bislang galt Chinas Null-Covid-Strategie als überaus erfolgreich. Mit strikten Lockdowns, großangelegten Massentests und digitaler Nachverfolgung schien es, als könnte die Regierung in Peking auch Corona unter Kontrolle halten. Doch was sich zuletzt schon in Hongkong andeutete, bricht sich nun auch auf dem Festland Bahn: Landesweit steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide an.
Firmen wie Volkswagen oder der IPhone-Zulieferer Foxconn müssen ihre Produktion stoppen. Zunächst nur für die kommenden Tage. Doch sollten die Corona-Zahlen weiter steigen, dürfte Chinas Null-Covid-Strategie vor dem Aus stehen, analysiert unser Autorenteam in Peking. Und damit nicht genug: Chinas neues Wachstumsziel und schließlich auch der internationale Handel könnten deshalb in schwere Turbulenzen geraten.
Unterdessen geht der Krieg in der Ukraine unvermindert weiter. Während in Russland jegliche kritische Berichterstattung über die Invasion unter Strafe gestellt wurde, gehen wir heute der Frage nach, wie in der Volksrepublik über das Verhalten des “strategischen Partners” berichtet wird. Julia Weibel zeigt Ihnen, wie Chinas staatliche Medien es schaffen, aus einer russischen Invasion eine “Blutschuld” der USA gegenüber China zu konstruieren. Und auch dieses Mal zeigen Chinas Internetnutzer wieder große Kreativität. Mit phantasiereichen Wortspielen gelingt es ihnen, ihr Mitgefühl und ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Lange sah es so aus, als könnte China durch seine strengen Schutzmaßnahmen Corona aussperren. Sogar als die viel ansteckendere Omikron-Variante Anfang Januar erstmals in chinesischen Städten entdeckt worden war, gelang es den Behörden zunächst, die Ausbrüche wieder einzudämmen. Doch nun melden 19 Regionen parallel neue Infektionsherde. Und mit Changchun im Norden und Shenzhen ganz im Süden wurden gleich zwei für die Wirtschaft wichtige Millionen-Metropolen in einen Lockdown geschickt.
Davon ist auch Volkswagen betroffen: Der Konzern muss wegen des Lockdowns in Changchun vorübergehend die Produktion in drei seiner Werke stoppen. Die Anlagen, die gemeinsam mit dem chinesischen Partner FAW betrieben werden, sollen auf Anordnung der Behörden vorerst bis einschließlich Mittwoch geschlossen bleiben, erklärte eine VW-Sprecherin in Peking. Betroffen sind ein VW-Werk, ein Audi-Werk sowie ein Komponentenwerk.
Die Schließung bedeute laut der Sprecherin nicht automatisch, dass auch weniger Fahrzeuge gebaut würden. So könnten Ausfälle später etwa mit Sonderschichten nachgeholt werden, wenn es zu keinem längerfristigen Produktionsstopp kommt. Wie genau der Begriff längerfristig in diesem Zusammenhang definiert ist, blieb allerdings unklar.
Derweil hat auch der Apple-Partner Foxconn die Produktion seiner Fertigungsstätte in Shenzhen ausgesetzt. Dort werden unter anderem auch iPhones hergestellt. Wie das taiwanische Mutterhaus Hon Hai am Montag in Taipeh mitteilte, werden die Produktionslinien in anderen Werken angepasst, um die potenziellen Auswirkungen der Unterbrechung möglichst gering zu halten. Bis wann die Produktion ausgesetzt wird, hänge von den Anordnungen der Behörden ab. Die Regierung der 17-Millionen-Metropole hatte am Vortag zunächst einen einwöchigen Lockdown verhängt. In dieser Zeit sollen alle Bewohner getestet werden.
Sowohl in Changchun als auch in Shenzhen hofft man, dass beide Städte möglichst bald wieder zur Normalität zurückkehren können. Die Strategie ist klar: Die gesamte Bevölkerung soll zu Hause bleiben und innerhalb einiger Tage mehrfach getestet werden. Infizierte müssen zur Isolation in Krankenhäuser. So sollen die Ausbrüche unter Kontrolle gebracht werden. Sollten die Infektionszahlen allerdings weiter rapide ansteigen, dürfte es selbst in China schwierig werden, jeden einzelnen Fall zurückzuverfolgen und jedes Mal sämtliche Kontaktpersonen in Quarantäne zu schicken.
In Hongkong hat sich gezeigt, wie schnell das gehen kann. Auch die chinesische Sonderverwaltungsregion verfolgt eine strikte Null-Corona-Politik, mit der bis Anfang des Jahres jeder Ausbruch erfolgreich wieder unter Kontrolle gebracht wurde. Doch gegen Omikron hatte das Nachverfolgungs- und Isolationsprinzip der Hongkonger Behörden keine Chance (China.Table berichtete). Mittlerweile werden mehrere Zehntausend Fälle pro Tag verzeichnet. Die Regierung ist völlig überfordert.
Deutsche Wirtschaftsvertreter in China verweisen zwar darauf, dass Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren dazugelernt und sich auf Lockdown-Situationen eingestellt hätten. Äußerst schwierig würde es jedoch, wenn sich nicht nur einzelne Städte, sondern mehrere Regionen und wichtige Wirtschaftszentren gleichzeitig in einen Lockdown begeben müssten (China.Table berichtete). Schon jetzt könnte sich ein solches Szenario abzeichnen, das dann die gesamte Weltwirtschaft hart treffen würde.
Dabei hatte man eigentlich gehofft, dass Chinas Wirtschaftswachstum der globalen Wirtschaft dabei helfen könnte, die Verwerfungen der Ukraine-Krise etwas abzufedern. Schließlich verkündete die Regierung auf dem Pekinger Volkskongress vergangene Woche ein durchaus ambitioniertes Wachstumsziel von 5,5 Prozent (China.Table berichtete). Ein Wert, der deutlich über den Wachstumsprognosen der meisten Ökonomen liegt.
Könnte das Coronavirus der Führung nun einen Strich durch die Rechnung machen? Derzeit scheint es noch zu früh, um ein derartiges Schreckensszenario an die Wand zu malen. Ein zumindest leichtes Zeichen der Entspannung gibt es: Die Infektionszahlen sind zu Wochenbeginn landesweit erstmals seit Tagen wieder zurückgegangen. Wurden am Sonntag noch 3100 Infektionen gemeldet, waren es am Montag 2125 lokale Infektionen. Bleibt ein exponentieller Anstieg aus und kehren Shenzhen und Changchun wie geplant in den nächsten Tagen aus ihren Massentest-Lockdowns wieder zurück zum normalen Leben, dürfte das für weitere Erleichterung sorgen. Steigen die Zahlen jedoch weiter, stehen China schwierige Wochen bevor. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Auf der internationalen Bühne präsentiert sich China dieser Tage als diplomatischer Vermittler. Gleichzeitig hält die chinesische Führung offiziell an der “strategischen Partnerschaft” mit Russland fest. Ein “Eiertanz”, wie Cora Francisca Jungbluth von der Bertelsmann-Stiftung im heutigen China.Table-Standpunkt feststellt.
In den staatlichen und semi-offiziellen Medien der Volksrepublik finden sich deshalb auch kaum Beiträge über das Leid der ukrainischen Bevölkerung, den Widerstand der ukrainischen Armee oder die solidarischen Gesten europäischer Länder. Wohl wissend um die Macht der Worte, vermeiden Staatsmedien die Bezeichnung “Krieg”.
In der Volkszeitung Renmin Ribao (人民日报), bei Zhongguowang (中国网) oder Xinhua (新华网) wird ausschließlich vom “russisch-ukrainischen Konflikt” (俄乌冲突) oder der “Situation in der Ukraine” (乌克兰局势) gesprochen. Die Berichterstattung zu den Entwicklungen in Osteuropa drehen sich überwiegend um das Vorankommen der Verhandlungsgespräche zwischen Russland und der Ukraine (俄乌外长在土耳其安塔利亚举行会晤) oder die Lage am russischen Finanzmarkt (俄央行采取措施稳定金融市场).
Die Schlagzeilen in China dominierten zuletzt dagegen andere Ereignisse. Die fünte Tagung des 13. Landeskomittees der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV; 政协第十三届全国委员会), abgelöst von Berichten zur Abschlussfeier der Paralympics am vergangenen Sonntag im Pekinger Vogelnest.
Auf der generell nationalistisch orientierten Internetseite Gunacha.cn (观察者) findet sich dennoch einmalig auch die Bezeichnung “Russland-Ukraine Krieg” (俄乌战争). John Mearsheimer nutzt sie in einem Gastbeitrag, der Antworten auf die Frage sucht, wer den Krieg verursacht habe (谁引发了俄乌战争). Er findet sie schließlich bei der Nato, die damit in der Wahrnehmung der Leser einen Krieg verursacht hat, keinen Konflikt.
Chinas Diskussion um die Invasion der Ukraine versucht vor allem, einen Schuldigen zu finden. Dabei wird auf historische Wunden verwiesen. Vornehmlich diese: Während des Jugoslawien-Krieges 1999 wurde im Rahmen der “Operation Allied Force” die chinesische Botschaft in Belgrad durch die Nato bombardiert. Chinesische Medien erinnerten am 24. Februar 2022 zeitgleich und reflexartig an die fünf Nato-Bomben von damals, die drei Tote und 21 Verletzte zur Folge hatten, während sich die internationale Berichterstattung auf den russischen Einmarsch in der Ukraine konzentrierte.
Als Washington die chinesische Regierung vor wenigen Wochen dazu mahnte, die Volksrepublik sei dazu verpflichtet, Russland in die Schranken zu weisen, reagierte das chinesische Außenministerium pikiert. Sprecherin Hua Chunying kreierte den Hashtag “Die USA sind nicht befugt, China Vorschriften zu machen” (#美方来告诉中方怎么做#). Sie schuf damit ein “Trending Topic” im chinesischen sozialen Netzwerk Weibo. Unter dem Hashtag #北约至今还欠中国一笔血债# verwies sie gar auf die “Blutschuld” der USA, die seit 1999 gegenüber China immer noch bestehe.
Mit diesem historischen Beispiel suggeriert die chinesische Führung eine Mitschuld der USA an den Entwicklungen in Osteuropa und verlagert den Fokus “von der eigenen Verantwortung auf die Unverantwortlichkeit der USA“. Die Beiträge wurden 1,2 Millionen Mal in China geklickt.
Wer sich online zu laut gegen den Krieg ausspricht, läuft Gefahr als “pro-amerikanisch” aufzufallen. Entsprechende Slogans spinnen über Sozialmedien diesen Zusammenhang. “Bist Du gegen den Krieg, musst Du auch gegen die USA sein.” Oder: “Wer gegen den Krieg, aber nicht gegen die Amerikaner ist, führt nichts Gutes im Schilde” (反战不反美,心里都有鬼). Der implizierte Vorwurf darin: Man könne nicht den Ukraine-Krieg verdammen, ohne Kriege mit amerikanischer Beteiligung zu verurteilen.
Für viele chinesische Nutzer befeuerte der Ukraine-Krieg jedoch eine zentrale Zukunftsfrage: das Schicksal Taiwans. Ende Februar wurde der Suchbegriff “Taiwan” etwa so häufig wie “Russland-Ukraine Konflikt” in chinesische Suchmaschinen eingegeben, Diskussionen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Ukraine und Taiwan mehren sich in den sozialen Medien (今日乌克兰,明日台湾?).
Viele sehen in der russischen Invasion einen Weckruf für alle Einwohner:innen des Inselstaates, dass sich die Situation kurzfristig extrem zuspitzen könnte. Wieder andere sehen darin eine Warnung an die Volksrepublik, in welcher Weise der Westen Konflikte beeinflussen und militärische Unterstützung bereitstellen könnte. Auf die anhaltenden Diskussionen hin rief das chinesische Staatsfernsehen CCTV den Hashtag #台湾的前途希望在于实现国家统一# ins Leben: “Die Hoffnung für Taiwans Zukunft liegt in der Verwirklichung der nationalen Wiedervereinigung.”
Das chinesische Außenministerium betont via Hashtag, die Situation in der Ukraine sei nicht mit der in Taiwan vergleichbar (#台湾问题同乌克兰问题没有任何可比性#). Im sozialen Netz kursiert derweil ein Bild, das ein Schwein namens “Taiwan” zeigt und die Schlachtung eines anderen namens “Ukraine” über einen Zaun hinweg beobachtet.
Die Kreativität der Chines:innen ist bemerkenswert, denn auch dieses soziale Ereignis hat ein neues Idiom entstehen lassen. Die Redewendung “无心工作” beschreibt den Zustand, “keine Lust haben zu arbeiten”. Im gleichklingenden Wortspiel “乌心工作” wurde das erste Zeichen durch das Schriftzeichen für “Ukraine” getauscht. So bringen die chinesischen Netizens ihre Sorgen um die Situation in der Ukraine zum Ausdruck: Sie “können sich wegen der Russland-Ukraine-Krise nicht auf die Arbeit konzentrieren”.
Eine Zahl, die das bestätigen könnte: Die Weibo-Themenseite #关注俄乌局势最新进展#, die über die neuesten Geschehnisse in der Ukraine auf dem Laufenden hält, erhielt bereits am 24. Februar 2022 mehr als zwei Milliarden Aufrufe. Julia Weibel
Chinas Spitzendiplomat Yang Jiechi hat sich am Montag in Rom mit dem nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, getroffen. Das Weiße Haus veröffentlichte am Montagabend nur eine dürre Notiz, der zufolge die beiden Regierungsvertreter “substanziell” über die Ukraine gesprochen haben. Auch Chinas Staatssender CCTV beließ es bei einer kurzen Meldung, in der es heißt, dass das Treffen stattgefunden habe.
Auf inoffiziellen Kanälen ließ die US-Regierung durchsickern, dass die Diskussion nicht nur volle sieben Stunden gedauert habe, sondern in ihrer Intensität auch der schweren Krise angemessen gewesen sei. Zwar sei das Treffen schon lange geplant gewesen, doch die aktuellen Ereignisse haben ihm einen völlig anderen Charakter gegeben. Sullivan habe ohne Umschweife die amerikanische Sorge über mögliche Hilfe Chinas für Russland angesprochen.
Kurz zuvor hatte Sullivan gewarnt, China müsste mit schweren “Konsequenzen” rechnen, sollte man Russland helfen, die westlichen Sanktionen zu umgehen. Experten sind sich einig: Einen allzu offenen Bruch der westlichen Sanktionen wird China nicht wagen. Dennoch könnten beide Länder im Hintergrund Möglichkeiten nutzen, die den Sanktionsdruck auf die russische Finanz- und Realwirtschaft deutlich abschwächen (ChinaTable berichtete). Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Montag unter Berufung auf ungenannte US-Beamte, dass die USA das Treffen nutzen, um mögliche Strafmaßnahmen darzulegen, sollte China tatsächlich Russland in seinem Krieg mit der Ukraine helfen.
Unterdessen dementierte Chinas Außenministeriums am Montag Medienberichte, wonach Moskau Peking um militärische Hilfe gebeten habe. “Die US-Seite hat in der Ukraine-Frage wiederholt Desinformationen über China verbreitet, und das in sehr böser Absicht”, sagte der Außenamtssprecher Zhao Lijian in Peking. Im Februar hatte sich schon eine andere Sprecherin des chinesischen Außenministeriums zu einer möglichen Militärhilfe Chinas geäußert. “Als mächtiges Land glaube ich nicht, dass Russland China oder andere Länder für Waffenlieferungen braucht”, sagte Hua Chunying im Februar.
Die Sprecherin der Europäischen Union, Nabila Massrali, sagte, Brüssel verfüge über “keine Beweise” dafür, dass Russland China um militärische Unterstützung gebeten habe. “Wir können keine Behauptungen bestätigen oder dementieren, dass Russland China um Hilfe gebeten hat.” Massrali fügte hinzu, keine EU-Beamten würden sich mit Yang auf dessen Reise treffen. rad
China-Aktien an der Börse Hongkong haben am Montag einen brutalen Absturz erlebt. Das einschlägige Kursbarometer, der Hang Seng China Enterprises Index, schloss 7,2 Prozent unter dem Vortageswert. Dabei handelt es sich um den größten Wertverlust seit der Krise von 2008. In dem Index sind Anteilsscheine festlandchinesischer Unternehmen zusammengefasst, die in Hongkong gelistet sind. Auch der Hang Seng Tech Index stürzte um 11 Prozent ab.
Unterdessen befinden sich auch chinesische Werte in den USA im freien Fall. Binnen Jahresfrist haben sie drei Viertel ihrer Bewertungen eingebüßt. Der Krieg in der Ukraine verursacht bei den Anlegern Sorgen um steigende Rohstoffpreise und weiterreichende politische Verwerfungen. Doch das ist nicht alles. Weitaus wichtiger für die großen Verluste sind der andauernde Handelskrieg zwischen China und den USA sowie die innerchinesische Regulierung (China.Table berichtete). Zu den ausgeprägtesten Verlierern gehört der Onlinehändler Alibaba. fin
China will seinen Kohlebergbau massiv ausweiten. Damit will die Regierung die Abhängigkeit von Importen drastisch verringern. Allerdings würden durch diesen Schritt die kurzfristigen Klimaschutzmaßnahmen wohl kaum mehr zu erreichen sein.
Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) gab vergangene Woche gegenüber Beamten der großen Bergbauregionen bekannt, dass die heimische Produktionskapazität um etwa 300 Millionen Tonnen gesteigert werden solle. Zudem sei geplant, einen nationalen Vorrat an Kohle von 620 Millionen Tonnen aufzubauen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Wegen der russischen Invasion in der Ukraine steigen derzeit die Preise für Kohle auf den internationalen Märkten in Rekordhöhen. Die nun geplante Produktionssteigerung würde aber nicht nur Chinas Abhängigkeit von ausländischen Importen verringern (China.Table berichtete). Der Schritt illustriert auch die große Sorge der Regierung in Peking um die nationale Energiesicherheit. Um Störungen des Wirtschaftswachstums zu verhindern, ist man offensichtlich bereit, auch in Zukunft auf fossile Brennstoffe zu setzen – auch auf Kosten der eigenen Klimaziele.
Kohle, der umweltschädlichste fossile Brennstoff, ist für China von großer Bedeutung: Die Volksrepublik produziert und verbraucht mehr als die Hälfte des globalen Angebots und trägt damit am meisten zu den kohlebedingten Treibhausgasemissionen bei. Dabei hatte China angekündigt, seinen Kohleverbrauch ab Mitte 2025 allmählich reduzieren zu wollen.
Die nun geplante Produktionssteigerung besteht aus zwei Teilen: 150 Millionen Tonnen Kapazität sollen durch neue, modernisierte Betriebe erreicht werden; die übrigen 150 Millionen Tonnen hingegen aus Tagebauen und einigen zuvor geschlossenen Minen. Laut NDRC soll die Tagesproduktion durchschnittlich 12,6 Millionen Tonnen betragen. Das läge über dem bisherigen Rekordniveau aus dem vergangenen Herbst, als Engpässe zu weit verbreiteten industriellen Stromausfällen führten. rad
Nach gut zehn Jahren Verhandlung haben sich die europäischen Institutionen in Brüssel auf eine neue Gesetzgebung für die öffentliche Beschaffung geeinigt, die unter anderem chinesische Billig-Angebote ausschalten soll. Das bestätigte am Montagabend der im EU-Parlament zuständige Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) auf Twitter. Das “international procurement instrument” (IPI) soll dafür sorgen, dass bei öffentlichen Ausschreibungen Billig-Angebote aus Drittstaaten wie China mit einem Preisaufschlag versehen werden können. Das IPI bietet zudem die Möglichkeit, innerhalb der EU chinesische Angebote bei Ausschreibungen komplett aus dem Vergabeverfahren auszuschließen, “sofern sich der betroffene Drittstaat in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission weigert, seinen öffentlichen Beschaffungsmarkt für EU-Anbieter ebenso weit zu öffnen, wie die EU es für Drittstaatanbieter tut”, erklärte Caspary. Das bedeutet: Dürfen europäischen Firmen nicht im gleichen Maß an Ausschreibungen in der Volksrepublik teilnehmen, kann den chinesischen Unternehmen in Europa auch ein Riegel vorgeschoben werden.
Das Europaparlament, die EU-Kommission und der EU-Rat hatten jahrelang um eine Einigung zum IPI gerungen. “Die heutige Trilogeinigung ist ein Durchbruch und korrigiert einen viel zu lange bestehenden Missstand. Bei öffentlichen Vergabeverfahren in der EU kommen regelmäßig Anbieter aus Drittstaaten, zum Beispiel China, zum Zug, die mit künstlich verbilligten Angeboten prestigeträchtige Aufträge in der EU gewinnen konnten”, so CDU-Europapolitiker Caspary. Er nannte als Beispiele U-Bahn-Tunnel in Stockholm und die Pelješac-Brücke in Kroatien. Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, begrüßte die Einigung. “Unser Abkommen ermöglicht es der EU, entschiedener gegen die Diskriminierung europäischer Unternehmen im Ausland vorzugehen. Die Botschaft ist klar: Fairer Marktzugang ist keine Einbahnstraße, sondern muss auf Gegenseitigkeit beruhen”, so Lange. ari
Peking nimmt seine Staatsunternehmen verstärkt in die Pflicht, mehr zur wirtschaftlichen Förderung der Autonomen Provinz Xinjiang beizutragen. Der kommende Fünfjahresplan sieht 38 Investitionsprojekte durch elf Firmen in staatlicher Hand vor. Das Volumen soll knapp 100 Milliarden US-Dollar betragen. Die Vereinbarungen wurden vergangene Woche am Rande des Nationalen Volkskongresses in Peking getroffen.
Zu den Unternehmen gehören Schwergewichte wie die China National Petroleum Corp, die China Petroleum and Chemical Corp sowie die State Grid Corp of China. Neben Öl und Kohle sollen auch Firmen aus den Sektoren Erneuerbare Energien, Maschinenbau und Infrastruktur in Xinjiang investieren.
Die Zentralregierung in Peking sieht in der wirtschaftlichen Entwicklung der Region im Nordwesten der Volksrepublik das zentrale Argument für ihre Behauptung, die Menschenrechtssituation in Xinjiang habe sich drastisch verbessert. Tatsächlich klammert sie bei dieser Beurteilung ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegenüber der muslimischen Minderheiten aus (China.Table berichtete).
Vornehmlich sind in Xinjiang die Uiguren Opfer radikaler Geburtenkontrolle, die von zahlreichen demokratischen Regierungen, Parlamenten und Politikern als Völkermord bezeichnet wird (China.Table berichtete). Schätzungen zufolge sind in Xinjiang zwischen einer und 1,5 Millionen Menschen in Internierungslagern untergebracht. Das belegen staatliche Dokumente, Satellitenbilder und Zeugenaussagen. grz
Die Behörden in Hongkong machen abermals von der extraterritorialen Reichweite des Nationalen Sicherheitsgesetzes Gebrauch. Die Polizei droht dem Mitbegründer des Onlineportals Hong Kong Watch, Benedict Rogers, im Falle seiner Rückkehr in die Stadt mit einer mehrjährigen Haftstrafe. Die Behörden argumentieren mit vermeintlichen Verstößen gegen das Nationale Sicherheitsgesetz, auf dessen Basis seit 2020 politischer Dissens nahezu willkürlich strafverfolgt werden kann.
Rogers ist britischer Staastsbürger und Gründer der Menschenrechtskommission der Konservativen Partei Großbritanniens. Im November 2017 hatte er Hong Kong Watch mitbegründet, nachdem ihm ein Monat zuvor die Einreise in die frühere britische Kronkolonie verweigert worden war. Die Behörden der Stadt, in der er zwischen 1997 und 2002 gelebt hatte, werfen ihm jetzt “Konspiration mit ausländischen Kräften” vor, einer von vier Straftatbeständen des Nationalen Sicherheitsgesetzes.
In dem Schreiben der Polizei heißt es, Rogers müsse als Verantwortlicher Repräsentant dafür sorgen, dass die Internetseite hongkongwatch.org binnen 72 Stunden offline geht. Andernfalls drohe eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 HK-Dollar (rund 11.600 Euro) oder besagte Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Die Organisation hat bereits angekündigt, die Forderung nicht erfüllen zu wollen. Ohnehin ist Hong Kong Watch in der Stadt blockiert und ohne VPN-Tunnel nicht erreichbar.
Rogers ist nicht der erste Ausländer außerhalb Hongkongs, dem die Behörden der Stadt auf Grundlage des Sichertheitsgesetzes mit Strafverfolgung drohen. Anfang vergangenen Jahres waren Ermittlungen gegen vier dänische Parlamentarier aufgenommen worden, weil sie einem Hongkonger Oppositionellen zur Flucht nach Europa verholfen hatten (China.Table berichtete). grz
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine kommt für China zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Olympischen Winterspiele wurden von Covid-19 überschattet. Chinas Wirtschaft steht aufgrund der Pandemie, der ungelösten Probleme im Immobiliensektor sowie den lange bekannten Schattenseiten seines exportorientierten Wachstumsmodells unter Druck. Und im Vorfeld des nahenden Parteitags will die chinesische Führung eigentlich vor allem eins: Stabilität. Doch nun ist diese durch den Krieg, den China verharmlosend als “Ukraine-Situation” (乌克兰局势) bezeichnet, gefährdet.
Selbst wenn es Berichte gibt, dass China von den imperialen Plänen Russlands gewusst haben könnte, ist es schwer zu glauben, dass es sich auch des Ausmaßes dessen, was geschehen würde, bewusst war. Vielleicht hat China unterschätzt, wie weit Russland wirklich gehen würde, und hat nun nicht die Absicht, eine Kriegsallianz einzugehen.
Als Xi Jinping und Wladimir Putin Anfang Februar ihre “grenzenlose Freundschaft” ohne “verbotene Bereiche der Zusammenarbeit” verkündeten, wäre eine kriegstaugliche “Allianz der Autokratien” sogar noch im Bereich des Möglichen gewesen. Doch statt Russland offen zu unterstützen, vollführt China einen diplomatischen Eiertanz: Die chinesische Führung betont immer wieder die Achtung der territorialen Integrität und nationalen Souveränität von Staaten, wie in der UN-Charta verankert, als Grundsätze der chinesischen Außenpolitik, auch für die Ukraine. China enthielt sich bei den Abstimmungen über eine Resolution gegen Russland im UN-Sicherheitsrat und der UN-Generalversammlung. So versucht es, zumindest eine gewisse Distanz in die Beziehungen zu Russland zu bringen und sich verschiedene Optionen offenzuhalten.
Gleichzeitig zeigt China großes Verständnis für Russlands Sicherheitsbedenken in Europa, insbesondere die Furcht vor der Nato vor der eigenen Haustür. China sieht sich im indo-pazifischen Raum mit einer ähnlichen Situation konfrontiert, da immer mehr westliche Länder, allen voran die USA, nationale Strategien für diese Region verfolgen, die aus chinesischer Sicht dem Ziel der Eindämmung Chinas dienen – so wie Russland dies bei der Osterweiterung der Nato behauptet. Am Rande des NVK zog der chinesische Außenminister Wang Yi sogar eine direkte Analogie, indem er die “Schaffung einer indo-pazifischen Version der Nato” als das eigentliche Ziel der USA für diese Region bezeichnete.
China sieht in Russland daher einen wichtigen geopolitischen Partner gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Daran wird auch der Krieg auf lange Sicht nichts ändern. Kurzfristig wird er jedoch zu einer Belastungsprobe für die chinesisch-russischen Beziehungen, auch wenn Wang Yi diese am Rande des NVK als “felsenfest” bezeichnete.
Während der “Westen” in den vergangenen Wochen Chinas diplomatischen Eiertanz aufmerksam und manchmal ungläubig beobachtete, haben Ungeduld und Unverständnis für dieses Verhalten stetig zugenommen: Jedes Mal, wenn man glaubte, aus den offiziellen chinesischen Erklärungen zur “Ukraine-Situation” eine eindeutige Positionierung zugunsten Russlands herauszuhören, blieb am Ende eine Hintertür offen, die die Eindeutigkeit wieder uneindeutig machte. Das Oxymoron “pro-russische Neutralität” beschreibt diese Taktik sehr zutreffend.
Nach wie vor besteht auf westlicher Seite aber die Hoffnung, dass China in dem Krieg doch noch die vielfach versprochene “konstruktive Rolle” einnehmen könnte – schon allein um seine wichtigen Wirtschaftsbeziehungen zu den USA und der EU nicht dauerhaft zu gefährden. Denn wenn es etwas gibt, was China fürchtet, dann ist es, direkt oder indirekt ins Fadenkreuz der Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu geraten, die es wiederholt als “illegal” und “einseitig” verurteilt hat.
Während Russland für China sicherlich geopolitisch wichtig ist, hat es wirtschaftlich relativ wenig zu bieten. Russische Rohstoffe sind für China nicht unersetzlich und kein Alleinstellungsmerkmal. Die Investitions- und Handelsbeziehungen mit westlichen Ländern sind hingegen vielfältig und intensiv. Allein die USA und die EU machen 25 Prozent des chinesischen Handelsvolumens aus und stellen Russland mit weniger als drei Prozent in den Schatten. Und auch für Chinas internationale Investitionen sind die USA und die EU zentrale Geber- und Nehmerregionen.
Trotz der Abkopplungsdiskussion ist China gegenwärtig noch immer auf seine Wirtschaftsbeziehungen zum Westen angewiesen, um Zugang zu spezifischem Know-how sowie zu Exportmärkten mit hoher Kaufkraft zu erhalten und so zu wirtschaftlichem Wachstum und Stabilität beizutragen. Kurzum, China kann es sich im Vorfeld des 20. Parteitags nicht leisten, das ohnehin dünne Eis, auf dem sich seine Beziehungen zum “Westen” schon seit längerem bewegen, brechen zu lassen.
Chinas internationales Image hat unter seinem diplomatischen Eiertanz ohnehin bereits gelitten. Und je länger der Krieg in all seiner Brutalität dauert, desto schwieriger dürfte es für China werden, dieses politische Spiel fortzusetzen. Wirtschaftlich könnte es sich am Ende ohnehin auf der Verliererseite wiederfinden, da die Auswirkungen des Kriegs auf die Weltwirtschaft und die globalen Lieferketten, und somit auch auf China, schwerwiegend sein könnten.
Eine Möglichkeit für China, aus der “Ukraine-Situation” zumindest halbwegs gesichtswahrend herauszukommen, scheint vorerst darin zu bestehen, die wiederholt versprochene “konstruktive Rolle” endlich in die Tat umzusetzen. Jedoch nicht als direkter Vermittler zwischen den beiden Seiten – denn ein solcher sollte tatsächlich neutral sein – sondern indem es sein ganzes wirtschaftliches Gewicht Russland gegenüber in die Waagschale wirft und damit den Druck auf dieses erhöht, den Krieg zu beenden oder zumindest einen verlässlichen Waffenstillstand auszuhandeln. Auf diese Weise könnte China doch noch die Rolle spielen, die es im 21. Jahrhundert für sich beansprucht: die einer globalen Supermacht, die auch bereit ist, die mit dieser Rolle verbundene internationale Verantwortung zu übernehmen. Ob es dazu kommt, ist derzeit aber noch fraglich.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine gekürzte deutschsprachige Fassung des Beitrags “Caught between Russia and the West? China‘s Struggle for a Position on Ukraine“, erstmals veröffentlicht auf dem Europa-Blog der Bertelsmann Stiftung am 10. März 2022.
Jeffrey Pan wird neuer CEO Greater China beim Versicherer Swiss Re. Pan kommt von AIG, wo er zuletzt 17 Jahre lang als Geschäftsführer der AIG International Consulting gearbeitet hat. Seinen Posten tritt er am 11. April in Shanghai an.
Yu Xiangrong ist neuer Chef-Ökonom China für die US-Bank Citigroup. Er wird die Forschung und Analyse zur chinesischen Wirtschaftspolitik verantworten und an Johanna Chua, Head of Asia-Pacific economics, berichten.
Aus der olympischen Blase in Peking wird seit gestern schrittweise die Luft gelassen. Nach dem Ende der Paralympics am Sonntag haben Athlet:innen aus aller Welt die chinesische Hauptstadt inzwischen verlassen. Für die zahlreichen Helfer, die sogenannten Volunteers, endet die Isolation im Zeichen der fünf Ringe jedoch erst in zwei Wochen. So lange dürfen sie wegen Chinas Null-Covid-Strategie nicht in den Alltag zurückkehren.
bislang galt Chinas Null-Covid-Strategie als überaus erfolgreich. Mit strikten Lockdowns, großangelegten Massentests und digitaler Nachverfolgung schien es, als könnte die Regierung in Peking auch Corona unter Kontrolle halten. Doch was sich zuletzt schon in Hongkong andeutete, bricht sich nun auch auf dem Festland Bahn: Landesweit steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide an.
Firmen wie Volkswagen oder der IPhone-Zulieferer Foxconn müssen ihre Produktion stoppen. Zunächst nur für die kommenden Tage. Doch sollten die Corona-Zahlen weiter steigen, dürfte Chinas Null-Covid-Strategie vor dem Aus stehen, analysiert unser Autorenteam in Peking. Und damit nicht genug: Chinas neues Wachstumsziel und schließlich auch der internationale Handel könnten deshalb in schwere Turbulenzen geraten.
Unterdessen geht der Krieg in der Ukraine unvermindert weiter. Während in Russland jegliche kritische Berichterstattung über die Invasion unter Strafe gestellt wurde, gehen wir heute der Frage nach, wie in der Volksrepublik über das Verhalten des “strategischen Partners” berichtet wird. Julia Weibel zeigt Ihnen, wie Chinas staatliche Medien es schaffen, aus einer russischen Invasion eine “Blutschuld” der USA gegenüber China zu konstruieren. Und auch dieses Mal zeigen Chinas Internetnutzer wieder große Kreativität. Mit phantasiereichen Wortspielen gelingt es ihnen, ihr Mitgefühl und ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Lange sah es so aus, als könnte China durch seine strengen Schutzmaßnahmen Corona aussperren. Sogar als die viel ansteckendere Omikron-Variante Anfang Januar erstmals in chinesischen Städten entdeckt worden war, gelang es den Behörden zunächst, die Ausbrüche wieder einzudämmen. Doch nun melden 19 Regionen parallel neue Infektionsherde. Und mit Changchun im Norden und Shenzhen ganz im Süden wurden gleich zwei für die Wirtschaft wichtige Millionen-Metropolen in einen Lockdown geschickt.
Davon ist auch Volkswagen betroffen: Der Konzern muss wegen des Lockdowns in Changchun vorübergehend die Produktion in drei seiner Werke stoppen. Die Anlagen, die gemeinsam mit dem chinesischen Partner FAW betrieben werden, sollen auf Anordnung der Behörden vorerst bis einschließlich Mittwoch geschlossen bleiben, erklärte eine VW-Sprecherin in Peking. Betroffen sind ein VW-Werk, ein Audi-Werk sowie ein Komponentenwerk.
Die Schließung bedeute laut der Sprecherin nicht automatisch, dass auch weniger Fahrzeuge gebaut würden. So könnten Ausfälle später etwa mit Sonderschichten nachgeholt werden, wenn es zu keinem längerfristigen Produktionsstopp kommt. Wie genau der Begriff längerfristig in diesem Zusammenhang definiert ist, blieb allerdings unklar.
Derweil hat auch der Apple-Partner Foxconn die Produktion seiner Fertigungsstätte in Shenzhen ausgesetzt. Dort werden unter anderem auch iPhones hergestellt. Wie das taiwanische Mutterhaus Hon Hai am Montag in Taipeh mitteilte, werden die Produktionslinien in anderen Werken angepasst, um die potenziellen Auswirkungen der Unterbrechung möglichst gering zu halten. Bis wann die Produktion ausgesetzt wird, hänge von den Anordnungen der Behörden ab. Die Regierung der 17-Millionen-Metropole hatte am Vortag zunächst einen einwöchigen Lockdown verhängt. In dieser Zeit sollen alle Bewohner getestet werden.
Sowohl in Changchun als auch in Shenzhen hofft man, dass beide Städte möglichst bald wieder zur Normalität zurückkehren können. Die Strategie ist klar: Die gesamte Bevölkerung soll zu Hause bleiben und innerhalb einiger Tage mehrfach getestet werden. Infizierte müssen zur Isolation in Krankenhäuser. So sollen die Ausbrüche unter Kontrolle gebracht werden. Sollten die Infektionszahlen allerdings weiter rapide ansteigen, dürfte es selbst in China schwierig werden, jeden einzelnen Fall zurückzuverfolgen und jedes Mal sämtliche Kontaktpersonen in Quarantäne zu schicken.
In Hongkong hat sich gezeigt, wie schnell das gehen kann. Auch die chinesische Sonderverwaltungsregion verfolgt eine strikte Null-Corona-Politik, mit der bis Anfang des Jahres jeder Ausbruch erfolgreich wieder unter Kontrolle gebracht wurde. Doch gegen Omikron hatte das Nachverfolgungs- und Isolationsprinzip der Hongkonger Behörden keine Chance (China.Table berichtete). Mittlerweile werden mehrere Zehntausend Fälle pro Tag verzeichnet. Die Regierung ist völlig überfordert.
Deutsche Wirtschaftsvertreter in China verweisen zwar darauf, dass Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren dazugelernt und sich auf Lockdown-Situationen eingestellt hätten. Äußerst schwierig würde es jedoch, wenn sich nicht nur einzelne Städte, sondern mehrere Regionen und wichtige Wirtschaftszentren gleichzeitig in einen Lockdown begeben müssten (China.Table berichtete). Schon jetzt könnte sich ein solches Szenario abzeichnen, das dann die gesamte Weltwirtschaft hart treffen würde.
Dabei hatte man eigentlich gehofft, dass Chinas Wirtschaftswachstum der globalen Wirtschaft dabei helfen könnte, die Verwerfungen der Ukraine-Krise etwas abzufedern. Schließlich verkündete die Regierung auf dem Pekinger Volkskongress vergangene Woche ein durchaus ambitioniertes Wachstumsziel von 5,5 Prozent (China.Table berichtete). Ein Wert, der deutlich über den Wachstumsprognosen der meisten Ökonomen liegt.
Könnte das Coronavirus der Führung nun einen Strich durch die Rechnung machen? Derzeit scheint es noch zu früh, um ein derartiges Schreckensszenario an die Wand zu malen. Ein zumindest leichtes Zeichen der Entspannung gibt es: Die Infektionszahlen sind zu Wochenbeginn landesweit erstmals seit Tagen wieder zurückgegangen. Wurden am Sonntag noch 3100 Infektionen gemeldet, waren es am Montag 2125 lokale Infektionen. Bleibt ein exponentieller Anstieg aus und kehren Shenzhen und Changchun wie geplant in den nächsten Tagen aus ihren Massentest-Lockdowns wieder zurück zum normalen Leben, dürfte das für weitere Erleichterung sorgen. Steigen die Zahlen jedoch weiter, stehen China schwierige Wochen bevor. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Auf der internationalen Bühne präsentiert sich China dieser Tage als diplomatischer Vermittler. Gleichzeitig hält die chinesische Führung offiziell an der “strategischen Partnerschaft” mit Russland fest. Ein “Eiertanz”, wie Cora Francisca Jungbluth von der Bertelsmann-Stiftung im heutigen China.Table-Standpunkt feststellt.
In den staatlichen und semi-offiziellen Medien der Volksrepublik finden sich deshalb auch kaum Beiträge über das Leid der ukrainischen Bevölkerung, den Widerstand der ukrainischen Armee oder die solidarischen Gesten europäischer Länder. Wohl wissend um die Macht der Worte, vermeiden Staatsmedien die Bezeichnung “Krieg”.
In der Volkszeitung Renmin Ribao (人民日报), bei Zhongguowang (中国网) oder Xinhua (新华网) wird ausschließlich vom “russisch-ukrainischen Konflikt” (俄乌冲突) oder der “Situation in der Ukraine” (乌克兰局势) gesprochen. Die Berichterstattung zu den Entwicklungen in Osteuropa drehen sich überwiegend um das Vorankommen der Verhandlungsgespräche zwischen Russland und der Ukraine (俄乌外长在土耳其安塔利亚举行会晤) oder die Lage am russischen Finanzmarkt (俄央行采取措施稳定金融市场).
Die Schlagzeilen in China dominierten zuletzt dagegen andere Ereignisse. Die fünte Tagung des 13. Landeskomittees der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV; 政协第十三届全国委员会), abgelöst von Berichten zur Abschlussfeier der Paralympics am vergangenen Sonntag im Pekinger Vogelnest.
Auf der generell nationalistisch orientierten Internetseite Gunacha.cn (观察者) findet sich dennoch einmalig auch die Bezeichnung “Russland-Ukraine Krieg” (俄乌战争). John Mearsheimer nutzt sie in einem Gastbeitrag, der Antworten auf die Frage sucht, wer den Krieg verursacht habe (谁引发了俄乌战争). Er findet sie schließlich bei der Nato, die damit in der Wahrnehmung der Leser einen Krieg verursacht hat, keinen Konflikt.
Chinas Diskussion um die Invasion der Ukraine versucht vor allem, einen Schuldigen zu finden. Dabei wird auf historische Wunden verwiesen. Vornehmlich diese: Während des Jugoslawien-Krieges 1999 wurde im Rahmen der “Operation Allied Force” die chinesische Botschaft in Belgrad durch die Nato bombardiert. Chinesische Medien erinnerten am 24. Februar 2022 zeitgleich und reflexartig an die fünf Nato-Bomben von damals, die drei Tote und 21 Verletzte zur Folge hatten, während sich die internationale Berichterstattung auf den russischen Einmarsch in der Ukraine konzentrierte.
Als Washington die chinesische Regierung vor wenigen Wochen dazu mahnte, die Volksrepublik sei dazu verpflichtet, Russland in die Schranken zu weisen, reagierte das chinesische Außenministerium pikiert. Sprecherin Hua Chunying kreierte den Hashtag “Die USA sind nicht befugt, China Vorschriften zu machen” (#美方来告诉中方怎么做#). Sie schuf damit ein “Trending Topic” im chinesischen sozialen Netzwerk Weibo. Unter dem Hashtag #北约至今还欠中国一笔血债# verwies sie gar auf die “Blutschuld” der USA, die seit 1999 gegenüber China immer noch bestehe.
Mit diesem historischen Beispiel suggeriert die chinesische Führung eine Mitschuld der USA an den Entwicklungen in Osteuropa und verlagert den Fokus “von der eigenen Verantwortung auf die Unverantwortlichkeit der USA“. Die Beiträge wurden 1,2 Millionen Mal in China geklickt.
Wer sich online zu laut gegen den Krieg ausspricht, läuft Gefahr als “pro-amerikanisch” aufzufallen. Entsprechende Slogans spinnen über Sozialmedien diesen Zusammenhang. “Bist Du gegen den Krieg, musst Du auch gegen die USA sein.” Oder: “Wer gegen den Krieg, aber nicht gegen die Amerikaner ist, führt nichts Gutes im Schilde” (反战不反美,心里都有鬼). Der implizierte Vorwurf darin: Man könne nicht den Ukraine-Krieg verdammen, ohne Kriege mit amerikanischer Beteiligung zu verurteilen.
Für viele chinesische Nutzer befeuerte der Ukraine-Krieg jedoch eine zentrale Zukunftsfrage: das Schicksal Taiwans. Ende Februar wurde der Suchbegriff “Taiwan” etwa so häufig wie “Russland-Ukraine Konflikt” in chinesische Suchmaschinen eingegeben, Diskussionen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Ukraine und Taiwan mehren sich in den sozialen Medien (今日乌克兰,明日台湾?).
Viele sehen in der russischen Invasion einen Weckruf für alle Einwohner:innen des Inselstaates, dass sich die Situation kurzfristig extrem zuspitzen könnte. Wieder andere sehen darin eine Warnung an die Volksrepublik, in welcher Weise der Westen Konflikte beeinflussen und militärische Unterstützung bereitstellen könnte. Auf die anhaltenden Diskussionen hin rief das chinesische Staatsfernsehen CCTV den Hashtag #台湾的前途希望在于实现国家统一# ins Leben: “Die Hoffnung für Taiwans Zukunft liegt in der Verwirklichung der nationalen Wiedervereinigung.”
Das chinesische Außenministerium betont via Hashtag, die Situation in der Ukraine sei nicht mit der in Taiwan vergleichbar (#台湾问题同乌克兰问题没有任何可比性#). Im sozialen Netz kursiert derweil ein Bild, das ein Schwein namens “Taiwan” zeigt und die Schlachtung eines anderen namens “Ukraine” über einen Zaun hinweg beobachtet.
Die Kreativität der Chines:innen ist bemerkenswert, denn auch dieses soziale Ereignis hat ein neues Idiom entstehen lassen. Die Redewendung “无心工作” beschreibt den Zustand, “keine Lust haben zu arbeiten”. Im gleichklingenden Wortspiel “乌心工作” wurde das erste Zeichen durch das Schriftzeichen für “Ukraine” getauscht. So bringen die chinesischen Netizens ihre Sorgen um die Situation in der Ukraine zum Ausdruck: Sie “können sich wegen der Russland-Ukraine-Krise nicht auf die Arbeit konzentrieren”.
Eine Zahl, die das bestätigen könnte: Die Weibo-Themenseite #关注俄乌局势最新进展#, die über die neuesten Geschehnisse in der Ukraine auf dem Laufenden hält, erhielt bereits am 24. Februar 2022 mehr als zwei Milliarden Aufrufe. Julia Weibel
Chinas Spitzendiplomat Yang Jiechi hat sich am Montag in Rom mit dem nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, getroffen. Das Weiße Haus veröffentlichte am Montagabend nur eine dürre Notiz, der zufolge die beiden Regierungsvertreter “substanziell” über die Ukraine gesprochen haben. Auch Chinas Staatssender CCTV beließ es bei einer kurzen Meldung, in der es heißt, dass das Treffen stattgefunden habe.
Auf inoffiziellen Kanälen ließ die US-Regierung durchsickern, dass die Diskussion nicht nur volle sieben Stunden gedauert habe, sondern in ihrer Intensität auch der schweren Krise angemessen gewesen sei. Zwar sei das Treffen schon lange geplant gewesen, doch die aktuellen Ereignisse haben ihm einen völlig anderen Charakter gegeben. Sullivan habe ohne Umschweife die amerikanische Sorge über mögliche Hilfe Chinas für Russland angesprochen.
Kurz zuvor hatte Sullivan gewarnt, China müsste mit schweren “Konsequenzen” rechnen, sollte man Russland helfen, die westlichen Sanktionen zu umgehen. Experten sind sich einig: Einen allzu offenen Bruch der westlichen Sanktionen wird China nicht wagen. Dennoch könnten beide Länder im Hintergrund Möglichkeiten nutzen, die den Sanktionsdruck auf die russische Finanz- und Realwirtschaft deutlich abschwächen (ChinaTable berichtete). Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Montag unter Berufung auf ungenannte US-Beamte, dass die USA das Treffen nutzen, um mögliche Strafmaßnahmen darzulegen, sollte China tatsächlich Russland in seinem Krieg mit der Ukraine helfen.
Unterdessen dementierte Chinas Außenministeriums am Montag Medienberichte, wonach Moskau Peking um militärische Hilfe gebeten habe. “Die US-Seite hat in der Ukraine-Frage wiederholt Desinformationen über China verbreitet, und das in sehr böser Absicht”, sagte der Außenamtssprecher Zhao Lijian in Peking. Im Februar hatte sich schon eine andere Sprecherin des chinesischen Außenministeriums zu einer möglichen Militärhilfe Chinas geäußert. “Als mächtiges Land glaube ich nicht, dass Russland China oder andere Länder für Waffenlieferungen braucht”, sagte Hua Chunying im Februar.
Die Sprecherin der Europäischen Union, Nabila Massrali, sagte, Brüssel verfüge über “keine Beweise” dafür, dass Russland China um militärische Unterstützung gebeten habe. “Wir können keine Behauptungen bestätigen oder dementieren, dass Russland China um Hilfe gebeten hat.” Massrali fügte hinzu, keine EU-Beamten würden sich mit Yang auf dessen Reise treffen. rad
China-Aktien an der Börse Hongkong haben am Montag einen brutalen Absturz erlebt. Das einschlägige Kursbarometer, der Hang Seng China Enterprises Index, schloss 7,2 Prozent unter dem Vortageswert. Dabei handelt es sich um den größten Wertverlust seit der Krise von 2008. In dem Index sind Anteilsscheine festlandchinesischer Unternehmen zusammengefasst, die in Hongkong gelistet sind. Auch der Hang Seng Tech Index stürzte um 11 Prozent ab.
Unterdessen befinden sich auch chinesische Werte in den USA im freien Fall. Binnen Jahresfrist haben sie drei Viertel ihrer Bewertungen eingebüßt. Der Krieg in der Ukraine verursacht bei den Anlegern Sorgen um steigende Rohstoffpreise und weiterreichende politische Verwerfungen. Doch das ist nicht alles. Weitaus wichtiger für die großen Verluste sind der andauernde Handelskrieg zwischen China und den USA sowie die innerchinesische Regulierung (China.Table berichtete). Zu den ausgeprägtesten Verlierern gehört der Onlinehändler Alibaba. fin
China will seinen Kohlebergbau massiv ausweiten. Damit will die Regierung die Abhängigkeit von Importen drastisch verringern. Allerdings würden durch diesen Schritt die kurzfristigen Klimaschutzmaßnahmen wohl kaum mehr zu erreichen sein.
Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) gab vergangene Woche gegenüber Beamten der großen Bergbauregionen bekannt, dass die heimische Produktionskapazität um etwa 300 Millionen Tonnen gesteigert werden solle. Zudem sei geplant, einen nationalen Vorrat an Kohle von 620 Millionen Tonnen aufzubauen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Wegen der russischen Invasion in der Ukraine steigen derzeit die Preise für Kohle auf den internationalen Märkten in Rekordhöhen. Die nun geplante Produktionssteigerung würde aber nicht nur Chinas Abhängigkeit von ausländischen Importen verringern (China.Table berichtete). Der Schritt illustriert auch die große Sorge der Regierung in Peking um die nationale Energiesicherheit. Um Störungen des Wirtschaftswachstums zu verhindern, ist man offensichtlich bereit, auch in Zukunft auf fossile Brennstoffe zu setzen – auch auf Kosten der eigenen Klimaziele.
Kohle, der umweltschädlichste fossile Brennstoff, ist für China von großer Bedeutung: Die Volksrepublik produziert und verbraucht mehr als die Hälfte des globalen Angebots und trägt damit am meisten zu den kohlebedingten Treibhausgasemissionen bei. Dabei hatte China angekündigt, seinen Kohleverbrauch ab Mitte 2025 allmählich reduzieren zu wollen.
Die nun geplante Produktionssteigerung besteht aus zwei Teilen: 150 Millionen Tonnen Kapazität sollen durch neue, modernisierte Betriebe erreicht werden; die übrigen 150 Millionen Tonnen hingegen aus Tagebauen und einigen zuvor geschlossenen Minen. Laut NDRC soll die Tagesproduktion durchschnittlich 12,6 Millionen Tonnen betragen. Das läge über dem bisherigen Rekordniveau aus dem vergangenen Herbst, als Engpässe zu weit verbreiteten industriellen Stromausfällen führten. rad
Nach gut zehn Jahren Verhandlung haben sich die europäischen Institutionen in Brüssel auf eine neue Gesetzgebung für die öffentliche Beschaffung geeinigt, die unter anderem chinesische Billig-Angebote ausschalten soll. Das bestätigte am Montagabend der im EU-Parlament zuständige Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) auf Twitter. Das “international procurement instrument” (IPI) soll dafür sorgen, dass bei öffentlichen Ausschreibungen Billig-Angebote aus Drittstaaten wie China mit einem Preisaufschlag versehen werden können. Das IPI bietet zudem die Möglichkeit, innerhalb der EU chinesische Angebote bei Ausschreibungen komplett aus dem Vergabeverfahren auszuschließen, “sofern sich der betroffene Drittstaat in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission weigert, seinen öffentlichen Beschaffungsmarkt für EU-Anbieter ebenso weit zu öffnen, wie die EU es für Drittstaatanbieter tut”, erklärte Caspary. Das bedeutet: Dürfen europäischen Firmen nicht im gleichen Maß an Ausschreibungen in der Volksrepublik teilnehmen, kann den chinesischen Unternehmen in Europa auch ein Riegel vorgeschoben werden.
Das Europaparlament, die EU-Kommission und der EU-Rat hatten jahrelang um eine Einigung zum IPI gerungen. “Die heutige Trilogeinigung ist ein Durchbruch und korrigiert einen viel zu lange bestehenden Missstand. Bei öffentlichen Vergabeverfahren in der EU kommen regelmäßig Anbieter aus Drittstaaten, zum Beispiel China, zum Zug, die mit künstlich verbilligten Angeboten prestigeträchtige Aufträge in der EU gewinnen konnten”, so CDU-Europapolitiker Caspary. Er nannte als Beispiele U-Bahn-Tunnel in Stockholm und die Pelješac-Brücke in Kroatien. Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, begrüßte die Einigung. “Unser Abkommen ermöglicht es der EU, entschiedener gegen die Diskriminierung europäischer Unternehmen im Ausland vorzugehen. Die Botschaft ist klar: Fairer Marktzugang ist keine Einbahnstraße, sondern muss auf Gegenseitigkeit beruhen”, so Lange. ari
Peking nimmt seine Staatsunternehmen verstärkt in die Pflicht, mehr zur wirtschaftlichen Förderung der Autonomen Provinz Xinjiang beizutragen. Der kommende Fünfjahresplan sieht 38 Investitionsprojekte durch elf Firmen in staatlicher Hand vor. Das Volumen soll knapp 100 Milliarden US-Dollar betragen. Die Vereinbarungen wurden vergangene Woche am Rande des Nationalen Volkskongresses in Peking getroffen.
Zu den Unternehmen gehören Schwergewichte wie die China National Petroleum Corp, die China Petroleum and Chemical Corp sowie die State Grid Corp of China. Neben Öl und Kohle sollen auch Firmen aus den Sektoren Erneuerbare Energien, Maschinenbau und Infrastruktur in Xinjiang investieren.
Die Zentralregierung in Peking sieht in der wirtschaftlichen Entwicklung der Region im Nordwesten der Volksrepublik das zentrale Argument für ihre Behauptung, die Menschenrechtssituation in Xinjiang habe sich drastisch verbessert. Tatsächlich klammert sie bei dieser Beurteilung ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegenüber der muslimischen Minderheiten aus (China.Table berichtete).
Vornehmlich sind in Xinjiang die Uiguren Opfer radikaler Geburtenkontrolle, die von zahlreichen demokratischen Regierungen, Parlamenten und Politikern als Völkermord bezeichnet wird (China.Table berichtete). Schätzungen zufolge sind in Xinjiang zwischen einer und 1,5 Millionen Menschen in Internierungslagern untergebracht. Das belegen staatliche Dokumente, Satellitenbilder und Zeugenaussagen. grz
Die Behörden in Hongkong machen abermals von der extraterritorialen Reichweite des Nationalen Sicherheitsgesetzes Gebrauch. Die Polizei droht dem Mitbegründer des Onlineportals Hong Kong Watch, Benedict Rogers, im Falle seiner Rückkehr in die Stadt mit einer mehrjährigen Haftstrafe. Die Behörden argumentieren mit vermeintlichen Verstößen gegen das Nationale Sicherheitsgesetz, auf dessen Basis seit 2020 politischer Dissens nahezu willkürlich strafverfolgt werden kann.
Rogers ist britischer Staastsbürger und Gründer der Menschenrechtskommission der Konservativen Partei Großbritanniens. Im November 2017 hatte er Hong Kong Watch mitbegründet, nachdem ihm ein Monat zuvor die Einreise in die frühere britische Kronkolonie verweigert worden war. Die Behörden der Stadt, in der er zwischen 1997 und 2002 gelebt hatte, werfen ihm jetzt “Konspiration mit ausländischen Kräften” vor, einer von vier Straftatbeständen des Nationalen Sicherheitsgesetzes.
In dem Schreiben der Polizei heißt es, Rogers müsse als Verantwortlicher Repräsentant dafür sorgen, dass die Internetseite hongkongwatch.org binnen 72 Stunden offline geht. Andernfalls drohe eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 HK-Dollar (rund 11.600 Euro) oder besagte Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Die Organisation hat bereits angekündigt, die Forderung nicht erfüllen zu wollen. Ohnehin ist Hong Kong Watch in der Stadt blockiert und ohne VPN-Tunnel nicht erreichbar.
Rogers ist nicht der erste Ausländer außerhalb Hongkongs, dem die Behörden der Stadt auf Grundlage des Sichertheitsgesetzes mit Strafverfolgung drohen. Anfang vergangenen Jahres waren Ermittlungen gegen vier dänische Parlamentarier aufgenommen worden, weil sie einem Hongkonger Oppositionellen zur Flucht nach Europa verholfen hatten (China.Table berichtete). grz
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine kommt für China zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Olympischen Winterspiele wurden von Covid-19 überschattet. Chinas Wirtschaft steht aufgrund der Pandemie, der ungelösten Probleme im Immobiliensektor sowie den lange bekannten Schattenseiten seines exportorientierten Wachstumsmodells unter Druck. Und im Vorfeld des nahenden Parteitags will die chinesische Führung eigentlich vor allem eins: Stabilität. Doch nun ist diese durch den Krieg, den China verharmlosend als “Ukraine-Situation” (乌克兰局势) bezeichnet, gefährdet.
Selbst wenn es Berichte gibt, dass China von den imperialen Plänen Russlands gewusst haben könnte, ist es schwer zu glauben, dass es sich auch des Ausmaßes dessen, was geschehen würde, bewusst war. Vielleicht hat China unterschätzt, wie weit Russland wirklich gehen würde, und hat nun nicht die Absicht, eine Kriegsallianz einzugehen.
Als Xi Jinping und Wladimir Putin Anfang Februar ihre “grenzenlose Freundschaft” ohne “verbotene Bereiche der Zusammenarbeit” verkündeten, wäre eine kriegstaugliche “Allianz der Autokratien” sogar noch im Bereich des Möglichen gewesen. Doch statt Russland offen zu unterstützen, vollführt China einen diplomatischen Eiertanz: Die chinesische Führung betont immer wieder die Achtung der territorialen Integrität und nationalen Souveränität von Staaten, wie in der UN-Charta verankert, als Grundsätze der chinesischen Außenpolitik, auch für die Ukraine. China enthielt sich bei den Abstimmungen über eine Resolution gegen Russland im UN-Sicherheitsrat und der UN-Generalversammlung. So versucht es, zumindest eine gewisse Distanz in die Beziehungen zu Russland zu bringen und sich verschiedene Optionen offenzuhalten.
Gleichzeitig zeigt China großes Verständnis für Russlands Sicherheitsbedenken in Europa, insbesondere die Furcht vor der Nato vor der eigenen Haustür. China sieht sich im indo-pazifischen Raum mit einer ähnlichen Situation konfrontiert, da immer mehr westliche Länder, allen voran die USA, nationale Strategien für diese Region verfolgen, die aus chinesischer Sicht dem Ziel der Eindämmung Chinas dienen – so wie Russland dies bei der Osterweiterung der Nato behauptet. Am Rande des NVK zog der chinesische Außenminister Wang Yi sogar eine direkte Analogie, indem er die “Schaffung einer indo-pazifischen Version der Nato” als das eigentliche Ziel der USA für diese Region bezeichnete.
China sieht in Russland daher einen wichtigen geopolitischen Partner gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Daran wird auch der Krieg auf lange Sicht nichts ändern. Kurzfristig wird er jedoch zu einer Belastungsprobe für die chinesisch-russischen Beziehungen, auch wenn Wang Yi diese am Rande des NVK als “felsenfest” bezeichnete.
Während der “Westen” in den vergangenen Wochen Chinas diplomatischen Eiertanz aufmerksam und manchmal ungläubig beobachtete, haben Ungeduld und Unverständnis für dieses Verhalten stetig zugenommen: Jedes Mal, wenn man glaubte, aus den offiziellen chinesischen Erklärungen zur “Ukraine-Situation” eine eindeutige Positionierung zugunsten Russlands herauszuhören, blieb am Ende eine Hintertür offen, die die Eindeutigkeit wieder uneindeutig machte. Das Oxymoron “pro-russische Neutralität” beschreibt diese Taktik sehr zutreffend.
Nach wie vor besteht auf westlicher Seite aber die Hoffnung, dass China in dem Krieg doch noch die vielfach versprochene “konstruktive Rolle” einnehmen könnte – schon allein um seine wichtigen Wirtschaftsbeziehungen zu den USA und der EU nicht dauerhaft zu gefährden. Denn wenn es etwas gibt, was China fürchtet, dann ist es, direkt oder indirekt ins Fadenkreuz der Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu geraten, die es wiederholt als “illegal” und “einseitig” verurteilt hat.
Während Russland für China sicherlich geopolitisch wichtig ist, hat es wirtschaftlich relativ wenig zu bieten. Russische Rohstoffe sind für China nicht unersetzlich und kein Alleinstellungsmerkmal. Die Investitions- und Handelsbeziehungen mit westlichen Ländern sind hingegen vielfältig und intensiv. Allein die USA und die EU machen 25 Prozent des chinesischen Handelsvolumens aus und stellen Russland mit weniger als drei Prozent in den Schatten. Und auch für Chinas internationale Investitionen sind die USA und die EU zentrale Geber- und Nehmerregionen.
Trotz der Abkopplungsdiskussion ist China gegenwärtig noch immer auf seine Wirtschaftsbeziehungen zum Westen angewiesen, um Zugang zu spezifischem Know-how sowie zu Exportmärkten mit hoher Kaufkraft zu erhalten und so zu wirtschaftlichem Wachstum und Stabilität beizutragen. Kurzum, China kann es sich im Vorfeld des 20. Parteitags nicht leisten, das ohnehin dünne Eis, auf dem sich seine Beziehungen zum “Westen” schon seit längerem bewegen, brechen zu lassen.
Chinas internationales Image hat unter seinem diplomatischen Eiertanz ohnehin bereits gelitten. Und je länger der Krieg in all seiner Brutalität dauert, desto schwieriger dürfte es für China werden, dieses politische Spiel fortzusetzen. Wirtschaftlich könnte es sich am Ende ohnehin auf der Verliererseite wiederfinden, da die Auswirkungen des Kriegs auf die Weltwirtschaft und die globalen Lieferketten, und somit auch auf China, schwerwiegend sein könnten.
Eine Möglichkeit für China, aus der “Ukraine-Situation” zumindest halbwegs gesichtswahrend herauszukommen, scheint vorerst darin zu bestehen, die wiederholt versprochene “konstruktive Rolle” endlich in die Tat umzusetzen. Jedoch nicht als direkter Vermittler zwischen den beiden Seiten – denn ein solcher sollte tatsächlich neutral sein – sondern indem es sein ganzes wirtschaftliches Gewicht Russland gegenüber in die Waagschale wirft und damit den Druck auf dieses erhöht, den Krieg zu beenden oder zumindest einen verlässlichen Waffenstillstand auszuhandeln. Auf diese Weise könnte China doch noch die Rolle spielen, die es im 21. Jahrhundert für sich beansprucht: die einer globalen Supermacht, die auch bereit ist, die mit dieser Rolle verbundene internationale Verantwortung zu übernehmen. Ob es dazu kommt, ist derzeit aber noch fraglich.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine gekürzte deutschsprachige Fassung des Beitrags “Caught between Russia and the West? China‘s Struggle for a Position on Ukraine“, erstmals veröffentlicht auf dem Europa-Blog der Bertelsmann Stiftung am 10. März 2022.
Jeffrey Pan wird neuer CEO Greater China beim Versicherer Swiss Re. Pan kommt von AIG, wo er zuletzt 17 Jahre lang als Geschäftsführer der AIG International Consulting gearbeitet hat. Seinen Posten tritt er am 11. April in Shanghai an.
Yu Xiangrong ist neuer Chef-Ökonom China für die US-Bank Citigroup. Er wird die Forschung und Analyse zur chinesischen Wirtschaftspolitik verantworten und an Johanna Chua, Head of Asia-Pacific economics, berichten.
Aus der olympischen Blase in Peking wird seit gestern schrittweise die Luft gelassen. Nach dem Ende der Paralympics am Sonntag haben Athlet:innen aus aller Welt die chinesische Hauptstadt inzwischen verlassen. Für die zahlreichen Helfer, die sogenannten Volunteers, endet die Isolation im Zeichen der fünf Ringe jedoch erst in zwei Wochen. So lange dürfen sie wegen Chinas Null-Covid-Strategie nicht in den Alltag zurückkehren.