber und könnten sich bei europäischen Vorhaben querstellen. Tanja Kuchenbecker

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    Europe.Table Redaktion

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