Omid Nouripour nimmt kein Blatt vor den Mund: Deutschland muss in den Beziehungen zu China mehr Härte zeigen, sagt der Grünen-Außenpolitiker. Auf Dauer reiche ein Dialog schlicht nicht aus. Die Unterschriften unter die politische Einigung zum Abschluss des EU-Investitionsabkommens mit China (CAI) waren seiner Meinung nach zu schnell gesetzt – Berlin und Paris hätten einen Deal mit Peking geschlossen, ohne sich mit den anderen Mitgliedsstaaten abzustimmen. Und auch die deutsche Autoindustrie kassiert Kritik: Diese müsse raus “aus ihrer Hängematte” und ihre Innovationskraft im Wettstreit mit China stärker nutzen, fordert Nouripour im Interview mit Michael Radunski.
Weitaus diplomatischer kommuniziert die EU-Handelskammer in Peking – auch, weil der Adressat ein anderer ist. Die Kammer kritisiert in ihrem diesjährigen Positionspapier die zunehmende Tendenz zur Abkopplung der Volksrepublik. China schade sich selbst, wenn es auf die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung und den Austausch mit ausländischen Fachkräften verzichtet. Auch für europäische Unternehmen in China hat die Kammer Ratschläge parat. Finn Mayer-Kuckuk hat das Papier analysiert.
Die großen (Klima-)Neuigkeiten kommen manchmal in Nebensätzen daher. Xi Jinping hat vor der UN-Vollversammlung verkündet, China werde keine neuen Kohlekraftwerke mehr im Ausland bauen. Für den Kampf gegen die Klimaerwärmung ist das eine gute Nachricht – denn Peking ist der letzte große Geldgeber für die klimaschädliche Kohleenergie. Die Volksrepublik hat die Kohlefinanzierung genutzt, um Überkapazitäten der eigenen Kohleindustrie ins Ausland zu exportieren. Macht Peking die Ankündigung wahr und öffnet keine Schlupflöcher?
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Die Welt ist im Umbruch: Der Westen erlebt das größte Debakel seiner jüngeren Geschichte, während Chinas Aufstieg fast unaufhaltsam erscheint. Was passiert gerade?
Wir erleben das Ende jeglicher Machtprojektion des Westens. Diese wurde zuletzt am Hindukusch zertrümmert. Der Westen ist gescheitert – und China musste nicht einmal viel dafür tun.
Das klingt ein bisschen nach: China steckt hinter dem Debakel und ist somit im Grunde der böse Bube. Das ist nicht ihr Ernst, oder?
Nein, im Gegenteil. Chinas Aufstieg ist ein Segen für die Menschheit, wenn sich China an die internationalen Regeln und das Völkerrecht halten würde. Aber wir erleben zunehmend, dass das eben nicht passiert – ob in Hongkong, in Xinjiang oder im Südchinesischen Meer. Es reicht nicht, sich nur bei gutem Wetter zum Multilateralismus zu bekennen und ansonsten je nach Kraftlage Schiedssprüche wie zum Südchinesischen Meer einfach zu ignorieren.
Was bedeutet das für Europa?
Die EU hat ein Dreieck aufgebaut bestehend aus den Punkten Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Das ist nicht falsch, aber uns muss klar sein, dass dies kein gleichmäßiges Dreieck ist. Mal gibt sich China als Partner, mal als Wettbewerber. Systemischer Rivale ist China hingegen immer.
Und was folgt daraus?
Zunächst mal muss man das endlich anerkennen. Und im zweiten Schritt bedeutet es, dass es Dialog und Härte braucht. Kooperation bei der Menschheitsaufgabe Klimawandel, aber Härte bei Menschenrechtsverletzungen, bei Wettbewerbsverzerrungen oder bei Drohungen gegen Nachbarstaaten.
Das klingt fast so, als würde das Deutschland nicht machen. Wie bewerten Sie denn die China-Politik unter Bundeskanzlerin Angela Merkel?
In der Außenpolitik haben wir folgende Situation: Bei Russland ist die SPD das Problem, und bei China das Kanzleramt.
Inwiefern?
Da gibt es ganz viel Dialog. Aber wenn es um den Zusammenhalt der EU gegenüber China geht oder um die Eindämmung Pekinger Einflussnahme, dann passiert rein gar nichts.
Was meinen Sie damit genau?
Gerne. Das Investitionsabkommen CAI. Jahrelang haben wir daran gearbeitet, dass das Format 17+1 unwichtiger und die EU nicht gespalten wird, weil China im bilateralen Austausch letztlich immer am längeren Hebel sitzt. Da haben wir zuletzt viel erreicht. Doch dann kommt dieses CAI – und viele fragen mich nun, ob wir jetzt etwa ein 2+1-Format machen wollen, also Berlin, Paris und Peking machen alles unter sich aus. Ganz davon abgesehen, dass es dem CAI auch noch an Substanz fehlt, beispielsweise beim Thema Zwangsarbeit.
Aber das CAI ist doch kein deutsches, sondern ein europäisches Abkommen mit China.
Richtig, aber es wurde massivst von Deutschland während seiner Ratspräsidentschaft vorangetrieben. Die Bundesregierung hat auf Biegen und Brechen auf einen Abschluss gedrängt. Das CAI muss man in dieser Form in die Tonne kloppen.
Zurück zu ihrem Befund: Die EU-Staaten sind nun mal gespalten in ihrer Haltung gegenüber China. Wie wollen sie das ändern?
Das Hauptproblem ist die Entscheidungsfindung innerhalb der EU, das Prinzip der Einstimmigkeit. Wenn ein Staat ausschert, ist Europa blockiert, dann können wir nichts mehr ratifizieren. Hier lohnt ein Blick in die Geschichte Europas, um zu sehen, wie es funktionieren kann, nämlich mit variablen Geometrien: mit einigen Staaten, die vorangehen. Dann steht im Briefkopf eben nicht mehr Josep Borrell – Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, sondern die Namen von 23 EU-Staaten, vielleicht noch zusammen mit Großbritannien und Kanada. Damit hätten wir einen riesigen Schritt nach vorne gemacht.
Kommt in dieser Hinsicht von Deutschland zu wenig?
Ja. Ja. Ja. Deutschland hat sogar dazu beigetragen, dass sich die EU derart einfach hat spalten lassen. Mein Eindruck ist, dass man das im Kanzleramt einfach so hingenommen hat. Übrigens: In Artikel 44 des Lissabonner Vertrags steht, dass man schon jetzt in diesen verschiedenen Geometrien arbeiten kann. Wir müssen es also nur tun.
Hat denn Deutschland keinen Plan, wie man mit China umgehen sollte?
Nein. Und wenn doch, dann besteht dieser Plan nur aus Dialog, keinerlei Härte. Aber so wird es nicht gehen auf Dauer, ob bei kritischer Infrastruktur, wachsender Einflussnahme oder anderen Themen. So wie Deutschland es macht, kann man mit China nicht umgehen.
Bleiben wir ganz kurz noch bei der Geopolitik. Xi Jinping präsentiert das chinesische Modell als Alternative zum Westen und grenzt sich klar von westlichen Werten ab. Was müssen wir tun?
Wenn die chinesische Seite hochoffiziell den systemischen Wettbewerb ausruft, dann müssen wir endlich mal den Kopf aus dem Sand ziehen und diesen Wettbewerb annehmen.
Wie?
Erstens, es als Wettbewerb anerkennen – und nicht so tun, als ob es keine Probleme gebe. Zweitens, die EU stärken, so wie ich es schon beschrieben habe. Und drittens, verstehen, dass unsere Demokratie auf dem Spiel steht. Als einer, der in einem Unrechtsstaat aufgewachsen ist, kann ich ihnen versichern: Es lohnt sich, für unsere Demokratie zu kämpfen.
Peking würde an diesem Punkt auf sein jahrzehntelanges Wirtschaftswachstum verweisen und sagen, unseren Menschen geht es immer besser, sie werden immer reicher und dürfen immer mehr. Kurz: Wir haben ganz offensichtlich das bessere System.
Genau, die Systemüberlegenheit wird immer von den Chinesen hervorgehoben und mit zwei Punkten begründet: Erstens könne man längerfristiger planen als der Westen mit seinen Wahlen. Und zweitens sei man viel effektiver.
Aber beides stimmt so ja nicht. Am Beispiel Hongkongs sieht man, dass ein Machtwechsel in China sogar dazu führt, dass man sich nicht mehr an internationale Verträge hält. Und die wahre Effizienz des chinesischen Systems konnte man sehr gut zu Beginn der Corona-Pandemie erkennen. Damals hat die Weltgemeinschaft im Kampf gegen das Virus wichtige Zeit verloren, weil erst der Parteikongress in Hubei abgewartet werden musste, ehe Peking gegen das Virus vorgegangen ist. China fehlt es an einer Fehlerkultur, die es in Demokratien gibt. Sich durch Fehler zu verbessern ist nicht die Art und Weise, wie die KP in China Entscheidungen trifft.
Und noch ein Wort zum chinesischen Wirtschaftswachstum: Nochmals, es ist ein Segen, dass China rund Hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt hat. Aber im Vergleich muss man immer sehen, woher man kommt. Und es ist kein Freifahrtschein, internationale Regeln zu brechen, nicht in Hongkong, nicht in Xinjiang oder sonst wo.
Wenn Peking derart Verträge und Regeln bricht, kann man China dann überhaupt vertrauen?
Einer der größten Fehler der Obama-Administration war, bei der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank AIIB nicht mitzumachen. Die Chinesen gründen derzeit etliche Institutionen, wie AIIB, Seidenstraße und mehr, und versuchen so, Parallelstrukturen zu bilden, in denen sie das sagen haben. Das ist machiavellistisch verständlich. Aber dass sich die Amerikaner da raushalten und nicht versuchen, von innen Einfluss darauf zu nehmen, ist vollkommen falsch. Die amerikanische Politik des Decoupling ist verheerend falsch.
Das kann man durchaus so sehen, aber gestatten Sie mir eine Bemerkung. Das klingt mir alles ein bisschen nach: Wir schaffen es nicht, suchen die Fehler aber in erster Linie bei den anderen. Sie jetzt bei den Amerikanern.
Nein. Was ich sagen will: Man hat so viel Einfluss, wie man bereit ist, zu investieren. Die Chinesen machen es uns vor, ihr Einsatz aber auch ihr Einfluss in internationalen Organisationen nimmt stetig zu. Dass fängt in der Generalversammlung der Vereinten Nationen an und hört längst nicht auf bei der Internationalen Standardisierungsbehörde.
Und ist das der deutschen Politik bewusst?
Ich bin Politiker, und ich rede gerade davon.
In Ordnung. Ist es der Regierung bewusst?
Wir haben im Auswärtigen Ausschuss eine Anhörung zum Thema Standardisierung gehabt, sehr spannend. Aber die Regierung hat daran kein gesteigertes Interesse gezeigt. Soll ich Ihnen ein Beispiel nennen?
Gerne.
E-Gaming ist ein milliardenschweres Geschäft. Vor zwanzig Jahren konnten Sie fast nur Spiele kaufen, in denen die Amerikaner im Irak gekämpft oder die Nazis besiegt haben. Heute geht es darum, dass die chinesische Flotte die Amerikaner im Ostchinesischen Meer besiegt. Dahinter steckt, dass zum einen die Chinesen im E-Gaming neue Standards gesetzt haben und zum anderen es keinen großen Spieleentwickler mehr gibt, der nicht von chinesischen Stakeholdern abhängig ist. Und im Endeffekt sind das Wege, wie neue Narrative gesetzt werden für den systemischen Wettbewerb im digitalen Zeitalter.
Was sollen wir dagegen tun?
Verstehen, dass es überhaupt ein Problem gibt – und sich dann darum kümmern. Wir müssen sektoral überlegen, wo wir weit mehr investieren müssen.
Im Bereich E-Gaming spielt Deutschland kaum eine Rolle, auf dem Automobilmarkt hingegen schon. Doch beim Thema Elektromobilität bekommt man den Eindruck, kaum setzt Peking auf E, spricht man in den deutschen Zentralen plötzlich nur noch über E-Mobility. Was sagt das über den Zustand der deutschen Wirtschaft aus?
Das macht mich wahnsinnig. Ich habe erst vor wenigen Tagen mit einem relevanten Manager eines chinesischen Autobauers gesprochen. Der erzählt mir, dass sie gerade die Akkus bauen, von denen die Deutschen sagen, es ginge nicht. In Deutschland bekommen die Autobauer so viele weiche Kissen von der Regierung gestellt, dass sie sich darauf ausruhen und von ihren Erfolgen glauben, diese blieben für immer. Sie glauben, neue Innovationen müsse man nicht umsetzen in Serie.
Zudem bauen die Chinesen aktuell Ladestationen: zwischen Peking und Shenzhen alle 100 Kilometer. An diesen Stationen lädt man nicht ewig seinen Akku, sondern tauscht ihn einfach aus und fährt weiter. Die haben errechnet, so ist man 3,5 Minuten schneller, als wenn man immer wieder 60 Liter tankt. Das erzählt er mir ganz stolz.
Und was sagt das nun über die deutsche Wirtschaft aus?
Dass sich verdammt nochmal aus ihrer Hängematte rausmüssen und ihre eigene Kreativität und Innovationskraft nutzen sollten, statt auf Schummelsoftware zu setzen. Das ist dramatisch, denn die deutsche Automobilbranche ist eine Kernsäule des deutschen Wohlstands. Wo ist der Druck der deutschen Politik auf die Wirtschaft, das endlich auch zu bauen?
Verlieren wir…
… ja, ja. Wir verlieren gerade völlig den Anschluss. Und umso wahrscheinlicher wird es dann, dass wir bei der nächsten Innovationsstufe gar nicht mehr dabei sind. Das sehen wir im Mobilfunkbereich und 5G, wo keine deutsche Firma die entsprechenden Server mehr anbieten kann. Das darf uns bei 6G nicht passieren.
Omid Nouripour ist Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags. Der 46-Jährige ist im Iran geboren.
Die EU-Handelskammer in China befürchtet einen Rückgang der Internationalität des chinesischen Marktes. Als Folge dieses Trends könne die Wirtschaft dort an Dynamik und Innovationskraft verlieren: “Der entsprechende Verlust an Wettbewerb im Markt wird auch Chinas Ambitionen beeinträchtigen, in Hochtechnologie-Branchen führend zu werden”, schreibt Kammerpräsident Jörg Wuttke im Vorwort zum “European Business in China Position Paper 2021/2022“, das heute erschienen ist. Es bestehe die Gefahr, dass Peking sich von den mutigen Reformen verabschiede, die das Land seit den 1970er-Jahren vorangetrieben hätte.
Das Positionspapier der EU-Kammer erscheint jährlich und ist eine feste Institution im Pekinger Jahreslauf. Die 1.700 Mitgliedsunternehmen aus allen EU-Ländern bündeln darin Lob und Klagen über den chinesischen Markt. In diesem Jahr beherrschen vor allem drei Themen das umfangreiche Dokument:
Die EU-Kammer sieht daher auch die “Dual Circulation” kritisch, das jüngste ökonomische Konzept der chinesischen Führung. Die Idee dahinter: Der eine Kreislauf ist der Warenhandel mit dem Ausland, also die Einbindung in die Weltwirtschaft. Der zweite Kreislauf ist die chinesische Binnenwirtschaft, die notfalls auch ganz ohne die Außenwelt funktionieren soll. Beide Kreisläufe sollen nur noch lose verknüpft sein, sodass es nicht mehr Investitionen und Nachfrage aus dem Ausland sind, die das Wachstum treiben. “Das Streben nach Eigenständigkeit läuft jedoch dem Geist von umfassenden Reformen und einer Öffnung der Wirtschaft entgegen”, warnt das Positionspapier.
Für europäische Firmen im Chinageschäft haben die Ideen der Führungsgeneration unter Xi Jinping bereits ganz konkrete Auswirkungen. Je weniger das Land mit dem Ausland handelt und je weniger Anerkennung internationale Marken genießen, desto geringer die Absatzchancen. Die Kammer sieht jedoch auch Nachteile für China: In internationaler Arbeitsteilung sind bessere Waren günstiger zu bekommen. China verschenkt daher mit dem Versuch, möglichst alles selber zu machen, erhebliches Wohlstandspotenzial.
Die EU-Kammer empfiehlt China daher eine Fortsetzung marktorientierter Reformen. Außerdem soll das Land seine Öffnungspolitik fortsetzen, statt sie zurückzudrehen. Zwar sei die Tendenz zur Abkopplung verständlich, weil die USA ihrerseits den Zugang zu Technologie verweigern. China sollte sich jedoch davon nicht zu einer extremen Gegenreaktion provozieren lassen.
Die EU-Kammer macht den Trend einer zunehmenden Abschottung auch an der geringen Zahl von Ausländern in China fest. Vor allem die qualifizierten Firmenmitarbeiter aus entwickelten Ländern werden immer seltener. In Peking ist ihre Zahl seit 2010 von mehr als 100.000 auf etwas mehr als 60.000 gefallen. Als Gegenbeispiel nennt die EU-Kammer das kleine Luxemburg, wo 300.000 ausländische Staatsbürger leben. Die mangelnde Diversität gilt als besonders schädlich für die Innovationsfähigkeit.
Die EU-Kammer registriert zudem mit Sorge, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen inzwischen von Fragen nationaler Sicherheit diktiert werden. Europäische Banken vor Ort befürchten beispielsweise, dass sie ihre Computer in China demnächst vollständig vom weltweiten Firmennetz abkoppeln müssen. “Das beschränkt sie zunehmend in der Fähigkeit, grenzübergreifende Dienste anzubieten”, schreiben die Mitglieder der Finanz-Arbeitsgruppe der EU-Kammer. Einige europäische Banken haben den chinesischen Markt bereits verlassen.
Auch zahlreiche andere Branchen sollen laut dem aktuellen Fünfjahresplan vom Ausland unabhängiger werden. Europäische Firmen aus diesen Branchen berichten laut Kammer-Report, dass ihre chinesischen Kunden immer zurückhaltender werden. Sie signalisieren, dass die Beschaffung bei ausländischen Anbietern für sie schwieriger wird. Auch wenn die Auswirkungen sich derzeit noch in Grenzen halten, sieht die Kammer diesen Trend mit Sorge.
Das aktuelle Positionspapier sieht jedoch auch viele Branchen im Aufschwung. “Für diejenigen, die Technologie beitragen, die China benötigt, wird der rote Teppich ausgerollt.” Dazu gehören beispielsweise Techniken, die der Abkehr von der Kohle dienen. Oder alles, was die Qualität der eigenen Industrie aufwertet, zum Beispiel Maschinen, Materialien oder Halbleiter. Während sich unerwünschte Branchen im “Frachtraum” wiederfinden, reisen erwünschte Branchen in der “Business Class” der chinesischen Wirtschaft in Richtung Wachstum und Gewinn.
Den europäischen Tochtergesellschaften vor Ort rät die EU-Kammer, jetzt schon mit ihren Hauptquartieren die Anpassung an diese neuen Rahmenbedingungen zu besprechen. Denn den Unternehmen im “Frachtraum” könnten auf kurz oder lang ausgestoßen werden. “Localise or leave“, lautet dann die Wahl für die Manager. Reiner Import oder nur Endfertigung für den chinesischen Markt sind dann keine Optionen mehr.
Folgende Forderungen stellt die EU-Kammer im Lichte dieser Entwicklungen gegenüber China:
In Richtung der EU bringt die Kammer folgende Forderungen vor:
Für europäische Unternehmen hat das Positionspapier ebenfalls Ratschläge parat:
Im Gesamtbild erkennt die EU-Kammer jedoch an, dass die Möglichkeiten der EU-Unternehmen für sich allein begrenzt sind. Im Zeitalter von Wolfskriegern und steigendem Nationalismus (China.Table berichtete) gehören protektionistische Tendenzen zu den übergreifenden Trends. Umso wichtiger findet Kammerpräsident Wuttke es, sich diesen Tendenzen entgegenzustellen.
“China wird keine neuen Kohlekraftwerke im Ausland bauen.” Stattdessen wolle die Volksrepublik “andere Entwicklungsländer bei der Entwicklung grüner und kohlenstoffarmer Energieprojekte stärker unterstützen” – das kündigte Präsident Xi Jinping am Dienstag in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung an. Klima- und Energieexpert:innen sehen die Ankündigung als wichtigen Schritt. Denn die Volksrepublik war der letzte namhafte Staat, der Kohleprojekte im Ausland finanzierte.
Auch Südkorea und Japan gaben in jüngster Vergangenheit den Ausstieg aus der Kohlefinanzierung im Ausland bekannt. Westliche Staaten und Entwicklungsorganisationen hatten sich bereits in den vergangenen Jahren verpflichtet, keine besonders klimaschädlichen Projekte mehr zu finanzieren.
China war in den vergangenen Jahren zum größten öffentlichen Geldgeber für Kohlekraftwerke im Ausland geworden. Mit mehr als 44 Milliarden Euro haben die beiden großen chinesischen Entwicklungsbanken, die Export-Import Bank of China und die China Development Bank, in den vergangenen 20 Jahren Kohlekraft im Ausland finanziert. Damit wurden 66 Kraftwerke gebaut, wie aus einer Datenbank der Boston University hervorgeht. Ohne diese Exportkredite, Darlehen und Zuschüsse könnten viele der Projekte nicht realisiert werden.
Die Klimafolgen von Xis Ankündigung sind nicht zu unterschätzen. Die seit dem Jahr 2000 mit chinesischen Staatsgeldern gebauten Kohlekraftwerke im Ausland werden während ihrer 40-jährigen Lebensdauer zwölf Gigatonnen CO2 ausstoßen (China.Table berichtete). Das ist mehr als die jährlichen CO2-Emissionen Chinas.
Derzeit befinden sich noch Projekte mit chinesischer Finanzierung mit einer Kapazität von 40 Gigawatt in der Entwicklung, so Byford Tsang, Analyst des Klima-Thinktanks E3G. Das entspricht der derzeitigen Kohlekapazität Deutschlands.
Die Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland diente bislang auch industriepolitischen Zielen Chinas. Bei einem Großteil der Projekte wurden chinesische Heizkessel, Dampfturbinen und Generatoren eingesetzt. In zwei von drei Projekten kamen chinesische Auftragnehmer zum Zug. Damit sollten Überkapazitäten der chinesischen Industrie nutzbar gemacht werden. Xis Ankündigung ist also auch ein Zeichen an die eigene Industrie.
Die Ankündigung, grüne und kohlenstoffarme Energieprojekte stärker unterstützen zu wollen, wird bei den ausländischen Partnern auf offene Ohren treffen. Seit dem Jahr 2000 haben die großen Entwicklungsbanken der Volksrepublik Solarprojekte im Ausland lediglich mit umgerechnet 2,2 Milliarden Euro und Windenergie-Projekte lediglich mit einer Milliarde Euro finanziert. Allerdings flossen 37,5 Milliarden Euro in Wasserkraft-Projekte.
Analysten sehen die Ankündigung Xis auch als “Geschäftschance”: China ist weltweit der größte Produzent von Solar- und Windkraftanlagen und hat in der Vergangenheit angekündigt, die “Belt and Road”-Initiative nachhaltiger zu machen.
Klimaexpert:innen und Aktivisten loben Chinas Ankündigung als wichtigen Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Li Shuo von Greenpeace Ostasien sieht Xis Versprechen als “guten Schritt nach vorn”. Es komme jetzt jedoch auf die Details an: “Gilt die Ankündigung sofort? Bezieht sich die Ankündigung nur auf staatliche Akteure?”
Auch Byford Tsang von E3G ist auf die Details gespannt. Es sei entscheidend, ob die Ankündigung auch staatliche und Geschäftsbanken umfasse – das wäre dann sogar ein Schritt mehr als die von G7-Staaten eingegangenen Verpflichtungen. Denn westliche Geschäftsbanken finanzieren weiterhin Kohleprojekte im Ausland.
Chinesische Banken haben sich in den letzten Monaten nach Vorgaben der politischen Führung schon “von Kohleprojekten im Ausland distanziert”, sagt Lauri Myllyvirta, Energie-Analyst beim Thinktank Centre for Research on Energy and Clean Air. Doch auch Myllyvirta weist darauf hin, dass China die Ankündigung präzisieren müsse: “Chinesische Banken und Unternehmen spielen [im Kohlesektor] eine wichtige Rolle bei der öffentlichen und privaten Finanzierung, bei Kapitalbeteiligungen und bei der Bereitstellung von Ausrüstungen”, so Myllyvirta.
Die wichtigste Konsequenz aus Xis Äußerung sei ihm zufolge, dass “jede neue Finanzierung oder Kapitalbeteiligung an Kohlekraftwerksprojekten in Übersee für jede chinesische Bank oder jedes chinesische Energieunternehmen schädlich wäre.”
Die Klimajournalistin und Beraterin Liu Hongqiao mahnt jedoch zur Zurückhaltung. Xi habe nicht direkt von Finanzierungen gesprochen. Man “müsse die offiziellen chinesischen Verlautbarungen” in dieser Frage abwarten.
Alle Expert:innen sind sich einig: Klimapolitisch ist es noch wichtiger, welche Pläne China künftig im Inland verfolgt. Die Volksrepublik ist der größte CO2-Emittent der Welt. Kohlestrom deckt zwei Drittel des chinesischen Energiehungers. Die Hälfte des weltweit erzeugten Kohlestroms geht auf China zurück. Infolge der Corona-Pandemie wurde die Kapazität sogar weiter ausgebaut, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Im April hatte Xi auf einem hochrangigen Klimagipfel ankündigt, den Kohleverbrauch bis 2025 “streng zu kontrollieren”. Bis 2030 wolle die Volksrepublik einen “schrittweisen Abbau des Kohleverbrauchs” einleiten, so Xi. Das war das erste Mal, dass China ein konkretes Datum für das Absinken des eigenen Kohleverbrauchs nannte. Um seinen Beitrag zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels zu erreichen, müsste China den Kohleverbrauch jedoch “in einem viel schnelleren Tempo als derzeit geplant” reduzieren, schreiben die Expert:innen des Climate Action Tracker. Es wird entscheidend sein, ob Xi auch auf der Klimakonferenz Anfang November in Glasgow neue Verpflichtungen eingeht, beziehungsweise die eigenen Klimapläne konkretisiert.
Die EU hat sich ihrerseits mit dem neuen Finanzierungsinstrument für Außen- und Entwicklungspolitik, Global Europe (2021-27), explizit gegen eine Finanzierung von fossilen Brennstoffen – demnach auch Kohle – entschieden. So umfasst das Gesetz des 76 Milliarden schweren Instrumentes eine Ausschlussklausel: Tätigkeiten, die “im Rahmen des Übereinkommens von Paris nicht vereinbar sind oder Investitionen in fossile Brennstoffe fördern”, dürfen keine Gelder erhalten. Stattdessen sollen die Gelder in die Entwicklung erneuerbarer Energien fließen.
Insbesondere der mit 53,5 Milliarden gespickte Europäische Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD+), über den etwa Finanzmittel, Haushaltsgarantien, oder Mischfinanzierungen (Blending) getätigt werden, lässt lediglich “ökologisch nachhaltige” Investitionen zu, für die eine strenge Sorgfaltspflicht gilt.
Die Europäische Investitionsbank EIB hat bereits 2019 entschieden, ab 2021 keine neuen Finanzierungen für Projekte mit fossilen Energieträgern zu unterstützen. Demnach sollen die Gelder vermehrt die Entwicklung von saubere Energien, Energieeffizienz und erneuerbare Energien vorantreiben. Mitarbeit: Charlotte Wirth
Das litauische Verteidigungsministerium hat Verbraucher angehalten, keine chinesischen Mobiltelefone zu kaufen. In Geräten des Smartphone-Herstellers Xiaomi seien vorinstallierte Zensurmechanismen gefunden worden, teilte das Ministerium nach einem Untersuchungsbericht der nationalen Cybersicherheitsbehörde mit, wie Reuters berichtet. So könnten Begriffe wie “freies Tibet”, “Demokratiebewegung” oder Suchanfragen zu Taiwan erkannt und zensiert werden. Die Funktion sei in Xiaomis Mi 10T 5G-Telefonsoftware für die Region der Europäischen Union deaktiviert worden, könne aber jederzeit aus der Ferne eingeschaltet werden, wie es in dem Bericht weiter hieß.
Dem Bericht zufolge enthält der Zensur-Mechanismus eine Liste von 449 Begriffen auf Chinesisch, die von den System-Apps des Xiaomi-Telefons, einschließlich des Standard-Internetbrowsers, zensiert werden könnten. Die Liste wird demnach laufend aktualisiert. “Unsere Empfehlung ist, keine neuen chinesischen Telefone zu kaufen und die bereits gekauften so schnell wie möglich loszuwerden“, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Margiris Abukevicius laut Reuters. Die Untersuchung habe zudem ergeben, dass Xiaomi-Telefone verschlüsselte Telefonnutzungsdaten an einen Server in Singapur sendeten.
Eine Sicherheitslücke wurde demnach auch im P40 5G-Smartphone von Huawei gefunden. Ein Vertreter von Huawei im Baltikum betonte gegenüber der Nachrichtenagentur BNS, dass Telefone des Herstellers keine Benutzerdaten nach außen sendeten. Xiaomi reagierte auf den Bericht des Ministeriums zunächst nicht. Die Beziehungen zwischen China und Litauen sind derzeit auf einem Tiefpunkt (China.Table berichtete). Der EU-Staat hatte zuletzt das 17+1-Format verlassen und will ein Taiwan-Büro eröffnen. Peking zog daraufhin seinen Botschafter ab und forderte Litauen auf, seine Botschafterin ebenfalls zurückzurufen. ari
Taiwan hat einen Antrag auf Beitritt zum pazifischen Handelsbündnis Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) gestellt, berichtet Bloomberg unter Berufung auf zwei Quellen am Mittwoch. Das Beitrittsgesuch kommt nur wenige Tage nach dem China selbst einen Antrag auf Mitgliedschaft übermittelt hat (China.Table berichtet). Taiwan versuche schon seit einigen Jahren Beitritt zu dem Abkommen zu erhalten, schreibt Bloomberg. Da Peking jegliche Zusammenarbeit mit Taiwan aber ablehne, werde nur eines der beiden Länder Zugang zum Handelsbund erhalten können.
Dem Bericht zufolge wird Taiwans Bestreben von Japan unterstützt. Dem chinesischen Beitrittsgesuch begegneten Japan und Australien in den letzten Tagen hingegen mit viel Skepsis (China.Table berichtete). Malaysia hingegen hat sich positiv zu Chinas Antrag positioniert. Das pazifische Handelsbündnis umfasst derzeit elf Mitglieder, darunter Japan, Australien, Kanada, Mexiko, Vietnam und Peru. Auch Großbritannien hat infolge des Brexits um Aufnahme gebeten. nib
Der kriselnde Immobilienriese Evergrande setzt auf eine Beruhigung der Finanzmärkte und hat eine pünktliche Zinszahlung in Millionenhöhe angekündigt. Die Kerngesellschaft des Konzerns, Hengda Real Estate Group, erklärte am Mittwoch, eine am heutigen Donnerstag fällige Zinszahlung in Höhe von 35,9 Millionen Dollar pünktlich zu leisten, wie Reuters berichtete. Evergrande wolle damit ein Zeichen setzen und für Stabilität sorgen, sagte demnach eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Unklar ist noch, ob dieses Versprechen auch für die anderen Anleihen gilt, für die in den kommenden Tagen rund 130 Millionen Dollar Zinsen gezahlt werden müssten.
Bei Investoren an den weltweiten Finanzmärkten sorgte die Nachricht für Erleichterung: Der chinesische Yuan und der risikosensitive australische Dollar legten dem Bericht zufolge zu. Dagegen gaben US-Staatsanleihen und der japanische Yen, die als sicherer Hafen gelten, nach. Der Shanghai Composite Index stoppte den Kursrutsch der vergangenen Tage und legte 0,3 Prozent zu. Der Immobilienindex gewann fünf Prozent.
Evergrande-Verwaltungsratschef Xu Jiayin hatte zuletzt versichert, der zweitgrößte Immobilienentwickler Chinas werde seine Verpflichtungen gegenüber Immobilienbesitzern, Anlegern, Partnerfirmen und Banken erfüllen (China.Table berichtete). Bereits im Juni war das Unternehmen mit Anleihe-Zinszahlungen in Verzug geraten. Erst Anfang des Monats hatte Evergrande vor neuen Liquiditäts- und Ausfallrisiken gewarnt (China.Table berichtete). Evergrande hat einen Schuldenberg von über 300 Milliarden US-Dollar angehäuft. ari
Der chinesischen Tech-Industrie droht der Verlust einer weiteren schillernde Führungspersönlichkeit. Die Mitbegründerin Jean Liu wird den Fahrdienstvermittler Didi Chuxing verlassen. Das kündigte sie laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber engen Vertrauten im Unternehmen an.
Die 43-Jährige zählt zu den zentralen Schaltstellen bei Didi, über deren Tisch zahlreiche richtungsweisende strategische Entscheidungen gelaufen sind. Dazu gehören die Fusion mit Alibabas Lieferservice Kuaidi oder die Übernahme des chinesischen Uber-Ablegers. Liu trägt als nominelle Präsidentin des Unternehmens auch die Verantwortung für die Personalabteilung und die Kommunikation in Krisenzeiten. Offiziell weist Didi die Ankündigung zurück.
Doch tatsächlich befindet sich das Unternehmen seit einer Weile im Kreuzfeuer der Regulatoren. Didi Chuxing hatte sich im Sommer gegen den Willen der Behörden für einen Börsengang in den USA entschieden und dabei rund 4,4 Milliarden Dollar eingenommen (China.Table berichtete). Kurz darauf verkündete Chinas Behörde für Cybersecurity eine Untersuchung gegen den Konzern und verbot neue Downloads von der Mobil-Applikation des Fahrdienstvermittlers.
Liu ist nach Alibaba-Gründer Jack Ma oder Bytedance-Gründer Zhang Yiming eine weitere prominente Figur in der chinesischen Techbranche, die sich aus ihrem erfolgreichen Unternehmen zurückzieht. Liu hält einen Anteil von 1,6 Prozent an dem Unternehmen, der auf einen aktuellen Wert rund 640 Millionen US-Dollar beziffert wird. Ihr Stimmanteil beläuft sich wegen der zweiklassigen Aktienstruktur des Unternehmens auf 23 Prozent. grz
“Das war ein Gänsehautmoment”, sagt die Grünen-Politikerin Margarete Bause rückblickend über ihre Begegnung mit Ai Weiwei im Jahr 2014. Der chinesische Künstler stand unter Hausarrest und durfte das Land aufgrund seiner regierungskritischen Äußerungen nicht verlassen. “Ich habe ihn gefragt, ob es etwas nützt, wenn westliche Politiker:innen nach China kommen und dort Menschenrechte ansprechen.” Er habe geantwortet, dass es das Einzige sei, was Menschen wie ihm Hoffnung gebe. Das Gespräch hat sie tief bewegt und ist bis heute “ein Auftrag”, sich für Menschenrechte einzusetzen.
Damals war Bause Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag und begleitete den Ministerpräsidenten Horst Seehofer auf seiner China-Reise. “Menschenrechte standen dabei nicht auf der Tagesordnung.” Sie hat es trotzdem geschafft, ein Treffen mit Ai zu organisieren – außerhalb des Programms. Im Anschluss hat sie sich noch intensiver mit der Menschenrechtssituation in China beschäftigt. 2017 zog Bause dann in den Bundestag ein, wurde dort Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der Grünen.
Die 62-Jährige brennt für ihren Beruf, besonders begeistern sie die Begegnungen mit Menschenrechtsaktivist:innen aus aller Welt. Viele seien unter gefährlichen Bedingungen aktiv, riskierten ihr Leben. Die Gespräche mit ihnen findet Bause bereichernd, sie machten aber gleichzeitig demütig, erzählt sie. Sie selbst verbrachte weite Teile ihres Lebens in Bayern, dort studierte sie auch Soziologie. Dabei hat sie gelernt, gesellschaftliche Prozesse in einem größeren Kontext zu sehen.
“Das kann man auch in der Politik sehr gut gebrauchen”, erklärt sie. In der deutschen China-Politik fehle aktuell dieser größere Kontext, eine kohärente Strategie. “Bisher waren die Aussagen und Ziele des Wirtschaftsministeriums oft andere als die des Auswärtigen Amts oder des Entwicklungshilfeministeriums.” Sie verweist auf die Formel “Dialog und Härte”, die die Grünen-Kandidatin für das Kanzleramt, Annalena Baerbock, im Frühling für den Umgang mit China ausgab. Für diese Herangehensweise sieht Bause inzwischen auch Bündnispartner in den anderen Fraktionen im Bundestag. Die Sicht auf China verändert sich.
Sie plädiert für ein selbstbewussteres Auftreten: “China ist mindestens so von Europa abhängig wie umgekehrt.” Trotzdem müssten bestehende Abhängigkeiten reduziert und möglichst keine neuen aufgebaut werden. Bause ist optimistisch, dass das gelingen kann. In der vergangenen Legislaturperiode beschäftigten sie vor allem die Menschenrechtsverletzungen Chinas gegenüber der uigurischen Minderheit.
Auch deshalb setzt sie sich für ein schärferes Lieferkettengesetz ein. Das im Juli beschlossene Gesetz sei erst ein Anfang: “Auf einer Skala von null bis zehn sind wir jetzt bei vier.” Bause findet, es gibt noch viel zu tun, sie will sich auch nach der Wahl weiter für Menschenrechte starkmachen. “Aber gerne nicht in derselben Position, sondern aufseiten der Regierungsfraktion,” sagt Bause mit einem verschmitzten Lächeln. Paul Meerkamp
Nargiza Salidjanova ist neue Leiterin des China-Projects-Team des Thinktanks Rhodium Group in Washington. Zuvor war sie Direktorin für Wirtschaft und Handel bei der U.S.-China Economic and Security Review Commission, einem Beratungsgremium des US-Kongresses. Sie hat einen Master-Abschluss in internationaler Wirtschaftspolitik mit Schwerpunkt China von der American University.
Nico R. Schuster ist neuer Director of Strategy & Innovation beim Tech-Dienstleister TecPal Ltd. in Hongkong. Er war zuvor Managing Director bei PSB GmbH in Dreieich.
Ne-Hyun Choi ist neuer Vice President CBS Strategy, Processes and Customer Experience bei BMW in München. Zuvor füllte er die Position des General Manager, Strategy and Business Development für die Region China bei BMW.
Zwei Käfer auf dem Mond: Was hier aussieht wie zwei übergroße Insekten, sind blau leuchtenden Drohnen. Die Flugobjekte zeigten anlässlich des Mondfestes eine Show in Yantai in der Provinz Shandong. Sie formten dabei unter anderem eine Brücke in den Nachthimmel. Das Mondfest wurde im Dienstag vor einem beeindruckenden Herbst-Vollmond gefeiert.
Omid Nouripour nimmt kein Blatt vor den Mund: Deutschland muss in den Beziehungen zu China mehr Härte zeigen, sagt der Grünen-Außenpolitiker. Auf Dauer reiche ein Dialog schlicht nicht aus. Die Unterschriften unter die politische Einigung zum Abschluss des EU-Investitionsabkommens mit China (CAI) waren seiner Meinung nach zu schnell gesetzt – Berlin und Paris hätten einen Deal mit Peking geschlossen, ohne sich mit den anderen Mitgliedsstaaten abzustimmen. Und auch die deutsche Autoindustrie kassiert Kritik: Diese müsse raus “aus ihrer Hängematte” und ihre Innovationskraft im Wettstreit mit China stärker nutzen, fordert Nouripour im Interview mit Michael Radunski.
Weitaus diplomatischer kommuniziert die EU-Handelskammer in Peking – auch, weil der Adressat ein anderer ist. Die Kammer kritisiert in ihrem diesjährigen Positionspapier die zunehmende Tendenz zur Abkopplung der Volksrepublik. China schade sich selbst, wenn es auf die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung und den Austausch mit ausländischen Fachkräften verzichtet. Auch für europäische Unternehmen in China hat die Kammer Ratschläge parat. Finn Mayer-Kuckuk hat das Papier analysiert.
Die großen (Klima-)Neuigkeiten kommen manchmal in Nebensätzen daher. Xi Jinping hat vor der UN-Vollversammlung verkündet, China werde keine neuen Kohlekraftwerke mehr im Ausland bauen. Für den Kampf gegen die Klimaerwärmung ist das eine gute Nachricht – denn Peking ist der letzte große Geldgeber für die klimaschädliche Kohleenergie. Die Volksrepublik hat die Kohlefinanzierung genutzt, um Überkapazitäten der eigenen Kohleindustrie ins Ausland zu exportieren. Macht Peking die Ankündigung wahr und öffnet keine Schlupflöcher?
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre!
Die Welt ist im Umbruch: Der Westen erlebt das größte Debakel seiner jüngeren Geschichte, während Chinas Aufstieg fast unaufhaltsam erscheint. Was passiert gerade?
Wir erleben das Ende jeglicher Machtprojektion des Westens. Diese wurde zuletzt am Hindukusch zertrümmert. Der Westen ist gescheitert – und China musste nicht einmal viel dafür tun.
Das klingt ein bisschen nach: China steckt hinter dem Debakel und ist somit im Grunde der böse Bube. Das ist nicht ihr Ernst, oder?
Nein, im Gegenteil. Chinas Aufstieg ist ein Segen für die Menschheit, wenn sich China an die internationalen Regeln und das Völkerrecht halten würde. Aber wir erleben zunehmend, dass das eben nicht passiert – ob in Hongkong, in Xinjiang oder im Südchinesischen Meer. Es reicht nicht, sich nur bei gutem Wetter zum Multilateralismus zu bekennen und ansonsten je nach Kraftlage Schiedssprüche wie zum Südchinesischen Meer einfach zu ignorieren.
Was bedeutet das für Europa?
Die EU hat ein Dreieck aufgebaut bestehend aus den Punkten Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Das ist nicht falsch, aber uns muss klar sein, dass dies kein gleichmäßiges Dreieck ist. Mal gibt sich China als Partner, mal als Wettbewerber. Systemischer Rivale ist China hingegen immer.
Und was folgt daraus?
Zunächst mal muss man das endlich anerkennen. Und im zweiten Schritt bedeutet es, dass es Dialog und Härte braucht. Kooperation bei der Menschheitsaufgabe Klimawandel, aber Härte bei Menschenrechtsverletzungen, bei Wettbewerbsverzerrungen oder bei Drohungen gegen Nachbarstaaten.
Das klingt fast so, als würde das Deutschland nicht machen. Wie bewerten Sie denn die China-Politik unter Bundeskanzlerin Angela Merkel?
In der Außenpolitik haben wir folgende Situation: Bei Russland ist die SPD das Problem, und bei China das Kanzleramt.
Inwiefern?
Da gibt es ganz viel Dialog. Aber wenn es um den Zusammenhalt der EU gegenüber China geht oder um die Eindämmung Pekinger Einflussnahme, dann passiert rein gar nichts.
Was meinen Sie damit genau?
Gerne. Das Investitionsabkommen CAI. Jahrelang haben wir daran gearbeitet, dass das Format 17+1 unwichtiger und die EU nicht gespalten wird, weil China im bilateralen Austausch letztlich immer am längeren Hebel sitzt. Da haben wir zuletzt viel erreicht. Doch dann kommt dieses CAI – und viele fragen mich nun, ob wir jetzt etwa ein 2+1-Format machen wollen, also Berlin, Paris und Peking machen alles unter sich aus. Ganz davon abgesehen, dass es dem CAI auch noch an Substanz fehlt, beispielsweise beim Thema Zwangsarbeit.
Aber das CAI ist doch kein deutsches, sondern ein europäisches Abkommen mit China.
Richtig, aber es wurde massivst von Deutschland während seiner Ratspräsidentschaft vorangetrieben. Die Bundesregierung hat auf Biegen und Brechen auf einen Abschluss gedrängt. Das CAI muss man in dieser Form in die Tonne kloppen.
Zurück zu ihrem Befund: Die EU-Staaten sind nun mal gespalten in ihrer Haltung gegenüber China. Wie wollen sie das ändern?
Das Hauptproblem ist die Entscheidungsfindung innerhalb der EU, das Prinzip der Einstimmigkeit. Wenn ein Staat ausschert, ist Europa blockiert, dann können wir nichts mehr ratifizieren. Hier lohnt ein Blick in die Geschichte Europas, um zu sehen, wie es funktionieren kann, nämlich mit variablen Geometrien: mit einigen Staaten, die vorangehen. Dann steht im Briefkopf eben nicht mehr Josep Borrell – Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, sondern die Namen von 23 EU-Staaten, vielleicht noch zusammen mit Großbritannien und Kanada. Damit hätten wir einen riesigen Schritt nach vorne gemacht.
Kommt in dieser Hinsicht von Deutschland zu wenig?
Ja. Ja. Ja. Deutschland hat sogar dazu beigetragen, dass sich die EU derart einfach hat spalten lassen. Mein Eindruck ist, dass man das im Kanzleramt einfach so hingenommen hat. Übrigens: In Artikel 44 des Lissabonner Vertrags steht, dass man schon jetzt in diesen verschiedenen Geometrien arbeiten kann. Wir müssen es also nur tun.
Hat denn Deutschland keinen Plan, wie man mit China umgehen sollte?
Nein. Und wenn doch, dann besteht dieser Plan nur aus Dialog, keinerlei Härte. Aber so wird es nicht gehen auf Dauer, ob bei kritischer Infrastruktur, wachsender Einflussnahme oder anderen Themen. So wie Deutschland es macht, kann man mit China nicht umgehen.
Bleiben wir ganz kurz noch bei der Geopolitik. Xi Jinping präsentiert das chinesische Modell als Alternative zum Westen und grenzt sich klar von westlichen Werten ab. Was müssen wir tun?
Wenn die chinesische Seite hochoffiziell den systemischen Wettbewerb ausruft, dann müssen wir endlich mal den Kopf aus dem Sand ziehen und diesen Wettbewerb annehmen.
Wie?
Erstens, es als Wettbewerb anerkennen – und nicht so tun, als ob es keine Probleme gebe. Zweitens, die EU stärken, so wie ich es schon beschrieben habe. Und drittens, verstehen, dass unsere Demokratie auf dem Spiel steht. Als einer, der in einem Unrechtsstaat aufgewachsen ist, kann ich ihnen versichern: Es lohnt sich, für unsere Demokratie zu kämpfen.
Peking würde an diesem Punkt auf sein jahrzehntelanges Wirtschaftswachstum verweisen und sagen, unseren Menschen geht es immer besser, sie werden immer reicher und dürfen immer mehr. Kurz: Wir haben ganz offensichtlich das bessere System.
Genau, die Systemüberlegenheit wird immer von den Chinesen hervorgehoben und mit zwei Punkten begründet: Erstens könne man längerfristiger planen als der Westen mit seinen Wahlen. Und zweitens sei man viel effektiver.
Aber beides stimmt so ja nicht. Am Beispiel Hongkongs sieht man, dass ein Machtwechsel in China sogar dazu führt, dass man sich nicht mehr an internationale Verträge hält. Und die wahre Effizienz des chinesischen Systems konnte man sehr gut zu Beginn der Corona-Pandemie erkennen. Damals hat die Weltgemeinschaft im Kampf gegen das Virus wichtige Zeit verloren, weil erst der Parteikongress in Hubei abgewartet werden musste, ehe Peking gegen das Virus vorgegangen ist. China fehlt es an einer Fehlerkultur, die es in Demokratien gibt. Sich durch Fehler zu verbessern ist nicht die Art und Weise, wie die KP in China Entscheidungen trifft.
Und noch ein Wort zum chinesischen Wirtschaftswachstum: Nochmals, es ist ein Segen, dass China rund Hunderte Millionen Menschen aus der Armut geholt hat. Aber im Vergleich muss man immer sehen, woher man kommt. Und es ist kein Freifahrtschein, internationale Regeln zu brechen, nicht in Hongkong, nicht in Xinjiang oder sonst wo.
Wenn Peking derart Verträge und Regeln bricht, kann man China dann überhaupt vertrauen?
Einer der größten Fehler der Obama-Administration war, bei der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank AIIB nicht mitzumachen. Die Chinesen gründen derzeit etliche Institutionen, wie AIIB, Seidenstraße und mehr, und versuchen so, Parallelstrukturen zu bilden, in denen sie das sagen haben. Das ist machiavellistisch verständlich. Aber dass sich die Amerikaner da raushalten und nicht versuchen, von innen Einfluss darauf zu nehmen, ist vollkommen falsch. Die amerikanische Politik des Decoupling ist verheerend falsch.
Das kann man durchaus so sehen, aber gestatten Sie mir eine Bemerkung. Das klingt mir alles ein bisschen nach: Wir schaffen es nicht, suchen die Fehler aber in erster Linie bei den anderen. Sie jetzt bei den Amerikanern.
Nein. Was ich sagen will: Man hat so viel Einfluss, wie man bereit ist, zu investieren. Die Chinesen machen es uns vor, ihr Einsatz aber auch ihr Einfluss in internationalen Organisationen nimmt stetig zu. Dass fängt in der Generalversammlung der Vereinten Nationen an und hört längst nicht auf bei der Internationalen Standardisierungsbehörde.
Und ist das der deutschen Politik bewusst?
Ich bin Politiker, und ich rede gerade davon.
In Ordnung. Ist es der Regierung bewusst?
Wir haben im Auswärtigen Ausschuss eine Anhörung zum Thema Standardisierung gehabt, sehr spannend. Aber die Regierung hat daran kein gesteigertes Interesse gezeigt. Soll ich Ihnen ein Beispiel nennen?
Gerne.
E-Gaming ist ein milliardenschweres Geschäft. Vor zwanzig Jahren konnten Sie fast nur Spiele kaufen, in denen die Amerikaner im Irak gekämpft oder die Nazis besiegt haben. Heute geht es darum, dass die chinesische Flotte die Amerikaner im Ostchinesischen Meer besiegt. Dahinter steckt, dass zum einen die Chinesen im E-Gaming neue Standards gesetzt haben und zum anderen es keinen großen Spieleentwickler mehr gibt, der nicht von chinesischen Stakeholdern abhängig ist. Und im Endeffekt sind das Wege, wie neue Narrative gesetzt werden für den systemischen Wettbewerb im digitalen Zeitalter.
Was sollen wir dagegen tun?
Verstehen, dass es überhaupt ein Problem gibt – und sich dann darum kümmern. Wir müssen sektoral überlegen, wo wir weit mehr investieren müssen.
Im Bereich E-Gaming spielt Deutschland kaum eine Rolle, auf dem Automobilmarkt hingegen schon. Doch beim Thema Elektromobilität bekommt man den Eindruck, kaum setzt Peking auf E, spricht man in den deutschen Zentralen plötzlich nur noch über E-Mobility. Was sagt das über den Zustand der deutschen Wirtschaft aus?
Das macht mich wahnsinnig. Ich habe erst vor wenigen Tagen mit einem relevanten Manager eines chinesischen Autobauers gesprochen. Der erzählt mir, dass sie gerade die Akkus bauen, von denen die Deutschen sagen, es ginge nicht. In Deutschland bekommen die Autobauer so viele weiche Kissen von der Regierung gestellt, dass sie sich darauf ausruhen und von ihren Erfolgen glauben, diese blieben für immer. Sie glauben, neue Innovationen müsse man nicht umsetzen in Serie.
Zudem bauen die Chinesen aktuell Ladestationen: zwischen Peking und Shenzhen alle 100 Kilometer. An diesen Stationen lädt man nicht ewig seinen Akku, sondern tauscht ihn einfach aus und fährt weiter. Die haben errechnet, so ist man 3,5 Minuten schneller, als wenn man immer wieder 60 Liter tankt. Das erzählt er mir ganz stolz.
Und was sagt das nun über die deutsche Wirtschaft aus?
Dass sich verdammt nochmal aus ihrer Hängematte rausmüssen und ihre eigene Kreativität und Innovationskraft nutzen sollten, statt auf Schummelsoftware zu setzen. Das ist dramatisch, denn die deutsche Automobilbranche ist eine Kernsäule des deutschen Wohlstands. Wo ist der Druck der deutschen Politik auf die Wirtschaft, das endlich auch zu bauen?
Verlieren wir…
… ja, ja. Wir verlieren gerade völlig den Anschluss. Und umso wahrscheinlicher wird es dann, dass wir bei der nächsten Innovationsstufe gar nicht mehr dabei sind. Das sehen wir im Mobilfunkbereich und 5G, wo keine deutsche Firma die entsprechenden Server mehr anbieten kann. Das darf uns bei 6G nicht passieren.
Omid Nouripour ist Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags. Der 46-Jährige ist im Iran geboren.
Die EU-Handelskammer in China befürchtet einen Rückgang der Internationalität des chinesischen Marktes. Als Folge dieses Trends könne die Wirtschaft dort an Dynamik und Innovationskraft verlieren: “Der entsprechende Verlust an Wettbewerb im Markt wird auch Chinas Ambitionen beeinträchtigen, in Hochtechnologie-Branchen führend zu werden”, schreibt Kammerpräsident Jörg Wuttke im Vorwort zum “European Business in China Position Paper 2021/2022“, das heute erschienen ist. Es bestehe die Gefahr, dass Peking sich von den mutigen Reformen verabschiede, die das Land seit den 1970er-Jahren vorangetrieben hätte.
Das Positionspapier der EU-Kammer erscheint jährlich und ist eine feste Institution im Pekinger Jahreslauf. Die 1.700 Mitgliedsunternehmen aus allen EU-Ländern bündeln darin Lob und Klagen über den chinesischen Markt. In diesem Jahr beherrschen vor allem drei Themen das umfangreiche Dokument:
Die EU-Kammer sieht daher auch die “Dual Circulation” kritisch, das jüngste ökonomische Konzept der chinesischen Führung. Die Idee dahinter: Der eine Kreislauf ist der Warenhandel mit dem Ausland, also die Einbindung in die Weltwirtschaft. Der zweite Kreislauf ist die chinesische Binnenwirtschaft, die notfalls auch ganz ohne die Außenwelt funktionieren soll. Beide Kreisläufe sollen nur noch lose verknüpft sein, sodass es nicht mehr Investitionen und Nachfrage aus dem Ausland sind, die das Wachstum treiben. “Das Streben nach Eigenständigkeit läuft jedoch dem Geist von umfassenden Reformen und einer Öffnung der Wirtschaft entgegen”, warnt das Positionspapier.
Für europäische Firmen im Chinageschäft haben die Ideen der Führungsgeneration unter Xi Jinping bereits ganz konkrete Auswirkungen. Je weniger das Land mit dem Ausland handelt und je weniger Anerkennung internationale Marken genießen, desto geringer die Absatzchancen. Die Kammer sieht jedoch auch Nachteile für China: In internationaler Arbeitsteilung sind bessere Waren günstiger zu bekommen. China verschenkt daher mit dem Versuch, möglichst alles selber zu machen, erhebliches Wohlstandspotenzial.
Die EU-Kammer empfiehlt China daher eine Fortsetzung marktorientierter Reformen. Außerdem soll das Land seine Öffnungspolitik fortsetzen, statt sie zurückzudrehen. Zwar sei die Tendenz zur Abkopplung verständlich, weil die USA ihrerseits den Zugang zu Technologie verweigern. China sollte sich jedoch davon nicht zu einer extremen Gegenreaktion provozieren lassen.
Die EU-Kammer macht den Trend einer zunehmenden Abschottung auch an der geringen Zahl von Ausländern in China fest. Vor allem die qualifizierten Firmenmitarbeiter aus entwickelten Ländern werden immer seltener. In Peking ist ihre Zahl seit 2010 von mehr als 100.000 auf etwas mehr als 60.000 gefallen. Als Gegenbeispiel nennt die EU-Kammer das kleine Luxemburg, wo 300.000 ausländische Staatsbürger leben. Die mangelnde Diversität gilt als besonders schädlich für die Innovationsfähigkeit.
Die EU-Kammer registriert zudem mit Sorge, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen inzwischen von Fragen nationaler Sicherheit diktiert werden. Europäische Banken vor Ort befürchten beispielsweise, dass sie ihre Computer in China demnächst vollständig vom weltweiten Firmennetz abkoppeln müssen. “Das beschränkt sie zunehmend in der Fähigkeit, grenzübergreifende Dienste anzubieten”, schreiben die Mitglieder der Finanz-Arbeitsgruppe der EU-Kammer. Einige europäische Banken haben den chinesischen Markt bereits verlassen.
Auch zahlreiche andere Branchen sollen laut dem aktuellen Fünfjahresplan vom Ausland unabhängiger werden. Europäische Firmen aus diesen Branchen berichten laut Kammer-Report, dass ihre chinesischen Kunden immer zurückhaltender werden. Sie signalisieren, dass die Beschaffung bei ausländischen Anbietern für sie schwieriger wird. Auch wenn die Auswirkungen sich derzeit noch in Grenzen halten, sieht die Kammer diesen Trend mit Sorge.
Das aktuelle Positionspapier sieht jedoch auch viele Branchen im Aufschwung. “Für diejenigen, die Technologie beitragen, die China benötigt, wird der rote Teppich ausgerollt.” Dazu gehören beispielsweise Techniken, die der Abkehr von der Kohle dienen. Oder alles, was die Qualität der eigenen Industrie aufwertet, zum Beispiel Maschinen, Materialien oder Halbleiter. Während sich unerwünschte Branchen im “Frachtraum” wiederfinden, reisen erwünschte Branchen in der “Business Class” der chinesischen Wirtschaft in Richtung Wachstum und Gewinn.
Den europäischen Tochtergesellschaften vor Ort rät die EU-Kammer, jetzt schon mit ihren Hauptquartieren die Anpassung an diese neuen Rahmenbedingungen zu besprechen. Denn den Unternehmen im “Frachtraum” könnten auf kurz oder lang ausgestoßen werden. “Localise or leave“, lautet dann die Wahl für die Manager. Reiner Import oder nur Endfertigung für den chinesischen Markt sind dann keine Optionen mehr.
Folgende Forderungen stellt die EU-Kammer im Lichte dieser Entwicklungen gegenüber China:
In Richtung der EU bringt die Kammer folgende Forderungen vor:
Für europäische Unternehmen hat das Positionspapier ebenfalls Ratschläge parat:
Im Gesamtbild erkennt die EU-Kammer jedoch an, dass die Möglichkeiten der EU-Unternehmen für sich allein begrenzt sind. Im Zeitalter von Wolfskriegern und steigendem Nationalismus (China.Table berichtete) gehören protektionistische Tendenzen zu den übergreifenden Trends. Umso wichtiger findet Kammerpräsident Wuttke es, sich diesen Tendenzen entgegenzustellen.
“China wird keine neuen Kohlekraftwerke im Ausland bauen.” Stattdessen wolle die Volksrepublik “andere Entwicklungsländer bei der Entwicklung grüner und kohlenstoffarmer Energieprojekte stärker unterstützen” – das kündigte Präsident Xi Jinping am Dienstag in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung an. Klima- und Energieexpert:innen sehen die Ankündigung als wichtigen Schritt. Denn die Volksrepublik war der letzte namhafte Staat, der Kohleprojekte im Ausland finanzierte.
Auch Südkorea und Japan gaben in jüngster Vergangenheit den Ausstieg aus der Kohlefinanzierung im Ausland bekannt. Westliche Staaten und Entwicklungsorganisationen hatten sich bereits in den vergangenen Jahren verpflichtet, keine besonders klimaschädlichen Projekte mehr zu finanzieren.
China war in den vergangenen Jahren zum größten öffentlichen Geldgeber für Kohlekraftwerke im Ausland geworden. Mit mehr als 44 Milliarden Euro haben die beiden großen chinesischen Entwicklungsbanken, die Export-Import Bank of China und die China Development Bank, in den vergangenen 20 Jahren Kohlekraft im Ausland finanziert. Damit wurden 66 Kraftwerke gebaut, wie aus einer Datenbank der Boston University hervorgeht. Ohne diese Exportkredite, Darlehen und Zuschüsse könnten viele der Projekte nicht realisiert werden.
Die Klimafolgen von Xis Ankündigung sind nicht zu unterschätzen. Die seit dem Jahr 2000 mit chinesischen Staatsgeldern gebauten Kohlekraftwerke im Ausland werden während ihrer 40-jährigen Lebensdauer zwölf Gigatonnen CO2 ausstoßen (China.Table berichtete). Das ist mehr als die jährlichen CO2-Emissionen Chinas.
Derzeit befinden sich noch Projekte mit chinesischer Finanzierung mit einer Kapazität von 40 Gigawatt in der Entwicklung, so Byford Tsang, Analyst des Klima-Thinktanks E3G. Das entspricht der derzeitigen Kohlekapazität Deutschlands.
Die Finanzierung von Kohlekraftwerken im Ausland diente bislang auch industriepolitischen Zielen Chinas. Bei einem Großteil der Projekte wurden chinesische Heizkessel, Dampfturbinen und Generatoren eingesetzt. In zwei von drei Projekten kamen chinesische Auftragnehmer zum Zug. Damit sollten Überkapazitäten der chinesischen Industrie nutzbar gemacht werden. Xis Ankündigung ist also auch ein Zeichen an die eigene Industrie.
Die Ankündigung, grüne und kohlenstoffarme Energieprojekte stärker unterstützen zu wollen, wird bei den ausländischen Partnern auf offene Ohren treffen. Seit dem Jahr 2000 haben die großen Entwicklungsbanken der Volksrepublik Solarprojekte im Ausland lediglich mit umgerechnet 2,2 Milliarden Euro und Windenergie-Projekte lediglich mit einer Milliarde Euro finanziert. Allerdings flossen 37,5 Milliarden Euro in Wasserkraft-Projekte.
Analysten sehen die Ankündigung Xis auch als “Geschäftschance”: China ist weltweit der größte Produzent von Solar- und Windkraftanlagen und hat in der Vergangenheit angekündigt, die “Belt and Road”-Initiative nachhaltiger zu machen.
Klimaexpert:innen und Aktivisten loben Chinas Ankündigung als wichtigen Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Li Shuo von Greenpeace Ostasien sieht Xis Versprechen als “guten Schritt nach vorn”. Es komme jetzt jedoch auf die Details an: “Gilt die Ankündigung sofort? Bezieht sich die Ankündigung nur auf staatliche Akteure?”
Auch Byford Tsang von E3G ist auf die Details gespannt. Es sei entscheidend, ob die Ankündigung auch staatliche und Geschäftsbanken umfasse – das wäre dann sogar ein Schritt mehr als die von G7-Staaten eingegangenen Verpflichtungen. Denn westliche Geschäftsbanken finanzieren weiterhin Kohleprojekte im Ausland.
Chinesische Banken haben sich in den letzten Monaten nach Vorgaben der politischen Führung schon “von Kohleprojekten im Ausland distanziert”, sagt Lauri Myllyvirta, Energie-Analyst beim Thinktank Centre for Research on Energy and Clean Air. Doch auch Myllyvirta weist darauf hin, dass China die Ankündigung präzisieren müsse: “Chinesische Banken und Unternehmen spielen [im Kohlesektor] eine wichtige Rolle bei der öffentlichen und privaten Finanzierung, bei Kapitalbeteiligungen und bei der Bereitstellung von Ausrüstungen”, so Myllyvirta.
Die wichtigste Konsequenz aus Xis Äußerung sei ihm zufolge, dass “jede neue Finanzierung oder Kapitalbeteiligung an Kohlekraftwerksprojekten in Übersee für jede chinesische Bank oder jedes chinesische Energieunternehmen schädlich wäre.”
Die Klimajournalistin und Beraterin Liu Hongqiao mahnt jedoch zur Zurückhaltung. Xi habe nicht direkt von Finanzierungen gesprochen. Man “müsse die offiziellen chinesischen Verlautbarungen” in dieser Frage abwarten.
Alle Expert:innen sind sich einig: Klimapolitisch ist es noch wichtiger, welche Pläne China künftig im Inland verfolgt. Die Volksrepublik ist der größte CO2-Emittent der Welt. Kohlestrom deckt zwei Drittel des chinesischen Energiehungers. Die Hälfte des weltweit erzeugten Kohlestroms geht auf China zurück. Infolge der Corona-Pandemie wurde die Kapazität sogar weiter ausgebaut, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Im April hatte Xi auf einem hochrangigen Klimagipfel ankündigt, den Kohleverbrauch bis 2025 “streng zu kontrollieren”. Bis 2030 wolle die Volksrepublik einen “schrittweisen Abbau des Kohleverbrauchs” einleiten, so Xi. Das war das erste Mal, dass China ein konkretes Datum für das Absinken des eigenen Kohleverbrauchs nannte. Um seinen Beitrag zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels zu erreichen, müsste China den Kohleverbrauch jedoch “in einem viel schnelleren Tempo als derzeit geplant” reduzieren, schreiben die Expert:innen des Climate Action Tracker. Es wird entscheidend sein, ob Xi auch auf der Klimakonferenz Anfang November in Glasgow neue Verpflichtungen eingeht, beziehungsweise die eigenen Klimapläne konkretisiert.
Die EU hat sich ihrerseits mit dem neuen Finanzierungsinstrument für Außen- und Entwicklungspolitik, Global Europe (2021-27), explizit gegen eine Finanzierung von fossilen Brennstoffen – demnach auch Kohle – entschieden. So umfasst das Gesetz des 76 Milliarden schweren Instrumentes eine Ausschlussklausel: Tätigkeiten, die “im Rahmen des Übereinkommens von Paris nicht vereinbar sind oder Investitionen in fossile Brennstoffe fördern”, dürfen keine Gelder erhalten. Stattdessen sollen die Gelder in die Entwicklung erneuerbarer Energien fließen.
Insbesondere der mit 53,5 Milliarden gespickte Europäische Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD+), über den etwa Finanzmittel, Haushaltsgarantien, oder Mischfinanzierungen (Blending) getätigt werden, lässt lediglich “ökologisch nachhaltige” Investitionen zu, für die eine strenge Sorgfaltspflicht gilt.
Die Europäische Investitionsbank EIB hat bereits 2019 entschieden, ab 2021 keine neuen Finanzierungen für Projekte mit fossilen Energieträgern zu unterstützen. Demnach sollen die Gelder vermehrt die Entwicklung von saubere Energien, Energieeffizienz und erneuerbare Energien vorantreiben. Mitarbeit: Charlotte Wirth
Das litauische Verteidigungsministerium hat Verbraucher angehalten, keine chinesischen Mobiltelefone zu kaufen. In Geräten des Smartphone-Herstellers Xiaomi seien vorinstallierte Zensurmechanismen gefunden worden, teilte das Ministerium nach einem Untersuchungsbericht der nationalen Cybersicherheitsbehörde mit, wie Reuters berichtet. So könnten Begriffe wie “freies Tibet”, “Demokratiebewegung” oder Suchanfragen zu Taiwan erkannt und zensiert werden. Die Funktion sei in Xiaomis Mi 10T 5G-Telefonsoftware für die Region der Europäischen Union deaktiviert worden, könne aber jederzeit aus der Ferne eingeschaltet werden, wie es in dem Bericht weiter hieß.
Dem Bericht zufolge enthält der Zensur-Mechanismus eine Liste von 449 Begriffen auf Chinesisch, die von den System-Apps des Xiaomi-Telefons, einschließlich des Standard-Internetbrowsers, zensiert werden könnten. Die Liste wird demnach laufend aktualisiert. “Unsere Empfehlung ist, keine neuen chinesischen Telefone zu kaufen und die bereits gekauften so schnell wie möglich loszuwerden“, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Margiris Abukevicius laut Reuters. Die Untersuchung habe zudem ergeben, dass Xiaomi-Telefone verschlüsselte Telefonnutzungsdaten an einen Server in Singapur sendeten.
Eine Sicherheitslücke wurde demnach auch im P40 5G-Smartphone von Huawei gefunden. Ein Vertreter von Huawei im Baltikum betonte gegenüber der Nachrichtenagentur BNS, dass Telefone des Herstellers keine Benutzerdaten nach außen sendeten. Xiaomi reagierte auf den Bericht des Ministeriums zunächst nicht. Die Beziehungen zwischen China und Litauen sind derzeit auf einem Tiefpunkt (China.Table berichtete). Der EU-Staat hatte zuletzt das 17+1-Format verlassen und will ein Taiwan-Büro eröffnen. Peking zog daraufhin seinen Botschafter ab und forderte Litauen auf, seine Botschafterin ebenfalls zurückzurufen. ari
Taiwan hat einen Antrag auf Beitritt zum pazifischen Handelsbündnis Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) gestellt, berichtet Bloomberg unter Berufung auf zwei Quellen am Mittwoch. Das Beitrittsgesuch kommt nur wenige Tage nach dem China selbst einen Antrag auf Mitgliedschaft übermittelt hat (China.Table berichtet). Taiwan versuche schon seit einigen Jahren Beitritt zu dem Abkommen zu erhalten, schreibt Bloomberg. Da Peking jegliche Zusammenarbeit mit Taiwan aber ablehne, werde nur eines der beiden Länder Zugang zum Handelsbund erhalten können.
Dem Bericht zufolge wird Taiwans Bestreben von Japan unterstützt. Dem chinesischen Beitrittsgesuch begegneten Japan und Australien in den letzten Tagen hingegen mit viel Skepsis (China.Table berichtete). Malaysia hingegen hat sich positiv zu Chinas Antrag positioniert. Das pazifische Handelsbündnis umfasst derzeit elf Mitglieder, darunter Japan, Australien, Kanada, Mexiko, Vietnam und Peru. Auch Großbritannien hat infolge des Brexits um Aufnahme gebeten. nib
Der kriselnde Immobilienriese Evergrande setzt auf eine Beruhigung der Finanzmärkte und hat eine pünktliche Zinszahlung in Millionenhöhe angekündigt. Die Kerngesellschaft des Konzerns, Hengda Real Estate Group, erklärte am Mittwoch, eine am heutigen Donnerstag fällige Zinszahlung in Höhe von 35,9 Millionen Dollar pünktlich zu leisten, wie Reuters berichtete. Evergrande wolle damit ein Zeichen setzen und für Stabilität sorgen, sagte demnach eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Unklar ist noch, ob dieses Versprechen auch für die anderen Anleihen gilt, für die in den kommenden Tagen rund 130 Millionen Dollar Zinsen gezahlt werden müssten.
Bei Investoren an den weltweiten Finanzmärkten sorgte die Nachricht für Erleichterung: Der chinesische Yuan und der risikosensitive australische Dollar legten dem Bericht zufolge zu. Dagegen gaben US-Staatsanleihen und der japanische Yen, die als sicherer Hafen gelten, nach. Der Shanghai Composite Index stoppte den Kursrutsch der vergangenen Tage und legte 0,3 Prozent zu. Der Immobilienindex gewann fünf Prozent.
Evergrande-Verwaltungsratschef Xu Jiayin hatte zuletzt versichert, der zweitgrößte Immobilienentwickler Chinas werde seine Verpflichtungen gegenüber Immobilienbesitzern, Anlegern, Partnerfirmen und Banken erfüllen (China.Table berichtete). Bereits im Juni war das Unternehmen mit Anleihe-Zinszahlungen in Verzug geraten. Erst Anfang des Monats hatte Evergrande vor neuen Liquiditäts- und Ausfallrisiken gewarnt (China.Table berichtete). Evergrande hat einen Schuldenberg von über 300 Milliarden US-Dollar angehäuft. ari
Der chinesischen Tech-Industrie droht der Verlust einer weiteren schillernde Führungspersönlichkeit. Die Mitbegründerin Jean Liu wird den Fahrdienstvermittler Didi Chuxing verlassen. Das kündigte sie laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber engen Vertrauten im Unternehmen an.
Die 43-Jährige zählt zu den zentralen Schaltstellen bei Didi, über deren Tisch zahlreiche richtungsweisende strategische Entscheidungen gelaufen sind. Dazu gehören die Fusion mit Alibabas Lieferservice Kuaidi oder die Übernahme des chinesischen Uber-Ablegers. Liu trägt als nominelle Präsidentin des Unternehmens auch die Verantwortung für die Personalabteilung und die Kommunikation in Krisenzeiten. Offiziell weist Didi die Ankündigung zurück.
Doch tatsächlich befindet sich das Unternehmen seit einer Weile im Kreuzfeuer der Regulatoren. Didi Chuxing hatte sich im Sommer gegen den Willen der Behörden für einen Börsengang in den USA entschieden und dabei rund 4,4 Milliarden Dollar eingenommen (China.Table berichtete). Kurz darauf verkündete Chinas Behörde für Cybersecurity eine Untersuchung gegen den Konzern und verbot neue Downloads von der Mobil-Applikation des Fahrdienstvermittlers.
Liu ist nach Alibaba-Gründer Jack Ma oder Bytedance-Gründer Zhang Yiming eine weitere prominente Figur in der chinesischen Techbranche, die sich aus ihrem erfolgreichen Unternehmen zurückzieht. Liu hält einen Anteil von 1,6 Prozent an dem Unternehmen, der auf einen aktuellen Wert rund 640 Millionen US-Dollar beziffert wird. Ihr Stimmanteil beläuft sich wegen der zweiklassigen Aktienstruktur des Unternehmens auf 23 Prozent. grz
“Das war ein Gänsehautmoment”, sagt die Grünen-Politikerin Margarete Bause rückblickend über ihre Begegnung mit Ai Weiwei im Jahr 2014. Der chinesische Künstler stand unter Hausarrest und durfte das Land aufgrund seiner regierungskritischen Äußerungen nicht verlassen. “Ich habe ihn gefragt, ob es etwas nützt, wenn westliche Politiker:innen nach China kommen und dort Menschenrechte ansprechen.” Er habe geantwortet, dass es das Einzige sei, was Menschen wie ihm Hoffnung gebe. Das Gespräch hat sie tief bewegt und ist bis heute “ein Auftrag”, sich für Menschenrechte einzusetzen.
Damals war Bause Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag und begleitete den Ministerpräsidenten Horst Seehofer auf seiner China-Reise. “Menschenrechte standen dabei nicht auf der Tagesordnung.” Sie hat es trotzdem geschafft, ein Treffen mit Ai zu organisieren – außerhalb des Programms. Im Anschluss hat sie sich noch intensiver mit der Menschenrechtssituation in China beschäftigt. 2017 zog Bause dann in den Bundestag ein, wurde dort Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der Grünen.
Die 62-Jährige brennt für ihren Beruf, besonders begeistern sie die Begegnungen mit Menschenrechtsaktivist:innen aus aller Welt. Viele seien unter gefährlichen Bedingungen aktiv, riskierten ihr Leben. Die Gespräche mit ihnen findet Bause bereichernd, sie machten aber gleichzeitig demütig, erzählt sie. Sie selbst verbrachte weite Teile ihres Lebens in Bayern, dort studierte sie auch Soziologie. Dabei hat sie gelernt, gesellschaftliche Prozesse in einem größeren Kontext zu sehen.
“Das kann man auch in der Politik sehr gut gebrauchen”, erklärt sie. In der deutschen China-Politik fehle aktuell dieser größere Kontext, eine kohärente Strategie. “Bisher waren die Aussagen und Ziele des Wirtschaftsministeriums oft andere als die des Auswärtigen Amts oder des Entwicklungshilfeministeriums.” Sie verweist auf die Formel “Dialog und Härte”, die die Grünen-Kandidatin für das Kanzleramt, Annalena Baerbock, im Frühling für den Umgang mit China ausgab. Für diese Herangehensweise sieht Bause inzwischen auch Bündnispartner in den anderen Fraktionen im Bundestag. Die Sicht auf China verändert sich.
Sie plädiert für ein selbstbewussteres Auftreten: “China ist mindestens so von Europa abhängig wie umgekehrt.” Trotzdem müssten bestehende Abhängigkeiten reduziert und möglichst keine neuen aufgebaut werden. Bause ist optimistisch, dass das gelingen kann. In der vergangenen Legislaturperiode beschäftigten sie vor allem die Menschenrechtsverletzungen Chinas gegenüber der uigurischen Minderheit.
Auch deshalb setzt sie sich für ein schärferes Lieferkettengesetz ein. Das im Juli beschlossene Gesetz sei erst ein Anfang: “Auf einer Skala von null bis zehn sind wir jetzt bei vier.” Bause findet, es gibt noch viel zu tun, sie will sich auch nach der Wahl weiter für Menschenrechte starkmachen. “Aber gerne nicht in derselben Position, sondern aufseiten der Regierungsfraktion,” sagt Bause mit einem verschmitzten Lächeln. Paul Meerkamp
Nargiza Salidjanova ist neue Leiterin des China-Projects-Team des Thinktanks Rhodium Group in Washington. Zuvor war sie Direktorin für Wirtschaft und Handel bei der U.S.-China Economic and Security Review Commission, einem Beratungsgremium des US-Kongresses. Sie hat einen Master-Abschluss in internationaler Wirtschaftspolitik mit Schwerpunkt China von der American University.
Nico R. Schuster ist neuer Director of Strategy & Innovation beim Tech-Dienstleister TecPal Ltd. in Hongkong. Er war zuvor Managing Director bei PSB GmbH in Dreieich.
Ne-Hyun Choi ist neuer Vice President CBS Strategy, Processes and Customer Experience bei BMW in München. Zuvor füllte er die Position des General Manager, Strategy and Business Development für die Region China bei BMW.
Zwei Käfer auf dem Mond: Was hier aussieht wie zwei übergroße Insekten, sind blau leuchtenden Drohnen. Die Flugobjekte zeigten anlässlich des Mondfestes eine Show in Yantai in der Provinz Shandong. Sie formten dabei unter anderem eine Brücke in den Nachthimmel. Das Mondfest wurde im Dienstag vor einem beeindruckenden Herbst-Vollmond gefeiert.