der graue Mao-Anzug sagte eigentlich schon alles. Dazu die Rhetorik mit den üblichen Sprüchen vom Marxismus mit chinesischen Charakteristiken und der ruhmreichen Partei. Natürlich wagt ein Machthaber wie Xi Jinping keinen mutigen Schritt in die Zukunft. Doch es erschreckt auch nach acht Jahren noch immer, ihm beim Marsch in die Vergangenheit zuzusehen. Frank Sieren hat Xi zugehört und analysiert dessen Rede zum 100. Jahrestag der Kommunistischen Partei. Es fanden sich zwar nur wenig Neuerungen, dafür aber die markige Formulierung von der “Mauer aus Stahl”, mit der sich China vor der Welt schützen will.
Johnny Erling erzählt da von einer anderen Zeit im Umgang mit China, in der die Volksrepublik faktisch zwar viel abgeriegelter war, zugleich aber höchst neugierig auf die Welt da draußen. Ein Franz Josef Strauß wurde da spontan von der Großen Mauer zu einer Überraschungs-Audienz bei Mao im 1.450 Kilometer entfernten Changsha abgeholt. Deutsche Politiker wie die Rivalen Strauß, Kohl und Schmidt haben sich noch darin überboten, wer länger mit Mao reden durfte. Sie fanden China wichtig, obwohl damals von den später so guten Wirtschaftsbeziehungen nicht einmal Ansätze zu erkennen waren.
Heute zeigt sich der Volkswagen-Konzern auf hohem Niveau enttäuscht, wenn er in einem Monat auf seinem Lieblingsmarkt nur 1.500 Stück eines neuen Modells verkauft. Der Elektro-SUV ID.4 hat einfach nicht genug moderne Technik an Bord, schreibt Felix Lee. Während deutsche Autokunden die digitalen Funktionen vielleicht noch als Schnickschnack abtun und eher auf Spaltbreiten, Laufruhe und andere Qualitätsmerkmale achten, stehen die Gimmicks für Chinas junge Autofahrer:innen im Vordergrund. VW will nun bei den kommenden Modelleinführungen nachbessern und von Anfang an mehr KI einbauen.
Die Welt blieb nicht stehen in China, als Staats- und Parteichef Xi Jinping gestern Morgen am Platz des Himmlischen Friedens in Peking die Rede zu 100 Jahre KP Chinas gehalten hat. Die Bauarbeiter unterbrachen die Arbeiten an den beiden neuen Brücken über den Liangma Fluss zwischen Kempinski Hotel und der Solana Shopping Mall nicht, obwohl die Rede über einen Livestream am Smartphone leicht zu empfangen ist. In Sanlitun Taikoo Li, einem der angesagtesten und edelsten Shopping- und Ausgehviertel Pekings, wird die Rede sogar über eine riesige Leinwand übertragen. Doch der Public Viewing Spot ist bis auf eine Handvoll Zuschauer verwaist. Die Chinesen wissen, viel Neues wird ihr Präsident nicht sagen. Und stolz auf die Erfolge Chinas sind sie sowieso.
Xi ließ die Veranstaltung denn auch vergleichsweise schlicht gestalten. Keine große Parade, wie immer wieder in den vergangenen 20 Jahren. Nur eine Formation von Militärhubschraubern bildete die Zahl 100 am Himmel und flog mit herabhängenden Fahnen, auf denen unter anderem “Lang lebe die Kommunistische Partei” stand. Formationen des modernen chinesischen Überschall-Kampfjets J-20, die blaue, gelbe und rote Farbstreifen hinter sich herzogen, flogen kurz über den Platz. Eher eine festliche Geste als eine militärische Machtdemonstration.
Aus 56 Kanonen, die die Zahl der ethnischen Gruppen in China repräsentieren, wurden 100 Schuss Salut gefeuert, während eine Ehrengarde der drei Waffengattungen vom Monument der Helden im Zentrum des Platzes zum Teil im Stechschritt marschierte. Den Platz säumten 100 Flaggen. Ansonsten keine großen Aufbauten auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Nur drei große rote Bögen im Zentrum. Auf dem einen steht 1921 auf dem zweiten, dem größten, sind Hammer und Sichel zu sehen. Auf dem dritten steht 2021. Der Platz ist vor allem mit 70.000 Parteimitgliedern aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten gefüllt. Die meisten davon sitzen auf Klappstühlen. Die Präsentation der Massen auf dem Platz des Himmlischen Friedens ist erstaunlich traditionell und spiegelt das moderne vielfältige China nicht wider.
Xi selbst inszeniert sich betont bescheiden und wirkt dadurch erst recht mächtig. Als einziger in der Führung trägt er einen grauen Anzug mit sehr großem geschlossenem Kragen, wie ihn Mao Zedong zur Gründung Chinas getragen hat. Darunter sieht man ganz knapp den Rand des weißen Stehkragenhemdes. Hinter ihm nur die mächtigen goldfarben verzierten Türen auf dem Balkon des Tian’anmen-Tores über dem großen Porträt von Mao. Vor ihm die traditionellen fünf Mikrofone, deren Anzahl technisch zwar keinen Sinn hat, den Machtanspruch aber optisch deutlich werden lässt. Der einzige Schmuck in diesem sorgsam komponierten Bild des Präsidenten: das schlichte Emblem mit Hammer und Sichel vorne auf dem Rednerpult.
Xi spricht zunächst darüber, dass China es geschafft hat, sich von einem verarmten Land zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu entwickeln. China begrüße “konstruktive Kritik aus dem Ausland”. Das Land sei begierig, von den Errungenschaften anderer Kulturen zu lernen. Die chinesische Nation trage “keine aggressiven oder hegemonialen Züge in ihren Genen.” China habe stets daran gearbeitet, “den Frieden der Welt zu sichern, sich an der globalen Entwicklung zu beteiligen und die internationale Ordnung aufrechtzuerhalten.”
Für die Zukunft verpflichte sich China, eine “neue Form der internationalen Ordnung für eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.” Dabei werde es mit allen friedensliebenden Ländern zusammenarbeiten und die “gemeinsamen Werte wie Frieden, Entwicklung, Fairness, Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit fördern.” China werde weiterhin “Kooperation gegenüber Konfrontation bevorzugen, sich weiter öffnen, statt seine Türen zu schließen, und eine Entwicklung in beiderseitigem Nutzen konzentrieren.”
Dann wird der Ton jedoch frostiger. China lasse sich nichts mehr vorschreiben, so Xi. “Wir werden niemals scheinheilige Predigten von jenen akzeptieren, die glauben, sie hätten das Recht, uns zu belehren.” China müsse nun seinen eigenen Weg gehen. Die Zeit, China zu schikanieren, sei “für immer vorbei”, sagt Xi.
Das Motiv der Abgrenzung zur Außenwelt steigert er dann noch. “Wer das wagt, dem wird an der Großen Mauer aus Stahl, geschmiedet von 1,4 Milliarden Chinesen, der Kopf blutig geschlagen.” An dieser Stelle brechen die 70.000 Menschen auf dem Platz in Jubel aus. Die Stimmung in der Bevölkerung hat er damit sicherlich getroffen. Es ist eine der wenigen Stellen, an denen Xi in die neue nationalistische Tonlage fällt. Die einstündige Rede bot ansonsten wenig Überraschendes.
Danach rief der Parteichef jedoch auch zur Modernisierung der Streitkräfte auf. “Eine starke Nation muss eine starke Armee haben.” Allerdings erwähnte er die Armee erst im letzten Drittel der Rede. Dabei betonte er, dass sich die Armee streng an die Vorgaben der Politik halten müsse.
Xi kritisierte die “Unabhängigkeitskräfte” in Taiwan. Die allermeisten Regierungen der Welt sehen es als Teil Chinas, behauptete der Parteichef. Er rief zur “friedlichen Wiedervereinigung” mit der Insel auf. Niemand dürfe die Entschlossenheit und Fähigkeit Chinas unterschätzen, “seine Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen.” Nun müssten alle gemeinsam daran arbeiten, so der Präsident, “jegliche Bestrebungen zur Unabhängigkeit Taiwans zu zerschlagen”.
Xi Jinping unterstrich die Führungsrolle der Partei. Chinas Erfolg hängt von der Partei ab. Ohne die KP Chinas gebe es keine “Erneuerung”. Die vielen dunklen Seiten der Parteigeschichte spielen während der 100-Jahr-Feierlichkeiten allerdings keine Rolle.
Er sollte Volkswagen bei der Elektromobilität in China eigentlich zum Durchbruch verhelfen: Der ID.4, das erste SUV aus der vollelektrischen ID-Familie. Doch zumindest das Debüt ist auf dem weltgrößten und auch für VW wichtigsten Absatzmarkt gefloppt.
Im Mai hat Volkswagen in China gerade einmal 1.213 Exemplare des Modells verkauft, etwa 200 Stück weniger als im April, dem ersten Monat nach Verkaufsstart. Das zumindest geht aus den Daten hervor, die das Auto-Beratungsunternehmen LMC kürzlich bekannt gegeben hat.
Volkswagen widerspricht dieser Zählweise. Eine Sprecherin sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, allein im Mai seien von den beiden Modellen ID.4 X und ID.Crozz 1.500 Fahrzeuge verkauft worden, rund 200 mehr als im April. Die Differenz zu den Zahlen von LMC erklärte sie mit Unterschieden bei der Erhebung der Daten.
Doch ob 200 mehr oder weniger – die Zahlen gelten im Konzern als herbe Enttäuschung, wie mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen verrieten. “Die Verkäufe liegen bisher hinter unseren Erwartungen zurück. Wir mussten die Produktionspläne für den ID.4 immer wieder herunterschrauben“, wird ein Insider zitiert. “Das ist nicht gesund, aber im Moment kommen die Kunden nicht, um sie zu kaufen.”
VW verkauft den ID.4 in China seit Anfang April in zwei verschiedenen Versionen. Sie werden von zwei unterschiedlichen Kooperationspartnern hergestellt. Der ID.4X wird zusammen mit SAIC aus Shanghai gefertigt. Der ID.4 Crozz wird mit dem VW-Joint-Venture-Partner FAW in der nordostchinesischen Stadt Changchun produziert. Beide Varianten unterscheiden sich in der Ausführung aber nur minimal.
Insider führen Reuters gegenüber das schlechte Debüt beider SUV-Modelle auf einen Mangel an technischen Funktionen zurück. Dazu kommen die beinharte Konkurrenz, der vergleichsweise späte Start und Probleme mit einem neuen Vertriebsnetz für E-Autos in China. So brillieren vor allem die chinesischen Hersteller mit jeder Menge Technik, die ihre Fahrzeuge nahe an das autonome Fahren bringen. Volkswagen schneidet hier vor allem sehr viel schlechter ab als der US-Rivale Tesla. Das schlägt sich in den Verkaufszahlen nieder. Beim Debüt seines SUV-Modells Y lieferte Tesla in den ersten beiden Monaten nach der Markteinführung in China insgesamt 6.612 Fahrzeuge aus, also fast dreimal so viel wie VW mit seinen ID.4-Modellen. Das Modell Y ist mit dem ID.4 vergleichbar.
Die VW-Zentrale widerspricht jedoch offiziell dieser Sichtweise. “In der aktuell laufenden Einführungsphase, die neben dem Hochlauf der Fabriken auch ein vollkommen neues Vertriebsmodell umfasst, liegt der Absatz für die beiden Modelle im Rahmen der Erwartungen”, heißt es aus Wolfsburg. “Wir verzeichnen ein stetiges Wachstum der Auslieferungen und sind zuversichtlich, dass sich die Nachfrage in den kommenden Monaten weiter positiv entwickeln wird”, sagte ein VW-Sprecher. Weltweit stoße der ID.4 auf großes Kundeninteresse. VW habe bereits mehr als 50.000 Bestellungen erhalten. Tatsächlich sehen die Verkäufe in Europa sehr viel besser aus. Dort war der ID.4 den Daten von JATO Dynamics zufolge mit rund 12.100 verkauften Fahrzeugen in den ersten zwei Monaten nach Markteinführung sogar das meistverkaufte Elektroauto überhaupt.
Bis 2025 will Volkswagen zum weltgrößten Anbieter von Elektroautos aufsteigen. Der Wolfsburger Konzern hat bereits viele Milliarden Euro in die Entwicklung neuer Fahrzeuge gesteckt, weitere Investitionen sollen folgen. Bis spätestens 2030 will sich der gesamte Konzern zu einem reinen Hersteller von Elektro-Fahrzeuge entwickeln. Der entscheidende Kampf findet aber in China statt, dem größten Automarkt der Welt, auf dem Volkswagen zuletzt mehr als 40 Prozent seiner Umsätze machte und bei Autos mit Verbrennungsmotor nach wie vor der Marktführer ist. In der Verbrennertechnologie konnten die chinesischen Konkurrenten trotz massiver staatlicher Förderung all die Jahre nicht mit der Konkurrenz aus Deutschland mithalten.
Bei der Elektromobilität sieht das völlig anders aus. Auch hier fördert die chinesische Führung die heimischen Hersteller massiv. Doch das führt auch dazu, dass die Konkurrenz hier besonders hart ist. Bei der so wichtigen Batterietechnik sind chinesische Unternehmen wie BYD weltweit gar führend.
Chinas Hersteller sind auch besonders mutig, wenn es um die Einführung technischer Neuheiten rund ums autonome Fahren geht. Sie bieten viele Funktionen an, mit deren Freigabe für den Massenmarkt VW noch zögert. Die Autos von Xpeng und Nio können anders als der VW ID.4 automatisch einparken und bieten auch Sprachsteuerung an. Volkswagen will solche Funktionen erst durch Software-Updates anbieten.
VW sucht nun die Flucht nach vorn. Mit dem ID.6 CROZZ und ID.6 X stehen in China bereits die nächsten ID.-Modelle vor der Markteinführung. Diese sollen die technischen Finessen gleich mitbringen, die dem ID.4 noch fehlten. Viel zu langsam setzt VW die Erkenntnis in die Praxis um, dass gerade junge chinesische Kunden ein Digitalgerät auf Rädern nachfragen statt eines klassischen Automobils, dem der Hersteller gnädigerweise einige Computerfunktionen spendiert. Und dass, obwohl der Konzern schon so lange in China aktiv ist und die Verbraucherinteressen eigentlich bestens kennt.
05.07.2021, 18:00-20:00 Uhr
Vortrag / KI Leipzig: Das Land, wo die Sonne nicht untergeht: China und die sozialistische Moderne Mehr
06.07.2021. 8:00-8:45 Uhr
Webinar / Storymaker: Shenzen – Zukunft made in China mit Frank Sieren Mehr
06.07.2021,13:00-14:30 (CEST) / 19:00-20:30 (CST)
Webinar / China Europe International Business School: Marketing in the Age of AI Anmeldung
06.07.2021, 14:00-16:00 Uhr
Ringvorlesung / KI Hannover: Nachhaltige Ernährung in China – Verbraucher*innen zwischen Biosiegel und Bauernmarkt Mehr
08.07.2021, 8:00-10:00 AM EST/ 12:00-14:00 (GMT)
Webinar / Harvard University & HEA: Aging in China: Labor Participation, Retirement, Pension and Long-term Care Insurance Mehr
08.07.2021, 10:00-11:00 Uhr (4:00-5:00 PM Beijing Time)
Webinar / FCCC & IBCO: The 7 pitfalls and the 12 most common errors of public affairs. Mehr
08.07.2021, 10:00-11:30 Uhr (4:00-5:30 PM Beijing Time)
Hybrid Webinar / EU SME & Dezan Shira: How to manage risks in your China Joint Venture Mehr
08.07.2021, 10:00-12:30 Uhr (4:00-6:30 PM Beijing Time)
Webinar / EU SME: Post-pandemic situation of China’s outbound tourism: How to prepare for a sustainable and successful re-start of Chinese outbound tourism Anmeldung:
09.07.2021, 19:30-20:30 Uhr
Vortrag / KI München: “2034 Cup” – Chinas Jugend im Fußballfieber Anmeldung
Das schwedische Modeunternehmen H&M hat im 1. Quartal dieses Jahres einen Umsatzeinbruch in China von 28 Prozent hinnehmen müssen. Die Verkäufe gingen in den drei Monaten März, April und Mai um umgerechnet knapp 74 Millionen US-Dollar zurück, berichtet das Wall Street Journal. Der Umsatzrückgang in China ist der einzige weltweit.
Ende März war H&M zum Ziel von Boykottaufrufen geworden, nachdem sich das Unternehmen kritisch zum Vorwurf der Zwangsarbeit auf Baumwollplantagen in Xinjiang geäußert hatte. Nach Empörung über diese Äußerung in chinesischen Medien und sozialen Netzwerken wurden Angebote von H&M von E-Commerce-Seiten ausgeschlossen und einige Vermieter schlossen sogar H&M-Läden (China.Table berichtete). nib
Die französischen Behörden gehen dem Verdacht nach, dass internationale Textilketten von der Ausbeutung der Uiguren profitieren. Die Organisation Sherpa und zwei andere Vereine hatten die Unternehmen angezeigt. Konkret geht es um
Die Ermittlungen sind bei der Abteilung für “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” angesiedelt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Die Unternehmen sollen sich den Vorwürfen zufolge “zu Komplizen schwerer Verbrechen” gegen die Uiguren machen. Grundlage ist eine australische Studie. Diese hat in den Lieferketten der Firmen einzelne Standorte ausgemacht, an denen Zwangsarbeiter aus Xinjiang eingesetzt werden. fin
Der Fahrdienstleister Didi Chuxing hat am Mittwoch einen erfolgreichen Einstand an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq gefeiert. Das Unternehmen nahm 4,4 Milliarden Dollar ein. Die Marktkapitalisierung lag zum Handelsschluss bei knapp 68 Milliarden Dollar. Didis Börsengang ist der zweitgrößte eines chinesischen Unternehmens in den USA. Der Online-Riese Alibaba hatte 2014 bei seinem US-IPO 25 Milliarden Dollar eingenommen. Zu den Ankerinvestoren gehören Morgan Stanley und der Staatsfonds Temasek aus Singapur.
Didi hatte vor dem Börsengang angekündigt, ein Drittel des aus dem IPO gesammelten Kapitals für die Expansion ins Ausland und die Märkte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien investieren zu wollen. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen über 90 Prozent seiner Umsätze in China (China.Table berichtete). niw
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat weitere zwölf Millionen Euro zur Förderung der China-Kompetenz in Deutschland bereitgestellt. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sagte: “Ich will keine Einflussnahme der chinesischen Regierung auf unsere Hochschulen und unsere Gesellschaft“. Man habe Konfuzius-Instituten “zu viel Raum gelassen” und zu wenig dafür getan, “unabhängige China-Kompetenz aufzubauen“.
Konkret versteht das Bildungsministerium darunter Sprachkenntnisse, interkulturelle Kompetenz, Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und historische Zusammenhänge. Das Ministerium will “sicherstellen”, dass “Unternehmen für Kooperationen mit China ausreichend Beschäftigte finden, die Land, Leute und Sprache kennen“, so die Ministerin. Auch soll verhindert werden, dass Peking ein “Mitspracherecht über Veranstaltungen an deutschen Hochschulen hat”. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung müsse garantiert werden. nib
Die Chefredakteur:innen von vier großen nordischen Tageszeitungen haben in einem offenen Brief an Chinas Präsidenten Xi Jinping gegen die Schließung der Hongkonger Zeitung Apple Daily protestiert. Die Medienmacher aus Finnland, Norwegen, Dänemark und Schweden forderten Peking zudem zur Wahrung der Pressefreiheit auf. “Es war schon lange zu viel. Nun ist es aber genug. Die Welt kann nicht länger tatenlos zusehen, wie China der Pressefreiheit in Hongkong allmählich die Luft aussaugt“, schreiben die Journalist:innen in dem am Donnerstag zum hundertsten Geburtstag der Kommunistischen Partei Chinas veröffentlichten Brief. Als Reaktion auf mehr Zensur und Unterdrückung der Presse in Hongkong kündigten die unterzeichnenden Zeitungen eine “noch intensivere Berichterstattung über die beängstigenden Entwicklungen in Hongkong” an. “Wir werden das tun, indem wir die Pressefreiheit nutzen, die unseren Kollegen in Hongkong verweigert wird”, so die Chefredakteur:innen von “Politiken”, “Dagens Nyheter”, “Helsingin Sanomat” und “Aftenposten”. ari
China-Bashing gehört zum Standard-Repertoire im US-Wahlkampf (China.Table berichtete). Es schwappt nun nach Europa über. Auch in Deutschland beziehen die Parteien vor der Bundestagswahl Position, wo für sie die Volksrepublik noch Partnerin ist, oder schon “Wettbewerberin und systemische Rivalin.” Das Berliner China-Forschungsinstitut Merics verglich die Wahlprogramme und zog ein Fazit: “Anders als in vorangegangenen Wahlkämpfen spielt China diesmal eine größere Rolle. Nahezu alle Parteien werfen einen kritischen Blick auf China.”
Seit den jüngsten G7- und Nato-Treffen schwinden Pekings Hoffnungen, ein dank Merkel und Macron China gegenüber positiv eingestelltes Europa wie gewohnt weiterhin gegen die Konfrontationskurs fahrenden USA ausspielen zu können. Die Global Times zeigte sich irritiert über die neue Festlegung in der CDU, China sei “heute die größte Herausforderung für die Außen- und Sicherheitspolitik.” Dazu passten nicht die versöhnlicheren Signale des Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Vergangene Woche warnte er im Interview mit der “Financial Times”, einen “kalten Krieg mit China” anzuzetteln. Verwirrt fragte die Global Times, was denn nun gelte.
Das war einst ganz anders, als deutsche Politiker wetteiferten, wer in Peking und beim Diktator Mao Zedong höher im Kurs stand. Sie hofften damit im deutschen Wahlkampf punkten zu können. Der Diplomat Wang Shu erlebte das als Augenzeuge hautnah mit. Er kam 1969 als Korrespondent für Xinhua in die damalige Bundeshauptstadt Bonn, fädelte die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1972 mit ein. 1974 stieg er als Quereinsteiger zum chinesischen Botschafter auf, nachdem Mao auf eine seiner Analysen über deutsche Politik anerkennend kritzelte: “Der taugt dazu.” Im September 2020 starb Wang in Peking. Er wurde 95 Jahre alt.
Ich durfte den diplomatischen Doyen, nachdem er in Pension ging, mehr als ein Dutzend Mal zu Hause besuchen. Oft erzählte er unter dröhnendem Lachen Anekdoten, wie deutsche Politiker um Chinas Gunst buhlten. CSU-Oppositionschef Franz Josef Strauß gelang es als Erstem, mit Mao im Januar 1975 eine Stunde lang zu sprechen. Bundeskanzler Helmut Schmidt verlangte darauf von Peking gesichtswahrende Gleichbehandlung, als er im Oktober 1975 zum Regierungsbesuch kam. Doch der 82-jährige Mao war zu altersschwach, um ein Treffen mit ihm vorab garantieren zu können. Am 30. Oktober 1975 und mitten in einer Unterredung mit dem damaligen Vizepremier Deng Xiaoping kam für Schmidt die erlösende Nachricht. Mao habe jetzt für ihn Zeit. Darauf ließen Deng und Schmidt “buchstäblich alles stehen und liegen”, um zu Mao zu eilen. Obwohl der kaum noch sprechen konnte, war er geistig in der Lage, mit Hilfe seiner Assistentinnen das Gespräch mit Schmidt zu führen.
Noch absurder war, was Wang mithörte, als er nach dem fast ein- und dreiviertel Stunden dauernden Treffen bei der Rückfahrt Schmidts mit im Wagen saß. Der Bundeskanzler rekapitulierte nicht etwa seinen gerade geführten Meinungsaustausch mit Mao über die Weltlage, ihre unterschiedlichen Ansichten zur Sowjetunion, oder über Philosophen und Strategen wie Kant und Clausewitz. Wichtig war für Schmidt nur eines. Er jubelte, als der ebenfalls mitfahrende, damalige Bundesverkehrsminister Kurt Gscheidle ihm gratulierte: Schmidts Gespräch mit Mao habe 100 Minuten gedauert, 20 Minuten länger als das von Mao mit Strauß.
Tags darauf beim Aufstieg auf die Große Mauer wollte Schmidt von Wang wissen, bis wohin Strauß einst gekommen sei. Demonstrativ stieg er dann weiter: “Für mich gibt es keine andere Wahl. Ich muss höher kommen”. Dann habe er mit einem Fernglas in die Landschaft geschaut und gefeixt, er könnte keinen (Helmut) Kohl sehen, “nur Chinakohl.” In seiner Autobiografie “Maos Mann in Bonn” schrieb Wang Shu, dass die mitreisenden Journalisten die Schlagzeile kreierten: “Der Bundestagswahlkampf hat an der Großen Mauer begonnen.”
In Pekings Botschaft in Bonn häuften sich die Anfragen deutscher Politiker nach China-Reisen. Strauß hätte am meisten gedrängt. Wang schlug ihm Herbst 1974 vor. Doch Strauß wollte nicht zur gleichen Zeit wie CDU-Oppositionsführer Helmut Kohl kommen, der sich für September 1974 angesagt hatte. Also wurde seine Reise auf Januar 1975 verschoben, was nun Schmidt verprellte. Der wollte im März oder April 1975 seinen Antrittsbesuch als Kanzler in Peking machen. “Ich hatte damals alle Hände voll zu tun, die Termine für Strauß und Schmidt so zu managen, dass keiner vor den Kopf gestoßen wurde.”
Chinas Einladung an Sowjetunion-Basher Strauß, noch vor Kanzler Schmidt zu kommen, löste in Deutschland innenpolitische Kontroversen aus, wurde sie doch als Affront gegen die Ost- und Entspannungspolitik der SPD gesehen. Strauß erklärte später, was ihn mit Peking verband: Mao sei es um die Eindämmung der Sowjetunion gegangen. Daher unterstützte Mao die europäische Einigung. Europas Politik, so vertrat Strauß, dürfe sich nicht nur in Richtung USA orientieren, sondern “muss auch in der Volksrepublik China einen Partner sehen, der zur Erhaltung des Gleichgewichts beiträgt.”
Daher war Strauß zu allem bereit, um Mao zu treffen. Das geschah auf heute unvorstellbare Weise. Während seines Besuchs der Großen Mauer verschwanden Strauß, seine Frau Marianne und zwei Mitarbeiter am 16. Januar 1975 plötzlich. In einer Zeit ohne Internet und Handy fiel das anfangs weder den mitgereisten Journalisten noch deutschen Botschaftsangehörigen auf. Selbst Wang bleib außen vor. Erst spät nachts tauchte der verschollene CSU-Chef wieder in seinem Pekinger Hotel auf. Er sagte nur: “Ich war am Ussuri”.
Es war wie ein Coup. Höchste Parteifunktionäre hatten die Vierergruppe mit Strauß unauffällig abgefangen, sie zum Flugplatz gebracht, wo Deng als Mitflieger schon wartete. Strauß stellte keine Fragen, als er hörte, dass Mao ihn sehen wollte.
Er erfuhr nicht mal, wohin sie zwei Stunden lang flogen. Erst vor wenigen Jahren enthüllte eine chinesische Chronik, dass ihr Ziel die 1.450 Kilometer entfernte, südwestliche Provinzhauptstadt Changsha war, wo Mao in einem Staatsgästehaus überwinterte. So wie Strauß ließ er auch andere Politiker konspirativ einfliegen, etwa Edward Heath oder Henry Kissinger. Alle machten mit, versprachen Stillschweigen. Nebenbei: Keinem der Gäste fiel auch nur im Traum ein, den Diktator nach Chinas Umgang mit Menschenrechten zu fragen.
In Strauß Memoiren “Erinnerungen”, die nach seinem Tod erschienen, schrieb er, dass Mao die Westeuropäer vor ihrer “Finnlandisierung” durch die Sowjetunion warnte. Er und Strauß verstanden sich auf Anhieb, bestätigte Chinas Chronik. Mao gefiel, als Strauß ihm sagte: Er würde auch ein in Zukunft wirtschaftlich und industriell starkes China als friedenserhaltend ansehen, vor dem sich Europa nicht fürchten würde. “Sehr gut”, antwortete Mao. “Ihr braucht uns nicht zu fürchten.”
Das sieht man in Europa heute anders. Die damaligen Begegnungen muten wie eine Botschaft aus einer anderen Welt und Zeit an. Der Kalte Krieg der Supermächte und Pekings Furcht vor der Sowjetunion trieben China und den Westen einander in die Arme. Auf den Fährten von Strauß und Schmidt wandelten danach – aus wirtschaftlichem und Interessen-Kalkül – Kohl, Schröder und Merkel.
Doch Peking tritt heute an die Stelle Moskaus. Im bundesdeutschen Wahlkampf mit einer positiven Chinakarte trumpfen zu wollen, ist keine Option mehr.
Sven Heineken verlässt die Deutsche Schule in Shanghai. Er war am Standort Pudong seit August 2014 als Schulleiter tätig. Die Schule ist eine der größten deutschen Auslandsschulen weltweit.
Während Peking den KP-Geburtstag feierte, versammelten sich in New Delhi Demonstranten vor der chinesischen Botschaft, um gegen die Gewaltherrschaft in Tibet zu protestieren. Der Tibetan Youth Congress beklagte, dass sich die Menschenrechtslage dort immer weiter verschlechtert. Als die jungen Leute anfingen, chinesische Fahnen zu zerreißen, schritt die Polizei ein und hat sie in einem Bus festgesetzt.
der graue Mao-Anzug sagte eigentlich schon alles. Dazu die Rhetorik mit den üblichen Sprüchen vom Marxismus mit chinesischen Charakteristiken und der ruhmreichen Partei. Natürlich wagt ein Machthaber wie Xi Jinping keinen mutigen Schritt in die Zukunft. Doch es erschreckt auch nach acht Jahren noch immer, ihm beim Marsch in die Vergangenheit zuzusehen. Frank Sieren hat Xi zugehört und analysiert dessen Rede zum 100. Jahrestag der Kommunistischen Partei. Es fanden sich zwar nur wenig Neuerungen, dafür aber die markige Formulierung von der “Mauer aus Stahl”, mit der sich China vor der Welt schützen will.
Johnny Erling erzählt da von einer anderen Zeit im Umgang mit China, in der die Volksrepublik faktisch zwar viel abgeriegelter war, zugleich aber höchst neugierig auf die Welt da draußen. Ein Franz Josef Strauß wurde da spontan von der Großen Mauer zu einer Überraschungs-Audienz bei Mao im 1.450 Kilometer entfernten Changsha abgeholt. Deutsche Politiker wie die Rivalen Strauß, Kohl und Schmidt haben sich noch darin überboten, wer länger mit Mao reden durfte. Sie fanden China wichtig, obwohl damals von den später so guten Wirtschaftsbeziehungen nicht einmal Ansätze zu erkennen waren.
Heute zeigt sich der Volkswagen-Konzern auf hohem Niveau enttäuscht, wenn er in einem Monat auf seinem Lieblingsmarkt nur 1.500 Stück eines neuen Modells verkauft. Der Elektro-SUV ID.4 hat einfach nicht genug moderne Technik an Bord, schreibt Felix Lee. Während deutsche Autokunden die digitalen Funktionen vielleicht noch als Schnickschnack abtun und eher auf Spaltbreiten, Laufruhe und andere Qualitätsmerkmale achten, stehen die Gimmicks für Chinas junge Autofahrer:innen im Vordergrund. VW will nun bei den kommenden Modelleinführungen nachbessern und von Anfang an mehr KI einbauen.
Die Welt blieb nicht stehen in China, als Staats- und Parteichef Xi Jinping gestern Morgen am Platz des Himmlischen Friedens in Peking die Rede zu 100 Jahre KP Chinas gehalten hat. Die Bauarbeiter unterbrachen die Arbeiten an den beiden neuen Brücken über den Liangma Fluss zwischen Kempinski Hotel und der Solana Shopping Mall nicht, obwohl die Rede über einen Livestream am Smartphone leicht zu empfangen ist. In Sanlitun Taikoo Li, einem der angesagtesten und edelsten Shopping- und Ausgehviertel Pekings, wird die Rede sogar über eine riesige Leinwand übertragen. Doch der Public Viewing Spot ist bis auf eine Handvoll Zuschauer verwaist. Die Chinesen wissen, viel Neues wird ihr Präsident nicht sagen. Und stolz auf die Erfolge Chinas sind sie sowieso.
Xi ließ die Veranstaltung denn auch vergleichsweise schlicht gestalten. Keine große Parade, wie immer wieder in den vergangenen 20 Jahren. Nur eine Formation von Militärhubschraubern bildete die Zahl 100 am Himmel und flog mit herabhängenden Fahnen, auf denen unter anderem “Lang lebe die Kommunistische Partei” stand. Formationen des modernen chinesischen Überschall-Kampfjets J-20, die blaue, gelbe und rote Farbstreifen hinter sich herzogen, flogen kurz über den Platz. Eher eine festliche Geste als eine militärische Machtdemonstration.
Aus 56 Kanonen, die die Zahl der ethnischen Gruppen in China repräsentieren, wurden 100 Schuss Salut gefeuert, während eine Ehrengarde der drei Waffengattungen vom Monument der Helden im Zentrum des Platzes zum Teil im Stechschritt marschierte. Den Platz säumten 100 Flaggen. Ansonsten keine großen Aufbauten auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Nur drei große rote Bögen im Zentrum. Auf dem einen steht 1921 auf dem zweiten, dem größten, sind Hammer und Sichel zu sehen. Auf dem dritten steht 2021. Der Platz ist vor allem mit 70.000 Parteimitgliedern aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten gefüllt. Die meisten davon sitzen auf Klappstühlen. Die Präsentation der Massen auf dem Platz des Himmlischen Friedens ist erstaunlich traditionell und spiegelt das moderne vielfältige China nicht wider.
Xi selbst inszeniert sich betont bescheiden und wirkt dadurch erst recht mächtig. Als einziger in der Führung trägt er einen grauen Anzug mit sehr großem geschlossenem Kragen, wie ihn Mao Zedong zur Gründung Chinas getragen hat. Darunter sieht man ganz knapp den Rand des weißen Stehkragenhemdes. Hinter ihm nur die mächtigen goldfarben verzierten Türen auf dem Balkon des Tian’anmen-Tores über dem großen Porträt von Mao. Vor ihm die traditionellen fünf Mikrofone, deren Anzahl technisch zwar keinen Sinn hat, den Machtanspruch aber optisch deutlich werden lässt. Der einzige Schmuck in diesem sorgsam komponierten Bild des Präsidenten: das schlichte Emblem mit Hammer und Sichel vorne auf dem Rednerpult.
Xi spricht zunächst darüber, dass China es geschafft hat, sich von einem verarmten Land zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zu entwickeln. China begrüße “konstruktive Kritik aus dem Ausland”. Das Land sei begierig, von den Errungenschaften anderer Kulturen zu lernen. Die chinesische Nation trage “keine aggressiven oder hegemonialen Züge in ihren Genen.” China habe stets daran gearbeitet, “den Frieden der Welt zu sichern, sich an der globalen Entwicklung zu beteiligen und die internationale Ordnung aufrechtzuerhalten.”
Für die Zukunft verpflichte sich China, eine “neue Form der internationalen Ordnung für eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.” Dabei werde es mit allen friedensliebenden Ländern zusammenarbeiten und die “gemeinsamen Werte wie Frieden, Entwicklung, Fairness, Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit fördern.” China werde weiterhin “Kooperation gegenüber Konfrontation bevorzugen, sich weiter öffnen, statt seine Türen zu schließen, und eine Entwicklung in beiderseitigem Nutzen konzentrieren.”
Dann wird der Ton jedoch frostiger. China lasse sich nichts mehr vorschreiben, so Xi. “Wir werden niemals scheinheilige Predigten von jenen akzeptieren, die glauben, sie hätten das Recht, uns zu belehren.” China müsse nun seinen eigenen Weg gehen. Die Zeit, China zu schikanieren, sei “für immer vorbei”, sagt Xi.
Das Motiv der Abgrenzung zur Außenwelt steigert er dann noch. “Wer das wagt, dem wird an der Großen Mauer aus Stahl, geschmiedet von 1,4 Milliarden Chinesen, der Kopf blutig geschlagen.” An dieser Stelle brechen die 70.000 Menschen auf dem Platz in Jubel aus. Die Stimmung in der Bevölkerung hat er damit sicherlich getroffen. Es ist eine der wenigen Stellen, an denen Xi in die neue nationalistische Tonlage fällt. Die einstündige Rede bot ansonsten wenig Überraschendes.
Danach rief der Parteichef jedoch auch zur Modernisierung der Streitkräfte auf. “Eine starke Nation muss eine starke Armee haben.” Allerdings erwähnte er die Armee erst im letzten Drittel der Rede. Dabei betonte er, dass sich die Armee streng an die Vorgaben der Politik halten müsse.
Xi kritisierte die “Unabhängigkeitskräfte” in Taiwan. Die allermeisten Regierungen der Welt sehen es als Teil Chinas, behauptete der Parteichef. Er rief zur “friedlichen Wiedervereinigung” mit der Insel auf. Niemand dürfe die Entschlossenheit und Fähigkeit Chinas unterschätzen, “seine Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen.” Nun müssten alle gemeinsam daran arbeiten, so der Präsident, “jegliche Bestrebungen zur Unabhängigkeit Taiwans zu zerschlagen”.
Xi Jinping unterstrich die Führungsrolle der Partei. Chinas Erfolg hängt von der Partei ab. Ohne die KP Chinas gebe es keine “Erneuerung”. Die vielen dunklen Seiten der Parteigeschichte spielen während der 100-Jahr-Feierlichkeiten allerdings keine Rolle.
Er sollte Volkswagen bei der Elektromobilität in China eigentlich zum Durchbruch verhelfen: Der ID.4, das erste SUV aus der vollelektrischen ID-Familie. Doch zumindest das Debüt ist auf dem weltgrößten und auch für VW wichtigsten Absatzmarkt gefloppt.
Im Mai hat Volkswagen in China gerade einmal 1.213 Exemplare des Modells verkauft, etwa 200 Stück weniger als im April, dem ersten Monat nach Verkaufsstart. Das zumindest geht aus den Daten hervor, die das Auto-Beratungsunternehmen LMC kürzlich bekannt gegeben hat.
Volkswagen widerspricht dieser Zählweise. Eine Sprecherin sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, allein im Mai seien von den beiden Modellen ID.4 X und ID.Crozz 1.500 Fahrzeuge verkauft worden, rund 200 mehr als im April. Die Differenz zu den Zahlen von LMC erklärte sie mit Unterschieden bei der Erhebung der Daten.
Doch ob 200 mehr oder weniger – die Zahlen gelten im Konzern als herbe Enttäuschung, wie mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen verrieten. “Die Verkäufe liegen bisher hinter unseren Erwartungen zurück. Wir mussten die Produktionspläne für den ID.4 immer wieder herunterschrauben“, wird ein Insider zitiert. “Das ist nicht gesund, aber im Moment kommen die Kunden nicht, um sie zu kaufen.”
VW verkauft den ID.4 in China seit Anfang April in zwei verschiedenen Versionen. Sie werden von zwei unterschiedlichen Kooperationspartnern hergestellt. Der ID.4X wird zusammen mit SAIC aus Shanghai gefertigt. Der ID.4 Crozz wird mit dem VW-Joint-Venture-Partner FAW in der nordostchinesischen Stadt Changchun produziert. Beide Varianten unterscheiden sich in der Ausführung aber nur minimal.
Insider führen Reuters gegenüber das schlechte Debüt beider SUV-Modelle auf einen Mangel an technischen Funktionen zurück. Dazu kommen die beinharte Konkurrenz, der vergleichsweise späte Start und Probleme mit einem neuen Vertriebsnetz für E-Autos in China. So brillieren vor allem die chinesischen Hersteller mit jeder Menge Technik, die ihre Fahrzeuge nahe an das autonome Fahren bringen. Volkswagen schneidet hier vor allem sehr viel schlechter ab als der US-Rivale Tesla. Das schlägt sich in den Verkaufszahlen nieder. Beim Debüt seines SUV-Modells Y lieferte Tesla in den ersten beiden Monaten nach der Markteinführung in China insgesamt 6.612 Fahrzeuge aus, also fast dreimal so viel wie VW mit seinen ID.4-Modellen. Das Modell Y ist mit dem ID.4 vergleichbar.
Die VW-Zentrale widerspricht jedoch offiziell dieser Sichtweise. “In der aktuell laufenden Einführungsphase, die neben dem Hochlauf der Fabriken auch ein vollkommen neues Vertriebsmodell umfasst, liegt der Absatz für die beiden Modelle im Rahmen der Erwartungen”, heißt es aus Wolfsburg. “Wir verzeichnen ein stetiges Wachstum der Auslieferungen und sind zuversichtlich, dass sich die Nachfrage in den kommenden Monaten weiter positiv entwickeln wird”, sagte ein VW-Sprecher. Weltweit stoße der ID.4 auf großes Kundeninteresse. VW habe bereits mehr als 50.000 Bestellungen erhalten. Tatsächlich sehen die Verkäufe in Europa sehr viel besser aus. Dort war der ID.4 den Daten von JATO Dynamics zufolge mit rund 12.100 verkauften Fahrzeugen in den ersten zwei Monaten nach Markteinführung sogar das meistverkaufte Elektroauto überhaupt.
Bis 2025 will Volkswagen zum weltgrößten Anbieter von Elektroautos aufsteigen. Der Wolfsburger Konzern hat bereits viele Milliarden Euro in die Entwicklung neuer Fahrzeuge gesteckt, weitere Investitionen sollen folgen. Bis spätestens 2030 will sich der gesamte Konzern zu einem reinen Hersteller von Elektro-Fahrzeuge entwickeln. Der entscheidende Kampf findet aber in China statt, dem größten Automarkt der Welt, auf dem Volkswagen zuletzt mehr als 40 Prozent seiner Umsätze machte und bei Autos mit Verbrennungsmotor nach wie vor der Marktführer ist. In der Verbrennertechnologie konnten die chinesischen Konkurrenten trotz massiver staatlicher Förderung all die Jahre nicht mit der Konkurrenz aus Deutschland mithalten.
Bei der Elektromobilität sieht das völlig anders aus. Auch hier fördert die chinesische Führung die heimischen Hersteller massiv. Doch das führt auch dazu, dass die Konkurrenz hier besonders hart ist. Bei der so wichtigen Batterietechnik sind chinesische Unternehmen wie BYD weltweit gar führend.
Chinas Hersteller sind auch besonders mutig, wenn es um die Einführung technischer Neuheiten rund ums autonome Fahren geht. Sie bieten viele Funktionen an, mit deren Freigabe für den Massenmarkt VW noch zögert. Die Autos von Xpeng und Nio können anders als der VW ID.4 automatisch einparken und bieten auch Sprachsteuerung an. Volkswagen will solche Funktionen erst durch Software-Updates anbieten.
VW sucht nun die Flucht nach vorn. Mit dem ID.6 CROZZ und ID.6 X stehen in China bereits die nächsten ID.-Modelle vor der Markteinführung. Diese sollen die technischen Finessen gleich mitbringen, die dem ID.4 noch fehlten. Viel zu langsam setzt VW die Erkenntnis in die Praxis um, dass gerade junge chinesische Kunden ein Digitalgerät auf Rädern nachfragen statt eines klassischen Automobils, dem der Hersteller gnädigerweise einige Computerfunktionen spendiert. Und dass, obwohl der Konzern schon so lange in China aktiv ist und die Verbraucherinteressen eigentlich bestens kennt.
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Das schwedische Modeunternehmen H&M hat im 1. Quartal dieses Jahres einen Umsatzeinbruch in China von 28 Prozent hinnehmen müssen. Die Verkäufe gingen in den drei Monaten März, April und Mai um umgerechnet knapp 74 Millionen US-Dollar zurück, berichtet das Wall Street Journal. Der Umsatzrückgang in China ist der einzige weltweit.
Ende März war H&M zum Ziel von Boykottaufrufen geworden, nachdem sich das Unternehmen kritisch zum Vorwurf der Zwangsarbeit auf Baumwollplantagen in Xinjiang geäußert hatte. Nach Empörung über diese Äußerung in chinesischen Medien und sozialen Netzwerken wurden Angebote von H&M von E-Commerce-Seiten ausgeschlossen und einige Vermieter schlossen sogar H&M-Läden (China.Table berichtete). nib
Die französischen Behörden gehen dem Verdacht nach, dass internationale Textilketten von der Ausbeutung der Uiguren profitieren. Die Organisation Sherpa und zwei andere Vereine hatten die Unternehmen angezeigt. Konkret geht es um
Die Ermittlungen sind bei der Abteilung für “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” angesiedelt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Die Unternehmen sollen sich den Vorwürfen zufolge “zu Komplizen schwerer Verbrechen” gegen die Uiguren machen. Grundlage ist eine australische Studie. Diese hat in den Lieferketten der Firmen einzelne Standorte ausgemacht, an denen Zwangsarbeiter aus Xinjiang eingesetzt werden. fin
Der Fahrdienstleister Didi Chuxing hat am Mittwoch einen erfolgreichen Einstand an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq gefeiert. Das Unternehmen nahm 4,4 Milliarden Dollar ein. Die Marktkapitalisierung lag zum Handelsschluss bei knapp 68 Milliarden Dollar. Didis Börsengang ist der zweitgrößte eines chinesischen Unternehmens in den USA. Der Online-Riese Alibaba hatte 2014 bei seinem US-IPO 25 Milliarden Dollar eingenommen. Zu den Ankerinvestoren gehören Morgan Stanley und der Staatsfonds Temasek aus Singapur.
Didi hatte vor dem Börsengang angekündigt, ein Drittel des aus dem IPO gesammelten Kapitals für die Expansion ins Ausland und die Märkte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien investieren zu wollen. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen über 90 Prozent seiner Umsätze in China (China.Table berichtete). niw
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat weitere zwölf Millionen Euro zur Förderung der China-Kompetenz in Deutschland bereitgestellt. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sagte: “Ich will keine Einflussnahme der chinesischen Regierung auf unsere Hochschulen und unsere Gesellschaft“. Man habe Konfuzius-Instituten “zu viel Raum gelassen” und zu wenig dafür getan, “unabhängige China-Kompetenz aufzubauen“.
Konkret versteht das Bildungsministerium darunter Sprachkenntnisse, interkulturelle Kompetenz, Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und historische Zusammenhänge. Das Ministerium will “sicherstellen”, dass “Unternehmen für Kooperationen mit China ausreichend Beschäftigte finden, die Land, Leute und Sprache kennen“, so die Ministerin. Auch soll verhindert werden, dass Peking ein “Mitspracherecht über Veranstaltungen an deutschen Hochschulen hat”. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung müsse garantiert werden. nib
Die Chefredakteur:innen von vier großen nordischen Tageszeitungen haben in einem offenen Brief an Chinas Präsidenten Xi Jinping gegen die Schließung der Hongkonger Zeitung Apple Daily protestiert. Die Medienmacher aus Finnland, Norwegen, Dänemark und Schweden forderten Peking zudem zur Wahrung der Pressefreiheit auf. “Es war schon lange zu viel. Nun ist es aber genug. Die Welt kann nicht länger tatenlos zusehen, wie China der Pressefreiheit in Hongkong allmählich die Luft aussaugt“, schreiben die Journalist:innen in dem am Donnerstag zum hundertsten Geburtstag der Kommunistischen Partei Chinas veröffentlichten Brief. Als Reaktion auf mehr Zensur und Unterdrückung der Presse in Hongkong kündigten die unterzeichnenden Zeitungen eine “noch intensivere Berichterstattung über die beängstigenden Entwicklungen in Hongkong” an. “Wir werden das tun, indem wir die Pressefreiheit nutzen, die unseren Kollegen in Hongkong verweigert wird”, so die Chefredakteur:innen von “Politiken”, “Dagens Nyheter”, “Helsingin Sanomat” und “Aftenposten”. ari
China-Bashing gehört zum Standard-Repertoire im US-Wahlkampf (China.Table berichtete). Es schwappt nun nach Europa über. Auch in Deutschland beziehen die Parteien vor der Bundestagswahl Position, wo für sie die Volksrepublik noch Partnerin ist, oder schon “Wettbewerberin und systemische Rivalin.” Das Berliner China-Forschungsinstitut Merics verglich die Wahlprogramme und zog ein Fazit: “Anders als in vorangegangenen Wahlkämpfen spielt China diesmal eine größere Rolle. Nahezu alle Parteien werfen einen kritischen Blick auf China.”
Seit den jüngsten G7- und Nato-Treffen schwinden Pekings Hoffnungen, ein dank Merkel und Macron China gegenüber positiv eingestelltes Europa wie gewohnt weiterhin gegen die Konfrontationskurs fahrenden USA ausspielen zu können. Die Global Times zeigte sich irritiert über die neue Festlegung in der CDU, China sei “heute die größte Herausforderung für die Außen- und Sicherheitspolitik.” Dazu passten nicht die versöhnlicheren Signale des Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Vergangene Woche warnte er im Interview mit der “Financial Times”, einen “kalten Krieg mit China” anzuzetteln. Verwirrt fragte die Global Times, was denn nun gelte.
Das war einst ganz anders, als deutsche Politiker wetteiferten, wer in Peking und beim Diktator Mao Zedong höher im Kurs stand. Sie hofften damit im deutschen Wahlkampf punkten zu können. Der Diplomat Wang Shu erlebte das als Augenzeuge hautnah mit. Er kam 1969 als Korrespondent für Xinhua in die damalige Bundeshauptstadt Bonn, fädelte die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1972 mit ein. 1974 stieg er als Quereinsteiger zum chinesischen Botschafter auf, nachdem Mao auf eine seiner Analysen über deutsche Politik anerkennend kritzelte: “Der taugt dazu.” Im September 2020 starb Wang in Peking. Er wurde 95 Jahre alt.
Ich durfte den diplomatischen Doyen, nachdem er in Pension ging, mehr als ein Dutzend Mal zu Hause besuchen. Oft erzählte er unter dröhnendem Lachen Anekdoten, wie deutsche Politiker um Chinas Gunst buhlten. CSU-Oppositionschef Franz Josef Strauß gelang es als Erstem, mit Mao im Januar 1975 eine Stunde lang zu sprechen. Bundeskanzler Helmut Schmidt verlangte darauf von Peking gesichtswahrende Gleichbehandlung, als er im Oktober 1975 zum Regierungsbesuch kam. Doch der 82-jährige Mao war zu altersschwach, um ein Treffen mit ihm vorab garantieren zu können. Am 30. Oktober 1975 und mitten in einer Unterredung mit dem damaligen Vizepremier Deng Xiaoping kam für Schmidt die erlösende Nachricht. Mao habe jetzt für ihn Zeit. Darauf ließen Deng und Schmidt “buchstäblich alles stehen und liegen”, um zu Mao zu eilen. Obwohl der kaum noch sprechen konnte, war er geistig in der Lage, mit Hilfe seiner Assistentinnen das Gespräch mit Schmidt zu führen.
Noch absurder war, was Wang mithörte, als er nach dem fast ein- und dreiviertel Stunden dauernden Treffen bei der Rückfahrt Schmidts mit im Wagen saß. Der Bundeskanzler rekapitulierte nicht etwa seinen gerade geführten Meinungsaustausch mit Mao über die Weltlage, ihre unterschiedlichen Ansichten zur Sowjetunion, oder über Philosophen und Strategen wie Kant und Clausewitz. Wichtig war für Schmidt nur eines. Er jubelte, als der ebenfalls mitfahrende, damalige Bundesverkehrsminister Kurt Gscheidle ihm gratulierte: Schmidts Gespräch mit Mao habe 100 Minuten gedauert, 20 Minuten länger als das von Mao mit Strauß.
Tags darauf beim Aufstieg auf die Große Mauer wollte Schmidt von Wang wissen, bis wohin Strauß einst gekommen sei. Demonstrativ stieg er dann weiter: “Für mich gibt es keine andere Wahl. Ich muss höher kommen”. Dann habe er mit einem Fernglas in die Landschaft geschaut und gefeixt, er könnte keinen (Helmut) Kohl sehen, “nur Chinakohl.” In seiner Autobiografie “Maos Mann in Bonn” schrieb Wang Shu, dass die mitreisenden Journalisten die Schlagzeile kreierten: “Der Bundestagswahlkampf hat an der Großen Mauer begonnen.”
In Pekings Botschaft in Bonn häuften sich die Anfragen deutscher Politiker nach China-Reisen. Strauß hätte am meisten gedrängt. Wang schlug ihm Herbst 1974 vor. Doch Strauß wollte nicht zur gleichen Zeit wie CDU-Oppositionsführer Helmut Kohl kommen, der sich für September 1974 angesagt hatte. Also wurde seine Reise auf Januar 1975 verschoben, was nun Schmidt verprellte. Der wollte im März oder April 1975 seinen Antrittsbesuch als Kanzler in Peking machen. “Ich hatte damals alle Hände voll zu tun, die Termine für Strauß und Schmidt so zu managen, dass keiner vor den Kopf gestoßen wurde.”
Chinas Einladung an Sowjetunion-Basher Strauß, noch vor Kanzler Schmidt zu kommen, löste in Deutschland innenpolitische Kontroversen aus, wurde sie doch als Affront gegen die Ost- und Entspannungspolitik der SPD gesehen. Strauß erklärte später, was ihn mit Peking verband: Mao sei es um die Eindämmung der Sowjetunion gegangen. Daher unterstützte Mao die europäische Einigung. Europas Politik, so vertrat Strauß, dürfe sich nicht nur in Richtung USA orientieren, sondern “muss auch in der Volksrepublik China einen Partner sehen, der zur Erhaltung des Gleichgewichts beiträgt.”
Daher war Strauß zu allem bereit, um Mao zu treffen. Das geschah auf heute unvorstellbare Weise. Während seines Besuchs der Großen Mauer verschwanden Strauß, seine Frau Marianne und zwei Mitarbeiter am 16. Januar 1975 plötzlich. In einer Zeit ohne Internet und Handy fiel das anfangs weder den mitgereisten Journalisten noch deutschen Botschaftsangehörigen auf. Selbst Wang bleib außen vor. Erst spät nachts tauchte der verschollene CSU-Chef wieder in seinem Pekinger Hotel auf. Er sagte nur: “Ich war am Ussuri”.
Es war wie ein Coup. Höchste Parteifunktionäre hatten die Vierergruppe mit Strauß unauffällig abgefangen, sie zum Flugplatz gebracht, wo Deng als Mitflieger schon wartete. Strauß stellte keine Fragen, als er hörte, dass Mao ihn sehen wollte.
Er erfuhr nicht mal, wohin sie zwei Stunden lang flogen. Erst vor wenigen Jahren enthüllte eine chinesische Chronik, dass ihr Ziel die 1.450 Kilometer entfernte, südwestliche Provinzhauptstadt Changsha war, wo Mao in einem Staatsgästehaus überwinterte. So wie Strauß ließ er auch andere Politiker konspirativ einfliegen, etwa Edward Heath oder Henry Kissinger. Alle machten mit, versprachen Stillschweigen. Nebenbei: Keinem der Gäste fiel auch nur im Traum ein, den Diktator nach Chinas Umgang mit Menschenrechten zu fragen.
In Strauß Memoiren “Erinnerungen”, die nach seinem Tod erschienen, schrieb er, dass Mao die Westeuropäer vor ihrer “Finnlandisierung” durch die Sowjetunion warnte. Er und Strauß verstanden sich auf Anhieb, bestätigte Chinas Chronik. Mao gefiel, als Strauß ihm sagte: Er würde auch ein in Zukunft wirtschaftlich und industriell starkes China als friedenserhaltend ansehen, vor dem sich Europa nicht fürchten würde. “Sehr gut”, antwortete Mao. “Ihr braucht uns nicht zu fürchten.”
Das sieht man in Europa heute anders. Die damaligen Begegnungen muten wie eine Botschaft aus einer anderen Welt und Zeit an. Der Kalte Krieg der Supermächte und Pekings Furcht vor der Sowjetunion trieben China und den Westen einander in die Arme. Auf den Fährten von Strauß und Schmidt wandelten danach – aus wirtschaftlichem und Interessen-Kalkül – Kohl, Schröder und Merkel.
Doch Peking tritt heute an die Stelle Moskaus. Im bundesdeutschen Wahlkampf mit einer positiven Chinakarte trumpfen zu wollen, ist keine Option mehr.
Sven Heineken verlässt die Deutsche Schule in Shanghai. Er war am Standort Pudong seit August 2014 als Schulleiter tätig. Die Schule ist eine der größten deutschen Auslandsschulen weltweit.
Während Peking den KP-Geburtstag feierte, versammelten sich in New Delhi Demonstranten vor der chinesischen Botschaft, um gegen die Gewaltherrschaft in Tibet zu protestieren. Der Tibetan Youth Congress beklagte, dass sich die Menschenrechtslage dort immer weiter verschlechtert. Als die jungen Leute anfingen, chinesische Fahnen zu zerreißen, schritt die Polizei ein und hat sie in einem Bus festgesetzt.