Lagerhaft und Zwangsarbeit sind nicht so weit von deutschen Akteuren entfernt, wie diese vielleicht meinen. Die globalisierte Wirtschaft verbindet schließlich heute alle Weltgegenden. Spätestens seit den Enthüllungen der Xinjiang-Files ist das Thema auch in den westlichen Gesellschaften angekommen.
Zunehmend geraten dadurch auch die Unternehmen unter Druck – beispielsweise der deutsche Autohersteller Volkswagen, der in der Region Xinjiang ein Werk betreibt. Table.Media wollte deshalb wissen, was die deutsche Öffentlichkeit über das Thema und unser eigenes Verhalten denkt.
Die Ergebnisse der vom Marktforschungsinstitut Civey durchgeführten Umfrage stellt Marcel Grzanna vor: VW sollte sein Werk in Xinjiang schließen, sagt eine Mehrheit der Befragten. Ganz unabhängig davon ist eine Mehrheit der Meinung, dass die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit verboten werden sollte, wie die USA es bereits vormachen. Entsprechende Vorstöße der Politik erhalten also breite Unterstützung.
Demonstrativ entspannt zeigten sich die Regierungschefs der G7-Staaten im bayrischen Elmau: ohne Krawatte, dafür offenes Jackett, Arm in Arm und immerzu lachend. Felix Lee ist zu dem Treffen gefahren und hat für Table.Media spannende Einblicke hinter den Kulissen gewonnen: Bei all den drängenden Problemen – vom Ukraine-Krieg über die Sanktionen gegen Russland bis hin zu westlichen Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” – wurde in den vertraulichen Diskussionen klar: Am Ende geht es vor allem um China. Lee zeigt, was die G7 in Elmau beschlossen haben, welche Ziele sie verfolgen, aber auch, wo die Probleme der Vorhaben liegen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Das Thema Zwangsarbeit ist so nah an deutsche Konsumenten herangerückt wie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Die erdrückende Beweislage, dass in chinesischen Werken und Fabriken Hunderttausende Menschen gezwungen werden, um für eine lächerlich niedrige oder überhaupt keine Bezahlung arbeiten zu müssen, stößt Diskussionen über Moral und Verantwortung an und über die Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt. Zuletzt hatte die Veröffentlichung der Xinjiang Police Files mit riesigen Datensätzen zu inhaftierten Uiguren für eine neue Dynamik gesorgt.
Internationale Lieferketten verbinden die Konsumenten zwar einerseits mit Fabriken in aller Welt, zugleich können diese sich der Bedeutung des Themas jedoch mühelos entziehen. Nahrungsmittel, Konsumgüter oder industrielle Werkstoffe bestehen heutzutage aus Komponenten, die global eingekauft werden. Die nordwestchinesische autonome Region Xinjiang gilt hier international als Inbegriff für den Einsatz menschlicher Arbeitskraft zu Hungerlöhnen. Besonders Branchen wie die Textilindustrie, die Landwirtschaft oder die Solarindustrie gelten als Risikosektoren, in denen die Wahrscheinlichkeit rapide steigt, dass Zwangsarbeit in die Wertschöpfung integriert ist.
Die Wahrnehmung des Problems in Deutschland ist deutlich gestiegen, weil Politik und Zivilgesellschaft das Thema regelmäßig auf die Agenda setzen. In den allermeisten Fällen geschieht das in einem kritischen Kontext. Entsprechend scheint das Resultat einer Umfrage des Meinungs-Forschungsunternehmens Civey im Auftrag von Table.Media die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema zu bestätigen.
Von mehr als 5.000 Befragten lehnt die große Mehrheit von 71 Prozent der deutschen Konsumenten den Import von Produkten eher ab, wenn auch nur der Verdacht besteht, Zwangsarbeit könnte Teil der Wertschöpfung gewesen sein. Für mehr als die Hälfte (56 Prozent) reicht der Verdacht schon aus, um den Import eines Produktes kategorisch abzulehnen. Allerdings lehnen zehn Prozent der Befragten den Import solcher verdächtigen Waren “auf keinen Fall” ab.
Die Ergebnisse lassen sich politischen Milieus zuordnen. Während die Wähler der Grünen mit 88 Prozent einem Import ablehnend gegenüberstehen, sind es bei der AfD lediglich 44 Prozent. Auch Linke (56 Prozent) und FDP-Wähler (59 Prozent) zeigen eine deutliche Kluft zum Spitzenwert. Von der Klientel der CDU/CSU sind es 66 Prozent, die der Einfuhr skeptisch gegenüber stehen. Den Grünen-Wählern am nächsten kommen die Anhänger der SPD, von denen vier von fünf ein Importverbot im Verdachtsfall unterstützen würden.
Während politische Ansichten zum Teil markante Differenzen zur Beurteilung eines Importverbots aufweisen, spielt das Alter der Befragten dagegen kaum eine Rolle. In allen Altersklassen befürwortet eine deutliche Mehrheit das Importverbot. Zwar führen die 18- bis 29-Jährigen mit 75 Prozent Zustimmung die Auswertung an, doch stehen ihnen die 50- bis 64-Jährigen mit 74 Prozent Zustimmung so gut wie nicht nach. Das Schlusslicht bilden die über 65-Jährigen, doch selbst dort sind zwei Drittel (67 Prozent) aller Teilnehmer der gleichen Ansicht wie Mehrheit der jungen Menschen.
Die Xinjiang-Debatte betrifft jedoch nicht nur die Herstellung von Tomaten oder T-Shirts durch anonyme Zulieferer. Mit Volkswagen ist auch ein großer Konzern mit einem eigenen Werk in Xinjiang präsent. Der deutsche Autohersteller betreibt am Rande der Regional-Hauptstadt Urumqi ein Werk, in dem pro Jahr rund 50.000 Fahrzeuge produziert werden. Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet laut Civey-Umfrage eine Schließung des VW-Werks in Xinjiang. 67 Prozent der von Befragten sprachen sich dafür aus, dass VW sich aus der Region zurückziehen sollte.
Die Fabrik war von Anfang an ein Politikum, gibt sie der chinesischen Wirtschaftspolitik in der Region doch internationale Legitimation. Zuletzt kommt die Kritik an dem Standort nicht mehr nur von Menschenrechtsgruppen, sondern von Persönlichkeiten mit erheblichem Einfluss bei VW.
So hat sich der niedersächsische Ministerpräsident Peter Weil (SPD) sich in die Debatte eingeschaltet (China.Table berichtete). Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmrechte an VW. Weil sitzt daher im Aufsichtsrat des Unternehmens. Seine Partei stellt zudem derzeit den Kanzler. “Die Bilder und Berichte über die schweren Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in der chinesischen Region Xinjiang sind bestürzend”: wenn jemand wie Weil so etwas sagt, dann müsste VW aufhorchen.
Kritik kommt ebenfalls von den Gewerkschaften. So fordert die IG Metall, aus der Menschenrechtssituation die nötigen Schlüsse zu ziehen und das Werk zu schließen (China.Table berichtete). VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo kritisierte die Aktivitäten in Xinjiang ebenfalls. “Mich erschüttern diese Berichte über Menschenrechtsverletzungen sehr.”
Volkswagen selbst verteidigt den Standort und argumentiert, dass das Werk den Menschen in Xinjiang helfe, wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln. Niemand wirft dem Unternehmen vor, Zwangsarbeiter zu beschäftigen. Dem Vernehmen nach gilt VW in Urumqi als guter und beliebter Arbeitgeber.
Wie bei der Importfrage liegen auch im Falle des VW-Werks die Ansichten zwischen Grünen-Wählern (86 Prozent) und denen der FDP (50 Prozent) weit auseinander. Die SPD-Anhänger zeigen mit 76 Prozent Zustimmung eine klare Mehrheit für eine Schließung.
Anders als bei der Importfrage es sind es allerdings vor allem die jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren, die eine Schließung des Werkes für richtig halten. Mit 84 Prozent bilden sie mit Abstand die größte Gruppe, während alle übrigen Altersklassen ab 30 Jahre aufwärts zwischen 63 und 68 Prozent weitgehend deckungsgleich eingestellt sind.
Die wachsende Sensibilität der Verbraucher in den großen Industrienationen schlägt sich inzwischen auf allen Ebenen politisch nieder: durch die baldige Einführung von Lieferkettengesetzen in Deutschland und Europa oder dem Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) in den USA (China.Table berichtete.) Ihre Effizienz wird sich allerdings in der Praxis erst noch beweisen müssen. Kritiker glauben, dass Zwangsarbeit auch durch schärfere Gesetzgebung nicht eliminiert werden könne. Doch zweifellos sind die politischen Bemühungen Ausdruck eines wachsenden gesellschaftlichen Konsens, dass die Wirtschaftskreisläufe der Welt fairer gestaltet werden müssen.
Keine Frage: Russlands Präsident Wladimir Putin ist für die G7-Staaten derzeit der Hauptfeind. Und das machen die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel im bayerischen Elmau auch pausenlos klar, wenn sie vom “schmutzigen Angriffskrieg Russlands” sprechen und ihre Solidarität mit der Ukraine bekunden. Doch auf einen weiteren Staat hat es insbesondere US-Präsident Joe Biden abgesehen: China. Und da ist die Lage für die G7 deutlich verzwickter.
Einig sind sich die G7, dass sie die Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen wollen. Doch wie sie es auch drehen. Bei ihren Vorschlägen stoßen sie immer wieder an Grenzen. Und zwar wegen China.
Beim US-Vorschlag eines Preisdeckels für russisches Öl etwa: Die USA kaufen bereits kein russisches Öl mehr, die EU wollen es ab spätestens Ende des Jahres tun. Und doch wirken die Sanktionen nur bedingt, weil andere Staaten weiter russisches Öl beziehen, allen voran China und Indien. Die USA wollen diese Lücken schließen und haben daher vorgeschlagen, einen Preisdeckel für russisches Öl zu stellen.
Hierbei hofft Washington vor allem auf zwei Effekte: Zuletzt war es so, dass Russlands Einnahmen wegen massiv gestiegener Öl- und Gaspreise trotz der westlichen Sanktionen gar gestiegen sind. Das würde der Preisdeckel verhindern. Zum anderen würden mit einem Preisdeckel angesichts der steigenden Inflation die negativen Wirkungen für Drittmärkte und Konsumenten weltweit begrenzt werden.
Nur: Ein solcher Preisdeckel für russisches Öl würde nur funktionieren, wenn Indien und China sich beteiligen. Indien war am Montag eins von fünf Gastländern, die beim G7-Gipfel präsent waren. Auf den indischen Premierminister gingen die G7 ein. Mit China müssten sie erst noch reden.
Ebenfalls auf die USA geht der Vorstoß eines Importverbots für russisches Gold zurück. Damit würden Russland Milliardeneinnahmen aus diesem wichtigen Exportgut wegbrechen, glaubt US-Präsident Biden. Die Europäer sind den Plänen durchaus aufgeschlossen. “Der tatsächliche Einfluss auf den Goldmarkt dürfte aber zu gering sein, um die Preisentwicklung dauerhaft zu beeinflussen”, meint Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank.
Russland zählt zwar nach Angaben des Branchenverbandes World Gold Council mit einer Minenproduktion von 330 Tonnen im vergangenen Jahr zu den wichtigsten Goldproduzenten. “Allerdings dürfte nur ein geringer Teil der russischen Produktion in den Westen gegangen sein”, sagt Fritsch. Experte Alexander Zumpfe vom Handelshaus Heraeus verwies auf die großen Nachfrageländer China und Indien. Dies mache “eine unmittelbare Knappheit auf dem Goldmarkt unwahrscheinlich”, sagte Zumpfe. Auch hierfür würde also China gebraucht werden.
Ein Vorstoß, den die G7 am Sonntag feierlich angekündigt haben, richtet sich unmittelbar gegen China: die “Partnerschaft für Globale Infrastruktur”. Mit dieser Infrastruktur-Initiative für Entwicklungsländer wollen die G7 Pekings 2013 gestartetem Projekt “Neue Seidenstraße” Konkurrenz machen, mit dem China dabei ist, neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien zu erschließen. “Gemeinsam wollen wir bis 2027 fast 600 Milliarden Dollar durch die G7 mobilisieren”, kündigte Biden an, auf dessen Initiative das Projekt zurückgeht. “Und ich bin stolz darauf, ankündigen zu können, dass die Vereinigten Staaten in den nächsten fünf Jahren 200 Milliarden Dollar an öffentlichem und privatem Kapital für diese Partnerschaft mobilisieren werden.” EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überbietet das noch und kündigte an, “Team Europe” werde 300 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen werde. G7-Staat Japan sagte 68 Milliarden zu.
Biden fügte hinzu, dass es sich dabei nicht um Wohltätigkeit handele. “Es ist eine Investition, die sich für alle auszahlen wird, auch für das amerikanische Volk und die Menschen in allen unseren Ländern, und die alle unsere Volkswirtschaften ankurbeln wird. Es ist eine Chance für uns, unsere positive Vision für die Zukunft zu teilen.”
Bundeskanzler Olaf Scholz wertet die Initiative als weiteres Beispiel für die Geschlossenheit der G7. Ein US-Regierungsvertreter präzisierte, die Initiative ziele auf Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen ab. Ziel seien Infrastruktur-Investitionen, “die die Länder brauchen, ohne dass sie von außen diktiert werden”. Die Projekte würden an hohe Standards gebunden sein, “um sicherzustellen, dass diese Investitionen wirtschaftlich und kommerziell getrieben sind und nicht in Schuldenfallen führen”.
Doch so Recht der US-Vertreter auch haben mag, unbewusst benennt er im gleichen Atemzug auch ein Problem der westlichen Initiative: In der Tat stellen viele Länder, die Mittel aus dem chinesischen Projekt genutzt haben, inzwischen fest, dass ihre Schuldenberge massiv gewachsen sind und sie bei China hoffnungslos überschuldet sind. Doch was Chinas Angebot für viele Staaten so attraktiv machte – und gleichzeitig zum Problem der westlichen Initiative werden könnte: Die chinesische Führung stellt keine politischen Bedingungen für ihre Investitionshilfe. Das wollen die G7 aber tun – versichern sie zumindest. Das macht ihr Investitionsprogramm für autoritäre Staaten allerdings weniger attraktiv.
Zudem haben die G7 auch ein organisatorisches Problem: Während Chinas Neue Seidenstraßen-Initiative zentral in Peking gesteuert wird, sind die G7 eben nicht so geschlossen, wie Scholz in Elmau behauptet. Weder ist vereinbart, ob überhaupt und falls ja, von wo aus die gigantischen Infrastrukturprojekte gesteuert werden. Oder investiert jedes Industrieland für sich und unkoordiniert irgendwo in Zentralasien und Afrika – wie das bisher auch schon der Fall war.
Noch ist unklar, ob die Milliarden-Summen von den G7-Staaten überhaupt bereitgestellt werden können – daran zweifeln jedenfalls viele. Bei der Entwicklungshilfe und der Bekämpfung der weltweiten Armut, aber auch beim Versprechen, armen Ländern bei Umstellung zur Klimaneutralität zu helfen, hatten die G7 in der Vergangenheit auch feste Summen zugesagt. Sie wurden nie eingehalten.
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Alle G7-Staats- und Regierungschefs werden am Dienstag weiter nach Madrid zum Nato-Gipfel fliegen. Dort wollen die Nato-Staaten in ihrer neuen Sicherheitsstrategie erstmals ihre Besorgnis gegenüber China zum Ausdruck bringen. Doch noch wird um die genauen Formulierungen gerungen: Während die USA und Großbritannien auf eine eher härtere Sprache dringen, setzen sich Frankreich und Deutschland für einen ausgewogeneren Ansatz ein. Allen gemein: Es soll bloß nicht der Eindruck in Peking entstehen, dass die Nato wegen des Kriegs in Europa Ostasien aus den Augen verliere. Zum ersten Mal werden dort deshalb auch Spitzenpolitiker von vier Ländern der Indo-Pazifik-Region teilnehmen: Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland.
Bei dem Gipfeltreffen in Spanien stehen der Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie der Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands ganz oben auf der Agenda. Zudem wird das neue strategische Konzept des Verteidigungsbündnis verabschiedet. Der Ansatz des Verteidigungsbündnisses gegenüber Peking wird erstmals Teil des Strategie-Konzepts sein, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag auf einer Pressekonferenz sagte. Das strategische Konzept werde sich auch mit den Herausforderungen befassen, “die Peking an unsere Sicherheit, Interessen und Werte stellt”, sagte Stoltenberg. Das Strategie-Konzept legt die Grundlage für die künftige politische und militärische Entwicklung der Nato und ist das wichtigste Dokument nach dem Nordatlantikvertrag von 1949.
Gerungen wird noch um die Formulierungen: Nach Angaben eines Diplomaten könnte es darauf hinauslaufen, dass China als “systemische Herausforderung” bezeichnet wird, die Nato aber auch ihren Willen deutlich macht, mit der Regierung in Peking “in Gebieten von gemeinsamem Interesse” zusammenarbeiten zu wollen. Ganz neu ist die Bezeichnung nicht. Das Bündnis hatte bei seinem Gipfel im vergangenen Jahr China erstmals eine “systemische Herausforderung” genannt (China.Table berichtete). Sollte sie aber auch in dem grundlegenden Strategie-Konzept auftauchen, würde das Peking sicherlich sauer aufstoßen.
Klar ist bereits: Russland wird in dem Strategie-Konzept als die größte Bedrohung angesehen, das stand allerdings auch schon vor dem Angriff auf die Ukraine fest. Erwartet wird, dass in dem Konzept zudem vor Chinas Einfluss im Indo-Pazifik sowie Pekings und Moskaus Wirken in Afrika gewarnt wird. Australiens Premier Anthony Albanese reiste mit warnenden Worten nach Europa: “Russland und China, ihre Abmachungen und Nähe, die in letzter Zeit sichtbar waren, sind auch für unsere Region sehr wichtig”, sagte Albanese. Mitarbeit: Amelie Richter
Der chinesische Staat investiert Milliarden in das Halbleiter-Startup Swaysure Technology aus Shenzhen, um einen Hersteller von dringend benötigten Speicherchips großzuziehen. Taiwanischen Internetseiten zufolge sind über Fonds der Stadt Shenzhen Investitionen in Höhe von 300 Milliarden Yuan in eine Fabrik geplant, die Anfang 2024 fertig werden soll. Das wären gut 40 Milliarden Euro. Swaysure war zuletzt dadurch aufgefallen, dass es den japanischen Management-Veteranen Yukio Sakamoto abgeworben hatte.
Das Unternehmen will DRAMs herstellen. Das sind Speicherchips, die derzeit sehr gefragt sind. Sie werden für alle Computer von PCs über Handys bis hin zum Auto gebraucht. Bisher ist der Markt unter drei Anbieter aufgeteilt: Samsung und SK Hynix aus Südkorea sowie Micron Technology aus den USA. China und Europa spielen bei der Produktion praktisch keine Rolle, wollen aber aufholen. In Hefei ist bereits der Anbieter Changxin Memory entstanden, der technisch aber deutlich hinter den Koreanern zurückliegt.
Die in Shenzhen geplante Investitionssumme liegt unter den Beträgen, die der US-Hersteller Intel für seine Expansion in Europa ausgeben will: 80 Milliarden Euro. In Magdeburg ist im Rahmen des Programms der Bau einer Chipfabrik für 17 Milliarden Euro geplant. Fokus sind dort aber nicht Speicherbausteine, sondern Prozessoren. Ebenfalls vergleichbar ist die EU-Förderung für den Aufbau einer eigenen Halbleiterindustrie. Brüssel stellt dafür 43 Milliarden Euro zur Verfügung. fin
China will seine Landeswährung Renminbi attraktiver für ausländische Investoren machen. Insidern zufolge soll das durch verlängerte Handelszeiten am Devisenmarkt gelingen. Die Zentralbank habe einige wichtige Marktteilnehmer befragt und deren Meinung zu einer möglichen Verlängerung der täglichen Handelszeit eingeholt. Im Gespräch ist eine Verschiebung des Handelsschlusses von aktuell 23:30 Uhr auf 03:00 Uhr morgens Pekinger Zeit, wie mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen am Montag der Nachrichtenagentur Reuters sagten.
Das würde einen Großteil der europäischen und amerikanischen Handelstage abdecken. Dies wiederum könnte es ausländischen Anlegern ermöglichen, ihr Währungsrisiko besser abzusichern und den globalen Nutzen des Yuan, wie der Renminbi im Volksmund genannt wird, schrittweise zu erhöhen. “Ein ausgeweiteter Nachthandel kann den Marktteilnehmern mehr Flexibilität bieten und somit einen Anreiz für eine stärkere globale Nutzung des Yuan schaffen”, schrieben die Analysten der Großbank HSBC schon Anfang Juni in einer Studie. Ein Anstieg des Yuan-Handelsvolumens außerhalb der regulären Handelszeiten in Asien biete zudem eine bessere Orientierung für Geschäfte mit der chinesischen Währung. Auch Kursschwankungen könnten sich dadurch verringern.
Die Abdeckung der globalen Handelszeiten wird auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) befürwortet. Der IWF hat erst im vergangenen Monat die Gewichtung des chinesischen Yuan in seinem Korb der sogenannten Sonderziehungsrechte erhöht – wie das 1969 eingeführte Reserveguthaben heißt, die wie Buchkredite geführt werden. In diesen Währungskorb wurde der Yuan im Jahr 2016 aufgenommen – ein Meilenstein in Pekings Bemühungen um eine Internationalisierung seiner Währung. Die staatliche Börsenaufsicht wollte sich auf Nachfrage zunächst nicht zu den Informationen der Insider über die Pläne zu den verlängerten Handelszeiten äußern.
China versucht derzeit mit mehreren Maßnahmen, die Stellung des Yuan auf den internationale Finanz- und Devisenmärkten zu stärken. So wird unter anderem mit Saudi-Arabien verhandelt, Ölverkäufe künftig in Yuan statt in US-Dollar abzuwickeln (China.Table berichtete). Etwa 80 Prozent der weltweiten Ölverkäufe werden derzeit in Dollar abgewickelt. Ölimporte in der chinesischen Währung könnten die Rolle des Dollar und damit auch den politischen Einfluss der USA langfristig schwächen. rtr/rad
Dem hoch verschuldeten chinesischen Immobilienkonzern Evergrande droht Ärger von den Gläubigern. Das Unternehmen “Top Shine Global Limited of Intershore Consult (Samoa) Limited” hat beim Obersten Gericht in Hongkong einen Konkursantrag gegen die China Evergrande Group eingereicht. Dem Antrag zufolge soll am 31. August eine Anhörung stattfinden.
Evergrande hat mehr als 300 Milliarden Dollar Schulden und konnte in den vergangenen Monaten Zinsen für Auslands-Anleihen nicht mehr bedienen. Bei ausländischen Investoren steht der Konzern mit rund 20 Milliarden Dollar in der Kreide. Trotzdem gelingt es Evergrande bislang, das Firmenende hinauszuzögern. Anwältin Elske Fehl-Weileder erklärte im Interview mit China.Table, wieso das in China möglich ist und warnt: “Die Gläubiger von Evergrande werden Geld verlieren.” Der Vorgang zeigt: Große Firmenpleiten enden oft nicht rechtzeitig mit einem Insolvenzverfahren. Gerade in China folgt eher eine qualvoll lange Phase der Realitätsverweigerung (China.Table berichtete).
Bis Ende Juli will das Unternehmen nun einen vorläufigen Restrukturierungsplan vorlegen. Seit Anfang des Jahres stiegen staatliche Unternehmen ein und halfen Evergrande bei der Restrukturierung. rad/rtr
Welche Universitäten und Forschungsinstitute in Europa arbeiten mit chinesischen Einrichtungen zusammen? Dieser Frage geht erstmals detailliert der “Academic engagement tracker” der mitteleuropäischen Denkfabrik The Central European Institute of Asian Studies (CEIAS) nach. Der Thinktank hat für mehrere europäische Staaten, darunter auch Deutschland, mehr als 2.300 Verbindungen von akademischen Einrichtungen mit chinesischen Kooperationspartnern auf Karten festgehalten und Details zu der jeweiligen wissenschaftlichen Zusammenarbeit zusammengetragen. Zudem wird das Risiko der jeweiligen Kooperation auf einer Skala eingeschätzt. Erst vor wenigen Wochen gab es Berichte über Forschungs– und Wissenschaftskooperationen zwischen deutschen Universitäten und Partnern aus der Volksrepublik, die eine große Nähe zum chinesischen Militär haben sollen (China.Table berichtete). ari
Philip Clart erreicht man derzeit nur auf dem Sprung. Seit kurzem ist sein Forschungssemester in Cambridge vorbei, “leider” sagt er. Jetzt ist er wieder ins trubelige Leben der Universität Leipzig eingestiegen und jongliert mit Terminen. Gerade aus dem Unterricht gekommen, jetzt gleich zum Vortrag eines Mitarbeiters, danach eine Ausstellungseröffnung.
Seit fast 14 Jahren ist Clart als Professor für Kultur & Geschichte Chinas am Ostasiatischen Institut der sächsischen Universität tätig. In seinen Forschungen setzt er sich vor allem mit religiösen Bewegungen in Taiwan und dem religiösen Wandel sowie der Religionspolitik Chinas auseinander. Wie er zu seinem Forschungsschwerpunkt kam? “Eher zufällig”, sagt Clart.
Nach seinem Magister in Bonn sollte er 1989 für ein ethnologisches Promotionsprojekt an die chinesische Seite des Karakorum Gebirges reisen. Das Forschungsvorhaben platzte jedoch, weil zur gleichen Zeit die Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking und in anderen Teilen des Landes China in Aufruhr versetzten und deren blutige Niederschlagung für eine Zäsur in der Geschichte der Volksrepublik sorgte.
“China wurde dicht gemacht”, erzählt Clart. “Es war unmöglich, noch eine Forschungserlaubnis zu bekommen.” Also stand er da, ohne Job und unmittelbare Perspektive. Kurzentschlossen reiste Clart mit seiner Ehefrau nach Taiwan, weil er hier leicht an eine Arbeitserlaubnis kam. Er blieb neun Monate.
In Taichung, an der Westküste des Inselstaats, verdingte er sich als Sprachlehrer an Privatschulen und wurde eingesogen von der besonderen Religiosität dieses Ortes. “Wenn man in Taiwan lebt, ist man von einer bunten Tempelwelt umgeben”, erzählt er. “Oft liegen nur wenige Meter zwischen den Tempeln, die sich an fast jeder Straßenecke befinden, in der ganzen Stadt riecht es nach Weihrauch.”
Clart war fasziniert von diesen Eindrücken, lernte immer mehr über die Religionskultur des Landes und lebte einige Zeit in einem Gebirgstempel außerhalb der Stadt. Er promovierte zu neuen religiösen Bewegungen und zu neuen Formen des Tempelkults in Taiwan. “Wie ändern sich traditionell religiöse Praktiken in einer sich rapide industrialisierenden, modernisierenden Gesellschaft?”, fragte er sich damals. Diesen Forschungsschwerpunkt hat er bis heute beibehalten.
“Grundsätzlich ist das Verhältnis der Menschen zur Religion in Taiwan nicht anders als in China”, erzählt Clart. Taiwan sei kulturell weitgehend chinesisch. “Der Unterschied allerdings ist, dass das religiöse Leben in China stark beeinträchtigt und zerstört wurde während der Kulturrevolution in den 1960er- und 1970er-Jahren.” Mao Zedong verbot damals die Religionsausübung, unzählige Tempel wurden niedergerissen. “In Taiwan hat es das nicht gegeben.”
Die kulturelle Identität des Inselstaates sei eine Mischung aus einer modernen Gesellschaft und teils sehr traditionellen Praktiken. “Das ist es, was ich so spannend finde.” Bis heute hält Clart enge Freundschaften nach Taichung und reist regelmäßig in die Stadt, in der er damals sein Leben – oder zumindest seine Forschung – ganz neu ausrichtete. Svenja Napp
Frank Fang Yang wird bei Volkswagen China neuer CEO der Digital Sales and Services Company. Der 43-Jährige war zuvor bei verschiedenen chinesischen und internationalen Firmen tätig, unter anderem in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Markenaufbau sowie Forschung & Entwicklung. Zudem ist der Gründer und CEO des Controlling-Startups AVATR Technology.
China- und Hongkong-Fahnen zieren den Innenhof eines Hongkonger Wohnblocks: Am Freitag feiert China die Rückgabe Hongkongs vor 25 Jahren. In der Nacht zum 1. Juli 1997 hatte die britische Kolonialherrschaft über die Metropole nach 99 Jahren geendet.
Lagerhaft und Zwangsarbeit sind nicht so weit von deutschen Akteuren entfernt, wie diese vielleicht meinen. Die globalisierte Wirtschaft verbindet schließlich heute alle Weltgegenden. Spätestens seit den Enthüllungen der Xinjiang-Files ist das Thema auch in den westlichen Gesellschaften angekommen.
Zunehmend geraten dadurch auch die Unternehmen unter Druck – beispielsweise der deutsche Autohersteller Volkswagen, der in der Region Xinjiang ein Werk betreibt. Table.Media wollte deshalb wissen, was die deutsche Öffentlichkeit über das Thema und unser eigenes Verhalten denkt.
Die Ergebnisse der vom Marktforschungsinstitut Civey durchgeführten Umfrage stellt Marcel Grzanna vor: VW sollte sein Werk in Xinjiang schließen, sagt eine Mehrheit der Befragten. Ganz unabhängig davon ist eine Mehrheit der Meinung, dass die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit verboten werden sollte, wie die USA es bereits vormachen. Entsprechende Vorstöße der Politik erhalten also breite Unterstützung.
Demonstrativ entspannt zeigten sich die Regierungschefs der G7-Staaten im bayrischen Elmau: ohne Krawatte, dafür offenes Jackett, Arm in Arm und immerzu lachend. Felix Lee ist zu dem Treffen gefahren und hat für Table.Media spannende Einblicke hinter den Kulissen gewonnen: Bei all den drängenden Problemen – vom Ukraine-Krieg über die Sanktionen gegen Russland bis hin zu westlichen Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” – wurde in den vertraulichen Diskussionen klar: Am Ende geht es vor allem um China. Lee zeigt, was die G7 in Elmau beschlossen haben, welche Ziele sie verfolgen, aber auch, wo die Probleme der Vorhaben liegen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Das Thema Zwangsarbeit ist so nah an deutsche Konsumenten herangerückt wie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr. Die erdrückende Beweislage, dass in chinesischen Werken und Fabriken Hunderttausende Menschen gezwungen werden, um für eine lächerlich niedrige oder überhaupt keine Bezahlung arbeiten zu müssen, stößt Diskussionen über Moral und Verantwortung an und über die Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt. Zuletzt hatte die Veröffentlichung der Xinjiang Police Files mit riesigen Datensätzen zu inhaftierten Uiguren für eine neue Dynamik gesorgt.
Internationale Lieferketten verbinden die Konsumenten zwar einerseits mit Fabriken in aller Welt, zugleich können diese sich der Bedeutung des Themas jedoch mühelos entziehen. Nahrungsmittel, Konsumgüter oder industrielle Werkstoffe bestehen heutzutage aus Komponenten, die global eingekauft werden. Die nordwestchinesische autonome Region Xinjiang gilt hier international als Inbegriff für den Einsatz menschlicher Arbeitskraft zu Hungerlöhnen. Besonders Branchen wie die Textilindustrie, die Landwirtschaft oder die Solarindustrie gelten als Risikosektoren, in denen die Wahrscheinlichkeit rapide steigt, dass Zwangsarbeit in die Wertschöpfung integriert ist.
Die Wahrnehmung des Problems in Deutschland ist deutlich gestiegen, weil Politik und Zivilgesellschaft das Thema regelmäßig auf die Agenda setzen. In den allermeisten Fällen geschieht das in einem kritischen Kontext. Entsprechend scheint das Resultat einer Umfrage des Meinungs-Forschungsunternehmens Civey im Auftrag von Table.Media die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema zu bestätigen.
Von mehr als 5.000 Befragten lehnt die große Mehrheit von 71 Prozent der deutschen Konsumenten den Import von Produkten eher ab, wenn auch nur der Verdacht besteht, Zwangsarbeit könnte Teil der Wertschöpfung gewesen sein. Für mehr als die Hälfte (56 Prozent) reicht der Verdacht schon aus, um den Import eines Produktes kategorisch abzulehnen. Allerdings lehnen zehn Prozent der Befragten den Import solcher verdächtigen Waren “auf keinen Fall” ab.
Die Ergebnisse lassen sich politischen Milieus zuordnen. Während die Wähler der Grünen mit 88 Prozent einem Import ablehnend gegenüberstehen, sind es bei der AfD lediglich 44 Prozent. Auch Linke (56 Prozent) und FDP-Wähler (59 Prozent) zeigen eine deutliche Kluft zum Spitzenwert. Von der Klientel der CDU/CSU sind es 66 Prozent, die der Einfuhr skeptisch gegenüber stehen. Den Grünen-Wählern am nächsten kommen die Anhänger der SPD, von denen vier von fünf ein Importverbot im Verdachtsfall unterstützen würden.
Während politische Ansichten zum Teil markante Differenzen zur Beurteilung eines Importverbots aufweisen, spielt das Alter der Befragten dagegen kaum eine Rolle. In allen Altersklassen befürwortet eine deutliche Mehrheit das Importverbot. Zwar führen die 18- bis 29-Jährigen mit 75 Prozent Zustimmung die Auswertung an, doch stehen ihnen die 50- bis 64-Jährigen mit 74 Prozent Zustimmung so gut wie nicht nach. Das Schlusslicht bilden die über 65-Jährigen, doch selbst dort sind zwei Drittel (67 Prozent) aller Teilnehmer der gleichen Ansicht wie Mehrheit der jungen Menschen.
Die Xinjiang-Debatte betrifft jedoch nicht nur die Herstellung von Tomaten oder T-Shirts durch anonyme Zulieferer. Mit Volkswagen ist auch ein großer Konzern mit einem eigenen Werk in Xinjiang präsent. Der deutsche Autohersteller betreibt am Rande der Regional-Hauptstadt Urumqi ein Werk, in dem pro Jahr rund 50.000 Fahrzeuge produziert werden. Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet laut Civey-Umfrage eine Schließung des VW-Werks in Xinjiang. 67 Prozent der von Befragten sprachen sich dafür aus, dass VW sich aus der Region zurückziehen sollte.
Die Fabrik war von Anfang an ein Politikum, gibt sie der chinesischen Wirtschaftspolitik in der Region doch internationale Legitimation. Zuletzt kommt die Kritik an dem Standort nicht mehr nur von Menschenrechtsgruppen, sondern von Persönlichkeiten mit erheblichem Einfluss bei VW.
So hat sich der niedersächsische Ministerpräsident Peter Weil (SPD) sich in die Debatte eingeschaltet (China.Table berichtete). Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmrechte an VW. Weil sitzt daher im Aufsichtsrat des Unternehmens. Seine Partei stellt zudem derzeit den Kanzler. “Die Bilder und Berichte über die schweren Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in der chinesischen Region Xinjiang sind bestürzend”: wenn jemand wie Weil so etwas sagt, dann müsste VW aufhorchen.
Kritik kommt ebenfalls von den Gewerkschaften. So fordert die IG Metall, aus der Menschenrechtssituation die nötigen Schlüsse zu ziehen und das Werk zu schließen (China.Table berichtete). VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo kritisierte die Aktivitäten in Xinjiang ebenfalls. “Mich erschüttern diese Berichte über Menschenrechtsverletzungen sehr.”
Volkswagen selbst verteidigt den Standort und argumentiert, dass das Werk den Menschen in Xinjiang helfe, wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln. Niemand wirft dem Unternehmen vor, Zwangsarbeiter zu beschäftigen. Dem Vernehmen nach gilt VW in Urumqi als guter und beliebter Arbeitgeber.
Wie bei der Importfrage liegen auch im Falle des VW-Werks die Ansichten zwischen Grünen-Wählern (86 Prozent) und denen der FDP (50 Prozent) weit auseinander. Die SPD-Anhänger zeigen mit 76 Prozent Zustimmung eine klare Mehrheit für eine Schließung.
Anders als bei der Importfrage es sind es allerdings vor allem die jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren, die eine Schließung des Werkes für richtig halten. Mit 84 Prozent bilden sie mit Abstand die größte Gruppe, während alle übrigen Altersklassen ab 30 Jahre aufwärts zwischen 63 und 68 Prozent weitgehend deckungsgleich eingestellt sind.
Die wachsende Sensibilität der Verbraucher in den großen Industrienationen schlägt sich inzwischen auf allen Ebenen politisch nieder: durch die baldige Einführung von Lieferkettengesetzen in Deutschland und Europa oder dem Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) in den USA (China.Table berichtete.) Ihre Effizienz wird sich allerdings in der Praxis erst noch beweisen müssen. Kritiker glauben, dass Zwangsarbeit auch durch schärfere Gesetzgebung nicht eliminiert werden könne. Doch zweifellos sind die politischen Bemühungen Ausdruck eines wachsenden gesellschaftlichen Konsens, dass die Wirtschaftskreisläufe der Welt fairer gestaltet werden müssen.
Keine Frage: Russlands Präsident Wladimir Putin ist für die G7-Staaten derzeit der Hauptfeind. Und das machen die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel im bayerischen Elmau auch pausenlos klar, wenn sie vom “schmutzigen Angriffskrieg Russlands” sprechen und ihre Solidarität mit der Ukraine bekunden. Doch auf einen weiteren Staat hat es insbesondere US-Präsident Joe Biden abgesehen: China. Und da ist die Lage für die G7 deutlich verzwickter.
Einig sind sich die G7, dass sie die Sanktionen gegen Russland weiter verschärfen wollen. Doch wie sie es auch drehen. Bei ihren Vorschlägen stoßen sie immer wieder an Grenzen. Und zwar wegen China.
Beim US-Vorschlag eines Preisdeckels für russisches Öl etwa: Die USA kaufen bereits kein russisches Öl mehr, die EU wollen es ab spätestens Ende des Jahres tun. Und doch wirken die Sanktionen nur bedingt, weil andere Staaten weiter russisches Öl beziehen, allen voran China und Indien. Die USA wollen diese Lücken schließen und haben daher vorgeschlagen, einen Preisdeckel für russisches Öl zu stellen.
Hierbei hofft Washington vor allem auf zwei Effekte: Zuletzt war es so, dass Russlands Einnahmen wegen massiv gestiegener Öl- und Gaspreise trotz der westlichen Sanktionen gar gestiegen sind. Das würde der Preisdeckel verhindern. Zum anderen würden mit einem Preisdeckel angesichts der steigenden Inflation die negativen Wirkungen für Drittmärkte und Konsumenten weltweit begrenzt werden.
Nur: Ein solcher Preisdeckel für russisches Öl würde nur funktionieren, wenn Indien und China sich beteiligen. Indien war am Montag eins von fünf Gastländern, die beim G7-Gipfel präsent waren. Auf den indischen Premierminister gingen die G7 ein. Mit China müssten sie erst noch reden.
Ebenfalls auf die USA geht der Vorstoß eines Importverbots für russisches Gold zurück. Damit würden Russland Milliardeneinnahmen aus diesem wichtigen Exportgut wegbrechen, glaubt US-Präsident Biden. Die Europäer sind den Plänen durchaus aufgeschlossen. “Der tatsächliche Einfluss auf den Goldmarkt dürfte aber zu gering sein, um die Preisentwicklung dauerhaft zu beeinflussen”, meint Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank.
Russland zählt zwar nach Angaben des Branchenverbandes World Gold Council mit einer Minenproduktion von 330 Tonnen im vergangenen Jahr zu den wichtigsten Goldproduzenten. “Allerdings dürfte nur ein geringer Teil der russischen Produktion in den Westen gegangen sein”, sagt Fritsch. Experte Alexander Zumpfe vom Handelshaus Heraeus verwies auf die großen Nachfrageländer China und Indien. Dies mache “eine unmittelbare Knappheit auf dem Goldmarkt unwahrscheinlich”, sagte Zumpfe. Auch hierfür würde also China gebraucht werden.
Ein Vorstoß, den die G7 am Sonntag feierlich angekündigt haben, richtet sich unmittelbar gegen China: die “Partnerschaft für Globale Infrastruktur”. Mit dieser Infrastruktur-Initiative für Entwicklungsländer wollen die G7 Pekings 2013 gestartetem Projekt “Neue Seidenstraße” Konkurrenz machen, mit dem China dabei ist, neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien zu erschließen. “Gemeinsam wollen wir bis 2027 fast 600 Milliarden Dollar durch die G7 mobilisieren”, kündigte Biden an, auf dessen Initiative das Projekt zurückgeht. “Und ich bin stolz darauf, ankündigen zu können, dass die Vereinigten Staaten in den nächsten fünf Jahren 200 Milliarden Dollar an öffentlichem und privatem Kapital für diese Partnerschaft mobilisieren werden.” EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überbietet das noch und kündigte an, “Team Europe” werde 300 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen werde. G7-Staat Japan sagte 68 Milliarden zu.
Biden fügte hinzu, dass es sich dabei nicht um Wohltätigkeit handele. “Es ist eine Investition, die sich für alle auszahlen wird, auch für das amerikanische Volk und die Menschen in allen unseren Ländern, und die alle unsere Volkswirtschaften ankurbeln wird. Es ist eine Chance für uns, unsere positive Vision für die Zukunft zu teilen.”
Bundeskanzler Olaf Scholz wertet die Initiative als weiteres Beispiel für die Geschlossenheit der G7. Ein US-Regierungsvertreter präzisierte, die Initiative ziele auf Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen ab. Ziel seien Infrastruktur-Investitionen, “die die Länder brauchen, ohne dass sie von außen diktiert werden”. Die Projekte würden an hohe Standards gebunden sein, “um sicherzustellen, dass diese Investitionen wirtschaftlich und kommerziell getrieben sind und nicht in Schuldenfallen führen”.
Doch so Recht der US-Vertreter auch haben mag, unbewusst benennt er im gleichen Atemzug auch ein Problem der westlichen Initiative: In der Tat stellen viele Länder, die Mittel aus dem chinesischen Projekt genutzt haben, inzwischen fest, dass ihre Schuldenberge massiv gewachsen sind und sie bei China hoffnungslos überschuldet sind. Doch was Chinas Angebot für viele Staaten so attraktiv machte – und gleichzeitig zum Problem der westlichen Initiative werden könnte: Die chinesische Führung stellt keine politischen Bedingungen für ihre Investitionshilfe. Das wollen die G7 aber tun – versichern sie zumindest. Das macht ihr Investitionsprogramm für autoritäre Staaten allerdings weniger attraktiv.
Zudem haben die G7 auch ein organisatorisches Problem: Während Chinas Neue Seidenstraßen-Initiative zentral in Peking gesteuert wird, sind die G7 eben nicht so geschlossen, wie Scholz in Elmau behauptet. Weder ist vereinbart, ob überhaupt und falls ja, von wo aus die gigantischen Infrastrukturprojekte gesteuert werden. Oder investiert jedes Industrieland für sich und unkoordiniert irgendwo in Zentralasien und Afrika – wie das bisher auch schon der Fall war.
Noch ist unklar, ob die Milliarden-Summen von den G7-Staaten überhaupt bereitgestellt werden können – daran zweifeln jedenfalls viele. Bei der Entwicklungshilfe und der Bekämpfung der weltweiten Armut, aber auch beim Versprechen, armen Ländern bei Umstellung zur Klimaneutralität zu helfen, hatten die G7 in der Vergangenheit auch feste Summen zugesagt. Sie wurden nie eingehalten.
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Alle G7-Staats- und Regierungschefs werden am Dienstag weiter nach Madrid zum Nato-Gipfel fliegen. Dort wollen die Nato-Staaten in ihrer neuen Sicherheitsstrategie erstmals ihre Besorgnis gegenüber China zum Ausdruck bringen. Doch noch wird um die genauen Formulierungen gerungen: Während die USA und Großbritannien auf eine eher härtere Sprache dringen, setzen sich Frankreich und Deutschland für einen ausgewogeneren Ansatz ein. Allen gemein: Es soll bloß nicht der Eindruck in Peking entstehen, dass die Nato wegen des Kriegs in Europa Ostasien aus den Augen verliere. Zum ersten Mal werden dort deshalb auch Spitzenpolitiker von vier Ländern der Indo-Pazifik-Region teilnehmen: Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland.
Bei dem Gipfeltreffen in Spanien stehen der Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie der Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands ganz oben auf der Agenda. Zudem wird das neue strategische Konzept des Verteidigungsbündnis verabschiedet. Der Ansatz des Verteidigungsbündnisses gegenüber Peking wird erstmals Teil des Strategie-Konzepts sein, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag auf einer Pressekonferenz sagte. Das strategische Konzept werde sich auch mit den Herausforderungen befassen, “die Peking an unsere Sicherheit, Interessen und Werte stellt”, sagte Stoltenberg. Das Strategie-Konzept legt die Grundlage für die künftige politische und militärische Entwicklung der Nato und ist das wichtigste Dokument nach dem Nordatlantikvertrag von 1949.
Gerungen wird noch um die Formulierungen: Nach Angaben eines Diplomaten könnte es darauf hinauslaufen, dass China als “systemische Herausforderung” bezeichnet wird, die Nato aber auch ihren Willen deutlich macht, mit der Regierung in Peking “in Gebieten von gemeinsamem Interesse” zusammenarbeiten zu wollen. Ganz neu ist die Bezeichnung nicht. Das Bündnis hatte bei seinem Gipfel im vergangenen Jahr China erstmals eine “systemische Herausforderung” genannt (China.Table berichtete). Sollte sie aber auch in dem grundlegenden Strategie-Konzept auftauchen, würde das Peking sicherlich sauer aufstoßen.
Klar ist bereits: Russland wird in dem Strategie-Konzept als die größte Bedrohung angesehen, das stand allerdings auch schon vor dem Angriff auf die Ukraine fest. Erwartet wird, dass in dem Konzept zudem vor Chinas Einfluss im Indo-Pazifik sowie Pekings und Moskaus Wirken in Afrika gewarnt wird. Australiens Premier Anthony Albanese reiste mit warnenden Worten nach Europa: “Russland und China, ihre Abmachungen und Nähe, die in letzter Zeit sichtbar waren, sind auch für unsere Region sehr wichtig”, sagte Albanese. Mitarbeit: Amelie Richter
Der chinesische Staat investiert Milliarden in das Halbleiter-Startup Swaysure Technology aus Shenzhen, um einen Hersteller von dringend benötigten Speicherchips großzuziehen. Taiwanischen Internetseiten zufolge sind über Fonds der Stadt Shenzhen Investitionen in Höhe von 300 Milliarden Yuan in eine Fabrik geplant, die Anfang 2024 fertig werden soll. Das wären gut 40 Milliarden Euro. Swaysure war zuletzt dadurch aufgefallen, dass es den japanischen Management-Veteranen Yukio Sakamoto abgeworben hatte.
Das Unternehmen will DRAMs herstellen. Das sind Speicherchips, die derzeit sehr gefragt sind. Sie werden für alle Computer von PCs über Handys bis hin zum Auto gebraucht. Bisher ist der Markt unter drei Anbieter aufgeteilt: Samsung und SK Hynix aus Südkorea sowie Micron Technology aus den USA. China und Europa spielen bei der Produktion praktisch keine Rolle, wollen aber aufholen. In Hefei ist bereits der Anbieter Changxin Memory entstanden, der technisch aber deutlich hinter den Koreanern zurückliegt.
Die in Shenzhen geplante Investitionssumme liegt unter den Beträgen, die der US-Hersteller Intel für seine Expansion in Europa ausgeben will: 80 Milliarden Euro. In Magdeburg ist im Rahmen des Programms der Bau einer Chipfabrik für 17 Milliarden Euro geplant. Fokus sind dort aber nicht Speicherbausteine, sondern Prozessoren. Ebenfalls vergleichbar ist die EU-Förderung für den Aufbau einer eigenen Halbleiterindustrie. Brüssel stellt dafür 43 Milliarden Euro zur Verfügung. fin
China will seine Landeswährung Renminbi attraktiver für ausländische Investoren machen. Insidern zufolge soll das durch verlängerte Handelszeiten am Devisenmarkt gelingen. Die Zentralbank habe einige wichtige Marktteilnehmer befragt und deren Meinung zu einer möglichen Verlängerung der täglichen Handelszeit eingeholt. Im Gespräch ist eine Verschiebung des Handelsschlusses von aktuell 23:30 Uhr auf 03:00 Uhr morgens Pekinger Zeit, wie mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen am Montag der Nachrichtenagentur Reuters sagten.
Das würde einen Großteil der europäischen und amerikanischen Handelstage abdecken. Dies wiederum könnte es ausländischen Anlegern ermöglichen, ihr Währungsrisiko besser abzusichern und den globalen Nutzen des Yuan, wie der Renminbi im Volksmund genannt wird, schrittweise zu erhöhen. “Ein ausgeweiteter Nachthandel kann den Marktteilnehmern mehr Flexibilität bieten und somit einen Anreiz für eine stärkere globale Nutzung des Yuan schaffen”, schrieben die Analysten der Großbank HSBC schon Anfang Juni in einer Studie. Ein Anstieg des Yuan-Handelsvolumens außerhalb der regulären Handelszeiten in Asien biete zudem eine bessere Orientierung für Geschäfte mit der chinesischen Währung. Auch Kursschwankungen könnten sich dadurch verringern.
Die Abdeckung der globalen Handelszeiten wird auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) befürwortet. Der IWF hat erst im vergangenen Monat die Gewichtung des chinesischen Yuan in seinem Korb der sogenannten Sonderziehungsrechte erhöht – wie das 1969 eingeführte Reserveguthaben heißt, die wie Buchkredite geführt werden. In diesen Währungskorb wurde der Yuan im Jahr 2016 aufgenommen – ein Meilenstein in Pekings Bemühungen um eine Internationalisierung seiner Währung. Die staatliche Börsenaufsicht wollte sich auf Nachfrage zunächst nicht zu den Informationen der Insider über die Pläne zu den verlängerten Handelszeiten äußern.
China versucht derzeit mit mehreren Maßnahmen, die Stellung des Yuan auf den internationale Finanz- und Devisenmärkten zu stärken. So wird unter anderem mit Saudi-Arabien verhandelt, Ölverkäufe künftig in Yuan statt in US-Dollar abzuwickeln (China.Table berichtete). Etwa 80 Prozent der weltweiten Ölverkäufe werden derzeit in Dollar abgewickelt. Ölimporte in der chinesischen Währung könnten die Rolle des Dollar und damit auch den politischen Einfluss der USA langfristig schwächen. rtr/rad
Dem hoch verschuldeten chinesischen Immobilienkonzern Evergrande droht Ärger von den Gläubigern. Das Unternehmen “Top Shine Global Limited of Intershore Consult (Samoa) Limited” hat beim Obersten Gericht in Hongkong einen Konkursantrag gegen die China Evergrande Group eingereicht. Dem Antrag zufolge soll am 31. August eine Anhörung stattfinden.
Evergrande hat mehr als 300 Milliarden Dollar Schulden und konnte in den vergangenen Monaten Zinsen für Auslands-Anleihen nicht mehr bedienen. Bei ausländischen Investoren steht der Konzern mit rund 20 Milliarden Dollar in der Kreide. Trotzdem gelingt es Evergrande bislang, das Firmenende hinauszuzögern. Anwältin Elske Fehl-Weileder erklärte im Interview mit China.Table, wieso das in China möglich ist und warnt: “Die Gläubiger von Evergrande werden Geld verlieren.” Der Vorgang zeigt: Große Firmenpleiten enden oft nicht rechtzeitig mit einem Insolvenzverfahren. Gerade in China folgt eher eine qualvoll lange Phase der Realitätsverweigerung (China.Table berichtete).
Bis Ende Juli will das Unternehmen nun einen vorläufigen Restrukturierungsplan vorlegen. Seit Anfang des Jahres stiegen staatliche Unternehmen ein und halfen Evergrande bei der Restrukturierung. rad/rtr
Welche Universitäten und Forschungsinstitute in Europa arbeiten mit chinesischen Einrichtungen zusammen? Dieser Frage geht erstmals detailliert der “Academic engagement tracker” der mitteleuropäischen Denkfabrik The Central European Institute of Asian Studies (CEIAS) nach. Der Thinktank hat für mehrere europäische Staaten, darunter auch Deutschland, mehr als 2.300 Verbindungen von akademischen Einrichtungen mit chinesischen Kooperationspartnern auf Karten festgehalten und Details zu der jeweiligen wissenschaftlichen Zusammenarbeit zusammengetragen. Zudem wird das Risiko der jeweiligen Kooperation auf einer Skala eingeschätzt. Erst vor wenigen Wochen gab es Berichte über Forschungs– und Wissenschaftskooperationen zwischen deutschen Universitäten und Partnern aus der Volksrepublik, die eine große Nähe zum chinesischen Militär haben sollen (China.Table berichtete). ari
Philip Clart erreicht man derzeit nur auf dem Sprung. Seit kurzem ist sein Forschungssemester in Cambridge vorbei, “leider” sagt er. Jetzt ist er wieder ins trubelige Leben der Universität Leipzig eingestiegen und jongliert mit Terminen. Gerade aus dem Unterricht gekommen, jetzt gleich zum Vortrag eines Mitarbeiters, danach eine Ausstellungseröffnung.
Seit fast 14 Jahren ist Clart als Professor für Kultur & Geschichte Chinas am Ostasiatischen Institut der sächsischen Universität tätig. In seinen Forschungen setzt er sich vor allem mit religiösen Bewegungen in Taiwan und dem religiösen Wandel sowie der Religionspolitik Chinas auseinander. Wie er zu seinem Forschungsschwerpunkt kam? “Eher zufällig”, sagt Clart.
Nach seinem Magister in Bonn sollte er 1989 für ein ethnologisches Promotionsprojekt an die chinesische Seite des Karakorum Gebirges reisen. Das Forschungsvorhaben platzte jedoch, weil zur gleichen Zeit die Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking und in anderen Teilen des Landes China in Aufruhr versetzten und deren blutige Niederschlagung für eine Zäsur in der Geschichte der Volksrepublik sorgte.
“China wurde dicht gemacht”, erzählt Clart. “Es war unmöglich, noch eine Forschungserlaubnis zu bekommen.” Also stand er da, ohne Job und unmittelbare Perspektive. Kurzentschlossen reiste Clart mit seiner Ehefrau nach Taiwan, weil er hier leicht an eine Arbeitserlaubnis kam. Er blieb neun Monate.
In Taichung, an der Westküste des Inselstaats, verdingte er sich als Sprachlehrer an Privatschulen und wurde eingesogen von der besonderen Religiosität dieses Ortes. “Wenn man in Taiwan lebt, ist man von einer bunten Tempelwelt umgeben”, erzählt er. “Oft liegen nur wenige Meter zwischen den Tempeln, die sich an fast jeder Straßenecke befinden, in der ganzen Stadt riecht es nach Weihrauch.”
Clart war fasziniert von diesen Eindrücken, lernte immer mehr über die Religionskultur des Landes und lebte einige Zeit in einem Gebirgstempel außerhalb der Stadt. Er promovierte zu neuen religiösen Bewegungen und zu neuen Formen des Tempelkults in Taiwan. “Wie ändern sich traditionell religiöse Praktiken in einer sich rapide industrialisierenden, modernisierenden Gesellschaft?”, fragte er sich damals. Diesen Forschungsschwerpunkt hat er bis heute beibehalten.
“Grundsätzlich ist das Verhältnis der Menschen zur Religion in Taiwan nicht anders als in China”, erzählt Clart. Taiwan sei kulturell weitgehend chinesisch. “Der Unterschied allerdings ist, dass das religiöse Leben in China stark beeinträchtigt und zerstört wurde während der Kulturrevolution in den 1960er- und 1970er-Jahren.” Mao Zedong verbot damals die Religionsausübung, unzählige Tempel wurden niedergerissen. “In Taiwan hat es das nicht gegeben.”
Die kulturelle Identität des Inselstaates sei eine Mischung aus einer modernen Gesellschaft und teils sehr traditionellen Praktiken. “Das ist es, was ich so spannend finde.” Bis heute hält Clart enge Freundschaften nach Taichung und reist regelmäßig in die Stadt, in der er damals sein Leben – oder zumindest seine Forschung – ganz neu ausrichtete. Svenja Napp
Frank Fang Yang wird bei Volkswagen China neuer CEO der Digital Sales and Services Company. Der 43-Jährige war zuvor bei verschiedenen chinesischen und internationalen Firmen tätig, unter anderem in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Markenaufbau sowie Forschung & Entwicklung. Zudem ist der Gründer und CEO des Controlling-Startups AVATR Technology.
China- und Hongkong-Fahnen zieren den Innenhof eines Hongkonger Wohnblocks: Am Freitag feiert China die Rückgabe Hongkongs vor 25 Jahren. In der Nacht zum 1. Juli 1997 hatte die britische Kolonialherrschaft über die Metropole nach 99 Jahren geendet.