Table.Briefing: China

Paris kommt an Peking nicht vorbei + Steuergeschenke

  • Frankreich rückt Indo-Pazifik in den Fokus
  • Expats profitieren von Steuer-Aufschub
  • Staatsunternehmen müssen CO2 reduzieren
  • Beamte in Xi’an wegen ihres Corona-Managements entlassen
  • Warnung an Deutschland wegen Taiwan
  • Pro-demokratische Medien in Hongkong unter Druck
  • Daimler wegen Werbung gerügt
  • China kürzt Subventionen für E-Autos
  • Standpunkt: Die Feinheiten des chinesischen Insolvenzrechts
  • Im Portrait: Axel Schweitzer – sucht die Zukunft des Recyclings
Liebe Leserin, lieber Leser,

im Verhältnis zu China hat die neue Bundesregierung eine klare Richtung vorgegeben: Die deutsche Haltung soll europäischer werden. Da trifft es sich, dass mit Frankreich zum Jahreswechsel Deutschlands engster Partner die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat. 

China.Table Trade hat sich die europäische Agenda des französischen Staatschefs genauer angeschaut und festgestellt: Auch wenn Emmanuel Macron einen indo-pazifischen Schwerpunkt setzen will und China nicht explizit oben auf der Liste steht, wird an der Volksrepublik kein Weg vorbeiführen. Neben strategischen Beschlüssen stehen zudem auch wichtige Personalentscheidungen an.

Chinas Öffnungspolitik eilt aktuell ja ein eher schlechter Ruf voraus. Doch es geht auch anders. Just zum Jahreswechsel hat der chinesische Staatsrat allen ausländischen Angestellten in China ein unverhofftes Geschenk gemacht: Die geplante Umstellung des Steuerrechts wurde um ein Jahr verschoben. Finn Mayer-Kuckuk hat sich die Situation genauer angeschaut. In Zeiten von nahezu vollständig geschlossener Grenzen ist die Verschiebung ein unverhofftes Kooperationsangebot an die internationale Wirtschaft.

Wir wünschen Ihnen eine spannende erste Lektüre im Jahr 2022!

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Analyse

Frankreichs EU-Präsidentschaft kommt an China nicht vorbei

Neues Jahr, neue EU-Ratspräsidentschaft: Am 1. Januar hat Frankreich die Führung im Gremium der Staats- und Regierungschefs übernommen. In der französischen Hauptstadt trug zu diesem Anlass sogar der Eiffelturm die EU-Flagge. Nach der relativ schwachen und von Kontroversen begleiteten Ratspräsidentschaft der Slowenen unter dem umstrittenen Ministerpräsidenten Janez Janša übernimmt nun Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Die Erwartungen sind groß, startete der 44-Jährige seine eigene, die französische Präsidentschaft doch einst mit einer klaren europäischen Ausrichtung. Drei Hauptpfeiler sollen die kommenden sechs Monate prägen: “Relance, puissance, appartenance” – “Erholung, Kraft, Zugehörigkeit”.

China steht zwar nicht oben auf der Agenda. Doch die aktuellen Handelsprobleme mit Litauen rücken das Verhältnis der EU zur Volksrepublik zwangsläufig in den Vordergrund. Auch anlässlich der anstehenden Olympischen Winterspiele ringt die EU weiterhin um einen gemeinsamen Ansatz. Auf der heimischen Agenda kommt zudem noch die französische Präsidentschaftswahl im April dazu – die Franzosen starten also mit einer vollen Agenda.

Für Paris werden vor allem die ersten drei Monate des Jahres intensiv, sagt der Wissenschaftler Antoine Bondaz, der sich für den französischen Think-Tank “Fondation pour la recherche stratégique” (FRS) mit China und Asien beschäftigt. Ab April werde es dann schwieriger, Veranstaltung mit ranghohen Vertretern zu planen. Dann beginnt der Wahlkampfs in Frankreich. Außenpolitik spielt im Rennen um das höchste Amt Frankreichs bisher eine verschwindend kleine Rolle. Die Debatte ist geprägt von Migration und Corona-Politik.

Ministertreffen für Indo-Pazifik Ende Februar

Auch in der französischen EU-Ratspräsidentschaft wird der Fokus auf den Dauerthemen Migration und Corona-Pandemie liegen. In seiner Neujahrsansprache versprach Macron, alles dafür zu tun, dass die Ratspräsidentschaft ein Moment des Fortschritts werde: “Fortschritt bei der Kontrolle unserer Grenzen, bei klimafreundlichen Technologien, bei der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, beim Aufbau eines neuen Bündnisses mit Afrika, bei einer besseren Überwachung der großen Internet-Plattformen, bei der Kultur in Europa.”

Macron will in den kommenden sechs Monaten unter anderem eine Schengen-Reform zur besseren Grenzverteidigung auf den Weg bringen und sich für einen EU-weiten Mindestlohn sowie die Schaffung eines CO2-Grenzausgleichs für Importe, dem sogenannten “Carbon Border Adjustment Mechanism” (CBAM), einsetzen (China.Table berichtete).

Außenpolitisch werde es vor allem um “puissance” gehen – Kraft und Power, die Brüssel als selbst benannte geopolitische Macht ausstrahlen möchte, erklärt Bondaz. In den Mittelpunkt rückt hier vor allem die indopazifische Region – denn sieben der 13 Übersee-Départements Frankreichs liegen im Indischen Ozean und Südpazifik. Der Élysée hatte bereits 2018 eine Strategie für die Region vorgelegt.

Unter der Führung der Franzosen werde deshalb vor allem die Indo-Pazifik-Strategie der EU in den Fokus rücken, ist Bondaz überzeugt. Für Ende Februar ist erstmals ein Ministertreffen zwischen den Mitgliedsstaaten und den Ländern der Region geplant. “Das wird ein großes Ereignis in Paris.” Ob daraus auch konkrete Ergebnisse hervorgehen werden, sei jedoch offen, sagt Bondaz. Zeit wäre es jedoch.

China zwangsläufig auf der Agenda

Brüssel hatte seine Indo-Pazifik-Strategie im September vorgestellt. Entscheidend sei nun, dass zügig Schlüsselprojekte identifiziert und angegangen werden, so der französische Forscher. “Wie stellen wir sicher, dass wir Synergien mit den Partnern in der Region wie Japan und Korea aufbauen können?” Diese und andere Fragen beschäftigen die französische EU-Ratspräsidentschaft. “Wir brauchen jetzt Pilotprojekte, da es bisher keine klaren Initiativen gibt.” China stehe dabei offiziell zwar nicht auf der Prioritätenliste – durch ein verstärktes Engagement im Indo-Pazifik werde das Verhältnis zu Peking aber sicher inoffiziell eine Rolle spielen.

Dass Frankreich sich dabei quasi auf heimatlichen Grund bewegt, sieht Bondaz als Vorteil. Rund 1,5 Millionen französische Staatsbürger leben in der indo-pazifischen Region. Im Indischen Ozean auf den Inseln La Réunion und Mayotte, im Pazifik in Neukaledonien und Französisch-Polynesien. Zudem sind 7000 französische Soldaten dauerhaft im Indo-Pazifik stationiert. Die Besonderheiten der Region müssen bei der Umsetzung der EU-Strategie aufgezeigt werden, vor allem die “maritime Dimension”, so Bondaz. Dabei geht es vor allem um die Sicherung internationaler Seewege und wichtiger maritimer Handelsrouten. Ein Thema, bei dem Peking wachsenden Einfluss auf die Straße von Taiwan befürchtet. Es birgt deshalb Konfliktpotential.

Auch eine andere geopolitische Strategie aus Brüssel muss in den sechs Monaten der französischen Ratspräsidentschaft an Fahrt gewinnen: Die Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” soll nach Willen der EU-Kommission bis Mitte 2022 konkrete Projekte zutage fördern.

Macron: Mehr Unabhängigkeit in Produktion und Lieferketten

Präsident Macron spricht sich nicht zuletzt seit Beginn der Corona-Pandemie für eine unabhängigere Versorgung Europas aus und lässt beispielsweise bereits die Produktion von Paracetamol wieder in Frankreich ansiedeln. In seiner Rede über die Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft betonte Macron das Streben nach Autarkie, auch im Bereich der Halbleiter.

Zudem ließ Macron bei besagter Rede eine Äußerung fallen, die weniger gut ankam. Angesprochen auf einen möglichen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking, zeigte Frankreichs Staatschef, dass er von einem Fernbleiben nicht viel hält: “Ich denke nicht, dass wir diese Themen politisieren sollten, insbesondere wenn es sich um unbedeutende und symbolische Schritte handelt.” Frankreichs Präsident werde jedoch nicht nach Peking fahren, ist sich Bondaz sicher. Eventuell werde man Minister schicken – Macron selbst werde aber nicht reisen, auch wenn er im Sommer die Olympischen Spiele in Japan besucht hat. Sollte es dazu Beschwerden aus Peking geben, könne die Präsidentschaftswahl in Frankreich oder die Pandemie-Situation als Begründung genannt werden, so Bondaz. Paris ist übrigens Gastgeber der Olympischen Spiele 2024.

Geringe Chancen für Renaissance des CAI

Dass das immer noch lahmgelegte Investitionsabkommen CAI unter der französischen Ratspräsidentschaft ein Revival erlebt, hält Bondaz für ausgeschlossen. Derzeit gebe es keinen Ausweg aus der Sackgasse der gegenseitigen Sanktionen – daran könne auch Frankreich nichts ändern. Auf Macron hagelte kurz nach der politischen Einigung im Dezember 2020 Kritik von links und rechts (China.Table berichtete). Er wäre also nicht schlecht beraten, das in Frankreich unbeliebte Abkommen einfach im Eisschrank zu lassen, solange er im Wahlkampf steckt.

Brüssel hatte mehrfach die Absicht gezeigt, Handelsinstrumente fertigzustellen, die wehrhaft gegen Peking zum Einsatz kommen könnten, während das CAI unbearbeitet blieb. Im kommenden Jahr sollen unter anderem neue Vorgaben für die internationale Beschaffung durch das “International Procurement Instrument” (IPI) abgeschlossen werden. Hier droht jedoch ein Disput zwischen Parlament und EU-Rat, was die Umsetzungshoheit angeht (China.Table berichtete). Es wird jedoch erwartet, dass IPI unter der französischen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden kann.

Gesprächsbedarf über die Federführung gibt es auch beim “Anti-coercion instrument” (API), mit welchem effektiver auf wirtschaftlichen Druck von Drittstaaten wie China reagiert werden soll. Angesichts des aktuellen Beispiels von Litauen liegt ein besonderer Fokus auf der Initiative der EU-Kommission, die zeitnah im Rat und EU-Parlament beraten werden soll.

Neue Botschafter in Peking und Brüssel

In den ersten sechs Monaten wird zudem ein Fortschritt bei der Gesetzgebung für ausländische Investitionen erwartet. Im März soll der sogenannte Strategische Kompass der EU beschlossen werden (China.Table berichtete). Zudem wird weiterhin nach einem passenden Zeitpunkt für ein persönliches Treffen zwischen der EU- und der chinesischen Führungsspitze gesucht. Für das mögliche Gipfeltreffen kursierten bereits mehrere Terminmöglichkeiten – die anhaltende Pandemie-Lage, die Winterspiele in Peking und der Volkskongress Anfang März machen es jedoch unwahrscheinlich, dass es in den ersten drei Monaten des Jahres dazu kommen wird.

2022 hält zudem einige personelle Neubesetzungen bereit: Chinas Botschafter in Brüssel, Zhang Ming, habe die belgische Hauptstadt bereits verlassen, schrieb die chinesische EU-Mission in ihrem Newsletter vom Silvestertag. Wer nachfolgen wird, ist demnach noch unklar. Auch auf der anderen Seite wird es einen Wechsel geben. Denn auch der EU-Botschafter in China, Nicolas Chapuis, wird seinen Posten bald verlassen.

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    Aufschub im Steuerrecht kommt Expats entgegen

    Der Wegfall von Steuererleichterungen für in China lebende Ausländer ist ein heiß diskutiertes Thema in der Expat-Community. Nun hat der Staatsrat unter Li Keqiang beschlossen, die Übergangsfrist bis Ende des neuen Jahres zu verlängern (China.Table berichtete). Im Jahr 2022 gelten demnach weiterhin die Regeln des vergangenen Jahres. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ab 2023 soll wie geplant die Angleichung an die Regeln für Inländer endgültig kommen.

    Die Auslandshandelskammern verbuchen die Verschiebung als einen Erfolg ihrer Lobbyarbeit. Sowohl die nationalen Kammern als auch die US-Außenhandelskammer (Amcham) sowie die EU-Handelskammer (European Chamber) hatten bei ihren chinesischen Regierungskontakten darauf hingearbeitet, die Steuerreform möglichst zu kippen. Nun gabe es zumindest einen Aufschub. “Die Verlängerung der nicht besteuerten Zuwendungen ist von größter Wichtigkeit nicht nur für eine große Zahl ausländischer Unternehmen, die erfahrene Expatriierte beschäftigen, sondern auch für China selbst”, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Kammer. Eine drohende Abwanderung von internationalem Fachpersonal könne so noch einmal abgewendet werden.

    Generell gilt die Entscheidung kurz vor Jahresende als positives Signal in Zeiten einer hartnäckigen Abriegelung der chinesischen Grenzen aufgrund der Corona-Pandemie. Gepaart mit den Bestrebungen der chinesischen Regierung hin zu mehr industrieller Eigenständigkeit hatten sich internationale Firmen immer weniger willkommen gefühlt. Statt der lange versprochenen Öffnung haben sie eher eine Verschiebung der bestehenden Restriktionen auf neue Felder erlebt.

    Neue Abzugsmöglichkeiten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

    Aus chinesischer Sicht war die Änderung des Steuerrechts dagegen ein logischer Schritt. Die Verpflichtungen der ausländischen Mitarbeiter würden sich damit den allgemein gültigen Regeln in China angleichen. Konkret geht es um eine Reihe von Leistungen des Arbeitgebers:

    • Wohnungsmiete
    • Schulgeld für die Kinder
    • Sprachschule
    • Verpflegung
    • Jahresboni

    Diese Nebenleistungen (benefits in kind, BIK) müssen in der Regel direkt vom Arbeitgeber bezahlt werden. Sie sollten für eine bessere Übersichtlichkeit nicht über das Konto des Arbeitnehmers laufen. Doch gerade bei den kleineren Posten erkennen die Finanzämter auch Rückerstattungen für Quittungen (Fapiao) an.

    Es sind innerhalb der neuen Regelungen zwar neue Abzugsmöglichkeiten vorgesehen. Der Effekt der Einsparungen würde aber bei weitem nicht an die bisher Abzugsmöglichkeiten heranreichen. Nach den neuen Regeln sollen abzugsfähig sein:

    • Miete
    • Schulgeld
    • Hypothekenzinsen
    • Krankheitskosten
    • Zuwendungen für Senioren in der Familie

    Die letzteren Punkte zeigen deutlich die Nähe zum einheimischen Steuerrecht. Sie kommen bei Expats nur selten vor. Der große Unterschied zum alten System: Vorher liefen diese Leistungen einfach komplett am Einkommen vorbei. Künftig gelten sie zwar als geldwerte Vorteile, doch lassen sich zumindest Freibeträge absetzen. Diese sind allerdings klein bemessen.

    So sind für Schulgeld 1000 Yuan im Monat abzugsfähig. Doch allein die Deutsche Schule in Peking kostet im ersten Jahr jedoch (je nach Einzelfall) über 25.000 Euro. Umgerechnet sind das rund 15.000 Yuan im Monat. Die Amcham schätzt, dass ein Mitarbeiter, der bisher 960.000 Yuan an Nebenleistungen im Jahr erhält, dafür künftig 785.000 Yuan mehr Steuern zahlen müsste. Das wären gut 100.000 Euro. Da die Arbeitsverträge oft eine Gleichstellung mit dem Heimatstandort versprechen, sind das in Zukunft dann zusätzliche Kosten für das Unternehmen.

    Der Standort China verliert an Attraktivität

    Die Grundzüge der Neuregelegung sind seit Anfang 2019 bekannt. Seit 2018 lief eine ursprünglich auf drei Jahre angelegt Übergangsfrist. Expats können derzeit wählen, ob sie nach dem alten oder dem neuen Verfahren versteuern wollen. Die reformierte Version hat jedoch nur wenig freiwillige Anhänger gefunden. Zahlen der Amcham zufolge hat sich eine überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter für die bisherigen Vorteile entschieden.

    In vielen Fällen wird die Neuregelegung jedoch vor allem die Arbeitgeber betreffen. In Entsendeverträgen ist oft vorgesehen, dass die Firma die Mehrkosten trägt. Doch auch das ist für den Standort China relevant. Entsendungen sind für die Organisationen ohnehin teuer. Als Reaktion auf die steigenden Kosten wäre die betriebswirtschaftlich naheliegende Reaktion, Expat-Positionen abzubauen.

    Die Kammern warnen jedenfalls vor zwei Trends: Abwanderung von Expats, die die Kosten selbst tragen müssen, und einen Bedeutungsverlust des Standorts China. In China liegt der Regelsteuersatz mit 45 Prozent im asiatischen Vergleich bereits eher hoch. Der Wert rangiert auch über dem EU-Schnitt. Die Unternehmensberatung KPMG sieht China hier auf dem gleichen Level wie Deutschland. Die EU-Kammer erwartet nun, dass die freundliche Geste des Staatsrates “Chinas internationale Beziehungen insgesamt verbessern” wird.

    Mit der Streckung der Übergangsfrist ist eine Kernforderung der Kammern erfüllt. Sie wünschen sich darüber hinaus jedoch einen Erhalt unversteuerter Zuwendungen. Die Amcham in Shanghai erbittet zudem mehr Berechenbarkeit bei Regeländerungen. Eine Ankündigung sechs Monate im Voraus sei erforderlich, damit die Firmen sich darauf einstellen könnten. Dieser Vorlauf war bei der plötzlichen Entscheidung am Silvestertag zwar nicht gegeben. Doch immerhin ging der Schritt diesmal in die gewünschte Richtung.

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      Staatsfirmen müssen Klima schützen

      China hat 97 “zentralen Staatsunternehmen” vorgeschrieben, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren zu senken. Zudem sollen die Unternehmen ihre Kapazitäten für die Erzeugung von erneuerbaren Energien erhöhen. Das geht aus einer behördlichen Anordnung von 30. Dezember 2021 hervor. Beim Energieverbrauch und den Treibhausgasemissionen werden jedoch abermals keine absoluten Ziele gesetzt. Vielmehr sollen bis 2025 die Energieeffizienz, das heißt der Energieverbrauch in Relation zur Produktion der Unternehmen um 15 Prozent, und die CO2-Emissionen in Relation zur Produktion um 18 Prozent im Vergleich zu 2020 reduziert werden. Bis 2030 sollen die Emissionen in Relation zur Produktion um 65 Prozent fallen – hier allerdings im Vergleich zu 2005.

      Zudem sollen erneuerbare Energien bis 2025 mehr als 50 Prozent der Stromerzeugungskapazität der zentralen Staatsunternehmen ausmachen. Die Vorgabe zum Ausbau der erneuerbaren Energien bedeutet, dass “in den nächsten vier Jahren Hunderte Gigawatt an Solar- und Windkraftanlagen gebaut werden”, schreibt die Energieexpertin Yan Qin von Refinitiv, einem Anbieter von Finanzmarktdaten, auf Twitter.

      Als zentrale Staatsunternehmen gelten 97 Unternehmen, die im Auftrag der chinesischen Regierung kommerzielle Tätigkeiten ausüben. Viele davon sind in Energie-intensiven Sektoren wie der Stahlindustrie, dem Bauwesen, der Luftfahrt, Telekommunikation, Stromerzeugung und im Bergbau tätig, wie die South China Morning Post berichtet. Die zentralen Staatsunternehmen sind laut Yan Qin für 90 Prozent der nationalen Öl- und Gasversorgung, 60 Prozent der Stromversorgung und 25 Prozent der Kohleversorgung verantwortlich. Sie “spielen eine wichtige Rolle für die Wirtschaft, gleichzeitig gehören sie aber auch zu den Hauptverursachern von Kohlenstoffemissionen. Sie sollten eine Vorbildfunktion bei der Erreichung der Klimaziele spielen”, erklärte die State-owned Assets Supervision and Administration Commission (SASAC) des Staatsrats, die die Richtlinie erlassen hat. nib

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        Beamte in Xi’an wegen schlechter Covid-Maßnahmen entlassen

        Zwei ranghohe Beamte in Millionenstadt Xi’an wurden am Sonntag von ihren Posten entlassen. Das berichtet die Zeitung “South China Morning Post”. Als Grund wird die schlechte Handhabung des aktuellen Corona-Ausbruchs genannt. Etliche Bewohner der Stadt hatten über Lebensmittelknappheit geklagt.

        Der Volkszeitung zufolge waren Wang Bin und Cui Shiyue für den Bezirk Yanta zuständig. Es ist der Distrikt, der am schwersten vom aktuellen Corona-Ausbruch betroffen ist. Wang Bin war zuletzt als KP-Funktionär Vorsitzender des Distriktkomitees, Cui Shiyue sein Stellvertreter.  Die Entlassungen erfolgen just zu der Zeit, in der sich die Lage in der Provinzhauptstadt der zentralchinesischen Provinz Shaanxi endlich etwas entspannt. Am Wochenende fiel die Zahl der täglichen Neuinfektionen erstmals seit dem 24. Dezember wieder unter 100. Landesweit wurden 101 neue Fälle registriert, 90 allein in Xi’an.

        Seit einigen Tagen gilt für die rund 13 Millionen Einwohner von Xi’an ein strikter Lockdown (China.Table berichtete). Anfangs durften die Menschen noch alle paar Tage zum Lebensmitteleinkauf ihre Häuser verlassen, inzwischen dürfen sie nur noch für die verpflichtenden Covid-Tests hinaus. Sie sind deshalb vollständig von staatlich organisierten Lieferungen abhängig. Während die chinesischen Staatsmedien ein weitgehend rosiges Bild von sich aufopfernden Nachbarschaftskomitees und dankbaren Bewohnern zeichnen, berichtet der deutsche Journalist Fabian Kretschmer hingegen anderes: “Es ist über eine Woche her, dass wir unsere Wohnanlage nicht mehr verlassen können, und die Bezirksregierung organisiert bislang weder Fleisch, Milch noch sonstiges Essen“, sagt ihm eine Chinesin aus dem Südteil der Stadt, dem Epizentrum des Corona-Ausbruchs.

        China verfolgt in der Pandemie eine strikte Null-Covid-Strategie: Mit rigiden Maßnahmen wie nun wieder in Xi’an hat man das Coronavirus bislang weitgehend in den Griff bekommen. Allerdings ist es seit Herbst zu mehreren Ausbrüchen gekommen. Jetzt fürchten die Verantwortlichen die weitaus infektiösere Omikron-Variante. rad

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          Diplomat warnt Berlin vor “Taiwan-Büro”

          Die litauische Regierung erwägt ein Hilfspaket in Höhe von bis zu 130 Millionen Euro, um Unternehmen zu unterstützen, die von einer chinesischen Zollblockade betroffen sind. Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung seien den Unternehmen zunächst sechs Millionen Euro zugewiesen worden, sagte Litauens Finanzministerin Gintarė Skaistė. China habe “unangekündigte Sanktionen” gegen litauische Firmen verhängt. Im Gegenzug warf die Geschäftsstelle der Volksrepublik in Litauen dem baltischen Land vor, den bilateralen Streit auf EU-Ebene eskalieren zu lassen.

          Unterdessen warnte ein chinesischer Diplomat in Deutschland die neue Bundesregierung, dem litauischen Beispiel zu folgen und ein Taiwan-Büro unter diesem Namen zuzulassen. Berlin solle nicht die “Taiwan-Karte” spielen, sagte Wang Weidong, Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der chinesischen Botschaft in Deutschland, der chinesischen Zeitung “Global Times”. Litauen beabsichtige, die Position der EU zu Taiwan als Geisel zu halten und spreche fälschlicherweise von wirtschaftlichem Zwang, so Wang. Die Volksrepublik habe sich strikt an die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten. Berichte in westlichen Medien über eine Zollblockade litauischer Waren seien “völlig unbegründet”. Das Interview erfolgte als Reaktion auf ein Schreiben der deutsch-baltischen Handelskammer, in dem vor Fabrikschließungen gewarnt wurde, sollte der Streit nicht beigelegt werden können (China.Table berichtete).

          Die Volksrepublik blockiert seit einem Monat den Import litauischer Waren. Diese werden vom Zoll nicht mehr abgewickelt. Betroffen sind auch andere EU-Staaten, wenn ihre Produkte Komponenten aus Litauen enthalten. Offen bekannt hat sich Peking zu dem Vorgehen noch nicht. Die Europäische Union sammelt derzeit Informationen, um möglicherweise eine Klage bei der WTO anzustreben. ari

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            Letzte pro-demokratische Medien in Hongkong geben auf

            Mit dem Medium “Citizen News” stellt am Dienstag eine der letzten Nachrichtenquellen in Hongkong ihren Betrieb ein, die der Demokratiebewegung nahestand. “Mit schwerem Herzen geben wir bekannt, dass Citizen News den Betrieb ab Dienstag, 4. Januar 2022, einstellen wird”, teilte die Redaktion auf Facebook mit. “Auf unserem kleinen Boot müssen wir in Wind und Wellen und einer düsteren Lage zunächst sicherstellen, dass alle in Bord in Sicherheit sind.”

            Damit ist die kritische Medienszene in Hongkong tot. In der vergangenen Woche hatte bereits das Hongkonger “Stand News” schließen müssen, nachdem die Polizei mehrere Journalisten des Mediums verhaftet hatte. Die Behörden haben inzwischen Anklage gegen zwei ehemalige Chefredakteure erhoben. Den beiden Journalisten wird Verschwörung und Anstiftung zum Aufruhr vorgeworfen, teilte das Amt für Nationale Sicherheit am Silvestertag mit.

            Rund 200 Polizisten hatten zuvor die Redaktionsräume von “Stand News” durchsucht und sieben Personen verhaftet. Dabei handelt es sich um aktuelle und ehemalige leitende Redakteure sowie frühere Vorstandsmitglieder. Das Medienportal hatte nach der Razzia sein Aus erklärt. Im Juni hatte die Zeitung Apple Daily aufgegeben (China.Table berichtete).

            Die Bundesregierung verurteilt die Verhaftungen bei Stand News als Schlag gegen die Demokratiebewegung. “Die Vorgänge illustrieren aus unserer Sicht aufs Neue, dass es eine stetige Erosion gibt von Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. Das Sicherheitsgesetz und auch andere Bestimmungen würden “willkürlich und selektiv angewandt”, um gegen kritische Stimmen vorzugehen. “Aus unserer Sicht ist ganz klar, dass kritischer Journalismus nicht unter Generalverdacht gestellt werden darf”, sagte die Sprecherin. US-Außenminister Antony Blinken forderten die Freilassung der Journalisten.

            Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam betonte dagegen, das Vorgehen habe nichts mit einer Unterdrückung der Pressefreiheit zu tun. “Journalismus ist nicht aufrührerisch, aber aufrührerische Aktivitäten können nicht unter dem Deckmantel der Nachrichtenberichterstattung geduldet werden.” Stand News sei keine Nachrichtenquelle gewesen, sondern eine politische Organisation. rtr/fin

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              Daimler wegen Werbung in der Kritik

              Werbefotos mit chinesischen Models haben in China eine Diskussion über die Korrektheit der Verwendung betont asiatischer Looks ausgelöst. Der Gesamteindruck der Bilder fördere schädliche Stereotype über Asiaten, lauten die Vorwürfe auf der Sozialplattform Weibo. Unter anderem betroffen ist eine Kampagne des Autoherstellers Daimler. Auch der chinesische Snack-Versender Three Squirrels war von der Kritik betroffen.

              In China hat sich wie in westlichen Ländern die Empfindlichkeit gegenüber Symbolen, die als rassistisch oder anderweitig als ausgrenzend empfunden werden können, in den vergangenen Jahren enorm gesteigert (China.Table berichtete). Auch die Luxusmarke Dior sah sich bereits mit dem Vorwurf konfrontiert, in der Augenform seiner Models auf westliche Vorurteile über chinesisches Aussehen zurückzugreifen. Walmart, Dolce & Gabbana sowie Hennes & Mauritz waren zuletzt ebenfalls vom Verbrauchernationalismus betroffen. Solche Vorgänge sind durchaus relevant für das Markenimage. fin

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                • Autoindustrie

                Subventionen für E-Autos laufen aus

                China kürzt die Subventionen für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben im kommenden Jahr. Die Regierung hatte bereits im April 2020 angekündigt, die staatlichen Beihilfen für diese Autos schrittweise zu kürzen, erst um zehn Prozent, dann 20 Prozent und 2022 schließlich um 30 Prozent. Die Förderung läuft nun am 31. Dezember 2022 komplett aus, teilte das Finanzministerium auf seiner Internetseite mit. Fahrzeuge, die nach diesem Datum zugelassen werden, erhalten keinen Zuschuss mehr. Ziel sei ein “sanfter Subventionsrückgang” mit einem Übergang zu anderen wirksamen Instrumenten zur Förderung von Autos mit alternativen Antrieben.

                Unter die Fahrzeuge mit alternativen Antrieben (auch: New Energy Vehicles (NEV)) fallen Fahrzeuge mit Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffantrieb. Zudem kündigte das Ministerium an, die Sicherheitskontrollen für solche Autos zu verstärken, um Unfälle zu vermeiden. China, weltgrößter Automarkt, hat das Ziel, dass bis 2025 ein Fünftel aller Neuzulassungen auf Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos entfallen. rtr/fin

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                  • Autoindustrie

                  Standpunkt

                  Evergrande und die Feinheiten des chinesischen Insolvenzrechts

                  Von Jiawei Wang, Partner bei Rödl & Partner
                  Wang Jiawei schreibt zur Insolvenz Evergrandes
                  Jiawei Wang ist Experte für chinesisches Recht

                  Seit 20 Jahren herrscht in der chinesischen Wirtschaft ein Mythos: Immobilienpreise steigen immer. Mit dem Bauboom sind in China zahlreiche Immobiliengesellschaften entstanden, die ständig wachsen. Evergrande ist ein Musterbeispiel für die robuste Vergangenheit von Chinas Immobilienbranche. Mit der “Success Story” im Immobilienmarkt ist der Konzern mittlerweile auch in verschiedenen anderen Branchen unterwegs: der Konzern unterhält einen Profi-Fußballverein, ist Vermögensverwalter, will E-Autos bauen und ist im Gesundheitswesen aktiv.

                  Der chinesische Immobilienmarkt ist überhitzt

                  Doch das vermeintliche “Perpetuum mobile” des immer wachsenden Immobilienmarktes ist nur eine Fantasie. Marktanalysten haben mehrmals davor gewarnt, dass die Immobilienblase platzen wird. In jüngster Zeit ist bereits zu merken, dass sich der chinesische Immobilienmarkt abgekühlt hat. Der Anstieg der Immobilienpreise in China hat sich verlangsamt. In manchen Städten sind die Preise auch zurückgegangen. Damit kommt Evergrande zurück auf den Boden der Realität. Hinzu kommen auch die bitteren Ergebnisse der Diversifikationsstrategie: das E-Auto fährt noch nicht, und der Fußballverein Guangzhou Evergrande nähert sich finanziell eher dem FC Barcelona als dem FC Bayern München an. Die Schuldenkrise von Evergrande ist kein “Government-made”, sondern ein im Unternehmen Evergrande entstandenes – oder besser gesagt ein “Market-driven” Ergebnis.

                  Etliche Gläubiger setzen darauf, dass die chinesische Regierung (auf nationaler oder regionaler Ebene) eingreifen und ein Rettungspaket schnüren wird. Insbesondere Privatpersonen, die Wohnungen von Evergrande gekauft haben, hoffen, dass Evergrande die Bauarbeiten fortsetzen und den Kaufvertrag erfüllen wird. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch noch kein Rettungspaket vom Staat angekündigt worden.

                  Gibt es eine Exit-Strategie?

                  Unserer Einschätzung nach wird die chinesische Regierung kein umfassendes Rettungspaket für Evergrande anbieten wollen oder können. Der Umfang der Krise ist noch nicht klar. Zu bedenken ist auch der Dominoeffekt, wenn der Staat mit Steuergeldern ein Unternehmen aus der Krise hilft, dessen Misswirtschaft sehr zu seinem Fall beigetragen hat. In der schwierigen Corona-Zeit hat die chinesische Zentralbank sicherlich dringlichere Herausforderungen zu meistern, als der größte Immobilieninvestor des Landes zu werden.

                  Es ist aber denkbar, dass sich Staatsunternehmen oder staatlich geführte Investmentfonds in Einzelfällen an einer Restrukturierung der betroffenen Gesellschaft im Evergrande-Konzern beteiligen oder bestimmte Schulden übernehmen könnten. In solchen Fällen sind Staatsunternehmen und staatlich geführte Investmentfonds jedoch normale Marktplayer wie andere potenziellen Investoren bei einem Chapter 11 Verfahren. Nach unserer Einschätzung ist so eine Beteiligung durch Staatsunternehmen oder staatlich geführte Investmentfonds vor allem dann zu erwarten, wenn die Interessen einer größeren Gruppe von Privatpersonen beeinträchtigt werden würden.

                  Das chinesische Insolvenzrecht

                  Wirtschaftlich ist der Konzern Evergrande am Boden. Rechtlich ergibt sich aber ein hochinteressantes Bild: Einen offiziellen Insolvenzantrag gibt es noch nicht. Das heißt, “by law” lebt Evergrande immer noch.

                  In China ist das Insolvenzverfahren hauptsächlich im Unternehmensinsolvenzgesetz geregelt, dass am 01.06.2007 in Kraft getreten ist. Wie in Deutschland wird ein Insolvenzverfahren in China beim zuständigen Gericht (People’s Court) auf Antrag eingeleitet. In der Praxis könnte der Investor auf Schwierigkeiten stoßen. Ein Insolvenzverfahren in China ist nicht vergleichbar mit einem solchen Verfahren in Deutschland. Der größte Unterschied der Insolvenzsysteme liegt darin, dass das Konzept “Insolvenzverschleppung” in Festlandchina noch nicht in vergleichbarer Form wie in Deutschland existiert. Das chinesische Unternehmensinsolvenzgesetz sieht keine feste Frist vor, bis wann ein Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen muss. Aus deutscher Sicht werden die Insolvenzanträge in China häufig zu spät gestellt. Das ist der gesetzliche Boden, auf dem Evergrande sich immer noch befindet.

                  Darüber hinaus ist nicht zu übersehen, dass Evergrande in der heutigen Form auch Einfluss außerhalb der chinesischen Grenzen hat. Das Unternehmen China Evergrande Group ist an der Hong Kong Stock Exchange gelistet und auf den Cayman Islands registriert. In diesem Fall muss die Gesellschaft die Gesetze der Cayman Islands und die Listing Rules der Hongkonger Börse ebenfalls befolgen. In dieser Hinsicht ist nicht auszuschließen, dass eine Zwangsmaßnahme im Ausland, wie zum Beispiel ein Delisting, früher eintritt als die Insolvenzeröffnung in China.

                  Was ist noch zu erwarten?

                  Was bedeutet die Liquiditätskrise von Evergrande für ausländische Gläubiger? Anders als Gläubiger innerhalb Chinas sind ausländische Gläubiger meist institutionelle Anleger. Das chinesische Insolvenzrecht schließt sicherlich die ausländischen Gläubiger nicht aus. Hierzu gilt der Gleichheitsgrundsatz: weder Nachteil noch Vorteil. Der Vorzug vor chinesischen Gläubigern beziehungsweise Verbrauchern wäre dabei eine Illusion. Hingegen hat man sich auf nervlich aufreibende Gläubigerversammlungen einzustellen. Ob und wie Evergrande – und auch der Staat – die Krise überwinden werden, bleibt spannend. “Too big to fail” existiert im Reich der Mitte  nicht.

                  Jiawei Wang LL.M. ist Legal Counsel und Partner bei Rödl & Partner in Stuttgart. Er hat Rechtswissenschaften in Shanghai sowie in Heidelberg studiert und ist in der Volksrepublik China als Lü Shi (Anwalt chinesischen Rechts) zugelassen. Wang vertritt unter anderem deutsche Industrieunternehmen bei Vertragsverhandlungen und bei Rechtsstreitigkeiten mit chinesischen Geschäftspartnern.

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                    Axel Schweitzer – sucht die Zukunft des Recyclings

                    Axel Schweitzer - Vorstandsvorsitzender der Alba Group.
                    Axel Schweitzer – Vorstandsvorsitzender der Alba Group

                    Es flackert, es wackelt, dann hakt das Videotelefonat kurz. Axel Schweitzer entschuldigt sich. Es ist Anfang Oktober. Der 52-Jährige hält sich gerade in einem Quarantäne-Hotel in der Hafenstadt Qingdao auf. Wer derzeit nach China einreist, muss sich mindestens 14 Tage in Quarantäne begeben.

                    Seit über einem Jahr war er nicht mehr in Festlandchina, erzählt Schweitzer. Dabei ist er sonst im Wochentakt hier. Gemeinsam mit seinem Bruder Eric Schweitzer leitet er Deutschlands drittgrößtes Abfall- und Recyclingunternehmen Alba. Im Sommer dieses Jahres haben beide Brüder mitgeteilt, dass sie ihr Familienunternehmen unter sich aufteilen. Axel Schweitzer hält dann unter anderem eine 100-Prozent-Beteiligung an der ausgegliederten Schwesterfirma Alba Group Asia. “In brüderlicher Verbundenheit”, wie er betont. 

                    Mitglied im Asien-Pazifik-Ausschuss

                    Mitte der 1990er-Jahre wird Schweitzer Vorstandsmitglied bei Alba, das einst sein Vater gegründet hat. Da ist er gerade einmal 26 Jahre alt. In dieser Zeit, erzählt er, war er zusammen mit Angela Merkel, damals Bundesumweltministerin, zum ersten Mal in Peking. “Da hatte das höchste Haus noch fünf Stockwerke.” Er sei neugierig auf das Land gewesen. Das bedeutet bei Schweitzer auch immer: neugierig auf den Müll. “Der Müll enthält sehr viel mehr organisches Material als in Europa, wie zum Beispiel Essensreste”, erklärt er. Außerdem fielen beim Elektroschrott mehr Reiskocher und wegen des teils subtropischen Klimas auch mehr Klimaanlagen an.

                    Außer seiner Asien-Affinität ist von Axel Schweitzer eher wenig bekannt. Höchstens, dass er etwas stiller ist als sein älterer Bruder Eric, dass er Präsident der Basketballmannschaft ALBA Berlin ist, dass er privat regelmäßig läuft und laufend unterwegs ist. In Hongkong hat seine Familie sogar einen Zweitwohnsitz. Seit 2013 engagiert er sich im Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (APA) als stellvertretender Vorsitzender und ist Mitglied des deutsch-chinesischen Dialogforums.  

                    Sammeln, sortieren, neue Geschäftsmodelle sondieren

                    Lange Zeit exportierten deutsche Entsorgungsunternehmen wie Alba anfallende Kunststoffabfälle über deutsche oder niederländische Häfen nach Hongkong oder China. 2017 teilte China der Welthandelsorganisation (WTO) mit, die Einfuhr etwa von Papier und Plastikmüll gänzlich zu stoppen. Schweitzer sagt, er finde das chinesische Importverbot gut. 

                    Denn um den wachsenden Müllbergen endlich Herr zu werden, entstehen derzeit mehr und mehr Recyclingfirmen und Müllverbrennungsanlagen in China. Die Recyclingquote soll ansteigen. Dafür investiert das Land – und europäische Firmen wie Veolia, Remondis oder Alba wollen profitieren. “Asien ist international unser wichtigster Markt”, erklärt Schweitzer.

                    Seit 2018 betreibt Alba in Hongkong eine Anlage zur Aufbereitung von Elektroschrott. Im vergangenen Jahr begannen die Bauarbeiten für eine neue Anlage zum Recycling von Kunststoffen durch eine Joint-Venture-Gesellschaft. Hier, im Ecopark, einem Industrie- und Recyclinggelände in Hongkong, sollen die Stoffe zunächst sortiert und anschließend beispielsweise PET-Flocken für Lebensmittelverpackungen produziert werden. Auf einem Foto vom Baubeginn sieht man Schweitzer mit vergoldetem Helm und Spaten. Wie lukrativ das Geschäft in Asien ist, dazu lässt Alba nur mitteilen, dass die Anlagen positive Ergebnisse erzielen würden und man sich alle zwei bis drei Jahre verdopple.

                    China als Zukunftslabor für Zero-Waste

                    Schweitzer sieht in China eine Art Zukunftslabor für eine Zero-Waste-Gesellschaft. Er spricht von Kunststoffen, die für das Recycling per Track-and-Trace entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachverfolgt werden können. Von autonom fahrenden Kehrmaschinen, die in Smart Cities Straßen säubern. Bei Chinas Tempo könnte die Idee eines modernen Recyclingsektors schnell Realität und damit für deutsche Firmen wie Alba zu Geld werden. Noch ist das aber ungewiss – auch die deutsch-chinesischen Geschäftsbeziehungen politisierten sich zunehmend. “Ich beobachte die derzeitigen Entwicklungen mit Sorge, umso wichtiger ist es, Brücken zu bauen”, sagt Schweitzer. Pauline Schinkels

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                      • Nachhaltigkeit
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                        • Frankreich rückt Indo-Pazifik in den Fokus
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                        • Staatsunternehmen müssen CO2 reduzieren
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                        • Standpunkt: Die Feinheiten des chinesischen Insolvenzrechts
                        • Im Portrait: Axel Schweitzer – sucht die Zukunft des Recyclings
                        Liebe Leserin, lieber Leser,

                        im Verhältnis zu China hat die neue Bundesregierung eine klare Richtung vorgegeben: Die deutsche Haltung soll europäischer werden. Da trifft es sich, dass mit Frankreich zum Jahreswechsel Deutschlands engster Partner die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat. 

                        China.Table Trade hat sich die europäische Agenda des französischen Staatschefs genauer angeschaut und festgestellt: Auch wenn Emmanuel Macron einen indo-pazifischen Schwerpunkt setzen will und China nicht explizit oben auf der Liste steht, wird an der Volksrepublik kein Weg vorbeiführen. Neben strategischen Beschlüssen stehen zudem auch wichtige Personalentscheidungen an.

                        Chinas Öffnungspolitik eilt aktuell ja ein eher schlechter Ruf voraus. Doch es geht auch anders. Just zum Jahreswechsel hat der chinesische Staatsrat allen ausländischen Angestellten in China ein unverhofftes Geschenk gemacht: Die geplante Umstellung des Steuerrechts wurde um ein Jahr verschoben. Finn Mayer-Kuckuk hat sich die Situation genauer angeschaut. In Zeiten von nahezu vollständig geschlossener Grenzen ist die Verschiebung ein unverhofftes Kooperationsangebot an die internationale Wirtschaft.

                        Wir wünschen Ihnen eine spannende erste Lektüre im Jahr 2022!

                        Ihre
                        Amelie Richter
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                        Analyse

                        Frankreichs EU-Präsidentschaft kommt an China nicht vorbei

                        Neues Jahr, neue EU-Ratspräsidentschaft: Am 1. Januar hat Frankreich die Führung im Gremium der Staats- und Regierungschefs übernommen. In der französischen Hauptstadt trug zu diesem Anlass sogar der Eiffelturm die EU-Flagge. Nach der relativ schwachen und von Kontroversen begleiteten Ratspräsidentschaft der Slowenen unter dem umstrittenen Ministerpräsidenten Janez Janša übernimmt nun Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Die Erwartungen sind groß, startete der 44-Jährige seine eigene, die französische Präsidentschaft doch einst mit einer klaren europäischen Ausrichtung. Drei Hauptpfeiler sollen die kommenden sechs Monate prägen: “Relance, puissance, appartenance” – “Erholung, Kraft, Zugehörigkeit”.

                        China steht zwar nicht oben auf der Agenda. Doch die aktuellen Handelsprobleme mit Litauen rücken das Verhältnis der EU zur Volksrepublik zwangsläufig in den Vordergrund. Auch anlässlich der anstehenden Olympischen Winterspiele ringt die EU weiterhin um einen gemeinsamen Ansatz. Auf der heimischen Agenda kommt zudem noch die französische Präsidentschaftswahl im April dazu – die Franzosen starten also mit einer vollen Agenda.

                        Für Paris werden vor allem die ersten drei Monate des Jahres intensiv, sagt der Wissenschaftler Antoine Bondaz, der sich für den französischen Think-Tank “Fondation pour la recherche stratégique” (FRS) mit China und Asien beschäftigt. Ab April werde es dann schwieriger, Veranstaltung mit ranghohen Vertretern zu planen. Dann beginnt der Wahlkampfs in Frankreich. Außenpolitik spielt im Rennen um das höchste Amt Frankreichs bisher eine verschwindend kleine Rolle. Die Debatte ist geprägt von Migration und Corona-Politik.

                        Ministertreffen für Indo-Pazifik Ende Februar

                        Auch in der französischen EU-Ratspräsidentschaft wird der Fokus auf den Dauerthemen Migration und Corona-Pandemie liegen. In seiner Neujahrsansprache versprach Macron, alles dafür zu tun, dass die Ratspräsidentschaft ein Moment des Fortschritts werde: “Fortschritt bei der Kontrolle unserer Grenzen, bei klimafreundlichen Technologien, bei der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, beim Aufbau eines neuen Bündnisses mit Afrika, bei einer besseren Überwachung der großen Internet-Plattformen, bei der Kultur in Europa.”

                        Macron will in den kommenden sechs Monaten unter anderem eine Schengen-Reform zur besseren Grenzverteidigung auf den Weg bringen und sich für einen EU-weiten Mindestlohn sowie die Schaffung eines CO2-Grenzausgleichs für Importe, dem sogenannten “Carbon Border Adjustment Mechanism” (CBAM), einsetzen (China.Table berichtete).

                        Außenpolitisch werde es vor allem um “puissance” gehen – Kraft und Power, die Brüssel als selbst benannte geopolitische Macht ausstrahlen möchte, erklärt Bondaz. In den Mittelpunkt rückt hier vor allem die indopazifische Region – denn sieben der 13 Übersee-Départements Frankreichs liegen im Indischen Ozean und Südpazifik. Der Élysée hatte bereits 2018 eine Strategie für die Region vorgelegt.

                        Unter der Führung der Franzosen werde deshalb vor allem die Indo-Pazifik-Strategie der EU in den Fokus rücken, ist Bondaz überzeugt. Für Ende Februar ist erstmals ein Ministertreffen zwischen den Mitgliedsstaaten und den Ländern der Region geplant. “Das wird ein großes Ereignis in Paris.” Ob daraus auch konkrete Ergebnisse hervorgehen werden, sei jedoch offen, sagt Bondaz. Zeit wäre es jedoch.

                        China zwangsläufig auf der Agenda

                        Brüssel hatte seine Indo-Pazifik-Strategie im September vorgestellt. Entscheidend sei nun, dass zügig Schlüsselprojekte identifiziert und angegangen werden, so der französische Forscher. “Wie stellen wir sicher, dass wir Synergien mit den Partnern in der Region wie Japan und Korea aufbauen können?” Diese und andere Fragen beschäftigen die französische EU-Ratspräsidentschaft. “Wir brauchen jetzt Pilotprojekte, da es bisher keine klaren Initiativen gibt.” China stehe dabei offiziell zwar nicht auf der Prioritätenliste – durch ein verstärktes Engagement im Indo-Pazifik werde das Verhältnis zu Peking aber sicher inoffiziell eine Rolle spielen.

                        Dass Frankreich sich dabei quasi auf heimatlichen Grund bewegt, sieht Bondaz als Vorteil. Rund 1,5 Millionen französische Staatsbürger leben in der indo-pazifischen Region. Im Indischen Ozean auf den Inseln La Réunion und Mayotte, im Pazifik in Neukaledonien und Französisch-Polynesien. Zudem sind 7000 französische Soldaten dauerhaft im Indo-Pazifik stationiert. Die Besonderheiten der Region müssen bei der Umsetzung der EU-Strategie aufgezeigt werden, vor allem die “maritime Dimension”, so Bondaz. Dabei geht es vor allem um die Sicherung internationaler Seewege und wichtiger maritimer Handelsrouten. Ein Thema, bei dem Peking wachsenden Einfluss auf die Straße von Taiwan befürchtet. Es birgt deshalb Konfliktpotential.

                        Auch eine andere geopolitische Strategie aus Brüssel muss in den sechs Monaten der französischen Ratspräsidentschaft an Fahrt gewinnen: Die Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” soll nach Willen der EU-Kommission bis Mitte 2022 konkrete Projekte zutage fördern.

                        Macron: Mehr Unabhängigkeit in Produktion und Lieferketten

                        Präsident Macron spricht sich nicht zuletzt seit Beginn der Corona-Pandemie für eine unabhängigere Versorgung Europas aus und lässt beispielsweise bereits die Produktion von Paracetamol wieder in Frankreich ansiedeln. In seiner Rede über die Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft betonte Macron das Streben nach Autarkie, auch im Bereich der Halbleiter.

                        Zudem ließ Macron bei besagter Rede eine Äußerung fallen, die weniger gut ankam. Angesprochen auf einen möglichen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking, zeigte Frankreichs Staatschef, dass er von einem Fernbleiben nicht viel hält: “Ich denke nicht, dass wir diese Themen politisieren sollten, insbesondere wenn es sich um unbedeutende und symbolische Schritte handelt.” Frankreichs Präsident werde jedoch nicht nach Peking fahren, ist sich Bondaz sicher. Eventuell werde man Minister schicken – Macron selbst werde aber nicht reisen, auch wenn er im Sommer die Olympischen Spiele in Japan besucht hat. Sollte es dazu Beschwerden aus Peking geben, könne die Präsidentschaftswahl in Frankreich oder die Pandemie-Situation als Begründung genannt werden, so Bondaz. Paris ist übrigens Gastgeber der Olympischen Spiele 2024.

                        Geringe Chancen für Renaissance des CAI

                        Dass das immer noch lahmgelegte Investitionsabkommen CAI unter der französischen Ratspräsidentschaft ein Revival erlebt, hält Bondaz für ausgeschlossen. Derzeit gebe es keinen Ausweg aus der Sackgasse der gegenseitigen Sanktionen – daran könne auch Frankreich nichts ändern. Auf Macron hagelte kurz nach der politischen Einigung im Dezember 2020 Kritik von links und rechts (China.Table berichtete). Er wäre also nicht schlecht beraten, das in Frankreich unbeliebte Abkommen einfach im Eisschrank zu lassen, solange er im Wahlkampf steckt.

                        Brüssel hatte mehrfach die Absicht gezeigt, Handelsinstrumente fertigzustellen, die wehrhaft gegen Peking zum Einsatz kommen könnten, während das CAI unbearbeitet blieb. Im kommenden Jahr sollen unter anderem neue Vorgaben für die internationale Beschaffung durch das “International Procurement Instrument” (IPI) abgeschlossen werden. Hier droht jedoch ein Disput zwischen Parlament und EU-Rat, was die Umsetzungshoheit angeht (China.Table berichtete). Es wird jedoch erwartet, dass IPI unter der französischen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden kann.

                        Gesprächsbedarf über die Federführung gibt es auch beim “Anti-coercion instrument” (API), mit welchem effektiver auf wirtschaftlichen Druck von Drittstaaten wie China reagiert werden soll. Angesichts des aktuellen Beispiels von Litauen liegt ein besonderer Fokus auf der Initiative der EU-Kommission, die zeitnah im Rat und EU-Parlament beraten werden soll.

                        Neue Botschafter in Peking und Brüssel

                        In den ersten sechs Monaten wird zudem ein Fortschritt bei der Gesetzgebung für ausländische Investitionen erwartet. Im März soll der sogenannte Strategische Kompass der EU beschlossen werden (China.Table berichtete). Zudem wird weiterhin nach einem passenden Zeitpunkt für ein persönliches Treffen zwischen der EU- und der chinesischen Führungsspitze gesucht. Für das mögliche Gipfeltreffen kursierten bereits mehrere Terminmöglichkeiten – die anhaltende Pandemie-Lage, die Winterspiele in Peking und der Volkskongress Anfang März machen es jedoch unwahrscheinlich, dass es in den ersten drei Monaten des Jahres dazu kommen wird.

                        2022 hält zudem einige personelle Neubesetzungen bereit: Chinas Botschafter in Brüssel, Zhang Ming, habe die belgische Hauptstadt bereits verlassen, schrieb die chinesische EU-Mission in ihrem Newsletter vom Silvestertag. Wer nachfolgen wird, ist demnach noch unklar. Auch auf der anderen Seite wird es einen Wechsel geben. Denn auch der EU-Botschafter in China, Nicolas Chapuis, wird seinen Posten bald verlassen.

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                          Aufschub im Steuerrecht kommt Expats entgegen

                          Der Wegfall von Steuererleichterungen für in China lebende Ausländer ist ein heiß diskutiertes Thema in der Expat-Community. Nun hat der Staatsrat unter Li Keqiang beschlossen, die Übergangsfrist bis Ende des neuen Jahres zu verlängern (China.Table berichtete). Im Jahr 2022 gelten demnach weiterhin die Regeln des vergangenen Jahres. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ab 2023 soll wie geplant die Angleichung an die Regeln für Inländer endgültig kommen.

                          Die Auslandshandelskammern verbuchen die Verschiebung als einen Erfolg ihrer Lobbyarbeit. Sowohl die nationalen Kammern als auch die US-Außenhandelskammer (Amcham) sowie die EU-Handelskammer (European Chamber) hatten bei ihren chinesischen Regierungskontakten darauf hingearbeitet, die Steuerreform möglichst zu kippen. Nun gabe es zumindest einen Aufschub. “Die Verlängerung der nicht besteuerten Zuwendungen ist von größter Wichtigkeit nicht nur für eine große Zahl ausländischer Unternehmen, die erfahrene Expatriierte beschäftigen, sondern auch für China selbst”, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Kammer. Eine drohende Abwanderung von internationalem Fachpersonal könne so noch einmal abgewendet werden.

                          Generell gilt die Entscheidung kurz vor Jahresende als positives Signal in Zeiten einer hartnäckigen Abriegelung der chinesischen Grenzen aufgrund der Corona-Pandemie. Gepaart mit den Bestrebungen der chinesischen Regierung hin zu mehr industrieller Eigenständigkeit hatten sich internationale Firmen immer weniger willkommen gefühlt. Statt der lange versprochenen Öffnung haben sie eher eine Verschiebung der bestehenden Restriktionen auf neue Felder erlebt.

                          Neue Abzugsmöglichkeiten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

                          Aus chinesischer Sicht war die Änderung des Steuerrechts dagegen ein logischer Schritt. Die Verpflichtungen der ausländischen Mitarbeiter würden sich damit den allgemein gültigen Regeln in China angleichen. Konkret geht es um eine Reihe von Leistungen des Arbeitgebers:

                          • Wohnungsmiete
                          • Schulgeld für die Kinder
                          • Sprachschule
                          • Verpflegung
                          • Jahresboni

                          Diese Nebenleistungen (benefits in kind, BIK) müssen in der Regel direkt vom Arbeitgeber bezahlt werden. Sie sollten für eine bessere Übersichtlichkeit nicht über das Konto des Arbeitnehmers laufen. Doch gerade bei den kleineren Posten erkennen die Finanzämter auch Rückerstattungen für Quittungen (Fapiao) an.

                          Es sind innerhalb der neuen Regelungen zwar neue Abzugsmöglichkeiten vorgesehen. Der Effekt der Einsparungen würde aber bei weitem nicht an die bisher Abzugsmöglichkeiten heranreichen. Nach den neuen Regeln sollen abzugsfähig sein:

                          • Miete
                          • Schulgeld
                          • Hypothekenzinsen
                          • Krankheitskosten
                          • Zuwendungen für Senioren in der Familie

                          Die letzteren Punkte zeigen deutlich die Nähe zum einheimischen Steuerrecht. Sie kommen bei Expats nur selten vor. Der große Unterschied zum alten System: Vorher liefen diese Leistungen einfach komplett am Einkommen vorbei. Künftig gelten sie zwar als geldwerte Vorteile, doch lassen sich zumindest Freibeträge absetzen. Diese sind allerdings klein bemessen.

                          So sind für Schulgeld 1000 Yuan im Monat abzugsfähig. Doch allein die Deutsche Schule in Peking kostet im ersten Jahr jedoch (je nach Einzelfall) über 25.000 Euro. Umgerechnet sind das rund 15.000 Yuan im Monat. Die Amcham schätzt, dass ein Mitarbeiter, der bisher 960.000 Yuan an Nebenleistungen im Jahr erhält, dafür künftig 785.000 Yuan mehr Steuern zahlen müsste. Das wären gut 100.000 Euro. Da die Arbeitsverträge oft eine Gleichstellung mit dem Heimatstandort versprechen, sind das in Zukunft dann zusätzliche Kosten für das Unternehmen.

                          Der Standort China verliert an Attraktivität

                          Die Grundzüge der Neuregelegung sind seit Anfang 2019 bekannt. Seit 2018 lief eine ursprünglich auf drei Jahre angelegt Übergangsfrist. Expats können derzeit wählen, ob sie nach dem alten oder dem neuen Verfahren versteuern wollen. Die reformierte Version hat jedoch nur wenig freiwillige Anhänger gefunden. Zahlen der Amcham zufolge hat sich eine überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter für die bisherigen Vorteile entschieden.

                          In vielen Fällen wird die Neuregelegung jedoch vor allem die Arbeitgeber betreffen. In Entsendeverträgen ist oft vorgesehen, dass die Firma die Mehrkosten trägt. Doch auch das ist für den Standort China relevant. Entsendungen sind für die Organisationen ohnehin teuer. Als Reaktion auf die steigenden Kosten wäre die betriebswirtschaftlich naheliegende Reaktion, Expat-Positionen abzubauen.

                          Die Kammern warnen jedenfalls vor zwei Trends: Abwanderung von Expats, die die Kosten selbst tragen müssen, und einen Bedeutungsverlust des Standorts China. In China liegt der Regelsteuersatz mit 45 Prozent im asiatischen Vergleich bereits eher hoch. Der Wert rangiert auch über dem EU-Schnitt. Die Unternehmensberatung KPMG sieht China hier auf dem gleichen Level wie Deutschland. Die EU-Kammer erwartet nun, dass die freundliche Geste des Staatsrates “Chinas internationale Beziehungen insgesamt verbessern” wird.

                          Mit der Streckung der Übergangsfrist ist eine Kernforderung der Kammern erfüllt. Sie wünschen sich darüber hinaus jedoch einen Erhalt unversteuerter Zuwendungen. Die Amcham in Shanghai erbittet zudem mehr Berechenbarkeit bei Regeländerungen. Eine Ankündigung sechs Monate im Voraus sei erforderlich, damit die Firmen sich darauf einstellen könnten. Dieser Vorlauf war bei der plötzlichen Entscheidung am Silvestertag zwar nicht gegeben. Doch immerhin ging der Schritt diesmal in die gewünschte Richtung.

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                            Staatsfirmen müssen Klima schützen

                            China hat 97 “zentralen Staatsunternehmen” vorgeschrieben, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren zu senken. Zudem sollen die Unternehmen ihre Kapazitäten für die Erzeugung von erneuerbaren Energien erhöhen. Das geht aus einer behördlichen Anordnung von 30. Dezember 2021 hervor. Beim Energieverbrauch und den Treibhausgasemissionen werden jedoch abermals keine absoluten Ziele gesetzt. Vielmehr sollen bis 2025 die Energieeffizienz, das heißt der Energieverbrauch in Relation zur Produktion der Unternehmen um 15 Prozent, und die CO2-Emissionen in Relation zur Produktion um 18 Prozent im Vergleich zu 2020 reduziert werden. Bis 2030 sollen die Emissionen in Relation zur Produktion um 65 Prozent fallen – hier allerdings im Vergleich zu 2005.

                            Zudem sollen erneuerbare Energien bis 2025 mehr als 50 Prozent der Stromerzeugungskapazität der zentralen Staatsunternehmen ausmachen. Die Vorgabe zum Ausbau der erneuerbaren Energien bedeutet, dass “in den nächsten vier Jahren Hunderte Gigawatt an Solar- und Windkraftanlagen gebaut werden”, schreibt die Energieexpertin Yan Qin von Refinitiv, einem Anbieter von Finanzmarktdaten, auf Twitter.

                            Als zentrale Staatsunternehmen gelten 97 Unternehmen, die im Auftrag der chinesischen Regierung kommerzielle Tätigkeiten ausüben. Viele davon sind in Energie-intensiven Sektoren wie der Stahlindustrie, dem Bauwesen, der Luftfahrt, Telekommunikation, Stromerzeugung und im Bergbau tätig, wie die South China Morning Post berichtet. Die zentralen Staatsunternehmen sind laut Yan Qin für 90 Prozent der nationalen Öl- und Gasversorgung, 60 Prozent der Stromversorgung und 25 Prozent der Kohleversorgung verantwortlich. Sie “spielen eine wichtige Rolle für die Wirtschaft, gleichzeitig gehören sie aber auch zu den Hauptverursachern von Kohlenstoffemissionen. Sie sollten eine Vorbildfunktion bei der Erreichung der Klimaziele spielen”, erklärte die State-owned Assets Supervision and Administration Commission (SASAC) des Staatsrats, die die Richtlinie erlassen hat. nib

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                              Beamte in Xi’an wegen schlechter Covid-Maßnahmen entlassen

                              Zwei ranghohe Beamte in Millionenstadt Xi’an wurden am Sonntag von ihren Posten entlassen. Das berichtet die Zeitung “South China Morning Post”. Als Grund wird die schlechte Handhabung des aktuellen Corona-Ausbruchs genannt. Etliche Bewohner der Stadt hatten über Lebensmittelknappheit geklagt.

                              Der Volkszeitung zufolge waren Wang Bin und Cui Shiyue für den Bezirk Yanta zuständig. Es ist der Distrikt, der am schwersten vom aktuellen Corona-Ausbruch betroffen ist. Wang Bin war zuletzt als KP-Funktionär Vorsitzender des Distriktkomitees, Cui Shiyue sein Stellvertreter.  Die Entlassungen erfolgen just zu der Zeit, in der sich die Lage in der Provinzhauptstadt der zentralchinesischen Provinz Shaanxi endlich etwas entspannt. Am Wochenende fiel die Zahl der täglichen Neuinfektionen erstmals seit dem 24. Dezember wieder unter 100. Landesweit wurden 101 neue Fälle registriert, 90 allein in Xi’an.

                              Seit einigen Tagen gilt für die rund 13 Millionen Einwohner von Xi’an ein strikter Lockdown (China.Table berichtete). Anfangs durften die Menschen noch alle paar Tage zum Lebensmitteleinkauf ihre Häuser verlassen, inzwischen dürfen sie nur noch für die verpflichtenden Covid-Tests hinaus. Sie sind deshalb vollständig von staatlich organisierten Lieferungen abhängig. Während die chinesischen Staatsmedien ein weitgehend rosiges Bild von sich aufopfernden Nachbarschaftskomitees und dankbaren Bewohnern zeichnen, berichtet der deutsche Journalist Fabian Kretschmer hingegen anderes: “Es ist über eine Woche her, dass wir unsere Wohnanlage nicht mehr verlassen können, und die Bezirksregierung organisiert bislang weder Fleisch, Milch noch sonstiges Essen“, sagt ihm eine Chinesin aus dem Südteil der Stadt, dem Epizentrum des Corona-Ausbruchs.

                              China verfolgt in der Pandemie eine strikte Null-Covid-Strategie: Mit rigiden Maßnahmen wie nun wieder in Xi’an hat man das Coronavirus bislang weitgehend in den Griff bekommen. Allerdings ist es seit Herbst zu mehreren Ausbrüchen gekommen. Jetzt fürchten die Verantwortlichen die weitaus infektiösere Omikron-Variante. rad

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                                Diplomat warnt Berlin vor “Taiwan-Büro”

                                Die litauische Regierung erwägt ein Hilfspaket in Höhe von bis zu 130 Millionen Euro, um Unternehmen zu unterstützen, die von einer chinesischen Zollblockade betroffen sind. Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung seien den Unternehmen zunächst sechs Millionen Euro zugewiesen worden, sagte Litauens Finanzministerin Gintarė Skaistė. China habe “unangekündigte Sanktionen” gegen litauische Firmen verhängt. Im Gegenzug warf die Geschäftsstelle der Volksrepublik in Litauen dem baltischen Land vor, den bilateralen Streit auf EU-Ebene eskalieren zu lassen.

                                Unterdessen warnte ein chinesischer Diplomat in Deutschland die neue Bundesregierung, dem litauischen Beispiel zu folgen und ein Taiwan-Büro unter diesem Namen zuzulassen. Berlin solle nicht die “Taiwan-Karte” spielen, sagte Wang Weidong, Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der chinesischen Botschaft in Deutschland, der chinesischen Zeitung “Global Times”. Litauen beabsichtige, die Position der EU zu Taiwan als Geisel zu halten und spreche fälschlicherweise von wirtschaftlichem Zwang, so Wang. Die Volksrepublik habe sich strikt an die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten. Berichte in westlichen Medien über eine Zollblockade litauischer Waren seien “völlig unbegründet”. Das Interview erfolgte als Reaktion auf ein Schreiben der deutsch-baltischen Handelskammer, in dem vor Fabrikschließungen gewarnt wurde, sollte der Streit nicht beigelegt werden können (China.Table berichtete).

                                Die Volksrepublik blockiert seit einem Monat den Import litauischer Waren. Diese werden vom Zoll nicht mehr abgewickelt. Betroffen sind auch andere EU-Staaten, wenn ihre Produkte Komponenten aus Litauen enthalten. Offen bekannt hat sich Peking zu dem Vorgehen noch nicht. Die Europäische Union sammelt derzeit Informationen, um möglicherweise eine Klage bei der WTO anzustreben. ari

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                                  Letzte pro-demokratische Medien in Hongkong geben auf

                                  Mit dem Medium “Citizen News” stellt am Dienstag eine der letzten Nachrichtenquellen in Hongkong ihren Betrieb ein, die der Demokratiebewegung nahestand. “Mit schwerem Herzen geben wir bekannt, dass Citizen News den Betrieb ab Dienstag, 4. Januar 2022, einstellen wird”, teilte die Redaktion auf Facebook mit. “Auf unserem kleinen Boot müssen wir in Wind und Wellen und einer düsteren Lage zunächst sicherstellen, dass alle in Bord in Sicherheit sind.”

                                  Damit ist die kritische Medienszene in Hongkong tot. In der vergangenen Woche hatte bereits das Hongkonger “Stand News” schließen müssen, nachdem die Polizei mehrere Journalisten des Mediums verhaftet hatte. Die Behörden haben inzwischen Anklage gegen zwei ehemalige Chefredakteure erhoben. Den beiden Journalisten wird Verschwörung und Anstiftung zum Aufruhr vorgeworfen, teilte das Amt für Nationale Sicherheit am Silvestertag mit.

                                  Rund 200 Polizisten hatten zuvor die Redaktionsräume von “Stand News” durchsucht und sieben Personen verhaftet. Dabei handelt es sich um aktuelle und ehemalige leitende Redakteure sowie frühere Vorstandsmitglieder. Das Medienportal hatte nach der Razzia sein Aus erklärt. Im Juni hatte die Zeitung Apple Daily aufgegeben (China.Table berichtete).

                                  Die Bundesregierung verurteilt die Verhaftungen bei Stand News als Schlag gegen die Demokratiebewegung. “Die Vorgänge illustrieren aus unserer Sicht aufs Neue, dass es eine stetige Erosion gibt von Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin. Das Sicherheitsgesetz und auch andere Bestimmungen würden “willkürlich und selektiv angewandt”, um gegen kritische Stimmen vorzugehen. “Aus unserer Sicht ist ganz klar, dass kritischer Journalismus nicht unter Generalverdacht gestellt werden darf”, sagte die Sprecherin. US-Außenminister Antony Blinken forderten die Freilassung der Journalisten.

                                  Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam betonte dagegen, das Vorgehen habe nichts mit einer Unterdrückung der Pressefreiheit zu tun. “Journalismus ist nicht aufrührerisch, aber aufrührerische Aktivitäten können nicht unter dem Deckmantel der Nachrichtenberichterstattung geduldet werden.” Stand News sei keine Nachrichtenquelle gewesen, sondern eine politische Organisation. rtr/fin

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                                    Daimler wegen Werbung in der Kritik

                                    Werbefotos mit chinesischen Models haben in China eine Diskussion über die Korrektheit der Verwendung betont asiatischer Looks ausgelöst. Der Gesamteindruck der Bilder fördere schädliche Stereotype über Asiaten, lauten die Vorwürfe auf der Sozialplattform Weibo. Unter anderem betroffen ist eine Kampagne des Autoherstellers Daimler. Auch der chinesische Snack-Versender Three Squirrels war von der Kritik betroffen.

                                    In China hat sich wie in westlichen Ländern die Empfindlichkeit gegenüber Symbolen, die als rassistisch oder anderweitig als ausgrenzend empfunden werden können, in den vergangenen Jahren enorm gesteigert (China.Table berichtete). Auch die Luxusmarke Dior sah sich bereits mit dem Vorwurf konfrontiert, in der Augenform seiner Models auf westliche Vorurteile über chinesisches Aussehen zurückzugreifen. Walmart, Dolce & Gabbana sowie Hennes & Mauritz waren zuletzt ebenfalls vom Verbrauchernationalismus betroffen. Solche Vorgänge sind durchaus relevant für das Markenimage. fin

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                                      • Autoindustrie

                                      Subventionen für E-Autos laufen aus

                                      China kürzt die Subventionen für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben im kommenden Jahr. Die Regierung hatte bereits im April 2020 angekündigt, die staatlichen Beihilfen für diese Autos schrittweise zu kürzen, erst um zehn Prozent, dann 20 Prozent und 2022 schließlich um 30 Prozent. Die Förderung läuft nun am 31. Dezember 2022 komplett aus, teilte das Finanzministerium auf seiner Internetseite mit. Fahrzeuge, die nach diesem Datum zugelassen werden, erhalten keinen Zuschuss mehr. Ziel sei ein “sanfter Subventionsrückgang” mit einem Übergang zu anderen wirksamen Instrumenten zur Förderung von Autos mit alternativen Antrieben.

                                      Unter die Fahrzeuge mit alternativen Antrieben (auch: New Energy Vehicles (NEV)) fallen Fahrzeuge mit Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffantrieb. Zudem kündigte das Ministerium an, die Sicherheitskontrollen für solche Autos zu verstärken, um Unfälle zu vermeiden. China, weltgrößter Automarkt, hat das Ziel, dass bis 2025 ein Fünftel aller Neuzulassungen auf Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos entfallen. rtr/fin

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                                        Standpunkt

                                        Evergrande und die Feinheiten des chinesischen Insolvenzrechts

                                        Von Jiawei Wang, Partner bei Rödl & Partner
                                        Wang Jiawei schreibt zur Insolvenz Evergrandes
                                        Jiawei Wang ist Experte für chinesisches Recht

                                        Seit 20 Jahren herrscht in der chinesischen Wirtschaft ein Mythos: Immobilienpreise steigen immer. Mit dem Bauboom sind in China zahlreiche Immobiliengesellschaften entstanden, die ständig wachsen. Evergrande ist ein Musterbeispiel für die robuste Vergangenheit von Chinas Immobilienbranche. Mit der “Success Story” im Immobilienmarkt ist der Konzern mittlerweile auch in verschiedenen anderen Branchen unterwegs: der Konzern unterhält einen Profi-Fußballverein, ist Vermögensverwalter, will E-Autos bauen und ist im Gesundheitswesen aktiv.

                                        Der chinesische Immobilienmarkt ist überhitzt

                                        Doch das vermeintliche “Perpetuum mobile” des immer wachsenden Immobilienmarktes ist nur eine Fantasie. Marktanalysten haben mehrmals davor gewarnt, dass die Immobilienblase platzen wird. In jüngster Zeit ist bereits zu merken, dass sich der chinesische Immobilienmarkt abgekühlt hat. Der Anstieg der Immobilienpreise in China hat sich verlangsamt. In manchen Städten sind die Preise auch zurückgegangen. Damit kommt Evergrande zurück auf den Boden der Realität. Hinzu kommen auch die bitteren Ergebnisse der Diversifikationsstrategie: das E-Auto fährt noch nicht, und der Fußballverein Guangzhou Evergrande nähert sich finanziell eher dem FC Barcelona als dem FC Bayern München an. Die Schuldenkrise von Evergrande ist kein “Government-made”, sondern ein im Unternehmen Evergrande entstandenes – oder besser gesagt ein “Market-driven” Ergebnis.

                                        Etliche Gläubiger setzen darauf, dass die chinesische Regierung (auf nationaler oder regionaler Ebene) eingreifen und ein Rettungspaket schnüren wird. Insbesondere Privatpersonen, die Wohnungen von Evergrande gekauft haben, hoffen, dass Evergrande die Bauarbeiten fortsetzen und den Kaufvertrag erfüllen wird. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch noch kein Rettungspaket vom Staat angekündigt worden.

                                        Gibt es eine Exit-Strategie?

                                        Unserer Einschätzung nach wird die chinesische Regierung kein umfassendes Rettungspaket für Evergrande anbieten wollen oder können. Der Umfang der Krise ist noch nicht klar. Zu bedenken ist auch der Dominoeffekt, wenn der Staat mit Steuergeldern ein Unternehmen aus der Krise hilft, dessen Misswirtschaft sehr zu seinem Fall beigetragen hat. In der schwierigen Corona-Zeit hat die chinesische Zentralbank sicherlich dringlichere Herausforderungen zu meistern, als der größte Immobilieninvestor des Landes zu werden.

                                        Es ist aber denkbar, dass sich Staatsunternehmen oder staatlich geführte Investmentfonds in Einzelfällen an einer Restrukturierung der betroffenen Gesellschaft im Evergrande-Konzern beteiligen oder bestimmte Schulden übernehmen könnten. In solchen Fällen sind Staatsunternehmen und staatlich geführte Investmentfonds jedoch normale Marktplayer wie andere potenziellen Investoren bei einem Chapter 11 Verfahren. Nach unserer Einschätzung ist so eine Beteiligung durch Staatsunternehmen oder staatlich geführte Investmentfonds vor allem dann zu erwarten, wenn die Interessen einer größeren Gruppe von Privatpersonen beeinträchtigt werden würden.

                                        Das chinesische Insolvenzrecht

                                        Wirtschaftlich ist der Konzern Evergrande am Boden. Rechtlich ergibt sich aber ein hochinteressantes Bild: Einen offiziellen Insolvenzantrag gibt es noch nicht. Das heißt, “by law” lebt Evergrande immer noch.

                                        In China ist das Insolvenzverfahren hauptsächlich im Unternehmensinsolvenzgesetz geregelt, dass am 01.06.2007 in Kraft getreten ist. Wie in Deutschland wird ein Insolvenzverfahren in China beim zuständigen Gericht (People’s Court) auf Antrag eingeleitet. In der Praxis könnte der Investor auf Schwierigkeiten stoßen. Ein Insolvenzverfahren in China ist nicht vergleichbar mit einem solchen Verfahren in Deutschland. Der größte Unterschied der Insolvenzsysteme liegt darin, dass das Konzept “Insolvenzverschleppung” in Festlandchina noch nicht in vergleichbarer Form wie in Deutschland existiert. Das chinesische Unternehmensinsolvenzgesetz sieht keine feste Frist vor, bis wann ein Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen muss. Aus deutscher Sicht werden die Insolvenzanträge in China häufig zu spät gestellt. Das ist der gesetzliche Boden, auf dem Evergrande sich immer noch befindet.

                                        Darüber hinaus ist nicht zu übersehen, dass Evergrande in der heutigen Form auch Einfluss außerhalb der chinesischen Grenzen hat. Das Unternehmen China Evergrande Group ist an der Hong Kong Stock Exchange gelistet und auf den Cayman Islands registriert. In diesem Fall muss die Gesellschaft die Gesetze der Cayman Islands und die Listing Rules der Hongkonger Börse ebenfalls befolgen. In dieser Hinsicht ist nicht auszuschließen, dass eine Zwangsmaßnahme im Ausland, wie zum Beispiel ein Delisting, früher eintritt als die Insolvenzeröffnung in China.

                                        Was ist noch zu erwarten?

                                        Was bedeutet die Liquiditätskrise von Evergrande für ausländische Gläubiger? Anders als Gläubiger innerhalb Chinas sind ausländische Gläubiger meist institutionelle Anleger. Das chinesische Insolvenzrecht schließt sicherlich die ausländischen Gläubiger nicht aus. Hierzu gilt der Gleichheitsgrundsatz: weder Nachteil noch Vorteil. Der Vorzug vor chinesischen Gläubigern beziehungsweise Verbrauchern wäre dabei eine Illusion. Hingegen hat man sich auf nervlich aufreibende Gläubigerversammlungen einzustellen. Ob und wie Evergrande – und auch der Staat – die Krise überwinden werden, bleibt spannend. “Too big to fail” existiert im Reich der Mitte  nicht.

                                        Jiawei Wang LL.M. ist Legal Counsel und Partner bei Rödl & Partner in Stuttgart. Er hat Rechtswissenschaften in Shanghai sowie in Heidelberg studiert und ist in der Volksrepublik China als Lü Shi (Anwalt chinesischen Rechts) zugelassen. Wang vertritt unter anderem deutsche Industrieunternehmen bei Vertragsverhandlungen und bei Rechtsstreitigkeiten mit chinesischen Geschäftspartnern.

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                                          Axel Schweitzer – sucht die Zukunft des Recyclings

                                          Axel Schweitzer - Vorstandsvorsitzender der Alba Group.
                                          Axel Schweitzer – Vorstandsvorsitzender der Alba Group

                                          Es flackert, es wackelt, dann hakt das Videotelefonat kurz. Axel Schweitzer entschuldigt sich. Es ist Anfang Oktober. Der 52-Jährige hält sich gerade in einem Quarantäne-Hotel in der Hafenstadt Qingdao auf. Wer derzeit nach China einreist, muss sich mindestens 14 Tage in Quarantäne begeben.

                                          Seit über einem Jahr war er nicht mehr in Festlandchina, erzählt Schweitzer. Dabei ist er sonst im Wochentakt hier. Gemeinsam mit seinem Bruder Eric Schweitzer leitet er Deutschlands drittgrößtes Abfall- und Recyclingunternehmen Alba. Im Sommer dieses Jahres haben beide Brüder mitgeteilt, dass sie ihr Familienunternehmen unter sich aufteilen. Axel Schweitzer hält dann unter anderem eine 100-Prozent-Beteiligung an der ausgegliederten Schwesterfirma Alba Group Asia. “In brüderlicher Verbundenheit”, wie er betont. 

                                          Mitglied im Asien-Pazifik-Ausschuss

                                          Mitte der 1990er-Jahre wird Schweitzer Vorstandsmitglied bei Alba, das einst sein Vater gegründet hat. Da ist er gerade einmal 26 Jahre alt. In dieser Zeit, erzählt er, war er zusammen mit Angela Merkel, damals Bundesumweltministerin, zum ersten Mal in Peking. “Da hatte das höchste Haus noch fünf Stockwerke.” Er sei neugierig auf das Land gewesen. Das bedeutet bei Schweitzer auch immer: neugierig auf den Müll. “Der Müll enthält sehr viel mehr organisches Material als in Europa, wie zum Beispiel Essensreste”, erklärt er. Außerdem fielen beim Elektroschrott mehr Reiskocher und wegen des teils subtropischen Klimas auch mehr Klimaanlagen an.

                                          Außer seiner Asien-Affinität ist von Axel Schweitzer eher wenig bekannt. Höchstens, dass er etwas stiller ist als sein älterer Bruder Eric, dass er Präsident der Basketballmannschaft ALBA Berlin ist, dass er privat regelmäßig läuft und laufend unterwegs ist. In Hongkong hat seine Familie sogar einen Zweitwohnsitz. Seit 2013 engagiert er sich im Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (APA) als stellvertretender Vorsitzender und ist Mitglied des deutsch-chinesischen Dialogforums.  

                                          Sammeln, sortieren, neue Geschäftsmodelle sondieren

                                          Lange Zeit exportierten deutsche Entsorgungsunternehmen wie Alba anfallende Kunststoffabfälle über deutsche oder niederländische Häfen nach Hongkong oder China. 2017 teilte China der Welthandelsorganisation (WTO) mit, die Einfuhr etwa von Papier und Plastikmüll gänzlich zu stoppen. Schweitzer sagt, er finde das chinesische Importverbot gut. 

                                          Denn um den wachsenden Müllbergen endlich Herr zu werden, entstehen derzeit mehr und mehr Recyclingfirmen und Müllverbrennungsanlagen in China. Die Recyclingquote soll ansteigen. Dafür investiert das Land – und europäische Firmen wie Veolia, Remondis oder Alba wollen profitieren. “Asien ist international unser wichtigster Markt”, erklärt Schweitzer.

                                          Seit 2018 betreibt Alba in Hongkong eine Anlage zur Aufbereitung von Elektroschrott. Im vergangenen Jahr begannen die Bauarbeiten für eine neue Anlage zum Recycling von Kunststoffen durch eine Joint-Venture-Gesellschaft. Hier, im Ecopark, einem Industrie- und Recyclinggelände in Hongkong, sollen die Stoffe zunächst sortiert und anschließend beispielsweise PET-Flocken für Lebensmittelverpackungen produziert werden. Auf einem Foto vom Baubeginn sieht man Schweitzer mit vergoldetem Helm und Spaten. Wie lukrativ das Geschäft in Asien ist, dazu lässt Alba nur mitteilen, dass die Anlagen positive Ergebnisse erzielen würden und man sich alle zwei bis drei Jahre verdopple.

                                          China als Zukunftslabor für Zero-Waste

                                          Schweitzer sieht in China eine Art Zukunftslabor für eine Zero-Waste-Gesellschaft. Er spricht von Kunststoffen, die für das Recycling per Track-and-Trace entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachverfolgt werden können. Von autonom fahrenden Kehrmaschinen, die in Smart Cities Straßen säubern. Bei Chinas Tempo könnte die Idee eines modernen Recyclingsektors schnell Realität und damit für deutsche Firmen wie Alba zu Geld werden. Noch ist das aber ungewiss – auch die deutsch-chinesischen Geschäftsbeziehungen politisierten sich zunehmend. “Ich beobachte die derzeitigen Entwicklungen mit Sorge, umso wichtiger ist es, Brücken zu bauen”, sagt Schweitzer. Pauline Schinkels

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