für Timothy Garton Ash sind die Dinge eindeutig: “Die einzig angemessene Reaktion auf die wahrhaft heroische Verteidigung europäischer Werte durch die Ukraine ist, die Ukraine zu einem EU-Beitrittskandidaten zu machen“, sagte der britische Historiker gestern auf unserer Konferenz Europe.Decisions. Er hoffe sehr darauf, dass der Europäische Rat den Weg ebne für Kiew – und nicht auf typische Brüsseler Art “Ja” sage, im Grunde aber “noch nicht” oder “vielleicht” meine.
Garton Ash war einer von 30 Speakern auf der Veranstaltung – sie bot binnen 150 Minuten eine sehr dichte Einordnung zu den Entscheidungen, die in diesen Zeiten in Europa anstehen. Ursula von der Leyen muss der Oxford-Professor nicht mehr überzeugen: Die Kommissionspräsidentin befürwortet Beitrittsgespräche mit der Ukraine und stellte gestern Pläne für eine Soforthilfe für das Land von bis zu neun Milliarden Euro vor. Eric Bonse hat die Einzelheiten.
Die Wiederaufbauhilfe war längst nicht die einzige Initiative, die von der Leyen gestern präsentierte. Die Kommission zeigte Wege auf, wie die EU sich von russischen Energielieferungen unabhängig machen kann – über viele Aspekte hatten wir in den vergangenen Tagen bereits berichtet. Kritiker bemängeln aber, die Behörde solle den Fokus noch stärker auf die nahe liegende Lösung legen: die Energie gar nicht erst zu verbrauchen. Im Dunkeln bleibt zudem, woher die Milliarden für die Finanzierung der Maßnahmen kommen sollen, wie Stephan Israel und Manuel Berkel berichten.
Zusammenarbeit ist aus Sicht der EU-Kommission in einem weiteren Bereich gefragt, der seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine völlig neue Dringlichkeit bekommen hat: dem Zustand der Streitkräfte in Europa. “Doppelarbeit und Zersplitterung” sieht der Außenbeauftragte Josep Borrell in der europäischen Verteidigung. Europa müsse mehr Geld ausgeben, und das besser. Das bedeute: Staaten sollten Ausrüstung gemeinsam beschaffen. Dabei könnten sie laut Kommission von einem vorgeschlagenen Finanzinstrument in Höhe von 500 Millionen Euro profitieren, schreibt Ella Joyner in ihrer Analyse.
“Wir müssen unsere Abhängigkeit von Russland im Energiebereich so schnell wie möglich verringern”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch bei der Präsentation von REPowerEU. Der Plan werde helfen, Energie zu sparen, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu beschleunigen und Investitionen in den Ausbau von erneuerbaren Energien anzustoßen. Die EU-Kommission will dafür über 300 Milliarden Euro mobilisieren. 75 Milliarden Euro sollen in Form von Subventionen, der Rest in Form von Darlehen fließen. Zusätzliche zehn Milliarden Euro seien für Leitungen zwischen Mitgliedsstaaten und LNG-Terminals vorgesehen, sagte von der Leyen.
Der Großteil der Gelder soll jedoch lediglich umgeschichtet werden. Der Hauptteil in der Höhe von 225 Milliarden Euro soll aus der Recovery and Resilience Facility (RRF) kommen, dem befristeten Aufbaufonds zur Bewältigung der Coronakrise. Die Kommission will den Mitgliedstaaten zudem erlauben, aus anderen Fonds Mittel in den RRF zu transferieren. Für heftige Kritik sorgte bei Klimaverbänden die Idee der Kommission, Emissionszertifikate aus der Marktstabilitätsreserve zu versteigern, um zusätzlich 20 Milliarden Euro zu mobilisieren.
Germanwatch bezeichnete den Vorstoß als “Idee aus dem klimapolitischen Tollhaus”. Die Deutsche Umwelthilfe warf Brüssel vor, zusätzliche CO2-Emissionen zuzulassen, um neue Gas- und Ölinfrastruktur zu finanzieren. Der EU-Parlamentarier Peter Liese (EVP) kritisierte, dass die Kommission das Geld in den RRF stecken will. Hier habe das Parlament praktisch keine Mitsprachemöglichkeit und grenzüberschreitende europäische Projekte würden nicht gefördert.
Einhellig positiv aufgenommen wurden die Pläne der Kommission zum stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien. Das Ziel des Fit-for-55-Pakets soll für Erneuerbare von 40 Prozent bis 2030 auf einen Anteil von 45 Prozent angehoben werden. Der Anteil der Wind- und Sonnenenergie an der Stromproduktion soll bis 2030 im Vergleich zu heute verdoppelt werden. Bis 2030 sollen zusätzlich 600 Gigawatt Kapazität allein an Solaranlagen hinzukommen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen ab 2026 für alle neuen öffentlichen Gebäude, Fabriken oder Geschäftshäuser ab einer bestimmten Größe Solaranlagen Pflicht sein. Ab 2030 soll die Solarpflicht auch für Privathäuser gelten.
Die Kommission will auch die langen und komplexen Bewilligungsverfahren für große Windparks angehen (Europe.Table berichtete). Heute könne es sechs bis neun Jahre dauern, bis mit dem Bau begonnen werden könne, so von der Leyen. Die Kommission möchte die Dauer für Anlagen inklusive der Anschlussleitungen auf ein Jahr reduzieren.
Als zweite Achse soll die EU die Energieversorgung weiter diversifizieren und die Suche nach alternativen Lieferanten intensivieren. Die Kommission setzt dabei auf die neue Energieplattform, die gemeinsame Beschaffung von LNG und Wasserstoff erleichtern soll. Ziel sind günstigere Konditionen und effizientere Nutzung von Infrastrukturen wie Flüssiggasterminals.
Zu wenig berücksichtigt wird in dem Paket nach Ansicht vieler Beobachter die dritte Achse von REPowerEU, das Energiesparen. “Bei Energieeffizienz werden Potenziale liegen gelassen“, kritisiert der deutsche Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen. “Der REPowerEU-Plan setzt einen zu geringen Fokus auf konkrete, kurzfristig wirksame Maßnahmen, die die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in Europa senken”, so Matthias Buck von Agora Energiewende.
Widersprüchlich sind auch die Signale der Kommission, den Mitgliedsstaaten vorübergehend Eingriffe in die Gas- und Strommärkte zu gestatten. “Subventionen gegen hohe Energiepreise sind zwar politisch intuitiv, ökonomisch bleiben sie aber grundfalsch”, sagte der Ökonom Lion Hirth von der Hertie School gestern bei der Digitalkonferenz Europe.Decisions. von Table.Media. “Das Wichtigste, was wir tun können, ist Energiesparen. Appelle sind zwar gut, aber finanzielle Anreize sind besser. Hohe Energiepreise tun weh, aber sie sind Teil der Lösung.”
Auch geopolitisch seien regulierte Endkundenpreise das völlig falsche Signal (Europe.Table berichtete): “Solche Subventionen erhöhen die Nachfrage und den Preis an den Großhandelsmärkten. Am Ende verdienen an den Subventionen vor allem Putin und Gazprom.”
Auf dem Papier hat das Energiesparen durchaus einen beträchtlichen Anteil an den Plänen der Kommission. Effizienz in Wohngebäuden und in der Industrie soll genauso viel zu den Zielen von REPowerEU beitragen wie die Gasbeschaffung von alternativen Lieferanten. An entscheidenden Stellen gibt es trotzdem noch Potenzial. Für den Einbau von rein fossilen Heizungen schlägt die Kommission ein Enddatum vor – mit 2029 ist es aber eher spät gewählt.
Das zentrale Ziel in der Energieeffizienz-Richtlinie will die Kommission nun gegenüber ihrem ersten Entwurf anheben – von 9 Prozent auf 13 Prozent gegenüber einem Referenzpfad. Der Berichterstatter des EU-Parlaments, Niels Fuglsang (S&D) hatte jedoch 19 Prozent weniger Energieverbrauch bis 2030 gefordert. Gestiegene Preise für CO2-Zertifikate und fossile Energien hätten das wirtschaftliche Einsparpotenzial gegenüber früheren Studien erhöht, so seine Begründung.
Deutschland hinkt der EU-Debatte über die Energiesparvorgaben noch hinterher. Wie eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums am Mittwoch zu Europe.Table sagte, unterstütze die Regierung einerseits das von der Kommission vorgeschlagene ältere Ziel von 9 Prozent Energieeinsparung. “Zudem ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Situation offen für die Diskussion einer Anhebung der EU-Energieeffizienzziele.” Stephan Israel und Manuel Berkel
Die EU-Kommission will die Ukraine dauerhaft unterstützen und schlägt dafür neue Instrumente vor. Eine “Ukraine reconstruction platform” soll die internationale Finanzhilfe beim Wiederaufbau koordinieren, eine “RebuildUkraine Facility” die Finanzierung sichern.
Die EU-Kommission wolle eine Führungsrolle übernehmen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Zunächst gehe es um eine Soforthilfe von bis zu neun Milliarden Euro. Das Geld soll in Form von zinsvergünstigten Darlehen fließen, für die die Kommission Kredite an den Kapitalmärkten aufnimmt.
Im Zuge der ab Juni geplanten EU-Beitrittsgespräche soll es aber auch Geld für Investitionen und Reformen geben. Details nannte von der Leyen nicht. Die langfristigen Kosten für den Wiederaufbau schätzt Ukraines Regierungschef Denys Schmyhal auf mindestens 600 Milliarden Dollar.
Die Europäer hätten ein “strategisches Interesse” daran, dass die Ukraine schnell wieder auf die Beine kommt, sagte von der Leyen. Im russischen Angriffskrieg stehe das Land an der “Frontlinie” und verteidige “unsere Werte”. Deshalb müsse man den Wiederaufbau fördern.
Dabei könne die EU-Kommission an die Erfahrungen mit dem Corona-Wiederaufbaufonds anknüpfen, sagte Budgetkommissar Johannes Hahn. Für diesen Fonds hat die EU 750 Milliarden Euro Schulden aufgenommen. Allerdings sollte dies eine einmalige Ausnahme bleiben.
Nur unter dieser Bedingung hatten Deutschland und andere EU-Länder dem Corona-Plan zugestimmt. Dennoch zirkulieren in Brüssel bereits Pläne, einen neuen schuldenfinanzierten Fonds für die Ukraine zu schaffen. Einige EU-Politiker denken auch darüber nach, die Devisenreserven der russischen Zentralbank anzuzapfen.
Nachdem der Krieg in der Ukraine begann, hatten Europa und die USA Devisen im Wert von geschätzten 300 Milliarden Dollar eingefroren. Nun könnten sie beschlagnahmt werden, meint der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. “Wir haben das Geld in unseren Taschen”, sagte der Spanier. Jetzt müsse man es nur noch an die Ukraine weiterleiten.
An einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage werde gearbeitet, hieß es in Kommissionskreisen. Neben den Reserven der russischen Zentralbank gehe es auch um eingefrorene Vermögen russischer Oligarchen. Die Rechtslage in den Mitgliedstaaten sei aber derzeit noch sehr unterschiedlich.
EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis sagte, man prüfe alle Möglichkeiten. Dies könne aber noch einige Zeit dauern, da die Rechtslage sehr komplex sei. Vermögen können nur aufgrund des Strafrechts jenes Landes beschlagnahmt werden, in dem es ansässig sei. Zudem sei das Problem der Entschädigung zu klären.
Im Europaparlament stießen die Pläne auf Skepsis. Vizepräsidentin Nicola Beer sagte: “Der Wiederaufbau der Ukraine wird die Aufgabe einer Generation werden. Europa wird sich vor dieser Aufgabe nicht wegducken. Aber die Rufe nach neuen, europäischen Schulden sind falsch.”
Ähnlich äußerte sich der CSU-Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber. “Man kann nicht alle Probleme mit neuen Schulden lösen. Man kann sich mit neuen Schulden aber sehr wohl viele neue Probleme schaffen.” Nun drohe ein Dammbruch.
Auch die Bundesregierung ist auf der Hut. “Das Konjunkturprogramm Next Generation EU hat noch Hunderte von Milliarden an nicht ausgegebenen Mitteln”, sagte Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, bei der Konferenz Europe.Decisions. von Table.Media.
Daher sei die Bundesregierung der Meinung, diese Hunderte von Milliarden, die zur Verfügung stehen, jetzt schnell auszugeben. “Die Programme sind fast alle genehmigt. Bevor wir über das nächste Programm nachdenken, sollten wir über das nachdenken, das wir noch nicht ausgegeben haben.”
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt eine erneute gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU ab. Die Ausgabenpläne der Kommission müssen von den Mitgliedstaaten genehmigt werden. Eine erste Aussprache wird beim EU-Gipfel Ende Mai erwartet.
20.05.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
BMBF & NKS, Seminar Missionen in Horizont Europa – Fördermöglichkeiten: Klima
Die Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Nationalen Kontaktstelle (NKS) Bioökonomie und Umwelt und der NKS Klima, Energie, Mobilität soll als Einführung zu den Missionen in Horizont Europa dienen sowie konkrete Fördermöglichkeiten aufzeigen. ANMELDUNG
20.05.2022 – 10:00-15:00 Uhr, online
FSR, Workshop ACER’s assessment of the electricity market design: What options for the future?
At the Florence School of Regulation (FSR) workshop, results of the ACER analysis commissioned by the EU Commission on the benefits and drawbacks of the existing electricity market design will be discussed. INFOS
20.05.2022 – 10:00-15:00 Uhr, online
FNS, Konferenz Datenschutz als Innovationsfaktor
Beim Datenschutz-Summit der Friedrich Naumann Stiftung (FNS) werden Referent:innen aus Wirtschaft, Politik und Justiz über Herausforderungen und Möglichkeiten von Datenschutz im Zusammenhang mit Innovationen diskutieren. INFOS & ANMELDUG
20.05.2022 – 16:00-18:00 Uhr, Bonn/ online
Polis 180, Vortrag Herausforderungen für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU
Referent Thomas Ossowksi (Vertreter im Politischen & Sicherheitspolitischen Komitee der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EU) wird auf aktuelle Herausforderungen im Hinblick auf den russischen Angriff auf die Ukraine und die Diskussion um das Einstimmigkeitsprinzip in der EU eingehen. INFOS & ANMELDUG
20.05.2022 – 19:00-20:30 Uhr, online
FES, Podiumsdiskussion European Green Deal: Politischer Erfolg im Kampf gegen die Klimakrise oder vertane Chance?
Die Gäste der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) werden über die Erfolge, Potenziale und Probleme der Maßnahmen des Green Deal der EU diskutieren. INFOS & ANMELDUG
23.05.-24.05.2022, online
Gesundheitsforen, Seminar Sekundärdatenanalyse und Digitalisierung im Gesundheitsmarkt
Das Seminar soll aufzeigen, welche Daten zur tatsächlichen Versorgungssituation in Deutschland an welchen Stellen existieren, welche Fragen mit Real World Evidence und Epidemiologischen Studien beantwortet werden können und welche neuen Möglichkeiten durch die Digitalisierung eröffnet werden. INFOS & ANMELDUG
23.05-24.05.2022, Berlin
Conference The Role of the G7 in a New Geopolitical Environment
Topics to be presented and discussed at the event include the policy recommendations put forward by the Think7 task forces on climate and the environment, sustainable economic recovery, global health, international cooperation, economic transformation, and open societies. INFOS & REGISTRATION
23.05.-25.05.2022, Berlin
EIT, Conference Raw Materials Summit
The Raw Materials Summit, organized by the European Institute of Innovation and Technology (EIT), will highlight and discuss innovations and policy initiatives from across the raw materials value chain. INFOS & REGISTRATION
24.05.2022 – 12:00-18:00 Uhr, Hürth/ online
Deutsche Medienakademie, Roundtable HPC, Quanten- und Bio-Computing – Eine lange Reise?
Beim Roundtable der Deutschen Medienakademie werden zunächst Technologien wie neuromorphes Computing, Bio-Computing, HPC und Quantencomputing erläutert, anschließend sollen die Aspekte Sicherheit und Ethik diskutiert werden. INFOS & ANMELDUG
24.05.-25.05.2022, Stockholm (Schweden)
EIT, Conference EIT Health Summit 2022
At the EIT Health Summit, a sustainable transformation of healthcare in Europe that improves the resilience of healthcare systems and enables citizens to deliver better care will be discussed. INFOS & REGISTRATION
30.05.-02.06.2022, Hannover/ online
Conference Technology & Business Cooperation Days 2022
The key topics of the matchmaking event are Industry 4.0 and Smart Factory solutions, resource and energy efficient manufacturing technologies, sustainable energy and mobility as well as metrology tools. REGISTRATION UNTIL 24.05.2022
“Überall sehen wir Doppelarbeit und Zersplitterung”, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel. “Wir müssen mehr Geld ausgeben, aber vor allem müssen wir es gemeinsam ausgeben, um es besser auszugeben.”
Kurzfristig müssen die Mitgliedsstaaten, die viele Waffen nach Kiew für den Kampf gegen Russland geschickt haben, ihre Munitions- und Transportbestände aufstocken, sagte der Spanier. Es gehe auch um den Ersatz von Altsystemen aus der Sowjet-Ära und die Verstärkung der Luft- und Raketenabwehrsysteme, heißt es in einer Kommissionsmitteilung. Zu diesem Zweck richtet die Kommission zusammen mit der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) unverzüglich eine Task Force ein. Diese soll Wege aufzeigen, wie kurzfristige Sicherheitslücken geschlossen werden können.
Staaten, die “bereit sind, gemeinsam zu beschaffen, um die dringendsten und kritischsten Lücken zu schließen”, könnten von einem vorgeschlagenen Finanzinstrument in Höhe von 500 Millionen Euro profitieren, so die Kommissionsmitteilung.
Der Krieg hat die Aufmerksamkeit erneut auf den Zustand der Streitkräfte in Europa gelenkt. Im März wurde die EU-Kommission damit beauftragt, mithilfe der EDA die Schwachstellen zu ermitteln und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Diese wurden am Mittwoch von Borrell und seinen Kollegen Thierry Breton und Margrethe Vestager vorgestellt.
Langfristig muss die EU nach Ansicht der Kommission und der EDA mehr in Schiffe, Panzer, Drohnen, Luftbetankungsmöglichkeiten für Flugzeuge und in die Küstenverteidigung investieren. Der Konflikt habe auch gezeigt, wie wichtig die Satelliteninfrastruktur unter anderem für die Erkennung kritischer Bedrohungen sei.
Nach Jahren schrumpfender Ausgaben – eine Art “heimlicher Abrüstungsprozess”, so Borrell – haben sich die EU-Länder nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine verpflichtet, deutlich mehr Geld in ihre Armeen und Marinen zu stecken. In einer anderen Pressekonferenz sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie werde auf nationaler Ebene in den kommenden Jahren 200 Milliarden Euro mehr ausgeben. Dieses zusätzliche Geld müsse koordiniert ausgegeben werden.
Es ist keine Neuigkeit, dass die Beschaffung von Rüstungsgütern in Europa stark fragmentiert ist. Seit mehr als einem Jahrzehnt versuchen die EU-Staaten, dieser Zersplitterung entgegenzuwirken. Die Beschaffung von Ausrüstungsgütern bei inländischen Unternehmen gilt als ineffizient und teuer. Teilweise aus diesem Grund ist der Europäische Verteidigungsfonds (EDF) entstanden, der 8 Milliarden Euro im Zeitraum von 2021 bis 2027 zur Verfügung hat.
Borrell führte am Mittwoch das Beispiel der Vereinigten Staaten an, wo es nur einen einzigen Panzertyp gibt. In Europa gebe es 12. “Die logistischen Kosten, die Doppelarbeit und die mangelnde Interoperabilität sind in unseren Luftstreitkräften, in unserer Marine, überall offensichtlich.”
Hannah Neumann, Europaabgeordnete der Grünen, begrüßte den Vorschlag: “Schon lange ist bekannt, dass wir mit gemeinsamer Beschaffung viele Milliarden sparen und unsere Bürgerinnen und Bürger besser schützen können.”
Ihr CDU-Kollege im Europaparlament Michael Gahler sagte, die Kommission schlage den richtigen, aber auch lange überfälligen Weg ein: “Kleinstaaterei und Insellösungen können wir uns nicht länger leisten.”
Für die Kommission könnte die Initiative ein Meilenstein für ihre eigene Rolle in der EU-Verteidigung sein. Manche EU-Staaten haben traditionell die Kontrolle über die Verteidigungsausgaben als nationale Zuständigkeit streng gehütet. Befürchtungen, dass eine “EU-Armee” die Souveränität der Mitgliedstaaten untergraben könnte, gibt es schon lange. Kritik gibt es auch an einer Militarisierung der Europäischen Union, die oft ihre Identität als Friedensprojekt betont.
In den vergangenen Wochen haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der vielleicht lauteste Befürworter einer robusteren EU-Verteidigung, und Italiens Regierungschef Mario Draghi die Frage der Fragmentierung erneut aufgeworfen. Ersterer forderte neue EU-Schulden zur Finanzierung einer Überarbeitung des Verteidigungssektors, Letzterer rief zu einer Sonderkonferenz auf, die sich mit diesem Thema befassen sollte.
Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass die Kommission bei den Verteidigungsausgaben eine Vorreiterrolle übernimmt oder dass dies erwünscht ist. Laut Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies (CEPS) ist mehr Geld und Koordination durch die EU-Kommission ein möglicher Ansatz. Aber es sei wichtiger, dass ein Mitgliedsstaat auch eine klare Führung für ein gemeinsames Rüstungsprojekt übernimmt.
“Wir haben oft das Problem, dass kein Land wirklich verantwortlich ist und jedes Land seine eigenen Wünsche hinzufügt, sodass am Ende dann die Kosten aus dem Ruder laufen”, sagte Gros auf der Konferenz Europe.Decisions. von Table.Media.
Auch im Bundesverteidigungsministerium gibt es wenig Bereitschaft, Entscheidungskompetenzen an die EU-Kommission abzutreten. “Ob eine reine europäische Lösung und Koordination es einfacher macht, sehe ich nicht sofort”, sagte Henning Trieschmann, Referatsleiter für die Gemeinsame Verteidigungspolitik auf der Konferenz. Ella Joyner
Die Bundesregierung will gemeinsam mit Dänemark, Belgien und den Niederlanden den Ausbau von Offshore-Windenergie deutlich ankurbeln und enger zusammenarbeiten. So wollen die vier Nordsee-Staaten bis zum Jahr 2030 ihre Offshore-Leistung vervierfachen – auf gemeinsam mindestens 65 Gigawatt, wie die Regierungschefs am Mittwoch in der Stadt Esbjerg an der dänischen Küste vereinbarten. Bis 2050 soll die Leistung auf 150 Gigawatt ausgebaut und damit im Vergleich zu heute verzehnfacht werden.
“Das ist nicht nur eine Erklärung, sondern der Werkzeugkasten für das, was wir zu tun haben und in der nächsten Zeit tun werden”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nach Dänemark gereist war, um die Erklärung der vier Staaten zu unterschreiben. “Damit verstärken wir den europäischen Ausbau erneuerbarer Energien und reduzieren so weiter die Abhängigkeit von Gasimporten”, sagte Habeck.
Dem sogenannten Osterpaket der Bundesregierung zufolge soll die Leistung der Offshore-Windparks in Deutschland von 7,8 Gigawatt bis zum Jahr 2030 auf mindestens 30 Gigawatt steigen. 80 Prozent des Stroms in Deutschland sollen bis dahin aus erneuerbaren Quellen kommen.
Die vier Nordsee-Staaten wollen über die Ausbauziele hinaus ihre Kooperation bei der künftigen Erzeugung grünen Wasserstoffs, bei dessen Erzeugung kein Treibhausgas CO2 anfällt, aus Offshore-Windenergie verstärken und gemeinsame Energieinseln und Drehkreuze in der Nordsee errichten. dpa
Der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel warnt davor, angesichts des Konfliktes mit Moskau auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu China infrage zu stellen. Es sei zwar “misslungen”, das in Europa erfolgreiche Modell der Friedenssicherung durch wirtschaftliche Verflechtung auf Russland zu übertragen, sagte der Vorsitzende der Atlantik-Brücke auf der Konferenz Europe.Decisions. von Table.Media. Das bedeute aber nicht, dass die Strategie des Wandels durch Handel per se gescheitert sei.
Die EU müsse allerdings versuchen, die Abhängigkeit auch von China zu verringern. “Wir werden versuchen müssen, uns breiter aufzustellen”, so Gabriel. “Aber das geht nicht über Nacht und vor allem nicht in einem Land, das wie Deutschland mehr als jedes andere Land auf der Welt in die internationalen Wertschöpfungsketten integriert ist.” Die Vorstellung, quasi autark zu werden und nur mit demokratischen Staaten zu handeln, werde daher nicht funktionieren.
Liana Fix, Russland-Expertin der Körber-Stiftung, rechnet damit, dass der Ukraine-Krieg langfristig zu einer neuen Blockbildung führen wird, mit China als der Führungsmacht des östlichen Machtblocks. “Zurzeit sieht es so aus, als ob Russland langfristig kein eigener Pol mehr sein kann und wir deswegen eine Ost-West-Blockbildung sehen werden, in der Russland mehr oder weniger zum chinesischen Einflussbereich gehört“, sagte sie auf der Konferenz. Russland werde durch den Krieg und die Sanktionen wirtschaftlich und militärisch voraussichtlich dauerhaft geschwächt sein und keinen eigenen Pol in der internationalen Ordnung darstellen können.
Auch die Europäische Union werde langfristig kein eigener Pol sein, so Fix. “Europa ist trotz aller Bemühungen um strategische Autonomie langfristig zu schwach militärisch, um ohne die USA in der zunehmend militarisierten Geopolitik dieser Welt bestehen zu können.” Europa müsse sich daher als starker Partner innerhalb des westlichen und transatlantischen Bündnisses positionieren. tho
Die Regeln für den Wechsel von EU-Beamten in die freie Wirtschaft sind nach Ansicht der europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly nicht streng genug. Es bestehe die Tendenz, schädliche Auswirkungen zu unterschätzen, wenn die Beamten ihr Wissen und ihre Netzwerke im privaten Sektor einbringen, sagte sie am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Jahresberichts. “Wird diese Praxis jetzt nicht unter Kontrolle gebracht, kann sich eine Kultur etablieren, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und den Sachverstand der EU-Institutionen untergraben könnte“, so O’Reilly.
Die EU-Verwaltung befinde sich an einem kritischen Punkt, was den Umgang mit diesen Seitenwechseln betreffe. Der Wechsel von Vertreterinnen und Vertretern der Regulierungsbehörden in Wirtschaftsbereiche, die sie früher selbst reguliert haben, sei in Brüssel zu einem “problematischen Thema” geworden, sagte die Irin. Sie habe aber keinen Verwaltungsmissstand festgestellt.
In der Vergangenheit hatten vor allem Wechsel von hochrangigen Mitarbeitern aus der Generaldirektion Wettbewerb für Kritik gesorgt. Die Abteilung ist etwa dafür zuständig, Verstöße gegen europäisches Wettbewerbsrecht zu verfolgen und Strafen zu verhängen. Wie unter anderem das Nachrichtenportal “Politico” berichtete, wechselten in der Vergangenheit mehrere Mitarbeiter zu Anwaltskanzleien, die auch für Firmen tätig sind, mit denen die EU-Kommission in Rechtsstreite verwickelt ist.
Die Ombudsfrau hat eine Stichprobe von 100 Entscheidungen über Seitenwechsel aus den Jahren 2019 bis 2021 untersucht. Davon habe die Kommission nur zwei Tätigkeiten verboten. Sie fordert nun unter anderem, dass Jobs vorübergehend verboten werden, bei denen Risiken nicht durch Auflagen ausgeglichen oder Auflagen nicht glaubwürdig überwacht und durchgesetzt werden können. Zudem sollte eine Zustimmung zu einer neuen Tätigkeit davon abhängig gemacht werden, dass EU-Beamte eine Zusage ihres neuen Arbeitgebers erhalten, etwaige Auflagen auf deren Webseite zu veröffentlichen. dpa
Im Ringen um die Beilegung langjähriger Kartellstreitigkeiten mit der EU-Kommission wegen seines Cloud-Geschäfts revidiert der US-Softwareriese seine Lizenzierungsdeals. Es werde europäischen Cloud-Anbietern leichter gemacht, zu konkurrieren, kündigte Microsoft-Präsident Brad Smith an. Die Änderungen zielten darauf ab, die wesentlichen Vorbehalte auszuräumen. Das sei ein erster Schritt, aber nicht unbedingt der letzte, den das Unternehmen gehen werde.
Im Mittelpunkt der Kritik stehen Paketlösungen für Microsoft Office, die nun flexibler gehandhabt werden sollen. In den zurückliegenden Monaten hatten einige europäische Cloud-Anbieter, darunter NextCloud aus Deutschland und OVHcloud aus Frankreich, Bedenken hinsichtlich bestimmter Software-Lizenzierungsbedingungen und -praktiken von Microsoft vorgebracht. rtr
Seit dem zweiten Quartal 2021 hat die Inflation im Vereinigten Königreich, in den Vereinigten Staaten und in der Eurozone das 2-Prozent-Ziel der jeweiligen Zentralbanken weit überschritten. Dieser Anstieg ließe sich durchaus mit der unerwarteten Schwere und Dauer der Coronavirus-Pandemie, den Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine und wiederholten Fehleinschätzungen der Bank of England, der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank erklären.
Eine weitere mögliche Erklärung ist jedoch, dass die Geldpolitik fiskalischer Dominanz unterworfen oder fiskalisch vereinnahmt wurde. Dieser Interpretation zufolge haben die großen Zentralbanken eine aggressive Niedrigzins- und Ankaufspolitik betrieben, um die expansive Fiskalpolitik ihrer Regierungen zu unterstützen, obwohl sie wussten, dass eine solche Politik ihrem Preisstabilitätsmandat zuwiderlaufen dürfte und zur Wahrung der Finanzstabilität nicht notwendig war.
Die Interpretation der “fiskalischen Vereinnahmung” ist besonders überzeugend im Hinblick auf die EZB, die sich mit mehreren Staaten befassen muss, die mit Problemen der Tragfähigkeit ihrer Schuldenlast konfrontiert sind. Griechenland, Italien, Portugal und Spanien sind alle hoch verschuldet und gegenüber ihren Kreditgebern anfällig.
Und Frankreich, Belgien und Zypern könnten ebenfalls mit Problemen bei der Staatsfinanzierung konfrontiert werden, wenn der nächste Konjunkturabschwung eintritt, oder wenn sich die risikofreien Zinssätze von den außergewöhnlich niedrigen Niveaus des letzten Jahrzehnts normalisieren oder wenn das Länderrisiko realistischer bewertet wird.
Im April 2022 lag die Gesamtinflation in der Eurozone bei 7,5 Prozent und die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie) bei 3,5 Prozent. Die EZB ist dennoch weiterhin intensiv mit der Finanzierung der Staatsdefizite beschäftigt. Dies zeigte sich in ihrer Ankündigung vom 24. März 2022, dass sie griechische Staatsanleihen noch mindestens bis Ende 2024 als Sicherheiten akzeptieren würde.
Griechische Staatsanleihen erfüllen nicht die Bonitätsanforderungen der EZB für Investment-Grade-Anleihen, werden aber seit März 2020 vom Eurosystem (der EZB und den Zentralbanken der Mitgliedstaaten) im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Program, PEPP) gekauft und gehalten.
Im Dezember 2021 gab der EZB-Rat bekannt, dass er die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP Ende März 2022 einstellen würde. Er beschloss jedoch auch, dass die Tilgungsbeträge mindestens bis Ende 2024 bei Fälligkeit wieder angelegt werden, damit “das zukünftige Auslaufen des PEPP-Portfolios so gesteuert werden [kann], dass eine Beeinträchtigung des angemessenen geldpolitischen Kurses vermieden wird”.
Darüber hinaus stellte der EZB-Rat im März 2022 klar, dass er auch weiterhin die Schulden anderer Staaten, die unter eine Investment-Grade-Bewertung fallen könnten, kaufen und als Sicherheiten akzeptieren könnte. Die EZB “behält sich das Recht vor, auch künftig von den Bonitätsbewertungen der Ratingagenturen abzuweichen, wenn dies im Einklang mit ihrem Ermessensspielraum innerhalb des geldpolitischen Handlungsrahmens gerechtfertigt ist, um eine automatische Abhängigkeit von diesen Bewertungen zu vermeiden”.
Insgesamt beliefen sich die Bestände des Eurosystems an Wertpapieren des öffentlichen Sektors im Rahmen des PEPP Ende März 2022 auf mehr als 1.6 Billionen Euro (1,7 Billionen US-Dollar) bzw. 13,4 Prozent des BIP des Euro-Währungsgebiets von 2021, und die kumulierten Nettokäufe griechischer Staatsanleihen im Rahmen des PEPP beliefen sich auf 38,5 Milliarden Euro (21,1 Prozent des griechischen BIP von 2021). Für Portugal, Italien und Spanien lagen die entsprechenden BIP-Anteile der PEPP-Nettokäufe bei 16,4 Prozent, 16 Prozent bzw. 15,7 Prozent.
Im Rahmen des Programms zum Ankauf von Staatsanleihen (Public Sector Purchase Program, PSPP) des Eurosystems wurden ebenfalls Nettokäufe von Staatsanleihen mit Investment-Grade-Rating getätigt. Von November 2019 bis Ende März 2022 beliefen sich diese auf insgesamt 503,6 Milliarden Euro bzw. 4,1 Prozent des BIP des Euroraums. Insgesamt kaufte das Eurosystem mehr als 120 Prozent der in den Jahren 2020 und 2021 begebenen Netto-Emissionen von Staatsanleihen im Euroraum.
Berichten zufolge arbeitet die EZB nun an einem “neuen Instrument”, um Mitgliedstaaten der Eurozone zu unterstützen, die aufgrund der erwarteten künftigen Leitzinserhöhungen der EZB mit höheren Kreditkosten konfrontiert würden. Die Renditedifferenzen bei risikoreichen Staatsanleihen der Eurozone steigen wieder an – die Renditedifferenz zehnjähriger Anleihen zwischen Italien und Deutschland erreichte am 10. Mai 2022 zwei Prozent – und das zu einer Zeit, in der viele anfällige Staaten immer noch zusätzliche große Nettoemissionen von Schuldtiteln planen.
Ich erwarte, dass entweder die PSPP-Regeln geändert werden, um den Ankauf von Schuldtiteln mit Sub-Investment-Grade-Rating zu ermöglichen, oder dass eine neue PEPP-ähnliche Fazilität für diesen Zweck geschaffen wird. So oder so ist die EZB die einzige Institution, die über die Ressourcen und die nötige Reaktionsgeschwindigkeit verfügt, um fiskalische Rettungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus, der eigens für die Bewältigung von Staatsschuldenproblemen in der Eurozone geschaffen wurde, verfügt weder über die nötigen Mittel noch über die Flexibilität, um auf eine sich abzeichnende Staatsfinanzierungskrise rasch und entschlossen zu reagieren.
Tatsächlich belief sich die Gesamtsumme der vom ESM (und seinem Vorgänger) seit 2010 verteilten Kredite im April 2022 auf gerade einmal 295 Milliarden Euro, was 2,4 Prozent des BIP entspricht. Und Deutschland hat gerade einen Vorschlag des ESM abgelehnt, einen neuen ständigen Hilfsfonds im Wert von 250 Milliarden Euro (etwa 2 Prozent des BIP der Eurozone) zu schaffen.
Sobald die EZB beginnt, ihre Leitzinsen zu erhöhen (was bald der Fall sein dürfte, auch wenn die Erhöhung zu gering ausfallen und zu spät kommen wird), wird sie meines Erachtens ihre Anleihekäufe fortsetzen. Höchstwahrscheinlich werden diese auf die risikoreichen Staatsanleihen von Ländern wie Griechenland und Italien abzielen, obwohl auch gezielte Käufe von Unternehmensanleihen und forderungsbesicherten Wertpapieren Teil des “neuen Ankaufprogramms” sein könnten.
Wenn derartige Ankäufe von Vermögenswerten unter ungeordneten Marktbedingungen erfolgen, können sie als “Market Maker of Last Resort”-Maßnahmen gerechtfertigt sein. Dies wird wahrscheinlich bei den Ankäufen von Unternehmensanleihen durch das Eurosystem der Fall sein, vorausgesetzt, dass diese wieder rückgängig gemacht werden, sobald geordnete Marktbedingungen wiederhergestellt sind.
Wenn das Eurosystem jedoch zum langfristigen Inhaber eines wachsenden Bestands an gefährdeten Staatsanleihen wird, was aus Gründen der systemischen Finanzstabilität nicht zu rechtfertigen ist, wird es noch mehr finanzpolitische Stützungsmaßnahmen (und manchmal auch fiskalpolitische Rettungsmaßnahmen) durchführen.
Natürlich belagert kein Finanzminister eines Mitgliedslandes den Sitz der EZB, so dass man argumentieren könnte, dass diese Form der fiskalischen Vereinnahmung freiwillig erfolgt oder verinnerlicht wurde. Das heißt aber nicht, dass sie dem Ziel der Preisstabilität nicht abträglich ist.
In Kooperation mit Project Syndicate, aus dem Englischen von Sandra Pontow.
für Timothy Garton Ash sind die Dinge eindeutig: “Die einzig angemessene Reaktion auf die wahrhaft heroische Verteidigung europäischer Werte durch die Ukraine ist, die Ukraine zu einem EU-Beitrittskandidaten zu machen“, sagte der britische Historiker gestern auf unserer Konferenz Europe.Decisions. Er hoffe sehr darauf, dass der Europäische Rat den Weg ebne für Kiew – und nicht auf typische Brüsseler Art “Ja” sage, im Grunde aber “noch nicht” oder “vielleicht” meine.
Garton Ash war einer von 30 Speakern auf der Veranstaltung – sie bot binnen 150 Minuten eine sehr dichte Einordnung zu den Entscheidungen, die in diesen Zeiten in Europa anstehen. Ursula von der Leyen muss der Oxford-Professor nicht mehr überzeugen: Die Kommissionspräsidentin befürwortet Beitrittsgespräche mit der Ukraine und stellte gestern Pläne für eine Soforthilfe für das Land von bis zu neun Milliarden Euro vor. Eric Bonse hat die Einzelheiten.
Die Wiederaufbauhilfe war längst nicht die einzige Initiative, die von der Leyen gestern präsentierte. Die Kommission zeigte Wege auf, wie die EU sich von russischen Energielieferungen unabhängig machen kann – über viele Aspekte hatten wir in den vergangenen Tagen bereits berichtet. Kritiker bemängeln aber, die Behörde solle den Fokus noch stärker auf die nahe liegende Lösung legen: die Energie gar nicht erst zu verbrauchen. Im Dunkeln bleibt zudem, woher die Milliarden für die Finanzierung der Maßnahmen kommen sollen, wie Stephan Israel und Manuel Berkel berichten.
Zusammenarbeit ist aus Sicht der EU-Kommission in einem weiteren Bereich gefragt, der seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine völlig neue Dringlichkeit bekommen hat: dem Zustand der Streitkräfte in Europa. “Doppelarbeit und Zersplitterung” sieht der Außenbeauftragte Josep Borrell in der europäischen Verteidigung. Europa müsse mehr Geld ausgeben, und das besser. Das bedeute: Staaten sollten Ausrüstung gemeinsam beschaffen. Dabei könnten sie laut Kommission von einem vorgeschlagenen Finanzinstrument in Höhe von 500 Millionen Euro profitieren, schreibt Ella Joyner in ihrer Analyse.
“Wir müssen unsere Abhängigkeit von Russland im Energiebereich so schnell wie möglich verringern”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch bei der Präsentation von REPowerEU. Der Plan werde helfen, Energie zu sparen, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu beschleunigen und Investitionen in den Ausbau von erneuerbaren Energien anzustoßen. Die EU-Kommission will dafür über 300 Milliarden Euro mobilisieren. 75 Milliarden Euro sollen in Form von Subventionen, der Rest in Form von Darlehen fließen. Zusätzliche zehn Milliarden Euro seien für Leitungen zwischen Mitgliedsstaaten und LNG-Terminals vorgesehen, sagte von der Leyen.
Der Großteil der Gelder soll jedoch lediglich umgeschichtet werden. Der Hauptteil in der Höhe von 225 Milliarden Euro soll aus der Recovery and Resilience Facility (RRF) kommen, dem befristeten Aufbaufonds zur Bewältigung der Coronakrise. Die Kommission will den Mitgliedstaaten zudem erlauben, aus anderen Fonds Mittel in den RRF zu transferieren. Für heftige Kritik sorgte bei Klimaverbänden die Idee der Kommission, Emissionszertifikate aus der Marktstabilitätsreserve zu versteigern, um zusätzlich 20 Milliarden Euro zu mobilisieren.
Germanwatch bezeichnete den Vorstoß als “Idee aus dem klimapolitischen Tollhaus”. Die Deutsche Umwelthilfe warf Brüssel vor, zusätzliche CO2-Emissionen zuzulassen, um neue Gas- und Ölinfrastruktur zu finanzieren. Der EU-Parlamentarier Peter Liese (EVP) kritisierte, dass die Kommission das Geld in den RRF stecken will. Hier habe das Parlament praktisch keine Mitsprachemöglichkeit und grenzüberschreitende europäische Projekte würden nicht gefördert.
Einhellig positiv aufgenommen wurden die Pläne der Kommission zum stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien. Das Ziel des Fit-for-55-Pakets soll für Erneuerbare von 40 Prozent bis 2030 auf einen Anteil von 45 Prozent angehoben werden. Der Anteil der Wind- und Sonnenenergie an der Stromproduktion soll bis 2030 im Vergleich zu heute verdoppelt werden. Bis 2030 sollen zusätzlich 600 Gigawatt Kapazität allein an Solaranlagen hinzukommen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen ab 2026 für alle neuen öffentlichen Gebäude, Fabriken oder Geschäftshäuser ab einer bestimmten Größe Solaranlagen Pflicht sein. Ab 2030 soll die Solarpflicht auch für Privathäuser gelten.
Die Kommission will auch die langen und komplexen Bewilligungsverfahren für große Windparks angehen (Europe.Table berichtete). Heute könne es sechs bis neun Jahre dauern, bis mit dem Bau begonnen werden könne, so von der Leyen. Die Kommission möchte die Dauer für Anlagen inklusive der Anschlussleitungen auf ein Jahr reduzieren.
Als zweite Achse soll die EU die Energieversorgung weiter diversifizieren und die Suche nach alternativen Lieferanten intensivieren. Die Kommission setzt dabei auf die neue Energieplattform, die gemeinsame Beschaffung von LNG und Wasserstoff erleichtern soll. Ziel sind günstigere Konditionen und effizientere Nutzung von Infrastrukturen wie Flüssiggasterminals.
Zu wenig berücksichtigt wird in dem Paket nach Ansicht vieler Beobachter die dritte Achse von REPowerEU, das Energiesparen. “Bei Energieeffizienz werden Potenziale liegen gelassen“, kritisiert der deutsche Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen. “Der REPowerEU-Plan setzt einen zu geringen Fokus auf konkrete, kurzfristig wirksame Maßnahmen, die die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in Europa senken”, so Matthias Buck von Agora Energiewende.
Widersprüchlich sind auch die Signale der Kommission, den Mitgliedsstaaten vorübergehend Eingriffe in die Gas- und Strommärkte zu gestatten. “Subventionen gegen hohe Energiepreise sind zwar politisch intuitiv, ökonomisch bleiben sie aber grundfalsch”, sagte der Ökonom Lion Hirth von der Hertie School gestern bei der Digitalkonferenz Europe.Decisions. von Table.Media. “Das Wichtigste, was wir tun können, ist Energiesparen. Appelle sind zwar gut, aber finanzielle Anreize sind besser. Hohe Energiepreise tun weh, aber sie sind Teil der Lösung.”
Auch geopolitisch seien regulierte Endkundenpreise das völlig falsche Signal (Europe.Table berichtete): “Solche Subventionen erhöhen die Nachfrage und den Preis an den Großhandelsmärkten. Am Ende verdienen an den Subventionen vor allem Putin und Gazprom.”
Auf dem Papier hat das Energiesparen durchaus einen beträchtlichen Anteil an den Plänen der Kommission. Effizienz in Wohngebäuden und in der Industrie soll genauso viel zu den Zielen von REPowerEU beitragen wie die Gasbeschaffung von alternativen Lieferanten. An entscheidenden Stellen gibt es trotzdem noch Potenzial. Für den Einbau von rein fossilen Heizungen schlägt die Kommission ein Enddatum vor – mit 2029 ist es aber eher spät gewählt.
Das zentrale Ziel in der Energieeffizienz-Richtlinie will die Kommission nun gegenüber ihrem ersten Entwurf anheben – von 9 Prozent auf 13 Prozent gegenüber einem Referenzpfad. Der Berichterstatter des EU-Parlaments, Niels Fuglsang (S&D) hatte jedoch 19 Prozent weniger Energieverbrauch bis 2030 gefordert. Gestiegene Preise für CO2-Zertifikate und fossile Energien hätten das wirtschaftliche Einsparpotenzial gegenüber früheren Studien erhöht, so seine Begründung.
Deutschland hinkt der EU-Debatte über die Energiesparvorgaben noch hinterher. Wie eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums am Mittwoch zu Europe.Table sagte, unterstütze die Regierung einerseits das von der Kommission vorgeschlagene ältere Ziel von 9 Prozent Energieeinsparung. “Zudem ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Situation offen für die Diskussion einer Anhebung der EU-Energieeffizienzziele.” Stephan Israel und Manuel Berkel
Die EU-Kommission will die Ukraine dauerhaft unterstützen und schlägt dafür neue Instrumente vor. Eine “Ukraine reconstruction platform” soll die internationale Finanzhilfe beim Wiederaufbau koordinieren, eine “RebuildUkraine Facility” die Finanzierung sichern.
Die EU-Kommission wolle eine Führungsrolle übernehmen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Zunächst gehe es um eine Soforthilfe von bis zu neun Milliarden Euro. Das Geld soll in Form von zinsvergünstigten Darlehen fließen, für die die Kommission Kredite an den Kapitalmärkten aufnimmt.
Im Zuge der ab Juni geplanten EU-Beitrittsgespräche soll es aber auch Geld für Investitionen und Reformen geben. Details nannte von der Leyen nicht. Die langfristigen Kosten für den Wiederaufbau schätzt Ukraines Regierungschef Denys Schmyhal auf mindestens 600 Milliarden Dollar.
Die Europäer hätten ein “strategisches Interesse” daran, dass die Ukraine schnell wieder auf die Beine kommt, sagte von der Leyen. Im russischen Angriffskrieg stehe das Land an der “Frontlinie” und verteidige “unsere Werte”. Deshalb müsse man den Wiederaufbau fördern.
Dabei könne die EU-Kommission an die Erfahrungen mit dem Corona-Wiederaufbaufonds anknüpfen, sagte Budgetkommissar Johannes Hahn. Für diesen Fonds hat die EU 750 Milliarden Euro Schulden aufgenommen. Allerdings sollte dies eine einmalige Ausnahme bleiben.
Nur unter dieser Bedingung hatten Deutschland und andere EU-Länder dem Corona-Plan zugestimmt. Dennoch zirkulieren in Brüssel bereits Pläne, einen neuen schuldenfinanzierten Fonds für die Ukraine zu schaffen. Einige EU-Politiker denken auch darüber nach, die Devisenreserven der russischen Zentralbank anzuzapfen.
Nachdem der Krieg in der Ukraine begann, hatten Europa und die USA Devisen im Wert von geschätzten 300 Milliarden Dollar eingefroren. Nun könnten sie beschlagnahmt werden, meint der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. “Wir haben das Geld in unseren Taschen”, sagte der Spanier. Jetzt müsse man es nur noch an die Ukraine weiterleiten.
An einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage werde gearbeitet, hieß es in Kommissionskreisen. Neben den Reserven der russischen Zentralbank gehe es auch um eingefrorene Vermögen russischer Oligarchen. Die Rechtslage in den Mitgliedstaaten sei aber derzeit noch sehr unterschiedlich.
EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis sagte, man prüfe alle Möglichkeiten. Dies könne aber noch einige Zeit dauern, da die Rechtslage sehr komplex sei. Vermögen können nur aufgrund des Strafrechts jenes Landes beschlagnahmt werden, in dem es ansässig sei. Zudem sei das Problem der Entschädigung zu klären.
Im Europaparlament stießen die Pläne auf Skepsis. Vizepräsidentin Nicola Beer sagte: “Der Wiederaufbau der Ukraine wird die Aufgabe einer Generation werden. Europa wird sich vor dieser Aufgabe nicht wegducken. Aber die Rufe nach neuen, europäischen Schulden sind falsch.”
Ähnlich äußerte sich der CSU-Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber. “Man kann nicht alle Probleme mit neuen Schulden lösen. Man kann sich mit neuen Schulden aber sehr wohl viele neue Probleme schaffen.” Nun drohe ein Dammbruch.
Auch die Bundesregierung ist auf der Hut. “Das Konjunkturprogramm Next Generation EU hat noch Hunderte von Milliarden an nicht ausgegebenen Mitteln”, sagte Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, bei der Konferenz Europe.Decisions. von Table.Media.
Daher sei die Bundesregierung der Meinung, diese Hunderte von Milliarden, die zur Verfügung stehen, jetzt schnell auszugeben. “Die Programme sind fast alle genehmigt. Bevor wir über das nächste Programm nachdenken, sollten wir über das nachdenken, das wir noch nicht ausgegeben haben.”
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt eine erneute gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU ab. Die Ausgabenpläne der Kommission müssen von den Mitgliedstaaten genehmigt werden. Eine erste Aussprache wird beim EU-Gipfel Ende Mai erwartet.
20.05.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
BMBF & NKS, Seminar Missionen in Horizont Europa – Fördermöglichkeiten: Klima
Die Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Nationalen Kontaktstelle (NKS) Bioökonomie und Umwelt und der NKS Klima, Energie, Mobilität soll als Einführung zu den Missionen in Horizont Europa dienen sowie konkrete Fördermöglichkeiten aufzeigen. ANMELDUNG
20.05.2022 – 10:00-15:00 Uhr, online
FSR, Workshop ACER’s assessment of the electricity market design: What options for the future?
At the Florence School of Regulation (FSR) workshop, results of the ACER analysis commissioned by the EU Commission on the benefits and drawbacks of the existing electricity market design will be discussed. INFOS
20.05.2022 – 10:00-15:00 Uhr, online
FNS, Konferenz Datenschutz als Innovationsfaktor
Beim Datenschutz-Summit der Friedrich Naumann Stiftung (FNS) werden Referent:innen aus Wirtschaft, Politik und Justiz über Herausforderungen und Möglichkeiten von Datenschutz im Zusammenhang mit Innovationen diskutieren. INFOS & ANMELDUG
20.05.2022 – 16:00-18:00 Uhr, Bonn/ online
Polis 180, Vortrag Herausforderungen für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU
Referent Thomas Ossowksi (Vertreter im Politischen & Sicherheitspolitischen Komitee der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EU) wird auf aktuelle Herausforderungen im Hinblick auf den russischen Angriff auf die Ukraine und die Diskussion um das Einstimmigkeitsprinzip in der EU eingehen. INFOS & ANMELDUG
20.05.2022 – 19:00-20:30 Uhr, online
FES, Podiumsdiskussion European Green Deal: Politischer Erfolg im Kampf gegen die Klimakrise oder vertane Chance?
Die Gäste der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) werden über die Erfolge, Potenziale und Probleme der Maßnahmen des Green Deal der EU diskutieren. INFOS & ANMELDUG
23.05.-24.05.2022, online
Gesundheitsforen, Seminar Sekundärdatenanalyse und Digitalisierung im Gesundheitsmarkt
Das Seminar soll aufzeigen, welche Daten zur tatsächlichen Versorgungssituation in Deutschland an welchen Stellen existieren, welche Fragen mit Real World Evidence und Epidemiologischen Studien beantwortet werden können und welche neuen Möglichkeiten durch die Digitalisierung eröffnet werden. INFOS & ANMELDUG
23.05-24.05.2022, Berlin
Conference The Role of the G7 in a New Geopolitical Environment
Topics to be presented and discussed at the event include the policy recommendations put forward by the Think7 task forces on climate and the environment, sustainable economic recovery, global health, international cooperation, economic transformation, and open societies. INFOS & REGISTRATION
23.05.-25.05.2022, Berlin
EIT, Conference Raw Materials Summit
The Raw Materials Summit, organized by the European Institute of Innovation and Technology (EIT), will highlight and discuss innovations and policy initiatives from across the raw materials value chain. INFOS & REGISTRATION
24.05.2022 – 12:00-18:00 Uhr, Hürth/ online
Deutsche Medienakademie, Roundtable HPC, Quanten- und Bio-Computing – Eine lange Reise?
Beim Roundtable der Deutschen Medienakademie werden zunächst Technologien wie neuromorphes Computing, Bio-Computing, HPC und Quantencomputing erläutert, anschließend sollen die Aspekte Sicherheit und Ethik diskutiert werden. INFOS & ANMELDUG
24.05.-25.05.2022, Stockholm (Schweden)
EIT, Conference EIT Health Summit 2022
At the EIT Health Summit, a sustainable transformation of healthcare in Europe that improves the resilience of healthcare systems and enables citizens to deliver better care will be discussed. INFOS & REGISTRATION
30.05.-02.06.2022, Hannover/ online
Conference Technology & Business Cooperation Days 2022
The key topics of the matchmaking event are Industry 4.0 and Smart Factory solutions, resource and energy efficient manufacturing technologies, sustainable energy and mobility as well as metrology tools. REGISTRATION UNTIL 24.05.2022
“Überall sehen wir Doppelarbeit und Zersplitterung”, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel. “Wir müssen mehr Geld ausgeben, aber vor allem müssen wir es gemeinsam ausgeben, um es besser auszugeben.”
Kurzfristig müssen die Mitgliedsstaaten, die viele Waffen nach Kiew für den Kampf gegen Russland geschickt haben, ihre Munitions- und Transportbestände aufstocken, sagte der Spanier. Es gehe auch um den Ersatz von Altsystemen aus der Sowjet-Ära und die Verstärkung der Luft- und Raketenabwehrsysteme, heißt es in einer Kommissionsmitteilung. Zu diesem Zweck richtet die Kommission zusammen mit der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) unverzüglich eine Task Force ein. Diese soll Wege aufzeigen, wie kurzfristige Sicherheitslücken geschlossen werden können.
Staaten, die “bereit sind, gemeinsam zu beschaffen, um die dringendsten und kritischsten Lücken zu schließen”, könnten von einem vorgeschlagenen Finanzinstrument in Höhe von 500 Millionen Euro profitieren, so die Kommissionsmitteilung.
Der Krieg hat die Aufmerksamkeit erneut auf den Zustand der Streitkräfte in Europa gelenkt. Im März wurde die EU-Kommission damit beauftragt, mithilfe der EDA die Schwachstellen zu ermitteln und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Diese wurden am Mittwoch von Borrell und seinen Kollegen Thierry Breton und Margrethe Vestager vorgestellt.
Langfristig muss die EU nach Ansicht der Kommission und der EDA mehr in Schiffe, Panzer, Drohnen, Luftbetankungsmöglichkeiten für Flugzeuge und in die Küstenverteidigung investieren. Der Konflikt habe auch gezeigt, wie wichtig die Satelliteninfrastruktur unter anderem für die Erkennung kritischer Bedrohungen sei.
Nach Jahren schrumpfender Ausgaben – eine Art “heimlicher Abrüstungsprozess”, so Borrell – haben sich die EU-Länder nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine verpflichtet, deutlich mehr Geld in ihre Armeen und Marinen zu stecken. In einer anderen Pressekonferenz sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie werde auf nationaler Ebene in den kommenden Jahren 200 Milliarden Euro mehr ausgeben. Dieses zusätzliche Geld müsse koordiniert ausgegeben werden.
Es ist keine Neuigkeit, dass die Beschaffung von Rüstungsgütern in Europa stark fragmentiert ist. Seit mehr als einem Jahrzehnt versuchen die EU-Staaten, dieser Zersplitterung entgegenzuwirken. Die Beschaffung von Ausrüstungsgütern bei inländischen Unternehmen gilt als ineffizient und teuer. Teilweise aus diesem Grund ist der Europäische Verteidigungsfonds (EDF) entstanden, der 8 Milliarden Euro im Zeitraum von 2021 bis 2027 zur Verfügung hat.
Borrell führte am Mittwoch das Beispiel der Vereinigten Staaten an, wo es nur einen einzigen Panzertyp gibt. In Europa gebe es 12. “Die logistischen Kosten, die Doppelarbeit und die mangelnde Interoperabilität sind in unseren Luftstreitkräften, in unserer Marine, überall offensichtlich.”
Hannah Neumann, Europaabgeordnete der Grünen, begrüßte den Vorschlag: “Schon lange ist bekannt, dass wir mit gemeinsamer Beschaffung viele Milliarden sparen und unsere Bürgerinnen und Bürger besser schützen können.”
Ihr CDU-Kollege im Europaparlament Michael Gahler sagte, die Kommission schlage den richtigen, aber auch lange überfälligen Weg ein: “Kleinstaaterei und Insellösungen können wir uns nicht länger leisten.”
Für die Kommission könnte die Initiative ein Meilenstein für ihre eigene Rolle in der EU-Verteidigung sein. Manche EU-Staaten haben traditionell die Kontrolle über die Verteidigungsausgaben als nationale Zuständigkeit streng gehütet. Befürchtungen, dass eine “EU-Armee” die Souveränität der Mitgliedstaaten untergraben könnte, gibt es schon lange. Kritik gibt es auch an einer Militarisierung der Europäischen Union, die oft ihre Identität als Friedensprojekt betont.
In den vergangenen Wochen haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der vielleicht lauteste Befürworter einer robusteren EU-Verteidigung, und Italiens Regierungschef Mario Draghi die Frage der Fragmentierung erneut aufgeworfen. Ersterer forderte neue EU-Schulden zur Finanzierung einer Überarbeitung des Verteidigungssektors, Letzterer rief zu einer Sonderkonferenz auf, die sich mit diesem Thema befassen sollte.
Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass die Kommission bei den Verteidigungsausgaben eine Vorreiterrolle übernimmt oder dass dies erwünscht ist. Laut Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies (CEPS) ist mehr Geld und Koordination durch die EU-Kommission ein möglicher Ansatz. Aber es sei wichtiger, dass ein Mitgliedsstaat auch eine klare Führung für ein gemeinsames Rüstungsprojekt übernimmt.
“Wir haben oft das Problem, dass kein Land wirklich verantwortlich ist und jedes Land seine eigenen Wünsche hinzufügt, sodass am Ende dann die Kosten aus dem Ruder laufen”, sagte Gros auf der Konferenz Europe.Decisions. von Table.Media.
Auch im Bundesverteidigungsministerium gibt es wenig Bereitschaft, Entscheidungskompetenzen an die EU-Kommission abzutreten. “Ob eine reine europäische Lösung und Koordination es einfacher macht, sehe ich nicht sofort”, sagte Henning Trieschmann, Referatsleiter für die Gemeinsame Verteidigungspolitik auf der Konferenz. Ella Joyner
Die Bundesregierung will gemeinsam mit Dänemark, Belgien und den Niederlanden den Ausbau von Offshore-Windenergie deutlich ankurbeln und enger zusammenarbeiten. So wollen die vier Nordsee-Staaten bis zum Jahr 2030 ihre Offshore-Leistung vervierfachen – auf gemeinsam mindestens 65 Gigawatt, wie die Regierungschefs am Mittwoch in der Stadt Esbjerg an der dänischen Küste vereinbarten. Bis 2050 soll die Leistung auf 150 Gigawatt ausgebaut und damit im Vergleich zu heute verzehnfacht werden.
“Das ist nicht nur eine Erklärung, sondern der Werkzeugkasten für das, was wir zu tun haben und in der nächsten Zeit tun werden”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nach Dänemark gereist war, um die Erklärung der vier Staaten zu unterschreiben. “Damit verstärken wir den europäischen Ausbau erneuerbarer Energien und reduzieren so weiter die Abhängigkeit von Gasimporten”, sagte Habeck.
Dem sogenannten Osterpaket der Bundesregierung zufolge soll die Leistung der Offshore-Windparks in Deutschland von 7,8 Gigawatt bis zum Jahr 2030 auf mindestens 30 Gigawatt steigen. 80 Prozent des Stroms in Deutschland sollen bis dahin aus erneuerbaren Quellen kommen.
Die vier Nordsee-Staaten wollen über die Ausbauziele hinaus ihre Kooperation bei der künftigen Erzeugung grünen Wasserstoffs, bei dessen Erzeugung kein Treibhausgas CO2 anfällt, aus Offshore-Windenergie verstärken und gemeinsame Energieinseln und Drehkreuze in der Nordsee errichten. dpa
Der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel warnt davor, angesichts des Konfliktes mit Moskau auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu China infrage zu stellen. Es sei zwar “misslungen”, das in Europa erfolgreiche Modell der Friedenssicherung durch wirtschaftliche Verflechtung auf Russland zu übertragen, sagte der Vorsitzende der Atlantik-Brücke auf der Konferenz Europe.Decisions. von Table.Media. Das bedeute aber nicht, dass die Strategie des Wandels durch Handel per se gescheitert sei.
Die EU müsse allerdings versuchen, die Abhängigkeit auch von China zu verringern. “Wir werden versuchen müssen, uns breiter aufzustellen”, so Gabriel. “Aber das geht nicht über Nacht und vor allem nicht in einem Land, das wie Deutschland mehr als jedes andere Land auf der Welt in die internationalen Wertschöpfungsketten integriert ist.” Die Vorstellung, quasi autark zu werden und nur mit demokratischen Staaten zu handeln, werde daher nicht funktionieren.
Liana Fix, Russland-Expertin der Körber-Stiftung, rechnet damit, dass der Ukraine-Krieg langfristig zu einer neuen Blockbildung führen wird, mit China als der Führungsmacht des östlichen Machtblocks. “Zurzeit sieht es so aus, als ob Russland langfristig kein eigener Pol mehr sein kann und wir deswegen eine Ost-West-Blockbildung sehen werden, in der Russland mehr oder weniger zum chinesischen Einflussbereich gehört“, sagte sie auf der Konferenz. Russland werde durch den Krieg und die Sanktionen wirtschaftlich und militärisch voraussichtlich dauerhaft geschwächt sein und keinen eigenen Pol in der internationalen Ordnung darstellen können.
Auch die Europäische Union werde langfristig kein eigener Pol sein, so Fix. “Europa ist trotz aller Bemühungen um strategische Autonomie langfristig zu schwach militärisch, um ohne die USA in der zunehmend militarisierten Geopolitik dieser Welt bestehen zu können.” Europa müsse sich daher als starker Partner innerhalb des westlichen und transatlantischen Bündnisses positionieren. tho
Die Regeln für den Wechsel von EU-Beamten in die freie Wirtschaft sind nach Ansicht der europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly nicht streng genug. Es bestehe die Tendenz, schädliche Auswirkungen zu unterschätzen, wenn die Beamten ihr Wissen und ihre Netzwerke im privaten Sektor einbringen, sagte sie am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Jahresberichts. “Wird diese Praxis jetzt nicht unter Kontrolle gebracht, kann sich eine Kultur etablieren, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität und den Sachverstand der EU-Institutionen untergraben könnte“, so O’Reilly.
Die EU-Verwaltung befinde sich an einem kritischen Punkt, was den Umgang mit diesen Seitenwechseln betreffe. Der Wechsel von Vertreterinnen und Vertretern der Regulierungsbehörden in Wirtschaftsbereiche, die sie früher selbst reguliert haben, sei in Brüssel zu einem “problematischen Thema” geworden, sagte die Irin. Sie habe aber keinen Verwaltungsmissstand festgestellt.
In der Vergangenheit hatten vor allem Wechsel von hochrangigen Mitarbeitern aus der Generaldirektion Wettbewerb für Kritik gesorgt. Die Abteilung ist etwa dafür zuständig, Verstöße gegen europäisches Wettbewerbsrecht zu verfolgen und Strafen zu verhängen. Wie unter anderem das Nachrichtenportal “Politico” berichtete, wechselten in der Vergangenheit mehrere Mitarbeiter zu Anwaltskanzleien, die auch für Firmen tätig sind, mit denen die EU-Kommission in Rechtsstreite verwickelt ist.
Die Ombudsfrau hat eine Stichprobe von 100 Entscheidungen über Seitenwechsel aus den Jahren 2019 bis 2021 untersucht. Davon habe die Kommission nur zwei Tätigkeiten verboten. Sie fordert nun unter anderem, dass Jobs vorübergehend verboten werden, bei denen Risiken nicht durch Auflagen ausgeglichen oder Auflagen nicht glaubwürdig überwacht und durchgesetzt werden können. Zudem sollte eine Zustimmung zu einer neuen Tätigkeit davon abhängig gemacht werden, dass EU-Beamte eine Zusage ihres neuen Arbeitgebers erhalten, etwaige Auflagen auf deren Webseite zu veröffentlichen. dpa
Im Ringen um die Beilegung langjähriger Kartellstreitigkeiten mit der EU-Kommission wegen seines Cloud-Geschäfts revidiert der US-Softwareriese seine Lizenzierungsdeals. Es werde europäischen Cloud-Anbietern leichter gemacht, zu konkurrieren, kündigte Microsoft-Präsident Brad Smith an. Die Änderungen zielten darauf ab, die wesentlichen Vorbehalte auszuräumen. Das sei ein erster Schritt, aber nicht unbedingt der letzte, den das Unternehmen gehen werde.
Im Mittelpunkt der Kritik stehen Paketlösungen für Microsoft Office, die nun flexibler gehandhabt werden sollen. In den zurückliegenden Monaten hatten einige europäische Cloud-Anbieter, darunter NextCloud aus Deutschland und OVHcloud aus Frankreich, Bedenken hinsichtlich bestimmter Software-Lizenzierungsbedingungen und -praktiken von Microsoft vorgebracht. rtr
Seit dem zweiten Quartal 2021 hat die Inflation im Vereinigten Königreich, in den Vereinigten Staaten und in der Eurozone das 2-Prozent-Ziel der jeweiligen Zentralbanken weit überschritten. Dieser Anstieg ließe sich durchaus mit der unerwarteten Schwere und Dauer der Coronavirus-Pandemie, den Auswirkungen des russischen Krieges in der Ukraine und wiederholten Fehleinschätzungen der Bank of England, der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank erklären.
Eine weitere mögliche Erklärung ist jedoch, dass die Geldpolitik fiskalischer Dominanz unterworfen oder fiskalisch vereinnahmt wurde. Dieser Interpretation zufolge haben die großen Zentralbanken eine aggressive Niedrigzins- und Ankaufspolitik betrieben, um die expansive Fiskalpolitik ihrer Regierungen zu unterstützen, obwohl sie wussten, dass eine solche Politik ihrem Preisstabilitätsmandat zuwiderlaufen dürfte und zur Wahrung der Finanzstabilität nicht notwendig war.
Die Interpretation der “fiskalischen Vereinnahmung” ist besonders überzeugend im Hinblick auf die EZB, die sich mit mehreren Staaten befassen muss, die mit Problemen der Tragfähigkeit ihrer Schuldenlast konfrontiert sind. Griechenland, Italien, Portugal und Spanien sind alle hoch verschuldet und gegenüber ihren Kreditgebern anfällig.
Und Frankreich, Belgien und Zypern könnten ebenfalls mit Problemen bei der Staatsfinanzierung konfrontiert werden, wenn der nächste Konjunkturabschwung eintritt, oder wenn sich die risikofreien Zinssätze von den außergewöhnlich niedrigen Niveaus des letzten Jahrzehnts normalisieren oder wenn das Länderrisiko realistischer bewertet wird.
Im April 2022 lag die Gesamtinflation in der Eurozone bei 7,5 Prozent und die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie) bei 3,5 Prozent. Die EZB ist dennoch weiterhin intensiv mit der Finanzierung der Staatsdefizite beschäftigt. Dies zeigte sich in ihrer Ankündigung vom 24. März 2022, dass sie griechische Staatsanleihen noch mindestens bis Ende 2024 als Sicherheiten akzeptieren würde.
Griechische Staatsanleihen erfüllen nicht die Bonitätsanforderungen der EZB für Investment-Grade-Anleihen, werden aber seit März 2020 vom Eurosystem (der EZB und den Zentralbanken der Mitgliedstaaten) im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Program, PEPP) gekauft und gehalten.
Im Dezember 2021 gab der EZB-Rat bekannt, dass er die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP Ende März 2022 einstellen würde. Er beschloss jedoch auch, dass die Tilgungsbeträge mindestens bis Ende 2024 bei Fälligkeit wieder angelegt werden, damit “das zukünftige Auslaufen des PEPP-Portfolios so gesteuert werden [kann], dass eine Beeinträchtigung des angemessenen geldpolitischen Kurses vermieden wird”.
Darüber hinaus stellte der EZB-Rat im März 2022 klar, dass er auch weiterhin die Schulden anderer Staaten, die unter eine Investment-Grade-Bewertung fallen könnten, kaufen und als Sicherheiten akzeptieren könnte. Die EZB “behält sich das Recht vor, auch künftig von den Bonitätsbewertungen der Ratingagenturen abzuweichen, wenn dies im Einklang mit ihrem Ermessensspielraum innerhalb des geldpolitischen Handlungsrahmens gerechtfertigt ist, um eine automatische Abhängigkeit von diesen Bewertungen zu vermeiden”.
Insgesamt beliefen sich die Bestände des Eurosystems an Wertpapieren des öffentlichen Sektors im Rahmen des PEPP Ende März 2022 auf mehr als 1.6 Billionen Euro (1,7 Billionen US-Dollar) bzw. 13,4 Prozent des BIP des Euro-Währungsgebiets von 2021, und die kumulierten Nettokäufe griechischer Staatsanleihen im Rahmen des PEPP beliefen sich auf 38,5 Milliarden Euro (21,1 Prozent des griechischen BIP von 2021). Für Portugal, Italien und Spanien lagen die entsprechenden BIP-Anteile der PEPP-Nettokäufe bei 16,4 Prozent, 16 Prozent bzw. 15,7 Prozent.
Im Rahmen des Programms zum Ankauf von Staatsanleihen (Public Sector Purchase Program, PSPP) des Eurosystems wurden ebenfalls Nettokäufe von Staatsanleihen mit Investment-Grade-Rating getätigt. Von November 2019 bis Ende März 2022 beliefen sich diese auf insgesamt 503,6 Milliarden Euro bzw. 4,1 Prozent des BIP des Euroraums. Insgesamt kaufte das Eurosystem mehr als 120 Prozent der in den Jahren 2020 und 2021 begebenen Netto-Emissionen von Staatsanleihen im Euroraum.
Berichten zufolge arbeitet die EZB nun an einem “neuen Instrument”, um Mitgliedstaaten der Eurozone zu unterstützen, die aufgrund der erwarteten künftigen Leitzinserhöhungen der EZB mit höheren Kreditkosten konfrontiert würden. Die Renditedifferenzen bei risikoreichen Staatsanleihen der Eurozone steigen wieder an – die Renditedifferenz zehnjähriger Anleihen zwischen Italien und Deutschland erreichte am 10. Mai 2022 zwei Prozent – und das zu einer Zeit, in der viele anfällige Staaten immer noch zusätzliche große Nettoemissionen von Schuldtiteln planen.
Ich erwarte, dass entweder die PSPP-Regeln geändert werden, um den Ankauf von Schuldtiteln mit Sub-Investment-Grade-Rating zu ermöglichen, oder dass eine neue PEPP-ähnliche Fazilität für diesen Zweck geschaffen wird. So oder so ist die EZB die einzige Institution, die über die Ressourcen und die nötige Reaktionsgeschwindigkeit verfügt, um fiskalische Rettungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus, der eigens für die Bewältigung von Staatsschuldenproblemen in der Eurozone geschaffen wurde, verfügt weder über die nötigen Mittel noch über die Flexibilität, um auf eine sich abzeichnende Staatsfinanzierungskrise rasch und entschlossen zu reagieren.
Tatsächlich belief sich die Gesamtsumme der vom ESM (und seinem Vorgänger) seit 2010 verteilten Kredite im April 2022 auf gerade einmal 295 Milliarden Euro, was 2,4 Prozent des BIP entspricht. Und Deutschland hat gerade einen Vorschlag des ESM abgelehnt, einen neuen ständigen Hilfsfonds im Wert von 250 Milliarden Euro (etwa 2 Prozent des BIP der Eurozone) zu schaffen.
Sobald die EZB beginnt, ihre Leitzinsen zu erhöhen (was bald der Fall sein dürfte, auch wenn die Erhöhung zu gering ausfallen und zu spät kommen wird), wird sie meines Erachtens ihre Anleihekäufe fortsetzen. Höchstwahrscheinlich werden diese auf die risikoreichen Staatsanleihen von Ländern wie Griechenland und Italien abzielen, obwohl auch gezielte Käufe von Unternehmensanleihen und forderungsbesicherten Wertpapieren Teil des “neuen Ankaufprogramms” sein könnten.
Wenn derartige Ankäufe von Vermögenswerten unter ungeordneten Marktbedingungen erfolgen, können sie als “Market Maker of Last Resort”-Maßnahmen gerechtfertigt sein. Dies wird wahrscheinlich bei den Ankäufen von Unternehmensanleihen durch das Eurosystem der Fall sein, vorausgesetzt, dass diese wieder rückgängig gemacht werden, sobald geordnete Marktbedingungen wiederhergestellt sind.
Wenn das Eurosystem jedoch zum langfristigen Inhaber eines wachsenden Bestands an gefährdeten Staatsanleihen wird, was aus Gründen der systemischen Finanzstabilität nicht zu rechtfertigen ist, wird es noch mehr finanzpolitische Stützungsmaßnahmen (und manchmal auch fiskalpolitische Rettungsmaßnahmen) durchführen.
Natürlich belagert kein Finanzminister eines Mitgliedslandes den Sitz der EZB, so dass man argumentieren könnte, dass diese Form der fiskalischen Vereinnahmung freiwillig erfolgt oder verinnerlicht wurde. Das heißt aber nicht, dass sie dem Ziel der Preisstabilität nicht abträglich ist.
In Kooperation mit Project Syndicate, aus dem Englischen von Sandra Pontow.