Analyse
Erscheinungsdatum: 14. Januar 2025

Frequenzspektrum: Warum die Kommission es harmonisieren will – und wer dazwischen funkt

Die EU will Frequenzen europaweit harmonisieren, um den Binnenmarkt zu stärken. Doch die Mitgliedsländer sträuben sich. Auch auf nationaler Ebene gibt es bereits Streit um Spektrum.

Die Kommission plant, die Verwaltung von Funkfrequenzen in Europa zu reformieren. Auch dieses Vorhaben soll auf das Ziel einzahlen, die digitale Souveränität der EU zu stärken und den digitalen Binnenmarkt zu fördern. Dies hat die Kommission in ihrem Weißbuch „Wie lässt sich der Bedarf an digitaler Infrastruktur in Europa decken?“ hinterlegt, das der Vorbereitung eines kommenden Digital Networks Acts dienen soll.

Doch auch wenn sich niemand explizit gegen eine Harmonisierung wehrt, so gibt es dennoch Unstimmigkeiten in Details. Etwa die Frage: Wie kann eine Schultheateraufführung störungsfrei stattfinden, wenn ein Bundeswehrkonvoi vorbeifährt? Diese innerdeutsche Diskussion wird so oder so ähnlich auch in anderen Mitgliedstaaten geführt werden.

So hebt etwa Heike Raab, Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, „die Bedeutung der nationalen Zuständigkeiten im Bereich der Frequenzverwaltung“ hervor. Und sie freut sich, dass sowohl die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme als auch der Ministerrat in seinen Ratsschlussfolgerungen zum Weißbuch das ebenso sehen.

Der Plan für den Digital Networks Act geht noch auf die Initiative von Ex-Kommissar Thierry Breton zurück. Vizepräsidentin Henna Virkkunen hat aber bereits angekündigt, dass sie diesen Plan weiter vorantreiben will.

Mit der Harmonisierung des Frequenzspektrums will die Kommission eine effizientere Nutzung der knappen Frequenzen gewährleisten und EU-weite digitale Dienste ermöglichen. Derzeit ist die Harmonisierung von Frequenzen ein langwieriger Prozess. Er erfordert die Einbeziehung von Nicht-EU-Ländern durch die CEPT (Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation).

Die Kommission sieht in diesem Prozess ein Risiko für die digitale Souveränität der EU. Daher möchte sie sicherstellen, dass Entscheidungen über Frequenzen in Europa primär EU-Akteure treffen. Um dies zu erreichen, schlägt sie verschiedene Optionen vor. Dazu gehört etwa die Einrichtung eines Ad-hoc-Ausschusses aus EU-Mitgliedstaaten oder die Aufgabe der CEPT-Beteiligung.

Der Rat betont in seiner Schlussfolgerung die zentrale Rolle der Mitgliedstaaten im Spektrummanagement und betrachtet die Frequenzverwaltung als wichtige nationale Kompetenz. Er argumentiert, dass die nationale Steuerung notwendig ist, um auf spezifische Bedürfnisse und Herausforderungen – wie grenzüberschreitende Störungen – flexibel reagieren zu können, ohne den Verwaltungsaufwand oder die Entscheidungsdauer zu erhöhen.

Auch im deutschen Digitalministerium sieht man das so. „Bei den Frequenzen ist uns wichtig, dass wir zu einer besseren Abstimmung kommen“, sagte Digitalminister Volker Wissing am Rande des Ministerrats zu Table.Briefings. Aber Frequenzvergabe und Frequenzpolitik müsse einerseits in den etablierten Foren bleiben, etwa bei der Weltfunkkonferenz der Internationalen Fernmeldeunion (ITU). „Andererseits brauchen wir bei der Zuteilung der Frequenzen eine starke Rolle der nationalen Ebene “, fügte Wissing hinzu.

Die starke Rolle auf deutscher Ebene spielen die Länder. Vor dem Hintergrund der technischen Entwicklungen und der geopolitischen Lage sei es richtig, dass sich die EU mit der digitalen Infrastruktur Europas und deren Weiterentwicklung beschäftige, sagt Raab. „Gerade, wenn es um das Thema der Rundfunkfrequenzen geht “, sei es ihr wichtig, „dass die nationalen Spielräume und Zuständigkeiten gewahrt werden“.

Dabei gibt es bereits innerhalb Deutschlands Streit. Denn Frequenzen sind knapp und begehrt. Nicht nur für den Mobilfunk (5G) oder neue Anwendungen, wie das autonome Fahren. Auch um die Rundfunk- und Kulturfrequenzen (UHF-TV-Frequenzen im Bereich 470 bis 694 MHz).

Auf der Weltfunkkonferenz 2023 (WRC23) fiel zwar die Entscheidung, dass der Rundfunk in dem Frequenzbereich alleiniger Primär- und die Veranstaltungsbranche Sekundärnutzer bleibt. Letztere braucht die Frequenzen unter anderem für drahtlose Mikrofone, In-Ear-Monitore, Videokameras sowie für die interne Kommunikation. Doch nun macht die Bundeswehr den bisherigen Nutzern den Frequenzbereich streitig und beansprucht zusätzliche Frequenzbereiche im UHF-Spektrum.

Aktuell stattet die Bundeswehr mehrere Tausend Fahrzeuge des Heeres mit digitalen Funkgeräten aus, um verschlüsselt und abhörsicher miteinander und mit anderen Nato-Partnern funken zu können. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums teilte auf Anfrage mit, dass die „zunehmende Digitalisierung“ zu steigenden Bedarfen in unterschiedlichste Frequenzbereichen führten.

„Das bedeutet im Hinblick auf die geänderte Sicherheitslage, dass auch die Nutzung des verfügbaren Frequenzspektrums in einer ausgewogenen Balance zwischen wirtschaftlichen, kulturellen und sicherheitspolitischen Anforderungen anzupassen ist.“ Man befinde sich hinsichtlich der Umsetzung der militärischen Mitnutzung des UHF-Bands aktuell in der „konstruktiven Abstimmung mit den Bandnutzern, den Ländern sowie mit den betroffenen Ressorts“.

Begehrt ist der Frequenzbereich beim aus den gleichen Gründen, aus denen auch Theater und Konzertveranstalter ihn schätzen. „Dieser Bereich ist wegen seiner technischen Eigenschaften – zum Beispiel der Durchdringung von Wänden oder Kulissen – und der europäischen Harmonisierung ideal“, sagt Jochen Zenthöfer, Ko-Vorsitzender des Verbands drahtloser Produktionstechnik (APWPT) und Sprecher der Initiative SOS – Save Our Spectrum. „Künstler können so mit dem gleichen Equipment in ganz Europa touren “.

Die Bundeswehr habe ihren Bedarf erst nach der WRC23 angemeldet, betont Zenthöfer. Deutschland habe sich dort noch für die Position von Rundfunk und Kultur eingesetzt. Nun gibt es Streit zwischen dem Verteidigungsministerium und den Bundesländern. Das Verteidigungsministerium habe zunächst versucht, die Mitnutzung der Frequenzen im Kabinettsverfahren durchzusetzen, was Heike Raab aber stoppte.

Aus technischen Gründen könnten die Bundeswehr sowie Rundfunk und Kulturbranche die Frequenzen nicht in größerem Umfang gleichzeitig nutzen. „Da sind die gegenseitigen Störungen zu groß “, sagt Raab auf Anfrage. Zur künftigen militärischen (Mit-)Nutzung des TV-UHF-Bandes würden Gespräche zwischen Bund, Ländern und Betroffenen geführt, koordiniert unter Federführung des BMDV. Ziel sei es, ein Konzept zur künftigen Nutzung des TV-UHF-Bandes zu erarbeiten.

„Meines Erachtens ist es wichtig, dem Rundfunk die Terrestrik als kostengünstigen und niederschwelligen Übertragungsweg zu erhalten und auch die Möglichkeit offenzuhalten, 5G Broadcast als eine für mobile Endgeräte optimierte Übertragungstechnologie einzuführen“, sagt Raab. Die terrestrischen Frequenzen, die über erdgebundene Antennen statt über Satelliten funktionieren, spielten für die mediale Teilhabe eine ganz besondere Rolle. Die drahtlose Produktionstechnik sei nicht nur unabdingbar für professionelle Rundfunkmedienproduktionen, sondern auch „ für die Existenz der Kultur- und Kreativwirtschaft “, betont Raab. „Medien und Kultur müssen alle erreichen.“

Der Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz sei bereits europaweit für drahtlose Mikrofone und terrestrische Fernsehausstrahlung standardisiert. Es sei quasi ein europäischer Binnenmarkt für Kulturfrequenzen, sagt Zenthöfer. Er verweist auf Italien, wo die terrestrische Fernsehausstrahlung 80 Prozent der Haushalte erreicht. Eine Änderung dieses Frequenzbereichs, etwa durch die Bundeswehr oder auch die Nato, „würde Italien vor große Herausforderungen stellen“, meint er.

Momentan beantragt die Bundeswehr nach Angaben von Zenthöfer Versuchsfunklizenzen für 18 Kasernenstandorte, um die Frequenzen innerhalb dieser Gelände nutzen zu dürfen. Problematisch seien aber nicht nur die Standorte. „Ein weiteres Problem sind die Marschrouten der Bundeswehr, bei denen es zu Störungen von Fernsehgeräten und Mikrofonen kommen könnte“, sagt Zenthöfer. Wenn also draußen Panzer rollen, fallen beim Popkonzert oder der Schultheateraufführung die Mikrofone aus.

Als Lösungsansatz schlägt er vor, dass die Bundesnetzagentur als neutrale Stelle eine Plattform zur Koordinierung der Frequenznutzung schafft. Kritisch sieht er die Idee einer europäischen Frequenzbehörde. „Ich befürchte, dass die Interessen der Kultur- und Veranstaltungsbranche gegenüber denen des Mobilfunks in den Hintergrund geraten würden“, sagt Zenthöfer.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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