Table.Briefing: China

Soziale Ungleichheit – Interview mit Mihrigul Tursun

  • Bewegungsprofile lösen Sozial-Debatte aus
  • Zeugnis einer Uigurin
  • Bach und Peng wollen zu Mittag essen
  • Frankreichs Parlament sieht Völkermord in Xinjiang
  • Zwangsarbeit: EU wird US-Modell nicht kopieren
  • “Where is Peng Shuai?” doch erlaubt
  • Keine religiösen Gruppenchats in Qinghai mehr
  • US-Vorschlag sieht Sondergesandten für Xinjiang vor
  • Neuer PLA-Chef in Hongkong
Liebe Leserin, lieber Leser,

Regierungen halten die Vorstellung von Menschrechtsverbrechen gerne im Abstrakten. Und dort bleiben sie, bis jemand von ihnen im Detail erzählt. Erst dann wird uns wirklich klar, was es eigentlich bedeutet, wenn die universellen Grundrechte und die Würde eines Menschen durch staatliche Institutionen gebrochen werden. Die präzisen Bilder in unserem Kopf sorgen dafür, dass wir die Wucht der Anmaßung einer Regierung zu verstehen beginnen. Und es erklärt auch, weshalb die Volksrepublik China mit Drohungen und Gewalt zu verhindern versucht, dass Betroffene offen über Erfahrungen reden. Denn Zeugnisse über ihre Menschenrechtsverbrechen hinterlassen Wut, Trauer und Ekel.

Die Uigurin Mihrigul Tursun liefert so ein Zeugnis. Deshalb haben wir sie gefragt, was sie von der Ausrichtung der Olympischen Winterspiele in Peking hält, oder von deutschen Managern, die sich dumm stellen, weil sie Angst haben vor der Kommunistischen Partei. Ihre Antworten mögen ewartbar sein. Aber sie sagt trotz allem auch, dass sie Deutschland vertraue. So wie viele andere Uiguren setze sie darauf, dass die Bundesregierung in Menschenrechtsfragen richtig handele. Zeugnisse wie ihre schaffen eine Verpflichtung für uns alle.

Im Gegensatz zu Tursun wird die Tennisspielerin Peng Shuai möglicherweise nie mehr Zeugnis ablegen können, was in den vergangenen drei Monaten mit ihr geschehen ist. Schlicht und ergreifend, weil die Kommunistische Partei sie auf Lebzeiten daran hindern könnte. Nicht einmal dem IOC-Präsidenten Thomas Bach, den sie in den kommenden Wochen treffen soll, darf sie die Wahrheit sagen. Egal, was uns die PR-Abteilung des IOC nach dem geplanten Mittagessen erzählen wird: Glauben wir ihr kein Wort!

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Wie zwei Covid-Infizierte die Ungleichheit in Peking offenlegen

Wie in kaum einer anderen chinesischen Stadt prallen in Peking dekadenter Reichtum und bittere Armut so krass aufeinander: Im Ausgehviertel Sanlitun fahren die Söhne von Parteibonzen ihre knallbunten Ferraris spazieren, während an den Straßenecken greise Frauen in zerlumpter Kleidung um Almosen bitten. In den glitzernden Einkaufszentren führen die Kundinnen Designer-Taschen aus, die den Jahresverdienst der Rezeptionisten am Eingang um ein Vielfaches übersteigen. Die Ungleichheit ist deutlich sichtbar, und doch wird sie von den Hauptstadtbewohnern selten thematisiert oder gar kritisiert.

Ausgerechnet die ersten zwei Coronavirus-Infektionen des neuen Jahres haben nun die überfällige Debatte ausgelöst, wie sich der Sozialismus mit dieser Ungleichheit verträgt. Auslöser der Diskussion war die Veröffentlichung der Bewegungsprofile zweier sehr unterschiedlicher Pekinger Bürger.

Das erste der Bewegungsprofile gehört zu einer Frau aus dem gehobenen Haidian-Bezirk, wo die renommiertesten Schulen der Stadt angesiedelt und die Wohnungspreise dadurch überhitzt sind. Ihre Tage glichen einem Marathonlauf zwischen Nobel-Restaurants und Designer-Boutiquen. Und am Wochenende entspannte sich die Pekingerin beim Skifahren in den umliegenden Bergen.

Kaum vier Tage später veröffentlichten die Behörden dann das Bewegungsprofil eines weiteren Infizierten: Der Mann aus dem Bezirk Chaoyang hatte innerhalb der letzten 14 Tage 30 unterschiedliche Tagelöhner-Jobs angenommen. Er trug Zementsäcke, sortierte Abfälle und durchsuchte Müllhalden nach verkäuflichen Metallen. Er arbeitete stets nach Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden; sobald die ersten Pekinger eilig in ihre Büros huschten, versuchte Herr Yue in einer kleinen Abstellkammer am Stadtrand etwas Schlaf nachzuholen. Ein Zimmer, für das der Wanderarbeiter umgerechnet 100 Euro pro Monat zahlt. 

Chinas Nutzer auf den sozialen Medien horchten ob der krassen Diskrepanz auf. Sie legten die Bewegungsprofile der zwei Fremden nebeneinander – und waren selbst geschockt darüber, welch unterschiedliche Lebensrealitäten in ihrer Heimat gleichzeitig nebenher existieren.

Der Tagelöhner wird zur Sensation im Netz

Die lokalen Medien machten den 44-jährigen Mann daraufhin ausfindig – und umgehend zur viralen Sensation, der online hunderte Millionen Klicks generierte. Doch die Geschichte von Yue Zongxian wird kein Happy End haben: Der Fischer aus der Küstenprovinz Shandong zog erst vor zwei Monaten in die chinesische Hauptstadt. Dort suchte er nach seinem seit August vermissten Sohn, der zuletzt als Aushilfskoch in einem Restaurant gejobbt haben soll. Die örtliche Polizei geht davon aus, dass dieser sich das Leben genommen hat und hat Herrn Yue bereits den verwesten Körper eines jungen Mannes präsentiert. Der glaubte jedoch den Behörden nicht, dass dies tatsächlich sein Sohn gewesen sein soll. Also suchte er weiter.

Es gibt viele, viele Menschen wie Herrn Yue in China, anders als es die glitzernden Wolkenkratzer-Fassaden von Shanghai und Shenzhen vermuten lassen. Vor zwei Jahren rief Premierminister Li Keqiang in der Bevölkerung eine ernüchternde Statistik in Erinnerung: 600 Millionen Chinesen müssen nach wie vor mit weniger als 1.000 Yuan (140 Euro) pro Monat zurechtkommen. Der Gini-Koeffizient, der die soziale Ungleichheit bemisst, kommt in China auf ähnliche Werte wie in den Vereinigten Staaten.

Für die herrschende Partei, die sich nach wie vor “kommunistisch” nennt, ist dies längst zum Problem geworden. Xi Jinping wiederholt in seinen Reden derzeit kaum ein Schlagwort öfter als den “gemeinsamen Wohlstand” (Common Prosperity), der oberste Priorität genieße (China.Table berichtete). Das wirtschaftliche Wachstum soll endlich auch bei denjenigen ankommen, die bisher wenig von Chinas Aufstieg profitieren – allen voran die Landbevölkerung, die nur über rund ein Drittel des Einkommens im Vergleich zu den Großstädtern besitzt.

Die Leidensgeschichte von Yue Zongxian löste unter vielen Mitbürgern nun derartige Empathie aus, dass sie den 44-Jährigen mit virtuellen “hongbao” überhäuften. Die “roten Briefumschläge” schlug Yue allerdings allesamt aus. Er wolle keine Spendengelder aus Mitleid erhalten. Zudem, so sagte er den Medien, sei es die Verantwortung eines jeden, hart zu arbeiten und sich um seine Familie zu kümmern. Fabian Kretschmer

Mehr zum Thema:

    • Coronavirus
    • Gesellschaft
    • Gesundheit
    • Xi Jinping

    “Viele Menschen vertrauen Deutschland”

    Mihrigul Tursun über Xinjiang und die Olympischen Spiele in China.
    Mihrigul Tursun

    Die Behörden in Xinjiang haben Mihrigul Tursun vorgeworfen: Sie denke “zu uigurisch”. Dreimal saß sie für mehrere Wochen in Internierungslagern ein, wird geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert. Eines ihrer Babys starb unter ungeklärten Umständen in der Obhut der Behörden. Ganze 18 Visaäntrage stellte derweil ihr ägyptischer Ehemann in der chinesischen Botschaft in Kairo, bis man ihn 2018 einreisen ließ. Gegen die Zusage, im Ausland nicht wegen des toten Kindes vor Gericht zu gehen, gewährte man Tursun die Rückkehr nach Ägypten. Hilfe suchte sie schließlich in den USA, wo sie Asyl beantragt und vor dem Kongress ausgesagt hat. Jetzt hat Tursun gemeinsam mit der deutschen Journalistin Andrea C. Hoffmann ihre Erfahrungen in einem Buch aufgeschrieben. “Ort ohne Wiederkehr – Wie ich als Uigurin Chinas Lager überlebte” (Heyne, 277 Seiten) ist ein erschreckendes Zeugnis chinesischer Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang.

    Frau Tursun, welche Erinnerungen haben Sie an die Olympischen Spiele 2008?

    Damals war ich sehr stolz, dass China die Olympischen Spiele ausrichtete, und ich habe die Wettkämpfe mit Freude im Fernsehen verfolgt. Mir war damals gar nicht klar, dass Olympische Spiele alle vier Jahre immer an einem anderen Ort stattfinden. Durch die Propaganda war ich fest davon überzeugt, dass überhaupt nur China in der Lage sein würde, solch eine Veranstaltung auszurichten.

    Warum?

    Weil alles, was uns durch staatliche Medien über das Ausland vermittelt wurde, nur aus Chaos und Unvermögen bestand. Überall war die Welt schlecht, nur in China war das Leben sicher und gut. Das war nicht nur meine Meinung, sondern die Meinung der meisten Leute, die ich kannte. Erst als ich ins Ausland gegangen bin, habe ich überhaupt begriffen, dass anderswo in der Welt das Leben lebenswert sein kann und andere Gesellschaften durchaus gute Fähigkeiten besitzen.

    In der kommenden Woche beginnen erneut Olympische Spiele in Peking. Was empfinden Sie heute?

    Ich schaue mit Abscheu auf diese Spiele. Ich würde mir wünsche, dass die ganze Welt diese Spiele boykottiert. Wenn alle einmal besser verstanden haben, was in China und speziell in Xinjiang eigentlich genau passiert, dann werden viele ihre Teilnahme an diesen Spielen vielleicht später einmal bereuen.

    Tatsächlich nimmt in demokratischen Staaten das Bewusstsein für die Katastrophe in Xinjiang immer mehr zu. Vergangene Woche hat das französische Parlament die dortigen Menschenrechtsverbrechen als Genozid verurteilt.

    Ich habe richtig gejubelt und bin so dankbar für dieses Signal der Franzosen. Hier bei uns in Washington sind Leute auf die Straße gegangen und haben französische Flaggen geschwenkt.

    Deutschland tut sich schwer mit der Bezeichnung Genozid.

    Ich hoffe, das ändert sich. Deutschland genießt bei den Uiguren einen sehr hohen Stellenwert, weil wir mit dem Qualitätssiegel “Made in Germany” im Kopf aufgewachsen sind. In unserer Vorstellung war Deutschland ein perfektes Land, das alles richtig macht.

    Der Volkswagen-Chef hat einmal gesagt, er wisse nichts von Lagern in Xinjiang.

    Geld zu verdienen ist nicht alles. Es kommt und geht. Am Ende des Lebens bleibt nur die Frage, was hast du für die Menschlichkeit auf der Welt getan. Irgendwann wird das Gewissen von Herrn Diess auch ihm diese Frage stellen. Er sollte sich darüber im Klaren sein, dass er sein Land repräsentiert und dessen Image prägt. Viele Menschen vertrauen Deutschland. Wenn er gute Geschäfte mit China für wichtiger hält, dann wird das auch das Vertrauen in sein Land erschüttern.

    Warum sind Sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen?

    Politik war mir immer völlig egal. Ich habe mich immer gefragt, warum Menschen nicht einfach in Frieden leben. Aber die chinesische Regierung hat meiner Familie, meinem Volk und mir entsetzliche Dinge angetan. Sie foltern und töten uns. Allein während meiner insgesamt drei Monate Haftzeit sind neun Menschen gestorben, wo ich eingesperrt war. Warum tun sie uns das an? Darauf möchte ich eine Antwort.

    Fürchten Sie chinesischer Rache?

    Nein, ich bin bereit dafür zu sterben, weil ich überzeugt bin, das Richtige zu tun. Sie haben mein Kind genommen und meine Familie. Ich habe meine Hoffnung, meine Träume, meine Gesundheit verloren. Ich hatte das Gefühl, als sei ich tot. Aber mein zweites Leben hat mir gesagt, kümmere dich um deine beiden anderen Kinder.

    Gab es Drohungen gegen Sie?

    Ja, man droht, meine gesamte Familie einzusperren. Mein Vater rief mich an. Eine Stimme im Hintergrund befahl ihm zu reden. Er sagte, ich solle mich bei der chinesischen Botschaft melden. Dort würde man mir helfen. Es gab auch mehrere Vorfälle, nachdem ich vor dem US-Kongress ausgesagt hatte. Ich wurde verfolgt und ich habe Nachrichten erhalten. Einmal wurde mein Taxi von einem gestohlenen Fahrzeug gerammt. Der andere Fahrer holte eine Waffe heraus und zielte auf mich. Mein Taxifahrer hat meinen Kopf heruntergedrückt und ist losgerast. Ich habe all diese Fälle dem FBI gemeldet. Das ist jetzt zwei Jahre her. Seit der Buchveröffentlichung gab es noch keine Drohung.

    Gibt es Momente, in denen Sie wieder unbeschwert sein können?

    Nein, das habe ich noch nicht erlebt. Ich wünschte manchmal, mein Arzt hätte die Möglichkeit, meine schrecklichen Erinnerungen zu löschen, sodass ich wieder unbeschwert leben könnte.

    Haben Sie Pläne für die Zukunft?

    Ich fühle mich in den USA sicher. Ich hoffe, dass mein Asylantrag bald genehmigt wird und ich dann zusammen mit meiner Familie hier für den Rest meines Lebens bleiben kann.

    Mehr zum Thema:

      • Menschenrechte
      • Sport
      • USA
      • Xinjiang
      • Zivilgesellschaft

      Sportler wenden sich gegen IOC-Chef

      Für den Januar hatte IOC-Präsident Thomas Bach eigentlich ein Mittagessen mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai in Peking vereinbart. Die Sportwelt macht sich um den Verbleib der Weltklasse-Athletin große Sorgen, nachdem sie einem Spitzenkader der Kommunistischen Partei sexuellen Missbrauch vorgeworfen hatte und seitdem nur unter mysteriösen Umständen in der Öffentlichkeit aufgetaucht ist. Bislang ist das Treffen aber noch nicht zustande gekommen.

      Nun hat das IOC gegenüber China.Table angekündigt, dass die Verabredung eingehalten werde und im Laufe der Spiele stattfinden soll. Seit dem ersten Videotelefonat zwischen Peng und Bach am 21. November vergangenen Jahres sei “das IOC-Team mit ihr in Kontakt geblieben”. Seitdem habe es mehrere Online-Begegnungen gegeben, in deren Verlauf “man sich besser kennengelernt habe”, hieß es.

      Laut IOC habe Peng mitgeteilt, dass sie sich sehr auf die Olympischen Spiele freue und beabsichtige, die Wettbewerbe und das Abschneiden der chinesischen Mannschaft sehr aufmerksam zu verfolgen. Sie freue sich auch auf das Treffen mit Thomas Bach, zu dem auch die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission, Emma Terho, eingeladen ist. “Bei der Organisation der verschiedenen Gespräche war das Chinesische Olympische Komitee immer sehr unterstützend. Es wird auch sicherstellen, dass das Treffen unter sehr strengen Covid-19-Maßnahmen (…) stattfinden kann.”

      Bach lobt Pekings Effizienz, Entschlossenheit und Energie

      Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees ist seit vergangenem Samstag in Peking, der Gastgeberstadt der Olympischen Winterspiele, die am 4. Februar beginnen. Staats- und Parteichef Xi Jinping hat Bach bereits zu einem persönlichen Gespräch getroffen. Der IOC-Chef nutzte die Gelegenheit dazu, seine Bewunderung für die Sportstätten sowie die “Effizienz, Entschlossenheit und Energie” der Organisatoren zum Ausdruck zu bringen. Ob es auch um Peng Shuai ging – dazu drang nichts an die Öffentlichkeit. Bach und Xi sprachen dem IOC zufolge über die “große Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking”.

      Diese Wahrnehmung ist bemerkenswert. Denn schon jetzt ist klar, dass zahlreiche Staaten wie die USA, Australien, Japan, Großbritannien, Dänemark oder Kanada die Spiele wegen Chinas massiver Menschenrechtsverbrechen diplomatisch boykottieren werden. Die Bundesregierung vermeidet einen offiziellen Boykott, dennoch hat kein deutscher Regierungsvertreter eine Reise in die Volksrepublik angekündigt. Hinzu kommen zunehmend Vorwürfe von Sportlern und Funktionären, die Chinas Null-Covid-Strategie kritisieren und sogar eine mögliche Manipulation der Wettkämpfe befürchten.

      Zuletzt tat dies der fünfmalige WM-Medaillengewinner Felix Neureuther aus Garmisch-Partenkirchen in einem Interview mit RTL/ntv. “Es ist ein Leichtes, diese Spiele zu manipulieren. Und da muss man meines Erachtens massiv drauf schauen. Weil sonst werden die Spiele zu einer absoluten Farce”, sagte der frühere Skirennläufer.

      Top-Rodeler fordert Einhaltung der Menschenrechte

      Neureuther traut dem Gastgeberland zu, dass es sportlichen Erfolg mit Betrug ermöglichen könnte. Er sei sicher, dass China “mit allen Mitteln” versuchen werde, sportlich erfolgreich zu sein. “Und wie geht es leichter, Konkurrenz auszuschalten als mit einem positiven Corona-Test? Keiner kontrolliert, wie die Tests kontrolliert werden”, sagte Neureuther dem Fernsehsender. Auch der deutsche Alpinchef Wolfgang Meier und der Präsident des Deutschen Snowboard-Verbandes, Michael Hölz, halten Manipulation an den Corona-Testergebnissen für nicht ausgeschlossen.

      Das Misstrauen gegen die chinesischen Veranstalter ist Ergebnis der autoritären Staatsführung und der schier endlosen Liste an Menschenrechtsverbrechen in China, die vielen Olympia-Teilnehmern auf den Magen schlägt. Der dreimalige Rodel-Olympiasieger Felix Loch sagte vor seiner Abreise nach Peking in der ARD, die Spiele hätten erst gar nicht nach Peking vergeben werden sollen. Bei den Themen Menschenrechte und Medienfreiheit habe sich “nichts verändert”.

      Mehr zum Thema:

        • IOC
        • Olympia
        • Peng Shuai
        • Sport

        News

        Frankreich: In Xinjiang findet “Genozid” statt

        Die französische Nationalversammlung hat die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung an der uigurischen Minderheit in Xinjiang als Völkermord eingestuft. In einer Abstimmung am Donnerstag fiel das Urteil der Abgeordneten eindeutig aus. 169 Parlamentarier:innen votierten mit Ja. Es gab nur eine Nein-Stimme.

        Das Ergebnis der Abstimmung wird nun offiziell der französischen Regierung vorgelegt, die eine öffentliche Verurteilung “der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Genozids” formulieren und außenpolitische Maßnahmen zur Beendigung des Völkermords ergreifen soll. Das Votum ist für die Regierung jedoch nicht bindend. Initiiert wurde die Abstimmung von den oppositionellen Sozialisten. Doch auch die Fraktion der Regierungspartei LREM von Staatspräsident Emmanuel Macron unterstützte die Resolution. “China ist eine Großmacht. Wir lieben das chinesische Volk. Aber wir weigern uns, uns der Propaganda eines Regimes zu unterwerfen, das auf unsere Feigheit und unsere Gier setzt, um vor aller Augen einen Völkermord zu begehen”, sagte der Vorsitzende der sozialistischen Partei, Olivier Faure.

        Unabhängige Untersuchung der Xinjiang-Vorwürfe wird erschwert

        Die französischen Abgeordneten kamen damit zu der gleichen Einschätzung wie zuvor die Parlamentarier in Kanada, den Niederlanden und Litauen sowie der tschechische Senat. Auch die Regierungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens sprechen offiziell von einem Genozid. Das belgische Parlament sieht das uigurische Volk einem “hohen Risiko” ausgesetzt, Opfer eines Völkermordes zu werden.

        In Xinjiang sind laut Schätzungen etwa eine Million Uiguren in Internierungslagern inhaftiert. Chinas Regierung behauptet, die Lager seien Ausbildungszentren, um der lokalen Bevölkerung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Unabhängige Untersuchungen oder Recherchen durch die Vereinten Nationen, EU-Politiker, Diplomaten, Menschenrechtsgruppen oder Journalisten lässt die Volksrepublik nicht zu.

        Ehemalige Häftlinge berichten jedoch von Folter, Vergewaltigungen und Gehirnwäsche, die die Menschen in den Lagern über sich ergehen lassen müssen. Uigurische Exilanten werfen Peking strikte und teils brutale Mittel zur Geburtenkontrolle vor, um eine Fortpflanzung zu verhindern. grz

        Mehr zum Thema:

          • Frankreich
          • Litauen
          • Menschenrechte
          • Xinjiang
          • Zivilgesellschaft

          Kein US-Modell für EU-Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit

          Die Europäische Kommission sucht weiterhin nach Wegen, Importe von Produkten aus Zwangsarbeit zu verbieten. Den Ansatz der US-Behörden lehnt Sabine Weyand, Generaldirektorin für Handel aus der EU-Kommission, als Vorbild ab. Das US-Modell, das produktspezifische Verbote mit Herkunftsverboten kombiniert, sei “nicht effektiv”, sagte Weyand am Dienstag vor dem Handelsausschuss des Europaparlaments. Im Falle Chinas würden beispielsweise Baumwollprodukte, die mit Xinjiang verbunden sind, aber auch Produkte aus Xinjiang allgemein darunter fallen.

          In den USA gilt somit die grundlegende Annahme, dass alle Güter aus Xinjiang Zwangsarbeit beinhalte. Die Importeure sind verpflichtet, dies zu widerlagen. Das sei eine “schwere Belastung”, sagt Weyand. Laut dem entsprechenden Abschnitt zur Zwangsarbeit im US Tariff Act darf der US-Zoll Einfuhren auf Zwangsarbeit überprüfen und blockieren. Weyand sieht darin einen möglichen bürokratischen Alptraum für die Zollabwicklung der EU. Sie sprach sich dagegen für eine Aufnahme eines Importverbots für Produkte aus Zwangsarbeit in das geplante EU-Lieferkettengesetz aus. Eine eigenständige Gesetzgebung wie in den USA benötige auch mehr Zeit.

          Das EU-Lieferkettengesetz soll am 15. Februar vorgestellt werden. Allerdings ist sich die EU-Kommission intern bisher nicht einig, ob Produkte aus Zwangsarbeit eingebunden werden sollen oder nicht (China.Table berichtete). Der Zeitplan könnte also knapp werden.

          Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), kritisierte die internen Unstimmigkeiten der EU-Kommission. “Es ist unfassbar, dass ein internes, geheim tagendes Gremium die EU-Kommission bremst – und damit das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten seit beinahe einem Jahr vertröstet werden”, so Lange. “Spätestens nach der Rede zur Lage der Union, in der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen hat, entschlossen gegen Zwangsarbeit vorzugehen, hätte Bewegung in die EU-Kommission kommen müssen.” Die EU-Kommissionschefin hatte in dieser Rede im September einen Einfuhr-Bann angekündigt (China.Table berichtete). Der Vorstellungstermin für das EU-Lieferkettengesetz wurde seit dem Frühjahr 2021 bereits mehrfach verschoben. ari

          Mehr zum Thema:

            • EU
            • Handel
            • Lieferketten

            Australien Open erlaubt Proteste wegen Peng Shuai

            Die Sorge um das ungeklärte Schicksal der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai hat die Australien Open in Melbourne erreicht. Zuschauer bei dem Grand Slam-Turnier dürfen nach einer Kehrtwende der Ausrichter nun doch T-Shirts mit der Aufschrift “Wo ist Peng Shuai?” tragen. Am Wochenende waren die Veranstalter unter Druck geraten, nachdem Videos im Internet viral gegangen waren: Darin zwang das Sicherheitspersonal Zuschauer, solche T-Shirts auszuziehen. Auch entfernten sie ein Peng-Banner.

            Die Ausrichter hatten nach einem Bericht von AFP zunächst auf Turnierregularien beharrt, die Kleidungsstücke, Banner oder Schilder mit “werbendem oder politischem” Inhalt verbieten. Am Dienstag sagte Turnier-Chef Craig Tiley nun, Menschen dürften nun doch mit Kleidungsstücken ins Stadion, die als Kritik am Umgang Chinas mit Peng Shuai verstanden werden können – “solange sie nicht als störender Mob kommen, sondern friedlich sind.” Banner dürften aber niemandem die Sicht auf die Matches verstellen.

            Im chinesischen Online-Dienst Weibo hatte Peng Shuai Anfang November dem früheren chinesischen Vize-Regierungschef Zhang Gaoli sexuelle Nötigung vorgeworfen (China.Table berichtete). Der Beitrag wurde rasch von den chinesischen Behörden zensiert. Peng selbst wurde fast drei Wochen lang nicht in der Öffentlichkeit gesehen. Sportverbände, die Vereinten Nationen und westliche Regierungen zeigten sich daraufhin alarmiert über das Schicksal des Tennisstars. Seitdem wurde die frühere Weltranglistenerste im Doppel mehrmals gesehen – unter anderem gab sie ein Fernsehinterview in Singapur. Ihre Situation ist aber weiter unklar. Das Ausland sorgt sich daher weiter um Pengs Wohlergehen. Der Frauen-Tennisverband WTA hat aus Protest seine Turniere in China vorerst ausgesetzt.

            Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian kritisierte am Montag angesichts der Videos wenig überraschend eine “Politisierung des Sports”. Es gebe “keinerlei Unterstützung” für solche Proteste. Doch das stimmt nicht ganz. Die 18-malige Grand-Slam-Turniersiegerin Martina Nawratilowa etwa warf den Australian Open-Veranstaltern eine “Kapitulation” vor China vor. ck

            Mehr zum Thema:

              • Menschenrechte
              • Peng Shuai
              • Sport
              • Zivilgesellschaft

              Qinghai verbietet religiöse Gruppenchats

              Die Behörden in der nordwestchinesischen Provinz Qinghai haben ein Verbot von Gruppenchats mit religiösem Hintergrund angekündigt. Entsprechender digitaler Austausch über soziale Medien soll ab dem 1. März bestraft werden, berichtet Radio Free Asia (RFA). Besonders betroffen von der Regelung sind tibetische Buddhisten. Qinghai zählt zu den größten tibetischen Siedlungsgebieten außerhalb Tibets. Rund 1,2 Millionen Tibeter leben in der Provinz.

              Von dem Verbot betroffen sind demnach auch Gruppenchats, in denen lediglich Informationen zu religiösen Feiertagen oder über Pilgerfahrten verbreitet werden. Laut RFA-Quellen sei die neue Regelung am 20. Januar von der Provinzregierung verkündet worden.

              Neben der tibetischen Gemeinde leben in Qinghai auch mehrere Hunderttausend Angehörige der Hui-Ethnie, die überwiegend muslimischen Glaubens sind. Qinghai ist die einzige Provinz der Volksrepublik China, die sowohl eine Grenze mit Tibet als auch mit der muslimisch geprägten Autonomen Region Xinjiang teilt. Sowohl Buddhisten als auch Muslime klagen seit Jahren über Diskriminierung und fortwährende Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Behörden (China.Table berichtete). grz

              Mehr zum Thema:

                • Menschenrechte
                • Tibet
                • Zivilgesellschaft

                US-Repräsentantenhaus will China mit neuem Gesetz eindämmen

                Das US-Repräsentantenhaus hat zur Stärkung des Wettbewerbs mit China und der Menschenrechte einen umfassenden Gesetzesvorschlag vorgelegt Der fast 3000 Seiten starke Entwurf mit dem Namen “America Competes Act of 2022” umfasst Milliarden US-Dollar Fördergeld für die Halbleiterindustrie der Vereinigten Staaten. Außerdem sind neue Bestimmungen zur Stärkung der US-Beziehungen zu Taiwan und dem der Quad-Allianz aus den USA, Japan, Indien und Australien enthalten. Mit rund 100 Millionen US-Dollar sollen zudem Zensur und Desinformation der chinesischen Regierung entgegengewirkt werden.

                Weitere wichtige Punkte des Gesetzesvorschlags:

                • Berufung eines neuen US-Sondergesandten im US-Außenministerium, um eine Reaktion auf “die groben Verletzungen der allgemein anerkannten Menschenrechte” in Xinjiang zu koordinieren
                • Erweiterung des “Uyghur Human Rights Policy Act”, um Beamte in Xinjiang für “eine Politik und Praktiken der systematischen Vergewaltigung, Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation oder unfreiwilligen Implantation von Verhütungsmitteln” zu sanktionieren.
                • Aus Xinjiang Geflohene erhalten mit Priorität einen Flüchtlingsstatus in den USA
                • Auch einigen aus Hongkong geflohenen Menschen könnte einfacher der Flüchtlingsstatus zukommen, wenn diese wegen Repressionen durch das Nationale Sicherheitsgesetz die Stadt verlassen mussten
                • Verlängerung des US-Verbots, Munition an die Hongkonger Polizei zu exportieren, bis diese ein Jahr lang “keine groben Menschenrechtsverletzungen mehr begangen hat”
                • Anweisung des US-Außenministeriums, den Namen der taiwanesischen Vertretung in Washington von “Taipei Economic and Cultural Representative Office” zu “Taiwan Representative Office in the United States” zu ändern. Die Namensänderung würde “die sich wesentlich vertiefenden Beziehungen zwischen Taiwan und den Vereinigten Staaten widerspiegeln”
                • Mit rund zehn Millionen US-Dollar sollen Sprachzentren finanziert werden, die Chinas umstrittene Konfuzius-Institute ersetzen sollen

                US-Präsident Joe Biden begrüßte die Gesetzesvorlage. “Gemeinsam haben wir die Gelegenheit, China und dem Rest der Welt zu zeigen, dass das 21. Jahrhundert das amerikanische Jahrhundert sein wird”, erklärte Biden. Die Vorlage muss nun zunächst im Repräsentantenhaus debattiert und verabschiedet werden. Danach wird sie gegebenenfalls dem Senat vorgelegt. Die zeitliche Abfolge dafür ist bisher noch nicht klar. ari

                Mehr zum Thema:

                  • Geopolitik
                  • Hongkong
                  • Menschenrechte
                  • USA
                  • Xinjiang
                  • Zivilgesellschaft

                  Portrait

                  Peng Jingtang – Hongkongs Militärchef kommt aus der Terrorabwehr

                  Peng Jingtan, neuer Chef des Militärs, an der Seite von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam.
                  Peng Jingtang an der Seite von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam

                  Peng Jingtang tritt seinen neuen Posten mit einem markigen Versprechen an. Als Chef der Hongkonger Garnison der Volksbefreiungsarmee werde er “Verteidigungspflichten in Übereinstimmung mit dem Gesetz erfüllen, die nationale Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen entschlossen verteidigen und den langfristigen Wohlstand und die Stabilität Hongkongs fest schützen”.

                  Pengs Worte dürfen die verbliebenen pro-demokratischen Kräfte in der Stadt durchaus als Drohung verstehen. Peking setzt ein klares Signal mit der Ernennung des Generalmajors zum örtlichen PLA-Chef, der sich auch gleich ermächtigt fühlte, in der Sicherheitspolitik der Stadt ein Wörtchen mitzureden. Gemäß dem Basic Law, das gemeinhin auch als Mini-Verfassung Hongkongs bezeichnet wird, hat Peking die Hoheit über Hongkongs Außen- und Verteidigungspolitik. Zwischen den Zeilen formulierte Peng relativ unverblümt, dass die chinesische Regierung in Zukunft bereit ist, das Militär gegen die Menschen in Hongkong einzusetzen.

                  In der vergangenen Woche versicherte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam dem lokalen Oberbefehlshaber bereits, dass ihre Regierung mit Peng eng zusammenarbeiten werde. Die Chancen, dass die dortige pro-demokratische Protestbewegung noch einmal aufflammt, ist zwar verschwindend gering. Schließlich sitzen nahezu alle führenden Köpfe der Opposition in Haft oder sind ins Ausland geflohen. Doch Peking hat aus den Erfahrungen im eigenen Land gelernt, dass autoritäre Staatsführung vor allem mit Abschreckung funktioniert. Da kommt ein berüchtigter Militär mit Erfahrung im vermeintlichen Anti-Terrorkampf als Menetekel genau richtig.

                  Denn Peng Jingtang kommandierte vor seiner Berufung nach Hongkong die paramilitärische bewaffnete Volkspolizei in Xinjiang. Seit 2018 war er dort mitverantwortlich für die Verhaftungen von Hunderttausenden uigurischen Männern und Frauen. Rund eine Million Menschen sitzt dort in Internierungslagern ein. Peking rechtfertigt die Existenz der Lager unter anderem mit dem Verweis auf die Terrorgefahr in der Region. Mehrere Regierungen, darunter die amerikanische, haben die Vorgehensweise Pekings in Xinjiang dagegen als Völkermord eingestuft.

                  Dass die Versetzung Pengs nach Hongkong kein zufälliges Posten-Roulette ist, sondern Kalkül, bestätigte Staatspräsident Xi Jinping mit seiner persönlichen Signatur unter der Berufung des neuen Manns. Zuvor war bereits der Sicherheitschef der Provinz Xinjiang versetzt worden (China.Table berichtete). Wang Junzheng wurde nach knapp zwei Jahren nach Tibet abkommandiert. Auch dort ist die Sicherheitslage seit Jahren extrem angespannt. Marcel Grzanna

                  Mehr zum Thema:

                    • Hongkong
                    • Menschenrechte
                    • Xi Jinping
                    • Xinjiang
                    • Zivilgesellschaft

                    China.Table Redaktion

                    CHINA.TABLE REDAKTION

                    Licenses:
                      • Bewegungsprofile lösen Sozial-Debatte aus
                      • Zeugnis einer Uigurin
                      • Bach und Peng wollen zu Mittag essen
                      • Frankreichs Parlament sieht Völkermord in Xinjiang
                      • Zwangsarbeit: EU wird US-Modell nicht kopieren
                      • “Where is Peng Shuai?” doch erlaubt
                      • Keine religiösen Gruppenchats in Qinghai mehr
                      • US-Vorschlag sieht Sondergesandten für Xinjiang vor
                      • Neuer PLA-Chef in Hongkong
                      Liebe Leserin, lieber Leser,

                      Regierungen halten die Vorstellung von Menschrechtsverbrechen gerne im Abstrakten. Und dort bleiben sie, bis jemand von ihnen im Detail erzählt. Erst dann wird uns wirklich klar, was es eigentlich bedeutet, wenn die universellen Grundrechte und die Würde eines Menschen durch staatliche Institutionen gebrochen werden. Die präzisen Bilder in unserem Kopf sorgen dafür, dass wir die Wucht der Anmaßung einer Regierung zu verstehen beginnen. Und es erklärt auch, weshalb die Volksrepublik China mit Drohungen und Gewalt zu verhindern versucht, dass Betroffene offen über Erfahrungen reden. Denn Zeugnisse über ihre Menschenrechtsverbrechen hinterlassen Wut, Trauer und Ekel.

                      Die Uigurin Mihrigul Tursun liefert so ein Zeugnis. Deshalb haben wir sie gefragt, was sie von der Ausrichtung der Olympischen Winterspiele in Peking hält, oder von deutschen Managern, die sich dumm stellen, weil sie Angst haben vor der Kommunistischen Partei. Ihre Antworten mögen ewartbar sein. Aber sie sagt trotz allem auch, dass sie Deutschland vertraue. So wie viele andere Uiguren setze sie darauf, dass die Bundesregierung in Menschenrechtsfragen richtig handele. Zeugnisse wie ihre schaffen eine Verpflichtung für uns alle.

                      Im Gegensatz zu Tursun wird die Tennisspielerin Peng Shuai möglicherweise nie mehr Zeugnis ablegen können, was in den vergangenen drei Monaten mit ihr geschehen ist. Schlicht und ergreifend, weil die Kommunistische Partei sie auf Lebzeiten daran hindern könnte. Nicht einmal dem IOC-Präsidenten Thomas Bach, den sie in den kommenden Wochen treffen soll, darf sie die Wahrheit sagen. Egal, was uns die PR-Abteilung des IOC nach dem geplanten Mittagessen erzählen wird: Glauben wir ihr kein Wort!

                      Ihr
                      Marcel Grzanna
                      Bild von Marcel  Grzanna

                      Analyse

                      Wie zwei Covid-Infizierte die Ungleichheit in Peking offenlegen

                      Wie in kaum einer anderen chinesischen Stadt prallen in Peking dekadenter Reichtum und bittere Armut so krass aufeinander: Im Ausgehviertel Sanlitun fahren die Söhne von Parteibonzen ihre knallbunten Ferraris spazieren, während an den Straßenecken greise Frauen in zerlumpter Kleidung um Almosen bitten. In den glitzernden Einkaufszentren führen die Kundinnen Designer-Taschen aus, die den Jahresverdienst der Rezeptionisten am Eingang um ein Vielfaches übersteigen. Die Ungleichheit ist deutlich sichtbar, und doch wird sie von den Hauptstadtbewohnern selten thematisiert oder gar kritisiert.

                      Ausgerechnet die ersten zwei Coronavirus-Infektionen des neuen Jahres haben nun die überfällige Debatte ausgelöst, wie sich der Sozialismus mit dieser Ungleichheit verträgt. Auslöser der Diskussion war die Veröffentlichung der Bewegungsprofile zweier sehr unterschiedlicher Pekinger Bürger.

                      Das erste der Bewegungsprofile gehört zu einer Frau aus dem gehobenen Haidian-Bezirk, wo die renommiertesten Schulen der Stadt angesiedelt und die Wohnungspreise dadurch überhitzt sind. Ihre Tage glichen einem Marathonlauf zwischen Nobel-Restaurants und Designer-Boutiquen. Und am Wochenende entspannte sich die Pekingerin beim Skifahren in den umliegenden Bergen.

                      Kaum vier Tage später veröffentlichten die Behörden dann das Bewegungsprofil eines weiteren Infizierten: Der Mann aus dem Bezirk Chaoyang hatte innerhalb der letzten 14 Tage 30 unterschiedliche Tagelöhner-Jobs angenommen. Er trug Zementsäcke, sortierte Abfälle und durchsuchte Müllhalden nach verkäuflichen Metallen. Er arbeitete stets nach Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden; sobald die ersten Pekinger eilig in ihre Büros huschten, versuchte Herr Yue in einer kleinen Abstellkammer am Stadtrand etwas Schlaf nachzuholen. Ein Zimmer, für das der Wanderarbeiter umgerechnet 100 Euro pro Monat zahlt. 

                      Chinas Nutzer auf den sozialen Medien horchten ob der krassen Diskrepanz auf. Sie legten die Bewegungsprofile der zwei Fremden nebeneinander – und waren selbst geschockt darüber, welch unterschiedliche Lebensrealitäten in ihrer Heimat gleichzeitig nebenher existieren.

                      Der Tagelöhner wird zur Sensation im Netz

                      Die lokalen Medien machten den 44-jährigen Mann daraufhin ausfindig – und umgehend zur viralen Sensation, der online hunderte Millionen Klicks generierte. Doch die Geschichte von Yue Zongxian wird kein Happy End haben: Der Fischer aus der Küstenprovinz Shandong zog erst vor zwei Monaten in die chinesische Hauptstadt. Dort suchte er nach seinem seit August vermissten Sohn, der zuletzt als Aushilfskoch in einem Restaurant gejobbt haben soll. Die örtliche Polizei geht davon aus, dass dieser sich das Leben genommen hat und hat Herrn Yue bereits den verwesten Körper eines jungen Mannes präsentiert. Der glaubte jedoch den Behörden nicht, dass dies tatsächlich sein Sohn gewesen sein soll. Also suchte er weiter.

                      Es gibt viele, viele Menschen wie Herrn Yue in China, anders als es die glitzernden Wolkenkratzer-Fassaden von Shanghai und Shenzhen vermuten lassen. Vor zwei Jahren rief Premierminister Li Keqiang in der Bevölkerung eine ernüchternde Statistik in Erinnerung: 600 Millionen Chinesen müssen nach wie vor mit weniger als 1.000 Yuan (140 Euro) pro Monat zurechtkommen. Der Gini-Koeffizient, der die soziale Ungleichheit bemisst, kommt in China auf ähnliche Werte wie in den Vereinigten Staaten.

                      Für die herrschende Partei, die sich nach wie vor “kommunistisch” nennt, ist dies längst zum Problem geworden. Xi Jinping wiederholt in seinen Reden derzeit kaum ein Schlagwort öfter als den “gemeinsamen Wohlstand” (Common Prosperity), der oberste Priorität genieße (China.Table berichtete). Das wirtschaftliche Wachstum soll endlich auch bei denjenigen ankommen, die bisher wenig von Chinas Aufstieg profitieren – allen voran die Landbevölkerung, die nur über rund ein Drittel des Einkommens im Vergleich zu den Großstädtern besitzt.

                      Die Leidensgeschichte von Yue Zongxian löste unter vielen Mitbürgern nun derartige Empathie aus, dass sie den 44-Jährigen mit virtuellen “hongbao” überhäuften. Die “roten Briefumschläge” schlug Yue allerdings allesamt aus. Er wolle keine Spendengelder aus Mitleid erhalten. Zudem, so sagte er den Medien, sei es die Verantwortung eines jeden, hart zu arbeiten und sich um seine Familie zu kümmern. Fabian Kretschmer

                      Mehr zum Thema:

                        • Coronavirus
                        • Gesellschaft
                        • Gesundheit
                        • Xi Jinping

                        “Viele Menschen vertrauen Deutschland”

                        Mihrigul Tursun über Xinjiang und die Olympischen Spiele in China.
                        Mihrigul Tursun

                        Die Behörden in Xinjiang haben Mihrigul Tursun vorgeworfen: Sie denke “zu uigurisch”. Dreimal saß sie für mehrere Wochen in Internierungslagern ein, wird geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert. Eines ihrer Babys starb unter ungeklärten Umständen in der Obhut der Behörden. Ganze 18 Visaäntrage stellte derweil ihr ägyptischer Ehemann in der chinesischen Botschaft in Kairo, bis man ihn 2018 einreisen ließ. Gegen die Zusage, im Ausland nicht wegen des toten Kindes vor Gericht zu gehen, gewährte man Tursun die Rückkehr nach Ägypten. Hilfe suchte sie schließlich in den USA, wo sie Asyl beantragt und vor dem Kongress ausgesagt hat. Jetzt hat Tursun gemeinsam mit der deutschen Journalistin Andrea C. Hoffmann ihre Erfahrungen in einem Buch aufgeschrieben. “Ort ohne Wiederkehr – Wie ich als Uigurin Chinas Lager überlebte” (Heyne, 277 Seiten) ist ein erschreckendes Zeugnis chinesischer Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang.

                        Frau Tursun, welche Erinnerungen haben Sie an die Olympischen Spiele 2008?

                        Damals war ich sehr stolz, dass China die Olympischen Spiele ausrichtete, und ich habe die Wettkämpfe mit Freude im Fernsehen verfolgt. Mir war damals gar nicht klar, dass Olympische Spiele alle vier Jahre immer an einem anderen Ort stattfinden. Durch die Propaganda war ich fest davon überzeugt, dass überhaupt nur China in der Lage sein würde, solch eine Veranstaltung auszurichten.

                        Warum?

                        Weil alles, was uns durch staatliche Medien über das Ausland vermittelt wurde, nur aus Chaos und Unvermögen bestand. Überall war die Welt schlecht, nur in China war das Leben sicher und gut. Das war nicht nur meine Meinung, sondern die Meinung der meisten Leute, die ich kannte. Erst als ich ins Ausland gegangen bin, habe ich überhaupt begriffen, dass anderswo in der Welt das Leben lebenswert sein kann und andere Gesellschaften durchaus gute Fähigkeiten besitzen.

                        In der kommenden Woche beginnen erneut Olympische Spiele in Peking. Was empfinden Sie heute?

                        Ich schaue mit Abscheu auf diese Spiele. Ich würde mir wünsche, dass die ganze Welt diese Spiele boykottiert. Wenn alle einmal besser verstanden haben, was in China und speziell in Xinjiang eigentlich genau passiert, dann werden viele ihre Teilnahme an diesen Spielen vielleicht später einmal bereuen.

                        Tatsächlich nimmt in demokratischen Staaten das Bewusstsein für die Katastrophe in Xinjiang immer mehr zu. Vergangene Woche hat das französische Parlament die dortigen Menschenrechtsverbrechen als Genozid verurteilt.

                        Ich habe richtig gejubelt und bin so dankbar für dieses Signal der Franzosen. Hier bei uns in Washington sind Leute auf die Straße gegangen und haben französische Flaggen geschwenkt.

                        Deutschland tut sich schwer mit der Bezeichnung Genozid.

                        Ich hoffe, das ändert sich. Deutschland genießt bei den Uiguren einen sehr hohen Stellenwert, weil wir mit dem Qualitätssiegel “Made in Germany” im Kopf aufgewachsen sind. In unserer Vorstellung war Deutschland ein perfektes Land, das alles richtig macht.

                        Der Volkswagen-Chef hat einmal gesagt, er wisse nichts von Lagern in Xinjiang.

                        Geld zu verdienen ist nicht alles. Es kommt und geht. Am Ende des Lebens bleibt nur die Frage, was hast du für die Menschlichkeit auf der Welt getan. Irgendwann wird das Gewissen von Herrn Diess auch ihm diese Frage stellen. Er sollte sich darüber im Klaren sein, dass er sein Land repräsentiert und dessen Image prägt. Viele Menschen vertrauen Deutschland. Wenn er gute Geschäfte mit China für wichtiger hält, dann wird das auch das Vertrauen in sein Land erschüttern.

                        Warum sind Sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen?

                        Politik war mir immer völlig egal. Ich habe mich immer gefragt, warum Menschen nicht einfach in Frieden leben. Aber die chinesische Regierung hat meiner Familie, meinem Volk und mir entsetzliche Dinge angetan. Sie foltern und töten uns. Allein während meiner insgesamt drei Monate Haftzeit sind neun Menschen gestorben, wo ich eingesperrt war. Warum tun sie uns das an? Darauf möchte ich eine Antwort.

                        Fürchten Sie chinesischer Rache?

                        Nein, ich bin bereit dafür zu sterben, weil ich überzeugt bin, das Richtige zu tun. Sie haben mein Kind genommen und meine Familie. Ich habe meine Hoffnung, meine Träume, meine Gesundheit verloren. Ich hatte das Gefühl, als sei ich tot. Aber mein zweites Leben hat mir gesagt, kümmere dich um deine beiden anderen Kinder.

                        Gab es Drohungen gegen Sie?

                        Ja, man droht, meine gesamte Familie einzusperren. Mein Vater rief mich an. Eine Stimme im Hintergrund befahl ihm zu reden. Er sagte, ich solle mich bei der chinesischen Botschaft melden. Dort würde man mir helfen. Es gab auch mehrere Vorfälle, nachdem ich vor dem US-Kongress ausgesagt hatte. Ich wurde verfolgt und ich habe Nachrichten erhalten. Einmal wurde mein Taxi von einem gestohlenen Fahrzeug gerammt. Der andere Fahrer holte eine Waffe heraus und zielte auf mich. Mein Taxifahrer hat meinen Kopf heruntergedrückt und ist losgerast. Ich habe all diese Fälle dem FBI gemeldet. Das ist jetzt zwei Jahre her. Seit der Buchveröffentlichung gab es noch keine Drohung.

                        Gibt es Momente, in denen Sie wieder unbeschwert sein können?

                        Nein, das habe ich noch nicht erlebt. Ich wünschte manchmal, mein Arzt hätte die Möglichkeit, meine schrecklichen Erinnerungen zu löschen, sodass ich wieder unbeschwert leben könnte.

                        Haben Sie Pläne für die Zukunft?

                        Ich fühle mich in den USA sicher. Ich hoffe, dass mein Asylantrag bald genehmigt wird und ich dann zusammen mit meiner Familie hier für den Rest meines Lebens bleiben kann.

                        Mehr zum Thema:

                          • Menschenrechte
                          • Sport
                          • USA
                          • Xinjiang
                          • Zivilgesellschaft

                          Sportler wenden sich gegen IOC-Chef

                          Für den Januar hatte IOC-Präsident Thomas Bach eigentlich ein Mittagessen mit der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai in Peking vereinbart. Die Sportwelt macht sich um den Verbleib der Weltklasse-Athletin große Sorgen, nachdem sie einem Spitzenkader der Kommunistischen Partei sexuellen Missbrauch vorgeworfen hatte und seitdem nur unter mysteriösen Umständen in der Öffentlichkeit aufgetaucht ist. Bislang ist das Treffen aber noch nicht zustande gekommen.

                          Nun hat das IOC gegenüber China.Table angekündigt, dass die Verabredung eingehalten werde und im Laufe der Spiele stattfinden soll. Seit dem ersten Videotelefonat zwischen Peng und Bach am 21. November vergangenen Jahres sei “das IOC-Team mit ihr in Kontakt geblieben”. Seitdem habe es mehrere Online-Begegnungen gegeben, in deren Verlauf “man sich besser kennengelernt habe”, hieß es.

                          Laut IOC habe Peng mitgeteilt, dass sie sich sehr auf die Olympischen Spiele freue und beabsichtige, die Wettbewerbe und das Abschneiden der chinesischen Mannschaft sehr aufmerksam zu verfolgen. Sie freue sich auch auf das Treffen mit Thomas Bach, zu dem auch die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission, Emma Terho, eingeladen ist. “Bei der Organisation der verschiedenen Gespräche war das Chinesische Olympische Komitee immer sehr unterstützend. Es wird auch sicherstellen, dass das Treffen unter sehr strengen Covid-19-Maßnahmen (…) stattfinden kann.”

                          Bach lobt Pekings Effizienz, Entschlossenheit und Energie

                          Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees ist seit vergangenem Samstag in Peking, der Gastgeberstadt der Olympischen Winterspiele, die am 4. Februar beginnen. Staats- und Parteichef Xi Jinping hat Bach bereits zu einem persönlichen Gespräch getroffen. Der IOC-Chef nutzte die Gelegenheit dazu, seine Bewunderung für die Sportstätten sowie die “Effizienz, Entschlossenheit und Energie” der Organisatoren zum Ausdruck zu bringen. Ob es auch um Peng Shuai ging – dazu drang nichts an die Öffentlichkeit. Bach und Xi sprachen dem IOC zufolge über die “große Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking”.

                          Diese Wahrnehmung ist bemerkenswert. Denn schon jetzt ist klar, dass zahlreiche Staaten wie die USA, Australien, Japan, Großbritannien, Dänemark oder Kanada die Spiele wegen Chinas massiver Menschenrechtsverbrechen diplomatisch boykottieren werden. Die Bundesregierung vermeidet einen offiziellen Boykott, dennoch hat kein deutscher Regierungsvertreter eine Reise in die Volksrepublik angekündigt. Hinzu kommen zunehmend Vorwürfe von Sportlern und Funktionären, die Chinas Null-Covid-Strategie kritisieren und sogar eine mögliche Manipulation der Wettkämpfe befürchten.

                          Zuletzt tat dies der fünfmalige WM-Medaillengewinner Felix Neureuther aus Garmisch-Partenkirchen in einem Interview mit RTL/ntv. “Es ist ein Leichtes, diese Spiele zu manipulieren. Und da muss man meines Erachtens massiv drauf schauen. Weil sonst werden die Spiele zu einer absoluten Farce”, sagte der frühere Skirennläufer.

                          Top-Rodeler fordert Einhaltung der Menschenrechte

                          Neureuther traut dem Gastgeberland zu, dass es sportlichen Erfolg mit Betrug ermöglichen könnte. Er sei sicher, dass China “mit allen Mitteln” versuchen werde, sportlich erfolgreich zu sein. “Und wie geht es leichter, Konkurrenz auszuschalten als mit einem positiven Corona-Test? Keiner kontrolliert, wie die Tests kontrolliert werden”, sagte Neureuther dem Fernsehsender. Auch der deutsche Alpinchef Wolfgang Meier und der Präsident des Deutschen Snowboard-Verbandes, Michael Hölz, halten Manipulation an den Corona-Testergebnissen für nicht ausgeschlossen.

                          Das Misstrauen gegen die chinesischen Veranstalter ist Ergebnis der autoritären Staatsführung und der schier endlosen Liste an Menschenrechtsverbrechen in China, die vielen Olympia-Teilnehmern auf den Magen schlägt. Der dreimalige Rodel-Olympiasieger Felix Loch sagte vor seiner Abreise nach Peking in der ARD, die Spiele hätten erst gar nicht nach Peking vergeben werden sollen. Bei den Themen Menschenrechte und Medienfreiheit habe sich “nichts verändert”.

                          Mehr zum Thema:

                            • IOC
                            • Olympia
                            • Peng Shuai
                            • Sport

                            News

                            Frankreich: In Xinjiang findet “Genozid” statt

                            Die französische Nationalversammlung hat die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung an der uigurischen Minderheit in Xinjiang als Völkermord eingestuft. In einer Abstimmung am Donnerstag fiel das Urteil der Abgeordneten eindeutig aus. 169 Parlamentarier:innen votierten mit Ja. Es gab nur eine Nein-Stimme.

                            Das Ergebnis der Abstimmung wird nun offiziell der französischen Regierung vorgelegt, die eine öffentliche Verurteilung “der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Genozids” formulieren und außenpolitische Maßnahmen zur Beendigung des Völkermords ergreifen soll. Das Votum ist für die Regierung jedoch nicht bindend. Initiiert wurde die Abstimmung von den oppositionellen Sozialisten. Doch auch die Fraktion der Regierungspartei LREM von Staatspräsident Emmanuel Macron unterstützte die Resolution. “China ist eine Großmacht. Wir lieben das chinesische Volk. Aber wir weigern uns, uns der Propaganda eines Regimes zu unterwerfen, das auf unsere Feigheit und unsere Gier setzt, um vor aller Augen einen Völkermord zu begehen”, sagte der Vorsitzende der sozialistischen Partei, Olivier Faure.

                            Unabhängige Untersuchung der Xinjiang-Vorwürfe wird erschwert

                            Die französischen Abgeordneten kamen damit zu der gleichen Einschätzung wie zuvor die Parlamentarier in Kanada, den Niederlanden und Litauen sowie der tschechische Senat. Auch die Regierungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens sprechen offiziell von einem Genozid. Das belgische Parlament sieht das uigurische Volk einem “hohen Risiko” ausgesetzt, Opfer eines Völkermordes zu werden.

                            In Xinjiang sind laut Schätzungen etwa eine Million Uiguren in Internierungslagern inhaftiert. Chinas Regierung behauptet, die Lager seien Ausbildungszentren, um der lokalen Bevölkerung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Unabhängige Untersuchungen oder Recherchen durch die Vereinten Nationen, EU-Politiker, Diplomaten, Menschenrechtsgruppen oder Journalisten lässt die Volksrepublik nicht zu.

                            Ehemalige Häftlinge berichten jedoch von Folter, Vergewaltigungen und Gehirnwäsche, die die Menschen in den Lagern über sich ergehen lassen müssen. Uigurische Exilanten werfen Peking strikte und teils brutale Mittel zur Geburtenkontrolle vor, um eine Fortpflanzung zu verhindern. grz

                            Mehr zum Thema:

                              • Frankreich
                              • Litauen
                              • Menschenrechte
                              • Xinjiang
                              • Zivilgesellschaft

                              Kein US-Modell für EU-Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit

                              Die Europäische Kommission sucht weiterhin nach Wegen, Importe von Produkten aus Zwangsarbeit zu verbieten. Den Ansatz der US-Behörden lehnt Sabine Weyand, Generaldirektorin für Handel aus der EU-Kommission, als Vorbild ab. Das US-Modell, das produktspezifische Verbote mit Herkunftsverboten kombiniert, sei “nicht effektiv”, sagte Weyand am Dienstag vor dem Handelsausschuss des Europaparlaments. Im Falle Chinas würden beispielsweise Baumwollprodukte, die mit Xinjiang verbunden sind, aber auch Produkte aus Xinjiang allgemein darunter fallen.

                              In den USA gilt somit die grundlegende Annahme, dass alle Güter aus Xinjiang Zwangsarbeit beinhalte. Die Importeure sind verpflichtet, dies zu widerlagen. Das sei eine “schwere Belastung”, sagt Weyand. Laut dem entsprechenden Abschnitt zur Zwangsarbeit im US Tariff Act darf der US-Zoll Einfuhren auf Zwangsarbeit überprüfen und blockieren. Weyand sieht darin einen möglichen bürokratischen Alptraum für die Zollabwicklung der EU. Sie sprach sich dagegen für eine Aufnahme eines Importverbots für Produkte aus Zwangsarbeit in das geplante EU-Lieferkettengesetz aus. Eine eigenständige Gesetzgebung wie in den USA benötige auch mehr Zeit.

                              Das EU-Lieferkettengesetz soll am 15. Februar vorgestellt werden. Allerdings ist sich die EU-Kommission intern bisher nicht einig, ob Produkte aus Zwangsarbeit eingebunden werden sollen oder nicht (China.Table berichtete). Der Zeitplan könnte also knapp werden.

                              Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), kritisierte die internen Unstimmigkeiten der EU-Kommission. “Es ist unfassbar, dass ein internes, geheim tagendes Gremium die EU-Kommission bremst – und damit das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten seit beinahe einem Jahr vertröstet werden”, so Lange. “Spätestens nach der Rede zur Lage der Union, in der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen hat, entschlossen gegen Zwangsarbeit vorzugehen, hätte Bewegung in die EU-Kommission kommen müssen.” Die EU-Kommissionschefin hatte in dieser Rede im September einen Einfuhr-Bann angekündigt (China.Table berichtete). Der Vorstellungstermin für das EU-Lieferkettengesetz wurde seit dem Frühjahr 2021 bereits mehrfach verschoben. ari

                              Mehr zum Thema:

                                • EU
                                • Handel
                                • Lieferketten

                                Australien Open erlaubt Proteste wegen Peng Shuai

                                Die Sorge um das ungeklärte Schicksal der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai hat die Australien Open in Melbourne erreicht. Zuschauer bei dem Grand Slam-Turnier dürfen nach einer Kehrtwende der Ausrichter nun doch T-Shirts mit der Aufschrift “Wo ist Peng Shuai?” tragen. Am Wochenende waren die Veranstalter unter Druck geraten, nachdem Videos im Internet viral gegangen waren: Darin zwang das Sicherheitspersonal Zuschauer, solche T-Shirts auszuziehen. Auch entfernten sie ein Peng-Banner.

                                Die Ausrichter hatten nach einem Bericht von AFP zunächst auf Turnierregularien beharrt, die Kleidungsstücke, Banner oder Schilder mit “werbendem oder politischem” Inhalt verbieten. Am Dienstag sagte Turnier-Chef Craig Tiley nun, Menschen dürften nun doch mit Kleidungsstücken ins Stadion, die als Kritik am Umgang Chinas mit Peng Shuai verstanden werden können – “solange sie nicht als störender Mob kommen, sondern friedlich sind.” Banner dürften aber niemandem die Sicht auf die Matches verstellen.

                                Im chinesischen Online-Dienst Weibo hatte Peng Shuai Anfang November dem früheren chinesischen Vize-Regierungschef Zhang Gaoli sexuelle Nötigung vorgeworfen (China.Table berichtete). Der Beitrag wurde rasch von den chinesischen Behörden zensiert. Peng selbst wurde fast drei Wochen lang nicht in der Öffentlichkeit gesehen. Sportverbände, die Vereinten Nationen und westliche Regierungen zeigten sich daraufhin alarmiert über das Schicksal des Tennisstars. Seitdem wurde die frühere Weltranglistenerste im Doppel mehrmals gesehen – unter anderem gab sie ein Fernsehinterview in Singapur. Ihre Situation ist aber weiter unklar. Das Ausland sorgt sich daher weiter um Pengs Wohlergehen. Der Frauen-Tennisverband WTA hat aus Protest seine Turniere in China vorerst ausgesetzt.

                                Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian kritisierte am Montag angesichts der Videos wenig überraschend eine “Politisierung des Sports”. Es gebe “keinerlei Unterstützung” für solche Proteste. Doch das stimmt nicht ganz. Die 18-malige Grand-Slam-Turniersiegerin Martina Nawratilowa etwa warf den Australian Open-Veranstaltern eine “Kapitulation” vor China vor. ck

                                Mehr zum Thema:

                                  • Menschenrechte
                                  • Peng Shuai
                                  • Sport
                                  • Zivilgesellschaft

                                  Qinghai verbietet religiöse Gruppenchats

                                  Die Behörden in der nordwestchinesischen Provinz Qinghai haben ein Verbot von Gruppenchats mit religiösem Hintergrund angekündigt. Entsprechender digitaler Austausch über soziale Medien soll ab dem 1. März bestraft werden, berichtet Radio Free Asia (RFA). Besonders betroffen von der Regelung sind tibetische Buddhisten. Qinghai zählt zu den größten tibetischen Siedlungsgebieten außerhalb Tibets. Rund 1,2 Millionen Tibeter leben in der Provinz.

                                  Von dem Verbot betroffen sind demnach auch Gruppenchats, in denen lediglich Informationen zu religiösen Feiertagen oder über Pilgerfahrten verbreitet werden. Laut RFA-Quellen sei die neue Regelung am 20. Januar von der Provinzregierung verkündet worden.

                                  Neben der tibetischen Gemeinde leben in Qinghai auch mehrere Hunderttausend Angehörige der Hui-Ethnie, die überwiegend muslimischen Glaubens sind. Qinghai ist die einzige Provinz der Volksrepublik China, die sowohl eine Grenze mit Tibet als auch mit der muslimisch geprägten Autonomen Region Xinjiang teilt. Sowohl Buddhisten als auch Muslime klagen seit Jahren über Diskriminierung und fortwährende Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Behörden (China.Table berichtete). grz

                                  Mehr zum Thema:

                                    • Menschenrechte
                                    • Tibet
                                    • Zivilgesellschaft

                                    US-Repräsentantenhaus will China mit neuem Gesetz eindämmen

                                    Das US-Repräsentantenhaus hat zur Stärkung des Wettbewerbs mit China und der Menschenrechte einen umfassenden Gesetzesvorschlag vorgelegt Der fast 3000 Seiten starke Entwurf mit dem Namen “America Competes Act of 2022” umfasst Milliarden US-Dollar Fördergeld für die Halbleiterindustrie der Vereinigten Staaten. Außerdem sind neue Bestimmungen zur Stärkung der US-Beziehungen zu Taiwan und dem der Quad-Allianz aus den USA, Japan, Indien und Australien enthalten. Mit rund 100 Millionen US-Dollar sollen zudem Zensur und Desinformation der chinesischen Regierung entgegengewirkt werden.

                                    Weitere wichtige Punkte des Gesetzesvorschlags:

                                    • Berufung eines neuen US-Sondergesandten im US-Außenministerium, um eine Reaktion auf “die groben Verletzungen der allgemein anerkannten Menschenrechte” in Xinjiang zu koordinieren
                                    • Erweiterung des “Uyghur Human Rights Policy Act”, um Beamte in Xinjiang für “eine Politik und Praktiken der systematischen Vergewaltigung, Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation oder unfreiwilligen Implantation von Verhütungsmitteln” zu sanktionieren.
                                    • Aus Xinjiang Geflohene erhalten mit Priorität einen Flüchtlingsstatus in den USA
                                    • Auch einigen aus Hongkong geflohenen Menschen könnte einfacher der Flüchtlingsstatus zukommen, wenn diese wegen Repressionen durch das Nationale Sicherheitsgesetz die Stadt verlassen mussten
                                    • Verlängerung des US-Verbots, Munition an die Hongkonger Polizei zu exportieren, bis diese ein Jahr lang “keine groben Menschenrechtsverletzungen mehr begangen hat”
                                    • Anweisung des US-Außenministeriums, den Namen der taiwanesischen Vertretung in Washington von “Taipei Economic and Cultural Representative Office” zu “Taiwan Representative Office in the United States” zu ändern. Die Namensänderung würde “die sich wesentlich vertiefenden Beziehungen zwischen Taiwan und den Vereinigten Staaten widerspiegeln”
                                    • Mit rund zehn Millionen US-Dollar sollen Sprachzentren finanziert werden, die Chinas umstrittene Konfuzius-Institute ersetzen sollen

                                    US-Präsident Joe Biden begrüßte die Gesetzesvorlage. “Gemeinsam haben wir die Gelegenheit, China und dem Rest der Welt zu zeigen, dass das 21. Jahrhundert das amerikanische Jahrhundert sein wird”, erklärte Biden. Die Vorlage muss nun zunächst im Repräsentantenhaus debattiert und verabschiedet werden. Danach wird sie gegebenenfalls dem Senat vorgelegt. Die zeitliche Abfolge dafür ist bisher noch nicht klar. ari

                                    Mehr zum Thema:

                                      • Geopolitik
                                      • Hongkong
                                      • Menschenrechte
                                      • USA
                                      • Xinjiang
                                      • Zivilgesellschaft

                                      Portrait

                                      Peng Jingtang – Hongkongs Militärchef kommt aus der Terrorabwehr

                                      Peng Jingtan, neuer Chef des Militärs, an der Seite von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam.
                                      Peng Jingtang an der Seite von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam

                                      Peng Jingtang tritt seinen neuen Posten mit einem markigen Versprechen an. Als Chef der Hongkonger Garnison der Volksbefreiungsarmee werde er “Verteidigungspflichten in Übereinstimmung mit dem Gesetz erfüllen, die nationale Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen entschlossen verteidigen und den langfristigen Wohlstand und die Stabilität Hongkongs fest schützen”.

                                      Pengs Worte dürfen die verbliebenen pro-demokratischen Kräfte in der Stadt durchaus als Drohung verstehen. Peking setzt ein klares Signal mit der Ernennung des Generalmajors zum örtlichen PLA-Chef, der sich auch gleich ermächtigt fühlte, in der Sicherheitspolitik der Stadt ein Wörtchen mitzureden. Gemäß dem Basic Law, das gemeinhin auch als Mini-Verfassung Hongkongs bezeichnet wird, hat Peking die Hoheit über Hongkongs Außen- und Verteidigungspolitik. Zwischen den Zeilen formulierte Peng relativ unverblümt, dass die chinesische Regierung in Zukunft bereit ist, das Militär gegen die Menschen in Hongkong einzusetzen.

                                      In der vergangenen Woche versicherte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam dem lokalen Oberbefehlshaber bereits, dass ihre Regierung mit Peng eng zusammenarbeiten werde. Die Chancen, dass die dortige pro-demokratische Protestbewegung noch einmal aufflammt, ist zwar verschwindend gering. Schließlich sitzen nahezu alle führenden Köpfe der Opposition in Haft oder sind ins Ausland geflohen. Doch Peking hat aus den Erfahrungen im eigenen Land gelernt, dass autoritäre Staatsführung vor allem mit Abschreckung funktioniert. Da kommt ein berüchtigter Militär mit Erfahrung im vermeintlichen Anti-Terrorkampf als Menetekel genau richtig.

                                      Denn Peng Jingtang kommandierte vor seiner Berufung nach Hongkong die paramilitärische bewaffnete Volkspolizei in Xinjiang. Seit 2018 war er dort mitverantwortlich für die Verhaftungen von Hunderttausenden uigurischen Männern und Frauen. Rund eine Million Menschen sitzt dort in Internierungslagern ein. Peking rechtfertigt die Existenz der Lager unter anderem mit dem Verweis auf die Terrorgefahr in der Region. Mehrere Regierungen, darunter die amerikanische, haben die Vorgehensweise Pekings in Xinjiang dagegen als Völkermord eingestuft.

                                      Dass die Versetzung Pengs nach Hongkong kein zufälliges Posten-Roulette ist, sondern Kalkül, bestätigte Staatspräsident Xi Jinping mit seiner persönlichen Signatur unter der Berufung des neuen Manns. Zuvor war bereits der Sicherheitschef der Provinz Xinjiang versetzt worden (China.Table berichtete). Wang Junzheng wurde nach knapp zwei Jahren nach Tibet abkommandiert. Auch dort ist die Sicherheitslage seit Jahren extrem angespannt. Marcel Grzanna

                                      Mehr zum Thema:

                                        • Hongkong
                                        • Menschenrechte
                                        • Xi Jinping
                                        • Xinjiang
                                        • Zivilgesellschaft

                                        China.Table Redaktion

                                        CHINA.TABLE REDAKTION

                                        Licenses:

                                          Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

                                          Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

                                          Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

                                          Anmelden und weiterlesen