Die aktuelle Gaspreiskrise beschäftigt weiter die Spitzenpolitiker der Europäischen Union. Aus Sicht des Luxemburgs Energieministers Claude Turmes hilft nur ein Bündel von Maßnahmen: Energieeffizienz steigern, erneuerbare Energien ausbauen und die Gasquellen diversifizieren. Die Nachfrage von Gas werde weiter sinken. Auch aus klimapolitischer Perspektive habe Gas keine Zukunft, sagt Turmes im Interview mit Charlotte Wirth.
Die EU setzt ihre Suche nach möglichen Alternativen zu russischen Gaslieferungen heute in Aserbaidschan fort. In Baku nimmt Energiekommissarin Kadri Simson an einem Treffen des Beirats für den sogenannten “Südlichen Gaskorridor” teil. Im Mittelpunkt des Treffens soll eine mögliche Ausweitung der Kapazitäten für weitere Lieferungen gen Westen stehen. Allzu hoch sind die Erwartungen jedoch nicht, wie Eric Bonse analysiert.
Aus der Industrie kommen mahnende Worte. “Es ist wichtig, dass sich die Politik mit alternativen Energielieferanten befasst”, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang zu Europe.Table. Aber: “Am Ende sind es Unternehmen, die sich am Markt für die Lieferungen entscheiden müssen”. Welchen Preis sie zu zahlen bereit seien, entscheide, ob ein LNG-Tanker nach Europa fahre statt etwa nach Asien.
Die EU-Kommission will datengetriebenen Geschäftsmodellen in Europa auf die Sprünge helfen. Der Data Act als neuer Rechtsrahmen soll vor allem Start-ups und kleineren Unternehmen den Zugang zu kostbaren Daten erleichtern. Ein neuer Entwurf zeigt: Die EU-Kommission will dafür die Hersteller von vernetzten Geräten – von virtuellen Assistenten bis zu Autos – in die Pflicht nehmen. Sie sollen den Nutzern Zugang zu von ihnen generierten Daten geben, und diese auf Wunsch auch an andere Unternehmen weiterreichen müssen. Das soll etwa kleine Reparaturbetriebe stärken. Till Hoppe hat den Entwurf zu Data Act unter die Lupe genommen.
Herr Minister, Sie haben vor ein paar Wochen gesagt, dass es sich bei der Energiepreiskrise um eine “kurzfristige Extremsituation” handle. Glauben Sie das immer noch?
Wir befinden uns in einer untypischen Situation, es steht schließlich ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine im Raum. Die Frage, die wir uns aber bereits in der letzten Russland-Ukrainekrise stellen mussten, ist, wie die EU mit ihrer Abhängigkeit von Russland umgeht. Während des ersten Gaskonfliktes zwischen Russland und der Ukraine Mitte der 2000er-Jahre hat die EU sich diversifiziert und zum Beispiel LNG-Häfen gebaut. Wäre diese Diversifizierung nicht vollzogen worden, dann wären wir heute noch stärker von Russland erpressbar. Kurzfristig müssen wir nun Maßnahmen ergreifen, um die Preise für die Endverbraucher abzufedern. Langfristig müssen wir unsere Energiequellen diversifizieren und weniger Gas verbrauchen.
Schaffen wir das denn? Es gibt Studien, die besagen, dass wir zumindest in den nächsten Jahren mehr verbrauchen, weil Gas als Brückentechnologie genutzt wird.
Das ist nicht richtig. Was beim Gas wichtig ist, ist die Frage nach dem Gesamtgasverbrauch in Europa. Der Verbrauch ging die vergangenen Jahre leicht zurück. Und er wird bis 2030 um ein Drittel zurückgehen, vor allem im Wärmebereich – und das, obwohl der Stromverbrauch eventuell leicht steigen wird.
Frau von der Leyen sondiert ja zurzeit, wo man Gas denn noch einkaufen könnte. Wenn ihre Verhandlungen fruchten, wer zahlt denn dann? Sie hat ja kein Mandat, um Verträge auszuhandeln und zu finanzieren.
Ich denke, das sind eher geopolitische Verhandlungen, bei denen man sich mit freundlichen Regierungen kurzschließt – ich denke da hauptsächlich an die USA, Kanada, Norwegen, – um zu sehen, ob sie uns in der jetzigen Situation oder gar einer Kriegssituation aushelfen können. Aber Frau von der Leyen unterschreibt keine Verträge. Ich glaube, das ist eine Überinterpretation ihrer Rolle. LNG kommt letztlich nach Europa, weil der europäische Gasmarkt aktuell einen guten Preis bietet. Man muss allerdings darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll ist, über die nächsten Jahre Langzeitverträge für LNG abzuschließen, um unsere Abhängigkeit von Russland zu minimieren.
Schaffen wir dann nicht einfach neue Abhängigkeiten? Sagen wir, wir beziehen dann lieber LNG aus Katar. Da handelt es sich auch nicht um ein unproblematisches Regime.
Die beste Gaspolitik ist sicher Energieeffizienz, erneuerbare Energien und die Diversifizierung der Gasquellen. Noch einmal: Die Klimapolitik hilft uns, unseren Gasverbrauch und unsere Abhängigkeit von Gas zu reduzieren.
LNG ist alles andere als klimafreundlich, man denke etwa an Fracking. Kommen jetzt nicht in ein Spannungsverhältnis zwischen unserer Nachfrage nach Gas und unseren Klimazielen?
Gasaustritt und Methanaustritt aus den Gasfeldern und Pipelines sind ebenfalls nicht harmlos. Daher ist es sinnvoll, dass sich die EU endlich eine Methanstrategie gibt. Und genau deshalb hat Gas auch keine Zukunft.
Aber wie sieht es in der Übergangszeit aus? Momentan scheint uns jedenfalls egal zu sein, wo das Gas herkommt und wie es produziert wird. Wichtig ist, dass es fließt.
Dennoch. Fracking ist vielleicht besonders schlecht, aber der Methanaustritt aus Russland ist auch nicht harmlos. Man soll jetzt nicht meinen, russisches Gas sei besonders umweltfreundlich.
Letztlich bestimmt der Preis, wo das LNG hingeht und Staaten, in denen die Händler nicht auch noch CO2-Zertifikate kaufen müssen, haben einen Vorteil…
Deswegen brauchen wir ein Instrument gegen Klimadumping, und zwar das CBAM. Das liegt auf dem Tisch und muss jetzt zügig verhandelt werden. So wird unsere Industrie geschützt.
Zu Beginn der Gaskrise wollten sie mit Frau Vestager über die Spekulation auf dem Gasmarkt sprechen. Hat das Früchte getragen?
Frau Vestager und ihr Team beobachten den Markt sehr genau. Es geht momentan vor allem darum zu überprüfen, ob Gazprom das Wettbewerbsrecht ausgehebelt hat. Solche Verfahren dauern, aber wenn es genug Beweise gibt, dann ist das sehr effizient.
Ist unser Problem vielleicht auch, dass die erneuerbaren Energien noch nicht bereitstehen?
Nein, sie stehen bereit. Wir haben allerdings das Pech, dass Frankreich so viel von neuen AKWs träumt, dass es vergisst, genug in die erneuerbaren Energien zu investieren. Zudem steht das französische Stromnetz extrem unter Stress, da die alten Meiler aus Grund von Materialverschleiß nicht am Netz sind.
Auch die vorige deutsche Regierung ist schuld. Minister Altmaier hatte den Ausbau der Solarenergie begrenzt. Dann wurde der Bau von Onshore-Windenergie fast unmöglich gemacht, weil die Distanzregeln so streng sind. Daher freue ich mich umso mehr, dass wir jetzt mit der neuen deutschen Regierung, Estland und Schottland Regierungen haben, die erneuerbare Energien konsequent auszubauen wollen.
Sie führen zurzeit mit den Penta-Ländern (Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Niederlande, Schweiz, Belgien und Österreich) Gespräche, damit die Gasspeicher stärker reguliert werden und vor den Wintern aufgefüllt werden müssen. Wie laufen die Verhandlungen?
Die Vorgespräche laufen gut. Die meisten Länder haben verstanden, dass es zielführend ist, die Speicher zu regulieren. Diesen Fehler wollen sie korrigieren. In Deutschland hat Klimaminister Habeck ja schon ein Gesetz angekündigt. Luxemburg hat momentan den Penta-Vorsitz. Wir wollen die 575 TWh Gasspeicher, die in unseren Ländern sind, künftig koordinieren. Wenn wir das schaffen, ist das ein riesiger Schritt in Richtung Versorgungssicherheit und Preisstabilität.
Die aktuelle Krise führt womöglich dazu, dass der Bau neuer Terminals, Pipelines und Co für fossile Energien in den Fokus rückt. Aktuell laufen die Verhandlungen zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags. Könnte das die Verhandlungen beeinflussen? Die EU steht ja mit ihrem Wunsch nach einer Anpassung des Vertrags an die Pariser Klimaziele recht alleine.
Das Argument wird sicherlich von der Gaslobby genutzt werden. Im Falle einer Krise profitieren all jene, die schon immer und auch weiterhin in fossiles Gas investieren wollen. Wir befinden uns allerdings in einer Klimakrise. Das sollten wir nicht vergessen. Die EU-Gasinfrastruktur müsste sogar für ein Szenario reichen, in dem Russland gar nicht mehr liefert. Wir müssen also nicht über einen weiteren Ausbau fossiler Gasinfrastruktur diskutieren.
Mit einem Besuch in Aserbaidschan setzt die EU-Kommission ihre Suche nach Alternativen zu russischen Gaslieferungen fort (Europe.Table berichtete). Energiekommissarin Kadri Simson und Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi werden am Freitag in der Hauptstadt Baku erwartet, wo sie an einem Treffen des Beirats für den sogenannten Südlichen Gaskorridor teilnehmen wollen. Es ist das erste Mal, dass Simson dieser Runde persönlich beiwohnt, was die hohe Bedeutung unterstreicht, die sie den Gaslieferungen aus Aserbaidschan beimisst.
Nach Angaben der EU-Kommission geht es bei dem Treffen um die Frage, ob der Südliche Gaskorridor ausgeweitet werden kann. Und zwar vorrangig in jene EU-Länder, die aus der Kohle aussteigen wollen. Außerdem werde man über die Reduzierung von Methangas-Emissionen sprechen. Neben dem hochrangigen Ministertreffen, an dem auch zahlreiche Energiekonzerne wie BP, Uniper oder LUKoil teilnehmen, wird Simson bilaterale Gespräche mit dem Energieminister Aserbaidschans führen.
Im Mittelpunkt der “Bilaterals” werde die Rolle Aserbaidschans bei der Diversifizierung der Gasversorgung in Europa stehen, sagte ein Kommissionssprecher. Dabei wolle man auch die Möglichkeit ausloten, die Kapazität der Trans Adriatic Pipeline (TAP) auszuweiten. Bisher liegt sie bei zehn Milliarden Kubikmeter im Jahr. Die TAP habe sich als stabiler und zuverlässiger Versorger erwiesen, betont die Brüsseler Behörde.
Mit schnellen Ergebnissen wird allerdings nicht gerechnet. Für Aussagen über mögliche Lieferverträge sei es noch zu früh, heißt es in Brüssel. Der aserbaidschanische Botschafter in London, Elin Suleymanov, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass sein Land “bei dringendem Bedarf” die Gaslieferungen ausweiten könne. Man könne jedoch nicht das Volumen aus Russland wettmachen. Dies brauche langfristige Planung, so Suleymanov: “Es läuft nicht so, dass jemand vorbeikommt und sagt ‘Gib mir mehr Gas'”.
Ähnlich äußerte sich Jocopo Pepe, Energieexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. “Aserbaidschan kann als Zusatzquelle in Frage kommen, jedoch nur in marginalem Umfang. Der Südliche Gaskorridor wird von Aserbaidschan gerne als Alternative zu russischem Gas propagiert, aber die Volumina sind nicht vorhanden. Die Kapazitäten der transadriatischen Pipeline beschränken sich auf etwa zehn bis maximal 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Davon geht rund die Hälfte in die Türkei. Das Land stellt einen großen Absatzmarkt für Gas aus Aserbaidschan dar.”
Zuletzt hatte Aserbaidschan seine Lieferungen an die Türkei ausgeweitet. Nach Schätzungen sind die Lieferkapazitäten der TAP-Pipeline derzeit zu mehr als 80 Prozent ausgelastet.
Zu den technischen Beschränkungen kommen auch noch politische Risiken. Aserbaidschan macht seit Jahren mit Bestechungs- und Geldwäsche-Skandalen von sich reden, in die auch deutsche Politiker und mehrere Europaabgeordnete verwickelt waren. Der sog. “Laundromat” beschäftigt bis heute die britische Justiz. Ein Richter in London verurteilte am Dienstag einen aserbaidschanischen Abgeordneten zur Zahlung von 5,6 Millionen Pfund, die illegal ins Land geschmuggelt worden sein sollen.
Die EU-Kommission scheint jedoch bereit, über diese Skandale hinwegzusehen. Ihr Vorstoß ist vor allem geopolitisch motiviert: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts und möglicher Sanktionen gegen Russland sucht sie nach Möglichkeiten, die EU unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen. Brüssel ist dafür auch in Kontakt mit Katar. Das Emirat machte jedoch deutlich, dass es den europäischen Gasbedarf nicht alleine decken könne. Man setze auf eine diplomatische Lösung, hieß es.
Die größten Hoffnungen der Kommission richten sich auch auf die USA. Behördenchefin Ursula von der Leyen und US-Präsident Biden haben in der vergangenen Woche angekündigt, bei der Suche nach Alternativen zu russischem Gas eng zusammenzuarbeiten und dabei vor allem Flüssiggas (LNG) in den Blick zu nehmen. Am kommenden Montag reisen Simson und der EU-Außenvertreter Josep Borrell zum EU-US-Energierat nach Washington. Dort soll die transatlantische Zusammenarbeit konkretisiert werden.
Der Bundesverband der Industrie (BDI) ist skeptisch: “Europa wird nicht auf die Schnelle substanzielle Mengen an Pipeline-Gas durch LNG ersetzen können. Das wäre teuer und aufwendig. Unsere europäischen Interessen sind bei der Energieversorgung nicht deckungsgleich mit amerikanischen”, sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
Dass sich die Politik mit alternativen Energielieferanten befasse sei zwar zu begrüßen. “Es ist gut, dass die Europäische Kommission den Weg bereitet, um die Energiequellen zu diversifizieren. Am Ende hängt es am Marktpreis, den Unternehmen bereit sind zu zahlen, ob ein LNG-Tanker nach Europa fährt statt etwa nach Asien.” Mit Timo Landenberger und Till Hoppe
EU-Außenbeauftragter und EU-Energiekommissarin in Washington
06.02.-08.02.2022
Agenda: Josep Borrell (EU-Außenbeauftragter) und Kadri Simson (EU-Energiekommissarin) sind in Washington, wo sie am 07.02. am Energierat EU-USA teilnehmen. Zudem trifft sich Josep Borrell mit US-Außenminister Antony Blinken.
Informelle Tagung der Landwirtschaftsminister
07.02.-08.02.2022
Agenda: Das informelle Treffen dient dazu, gemeinsam über neue Entwicklungsmöglichkeiten und Herausforderungen im Agrar-Sektor zu diskutieren. Zudem werden EU-Kommission sowie europäische Verbände Gelegenheit zur Darlegung ihrer Standpunkte haben.
Infos
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
07.02.2022 13:45-18:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Entwürfe von Stellungnahmen zur Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS), zur Überarbeitung des ETS für den Luftverkehr, zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds sowie zur Änderung der Effort Sharing Regulation.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung
07.02.2022 13:45-18:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem die Änderung einer Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, der Berichtsentwurf zum Jahresbericht nachhaltiges Wachstum 2022 sowie der Entwurf einer Stellungnahme zu Verbraucherkrediten.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz
07.02.2022 14:00-17:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Berichte über die laufenden interinstitutionellen Verhandlungen zur finalen Ausgestaltung von DSA und DMA, der Entwurf einer Stellungnahme zur Einrichtung des Programms “Der Weg in das digitale Jahrzehnt” sowie der Entwurf einer Stellungnahme zum Jahresbericht Wettbewerbspolitik 2021.
Vorläufige Tagesordnung
Informelle Tagung der Gesundheitsminister
09.02.-10.02.2022
Agenda: Bei dem informellen Treffen wollen sich die Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund der Pandemie über die Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs der Bürger:innen zur Gesundheitsversorgung austauschen.
Infos
Wöchentliche Kommissionssitzung
08.02.2022
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht der European Chips Act. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 12:00 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz Live
Gemeinsame Ministerkonferenz der Außen- und Gesundheitsminister
09.02.2022
Agenda: Bei der Ministerkonferenz geht es darum, eine europäische Gesundheitsaußenpolitik zu entwickeln.
Infos
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
10.02.2022 09:00-15:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem der Entwurf einer Stellungnahme zum Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum 2022, der Entwurf einer Stellungnahme zu europäischen grünen Anleihen sowie der Berichtsentwurf zur Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Sonderausschusses für Künstliche Intelligenz im digitalen Zeitalter
10.02.2022 09:00-12:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache mit der französischen Ratspräsidentschaft sowie ein Bericht über künstliche Intelligenz im digitalen Zeitalter.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
10.02.2022 14:30-15:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Berichtsentwurf zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds.
Vorläufige Tagesordnung
Informelle Tagung der für Handel zuständigen Minister
13.02.-14.02.2022
Agenda: Das informelle Treffen bietet Gelegenheit, Handelsfragen und allgemeine Leitlinien der Handelspolitik zu erörtern.
Infos
Die EU-Kommission will datengetriebenen Geschäftsmodellen in Europa auf die Sprünge helfen. Der Data Act als neuer Rechtsrahmen soll vor allem Start-ups und kleineren Unternehmen den Zugang zu kostbaren Daten erleichtern. Die Behörde will ihren Gesetzesvorschlag am 23. Februar vorstellen. Ein Entwurf des zunächst für Dezember geplanten Vorhabens ist inzwischen an die Öffentlichkeit gelangt (Europe.Table berichtete).
Besondere Regeln sollen demnach für den Staat gelten. Wenn Behörden in Krisensituationen wie einer Pandemie Zugriff auf Daten einer Organisation verlangen, müssen diese schnell und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Auch in “besonderen Umständen” können die Behörden Daten anfordern, müssen dann aber die anfallenden Kosten “plus eine vernünftige Marge” entrichten.
In der Geschäftswelt soll es grundsätzlich Sache des jeweiligen Unternehmens bleiben, ob es seine Daten mit anderen teilt. Die Kommission schlägt aber Sonderregeln für in der EU aktive Hersteller von vernetzten Geräten und damit zusammenhängenden Diensten vor – den schnell wachsenden Bereich des Internets der Dinge. Dazu können Haushaltsgeräte wie Smart-TVs ebenso zählen wie vernetzte Autos, Medizingeräte und Maschinen.
Hier sollen Nutzer, private wie geschäftliche, Zugang zu von ihnen generierten Daten verlangen können – und zwar unverzüglich und kostenlos. Die Hersteller etwa von virtuellen Assistenten (wie Amazons Alexa) sollen verpflichtet werden, ihre Kunden schon vor dem Kauf auf verständliche Weise zu informieren, welche Art von Daten das jeweilige Gerät sammelt.
Zudem können die Nutzer von den Herstellern verlangen, ihre Daten Dritten zugänglich zu machen. Als Beispiel nennt die Kommission in ihrem Entwurf zum Data Act den Agrarsektor. Dort dominierten wenige Landmaschinenhersteller den Markt und “engen die Möglichkeiten für Bauern und andere kleine Unternehmen stark ein, Erkenntnisse und Wert aus den anfallenden Daten zu ziehen”. Das führe wiederum dazu, dass die Landwirte keine Anreize hätten, sich an gemeinsamen Datenräumen zu beteiligen.
Die Klausel zielt insbesondere auf den Aftermarketbereich, soll also etwa Reparaturbetriebe stärken. So streiten Autohersteller und freie Werkstätten seit Jahren darüber, ob letztere Zugang zu den wartungsrelevanten Daten aus den Fahrzeugen erhalten sollen.
Bemerkenswert: Laut Entwurf sollen die großen Digitalkonzerne außen vor bleiben, also nicht von der Datenweitergabe profitieren dürfen. Die Klausel bezieht sich auf jene Unternehmen, die nach dem Digital Marktes Act als Gatekeeper-Plattformen eingestuft werden (Europe.Table berichtete). Die Kommission unterstellt hier (nicht ohne Grund), dass Google, Facebook und Co bereits über riesige Datenmengen verfügen und daraus enorme Wettbewerbsvorteile ziehen.
Die Hersteller dürfen für Weitergabe von Daten an Dritte einen Preis verlangen. Im Falle von kleinen und mittelständischen Unternehmen darf dieser laut Entwurf aber nicht über den direkten Kosten des Transfers liegen. Für Streitfälle sollen die Mitgliedstaaten Schlichtungsstellen einrichten.
Kritik an dem geplanten Datenzugangsrecht kommt aus dem Maschinenbau. In der Branche habe sich gezeigt, dass die Parteien ein für beide Seiten faires Verhandlungsergebnis fänden, sagt Niels Karssen, Fachreferent im Brüssel-Büro des VDMA. “Ein dem Nutzer bzw. einem Dritten durch den Nutzer der Maschinen gewährtes Recht auf Zugang zu und Nutzung von Daten ist daher weder notwendig noch zielführend.”
Jenseits des Internets der Dinge sollen nach dem Willen der Kommission andere Regeln gelten. Dort soll eine Fairnessprüfung für Datenaustauschverträge gewährleisten, dass KMU nicht von stärkeren Geschäftspartnern über den Tisch gezogen werden. Enthält ein entsprechender Vertrag eine Reihe von als unfair eingestuften Bestimmungen, ist er nichtig. Der VDMA warnt aber, diese “schwarzen Klauseln” würden zu Rechtsunsicherheit führen. Das habe die negative Erfahrung in Deutschland mit der ABG-Kontrolle gezeigt.
Besondere Bestimmungen sieht der Data Act hier für Cloud-Provider vor. Besonders die großen (US-)Anbieter werden vielfach dafür kritisiert, den Wechsel ihrer Kunden zu Konkurrenten stark zu erschweren. Diesen Lock-in-Effekt will die Kommission aufbrechen. So sollen die Cloud-Provider dazu verpflichtet werden, Serviceverträge nach maximal 30 Tagen aufzulösen und eine “funktionale Äquivalenz des Dienstes in der IT-Umgebung der anderen Anbieter” zu ermöglichen. Um den Zugriff von Sicherheitsbehörden aus Drittstaaten zu verhindern, sollen die Datenverarbeiter überdies “alle vernünftigen technischen, rechtlichen und organisatorischen Maßnahmen” ergreifen. Mit Jasmin Kohl
Pünktlich zum heutigen Start der Olympischen Winterspiele in Peking hat die Fraktion der Grünen/EFA im Europaparlament eine neue Studie zur biometrischen Gesichtserkennung veröffentlicht, um auf die Auswirkungen der umstrittenen Technologie auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit aufmerksam zu machen. “Sportveranstaltungen sind ein bedeutender Vorwand, um mit biometrischen Gesichtserkennung zu experimentieren und sie einzuführen“, sagt der Piraten-Europaabgeordneten Patrick Breyer. Die Begründung sei dabei immer die Gleiche: Die Überwachungstechnologie führe zu mehr Sicherheit.
Die Studie kommt jedoch zum Ergebnis, dass dies weiterhin nicht bewiesen werden könne und die biometrischen Gesichtserkennung zudem sehr anfällig für Fehler sei. “Sicherheit wird in unserer Gesellschaft zu einem wichtigeren Recht als Freiheit”, beklagt die französische Europaabgeordnete Gwendoline Delbos-Corfield (Grüne/EFA).
Die Konsequenzen für Menschenrechte sind laut der Studie zur biometrischen Gesichtserkennung verheerend. Zahlreiche dieser Rechte würden dadurch verletzt, darunter das Recht auf Privatleben, persönliche Autonomie, Selbstbestimmung oder Menschenwürde. Anhand von drei Länderstudien – Vereinigtes Königreich, Frankreich und Rumänien – zeigt die Studie, dass biometrische Gesichtserkennung in der EU auf dem Vormarsch ist. Zudem seien viele Menschen nicht ausreichend über die Gefahren dieser Technologie informiert.
Ein Beispiel: In einer Pariser Metrostation setzte die französische Regierung die Technologie im vergangenen Jahr ein, um Menschen ohne Schutzmasken zu identifizieren. Die französische Datenschutzbehörde CNIL schritt daraufhin ein und untersagte das Vorgehen. Besonders dramatisch sei die Lage in Rumänien: Aktivist:innen schätzen, dass die öffentlichen Behörden des südosteuropäischen Landes eine Datenbank mit 50-60 Millionen Gesichtsbildern für die biometrische Gesichtserkennung pflegen, zu denen der rumänische Nachrichtendienst unbegrenzten Zugriff hat.
Der Einsatz der automatisierten Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum wird auch in der aktuell verhandelten KI-Verordnung diskutiert. Spanien setzt sich im Rat dafür ein, die Gesichtserkennung auch bei Veranstaltungen verwendet zu dürfen, die ein Risiko für die öffentliche Ordnung darstellen, wie etwa Sportwettkämpfe oder Gipfel. Delbos-Corfield geht fest davon aus, dass sich Frankreich dieser Forderung anschließt. Für die nächsten Olympischen Spiele 2024 in Paris würde die Region Île-de-France bereits die Möglichkeit prüfen, biometrische Massenüberwachung einzusetzen. Schon heute zähle die Region zu einer der stärksten überwachten in Frankreich.
Im Europaparlament werden dagegen die Stimmen für ein komplettes Verbot der Technologie laut. Im Oktober 2021 hatte das Parlament in einer Resolution mehrheitlich für ein Verbot gestimmt. Auch die beiden Berichterstatter für die KI-Verordnung, Brando Benifei (S&D) und Dragoş Tudorache (Renew), setzen sich für ein Verbot ein. “Die Chancen stehen also gut, dass der Wille der Mehrheit des Europaparlaments umgesetzt wird – in den Ausschüssen und dann auch im Plenum”, sagt Breyer. koj
Wegen der rasant gestiegenen Gaspreise, auch im Zuge der Ukraine-Krise, nimmt der Import von Kohle nach Europa erheblich zu. Nach Berechnungen des Schiffsmaklers Braemar ACM stiegen die Einfuhren um über 55 Prozent im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat. Hauptgrund ist, dass Kohle im Vergleich zu Erdgas günstiger geworden ist. In der Folge produzieren mehr Kohlekraftwerke Strom, während der Einsatz von Gaskraftwerken reduziert wird. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass der Gasverbrauch in diesem Jahr in Europa um 4,5 Prozent zurückgeht. Dabei könnte auch der bislang vergleichsweise milde Winter eine Rolle spielen.
Die meisten europäischen Länder haben ihre Abhängigkeit von Kohle stark reduziert, was unter anderem am Ausbau der erneuerbaren Energien und am Anstieg des CO2-Preises lag. Die Kohleverstromung haben viele Länder als Reserve jedoch beibehalten. Der rasante Anstieg des Gaspreises in Europa machte den bisher höheren Preis für Kohle in diesem Winter mehr als wett. Zudem produzierten im vergangenen Jahr vor allem die Windräder weniger Energie, da häufig Flaute herrschte. Die Preise für die Kohlelieferung im März sind so im Vergleich zum September um rund 80 Prozent gestiegen. rtr/luk
Unter dem Namen “Becoming Tech Allies” hat der europäische Dachverband Digital Europe am Mittwoch 24 Zielsetzungen für den EU-US Handels- und Technologierat (TTC) veröffentlicht. Diese sollen als eine Art Fahrplan für die zehn Arbeitsgruppen des Gremiums fungieren und bis 2024 erreicht werden. Nachdem sich die politische Ebene des Gremiums zuletzt im September getroffen hatte (Europe.Table berichtete), ist ein virtuelles TTC-Treffen im März geplant. Im Mai soll ein physisches Treffen in Europa, dem Vernehmen nach in Frankreich, stattfinden.
Digital Europe setzt sich dafür ein, dass der TTC im Mai unter anderem diese Zielsetzungen beschließt:
“Es ist Zeit, dass die EU und die USA konkrete Lösungen finden, um ihre technologischen Stärken zu fördern und zusammenarbeiten (…)”, mahnte Cecilia Bonefeld-Dahl, Generaldirektorin von Digital Europe. Man solle nicht warten, bis sich das aktuelle window of opportunity schließe. Peter Harell, Senior Director für internationale Wirtschaft und Wettbewerb im Weißen Haus versicherte gestern bei einer Konferenz: “Beim nächsten TTC-Treffen werden wir sehr robuste und konkrete Ergebnisse und Maßnahmen treffen”. koj
Der deutsche Sozialdemokrat Bernd Lange soll im EU-Parlament für die zweite Hälfte der Legislaturperiode den Vorsitz der Conference of Committee Chairs (CCC) übernehmen. Der einflussreiche Posten ist Teil des Pakets, das EVP, S&D und Renew Europe im Zusammenhang mit der Wahl der neue EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) geschnürt haben. Der CCC-Vorsitzende koordiniert die Ausschüsse des EU-Parlaments und entscheidet bei Kompetenzkonflikten. Die Wahl des 66-jährigen Kandidaten der S&D-Fraktion am 15. Februar durch die Konferenz der Ausschussvorsitzenden gilt als sicher. sti
Auf Vorschlag Frankreichs wollen sich die Innenminister der 26 Schengen-Staaten künftig regelmäßig treffen und vor allem über die Bewältigung von Krisen beraten. Der sogenannte “Schengen-Rat” soll am 3. März zum ersten Mal tagen, sagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin am Donnerstag nach einem informellen Treffen mit seinen EU-Kollegen in Lille.
Im Schengen-Raum, dem 22 EU-Staaten und vier weitere europäische Länder angehören, gibt es normalerweise keine stationären Grenzkontrollen. In den vergangenen Jahren hatten Deutschland, Frankreich und andere Länder zum Teil aber wieder Kontrollen eingeführt. Dies begründeten sie unter anderem mit Terrorgefahr und damit, dass Asylsuchende unerlaubt von einem Land ins nächste ziehen. Auch während der Corona-Pandemie hatten mehrere Länder Kontrollen an den Grenzen eingeführt oder die Grenzen komplett dicht gemacht. Der Kern von Schengen – die Bewegungsfreiheit – wird dadurch immer mehr beschädigt. Die EU-Kommission hatte deshalb Ende vergangenen Jahres einen Vorschlag für eine Schengen-Reform vorgelegt. Dieser sollte Grenzkontrollen wieder zur Ausnahme machen.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte sich zuletzt für eine zügige Reform stark. Er forderte am Mittwochabend unter anderem stärkere Kontrollen an den Außengrenzen, damit die Bewegungsfreiheit im Inneren wiederhergestellt werden kann. Auch er sprach vom “Schengen-Rat”, der sich regelmäßig auf politischer Ebene mit den Problemen befassen soll. Diese könnten etwa ein hoher Druck auf die Außengrenzen wie im Falle der Belarus-Krise, Terrorgefahr oder eine Gesundheitskrise wie die Covid-19-Pandemie sein. Marcon zog eine Parallele zur Eurogruppe, in der sich die EU-Staaten mit dem Euro als Währung regelmäßig treffen. dpa
Der polnische Präsident Andrzej Duda hat am Donnerstag ein Gesetz zu Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter vorgeschlagen und will so einen jahrelangen Streit mit der EU über die Rechtsstaatlichkeit beenden. Dann, so Dudas Hoffnung, könnten auch zurückgehaltene finanzielle Mittel der Europäischen Union für Polen freigegeben werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Oktober Polen zur Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro pro Tag verurteilt, weil die Regierung in Warschau die Auflösung der Disziplinarkammer verweigerte. Durch sie sieht die EU-Kommission die Unabhängigkeit der Justiz untergraben.
Laut Gesetzesentwurf finden künftige Disziplinarverfahren gegen Richter vor einem neuen Ausschuss statt, dem elf per Los bestimmte Richter des Obersten Gerichtshofes angehören würden. Der Entwurf soll nun im Unterhaus des Parlamentes eingebracht und debattiert werden.
Die polnische Richtervereinigung befürchtet allerdings, dass sich dadurch wenig an der politisch motivierten Ernennung von Richtern ändert. Denn die Kandidaten für den neuen Ausschuss werde sehr wahrscheinlich weiterhin von einem mit der Regierungspartei PiS verbundenen Gremium bestimmt, sagte ein Sprecher.
Die EU-Kommission wirft Polen seit langem vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben und damit den Rechtsstaat abzubauen. Die seit 2015 von der national-konservativen PiS geführte Regierung argumentierte stets, sie wolle die Effizienz des Justizsystems verbessern. Die Disziplinarkammer führte sie als einen wesentlichen Teil einer umstrittenen Justizreform ein. rtr
Im Streit zwischen Prag und Warschau um den Ausbau des Braunkohle-Tagebaus Turow in Polen ist es überraschend zu einer Einigung gekommen. Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala und sein polnischer Kollege Mateusz Morawiecki unterzeichneten am Donnerstag in Prag einen entsprechenden Vertrag. Er sieht unter anderem den Bau eines Erdwalls gegen die Lärmbelästigung und finanzielle Ausgleichszahlungen an Tschechien in Höhe von 45 Millionen Euro vor.
“Wir haben sehr harte Verhandlungen hinter uns”, sagte der Liberalkonservative Fiala. Morawiecki sprach von einem “neuen Kapitel in den Beziehungen”. Der umstrittene Tagebau Turow liegt im Dreiländereck von Polen, Tschechien und Deutschland. Er ist nur wenige Kilometer vom Zentrum der sächsischen Grenzstadt Zittau entfernt.
Tschechien hatte vor knapp einem Jahr gegen die umfangreichen Ausbaupläne und die Betriebsverlängerung auf polnischer Seite vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Bemängelt wurde vor allem, dass keine ordentliche Prüfung der Umweltverträglichkeit stattgefunden habe. Die Richter mit Sitz in Luxemburg untersagten daraufhin den weiteren Abbau in Turow bis zur Urteilsverkündung. Dem widersetzte sich Polen, was eine Geldstrafe von täglich 500 000 Euro zur Folge hatte.
Fiala kündigte nun an, dass Tschechien seine Klage vor dem EuGH binnen weniger Tage zurückziehen werde. Noch am Vormittag hatte alles anders ausgesehen: EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe gab dem Nachbarland Tschechien in seinem Gutachten recht (Rechtssache C-121/21). Die Meinung des Generalanwalts ist für die Richter zwar nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber.
Sollte Tschechien die Klage tatsächlich zurückziehen, würden die täglich fälligen Bußgeldzahlungen sofort ausgesetzt, hieß es seitens der EU-Kommission. Trotzdem müsste Polen das Geld, das in der Zwischenzeit fällig wurde, nachzahlen. Das sind inzwischen rund 70 Millionen Euro plus mögliche Zinsen. Seit der Verhängung des Bußgelds im September habe Polen bisher nichts gezahlt, sagte ein Kommissionssprecher.
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, dass die Einigung bis zum letzten Moment geheim gehalten worden sei. Das Vorgehen der neuen Regierung in Prag sei skandalös und widerspreche eigenen Zusagen von Transparenz. Greenpeace warnte vor einem weiteren Abfall des Grundwasserspiegels durch die Tagebautätigkeit. Tausende Menschen in Nordböhmen könnten künftig ohne Zugang zu Trinkwasser sein. Teil der Einigung sind zwar Gegenmaßnahmen wie eine geplante unterirdische Mauer, die das Wasser auf tschechischer Seite zurückhalten soll. Umweltschützer äußerten aber Zweifel an deren Wirksamkeit. dpa
Bei Europas Währungshütern wächst angesichts der nach wie vor unerwartet hohen Teuerungsraten die Sorge. Etliche Volkswirte halten eine Zinserhöhung im laufenden Jahr inzwischen nicht mehr für ausgeschlossen. Vorerst beließ der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) jedoch alles beim Alten: Der Leitzins bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent, die milliardenschweren Anleihenkäufe werden fortgesetzt.
Im Lichte weiterer Daten zu Inflation und Konjunktur werde die Lage im März neu beurteilt, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. Sie betonte zugleich, die EZB werde sich nicht treiben lassen: “Wir werden die Zinsen nicht erhöhen, solange die Nettoanleihenkäufe anhalten.”
Lagarde räumte ein, die Inflation sei im Dezember und Januar angesichts eines unvorhersehbaren Energiepreisschocks “überraschend” stark gestiegen. Das habe im EZB-Rat einhellig für Besorgnis gesorgt. “Die Situation hat sich in der Tat geändert“, sagte die Französin. Vor allem auf kurze Sicht dürfte die Inflation hoch bleiben.
Im März liegen dem EZB-Rat neue Prognosen des Mitarbeiterstabes vor. Häufig nimmt das oberste Entscheidungsgremium der Notenbank diese Projektionen zum Anlass, größere geldpolitische Entscheidungen zu treffen. Anders als noch im Dezember habe Lagarde eine Zinserhöhung im laufenden Jahr nicht ausdrücklich ausgeschlossen, analysierte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Bank Berenberg. Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat die EZB “recht klare Hinweise” gegeben, “dass sie vermutlich im März eine Straffung ihrer Geldpolitik in Gang setzen wird”.
Vertreter der Bankenbranche warfen der EZB am Donnerstag vor, die Chance zu einem schnelleren Kurswechsel, den die Notenbanken in den USA und Großbritannien längst eingeleitet haben, verpasst zu haben. Die EZB laufe “der Zeit hinterher und zögert mit den notwendigen Vorbereitungen für eine Zinswende“, befand der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Bei der Sitzung Mitte Dezember hatte der EZB-Rat ein erstes Signal für ein Auslaufen der Geldflut gesendet. Nur noch bis Ende März wird die EZB zusätzliche Wertpapiere im Rahmen ihres in der Corona-Pandemie aufgelegten Anleihenkaufprogramms PEPP erwerben. Allerdings steckt die Notenbank weiter etliche Milliarden in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere: Das allgemeine Kaufprogramm APP wird vorübergehend aufgestockt. Gelder aus auslaufenden PEPP-Papieren sollen bis mindestens Ende 2024 neu angelegt werden. dpa
Mit ein paar Minuten Verspätung schaltet sich Victor van Hoorn in das Teams-Meeting. Viel Zeit hat er nicht, nur eine knappe halbe Stunde. Dann wartet schon der nächste Online-Termin. Der Executive Director von Eurosif hat einen straffen Zeitplan, denn auch in Sachen Nachhaltigkeit und Klimawandel drängt die Zeit. Seit Juni 2020, also nun knapp anderthalb Jahre, ist der 35-Jährige Chef der Organisation für nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen mit Sitz in Brüssel, Ihre Mission: Nachhaltigkeit der EU-Finanzmärkte zu fördern.
“Wir sorgen dafür, dass die Stimmen von nachhaltigen Investoren von Politikern gehört und auch berücksichtigt werden”, erklärt van Hoorn, der mit seiner Freundin in Brüssel lebt und in der Freizeit in einer Amateur-Mannschaft Fußball spielt. Aktuell seien nachhaltige Investitionen in vielen Fällen noch nicht profitabel und daher für private Investoren uninteressant. Und genau darauf müssten sich Entscheider innerhalb der EU jetzt fokussieren, sagt er.
Um das zu gewährleisten, arbeitet Eurosif eng mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament und Diplomaten aus den einzelnen Mitgliedstaaten zusammen. In den vergangenen Monaten stand dabei die EU-Taxonomie besonders im Fokus. “Dabei handelt es um eine Liste von Wirtschaftsaktivitäten, deren Nachhaltigkeit bewertet wird. Das führt zu leidenschaftlichen Diskussionen. Vor allem, wenn es um verschiedene Energiequellen geht”, sagt er. Hier zeige sich deutlich, wie sehr das Nachhaltigkeitsverständnis europäischer Länder auseinandergehe. Frankreich und Deutschland seien im Bereich der Atomenergie ein sehr gutes Beispiel dafür.
Derartige Debatten sind für Victor van Hoorn, der einen niederländischen Diplomaten als Vater und eine französische Mutter hat, nicht neu. Schon in seiner Jugend, so erinnert er sich, habe seine Familie politische Entwicklungen, geschichtliche Ereignisse und Wirtschaft rege beim Abendessen diskutiert. “Einen Moment habe ich noch als sehr beeindruckend im Kopf”, berichtet er. “Wir saßen um den Tisch herum und mein Vater führte ein Telefonat mit Lautsprecher. Zu diesem Zeitpunkt fand in Kiew die Orangene Revolution statt und er stand mit den Menschen auf dem Maidan in Kontakt. Ich konnte alles live mithören und war sozusagen bei der Revolution dabei.”
Dies ist für den in Den Haag geborenen van Hoorn auch die Basis für seinen späteren beruflichen Weg. Er studierte Jura und Wirtschaft und hat als Anwalt eine Zulassung für die Niederlande und New York. “Ich habe einige Jahre als Anwalt gearbeitet. Doch für mich war immer interessanter, wie Gesetze und Regulierungen entstehen und wie viele Faktoren da hineinspielen.” Und genau deswegen will er jetzt selbst auch Einfluss darauf nehmen, welche Entscheidungen getroffen werden. Sein Ziel: Nachhaltigen Investitionen in der EU den Weg zu ebnen. Sarah Tekath
Die aktuelle Gaspreiskrise beschäftigt weiter die Spitzenpolitiker der Europäischen Union. Aus Sicht des Luxemburgs Energieministers Claude Turmes hilft nur ein Bündel von Maßnahmen: Energieeffizienz steigern, erneuerbare Energien ausbauen und die Gasquellen diversifizieren. Die Nachfrage von Gas werde weiter sinken. Auch aus klimapolitischer Perspektive habe Gas keine Zukunft, sagt Turmes im Interview mit Charlotte Wirth.
Die EU setzt ihre Suche nach möglichen Alternativen zu russischen Gaslieferungen heute in Aserbaidschan fort. In Baku nimmt Energiekommissarin Kadri Simson an einem Treffen des Beirats für den sogenannten “Südlichen Gaskorridor” teil. Im Mittelpunkt des Treffens soll eine mögliche Ausweitung der Kapazitäten für weitere Lieferungen gen Westen stehen. Allzu hoch sind die Erwartungen jedoch nicht, wie Eric Bonse analysiert.
Aus der Industrie kommen mahnende Worte. “Es ist wichtig, dass sich die Politik mit alternativen Energielieferanten befasst”, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang zu Europe.Table. Aber: “Am Ende sind es Unternehmen, die sich am Markt für die Lieferungen entscheiden müssen”. Welchen Preis sie zu zahlen bereit seien, entscheide, ob ein LNG-Tanker nach Europa fahre statt etwa nach Asien.
Die EU-Kommission will datengetriebenen Geschäftsmodellen in Europa auf die Sprünge helfen. Der Data Act als neuer Rechtsrahmen soll vor allem Start-ups und kleineren Unternehmen den Zugang zu kostbaren Daten erleichtern. Ein neuer Entwurf zeigt: Die EU-Kommission will dafür die Hersteller von vernetzten Geräten – von virtuellen Assistenten bis zu Autos – in die Pflicht nehmen. Sie sollen den Nutzern Zugang zu von ihnen generierten Daten geben, und diese auf Wunsch auch an andere Unternehmen weiterreichen müssen. Das soll etwa kleine Reparaturbetriebe stärken. Till Hoppe hat den Entwurf zu Data Act unter die Lupe genommen.
Herr Minister, Sie haben vor ein paar Wochen gesagt, dass es sich bei der Energiepreiskrise um eine “kurzfristige Extremsituation” handle. Glauben Sie das immer noch?
Wir befinden uns in einer untypischen Situation, es steht schließlich ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine im Raum. Die Frage, die wir uns aber bereits in der letzten Russland-Ukrainekrise stellen mussten, ist, wie die EU mit ihrer Abhängigkeit von Russland umgeht. Während des ersten Gaskonfliktes zwischen Russland und der Ukraine Mitte der 2000er-Jahre hat die EU sich diversifiziert und zum Beispiel LNG-Häfen gebaut. Wäre diese Diversifizierung nicht vollzogen worden, dann wären wir heute noch stärker von Russland erpressbar. Kurzfristig müssen wir nun Maßnahmen ergreifen, um die Preise für die Endverbraucher abzufedern. Langfristig müssen wir unsere Energiequellen diversifizieren und weniger Gas verbrauchen.
Schaffen wir das denn? Es gibt Studien, die besagen, dass wir zumindest in den nächsten Jahren mehr verbrauchen, weil Gas als Brückentechnologie genutzt wird.
Das ist nicht richtig. Was beim Gas wichtig ist, ist die Frage nach dem Gesamtgasverbrauch in Europa. Der Verbrauch ging die vergangenen Jahre leicht zurück. Und er wird bis 2030 um ein Drittel zurückgehen, vor allem im Wärmebereich – und das, obwohl der Stromverbrauch eventuell leicht steigen wird.
Frau von der Leyen sondiert ja zurzeit, wo man Gas denn noch einkaufen könnte. Wenn ihre Verhandlungen fruchten, wer zahlt denn dann? Sie hat ja kein Mandat, um Verträge auszuhandeln und zu finanzieren.
Ich denke, das sind eher geopolitische Verhandlungen, bei denen man sich mit freundlichen Regierungen kurzschließt – ich denke da hauptsächlich an die USA, Kanada, Norwegen, – um zu sehen, ob sie uns in der jetzigen Situation oder gar einer Kriegssituation aushelfen können. Aber Frau von der Leyen unterschreibt keine Verträge. Ich glaube, das ist eine Überinterpretation ihrer Rolle. LNG kommt letztlich nach Europa, weil der europäische Gasmarkt aktuell einen guten Preis bietet. Man muss allerdings darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll ist, über die nächsten Jahre Langzeitverträge für LNG abzuschließen, um unsere Abhängigkeit von Russland zu minimieren.
Schaffen wir dann nicht einfach neue Abhängigkeiten? Sagen wir, wir beziehen dann lieber LNG aus Katar. Da handelt es sich auch nicht um ein unproblematisches Regime.
Die beste Gaspolitik ist sicher Energieeffizienz, erneuerbare Energien und die Diversifizierung der Gasquellen. Noch einmal: Die Klimapolitik hilft uns, unseren Gasverbrauch und unsere Abhängigkeit von Gas zu reduzieren.
LNG ist alles andere als klimafreundlich, man denke etwa an Fracking. Kommen jetzt nicht in ein Spannungsverhältnis zwischen unserer Nachfrage nach Gas und unseren Klimazielen?
Gasaustritt und Methanaustritt aus den Gasfeldern und Pipelines sind ebenfalls nicht harmlos. Daher ist es sinnvoll, dass sich die EU endlich eine Methanstrategie gibt. Und genau deshalb hat Gas auch keine Zukunft.
Aber wie sieht es in der Übergangszeit aus? Momentan scheint uns jedenfalls egal zu sein, wo das Gas herkommt und wie es produziert wird. Wichtig ist, dass es fließt.
Dennoch. Fracking ist vielleicht besonders schlecht, aber der Methanaustritt aus Russland ist auch nicht harmlos. Man soll jetzt nicht meinen, russisches Gas sei besonders umweltfreundlich.
Letztlich bestimmt der Preis, wo das LNG hingeht und Staaten, in denen die Händler nicht auch noch CO2-Zertifikate kaufen müssen, haben einen Vorteil…
Deswegen brauchen wir ein Instrument gegen Klimadumping, und zwar das CBAM. Das liegt auf dem Tisch und muss jetzt zügig verhandelt werden. So wird unsere Industrie geschützt.
Zu Beginn der Gaskrise wollten sie mit Frau Vestager über die Spekulation auf dem Gasmarkt sprechen. Hat das Früchte getragen?
Frau Vestager und ihr Team beobachten den Markt sehr genau. Es geht momentan vor allem darum zu überprüfen, ob Gazprom das Wettbewerbsrecht ausgehebelt hat. Solche Verfahren dauern, aber wenn es genug Beweise gibt, dann ist das sehr effizient.
Ist unser Problem vielleicht auch, dass die erneuerbaren Energien noch nicht bereitstehen?
Nein, sie stehen bereit. Wir haben allerdings das Pech, dass Frankreich so viel von neuen AKWs träumt, dass es vergisst, genug in die erneuerbaren Energien zu investieren. Zudem steht das französische Stromnetz extrem unter Stress, da die alten Meiler aus Grund von Materialverschleiß nicht am Netz sind.
Auch die vorige deutsche Regierung ist schuld. Minister Altmaier hatte den Ausbau der Solarenergie begrenzt. Dann wurde der Bau von Onshore-Windenergie fast unmöglich gemacht, weil die Distanzregeln so streng sind. Daher freue ich mich umso mehr, dass wir jetzt mit der neuen deutschen Regierung, Estland und Schottland Regierungen haben, die erneuerbare Energien konsequent auszubauen wollen.
Sie führen zurzeit mit den Penta-Ländern (Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Niederlande, Schweiz, Belgien und Österreich) Gespräche, damit die Gasspeicher stärker reguliert werden und vor den Wintern aufgefüllt werden müssen. Wie laufen die Verhandlungen?
Die Vorgespräche laufen gut. Die meisten Länder haben verstanden, dass es zielführend ist, die Speicher zu regulieren. Diesen Fehler wollen sie korrigieren. In Deutschland hat Klimaminister Habeck ja schon ein Gesetz angekündigt. Luxemburg hat momentan den Penta-Vorsitz. Wir wollen die 575 TWh Gasspeicher, die in unseren Ländern sind, künftig koordinieren. Wenn wir das schaffen, ist das ein riesiger Schritt in Richtung Versorgungssicherheit und Preisstabilität.
Die aktuelle Krise führt womöglich dazu, dass der Bau neuer Terminals, Pipelines und Co für fossile Energien in den Fokus rückt. Aktuell laufen die Verhandlungen zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags. Könnte das die Verhandlungen beeinflussen? Die EU steht ja mit ihrem Wunsch nach einer Anpassung des Vertrags an die Pariser Klimaziele recht alleine.
Das Argument wird sicherlich von der Gaslobby genutzt werden. Im Falle einer Krise profitieren all jene, die schon immer und auch weiterhin in fossiles Gas investieren wollen. Wir befinden uns allerdings in einer Klimakrise. Das sollten wir nicht vergessen. Die EU-Gasinfrastruktur müsste sogar für ein Szenario reichen, in dem Russland gar nicht mehr liefert. Wir müssen also nicht über einen weiteren Ausbau fossiler Gasinfrastruktur diskutieren.
Mit einem Besuch in Aserbaidschan setzt die EU-Kommission ihre Suche nach Alternativen zu russischen Gaslieferungen fort (Europe.Table berichtete). Energiekommissarin Kadri Simson und Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi werden am Freitag in der Hauptstadt Baku erwartet, wo sie an einem Treffen des Beirats für den sogenannten Südlichen Gaskorridor teilnehmen wollen. Es ist das erste Mal, dass Simson dieser Runde persönlich beiwohnt, was die hohe Bedeutung unterstreicht, die sie den Gaslieferungen aus Aserbaidschan beimisst.
Nach Angaben der EU-Kommission geht es bei dem Treffen um die Frage, ob der Südliche Gaskorridor ausgeweitet werden kann. Und zwar vorrangig in jene EU-Länder, die aus der Kohle aussteigen wollen. Außerdem werde man über die Reduzierung von Methangas-Emissionen sprechen. Neben dem hochrangigen Ministertreffen, an dem auch zahlreiche Energiekonzerne wie BP, Uniper oder LUKoil teilnehmen, wird Simson bilaterale Gespräche mit dem Energieminister Aserbaidschans führen.
Im Mittelpunkt der “Bilaterals” werde die Rolle Aserbaidschans bei der Diversifizierung der Gasversorgung in Europa stehen, sagte ein Kommissionssprecher. Dabei wolle man auch die Möglichkeit ausloten, die Kapazität der Trans Adriatic Pipeline (TAP) auszuweiten. Bisher liegt sie bei zehn Milliarden Kubikmeter im Jahr. Die TAP habe sich als stabiler und zuverlässiger Versorger erwiesen, betont die Brüsseler Behörde.
Mit schnellen Ergebnissen wird allerdings nicht gerechnet. Für Aussagen über mögliche Lieferverträge sei es noch zu früh, heißt es in Brüssel. Der aserbaidschanische Botschafter in London, Elin Suleymanov, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass sein Land “bei dringendem Bedarf” die Gaslieferungen ausweiten könne. Man könne jedoch nicht das Volumen aus Russland wettmachen. Dies brauche langfristige Planung, so Suleymanov: “Es läuft nicht so, dass jemand vorbeikommt und sagt ‘Gib mir mehr Gas'”.
Ähnlich äußerte sich Jocopo Pepe, Energieexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. “Aserbaidschan kann als Zusatzquelle in Frage kommen, jedoch nur in marginalem Umfang. Der Südliche Gaskorridor wird von Aserbaidschan gerne als Alternative zu russischem Gas propagiert, aber die Volumina sind nicht vorhanden. Die Kapazitäten der transadriatischen Pipeline beschränken sich auf etwa zehn bis maximal 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Davon geht rund die Hälfte in die Türkei. Das Land stellt einen großen Absatzmarkt für Gas aus Aserbaidschan dar.”
Zuletzt hatte Aserbaidschan seine Lieferungen an die Türkei ausgeweitet. Nach Schätzungen sind die Lieferkapazitäten der TAP-Pipeline derzeit zu mehr als 80 Prozent ausgelastet.
Zu den technischen Beschränkungen kommen auch noch politische Risiken. Aserbaidschan macht seit Jahren mit Bestechungs- und Geldwäsche-Skandalen von sich reden, in die auch deutsche Politiker und mehrere Europaabgeordnete verwickelt waren. Der sog. “Laundromat” beschäftigt bis heute die britische Justiz. Ein Richter in London verurteilte am Dienstag einen aserbaidschanischen Abgeordneten zur Zahlung von 5,6 Millionen Pfund, die illegal ins Land geschmuggelt worden sein sollen.
Die EU-Kommission scheint jedoch bereit, über diese Skandale hinwegzusehen. Ihr Vorstoß ist vor allem geopolitisch motiviert: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts und möglicher Sanktionen gegen Russland sucht sie nach Möglichkeiten, die EU unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen. Brüssel ist dafür auch in Kontakt mit Katar. Das Emirat machte jedoch deutlich, dass es den europäischen Gasbedarf nicht alleine decken könne. Man setze auf eine diplomatische Lösung, hieß es.
Die größten Hoffnungen der Kommission richten sich auch auf die USA. Behördenchefin Ursula von der Leyen und US-Präsident Biden haben in der vergangenen Woche angekündigt, bei der Suche nach Alternativen zu russischem Gas eng zusammenzuarbeiten und dabei vor allem Flüssiggas (LNG) in den Blick zu nehmen. Am kommenden Montag reisen Simson und der EU-Außenvertreter Josep Borrell zum EU-US-Energierat nach Washington. Dort soll die transatlantische Zusammenarbeit konkretisiert werden.
Der Bundesverband der Industrie (BDI) ist skeptisch: “Europa wird nicht auf die Schnelle substanzielle Mengen an Pipeline-Gas durch LNG ersetzen können. Das wäre teuer und aufwendig. Unsere europäischen Interessen sind bei der Energieversorgung nicht deckungsgleich mit amerikanischen”, sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
Dass sich die Politik mit alternativen Energielieferanten befasse sei zwar zu begrüßen. “Es ist gut, dass die Europäische Kommission den Weg bereitet, um die Energiequellen zu diversifizieren. Am Ende hängt es am Marktpreis, den Unternehmen bereit sind zu zahlen, ob ein LNG-Tanker nach Europa fährt statt etwa nach Asien.” Mit Timo Landenberger und Till Hoppe
EU-Außenbeauftragter und EU-Energiekommissarin in Washington
06.02.-08.02.2022
Agenda: Josep Borrell (EU-Außenbeauftragter) und Kadri Simson (EU-Energiekommissarin) sind in Washington, wo sie am 07.02. am Energierat EU-USA teilnehmen. Zudem trifft sich Josep Borrell mit US-Außenminister Antony Blinken.
Informelle Tagung der Landwirtschaftsminister
07.02.-08.02.2022
Agenda: Das informelle Treffen dient dazu, gemeinsam über neue Entwicklungsmöglichkeiten und Herausforderungen im Agrar-Sektor zu diskutieren. Zudem werden EU-Kommission sowie europäische Verbände Gelegenheit zur Darlegung ihrer Standpunkte haben.
Infos
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
07.02.2022 13:45-18:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Entwürfe von Stellungnahmen zur Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS), zur Überarbeitung des ETS für den Luftverkehr, zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds sowie zur Änderung der Effort Sharing Regulation.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung
07.02.2022 13:45-18:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem die Änderung einer Richtlinie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, der Berichtsentwurf zum Jahresbericht nachhaltiges Wachstum 2022 sowie der Entwurf einer Stellungnahme zu Verbraucherkrediten.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz
07.02.2022 14:00-17:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Berichte über die laufenden interinstitutionellen Verhandlungen zur finalen Ausgestaltung von DSA und DMA, der Entwurf einer Stellungnahme zur Einrichtung des Programms “Der Weg in das digitale Jahrzehnt” sowie der Entwurf einer Stellungnahme zum Jahresbericht Wettbewerbspolitik 2021.
Vorläufige Tagesordnung
Informelle Tagung der Gesundheitsminister
09.02.-10.02.2022
Agenda: Bei dem informellen Treffen wollen sich die Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund der Pandemie über die Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs der Bürger:innen zur Gesundheitsversorgung austauschen.
Infos
Wöchentliche Kommissionssitzung
08.02.2022
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht der European Chips Act. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 12:00 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz Live
Gemeinsame Ministerkonferenz der Außen- und Gesundheitsminister
09.02.2022
Agenda: Bei der Ministerkonferenz geht es darum, eine europäische Gesundheitsaußenpolitik zu entwickeln.
Infos
Sitzung des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
10.02.2022 09:00-15:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem der Entwurf einer Stellungnahme zum Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum 2022, der Entwurf einer Stellungnahme zu europäischen grünen Anleihen sowie der Berichtsentwurf zur Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Sonderausschusses für Künstliche Intelligenz im digitalen Zeitalter
10.02.2022 09:00-12:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache mit der französischen Ratspräsidentschaft sowie ein Bericht über künstliche Intelligenz im digitalen Zeitalter.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
10.02.2022 14:30-15:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Berichtsentwurf zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds.
Vorläufige Tagesordnung
Informelle Tagung der für Handel zuständigen Minister
13.02.-14.02.2022
Agenda: Das informelle Treffen bietet Gelegenheit, Handelsfragen und allgemeine Leitlinien der Handelspolitik zu erörtern.
Infos
Die EU-Kommission will datengetriebenen Geschäftsmodellen in Europa auf die Sprünge helfen. Der Data Act als neuer Rechtsrahmen soll vor allem Start-ups und kleineren Unternehmen den Zugang zu kostbaren Daten erleichtern. Die Behörde will ihren Gesetzesvorschlag am 23. Februar vorstellen. Ein Entwurf des zunächst für Dezember geplanten Vorhabens ist inzwischen an die Öffentlichkeit gelangt (Europe.Table berichtete).
Besondere Regeln sollen demnach für den Staat gelten. Wenn Behörden in Krisensituationen wie einer Pandemie Zugriff auf Daten einer Organisation verlangen, müssen diese schnell und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Auch in “besonderen Umständen” können die Behörden Daten anfordern, müssen dann aber die anfallenden Kosten “plus eine vernünftige Marge” entrichten.
In der Geschäftswelt soll es grundsätzlich Sache des jeweiligen Unternehmens bleiben, ob es seine Daten mit anderen teilt. Die Kommission schlägt aber Sonderregeln für in der EU aktive Hersteller von vernetzten Geräten und damit zusammenhängenden Diensten vor – den schnell wachsenden Bereich des Internets der Dinge. Dazu können Haushaltsgeräte wie Smart-TVs ebenso zählen wie vernetzte Autos, Medizingeräte und Maschinen.
Hier sollen Nutzer, private wie geschäftliche, Zugang zu von ihnen generierten Daten verlangen können – und zwar unverzüglich und kostenlos. Die Hersteller etwa von virtuellen Assistenten (wie Amazons Alexa) sollen verpflichtet werden, ihre Kunden schon vor dem Kauf auf verständliche Weise zu informieren, welche Art von Daten das jeweilige Gerät sammelt.
Zudem können die Nutzer von den Herstellern verlangen, ihre Daten Dritten zugänglich zu machen. Als Beispiel nennt die Kommission in ihrem Entwurf zum Data Act den Agrarsektor. Dort dominierten wenige Landmaschinenhersteller den Markt und “engen die Möglichkeiten für Bauern und andere kleine Unternehmen stark ein, Erkenntnisse und Wert aus den anfallenden Daten zu ziehen”. Das führe wiederum dazu, dass die Landwirte keine Anreize hätten, sich an gemeinsamen Datenräumen zu beteiligen.
Die Klausel zielt insbesondere auf den Aftermarketbereich, soll also etwa Reparaturbetriebe stärken. So streiten Autohersteller und freie Werkstätten seit Jahren darüber, ob letztere Zugang zu den wartungsrelevanten Daten aus den Fahrzeugen erhalten sollen.
Bemerkenswert: Laut Entwurf sollen die großen Digitalkonzerne außen vor bleiben, also nicht von der Datenweitergabe profitieren dürfen. Die Klausel bezieht sich auf jene Unternehmen, die nach dem Digital Marktes Act als Gatekeeper-Plattformen eingestuft werden (Europe.Table berichtete). Die Kommission unterstellt hier (nicht ohne Grund), dass Google, Facebook und Co bereits über riesige Datenmengen verfügen und daraus enorme Wettbewerbsvorteile ziehen.
Die Hersteller dürfen für Weitergabe von Daten an Dritte einen Preis verlangen. Im Falle von kleinen und mittelständischen Unternehmen darf dieser laut Entwurf aber nicht über den direkten Kosten des Transfers liegen. Für Streitfälle sollen die Mitgliedstaaten Schlichtungsstellen einrichten.
Kritik an dem geplanten Datenzugangsrecht kommt aus dem Maschinenbau. In der Branche habe sich gezeigt, dass die Parteien ein für beide Seiten faires Verhandlungsergebnis fänden, sagt Niels Karssen, Fachreferent im Brüssel-Büro des VDMA. “Ein dem Nutzer bzw. einem Dritten durch den Nutzer der Maschinen gewährtes Recht auf Zugang zu und Nutzung von Daten ist daher weder notwendig noch zielführend.”
Jenseits des Internets der Dinge sollen nach dem Willen der Kommission andere Regeln gelten. Dort soll eine Fairnessprüfung für Datenaustauschverträge gewährleisten, dass KMU nicht von stärkeren Geschäftspartnern über den Tisch gezogen werden. Enthält ein entsprechender Vertrag eine Reihe von als unfair eingestuften Bestimmungen, ist er nichtig. Der VDMA warnt aber, diese “schwarzen Klauseln” würden zu Rechtsunsicherheit führen. Das habe die negative Erfahrung in Deutschland mit der ABG-Kontrolle gezeigt.
Besondere Bestimmungen sieht der Data Act hier für Cloud-Provider vor. Besonders die großen (US-)Anbieter werden vielfach dafür kritisiert, den Wechsel ihrer Kunden zu Konkurrenten stark zu erschweren. Diesen Lock-in-Effekt will die Kommission aufbrechen. So sollen die Cloud-Provider dazu verpflichtet werden, Serviceverträge nach maximal 30 Tagen aufzulösen und eine “funktionale Äquivalenz des Dienstes in der IT-Umgebung der anderen Anbieter” zu ermöglichen. Um den Zugriff von Sicherheitsbehörden aus Drittstaaten zu verhindern, sollen die Datenverarbeiter überdies “alle vernünftigen technischen, rechtlichen und organisatorischen Maßnahmen” ergreifen. Mit Jasmin Kohl
Pünktlich zum heutigen Start der Olympischen Winterspiele in Peking hat die Fraktion der Grünen/EFA im Europaparlament eine neue Studie zur biometrischen Gesichtserkennung veröffentlicht, um auf die Auswirkungen der umstrittenen Technologie auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit aufmerksam zu machen. “Sportveranstaltungen sind ein bedeutender Vorwand, um mit biometrischen Gesichtserkennung zu experimentieren und sie einzuführen“, sagt der Piraten-Europaabgeordneten Patrick Breyer. Die Begründung sei dabei immer die Gleiche: Die Überwachungstechnologie führe zu mehr Sicherheit.
Die Studie kommt jedoch zum Ergebnis, dass dies weiterhin nicht bewiesen werden könne und die biometrischen Gesichtserkennung zudem sehr anfällig für Fehler sei. “Sicherheit wird in unserer Gesellschaft zu einem wichtigeren Recht als Freiheit”, beklagt die französische Europaabgeordnete Gwendoline Delbos-Corfield (Grüne/EFA).
Die Konsequenzen für Menschenrechte sind laut der Studie zur biometrischen Gesichtserkennung verheerend. Zahlreiche dieser Rechte würden dadurch verletzt, darunter das Recht auf Privatleben, persönliche Autonomie, Selbstbestimmung oder Menschenwürde. Anhand von drei Länderstudien – Vereinigtes Königreich, Frankreich und Rumänien – zeigt die Studie, dass biometrische Gesichtserkennung in der EU auf dem Vormarsch ist. Zudem seien viele Menschen nicht ausreichend über die Gefahren dieser Technologie informiert.
Ein Beispiel: In einer Pariser Metrostation setzte die französische Regierung die Technologie im vergangenen Jahr ein, um Menschen ohne Schutzmasken zu identifizieren. Die französische Datenschutzbehörde CNIL schritt daraufhin ein und untersagte das Vorgehen. Besonders dramatisch sei die Lage in Rumänien: Aktivist:innen schätzen, dass die öffentlichen Behörden des südosteuropäischen Landes eine Datenbank mit 50-60 Millionen Gesichtsbildern für die biometrische Gesichtserkennung pflegen, zu denen der rumänische Nachrichtendienst unbegrenzten Zugriff hat.
Der Einsatz der automatisierten Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum wird auch in der aktuell verhandelten KI-Verordnung diskutiert. Spanien setzt sich im Rat dafür ein, die Gesichtserkennung auch bei Veranstaltungen verwendet zu dürfen, die ein Risiko für die öffentliche Ordnung darstellen, wie etwa Sportwettkämpfe oder Gipfel. Delbos-Corfield geht fest davon aus, dass sich Frankreich dieser Forderung anschließt. Für die nächsten Olympischen Spiele 2024 in Paris würde die Region Île-de-France bereits die Möglichkeit prüfen, biometrische Massenüberwachung einzusetzen. Schon heute zähle die Region zu einer der stärksten überwachten in Frankreich.
Im Europaparlament werden dagegen die Stimmen für ein komplettes Verbot der Technologie laut. Im Oktober 2021 hatte das Parlament in einer Resolution mehrheitlich für ein Verbot gestimmt. Auch die beiden Berichterstatter für die KI-Verordnung, Brando Benifei (S&D) und Dragoş Tudorache (Renew), setzen sich für ein Verbot ein. “Die Chancen stehen also gut, dass der Wille der Mehrheit des Europaparlaments umgesetzt wird – in den Ausschüssen und dann auch im Plenum”, sagt Breyer. koj
Wegen der rasant gestiegenen Gaspreise, auch im Zuge der Ukraine-Krise, nimmt der Import von Kohle nach Europa erheblich zu. Nach Berechnungen des Schiffsmaklers Braemar ACM stiegen die Einfuhren um über 55 Prozent im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat. Hauptgrund ist, dass Kohle im Vergleich zu Erdgas günstiger geworden ist. In der Folge produzieren mehr Kohlekraftwerke Strom, während der Einsatz von Gaskraftwerken reduziert wird. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass der Gasverbrauch in diesem Jahr in Europa um 4,5 Prozent zurückgeht. Dabei könnte auch der bislang vergleichsweise milde Winter eine Rolle spielen.
Die meisten europäischen Länder haben ihre Abhängigkeit von Kohle stark reduziert, was unter anderem am Ausbau der erneuerbaren Energien und am Anstieg des CO2-Preises lag. Die Kohleverstromung haben viele Länder als Reserve jedoch beibehalten. Der rasante Anstieg des Gaspreises in Europa machte den bisher höheren Preis für Kohle in diesem Winter mehr als wett. Zudem produzierten im vergangenen Jahr vor allem die Windräder weniger Energie, da häufig Flaute herrschte. Die Preise für die Kohlelieferung im März sind so im Vergleich zum September um rund 80 Prozent gestiegen. rtr/luk
Unter dem Namen “Becoming Tech Allies” hat der europäische Dachverband Digital Europe am Mittwoch 24 Zielsetzungen für den EU-US Handels- und Technologierat (TTC) veröffentlicht. Diese sollen als eine Art Fahrplan für die zehn Arbeitsgruppen des Gremiums fungieren und bis 2024 erreicht werden. Nachdem sich die politische Ebene des Gremiums zuletzt im September getroffen hatte (Europe.Table berichtete), ist ein virtuelles TTC-Treffen im März geplant. Im Mai soll ein physisches Treffen in Europa, dem Vernehmen nach in Frankreich, stattfinden.
Digital Europe setzt sich dafür ein, dass der TTC im Mai unter anderem diese Zielsetzungen beschließt:
“Es ist Zeit, dass die EU und die USA konkrete Lösungen finden, um ihre technologischen Stärken zu fördern und zusammenarbeiten (…)”, mahnte Cecilia Bonefeld-Dahl, Generaldirektorin von Digital Europe. Man solle nicht warten, bis sich das aktuelle window of opportunity schließe. Peter Harell, Senior Director für internationale Wirtschaft und Wettbewerb im Weißen Haus versicherte gestern bei einer Konferenz: “Beim nächsten TTC-Treffen werden wir sehr robuste und konkrete Ergebnisse und Maßnahmen treffen”. koj
Der deutsche Sozialdemokrat Bernd Lange soll im EU-Parlament für die zweite Hälfte der Legislaturperiode den Vorsitz der Conference of Committee Chairs (CCC) übernehmen. Der einflussreiche Posten ist Teil des Pakets, das EVP, S&D und Renew Europe im Zusammenhang mit der Wahl der neue EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) geschnürt haben. Der CCC-Vorsitzende koordiniert die Ausschüsse des EU-Parlaments und entscheidet bei Kompetenzkonflikten. Die Wahl des 66-jährigen Kandidaten der S&D-Fraktion am 15. Februar durch die Konferenz der Ausschussvorsitzenden gilt als sicher. sti
Auf Vorschlag Frankreichs wollen sich die Innenminister der 26 Schengen-Staaten künftig regelmäßig treffen und vor allem über die Bewältigung von Krisen beraten. Der sogenannte “Schengen-Rat” soll am 3. März zum ersten Mal tagen, sagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin am Donnerstag nach einem informellen Treffen mit seinen EU-Kollegen in Lille.
Im Schengen-Raum, dem 22 EU-Staaten und vier weitere europäische Länder angehören, gibt es normalerweise keine stationären Grenzkontrollen. In den vergangenen Jahren hatten Deutschland, Frankreich und andere Länder zum Teil aber wieder Kontrollen eingeführt. Dies begründeten sie unter anderem mit Terrorgefahr und damit, dass Asylsuchende unerlaubt von einem Land ins nächste ziehen. Auch während der Corona-Pandemie hatten mehrere Länder Kontrollen an den Grenzen eingeführt oder die Grenzen komplett dicht gemacht. Der Kern von Schengen – die Bewegungsfreiheit – wird dadurch immer mehr beschädigt. Die EU-Kommission hatte deshalb Ende vergangenen Jahres einen Vorschlag für eine Schengen-Reform vorgelegt. Dieser sollte Grenzkontrollen wieder zur Ausnahme machen.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte sich zuletzt für eine zügige Reform stark. Er forderte am Mittwochabend unter anderem stärkere Kontrollen an den Außengrenzen, damit die Bewegungsfreiheit im Inneren wiederhergestellt werden kann. Auch er sprach vom “Schengen-Rat”, der sich regelmäßig auf politischer Ebene mit den Problemen befassen soll. Diese könnten etwa ein hoher Druck auf die Außengrenzen wie im Falle der Belarus-Krise, Terrorgefahr oder eine Gesundheitskrise wie die Covid-19-Pandemie sein. Marcon zog eine Parallele zur Eurogruppe, in der sich die EU-Staaten mit dem Euro als Währung regelmäßig treffen. dpa
Der polnische Präsident Andrzej Duda hat am Donnerstag ein Gesetz zu Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter vorgeschlagen und will so einen jahrelangen Streit mit der EU über die Rechtsstaatlichkeit beenden. Dann, so Dudas Hoffnung, könnten auch zurückgehaltene finanzielle Mittel der Europäischen Union für Polen freigegeben werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Oktober Polen zur Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro pro Tag verurteilt, weil die Regierung in Warschau die Auflösung der Disziplinarkammer verweigerte. Durch sie sieht die EU-Kommission die Unabhängigkeit der Justiz untergraben.
Laut Gesetzesentwurf finden künftige Disziplinarverfahren gegen Richter vor einem neuen Ausschuss statt, dem elf per Los bestimmte Richter des Obersten Gerichtshofes angehören würden. Der Entwurf soll nun im Unterhaus des Parlamentes eingebracht und debattiert werden.
Die polnische Richtervereinigung befürchtet allerdings, dass sich dadurch wenig an der politisch motivierten Ernennung von Richtern ändert. Denn die Kandidaten für den neuen Ausschuss werde sehr wahrscheinlich weiterhin von einem mit der Regierungspartei PiS verbundenen Gremium bestimmt, sagte ein Sprecher.
Die EU-Kommission wirft Polen seit langem vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben und damit den Rechtsstaat abzubauen. Die seit 2015 von der national-konservativen PiS geführte Regierung argumentierte stets, sie wolle die Effizienz des Justizsystems verbessern. Die Disziplinarkammer führte sie als einen wesentlichen Teil einer umstrittenen Justizreform ein. rtr
Im Streit zwischen Prag und Warschau um den Ausbau des Braunkohle-Tagebaus Turow in Polen ist es überraschend zu einer Einigung gekommen. Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala und sein polnischer Kollege Mateusz Morawiecki unterzeichneten am Donnerstag in Prag einen entsprechenden Vertrag. Er sieht unter anderem den Bau eines Erdwalls gegen die Lärmbelästigung und finanzielle Ausgleichszahlungen an Tschechien in Höhe von 45 Millionen Euro vor.
“Wir haben sehr harte Verhandlungen hinter uns”, sagte der Liberalkonservative Fiala. Morawiecki sprach von einem “neuen Kapitel in den Beziehungen”. Der umstrittene Tagebau Turow liegt im Dreiländereck von Polen, Tschechien und Deutschland. Er ist nur wenige Kilometer vom Zentrum der sächsischen Grenzstadt Zittau entfernt.
Tschechien hatte vor knapp einem Jahr gegen die umfangreichen Ausbaupläne und die Betriebsverlängerung auf polnischer Seite vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Bemängelt wurde vor allem, dass keine ordentliche Prüfung der Umweltverträglichkeit stattgefunden habe. Die Richter mit Sitz in Luxemburg untersagten daraufhin den weiteren Abbau in Turow bis zur Urteilsverkündung. Dem widersetzte sich Polen, was eine Geldstrafe von täglich 500 000 Euro zur Folge hatte.
Fiala kündigte nun an, dass Tschechien seine Klage vor dem EuGH binnen weniger Tage zurückziehen werde. Noch am Vormittag hatte alles anders ausgesehen: EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe gab dem Nachbarland Tschechien in seinem Gutachten recht (Rechtssache C-121/21). Die Meinung des Generalanwalts ist für die Richter zwar nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber.
Sollte Tschechien die Klage tatsächlich zurückziehen, würden die täglich fälligen Bußgeldzahlungen sofort ausgesetzt, hieß es seitens der EU-Kommission. Trotzdem müsste Polen das Geld, das in der Zwischenzeit fällig wurde, nachzahlen. Das sind inzwischen rund 70 Millionen Euro plus mögliche Zinsen. Seit der Verhängung des Bußgelds im September habe Polen bisher nichts gezahlt, sagte ein Kommissionssprecher.
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, dass die Einigung bis zum letzten Moment geheim gehalten worden sei. Das Vorgehen der neuen Regierung in Prag sei skandalös und widerspreche eigenen Zusagen von Transparenz. Greenpeace warnte vor einem weiteren Abfall des Grundwasserspiegels durch die Tagebautätigkeit. Tausende Menschen in Nordböhmen könnten künftig ohne Zugang zu Trinkwasser sein. Teil der Einigung sind zwar Gegenmaßnahmen wie eine geplante unterirdische Mauer, die das Wasser auf tschechischer Seite zurückhalten soll. Umweltschützer äußerten aber Zweifel an deren Wirksamkeit. dpa
Bei Europas Währungshütern wächst angesichts der nach wie vor unerwartet hohen Teuerungsraten die Sorge. Etliche Volkswirte halten eine Zinserhöhung im laufenden Jahr inzwischen nicht mehr für ausgeschlossen. Vorerst beließ der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) jedoch alles beim Alten: Der Leitzins bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent, die milliardenschweren Anleihenkäufe werden fortgesetzt.
Im Lichte weiterer Daten zu Inflation und Konjunktur werde die Lage im März neu beurteilt, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. Sie betonte zugleich, die EZB werde sich nicht treiben lassen: “Wir werden die Zinsen nicht erhöhen, solange die Nettoanleihenkäufe anhalten.”
Lagarde räumte ein, die Inflation sei im Dezember und Januar angesichts eines unvorhersehbaren Energiepreisschocks “überraschend” stark gestiegen. Das habe im EZB-Rat einhellig für Besorgnis gesorgt. “Die Situation hat sich in der Tat geändert“, sagte die Französin. Vor allem auf kurze Sicht dürfte die Inflation hoch bleiben.
Im März liegen dem EZB-Rat neue Prognosen des Mitarbeiterstabes vor. Häufig nimmt das oberste Entscheidungsgremium der Notenbank diese Projektionen zum Anlass, größere geldpolitische Entscheidungen zu treffen. Anders als noch im Dezember habe Lagarde eine Zinserhöhung im laufenden Jahr nicht ausdrücklich ausgeschlossen, analysierte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Bank Berenberg. Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat die EZB “recht klare Hinweise” gegeben, “dass sie vermutlich im März eine Straffung ihrer Geldpolitik in Gang setzen wird”.
Vertreter der Bankenbranche warfen der EZB am Donnerstag vor, die Chance zu einem schnelleren Kurswechsel, den die Notenbanken in den USA und Großbritannien längst eingeleitet haben, verpasst zu haben. Die EZB laufe “der Zeit hinterher und zögert mit den notwendigen Vorbereitungen für eine Zinswende“, befand der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Bei der Sitzung Mitte Dezember hatte der EZB-Rat ein erstes Signal für ein Auslaufen der Geldflut gesendet. Nur noch bis Ende März wird die EZB zusätzliche Wertpapiere im Rahmen ihres in der Corona-Pandemie aufgelegten Anleihenkaufprogramms PEPP erwerben. Allerdings steckt die Notenbank weiter etliche Milliarden in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere: Das allgemeine Kaufprogramm APP wird vorübergehend aufgestockt. Gelder aus auslaufenden PEPP-Papieren sollen bis mindestens Ende 2024 neu angelegt werden. dpa
Mit ein paar Minuten Verspätung schaltet sich Victor van Hoorn in das Teams-Meeting. Viel Zeit hat er nicht, nur eine knappe halbe Stunde. Dann wartet schon der nächste Online-Termin. Der Executive Director von Eurosif hat einen straffen Zeitplan, denn auch in Sachen Nachhaltigkeit und Klimawandel drängt die Zeit. Seit Juni 2020, also nun knapp anderthalb Jahre, ist der 35-Jährige Chef der Organisation für nachhaltige und verantwortungsbewusste Investitionen mit Sitz in Brüssel, Ihre Mission: Nachhaltigkeit der EU-Finanzmärkte zu fördern.
“Wir sorgen dafür, dass die Stimmen von nachhaltigen Investoren von Politikern gehört und auch berücksichtigt werden”, erklärt van Hoorn, der mit seiner Freundin in Brüssel lebt und in der Freizeit in einer Amateur-Mannschaft Fußball spielt. Aktuell seien nachhaltige Investitionen in vielen Fällen noch nicht profitabel und daher für private Investoren uninteressant. Und genau darauf müssten sich Entscheider innerhalb der EU jetzt fokussieren, sagt er.
Um das zu gewährleisten, arbeitet Eurosif eng mit der EU-Kommission, dem EU-Parlament und Diplomaten aus den einzelnen Mitgliedstaaten zusammen. In den vergangenen Monaten stand dabei die EU-Taxonomie besonders im Fokus. “Dabei handelt es um eine Liste von Wirtschaftsaktivitäten, deren Nachhaltigkeit bewertet wird. Das führt zu leidenschaftlichen Diskussionen. Vor allem, wenn es um verschiedene Energiequellen geht”, sagt er. Hier zeige sich deutlich, wie sehr das Nachhaltigkeitsverständnis europäischer Länder auseinandergehe. Frankreich und Deutschland seien im Bereich der Atomenergie ein sehr gutes Beispiel dafür.
Derartige Debatten sind für Victor van Hoorn, der einen niederländischen Diplomaten als Vater und eine französische Mutter hat, nicht neu. Schon in seiner Jugend, so erinnert er sich, habe seine Familie politische Entwicklungen, geschichtliche Ereignisse und Wirtschaft rege beim Abendessen diskutiert. “Einen Moment habe ich noch als sehr beeindruckend im Kopf”, berichtet er. “Wir saßen um den Tisch herum und mein Vater führte ein Telefonat mit Lautsprecher. Zu diesem Zeitpunkt fand in Kiew die Orangene Revolution statt und er stand mit den Menschen auf dem Maidan in Kontakt. Ich konnte alles live mithören und war sozusagen bei der Revolution dabei.”
Dies ist für den in Den Haag geborenen van Hoorn auch die Basis für seinen späteren beruflichen Weg. Er studierte Jura und Wirtschaft und hat als Anwalt eine Zulassung für die Niederlande und New York. “Ich habe einige Jahre als Anwalt gearbeitet. Doch für mich war immer interessanter, wie Gesetze und Regulierungen entstehen und wie viele Faktoren da hineinspielen.” Und genau deswegen will er jetzt selbst auch Einfluss darauf nehmen, welche Entscheidungen getroffen werden. Sein Ziel: Nachhaltigen Investitionen in der EU den Weg zu ebnen. Sarah Tekath