Table.Briefing: China

TSMC-Standort in EU rückt näher + BASF-Verbund eröffnet

  • TSMC-Standort in Deutschland?
  • Vize-Premier besucht BASF
  • Termine der kommenden Woche
  • Abgeordnete reisen nach Taiwan
  • Regierung prüft harten Kurs im China-Geschäft
  • Evergrande-Sitz in Hongkong beschlagnahmt
  • Truppenabzug aus Himalaya-Region
  • BYD kauft Land für Werk in Thailand
  • Russland-Sanktionen nutzen Peking kaum
  • Blick aus China: Gefügig durch Erziehung und Überwachung
Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn ein internationaler Chip-Gigant in Europa investiert, ist das eine hochwillkommene Nachricht. Das verringert Abhängigkeiten von anderen Weltgegenden, verkürzt die Liefer- und Kommunikationswege zu den Abnehmern in der Industrie und schafft wertvolle Arbeitsplätze. Nachdem Intel sich bereits bewegen ließ, Werke unter anderem in Magdeburg zu bauen, richten sich die Augen nun auf den taiwanischen Marktführer TSMC. Die EU-Kommission wirbt derzeit um so eine Investition, ebenso wie die Bundesrepublik. Hintergründe finden Sie in unserer Analyse.

Ob Kanzler Scholz, Außenministerin Baerbock, der Chef der Deutschen Bank oder die großen Wirtschaftsforschungsinstitute – die Mahnungen und Warnungen vor einer zu großen Abhängigkeit von China sind in den letzten Monaten zahlreicher geworden. Wie passt da die Zehn-Milliarden-Euro-Investition von BASF in Guangdong ins Bild? Das neue BASF-Werk ist die größte Einzelinvestition eines deutschen Unternehmens in der Volksrepublik, die jemals getätigt wurde, wie Fabian Kretschmer analysiert. Damit geht das Unternehmen auch ein Risiko ein. Sollten sich die Beziehungen zu China noch schneller verschlechtern, steht der Chemieriese schlecht da.

Dabei hat das Unternehmen schon im Falle Russlands schlechte Erfahrungen gemacht. Jahrzehntelange wurde der Gashandel mit Gazprom ausgebaut. Selbst ein Jahr nach der Annexion der Krim überließ BASF dem russischen Partner noch die deutschen Gasspeicher – im Austausch für Anteile an Förderprojekten in Sibirien. Mit diesen Geschäften hat BASF maßgeblich zur deutschen Gasabhängigkeit von Russland beigetragen. Geht man mit der 10-Milliarden-Investition in China erneut ein zu großes Risiko ein?

Wie sehr China sich mittlerweile von freien westlichen Gesellschaften unterscheidet, zeigt auch unsere heutige Kolumne “Blick aus China”. Darin schildert unsere Stimme aus der Volksrepublik, warum so viele Chinesinnen und Chinesen die harten Lockdowns und die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die Regierung oft so stillschweigend hinnehmen. Eine große Rolle spielt die Erziehung in den Kindergärten und Schulen, in denen Gehorsam eingeimpft und Individualität größtenteils unterdrückt wird. Im Alltag gibt es eine fast allgegenwärtige Überwachung durch Kameras und Internet-Zensoren – zudem gibt es eine Furcht vor Denunzianten. Sicher sind Andersdenkende, die ihre Meinung zu frei äußern wollen, in diesem Land nicht.

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Werben um einen TSMC-Standort in der EU

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft auf darauf, den taiwanischen Chiphersteller TSMC zum Bau einer Fabrik in der EU zu bewegen. “Wir wären sehr froh, wenn sie sich in Europa niederlassen würden – sei es allein oder gemeinsam mit anderen”, sagte er am Donnerstag in Berlin. Der weltgrößte Auftragsfertiger sei ein “sehr wichtiger Player”.

Das TSMC-Management lotet seit vergangenem Jahr eine Investition in Europa aus. Die Kunden des Unternehmens insbesondere in der Autoindustrie drängen TSMC, auf dem Kontinent eine eigene Fabrik zu bauen. Sie leiden unter Lieferengpässen und fürchten, von der Versorgung abgeschnitten zu werden, sollte China den Nachbarn Taiwan militärisch attackieren. Ohne Halbleiter aus Taiwan stehen die Bänder der deutschen Autohersteller still.

Als mögliche Partner von TSMC in der Halbleiterindustrie werden in Industriekreisen Bosch, Infineon und NXP gehandelt. Die Bundesregierung ist eng eingebunden in die Verhandlungen, die nach Informationen aus Industriekreisen schon fortgeschritten sind. In der Chipbranche sind hohe Zuschüsse aus Steuermitteln üblich, um die Unternehmen zu einer kapitalintensiven Investition zu bewegen.

Auch ein Standort in Deutschland ist in der Diskussion. So soll es Gespräche um die Nutzung von Bauland in der Nähe von Dresden für eine TSMC-Ansiedlung geben. Andere Städte in der EU konkurrieren jedoch ebenfalls um die Ansiedlung des Top-Arbeitgebers.

Für die Autoindustrie reicht die reifere, langsamere Technik

Experten gehen aber davon aus, dass TSMC eine Fabrik in Europa nicht mit seiner modernen Technologie mit Strukturgrößen unter sieben Nanometern ausrüsten wird. “Wenn TSMC in Europa investiert, dann wahrscheinlich in eine Fabrik mit reiferer Technologie, die Strukturgrößen ab 18 Nanometer fertigt”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.

Das entspricht jedoch dem Bedarf der deutschen Abnehmer, denn Autohersteller und Zulieferer werden insbesondere von Lieferengpässe in diesen reiferen Technologiebereichen geplagt. Sie brauchen keine superschnellen Hochleistungschips wie die Hersteller von Grafikkarten, sondern kostengünstige Bauteile, die für den behäbigeren Einsatz im Auto bisher ausreichen.

Im Juli hatten ST Microelectronics und der US-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) bereits angekündigt, mehr als fünf Milliarden Euro in ein Chip-Werk in Frankreich zu investieren, das 18-Nanometer-Halbleiter herstellen soll. Der US-Hersteller Intel will insgesamt 80 Milliarden Euro in Europa in die Hand nehmen und plant unter anderem in Werk in Magdeburg.

Auf die Zuschüsse und Garantien kommt es an

Knackpunkt für eine Ansiedlung von TSMC in Deutschland dürften Liefervereinbarungen, insbesondere mit den Autoherstellern und deren Zulieferern sein. “Eine Produktion in Europa wäre teurer als in Taiwan, daher würde die Fab für den lokalen Markt produzieren und bräuchte vermutlich langfristige Abnahmegarantien seiner Kunden”, sagt Kleinhans.

Die Diskussion um ein TSMC-Werk in Deutschland geht schon länger in verschiedene Richtungen. Das Unternehmen selbst äußerte sich mal so, mal so. Letztlich handelt es sich aber dem Vernehmen nach um eine Frage der Beihilfen. Der TSMC-Gründer und frühere CEO Morris Chang (Zhang Zhongmo) hält eine Herstellung auch in den USA nicht für wettbewerbsfähig. Da die Kosten immer höher sein werden als in Taiwan, sei die Ansiedlung für TSMC kein gutes Geschäft. Der Subtext der Aussage: Ohne dauerhafte Subventionen sind solche Überseestandorte nicht wirklich überlebensfähig.

TSMC baut im US-Bundesstaat Oregon Chips, die in der Produktion 50 Prozent teurer sind als die gleichen Produkte aus Taiwan. Derzeit entsteht in Arizona eine weitere, große Fabrik. Auch diese Investmententscheidung war an staatliche Förderung gebunden.

Breton will jedoch mit dem European Chips Act einen rechtlichen Rahmen schaffen, der Subventionen erleichtern und die Rahmenbedingungen in Europa verbessert. Ziel der Kommission ist es, bis 2030 den Anteil Europas an der globalen Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln (Table.Media berichtete). Breton hat dabei vor allem Mikrochips der jüngsten Generation im Sinn, mit Strukturgrößen von weniger als fünf Nanometern. TSMC ist auf dem Gebiet weltweit führend.

In der Frage der Zuschüsse haben sich die EU und die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren weit bewegt. Noch vor wenigen Jahren wollten sie Investitionen vor allem dem Markt überlassen. Doch schon vor der Pandemie hatten Befürworter einer aktiven Industriepolitik an Einfluss gewonnen. Der Schock des Mangels erst an Masken und nun an Teilen aller Art hat hier endgültig die Weichen umspringen lassen.

Taiwan als besonders heikle Herkunftsregion

Weltweit herrscht derzeit Mangel an Chips aller Art. Dadurch sind auch Produkte von Spielekonsolen über Handys bis hin zu Sportwagen knapp. Die deutsche Industrie leidet besonders darunter, zwar als Hochtechnik-Standort zu gelten, die eigentliche Hochtechnik jedoch längst nicht mehr selbst zu fertigen.

Gerade die Abhängigkeit von China und Taiwan wird hier mit Sorge gesehen. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen um die Insel (China.Table berichtete). China baut eine Drohkulisse gegenüber Taiwan auf, während auch die USA ihrerseits den Ton verschärft haben. Das Szenario eines bewaffneten Konflikts erscheint ungleich realer als noch vor Jahresfrist.

Ein Krieg um Taiwan hätte wirtschaftlich zwei katastrophale Effekte: Die Produktionsstätten in Taiwan würden zerstört oder wären nicht mehr an die Warenströme angebunden. Und China würde vermutlich mit Sanktionen belegt. So oder so wäre der jetzige Teilemangel trivial gegenüber den Auswirkungen eines Krieges.

Für Taiwan ist die zentrale Stellung in der Lieferkette daher einerseits eine Lebensversicherung – dass sich die USA und EU ihrer Abhängigkeit bewusst sind, motiviert zum Schutz der Insel. Andererseits will auch die dortige Industrie ihre Standorte diversifizieren, um im Fall der Katastrophe an sicherer Stelle weiterproduzieren zu können. Till Hoppe/Finn Mayer-Kuckuk

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Milliarden-Projekt von BASF birgt Risiken

Der neue Verbundstandort von BASF in Zhanjiang wird nach seiner Fertigstellung gigantische Ausmaße haben.

Es ist ein Projekt der Superlative: Der deutsche Chemiekonzern BASF hat diese Woche die Produktion an seinem neuen Standort im südchinesischen Zhanjiang aufgenommen. Allein die erste Anlage des Werks wird jährlich 60.000 Tonnen technischer Kunststoffverbindungen produzieren, bis 2025 möchte man dafür ausschließlich erneuerbare Energien verwenden. Bis Ende der Dekade plant das Ludwigshafener Unternehmen, zehn Milliarden Euro in den Standort zu investieren. Damit handelt es sich um die größte Investition eines deutschen Unternehmens in China überhaupt.

Selbst Vize-Premier Han Zheng, Mitglied des neunköpfigen Ständigen Ausschusses des Politbüros, hat in Peking einer Zeremonie zur Eröffnung des Werks beigewohnt. Dies sei laut der Beratungsfirma “Trivium China” absolut ungewöhnlich. Dass ein solch hochrangiger Parteifunktionär der Kommunistischen Partei höchstpersönlich gratuliere, würde selbst bei Staatsunternehmen höchst selten vorkommen – ganz zu schweigen bei ausländischen Firmen.

China stemmt sich gegen die “Zeitenwende”

Die Botschaft ist klar: Chinas Regierung wirbt verzweifelt um internationale Investoren. Nach drei Jahren Null-Covid ist nämlich nicht nur die heimische Wirtschaft massiv angeschlagen, sondern auch die Stimmung unter westlichen Konzernen mit Präsenz in China auf einem Tiefstand angelangt.

Dementsprechend prominent wurde von den chinesischen Staatsmedien über die Eröffnung des neuen BASF-Standorts berichtet. Dieser stelle laut einem Bericht von “China.org” ein “neues Paradigma für Chinas weitere Öffnung dar” – und zwar ungeachtet “der komplexen internationalen Situation”.

Was im blumigen Sprech der Parteimedien euphemistisch klingt, hat Bundeskanzler Olaf Scholz unlängst als “Zeitenwende” bezeichnet. Seine Außenministerin Annalena Baerbock warnt so offen wie keine ihrer Vorgänger zuvor vor den Gefahren einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von China. Tatsächlich arbeitet die Bundesregierung derzeit an einer neuen China-Strategie, die wohl deutlich kritischere Töne als noch zur Merkel-Ära bereithält. Und auch im Bundeswirtschaftsministerium wird längst gefordert, die staatlichen Garantien für Investitionen deutscher Unternehmen in der Volksrepublik deutlich einzudämmen.

Mit dieser Sicht findet die Bundesregierung durchaus Widerhall. Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank, sagte erst am Mittwoch beim Bankengipfel des Handelsblatts in Frankfurt: “Wenn es um Abhängigkeiten geht, müssen wir uns auch der unbequemen Frage stellen, wie wir mit China umgehen. Die zunehmende Abschottung des Landes und die wachsenden Spannungen, insbesondere mit den USA, bergen für Deutschland ein erhebliches Risiko“.

Standort China gilt trotz allem als unverzichtbar

Viele US-Unternehmen richten ihre Segel bereits nach Südostasien und kehren China verstärkt den Rücken. Apple etwa setzt bei der Produktion künftiger iPhone-Generationen zunehmend auf Indien und Vietnam als Standorte (China.Table berichtete). Noch handelt es sich um eher symbolische Verschiebungen, doch sie sollten der Volksrepublik durchaus als Warnsignal dienen. Denn die Umgestaltung von Lieferketten ist ein strategisch langfristiger Prozess, der – einmal getätigt – schwer wieder umkehrbar ist. 

Solche Überlegungen gibt es auch innerhalb vieler deutscher Unternehmen, wenn auch eher im Mittelstand. Die Zeitenwende hat zumindest die großen Konzerne wie BASF oder auch die deutsche Automobilbranche nicht erreicht. Dort wird die Präsenz in China – zumindest öffentlich – weiterhin als unverzichtbar propagiert: “In den vergangenen zehn Jahren ist das größte Wachstum in China passiert. Dass wir dort jetzt mehr als ein Drittel unseres Absatzes verkaufen, ist eine Erfolgsstory”, sagte etwa Daimler-Chef Ola Källenius diese Woche in einem Interview mit der Welt. 

Auch Stephan Wöllenstein, ehemaliger China-Chef von Volkswagen, sagte erst Ende Juli gegenüber Bloomberg: Wer mit den Besonderheiten des chinesischen Marktes nicht umgehen könne, werde wohl kaum “in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch ein führender Autohersteller” sein. Manchmal scherze er darüber, sich gar nicht mehr sicher zu sein, “ob wir entweder der internationalste unter den chinesischen Autobauern sind – oder der chinesischste unter den internationalen Autobauern”. Fabian Kretschmer

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Termine

09.09. – 11.09.2022
Konfuzius-Institut Düsseldorf / Fest Chinafest Duisburg Mehr

10.09.2022, 19:00 Uhr
Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen / Performance Performance zum Mondfest in Bild, Klang und Wort Mehr

12.09.2022, 16:00 – 17:00 (22:00 Uhr Beijing Time)
Center For Strategic and International Studies / Webcast Xi’s New Global Development Initiative Mehr

12.09.2022, 18:15 Uhr
Konfuzius Institut Berlin / Vortrag Das Ben Cao Gang Mu von 1593: Chinas größte Enzyklopädie zur Natur- und Heikunde. Geschichte einer deutsch-chinesischen Kooperation Mehr

13.09.2022, 10:00 Uhr
China-Kompetenz­zentrum Düsseldorf / Veranstaltung Neue Chancen im Energiesektor: Politische Maßnahmen und Möglichkeiten für neue Energien und E-Mobilität in Nordrhein-Westfalen (auf chinesisch) Mehr

14.09.2022, 09:30 Uhr
Handelsblatt und HSBC: Asia Business Insights / Veranstaltung Wachsende asiatische Märkte versus Abhängigkeit. Globale Standards versus technologische Konkurrenz Mehr

14.09.2022, 11:30 – 12:30 Uhr
Merics Climate and Environment / Veranstaltung How China innovates: the natural ecosystem and its limits explained Mehr

16.09.2022, 09:30 – 16:30 Uhr
Chinesische Handelskammer in Deutschland e.V. / Veranstaltung Chinesisch-deutsche Wirtschaftszusammenarbeit in herausfordernden Zeiten Mehr

News

Deutsche Abgeordnete reisen im Oktober nach Taiwan

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat den Reiseantrag des Menschenrechtsausschusses des Bundestags für dessen Besuch in Taiwan genehmigt. Geplant ist der Besuch des Inselstaates im Oktober. Das bestätigte die Ausschuss-Vorsitzende Renata Alt (FDP) im Gespräch mit China.Table.

Die Reise war bereits für das Jahr 2019 vorgesehen, habe dann aber verschoben werden müssen und sei wegen der Corona-Pandemie seitdem nicht zustandegekommen. Der Menschenrechtsausschuss will während der Reise zudem in Japan Halt machen. Entgegen anderweitiger Meldungen sei ein Besuch in Hongkong nicht beantragt worden, so Alt.

“Auf Drängen der CDU/CSU-Fraktion hat sich der Ausschuss darauf geeinigt, die lange aufgeschobene Reise nach Taiwan im Herbst nachzuholen. Sie ist jedoch nicht durch die Reise von Nancy Pelosi motiviert“, sagte Alt. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses hatte mit ihrem Besuch Anfang August in Taipeh ein Signal an die Volksrepublik China gesendet, dass die USA Taiwan gegen die militärische Bedrohung durch die Volksrepublik unterstützen wolle.

Bereits am Dienstag reisen Ausschuss-Mitglieder aller Fraktionen nach Genf, wo der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu seiner 51. Sitzung zusammenkommt. Der Ausschuss ist lediglich als Gast akkreditiert, will aber die Zeit vor Ort für zahlreiche Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen nutzen.

Zum Abschluss der Reise wollen die deutschen Politiker am kommenden Freitag das Hauptquartier des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Lausanne besuchen. Der Ausschuss ist an einer Aufarbeitung der Vergabe der Winterspiele an die Volksrepublik China interessiert. “Wir wollen anregen, dass die menschenrechtlichen Standards zum Erhalt von Olympischen Spielen erhöht werden”, sagte Alt. Zu einem Treffen mit IOC-Präsident Thomas Bach wird es allerdings nicht kommen, weil der sich zu diesem Zeitpunkt im Ausland befindet, wie ein Sprecher mitteilt.

Thematisieren wolle man auch den Fall der Tennisspielerin Peng Shuai, die nach ihren Missbrauchsvorwürfen gegen einen hochrangigen Funktionär der Kommunistischen Partei nur noch unter Aufsicht in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Zu dem angekündigter Besuch Pengs in Lausanne für diesen Sommer ist es nicht gekommen. grz

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Habeck überdenkt Investitions-Garantien

Die Bundesregierung stellt ihre Unterstützung für deutsche Unternehmen bei ihren Geschäften in China infrage. Das Bundeswirtschaftsministerium überlege etwa, die staatlichen Investitions- und Exportgarantien für in China tätige Firmen zu kippen, sagten mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Zudem solle die staatliche Förderbank KfW ihre Kreditlinien für das China-Geschäft deutscher Firmen zurückfahren und diese im Gegenzug für Aktivitäten in anderen asiatischen Ländern wie Indonesien ausbauen können, heißt es. “Wir wollen eine zu große Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China vermeiden helfen”, sagte ein Regierungsvertreter.

Überdacht werden sollen den informierten Personen zufolge auch kleinere Programme wie die Messeförderung oder die Managerausbildung mit China. An dem bilateralen Programm mit China nahmen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums von 2008 bis 2021 mehr als eintausend chinesische Führungskräfte teil. Seitdem ist das Programm pandemiebedingt ausgesetzt.

Im G7-Rahmen solle beraten werden, ob man nicht bei der Welthandelsorganisation (WTO) Klage gegen China wegen Restriktionen auf dem chinesischen Markt einreichen sollte, sagte ein Regierungsvertreter. “Wir sollten Peking zeigen, dass wir auch bereit sind, für die Prinzipien von Fairness zu kämpfen.” Es werde zudem überlegt, ob künftig nicht nur die chinesischen Investitionen in Deutschland, sondern auch die deutscher Firmen in China überprüft werden sollten.

Entscheidungen über das Maßnahmenpaket sind noch nicht gefallen, sagten mehrere mit den Überlegungen vertraute Personen. Es gebe dazu unterschiedliche Meinungen in der Regierung. Das Bundeswirtschaftsministerium kommentierte die einzelnen Maßnahmen nicht. “Das BMWK prüft derzeit geeignete Maßnahmen, um die Diversifizierung und Stärkung von Resilienz gezielt zu unterstützen”, sagte ein Sprecher und verwies darauf, dass nicht alle WTO-Mitglieder die vereinbarten Handelsregeln umfassend einhielten.

Das Wirtschaftsministerium hat mit Verweis auf die Verfolgung der muslimischen Minderheit der Uiguren bereits die staatlichen Garantien für Investitionen in der chinesischen Provinz Xinjiang gestoppt. Aus menschenrechtlichen Gründen seien vier Anträgen eines Unternehmens auf Verlängerung von Investitionsgarantien nicht stattgegeben worden, teilte das Ministerium mit. rtr

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Indien und China ziehen Truppen aus West-Himalaya ab

Indische und chinesische Truppen haben begonnen, sich aus dem Grenzgebiet in Ost-Ladakh im Himalaya zurückzuziehen. In der Region überschneiden sich Kaschmir und Tibet. Noch vor gut zwei Jahren war es dort zu Kampfhandlungen mit Todesopfern gekommen. Der Rückzug erfolge koordiniert und solle den Grenzfrieden wahren, teilte das indische Verteidigungsministerium mit. Darauf geeinigt habe man sich bei Gesprächen im Juni. Der Abzug erfolgte nun vor dem Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOC) nächste Woche in Usbekistan, an dem Chinas Präsident Xi Jinping und der indische Premierminister Narendra Modi teilnehmen werden.

“Der Kontakt von Angesicht zu Angesicht ist beendet”, zitierte Reuters eine Quelle aus dem indischen Verteidigungsministerium. Beide Länder haben dennoch weiterhin Tausende Soldaten entlang der De-Facto-Grenze, bekannt als Line of Actual Control (LAC).

Im Juni 2020 war es zu Zusammenstößen von indischen und chinesischen Truppen im Galwan-Gebiet von Ladakh gekommen. Mindestens 20 indische und vier chinesische Soldaten wurden bei den Kämpfen getötet. Infolgedessen verschärften sich die diplomatischen Spannungen zwischen den beiden Staaten. Indien schickt rund 50.000 Soldaten zusätzlich in die Region (China.Table berichtete). Reuters zufolge hatten die chinesischen Truppen bereits im Februar dieses Jahres Dutzende Gebäude geräumt und Fahrzeuge aus Lagern an den Ufern des Pangong-Tso-Sees in Ladakh hinaus bewegt. ari/rtr

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Evergrande Firmensitz in Hongkong beschlagnahmt

Der Evergrande-Hauptsitz in Hongkong wurde von einem Kreditgeber beschlagnahmt. Der überschuldete Immobilienkonzern war mit einem Kredit in Verzug geraten und hatte das Gebäude trotz Ankündigung nicht verkauft. Ein Konkursverwalter soll das Gebäude nun im Auftrag des Kreditgebers übernehmen und einen Verkauf erzwingen, wie die Financial Times berichtet. Das Gebäude wird demnach mit 1,2 Milliarden US-Dollar bewertet.

Laut den Quellen der FT hatte der Konzern das Gebäude als Gegenleistung für Kredite verpfändet. Deshalb kann es jetzt von den Kreditgebern beschlagnahmt werden. Bei dem Kreditgeber könnte es sich demnach um die Hongkonger Tochterfirma der Staatsbank China Citic Bank handeln. Noch ist allerdings unklar, wer der Kreditgeber ist. Es wäre nicht der erste Fall beschlagnahmter Evergrande-Vermögenswerte. Der US-amerikanische Vermögensverwalter Oaktree Capital hatte Anfang des Jahres ein Baugrundstück in Hongkong und ein Wohn- und Tourismusresort nahe Shanghai beschlagnahmt.

Eigentlich wollte der Immobilienkonzern Ende Juli einen Restrukturierungsplan vorlegen. Doch bisher hat das Unternehmen dazu noch keine Informationen veröffentlicht. Erst kürzlich gab das Unternehmen bekannt, seinen Anteil an der chinesischen Shengjing Bank für circa 1,1 Milliarden US-Dollar zu verkaufen. nib

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Thailand-Pläne von BYD kommen voran

Der chinesische Autobauer BYD hat Land in Thailand gekauft, um seine erste Fabrik in Südostasien zu bauen. Am Donnerstag hatte das Unternehmen einen Vertrag mit einem Entwickler in Thailand abgeschlossen, wie Bloomberg berichtet. Die Produktion in dem Werk soll demnach im Jahr 2024 starten. Die Autos sind vor allem für den regionalen Markt und den Export nach Europa gedacht.

Die Werkspläne fügen sich ein in eine Strategie, Märkte außerhalb Chinas zu erschließen. Schon Ende des Jahres will BYD erste Modelle in Thailand verkaufen. Dafür wurde ein Vertrag mit dem lokalen Händler Rever Automotive abgeschlossen. Auch Deutschland, Japan, Dänemark, Israel und Kambodscha gehören zu den Märkten, in die BYD bald vorstoßen will. nib

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IfW: China profitiert kaum von Russland-Sanktionen

Es würde naheliegen, dass China als handelspolitischer Gewinner aus dem Konflikt westlicher Länder mit Russland hervorgeht. Doch die Handelszahlen zeigen für China nur einen begrenzten Effekt oder sogar Nachteile. “Die Sanktionen schaden auch dem Handel mit nicht sanktionierenden Ländern”, sagt Ökonom Julian Hinz vom IfW Kiel am Donnerstag auf einer Veranstaltung seines Hauses in der Reihe Global China Conversations.

Zwar findet wie erwartet eine gewisse Verschiebung des Europa-Handels in Richtung China statt. Doch chinesische Firmen sind vorsichtig damit, sich auf das Russlandgeschäft einzulassen. Schließlich drohen hier Sanktionen des Westens, wie jüngst das Beispiel von fünf Firmen zeigt, die von den USA für ihr Russland-Engagement bestraft wurden. “Die Unternehmen müssen sich zwischen den westlichen Märkten und dem russischen Markt entscheiden”, so Hinz. Die Entscheidung falle in der Regel eindeutig für den Westen aus. Denn der Russlandhandel ist für China nicht besonders wichtig. Der Anteil beträgt unter zwei Prozent. Selbst, wenn sich sein Volumen erhöht, ist der Gewinn für China beschränkt.

Die Handelszahlen belegen den Effekt. Die Exporte der Länder, die nicht an den Sanktionen teilnehmen, nach Russland waren seit der Invasion bis April um 40 Prozent zurückgegangen. Und das, obwohl China keine Sanktionen verhängt hat und Russland sogar ideell unterstützt. Im gleichen Zeitraum waren die Einfuhren aus sanktionierenden Ländern wie Deutschland und den USA um 60 Prozent eingebrochen und damit nur um 20 Prozentpunkte mehr als die der nicht sanktionierenden Länder.

Der Export von Russland nach China ist zwar wegen gesteigerter Energielieferungen hochgegangen. Doch auch die Gasexporte stoßen an Grenzen, weil es kaum Pipelines nach China gibt. Die meisten der Leitungen führen nach Westen, nicht nach Osten. fin

China.Table ist der Medienpartner der Veranstaltungsreihe Global China Conversations des Kiel Institute für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

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Presseschau

Weitere US-Delegation in Taiwan verärgert Peking DW
Sieg ohne Krieg: Wie China in Taiwan auch ohne Waffen kämpft HANDELSZEITUNG
Taiwan confident it can sign “high standard” U.S. trade deal REUTERS
Anklage in Taiwan: Filme ins Netz gestellt, für illegale Downloads abkassiert HEISE
Zahl der Toten durch Erdbeben in China steigt auf 86 NORDBAYERN
Biden Delays Decision on China Tariffs Put in Place by Trump BLOOMBERG
Weitere Restriktionen: USA verbieten Tech-Unternehmen den Bau von Fabriken in China T3N
Analysis: U.S. ban on Nvidia, AMD chips seen boosting Chinese rivals REUTERS
Pakt gegen den Westen – Xi und Putin treffen sich in Usbekistan HANDELSBLATT
Indian and Chinese troops disengaging from western Himalayan area, says India REUTERS
Chinas Gefängnisse: Willkür, Zwangsarbeit und Folter DEUTSCHLANDFUNKKULTUR
Projekt der Superlative: Wie Chinas Regierung verzweifelt um internationale Investoren wirbt RND
Niemand hat die Absicht, China dauerhaft abzuschotten HANDELSBLATT
Der Automarkt in China erholt sich – hohe Nachfrage nach Elektroautos N-TV
In China boomen ESG-Anlagen – mit sehr laxen Kriterien CAPITAL
Europäische Metallindustrie blickt nach China, um Versorgungsengpässe auszugleichen EURACTIV
Chinas Null-Covid-Politik: Metropole Chengdu verlängert Lockdown TAGESSCHAU
Chinesischer Impfstoff zum Einatmen soll Covid stoppen FAZ
China: Mann nach zwei Tagen in der Luft aus Ballon gerettet ORF
Chinas Run auf Esel-Penisse verstört Nigeria DERSTANDARD
China’s creeping media influence and how democracies can repel it DW

Blick aus China

Die seltsame Gefügigkeit der Chinesen

Ein einziger Corona-Fall bedeutet in China den Lockdown ganzer Metropolen. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie ist die Zahl schwerer Covid-19-Erkrankungen und Todesfälle im Land von der Größenordnung her so niedrig wie im Rest der Welt. Peking ist jedoch nach wie vor besessen von seiner Null-Covid-Politik. 

Ein chinesischer Lockdown ist dabei wesentlich strikter als der “harte” Lockdown, der in Deutschland gleich zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 verhängt wurde. In der chinesischen Version dürfen die Menschen ihre Wohnungen überhaupt nicht verlassen, nicht einmal für Beerdigungen, Erntearbeiten, Lebensmitteleinkäufe und Spaziergänge mit dem Hund. Dringende medizinische Behandlungen werden oft verschoben. Todesfälle, die durch diese brutale Politik verursacht werden, sind an der Tagesordnung.

Wie können 1,4 Milliarden Menschen derart gefügig sein, dass sie die ungerechtfertigten Einschränkungen persönlicher Freiheitsrechte derart lange hinnehmen? 

Die Antwort ist komplex

Zunächst wird die Schwere der Erkrankung durch gezielte Propaganda und Fehlinformationen hochstilisiert. Der lockerere Umgang westlicher Regierungen mit der Pandemie (sowie ihre realen Fehler) werden als Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben abgestempelt, beispielsweise wie in den Vereinigten Staaten unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Pekings Propaganda hat die Angst der Menschen sehr effektiv genutzt, um sie zur Kooperation zu bewegen.

Nachdem die Bevölkerung die sinkende Zahl der Corona-Todesfälle allmählich bemerkt hatte, nutzten die Behörden den allgemeinen Gehorsam der chinesischen Bevölkerung gegenüber der Regierung, um die strengen Maßnahmen weiterzuführen. 

Die chinesische Bevölkerung wird ihr ganzes Leben lang darauf getrimmt, Befehlen der Obrigkeit Folge zu leisten, und zwar vom Kindergarten bis zum Berufsleben. 

Ich habe lange Zeit in Peking gelebt. In meiner Nachbarschaft gab es einen Kindergarten, eine Grundschule und eine weiterführende Schule. Von meinem Küchenfenster aus konnte ich direkt auf den Schulhof sehen. An den Schultagen versammelten sich dort jeden Tag gegen zehn Uhr morgens alle Schüler, etwa 200 an der Zahl, und durchliefen immer die gleiche Routine.

Zum Gehorsam erzogen

Der erste Teil ist eine Formationsübung im militärischen Stil. Alle folgen den Befehlen einer männlichen, autoritären Stimme aus einem Lautsprecher. Der zweite Teil sind Dehnungsübungen, bei der alle gleichzeitig dieselben Bewegungen zu Begleitmusik und auf Kommando ausführen. Zum Schluss präsentiert ein Lehrer oder gelegentlich auch ein Schüler einer höheren Klasse, ebenfalls über Lautsprecher, das Ergebnis der sogenannten “Disziplinarkontrolle”, wobei Schüler mit guten Leistungen gelobt und Schüler mit schlechten Leistungen scharf getadelt werden. In der Grundschule geschieht das Gleiche, im Kindergarten auch, aber in kürzerer, sanfterer Form. 

So war es schon fast immer seit der Gründung der Volksrepublik, und es ist überall in China mehr oder weniger das gleiche Prozedere.

Die Dehnungsübung hat ihre Vorteile, sie ist gut für den Körper und die Gesundheit, auch wenn die gleiche Übung tagein tagaus recht öde ist. Aber bei den anderen beiden Elementen geht es im Wesentlichen nur um Disziplin und das Befolgen von Anweisungen.

Diese Art von Gehorsamkeitstraining ist nur ein Beispiel, das tief in der chinesischen Kultur verwurzelt ist und perfekt vom totalitären Regime für seine Zwecke genutzt wird. Sie dienen dazu, die Individualität zu unterdrücken und einen homogenen kollektiven Körper zu schaffen. Tatsächlich ist “kollektives Interesse” ein Begriff, der von den Machthabern auf verschiedenen Ebenen in China häufig gebraucht wird.

Was als kollektive Interesse gilt, wird natürlich ausschließlich von ihnen bestimmt. In den meisten Fällen werden diese “kollektiven Interessen”, ob sie nun echt oder nur vorgetäuscht sind, auf Kosten der Rechte des Einzelnen und manchmal sogar auf Kosten seines Lebens durchgesetzt.

Das Wissen der Chinesen um ihre Rechte war schon immer niedrig, was hier auf einen Mangel an Aufklärung zurückgeht. In den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gab es einige Fortschritte, aber in den letzten zehn Jahren hat sich die Situation wieder verschlechtert. “Rechte” sind im heutigen China fast ein Tabuwort, vor allem wenn man sie einfordert oder sich auf sie beruft, um sich gegen die Regierung zu verteidigen, seien es Arbeitnehmerrechte, Frauenrechte, LGBT-Rechte, Gewerkschafts- und Demonstrationsrechte. Kommentare, die sich für Rechte einsetzen, werden zensiert, Konten in den sozialen Medien gelöscht, Organisationen, die in diesen Bereichen arbeiten, werden geschlossen, Anwälte und Aktivisten werden schikaniert und inhaftiert.

Eine von der Regierung geschürte Angst

Was das Coronavirus angeht, so propagiert Präsident Xi Jinping unermüdlich seine Null-Covid Politik. Die Beamten auf den verschiedenen Regierungsebenen sind sich bewusst, dass sie keine Wahl haben, als sie zumindest ordnungsgemäß umzusetzen, wenn nicht gar zu übertreiben, um ihre Loyalität unter Beweis zu stellen. Anderenfalls müssen sie die Konsequenzen tragen, womit auch ihre Karriere beendet ist. Auch die Bevölkerung weiß, dass sie sich fügen muss, wenn der politische Wille derart unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird. Andernfalls erwarten sie zahlreiche Strafen.

Das Stichwort lautet: Angst. Es mag zweifellos mutige Seelen geben, die versuchen, ihre Mitmenschen zum Widerstand zu bewegen, zum Beispiel gegen die unverhältnismäßig harten Coronamaßnahmen. Jedoch werden solche Versuche durch die allgegenwärtigen Sicherheitskameras in der realen Welt, und durch ein ausgeklügeltes Zensursystem und eine Armee menschlicher Kontrolleure in der virtuellen Welt, schnell aufgedeckt. Die Probleme, die von solchen wenigen Andersdenkenden entstehen, werden schnell und von der Mehrheit unbemerkt zerschlagen. Jegliche Hinweise auf sie, falls es je welche gab, werden schnell gelöscht, um die restliche Bevölkerung nicht noch anzustacheln.

Die Menschen, die Teil dieses Überwachungsapparates sind, repräsentieren, um es mit den Worten von Hannah Arendt zu sagen, die Banalität des Bösen. Einige von ihnen glauben möglicherweise sogar tatsächlich, dass sie dem Land damit helfen.

Ein Probelauf für mehr Überwachung?

Aber woher rührt Pekings Besessenheit mit Null-Covid? Der wahrscheinlichste Grund ist Xis Sorge vor sozialen Unruhen vor dem 20. Parteitag, auf dem er voraussichtlich seine dritte Amtszeit als Parteichef und Präsident antritt. Er betrachtet es als seinen persönlichen Erfolg, dass China die Coronasituation anfangs besser unter Kontrolle hatte als der Rest der Welt, und er will sich diesen Erfolg bis zur Sicherung seiner dritten Amtszeit bewahren.

Laut einer anderen Theorie sieht der Staat die Corona-Maßnahmen als eine Art Testlauf für eine noch stärkere Überwachung der Gesellschaft an. Diese Vermutung lässt sich nicht hinreichend begründen. Aber auch wenn dies nicht der Plan der Regierung ist, werden die Erfahrungen, die während der Pandemie gemacht wurden, sicherlich in der Zukunft genutzt werden.

Was die Frage angeht, warum alle hochrangigen Funktionäre und politischen Entscheidungsträger Xis Entscheidung folgen. Kurz gesagt, das ist seinem brillanten Umgang mit innerparteilichen Grabenkämpfen zu verdanken. Aber das ist eine andere Geschichte.

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Personalien

Hannes Farlock ist seit August neuer Chef der AHK Hongkong. Der 40-Jährige war zuvor Geschäftsführer der Servicestelle “DEinternational” der Deutsch-Russischen Handelskammer in Moskau. Er folgt auf Wolfgang Ehmann, der bis zu seinem Ruhestand Ende des Jahres in anderer Position bei der AHK bleiben wird.

He Chunlei wird aller Voraussicht nach Vorsitzender der China Reinsurance Gruppe. Der 57-Jährige hat die Funktion des Vorsitzenden des Parteikomitees bei dem größten Rückversicherer Asiens übernommen. Ein deutliches Zeichen, dass er demnächst auch zum Vorsitzenden ernannt wird. Auch der aktuelle Vorsitzende von China Reinsurance, Yuan Linjiang, hatte die führende Parteirolle in dem Unternehmen inne. Yuan wechselt wahrscheinlich zur China Investment Corp., einem der Staatsfonds Chinas.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Fisch zum Dessert? So einem stolzen Fischer kaufen wir auch das ab. Nach einem viermonatigen Fangverbot kehrten die Fischer des Fischereihafens in Xihai, in der Provinz Shandong, mit voll beladenen Schiffen von ihren ersten Fangfahrten zurück.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • TSMC-Standort in Deutschland?
    • Vize-Premier besucht BASF
    • Termine der kommenden Woche
    • Abgeordnete reisen nach Taiwan
    • Regierung prüft harten Kurs im China-Geschäft
    • Evergrande-Sitz in Hongkong beschlagnahmt
    • Truppenabzug aus Himalaya-Region
    • BYD kauft Land für Werk in Thailand
    • Russland-Sanktionen nutzen Peking kaum
    • Blick aus China: Gefügig durch Erziehung und Überwachung
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wenn ein internationaler Chip-Gigant in Europa investiert, ist das eine hochwillkommene Nachricht. Das verringert Abhängigkeiten von anderen Weltgegenden, verkürzt die Liefer- und Kommunikationswege zu den Abnehmern in der Industrie und schafft wertvolle Arbeitsplätze. Nachdem Intel sich bereits bewegen ließ, Werke unter anderem in Magdeburg zu bauen, richten sich die Augen nun auf den taiwanischen Marktführer TSMC. Die EU-Kommission wirbt derzeit um so eine Investition, ebenso wie die Bundesrepublik. Hintergründe finden Sie in unserer Analyse.

    Ob Kanzler Scholz, Außenministerin Baerbock, der Chef der Deutschen Bank oder die großen Wirtschaftsforschungsinstitute – die Mahnungen und Warnungen vor einer zu großen Abhängigkeit von China sind in den letzten Monaten zahlreicher geworden. Wie passt da die Zehn-Milliarden-Euro-Investition von BASF in Guangdong ins Bild? Das neue BASF-Werk ist die größte Einzelinvestition eines deutschen Unternehmens in der Volksrepublik, die jemals getätigt wurde, wie Fabian Kretschmer analysiert. Damit geht das Unternehmen auch ein Risiko ein. Sollten sich die Beziehungen zu China noch schneller verschlechtern, steht der Chemieriese schlecht da.

    Dabei hat das Unternehmen schon im Falle Russlands schlechte Erfahrungen gemacht. Jahrzehntelange wurde der Gashandel mit Gazprom ausgebaut. Selbst ein Jahr nach der Annexion der Krim überließ BASF dem russischen Partner noch die deutschen Gasspeicher – im Austausch für Anteile an Förderprojekten in Sibirien. Mit diesen Geschäften hat BASF maßgeblich zur deutschen Gasabhängigkeit von Russland beigetragen. Geht man mit der 10-Milliarden-Investition in China erneut ein zu großes Risiko ein?

    Wie sehr China sich mittlerweile von freien westlichen Gesellschaften unterscheidet, zeigt auch unsere heutige Kolumne “Blick aus China”. Darin schildert unsere Stimme aus der Volksrepublik, warum so viele Chinesinnen und Chinesen die harten Lockdowns und die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die Regierung oft so stillschweigend hinnehmen. Eine große Rolle spielt die Erziehung in den Kindergärten und Schulen, in denen Gehorsam eingeimpft und Individualität größtenteils unterdrückt wird. Im Alltag gibt es eine fast allgegenwärtige Überwachung durch Kameras und Internet-Zensoren – zudem gibt es eine Furcht vor Denunzianten. Sicher sind Andersdenkende, die ihre Meinung zu frei äußern wollen, in diesem Land nicht.

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    Werben um einen TSMC-Standort in der EU

    EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft auf darauf, den taiwanischen Chiphersteller TSMC zum Bau einer Fabrik in der EU zu bewegen. “Wir wären sehr froh, wenn sie sich in Europa niederlassen würden – sei es allein oder gemeinsam mit anderen”, sagte er am Donnerstag in Berlin. Der weltgrößte Auftragsfertiger sei ein “sehr wichtiger Player”.

    Das TSMC-Management lotet seit vergangenem Jahr eine Investition in Europa aus. Die Kunden des Unternehmens insbesondere in der Autoindustrie drängen TSMC, auf dem Kontinent eine eigene Fabrik zu bauen. Sie leiden unter Lieferengpässen und fürchten, von der Versorgung abgeschnitten zu werden, sollte China den Nachbarn Taiwan militärisch attackieren. Ohne Halbleiter aus Taiwan stehen die Bänder der deutschen Autohersteller still.

    Als mögliche Partner von TSMC in der Halbleiterindustrie werden in Industriekreisen Bosch, Infineon und NXP gehandelt. Die Bundesregierung ist eng eingebunden in die Verhandlungen, die nach Informationen aus Industriekreisen schon fortgeschritten sind. In der Chipbranche sind hohe Zuschüsse aus Steuermitteln üblich, um die Unternehmen zu einer kapitalintensiven Investition zu bewegen.

    Auch ein Standort in Deutschland ist in der Diskussion. So soll es Gespräche um die Nutzung von Bauland in der Nähe von Dresden für eine TSMC-Ansiedlung geben. Andere Städte in der EU konkurrieren jedoch ebenfalls um die Ansiedlung des Top-Arbeitgebers.

    Für die Autoindustrie reicht die reifere, langsamere Technik

    Experten gehen aber davon aus, dass TSMC eine Fabrik in Europa nicht mit seiner modernen Technologie mit Strukturgrößen unter sieben Nanometern ausrüsten wird. “Wenn TSMC in Europa investiert, dann wahrscheinlich in eine Fabrik mit reiferer Technologie, die Strukturgrößen ab 18 Nanometer fertigt”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.

    Das entspricht jedoch dem Bedarf der deutschen Abnehmer, denn Autohersteller und Zulieferer werden insbesondere von Lieferengpässe in diesen reiferen Technologiebereichen geplagt. Sie brauchen keine superschnellen Hochleistungschips wie die Hersteller von Grafikkarten, sondern kostengünstige Bauteile, die für den behäbigeren Einsatz im Auto bisher ausreichen.

    Im Juli hatten ST Microelectronics und der US-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) bereits angekündigt, mehr als fünf Milliarden Euro in ein Chip-Werk in Frankreich zu investieren, das 18-Nanometer-Halbleiter herstellen soll. Der US-Hersteller Intel will insgesamt 80 Milliarden Euro in Europa in die Hand nehmen und plant unter anderem in Werk in Magdeburg.

    Auf die Zuschüsse und Garantien kommt es an

    Knackpunkt für eine Ansiedlung von TSMC in Deutschland dürften Liefervereinbarungen, insbesondere mit den Autoherstellern und deren Zulieferern sein. “Eine Produktion in Europa wäre teurer als in Taiwan, daher würde die Fab für den lokalen Markt produzieren und bräuchte vermutlich langfristige Abnahmegarantien seiner Kunden”, sagt Kleinhans.

    Die Diskussion um ein TSMC-Werk in Deutschland geht schon länger in verschiedene Richtungen. Das Unternehmen selbst äußerte sich mal so, mal so. Letztlich handelt es sich aber dem Vernehmen nach um eine Frage der Beihilfen. Der TSMC-Gründer und frühere CEO Morris Chang (Zhang Zhongmo) hält eine Herstellung auch in den USA nicht für wettbewerbsfähig. Da die Kosten immer höher sein werden als in Taiwan, sei die Ansiedlung für TSMC kein gutes Geschäft. Der Subtext der Aussage: Ohne dauerhafte Subventionen sind solche Überseestandorte nicht wirklich überlebensfähig.

    TSMC baut im US-Bundesstaat Oregon Chips, die in der Produktion 50 Prozent teurer sind als die gleichen Produkte aus Taiwan. Derzeit entsteht in Arizona eine weitere, große Fabrik. Auch diese Investmententscheidung war an staatliche Förderung gebunden.

    Breton will jedoch mit dem European Chips Act einen rechtlichen Rahmen schaffen, der Subventionen erleichtern und die Rahmenbedingungen in Europa verbessert. Ziel der Kommission ist es, bis 2030 den Anteil Europas an der globalen Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln (Table.Media berichtete). Breton hat dabei vor allem Mikrochips der jüngsten Generation im Sinn, mit Strukturgrößen von weniger als fünf Nanometern. TSMC ist auf dem Gebiet weltweit führend.

    In der Frage der Zuschüsse haben sich die EU und die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren weit bewegt. Noch vor wenigen Jahren wollten sie Investitionen vor allem dem Markt überlassen. Doch schon vor der Pandemie hatten Befürworter einer aktiven Industriepolitik an Einfluss gewonnen. Der Schock des Mangels erst an Masken und nun an Teilen aller Art hat hier endgültig die Weichen umspringen lassen.

    Taiwan als besonders heikle Herkunftsregion

    Weltweit herrscht derzeit Mangel an Chips aller Art. Dadurch sind auch Produkte von Spielekonsolen über Handys bis hin zu Sportwagen knapp. Die deutsche Industrie leidet besonders darunter, zwar als Hochtechnik-Standort zu gelten, die eigentliche Hochtechnik jedoch längst nicht mehr selbst zu fertigen.

    Gerade die Abhängigkeit von China und Taiwan wird hier mit Sorge gesehen. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen um die Insel (China.Table berichtete). China baut eine Drohkulisse gegenüber Taiwan auf, während auch die USA ihrerseits den Ton verschärft haben. Das Szenario eines bewaffneten Konflikts erscheint ungleich realer als noch vor Jahresfrist.

    Ein Krieg um Taiwan hätte wirtschaftlich zwei katastrophale Effekte: Die Produktionsstätten in Taiwan würden zerstört oder wären nicht mehr an die Warenströme angebunden. Und China würde vermutlich mit Sanktionen belegt. So oder so wäre der jetzige Teilemangel trivial gegenüber den Auswirkungen eines Krieges.

    Für Taiwan ist die zentrale Stellung in der Lieferkette daher einerseits eine Lebensversicherung – dass sich die USA und EU ihrer Abhängigkeit bewusst sind, motiviert zum Schutz der Insel. Andererseits will auch die dortige Industrie ihre Standorte diversifizieren, um im Fall der Katastrophe an sicherer Stelle weiterproduzieren zu können. Till Hoppe/Finn Mayer-Kuckuk

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    Milliarden-Projekt von BASF birgt Risiken

    Der neue Verbundstandort von BASF in Zhanjiang wird nach seiner Fertigstellung gigantische Ausmaße haben.

    Es ist ein Projekt der Superlative: Der deutsche Chemiekonzern BASF hat diese Woche die Produktion an seinem neuen Standort im südchinesischen Zhanjiang aufgenommen. Allein die erste Anlage des Werks wird jährlich 60.000 Tonnen technischer Kunststoffverbindungen produzieren, bis 2025 möchte man dafür ausschließlich erneuerbare Energien verwenden. Bis Ende der Dekade plant das Ludwigshafener Unternehmen, zehn Milliarden Euro in den Standort zu investieren. Damit handelt es sich um die größte Investition eines deutschen Unternehmens in China überhaupt.

    Selbst Vize-Premier Han Zheng, Mitglied des neunköpfigen Ständigen Ausschusses des Politbüros, hat in Peking einer Zeremonie zur Eröffnung des Werks beigewohnt. Dies sei laut der Beratungsfirma “Trivium China” absolut ungewöhnlich. Dass ein solch hochrangiger Parteifunktionär der Kommunistischen Partei höchstpersönlich gratuliere, würde selbst bei Staatsunternehmen höchst selten vorkommen – ganz zu schweigen bei ausländischen Firmen.

    China stemmt sich gegen die “Zeitenwende”

    Die Botschaft ist klar: Chinas Regierung wirbt verzweifelt um internationale Investoren. Nach drei Jahren Null-Covid ist nämlich nicht nur die heimische Wirtschaft massiv angeschlagen, sondern auch die Stimmung unter westlichen Konzernen mit Präsenz in China auf einem Tiefstand angelangt.

    Dementsprechend prominent wurde von den chinesischen Staatsmedien über die Eröffnung des neuen BASF-Standorts berichtet. Dieser stelle laut einem Bericht von “China.org” ein “neues Paradigma für Chinas weitere Öffnung dar” – und zwar ungeachtet “der komplexen internationalen Situation”.

    Was im blumigen Sprech der Parteimedien euphemistisch klingt, hat Bundeskanzler Olaf Scholz unlängst als “Zeitenwende” bezeichnet. Seine Außenministerin Annalena Baerbock warnt so offen wie keine ihrer Vorgänger zuvor vor den Gefahren einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von China. Tatsächlich arbeitet die Bundesregierung derzeit an einer neuen China-Strategie, die wohl deutlich kritischere Töne als noch zur Merkel-Ära bereithält. Und auch im Bundeswirtschaftsministerium wird längst gefordert, die staatlichen Garantien für Investitionen deutscher Unternehmen in der Volksrepublik deutlich einzudämmen.

    Mit dieser Sicht findet die Bundesregierung durchaus Widerhall. Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank, sagte erst am Mittwoch beim Bankengipfel des Handelsblatts in Frankfurt: “Wenn es um Abhängigkeiten geht, müssen wir uns auch der unbequemen Frage stellen, wie wir mit China umgehen. Die zunehmende Abschottung des Landes und die wachsenden Spannungen, insbesondere mit den USA, bergen für Deutschland ein erhebliches Risiko“.

    Standort China gilt trotz allem als unverzichtbar

    Viele US-Unternehmen richten ihre Segel bereits nach Südostasien und kehren China verstärkt den Rücken. Apple etwa setzt bei der Produktion künftiger iPhone-Generationen zunehmend auf Indien und Vietnam als Standorte (China.Table berichtete). Noch handelt es sich um eher symbolische Verschiebungen, doch sie sollten der Volksrepublik durchaus als Warnsignal dienen. Denn die Umgestaltung von Lieferketten ist ein strategisch langfristiger Prozess, der – einmal getätigt – schwer wieder umkehrbar ist. 

    Solche Überlegungen gibt es auch innerhalb vieler deutscher Unternehmen, wenn auch eher im Mittelstand. Die Zeitenwende hat zumindest die großen Konzerne wie BASF oder auch die deutsche Automobilbranche nicht erreicht. Dort wird die Präsenz in China – zumindest öffentlich – weiterhin als unverzichtbar propagiert: “In den vergangenen zehn Jahren ist das größte Wachstum in China passiert. Dass wir dort jetzt mehr als ein Drittel unseres Absatzes verkaufen, ist eine Erfolgsstory”, sagte etwa Daimler-Chef Ola Källenius diese Woche in einem Interview mit der Welt. 

    Auch Stephan Wöllenstein, ehemaliger China-Chef von Volkswagen, sagte erst Ende Juli gegenüber Bloomberg: Wer mit den Besonderheiten des chinesischen Marktes nicht umgehen könne, werde wohl kaum “in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch ein führender Autohersteller” sein. Manchmal scherze er darüber, sich gar nicht mehr sicher zu sein, “ob wir entweder der internationalste unter den chinesischen Autobauern sind – oder der chinesischste unter den internationalen Autobauern”. Fabian Kretschmer

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    Termine

    09.09. – 11.09.2022
    Konfuzius-Institut Düsseldorf / Fest Chinafest Duisburg Mehr

    10.09.2022, 19:00 Uhr
    Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen / Performance Performance zum Mondfest in Bild, Klang und Wort Mehr

    12.09.2022, 16:00 – 17:00 (22:00 Uhr Beijing Time)
    Center For Strategic and International Studies / Webcast Xi’s New Global Development Initiative Mehr

    12.09.2022, 18:15 Uhr
    Konfuzius Institut Berlin / Vortrag Das Ben Cao Gang Mu von 1593: Chinas größte Enzyklopädie zur Natur- und Heikunde. Geschichte einer deutsch-chinesischen Kooperation Mehr

    13.09.2022, 10:00 Uhr
    China-Kompetenz­zentrum Düsseldorf / Veranstaltung Neue Chancen im Energiesektor: Politische Maßnahmen und Möglichkeiten für neue Energien und E-Mobilität in Nordrhein-Westfalen (auf chinesisch) Mehr

    14.09.2022, 09:30 Uhr
    Handelsblatt und HSBC: Asia Business Insights / Veranstaltung Wachsende asiatische Märkte versus Abhängigkeit. Globale Standards versus technologische Konkurrenz Mehr

    14.09.2022, 11:30 – 12:30 Uhr
    Merics Climate and Environment / Veranstaltung How China innovates: the natural ecosystem and its limits explained Mehr

    16.09.2022, 09:30 – 16:30 Uhr
    Chinesische Handelskammer in Deutschland e.V. / Veranstaltung Chinesisch-deutsche Wirtschaftszusammenarbeit in herausfordernden Zeiten Mehr

    News

    Deutsche Abgeordnete reisen im Oktober nach Taiwan

    Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat den Reiseantrag des Menschenrechtsausschusses des Bundestags für dessen Besuch in Taiwan genehmigt. Geplant ist der Besuch des Inselstaates im Oktober. Das bestätigte die Ausschuss-Vorsitzende Renata Alt (FDP) im Gespräch mit China.Table.

    Die Reise war bereits für das Jahr 2019 vorgesehen, habe dann aber verschoben werden müssen und sei wegen der Corona-Pandemie seitdem nicht zustandegekommen. Der Menschenrechtsausschuss will während der Reise zudem in Japan Halt machen. Entgegen anderweitiger Meldungen sei ein Besuch in Hongkong nicht beantragt worden, so Alt.

    “Auf Drängen der CDU/CSU-Fraktion hat sich der Ausschuss darauf geeinigt, die lange aufgeschobene Reise nach Taiwan im Herbst nachzuholen. Sie ist jedoch nicht durch die Reise von Nancy Pelosi motiviert“, sagte Alt. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses hatte mit ihrem Besuch Anfang August in Taipeh ein Signal an die Volksrepublik China gesendet, dass die USA Taiwan gegen die militärische Bedrohung durch die Volksrepublik unterstützen wolle.

    Bereits am Dienstag reisen Ausschuss-Mitglieder aller Fraktionen nach Genf, wo der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu seiner 51. Sitzung zusammenkommt. Der Ausschuss ist lediglich als Gast akkreditiert, will aber die Zeit vor Ort für zahlreiche Gespräche mit Nichtregierungsorganisationen nutzen.

    Zum Abschluss der Reise wollen die deutschen Politiker am kommenden Freitag das Hauptquartier des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Lausanne besuchen. Der Ausschuss ist an einer Aufarbeitung der Vergabe der Winterspiele an die Volksrepublik China interessiert. “Wir wollen anregen, dass die menschenrechtlichen Standards zum Erhalt von Olympischen Spielen erhöht werden”, sagte Alt. Zu einem Treffen mit IOC-Präsident Thomas Bach wird es allerdings nicht kommen, weil der sich zu diesem Zeitpunkt im Ausland befindet, wie ein Sprecher mitteilt.

    Thematisieren wolle man auch den Fall der Tennisspielerin Peng Shuai, die nach ihren Missbrauchsvorwürfen gegen einen hochrangigen Funktionär der Kommunistischen Partei nur noch unter Aufsicht in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Zu dem angekündigter Besuch Pengs in Lausanne für diesen Sommer ist es nicht gekommen. grz

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    Habeck überdenkt Investitions-Garantien

    Die Bundesregierung stellt ihre Unterstützung für deutsche Unternehmen bei ihren Geschäften in China infrage. Das Bundeswirtschaftsministerium überlege etwa, die staatlichen Investitions- und Exportgarantien für in China tätige Firmen zu kippen, sagten mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Zudem solle die staatliche Förderbank KfW ihre Kreditlinien für das China-Geschäft deutscher Firmen zurückfahren und diese im Gegenzug für Aktivitäten in anderen asiatischen Ländern wie Indonesien ausbauen können, heißt es. “Wir wollen eine zu große Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China vermeiden helfen”, sagte ein Regierungsvertreter.

    Überdacht werden sollen den informierten Personen zufolge auch kleinere Programme wie die Messeförderung oder die Managerausbildung mit China. An dem bilateralen Programm mit China nahmen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums von 2008 bis 2021 mehr als eintausend chinesische Führungskräfte teil. Seitdem ist das Programm pandemiebedingt ausgesetzt.

    Im G7-Rahmen solle beraten werden, ob man nicht bei der Welthandelsorganisation (WTO) Klage gegen China wegen Restriktionen auf dem chinesischen Markt einreichen sollte, sagte ein Regierungsvertreter. “Wir sollten Peking zeigen, dass wir auch bereit sind, für die Prinzipien von Fairness zu kämpfen.” Es werde zudem überlegt, ob künftig nicht nur die chinesischen Investitionen in Deutschland, sondern auch die deutscher Firmen in China überprüft werden sollten.

    Entscheidungen über das Maßnahmenpaket sind noch nicht gefallen, sagten mehrere mit den Überlegungen vertraute Personen. Es gebe dazu unterschiedliche Meinungen in der Regierung. Das Bundeswirtschaftsministerium kommentierte die einzelnen Maßnahmen nicht. “Das BMWK prüft derzeit geeignete Maßnahmen, um die Diversifizierung und Stärkung von Resilienz gezielt zu unterstützen”, sagte ein Sprecher und verwies darauf, dass nicht alle WTO-Mitglieder die vereinbarten Handelsregeln umfassend einhielten.

    Das Wirtschaftsministerium hat mit Verweis auf die Verfolgung der muslimischen Minderheit der Uiguren bereits die staatlichen Garantien für Investitionen in der chinesischen Provinz Xinjiang gestoppt. Aus menschenrechtlichen Gründen seien vier Anträgen eines Unternehmens auf Verlängerung von Investitionsgarantien nicht stattgegeben worden, teilte das Ministerium mit. rtr

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    Indien und China ziehen Truppen aus West-Himalaya ab

    Indische und chinesische Truppen haben begonnen, sich aus dem Grenzgebiet in Ost-Ladakh im Himalaya zurückzuziehen. In der Region überschneiden sich Kaschmir und Tibet. Noch vor gut zwei Jahren war es dort zu Kampfhandlungen mit Todesopfern gekommen. Der Rückzug erfolge koordiniert und solle den Grenzfrieden wahren, teilte das indische Verteidigungsministerium mit. Darauf geeinigt habe man sich bei Gesprächen im Juni. Der Abzug erfolgte nun vor dem Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOC) nächste Woche in Usbekistan, an dem Chinas Präsident Xi Jinping und der indische Premierminister Narendra Modi teilnehmen werden.

    “Der Kontakt von Angesicht zu Angesicht ist beendet”, zitierte Reuters eine Quelle aus dem indischen Verteidigungsministerium. Beide Länder haben dennoch weiterhin Tausende Soldaten entlang der De-Facto-Grenze, bekannt als Line of Actual Control (LAC).

    Im Juni 2020 war es zu Zusammenstößen von indischen und chinesischen Truppen im Galwan-Gebiet von Ladakh gekommen. Mindestens 20 indische und vier chinesische Soldaten wurden bei den Kämpfen getötet. Infolgedessen verschärften sich die diplomatischen Spannungen zwischen den beiden Staaten. Indien schickt rund 50.000 Soldaten zusätzlich in die Region (China.Table berichtete). Reuters zufolge hatten die chinesischen Truppen bereits im Februar dieses Jahres Dutzende Gebäude geräumt und Fahrzeuge aus Lagern an den Ufern des Pangong-Tso-Sees in Ladakh hinaus bewegt. ari/rtr

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    Evergrande Firmensitz in Hongkong beschlagnahmt

    Der Evergrande-Hauptsitz in Hongkong wurde von einem Kreditgeber beschlagnahmt. Der überschuldete Immobilienkonzern war mit einem Kredit in Verzug geraten und hatte das Gebäude trotz Ankündigung nicht verkauft. Ein Konkursverwalter soll das Gebäude nun im Auftrag des Kreditgebers übernehmen und einen Verkauf erzwingen, wie die Financial Times berichtet. Das Gebäude wird demnach mit 1,2 Milliarden US-Dollar bewertet.

    Laut den Quellen der FT hatte der Konzern das Gebäude als Gegenleistung für Kredite verpfändet. Deshalb kann es jetzt von den Kreditgebern beschlagnahmt werden. Bei dem Kreditgeber könnte es sich demnach um die Hongkonger Tochterfirma der Staatsbank China Citic Bank handeln. Noch ist allerdings unklar, wer der Kreditgeber ist. Es wäre nicht der erste Fall beschlagnahmter Evergrande-Vermögenswerte. Der US-amerikanische Vermögensverwalter Oaktree Capital hatte Anfang des Jahres ein Baugrundstück in Hongkong und ein Wohn- und Tourismusresort nahe Shanghai beschlagnahmt.

    Eigentlich wollte der Immobilienkonzern Ende Juli einen Restrukturierungsplan vorlegen. Doch bisher hat das Unternehmen dazu noch keine Informationen veröffentlicht. Erst kürzlich gab das Unternehmen bekannt, seinen Anteil an der chinesischen Shengjing Bank für circa 1,1 Milliarden US-Dollar zu verkaufen. nib

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    Thailand-Pläne von BYD kommen voran

    Der chinesische Autobauer BYD hat Land in Thailand gekauft, um seine erste Fabrik in Südostasien zu bauen. Am Donnerstag hatte das Unternehmen einen Vertrag mit einem Entwickler in Thailand abgeschlossen, wie Bloomberg berichtet. Die Produktion in dem Werk soll demnach im Jahr 2024 starten. Die Autos sind vor allem für den regionalen Markt und den Export nach Europa gedacht.

    Die Werkspläne fügen sich ein in eine Strategie, Märkte außerhalb Chinas zu erschließen. Schon Ende des Jahres will BYD erste Modelle in Thailand verkaufen. Dafür wurde ein Vertrag mit dem lokalen Händler Rever Automotive abgeschlossen. Auch Deutschland, Japan, Dänemark, Israel und Kambodscha gehören zu den Märkten, in die BYD bald vorstoßen will. nib

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    IfW: China profitiert kaum von Russland-Sanktionen

    Es würde naheliegen, dass China als handelspolitischer Gewinner aus dem Konflikt westlicher Länder mit Russland hervorgeht. Doch die Handelszahlen zeigen für China nur einen begrenzten Effekt oder sogar Nachteile. “Die Sanktionen schaden auch dem Handel mit nicht sanktionierenden Ländern”, sagt Ökonom Julian Hinz vom IfW Kiel am Donnerstag auf einer Veranstaltung seines Hauses in der Reihe Global China Conversations.

    Zwar findet wie erwartet eine gewisse Verschiebung des Europa-Handels in Richtung China statt. Doch chinesische Firmen sind vorsichtig damit, sich auf das Russlandgeschäft einzulassen. Schließlich drohen hier Sanktionen des Westens, wie jüngst das Beispiel von fünf Firmen zeigt, die von den USA für ihr Russland-Engagement bestraft wurden. “Die Unternehmen müssen sich zwischen den westlichen Märkten und dem russischen Markt entscheiden”, so Hinz. Die Entscheidung falle in der Regel eindeutig für den Westen aus. Denn der Russlandhandel ist für China nicht besonders wichtig. Der Anteil beträgt unter zwei Prozent. Selbst, wenn sich sein Volumen erhöht, ist der Gewinn für China beschränkt.

    Die Handelszahlen belegen den Effekt. Die Exporte der Länder, die nicht an den Sanktionen teilnehmen, nach Russland waren seit der Invasion bis April um 40 Prozent zurückgegangen. Und das, obwohl China keine Sanktionen verhängt hat und Russland sogar ideell unterstützt. Im gleichen Zeitraum waren die Einfuhren aus sanktionierenden Ländern wie Deutschland und den USA um 60 Prozent eingebrochen und damit nur um 20 Prozentpunkte mehr als die der nicht sanktionierenden Länder.

    Der Export von Russland nach China ist zwar wegen gesteigerter Energielieferungen hochgegangen. Doch auch die Gasexporte stoßen an Grenzen, weil es kaum Pipelines nach China gibt. Die meisten der Leitungen führen nach Westen, nicht nach Osten. fin

    China.Table ist der Medienpartner der Veranstaltungsreihe Global China Conversations des Kiel Institute für Weltwirtschaft (IfW Kiel).

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    Presseschau

    Weitere US-Delegation in Taiwan verärgert Peking DW
    Sieg ohne Krieg: Wie China in Taiwan auch ohne Waffen kämpft HANDELSZEITUNG
    Taiwan confident it can sign “high standard” U.S. trade deal REUTERS
    Anklage in Taiwan: Filme ins Netz gestellt, für illegale Downloads abkassiert HEISE
    Zahl der Toten durch Erdbeben in China steigt auf 86 NORDBAYERN
    Biden Delays Decision on China Tariffs Put in Place by Trump BLOOMBERG
    Weitere Restriktionen: USA verbieten Tech-Unternehmen den Bau von Fabriken in China T3N
    Analysis: U.S. ban on Nvidia, AMD chips seen boosting Chinese rivals REUTERS
    Pakt gegen den Westen – Xi und Putin treffen sich in Usbekistan HANDELSBLATT
    Indian and Chinese troops disengaging from western Himalayan area, says India REUTERS
    Chinas Gefängnisse: Willkür, Zwangsarbeit und Folter DEUTSCHLANDFUNKKULTUR
    Projekt der Superlative: Wie Chinas Regierung verzweifelt um internationale Investoren wirbt RND
    Niemand hat die Absicht, China dauerhaft abzuschotten HANDELSBLATT
    Der Automarkt in China erholt sich – hohe Nachfrage nach Elektroautos N-TV
    In China boomen ESG-Anlagen – mit sehr laxen Kriterien CAPITAL
    Europäische Metallindustrie blickt nach China, um Versorgungsengpässe auszugleichen EURACTIV
    Chinas Null-Covid-Politik: Metropole Chengdu verlängert Lockdown TAGESSCHAU
    Chinesischer Impfstoff zum Einatmen soll Covid stoppen FAZ
    China: Mann nach zwei Tagen in der Luft aus Ballon gerettet ORF
    Chinas Run auf Esel-Penisse verstört Nigeria DERSTANDARD
    China’s creeping media influence and how democracies can repel it DW

    Blick aus China

    Die seltsame Gefügigkeit der Chinesen

    Ein einziger Corona-Fall bedeutet in China den Lockdown ganzer Metropolen. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie ist die Zahl schwerer Covid-19-Erkrankungen und Todesfälle im Land von der Größenordnung her so niedrig wie im Rest der Welt. Peking ist jedoch nach wie vor besessen von seiner Null-Covid-Politik. 

    Ein chinesischer Lockdown ist dabei wesentlich strikter als der “harte” Lockdown, der in Deutschland gleich zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 verhängt wurde. In der chinesischen Version dürfen die Menschen ihre Wohnungen überhaupt nicht verlassen, nicht einmal für Beerdigungen, Erntearbeiten, Lebensmitteleinkäufe und Spaziergänge mit dem Hund. Dringende medizinische Behandlungen werden oft verschoben. Todesfälle, die durch diese brutale Politik verursacht werden, sind an der Tagesordnung.

    Wie können 1,4 Milliarden Menschen derart gefügig sein, dass sie die ungerechtfertigten Einschränkungen persönlicher Freiheitsrechte derart lange hinnehmen? 

    Die Antwort ist komplex

    Zunächst wird die Schwere der Erkrankung durch gezielte Propaganda und Fehlinformationen hochstilisiert. Der lockerere Umgang westlicher Regierungen mit der Pandemie (sowie ihre realen Fehler) werden als Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben abgestempelt, beispielsweise wie in den Vereinigten Staaten unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Pekings Propaganda hat die Angst der Menschen sehr effektiv genutzt, um sie zur Kooperation zu bewegen.

    Nachdem die Bevölkerung die sinkende Zahl der Corona-Todesfälle allmählich bemerkt hatte, nutzten die Behörden den allgemeinen Gehorsam der chinesischen Bevölkerung gegenüber der Regierung, um die strengen Maßnahmen weiterzuführen. 

    Die chinesische Bevölkerung wird ihr ganzes Leben lang darauf getrimmt, Befehlen der Obrigkeit Folge zu leisten, und zwar vom Kindergarten bis zum Berufsleben. 

    Ich habe lange Zeit in Peking gelebt. In meiner Nachbarschaft gab es einen Kindergarten, eine Grundschule und eine weiterführende Schule. Von meinem Küchenfenster aus konnte ich direkt auf den Schulhof sehen. An den Schultagen versammelten sich dort jeden Tag gegen zehn Uhr morgens alle Schüler, etwa 200 an der Zahl, und durchliefen immer die gleiche Routine.

    Zum Gehorsam erzogen

    Der erste Teil ist eine Formationsübung im militärischen Stil. Alle folgen den Befehlen einer männlichen, autoritären Stimme aus einem Lautsprecher. Der zweite Teil sind Dehnungsübungen, bei der alle gleichzeitig dieselben Bewegungen zu Begleitmusik und auf Kommando ausführen. Zum Schluss präsentiert ein Lehrer oder gelegentlich auch ein Schüler einer höheren Klasse, ebenfalls über Lautsprecher, das Ergebnis der sogenannten “Disziplinarkontrolle”, wobei Schüler mit guten Leistungen gelobt und Schüler mit schlechten Leistungen scharf getadelt werden. In der Grundschule geschieht das Gleiche, im Kindergarten auch, aber in kürzerer, sanfterer Form. 

    So war es schon fast immer seit der Gründung der Volksrepublik, und es ist überall in China mehr oder weniger das gleiche Prozedere.

    Die Dehnungsübung hat ihre Vorteile, sie ist gut für den Körper und die Gesundheit, auch wenn die gleiche Übung tagein tagaus recht öde ist. Aber bei den anderen beiden Elementen geht es im Wesentlichen nur um Disziplin und das Befolgen von Anweisungen.

    Diese Art von Gehorsamkeitstraining ist nur ein Beispiel, das tief in der chinesischen Kultur verwurzelt ist und perfekt vom totalitären Regime für seine Zwecke genutzt wird. Sie dienen dazu, die Individualität zu unterdrücken und einen homogenen kollektiven Körper zu schaffen. Tatsächlich ist “kollektives Interesse” ein Begriff, der von den Machthabern auf verschiedenen Ebenen in China häufig gebraucht wird.

    Was als kollektive Interesse gilt, wird natürlich ausschließlich von ihnen bestimmt. In den meisten Fällen werden diese “kollektiven Interessen”, ob sie nun echt oder nur vorgetäuscht sind, auf Kosten der Rechte des Einzelnen und manchmal sogar auf Kosten seines Lebens durchgesetzt.

    Das Wissen der Chinesen um ihre Rechte war schon immer niedrig, was hier auf einen Mangel an Aufklärung zurückgeht. In den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gab es einige Fortschritte, aber in den letzten zehn Jahren hat sich die Situation wieder verschlechtert. “Rechte” sind im heutigen China fast ein Tabuwort, vor allem wenn man sie einfordert oder sich auf sie beruft, um sich gegen die Regierung zu verteidigen, seien es Arbeitnehmerrechte, Frauenrechte, LGBT-Rechte, Gewerkschafts- und Demonstrationsrechte. Kommentare, die sich für Rechte einsetzen, werden zensiert, Konten in den sozialen Medien gelöscht, Organisationen, die in diesen Bereichen arbeiten, werden geschlossen, Anwälte und Aktivisten werden schikaniert und inhaftiert.

    Eine von der Regierung geschürte Angst

    Was das Coronavirus angeht, so propagiert Präsident Xi Jinping unermüdlich seine Null-Covid Politik. Die Beamten auf den verschiedenen Regierungsebenen sind sich bewusst, dass sie keine Wahl haben, als sie zumindest ordnungsgemäß umzusetzen, wenn nicht gar zu übertreiben, um ihre Loyalität unter Beweis zu stellen. Anderenfalls müssen sie die Konsequenzen tragen, womit auch ihre Karriere beendet ist. Auch die Bevölkerung weiß, dass sie sich fügen muss, wenn der politische Wille derart unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird. Andernfalls erwarten sie zahlreiche Strafen.

    Das Stichwort lautet: Angst. Es mag zweifellos mutige Seelen geben, die versuchen, ihre Mitmenschen zum Widerstand zu bewegen, zum Beispiel gegen die unverhältnismäßig harten Coronamaßnahmen. Jedoch werden solche Versuche durch die allgegenwärtigen Sicherheitskameras in der realen Welt, und durch ein ausgeklügeltes Zensursystem und eine Armee menschlicher Kontrolleure in der virtuellen Welt, schnell aufgedeckt. Die Probleme, die von solchen wenigen Andersdenkenden entstehen, werden schnell und von der Mehrheit unbemerkt zerschlagen. Jegliche Hinweise auf sie, falls es je welche gab, werden schnell gelöscht, um die restliche Bevölkerung nicht noch anzustacheln.

    Die Menschen, die Teil dieses Überwachungsapparates sind, repräsentieren, um es mit den Worten von Hannah Arendt zu sagen, die Banalität des Bösen. Einige von ihnen glauben möglicherweise sogar tatsächlich, dass sie dem Land damit helfen.

    Ein Probelauf für mehr Überwachung?

    Aber woher rührt Pekings Besessenheit mit Null-Covid? Der wahrscheinlichste Grund ist Xis Sorge vor sozialen Unruhen vor dem 20. Parteitag, auf dem er voraussichtlich seine dritte Amtszeit als Parteichef und Präsident antritt. Er betrachtet es als seinen persönlichen Erfolg, dass China die Coronasituation anfangs besser unter Kontrolle hatte als der Rest der Welt, und er will sich diesen Erfolg bis zur Sicherung seiner dritten Amtszeit bewahren.

    Laut einer anderen Theorie sieht der Staat die Corona-Maßnahmen als eine Art Testlauf für eine noch stärkere Überwachung der Gesellschaft an. Diese Vermutung lässt sich nicht hinreichend begründen. Aber auch wenn dies nicht der Plan der Regierung ist, werden die Erfahrungen, die während der Pandemie gemacht wurden, sicherlich in der Zukunft genutzt werden.

    Was die Frage angeht, warum alle hochrangigen Funktionäre und politischen Entscheidungsträger Xis Entscheidung folgen. Kurz gesagt, das ist seinem brillanten Umgang mit innerparteilichen Grabenkämpfen zu verdanken. Aber das ist eine andere Geschichte.

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    Personalien

    Hannes Farlock ist seit August neuer Chef der AHK Hongkong. Der 40-Jährige war zuvor Geschäftsführer der Servicestelle “DEinternational” der Deutsch-Russischen Handelskammer in Moskau. Er folgt auf Wolfgang Ehmann, der bis zu seinem Ruhestand Ende des Jahres in anderer Position bei der AHK bleiben wird.

    He Chunlei wird aller Voraussicht nach Vorsitzender der China Reinsurance Gruppe. Der 57-Jährige hat die Funktion des Vorsitzenden des Parteikomitees bei dem größten Rückversicherer Asiens übernommen. Ein deutliches Zeichen, dass er demnächst auch zum Vorsitzenden ernannt wird. Auch der aktuelle Vorsitzende von China Reinsurance, Yuan Linjiang, hatte die führende Parteirolle in dem Unternehmen inne. Yuan wechselt wahrscheinlich zur China Investment Corp., einem der Staatsfonds Chinas.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Fisch zum Dessert? So einem stolzen Fischer kaufen wir auch das ab. Nach einem viermonatigen Fangverbot kehrten die Fischer des Fischereihafens in Xihai, in der Provinz Shandong, mit voll beladenen Schiffen von ihren ersten Fangfahrten zurück.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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