der Machtkampf zwischen China und den USA hat einen neuen Schauplatz: die Salomonen. Dort ist Peking mit einem sogenannten Sicherheitsabkommen ein wahrhafter Coup gelungen. Doch hinter der vermeintlich selbstlosen Völkerverständigung stecken weitreichende Ziele und Interessen. In unserer heutigen Analyse wird deutlich, warum die kleine Inselgruppe zwischen Papua-Neuguinea und Vanuatu zu einem wichtigen Machtfaktor im Pazifik geworden ist. Die USA und ihre Verbündeten sind derart alarmiert, dass so manch einer schon über einen militärischen US-Einsatz schwadroniert.
Derweil hat Peking eine überraschende Charmeoffensive gestartet – und ihr Ziel ist kein Geringerer als der langjährige Rivale Indien. Weil Delhi die westlichen Sanktionen gegen Russland nicht mitträgt, glaubt man in Peking, den südlichen Nachbarn aus dem Verbund der westlichen Demokratien herausgelöst zu haben. Unser Autorenteam in Peking berichtet, dass Indiens vermeintliche Nähe zu China andere Gründe hat – und deshalb schnell ihr Ende findet. Chinas jüngste Avancen lässt man jedenfalls kühl abblitzen.
Zu guter Letzt möchte ich Sie noch auf unser heutiges Porträt aufmerksam machen. Es geht um die “Da Bai” (大白) – Chinas Covid-Bekämpfer in ihren weißen Einweg-Schutzanzügen. Fabian Peltsch zeigt, wie aus den gefeierten Helfern im Laufe der Corona-Pandemie prügelnde Garden geworden sind – und wie Chinas Internetnutzer auf diesen Wandel reagieren.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Der Machtkampf zwischen China und den USA hat einen neuen Schauplatz: die Salomonen – eine kleine Inselgruppe in der Südsee, gelegen zwischen Papua-Neuguinea und Vanuatu. Noch vor wenigen Wochen hätte man ihre geografische Lage vermutlich mit “Am Ende der Welt” umschrieben. Doch seit einigen Tagen steht die Inselgruppe mit ihren gerade einmal rund 700.000 Einwohnern im Zentrum des pazifischen Machtkampfs zwischen den USA und China.
Auslöser ist ein diplomatischer Coup Chinas: Mit einem “Sicherheitsabkommen” hat Peking vor einigen Tagen aus einem jahrzehntelangen Kritiker einen Verbündeten geformt. Schon zuvor hatte man Salomons Premierminister Manasseh Sogavare überzeugt, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen – nach 36 Jahren und etlichen Millionen US-Dollar aus Taipeh. Doch nun setzt Sogavare auf Peking. Seine Begründung: Man wolle so der Bevölkerung ein besseres Leben ermöglichen und Sicherheitsbedrohungen angehen, mit denen man konfrontiert sei.
China hätte also allen Grund, zu feiern. Doch statt die Sektkorken knallen zu lassen, vermeidet die Führung in Peking jegliches Tamtam. Sogar die Unterzeichnung des Abkommens blieb zunächst geheim – wie auch der genaue Inhalt.
Allerdings gelangte ein Entwurf des Abkommens versehentlich an die Öffentlichkeit – und ein Blick auf den Inhalt zeigt, weshalb sich China derart in Zurückhaltung übte. Denn im Vertragsentwurf sind weitreichende Zugeständnisse an China aufgelistet: Demnach dürfte China je nach Bedarf und mit Zustimmung der Salomonen “die Inseln mit Schiffen besuchen, dort logistischen Nachschub erhalten und Zwischenstopps einlegen”. Auch chinesische Streitkräfte wären berechtigt, “die Sicherheit des chinesischen Personals” und “wichtige Projekte auf den Salomonen” zu schützen. Es ist die rechtliche Grundlage für chinesische Sicherheits- und Marineeinsätze in dem aus Dutzenden Inseln bestehenden Pazifikstaat.
In den Nachbarstaaten glaubt man, darin ein noch größeres Ziel zu erkennen: China will einen Stützpunkt im Südpazifik errichten. Dieser würde es dann der chinesischen Marine erlauben, ihre Macht weit über ihre bisherige Einflusssphäre hinaus auszudehnen.
“Es ist ein gefährliches Abkommen”, urteilt Malcolm Davis. Im Gespräch mit China.Table erklärt der Analyst vom “Australian Strategic Policy Institute” in Canberra, dass “China durch das Abkommen auf diplomatischem Weg seine Militärpräsenz weit in den Südwestpazifik ausdehnen könnte, in einer Art, dass es Australien, Neuseeland und die USA bedroht”. Denn die Salomonen liegen deutlich näher an Australien und Neuseeland als an China. “Ich denke, ihre Pläne sind, möglichst schnell eine dauerhafte Militärpräsenz in dem Inselstaat aufzubauen.”
Entscheidend für all das ist die strategische Lage der Inselgruppe, sie passt genau zu Chinas geostrategischen Ambitionen. Um sie zu verstehen, muss man die sogenannte Inselkettenstrategie kennen: Das Konzept wurde 1951 vom US-Außenpolitiker John Forster Dulles erdacht, um mit einer Kette von Marinestützpunkten die Sowjetunion und China im Westpazifik einzuhegen und so ihren Zugang zum Meer einzuschränken. Diese Idee der Eindämmung versucht China zu durchbrechen – und mit den Salomonen würde es Peking tatsächlich gelingen, hinter eine erste Inselkette aus Taiwan, den Koreas und Japan gelangen.
Zudem würde China auch gleich noch die zentrale SLOC (sea line of communication) zwischen Australien und den USA besetzen. Jene Seeverbindungslinien sind essenziell für Handel und Logistik, aber auch für die Bewegung von Seestreitkräften. “In Friedenszeiten hätten die Chinesen die Möglichkeit, von hier aus wichtige Nachrichten und Informationen abzufangen, wohl sogar bis aus angrenzenden US-Einrichtungen auf Hawaii”, erklärt Davis. “Und in Konfliktfällen wären plötzlich wichtige australische Militärbasen und Stadtgebiete durch die Chinesen bedroht.” Zudem würde China mit einem Stützpunkt auf den Salomonen, eine zusätzliche A2AD-Fähigkeit hinzugewinnen. A2AD steht für “Anti-Access Area Denial” – die Möglichkeit, einem Gegner den Zugang und die Bewegung in einem Operationsgebiet zu verwehren oder zumindest zu erschweren.
Entsprechend groß ist die Aufregung. Der für die Region zuständige US-Diplomat Daniel Kritenbrink reiste umgehend zu Konsultationen auf die Salomonen. Zum Abschluss seiner mehrtägigen Visite sagte er am vergangenen Dienstag: Washington werde “entsprechend reagieren”, sollte Peking eine Militärbasis auf der Inselgruppe errichten wollen. Kritenbrink wollte nicht darüber spekulieren, ob Washington in diesem Fall militärisch vorgehen werde. Doch am Ärger und der Entschlossenheit der USA ließ er keinen Zweifel aufkommen.
Zuvor hatte Australiens Premierminister Scott Morrison einen solchen Schritt Pekings als “rote Linie” bezeichnet. Und auch Neuseelands Ministerpräsidentin Jacinda Ardern warnte vor einer “potenziellen Militarisierung der Region“.
All die warnenden Wortmeldungen zeigen vor allem eines: Chinas Aufstieg bringt die Machtbalance im Pazifik ins Wanken. Alte Allianzen müssen rechtzeitig gestärkt werden, ehe China in aufkommende Schlupflöcher stößt. So ist der australischen Regierung vorzuwerfen, langjährige Partner vernachlässigt zu haben. Während Amerika an seiner Verlässlichkeit vor allem unter Präsident Donald Trump große Zweifel hat aufkommen lassen.
Derweil versucht China zu beschwichtigen: Die Kooperation mit den Salomonen sei “offen, transparent und umfassend”, heißt es aus dem Außenministerium in Peking. Sie ziele nicht auf eine dritte Partei, sondern ergänze lediglich schon bestehende Mechanismen der Sicherheitskooperation. Kurz gesagt: Es gibt überhaupt keinen Grund für eine derartige Aufregung.
Am Mittwoch vergangener Woche versicherte Salomonens Premierminister Sogavare, das Abkommen beinhalte keine Erlaubnis für China zur Errichtung einer Militärbasis. Vielmehr forderte er Kritiker auf, die souveränen Interessen des Landes zu respektieren. “Wir sind mit offenen Augen eine Vereinbarung mit China eingegangen, geleitet von unseren nationalen Interessen”, sagte er.
Und dennoch bleiben Zweifel. Wenn China tatsächlich die Erlaubnis erhält, Schiffe und Militärpersonal auf die Salomonen zu bringen – wie es in dem Entwurf vorgesehen ist – besteht vorerst gar keine dringende Notwendigkeit für eine physische Militärbasis. Ein vertraglich zugesicherter, jederzeit verfügbarer Anlaufpunkt würde China in einem ersten Schritt sicherlich genügen.
Wie es dann auf den Salomonen weitergehen könnte, zeigt ein Blick ans Horn von Afrika; denn ähnlich lief es auch in Dschibuti: Dort unterzeichnete Peking ebenfalls zunächst ein Sicherheitsabkommen – und entwickelte über die Jahre hinweg einen Marinestützpunkt, den Peking allerdings nach wie vor als reine Logistikeinrichtung bezeichnet.
Dieser Tage macht eine Weltkarte auf den Twitter-Accounts des chinesischen Außenministeriums die Runde. Sprecher Zhao Lijian scheint sogar so sehr von ihr angetan, dass er sie ganz oben über all seinen anderen Tweets angeheftet hat. “Die internationale Gemeinschaft, von der man immer hört”, ist die Grafik überschrieben. Darunter ist eine Welt abgebildet, die nur aus Nordamerika, Europa, Australien, Japan und Neuseeland besteht. Alles andere ist blauer Ozean.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist China mit seiner Erzählung eines isolierten Westens in eine neue Offensive gegangen. Freilich hat Peking einen Punkt. Tatsächlich werden die Sanktionen vor allem von einem westlichen Bündnis bestehend aus den USA, Europa und weiteren Verbündeten getragen. Andere wichtige Spieler auf der Weltbühne sind nicht dabei. Allen voran China und Indien – die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt. Das hat Indiens Premierminister Narendra Modi am Montag bei seinem Besuch in Berlin noch einmal klargemacht.
Allerdings bemüht sich Peking noch um ein anderes Narrativ – und hier liegt es falsch: China möchte den Eindruck erwecken, dass jeder, der sich im Ukraine-Konflikt nicht auf die Seite des Westens geschlagen hat, gleichzeitig die Linie Pekings vertrete. Überraschend deutlich wurde das beim Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi im März bei seinem südlichen Nachbarn.
China und Indien sollten mit “einer Stimme” sprechen, sagte Wang während des kurzfristig auf Wunsch Pekings anberaumten Besuchs. Er hoffe auch darauf, dass die indisch-chinesischen Beziehungen nach dem blutigen Streit in der Himalaya-Grenzregion vor zwei Jahren wieder zur Normalität zurückkehren können (China.Table berichtete). Bei einem Zwischenfall im Sommer 2020 wurden mindestens 20 indische und vier chinesische Soldaten getötet.
Doch sein indischer Amtskollege Subrahmanyam Jaishankar spielte die Aussichten auf eine Annäherung herunter. Er sagte, die Grenzgespräche seien “in Arbeit”. Die Beziehungen könnten sich aber nicht normalisieren, solange die territorialen Streitigkeiten ungelöst blieben, erklärte Jaishankar nach dem Treffen mit Wang. In Chinas Staatsmedien war von dieser Schelte des Inders allerdings nichts zu lesen.
Stattdessen wurde der Kooperationswille in den Vordergrund gestellt – und die Tatsache, dass sich beide Staaten nicht an den Russland-Sanktionen beteiligen. Nichts zu lesen war zudem davon, dass Wang sich nicht mit Modi treffen durfte. Nichtmal einen roten Teppich gab es für ihn. Russlands Außenminister Sergei Lawrow, der kurz nach Wang nach Indien kam, wurden dagegen alle Ehren zuteil: Roter Teppich samt Treffen mit Modi.
Es ist bekannt, dass sich Narendra Modi und Russlands Präsident Wladimir Putin ausgezeichnet verstehen. Indien bezieht Öl, Gas und vor allem Waffen aus Russland. Zudem hat Delhi hat seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik über die Jahre stark mit Moskau verflochten. Laut Schätzungen sind etwa 85 Prozent der indischen Militärausrüstung russischen oder noch sowjetischen Ursprungs. Es geht also nicht nur um neue Deals, sondern auch um die Wartung und Ersatzteile, die Indiens Sicherheit gegen Pakistan und auch China gewährleisten.
Für Indien ist es ein Drahtseilakt: Einerseits will man an den guten Beziehungen zu Russland festhalten, hat aber anders als Peking durchaus deutliche Worte zum Krieg in der Ukraine gefunden. So hat die Regierung Modi das Massaker von Butscha entschieden verurteilt. Denn Delhi hat durchaus verstanden, dass die Achse Peking-Moskau langfristig zu einer Bedrohung werden könnte. Deshalb hat es sich in den vergangenen Jahren auch dem Westen zugewandt. Derzeit baut Indien eine strategische Partnerschaft mit den USA auf, die sich auch in einer zunehmenden Verteidigungszusammenarbeit ausdrückt. Auch mit der EU will man die Kooperation ausbauen (China.Table berichtete).
Zusammen mit Japan, den USA und Australien bildet Indien zudem die sogenannte Quad-Gruppe. Die vier Länder wollen ihr Engagement im Indopazifik ausbauen und damit China die Stirn bieten (China.Table berichtete). Auch andere Staaten sind in der Region über Chinas Expansionsdrang besorgt. Indiens Beziehungen zu Russland mögen kompliziert sein. Klar aber ist, dass Delhi nicht daran glaubt, dass sich die Beziehungen zu China in absehbarer Zeit wieder entspannen werden. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Russlands Erdgasexporte nach China sind in den ersten vier Monaten des Jahres im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021 um 60 Prozent gestiegen. Das teilte der russische Gasproduzent Gazprom mit, wie die Zeitung “South China Morning Post” am Montag berichtet.
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben viele Staaten ihre Gaslieferungen aus Russland drastisch reduziert. Laut Gazprom sind die Verkäufe in Länder außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in den ersten vier Monaten um 26,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Der Gas-Handel mit China hat hingegen offensichtlich stark zugenommen.
Russlands Gasexporte nach China werden seit 2019 über die Pipeline “Power of Siberia” abgewickelt. 2020 wurden rund 4,1 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline geliefert. Bis 2025 sollen sie auf 38 Milliarden Kubikmeter steigen. Dann hätte die “Power of Siberia” ihre volle Kapazität erreicht.
Im Februar hatten Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping Öl- und Gasverträge im Wert von schätzungsweise 117,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen (China.Table berichtete). Dazu gehört auch ein Gazprom-Vertrag über die Lieferung von zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach China über eine neue Pipeline “Power of Siberia 2”, die von der russischen Insel Sachalin in die chinesische Provinz Heilongjiang entlanglaufen wird. Die neue Pipeline soll bis 2026 in Betrieb genommen werden und dann zusammen mit der bestehenden Pipeline die jährliche Erdgasversorgung auf 48 Milliarden Kubikmeter steigern. rad
Der Krieg in der Ukraine hat negative Folgen für Taiwans Verteidigungsfähigkeiten. Wie die Regierung in Taipeh am Montag meldete, werde sich die Lieferung einer ersten Charge von US-Waffen zur Landesverteidigung verzögern. Das für 2023 erwartete Haubitzen-Artilleriesystem soll demnach erst 2026 geliefert werden können.
Wie die Zeitung “South China Morning Post” am Montag berichtete, seien Taiwans Regierungsstellen informiert worden sei, dass die USA wegen des Krieges in der Ukraine 40 versprochenen Haubitzensysteme nicht fristgerecht liefern könnten.
Nun denkt Taiwans Verteidigungsministerium offenbar über alternative Waffenoptionen nach. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Demnach erwäge man den Kauf anderer Waffensysteme, darunter Raketenwerfer auf LKW-Basis, die von Lockheed Martin hergestellt werden und als High Mobility Artillery Rocket System oder HIMARS bezeichnet werden.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Taiwan seine Verteidigungsstrategie verändert (China.Table berichtete). Im vergangenen Jahr hatten die USA den Verkauf von 40 Artilleriesystemen vom Typ M109A6 Medium Self-Propelled Howitzer an Taiwan genehmigt. Die Lieferung hat einen Wert von bis zu 750 Millionen US-Dollar. Die mittelschweren 155-mm-Haubitzen können acht Projektile pro Minute auf eine Reichweite von 30 Kilometer abfeuern. Nach Angaben des Pentagon umfasst das Paket auch Munition, Ersatzteile, Schulungen, Bodenstationen und Upgrades für die Haubitzen der vorherigen Generation, die sich bereits im Besitz Taiwans befinden. rad
Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende des Corona-Lockdowns in Shanghai haben am Montag einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Die Behörden meldeten 58 neue Fälle außerhalb der isolierten Zonen, nachdem am Wochenende keine Infektionen gemeldet worden waren.
Nachbarschaften werden in drei Stufen klassifiziert: Eine grüne Markierung bedeutet, ihre Bewohner:innen dürfen den Wohnblock verlassen; Orange heißt, dass die Menschen sich innerhalb ihrer Nachbarschaft aufhalten müssen; Rot verbietet es ihnen, außer für die täglichen Tests ihre Wohnungen zu verlassen. Die 58 positiven Fälle betrafen also grün markierte Einwohner:innen, die ihre Nachbarschaft verlassen hatten dürfen.
Die Dynamik der Ansteckungen hatte sich innerhalb der Lockdown-Blase in den vergangenen Tagen dagegen verlangsamt. Am Sonntag waren noch 6.804 neue Infektionen mit dem Coronavirus in der Stadt gemeldet worden. In der Spitze waren knapp 30.000 Menschen pro Tag positiv. Am Montag meldete Shanghai 32 Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus. Die Gesamtzahl der Verstorbenen betrug damit nach offiziellen Angaben 5.092.
Einen Aufschrei der Empörung in Sozialmedien verursachte der Fall eines alten Mannes, der bereits in einen Leichensack gesteckt worden war, ehe Mitarbeiter eines Krematoriums feststellten, dass der Mann noch lebte. Die Behörden kündigten eine Untersuchung des Vorfalls an.
Derweil stemmt sich Peking noch gegen einen drohenden Lockdown. Für zwölf Bezirke, darunter der Chaoyang-Distrikt, ordnete die Regierung drei neue Runden von Massentests an, denen sich alle Bewohner:innen von diesem Mittwoch bis einschließlich Freitag unterziehen sollen. Die Zahl der Ansteckungen blieb in Peking bislang täglich im zweistelligen Bereich. Mit den Massentests hofft die Stadt, einzelne positive Fälle isolieren und deren Kontakte nachverfolgen zu können.
Der Bewegungsspielraum für die Bewohner:innen der Hauptstadt ist während der knapp einwöchigen Ferien rund um den Maifeiertag an einen negativen PCR-Test geknüpft. Nur wer ein negatives Resultat vorlegen kann, darf bestimmte Touristen-Hotspots oder Hotels besuchen. Die Restaurants der Stadt sind bis einschließlich Mittwoch geschlossen und dürfen nur Lieferservice anbieten. Auch auf Taiwan droht die Corona-Situation, außer Kontrolle zu geraten (China.Table berichtete). Dort hatte man mehr als zwei Jahre lang die SARS-CoV-2-Epidemie mit einer vorausschauenden Seuchenbekämpfung erfolgreich in Schach gehalten. rtr/grz
China ist besorgt wegen der angespannten Situation rund um Nordkorea. Das sagte Chinas Sondergesandter für koreanische Angelegenheiten, Liu Xiaoming, am Montag in Seoul. Liu ist nach Südkorea gereist, um diese Woche Gespräch mit der Regierung in Seoul zu führen. Bei seiner Ankunft in Seoul forderte er, es müssten sowohl die Symptome als auch die eigentliche Ursache der Spannungen angegangen werden.
Nordkorea hat diesem Jahr eine Reihe unterschiedlicher Waffengattungen getestet – von Hyperschallraketen bis hin zu Interkontinentalraketen (ICBM). Beamte in Seoul und Washington sind davon überzeugt, dass es bald wieder zu einem Atomtest kommen könnte. Es gebe deutliche Anzeichen für entsprechende Vorbereitungen.
Die “berechtigten und begründeten Bedenken aller Parteien” müssen anerkannt werden, damit es zu einer politischen Einigung kommen könne, sagte Liu. “Wir fordern alle Parteien auf, einen kühlen Kopf zu bewahren und Zurückhaltung zu üben” ergänzte Liu via Twitter. China missbillige sämtliche Handlungen, durch die die Spannung eskalieren könnte.
Es ist Lius erster Besuch in Südkorea seit seinem Amtsantritt im April 2021. Am Dienstag wird Chinas Sondergesandter seinen südkoreanischen Amtskollegen, den Atombeauftragten Noh Kyu-duk, treffen. Berichten der Nachrichtenagentur Yonhap zufolge, könnte Liu auch mit Vertretern des neugewählten südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol zusammenkommen, Yoon wird am 10. Mai sein neues Amt antreten.
Die Vereinigten Staaten drängen nach den jüngsten Waffentests auf weitere Sanktionen gegen Nordkorea gedrängt. China und Russland lehnen dies ab. Sie fordern, die Sanktionen müssten gelockert werden, damit neue Gespräche möglich würden. China ist zwar alles andere als erfreut über die fortwährenden Waffentests Nordkoreas, aber Peking braucht Pjöngjang – und muss daher das Treiben von Machthaber Kim Jong-un weiter verteidigen (China.Table berichtete). Die Probleme der Halbinsel könnten politisch gelöst werden, sagte Liu und versprach, China werde auch weiterhin eine “positive Rolle” spielen. rad
Sie tanzen und prügeln, schlagen Haustüren ein, testen Hauskatzen auf Covid-19 und lassen sich manches Mal von alten Damen in die Flucht schlagen – die sogenannten Da Bai (大白), Chinas Covid-Helfer in weißen Einweg-Schutzanzügen sind zum Symbol für den Lockdown-Wahnsinn in der Volksrepublik geworden. Der Spitzname, der sich mit “Weißer Riese” übersetzen lässt, geht auf den freundlichen, aufblasbaren Roboter Baymax aus Disneys gleichnamigen Animationsfilm zurück.
Unter den Anzügen aus Polyethylen stecken Polizisten und medizinisches Personal, aber auch Freiwillige aus allen Berufs-und Gesellschaftsschichten. Auch Ausländer haben sich zum Appell gemeldet, um China etwas zurückzugeben, wie die staatliche Shanghai Media Group ergriffen berichtet. Manche “Da Bai” haben ermutigende Sprüche auf die Rückseite ihrer Anzüge geschrieben: “Shanghai du schaffst das!” Oder: “Wenn das hier vorbei ist, trinken wir alle zusammen einen Milchtee!” Wenn man schon eine 26-Millionen-Metropole mit dystopisch aussehenden Seuchentruppen abriegelt, dann doch bitte freundlich.
Schon beim Covid-Ausbruch in Wuhan 2020 wurden die weißen Helfer von der Staatspropaganda als Helden an vorderster Front inszeniert. Dort sah man die “Da Bai” rund um die Uhr Gebäude desinfizieren, Stäbchen in Rachen stecken, Fieber messen und Lebensmittel verteilen. Oft kämen sie nicht einmal dazu, ihre Anzüge abzulegen, um aufs Klo zu gehen, hieß es. Trotz solcher Unannehmlichkeiten behielten die “Da Bai” angeblich stets eine gute Miene. Weil man das unter Mundschutz, Plastikscharnier und Kapuze aber nur schwer erkennen kann, teilten die Staatsmedien gerne Videos von Schutzanzug-Choreographien. Viral ging etwa ein Beitrag aus Xi’an Anfang des Jahres, in dem die weißen Riesen in Mannschaftsstärke einen Hoppelhasen-Tanz zum Popsong “Penguin’s Game” aufführten.
Doch China wäre nicht China, wenn die Bürger nicht im Rahmen des Möglichen ihr eigenes Ding durchziehen würden. Auf Social-Media-Kanälen kursieren Videos von “Da Bai” bei Schwertkämpfen, beim Corona-Testen von Fischen und Hühnern, bei Jackass-verdächtigen Stunts und Desinfektions-Exzessen auf menschenleeren Straßen. Sogar auf Chinas Dating-Apps sind lasziv geöffnete Schutzanzüge mittlerweile ein Selfie-Trend.
Viele Videos, die zuletzt kursierten, zeigten die “Da Bai” jedoch längst nicht mehr nur als niedliche Chaoten, sondern als gewalttätige und willfährige Sturmtruppen, die auf einem Quarantäne-Todesstern außer Kontrolle geraten scheinen. Die Liste der dokumentierten Entgleisungen ist so lang wie schrecklich: Da sind “Da Bai”, die den Bürgern mit Megaphonen ins Gesicht brüllen, Haustiere erschlagen und Rentner, die nicht in die Quarantäne-Zentren wollen, mit Gewalt auf den Boden zwingen.
Mittlerweile werden die Coronavirus-Helfer sogar als “Weiße Garden” bezeichnet, in Anlehnung an die Roten Garden, die während der Kulturrevolution ihre neu gewonnene Macht in Sadismus gipfeln ließen. Die Empörung über die “Big Whites” käme der Regierung sogar gelegen, sagt Rana Mitter, Professor für chinesische Politik an der Universität Oxford in einem Interview mit der Zeitung JapanTimes. “Sie lenken den Zorn der Bevölkerung von den zentralen Behörden ab.”
Anfang der Woche sah man, wie die weißen Anzüge ohne Inhalt vor Hauseingängen festgezurrt wurden, um die Bewohner davon abzuhalten, vor die Tür zu gehen. Der “Da Bai” ist endgültig zur Vogelscheuche geworden – mal sehen, wie lange sich die Bevölkerung noch von ihm abschrecken lässt. Fabian Peltsch
Daniel Cheng ist neuer Senior Director beim Londoner Immobilien-Beratungsunternehmen Knight Frank. Cheng arbeitet aus Hongkong und steigt nach sechs Jahren im Unternehmen in die Position Senior Director auf.
Über Changchun, der Hauptstadt der nordostchinesischen Provinz Jilin, bricht sich der Sonnenschein durch eine lichte Wolkendecke Bahn. Wer mag, kann das als Sinnbild verstehen für die gelockerten Corona-Restriktionen in der Stadt. Am Sonntag setzten die Behörden alle Bezirke der Metropole auf den Status “geringes Risiko”. Dadurch erweitert sich der Bewegungsspielraum der Bürger:innen erheblich.
der Machtkampf zwischen China und den USA hat einen neuen Schauplatz: die Salomonen. Dort ist Peking mit einem sogenannten Sicherheitsabkommen ein wahrhafter Coup gelungen. Doch hinter der vermeintlich selbstlosen Völkerverständigung stecken weitreichende Ziele und Interessen. In unserer heutigen Analyse wird deutlich, warum die kleine Inselgruppe zwischen Papua-Neuguinea und Vanuatu zu einem wichtigen Machtfaktor im Pazifik geworden ist. Die USA und ihre Verbündeten sind derart alarmiert, dass so manch einer schon über einen militärischen US-Einsatz schwadroniert.
Derweil hat Peking eine überraschende Charmeoffensive gestartet – und ihr Ziel ist kein Geringerer als der langjährige Rivale Indien. Weil Delhi die westlichen Sanktionen gegen Russland nicht mitträgt, glaubt man in Peking, den südlichen Nachbarn aus dem Verbund der westlichen Demokratien herausgelöst zu haben. Unser Autorenteam in Peking berichtet, dass Indiens vermeintliche Nähe zu China andere Gründe hat – und deshalb schnell ihr Ende findet. Chinas jüngste Avancen lässt man jedenfalls kühl abblitzen.
Zu guter Letzt möchte ich Sie noch auf unser heutiges Porträt aufmerksam machen. Es geht um die “Da Bai” (大白) – Chinas Covid-Bekämpfer in ihren weißen Einweg-Schutzanzügen. Fabian Peltsch zeigt, wie aus den gefeierten Helfern im Laufe der Corona-Pandemie prügelnde Garden geworden sind – und wie Chinas Internetnutzer auf diesen Wandel reagieren.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Der Machtkampf zwischen China und den USA hat einen neuen Schauplatz: die Salomonen – eine kleine Inselgruppe in der Südsee, gelegen zwischen Papua-Neuguinea und Vanuatu. Noch vor wenigen Wochen hätte man ihre geografische Lage vermutlich mit “Am Ende der Welt” umschrieben. Doch seit einigen Tagen steht die Inselgruppe mit ihren gerade einmal rund 700.000 Einwohnern im Zentrum des pazifischen Machtkampfs zwischen den USA und China.
Auslöser ist ein diplomatischer Coup Chinas: Mit einem “Sicherheitsabkommen” hat Peking vor einigen Tagen aus einem jahrzehntelangen Kritiker einen Verbündeten geformt. Schon zuvor hatte man Salomons Premierminister Manasseh Sogavare überzeugt, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen – nach 36 Jahren und etlichen Millionen US-Dollar aus Taipeh. Doch nun setzt Sogavare auf Peking. Seine Begründung: Man wolle so der Bevölkerung ein besseres Leben ermöglichen und Sicherheitsbedrohungen angehen, mit denen man konfrontiert sei.
China hätte also allen Grund, zu feiern. Doch statt die Sektkorken knallen zu lassen, vermeidet die Führung in Peking jegliches Tamtam. Sogar die Unterzeichnung des Abkommens blieb zunächst geheim – wie auch der genaue Inhalt.
Allerdings gelangte ein Entwurf des Abkommens versehentlich an die Öffentlichkeit – und ein Blick auf den Inhalt zeigt, weshalb sich China derart in Zurückhaltung übte. Denn im Vertragsentwurf sind weitreichende Zugeständnisse an China aufgelistet: Demnach dürfte China je nach Bedarf und mit Zustimmung der Salomonen “die Inseln mit Schiffen besuchen, dort logistischen Nachschub erhalten und Zwischenstopps einlegen”. Auch chinesische Streitkräfte wären berechtigt, “die Sicherheit des chinesischen Personals” und “wichtige Projekte auf den Salomonen” zu schützen. Es ist die rechtliche Grundlage für chinesische Sicherheits- und Marineeinsätze in dem aus Dutzenden Inseln bestehenden Pazifikstaat.
In den Nachbarstaaten glaubt man, darin ein noch größeres Ziel zu erkennen: China will einen Stützpunkt im Südpazifik errichten. Dieser würde es dann der chinesischen Marine erlauben, ihre Macht weit über ihre bisherige Einflusssphäre hinaus auszudehnen.
“Es ist ein gefährliches Abkommen”, urteilt Malcolm Davis. Im Gespräch mit China.Table erklärt der Analyst vom “Australian Strategic Policy Institute” in Canberra, dass “China durch das Abkommen auf diplomatischem Weg seine Militärpräsenz weit in den Südwestpazifik ausdehnen könnte, in einer Art, dass es Australien, Neuseeland und die USA bedroht”. Denn die Salomonen liegen deutlich näher an Australien und Neuseeland als an China. “Ich denke, ihre Pläne sind, möglichst schnell eine dauerhafte Militärpräsenz in dem Inselstaat aufzubauen.”
Entscheidend für all das ist die strategische Lage der Inselgruppe, sie passt genau zu Chinas geostrategischen Ambitionen. Um sie zu verstehen, muss man die sogenannte Inselkettenstrategie kennen: Das Konzept wurde 1951 vom US-Außenpolitiker John Forster Dulles erdacht, um mit einer Kette von Marinestützpunkten die Sowjetunion und China im Westpazifik einzuhegen und so ihren Zugang zum Meer einzuschränken. Diese Idee der Eindämmung versucht China zu durchbrechen – und mit den Salomonen würde es Peking tatsächlich gelingen, hinter eine erste Inselkette aus Taiwan, den Koreas und Japan gelangen.
Zudem würde China auch gleich noch die zentrale SLOC (sea line of communication) zwischen Australien und den USA besetzen. Jene Seeverbindungslinien sind essenziell für Handel und Logistik, aber auch für die Bewegung von Seestreitkräften. “In Friedenszeiten hätten die Chinesen die Möglichkeit, von hier aus wichtige Nachrichten und Informationen abzufangen, wohl sogar bis aus angrenzenden US-Einrichtungen auf Hawaii”, erklärt Davis. “Und in Konfliktfällen wären plötzlich wichtige australische Militärbasen und Stadtgebiete durch die Chinesen bedroht.” Zudem würde China mit einem Stützpunkt auf den Salomonen, eine zusätzliche A2AD-Fähigkeit hinzugewinnen. A2AD steht für “Anti-Access Area Denial” – die Möglichkeit, einem Gegner den Zugang und die Bewegung in einem Operationsgebiet zu verwehren oder zumindest zu erschweren.
Entsprechend groß ist die Aufregung. Der für die Region zuständige US-Diplomat Daniel Kritenbrink reiste umgehend zu Konsultationen auf die Salomonen. Zum Abschluss seiner mehrtägigen Visite sagte er am vergangenen Dienstag: Washington werde “entsprechend reagieren”, sollte Peking eine Militärbasis auf der Inselgruppe errichten wollen. Kritenbrink wollte nicht darüber spekulieren, ob Washington in diesem Fall militärisch vorgehen werde. Doch am Ärger und der Entschlossenheit der USA ließ er keinen Zweifel aufkommen.
Zuvor hatte Australiens Premierminister Scott Morrison einen solchen Schritt Pekings als “rote Linie” bezeichnet. Und auch Neuseelands Ministerpräsidentin Jacinda Ardern warnte vor einer “potenziellen Militarisierung der Region“.
All die warnenden Wortmeldungen zeigen vor allem eines: Chinas Aufstieg bringt die Machtbalance im Pazifik ins Wanken. Alte Allianzen müssen rechtzeitig gestärkt werden, ehe China in aufkommende Schlupflöcher stößt. So ist der australischen Regierung vorzuwerfen, langjährige Partner vernachlässigt zu haben. Während Amerika an seiner Verlässlichkeit vor allem unter Präsident Donald Trump große Zweifel hat aufkommen lassen.
Derweil versucht China zu beschwichtigen: Die Kooperation mit den Salomonen sei “offen, transparent und umfassend”, heißt es aus dem Außenministerium in Peking. Sie ziele nicht auf eine dritte Partei, sondern ergänze lediglich schon bestehende Mechanismen der Sicherheitskooperation. Kurz gesagt: Es gibt überhaupt keinen Grund für eine derartige Aufregung.
Am Mittwoch vergangener Woche versicherte Salomonens Premierminister Sogavare, das Abkommen beinhalte keine Erlaubnis für China zur Errichtung einer Militärbasis. Vielmehr forderte er Kritiker auf, die souveränen Interessen des Landes zu respektieren. “Wir sind mit offenen Augen eine Vereinbarung mit China eingegangen, geleitet von unseren nationalen Interessen”, sagte er.
Und dennoch bleiben Zweifel. Wenn China tatsächlich die Erlaubnis erhält, Schiffe und Militärpersonal auf die Salomonen zu bringen – wie es in dem Entwurf vorgesehen ist – besteht vorerst gar keine dringende Notwendigkeit für eine physische Militärbasis. Ein vertraglich zugesicherter, jederzeit verfügbarer Anlaufpunkt würde China in einem ersten Schritt sicherlich genügen.
Wie es dann auf den Salomonen weitergehen könnte, zeigt ein Blick ans Horn von Afrika; denn ähnlich lief es auch in Dschibuti: Dort unterzeichnete Peking ebenfalls zunächst ein Sicherheitsabkommen – und entwickelte über die Jahre hinweg einen Marinestützpunkt, den Peking allerdings nach wie vor als reine Logistikeinrichtung bezeichnet.
Dieser Tage macht eine Weltkarte auf den Twitter-Accounts des chinesischen Außenministeriums die Runde. Sprecher Zhao Lijian scheint sogar so sehr von ihr angetan, dass er sie ganz oben über all seinen anderen Tweets angeheftet hat. “Die internationale Gemeinschaft, von der man immer hört”, ist die Grafik überschrieben. Darunter ist eine Welt abgebildet, die nur aus Nordamerika, Europa, Australien, Japan und Neuseeland besteht. Alles andere ist blauer Ozean.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist China mit seiner Erzählung eines isolierten Westens in eine neue Offensive gegangen. Freilich hat Peking einen Punkt. Tatsächlich werden die Sanktionen vor allem von einem westlichen Bündnis bestehend aus den USA, Europa und weiteren Verbündeten getragen. Andere wichtige Spieler auf der Weltbühne sind nicht dabei. Allen voran China und Indien – die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt. Das hat Indiens Premierminister Narendra Modi am Montag bei seinem Besuch in Berlin noch einmal klargemacht.
Allerdings bemüht sich Peking noch um ein anderes Narrativ – und hier liegt es falsch: China möchte den Eindruck erwecken, dass jeder, der sich im Ukraine-Konflikt nicht auf die Seite des Westens geschlagen hat, gleichzeitig die Linie Pekings vertrete. Überraschend deutlich wurde das beim Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi im März bei seinem südlichen Nachbarn.
China und Indien sollten mit “einer Stimme” sprechen, sagte Wang während des kurzfristig auf Wunsch Pekings anberaumten Besuchs. Er hoffe auch darauf, dass die indisch-chinesischen Beziehungen nach dem blutigen Streit in der Himalaya-Grenzregion vor zwei Jahren wieder zur Normalität zurückkehren können (China.Table berichtete). Bei einem Zwischenfall im Sommer 2020 wurden mindestens 20 indische und vier chinesische Soldaten getötet.
Doch sein indischer Amtskollege Subrahmanyam Jaishankar spielte die Aussichten auf eine Annäherung herunter. Er sagte, die Grenzgespräche seien “in Arbeit”. Die Beziehungen könnten sich aber nicht normalisieren, solange die territorialen Streitigkeiten ungelöst blieben, erklärte Jaishankar nach dem Treffen mit Wang. In Chinas Staatsmedien war von dieser Schelte des Inders allerdings nichts zu lesen.
Stattdessen wurde der Kooperationswille in den Vordergrund gestellt – und die Tatsache, dass sich beide Staaten nicht an den Russland-Sanktionen beteiligen. Nichts zu lesen war zudem davon, dass Wang sich nicht mit Modi treffen durfte. Nichtmal einen roten Teppich gab es für ihn. Russlands Außenminister Sergei Lawrow, der kurz nach Wang nach Indien kam, wurden dagegen alle Ehren zuteil: Roter Teppich samt Treffen mit Modi.
Es ist bekannt, dass sich Narendra Modi und Russlands Präsident Wladimir Putin ausgezeichnet verstehen. Indien bezieht Öl, Gas und vor allem Waffen aus Russland. Zudem hat Delhi hat seine Sicherheits- und Verteidigungspolitik über die Jahre stark mit Moskau verflochten. Laut Schätzungen sind etwa 85 Prozent der indischen Militärausrüstung russischen oder noch sowjetischen Ursprungs. Es geht also nicht nur um neue Deals, sondern auch um die Wartung und Ersatzteile, die Indiens Sicherheit gegen Pakistan und auch China gewährleisten.
Für Indien ist es ein Drahtseilakt: Einerseits will man an den guten Beziehungen zu Russland festhalten, hat aber anders als Peking durchaus deutliche Worte zum Krieg in der Ukraine gefunden. So hat die Regierung Modi das Massaker von Butscha entschieden verurteilt. Denn Delhi hat durchaus verstanden, dass die Achse Peking-Moskau langfristig zu einer Bedrohung werden könnte. Deshalb hat es sich in den vergangenen Jahren auch dem Westen zugewandt. Derzeit baut Indien eine strategische Partnerschaft mit den USA auf, die sich auch in einer zunehmenden Verteidigungszusammenarbeit ausdrückt. Auch mit der EU will man die Kooperation ausbauen (China.Table berichtete).
Zusammen mit Japan, den USA und Australien bildet Indien zudem die sogenannte Quad-Gruppe. Die vier Länder wollen ihr Engagement im Indopazifik ausbauen und damit China die Stirn bieten (China.Table berichtete). Auch andere Staaten sind in der Region über Chinas Expansionsdrang besorgt. Indiens Beziehungen zu Russland mögen kompliziert sein. Klar aber ist, dass Delhi nicht daran glaubt, dass sich die Beziehungen zu China in absehbarer Zeit wieder entspannen werden. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Russlands Erdgasexporte nach China sind in den ersten vier Monaten des Jahres im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021 um 60 Prozent gestiegen. Das teilte der russische Gasproduzent Gazprom mit, wie die Zeitung “South China Morning Post” am Montag berichtet.
Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben viele Staaten ihre Gaslieferungen aus Russland drastisch reduziert. Laut Gazprom sind die Verkäufe in Länder außerhalb der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in den ersten vier Monaten um 26,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Der Gas-Handel mit China hat hingegen offensichtlich stark zugenommen.
Russlands Gasexporte nach China werden seit 2019 über die Pipeline “Power of Siberia” abgewickelt. 2020 wurden rund 4,1 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline geliefert. Bis 2025 sollen sie auf 38 Milliarden Kubikmeter steigen. Dann hätte die “Power of Siberia” ihre volle Kapazität erreicht.
Im Februar hatten Russlands Präsident Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping Öl- und Gasverträge im Wert von schätzungsweise 117,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen (China.Table berichtete). Dazu gehört auch ein Gazprom-Vertrag über die Lieferung von zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach China über eine neue Pipeline “Power of Siberia 2”, die von der russischen Insel Sachalin in die chinesische Provinz Heilongjiang entlanglaufen wird. Die neue Pipeline soll bis 2026 in Betrieb genommen werden und dann zusammen mit der bestehenden Pipeline die jährliche Erdgasversorgung auf 48 Milliarden Kubikmeter steigern. rad
Der Krieg in der Ukraine hat negative Folgen für Taiwans Verteidigungsfähigkeiten. Wie die Regierung in Taipeh am Montag meldete, werde sich die Lieferung einer ersten Charge von US-Waffen zur Landesverteidigung verzögern. Das für 2023 erwartete Haubitzen-Artilleriesystem soll demnach erst 2026 geliefert werden können.
Wie die Zeitung “South China Morning Post” am Montag berichtete, seien Taiwans Regierungsstellen informiert worden sei, dass die USA wegen des Krieges in der Ukraine 40 versprochenen Haubitzensysteme nicht fristgerecht liefern könnten.
Nun denkt Taiwans Verteidigungsministerium offenbar über alternative Waffenoptionen nach. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Demnach erwäge man den Kauf anderer Waffensysteme, darunter Raketenwerfer auf LKW-Basis, die von Lockheed Martin hergestellt werden und als High Mobility Artillery Rocket System oder HIMARS bezeichnet werden.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat Taiwan seine Verteidigungsstrategie verändert (China.Table berichtete). Im vergangenen Jahr hatten die USA den Verkauf von 40 Artilleriesystemen vom Typ M109A6 Medium Self-Propelled Howitzer an Taiwan genehmigt. Die Lieferung hat einen Wert von bis zu 750 Millionen US-Dollar. Die mittelschweren 155-mm-Haubitzen können acht Projektile pro Minute auf eine Reichweite von 30 Kilometer abfeuern. Nach Angaben des Pentagon umfasst das Paket auch Munition, Ersatzteile, Schulungen, Bodenstationen und Upgrades für die Haubitzen der vorherigen Generation, die sich bereits im Besitz Taiwans befinden. rad
Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende des Corona-Lockdowns in Shanghai haben am Montag einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Die Behörden meldeten 58 neue Fälle außerhalb der isolierten Zonen, nachdem am Wochenende keine Infektionen gemeldet worden waren.
Nachbarschaften werden in drei Stufen klassifiziert: Eine grüne Markierung bedeutet, ihre Bewohner:innen dürfen den Wohnblock verlassen; Orange heißt, dass die Menschen sich innerhalb ihrer Nachbarschaft aufhalten müssen; Rot verbietet es ihnen, außer für die täglichen Tests ihre Wohnungen zu verlassen. Die 58 positiven Fälle betrafen also grün markierte Einwohner:innen, die ihre Nachbarschaft verlassen hatten dürfen.
Die Dynamik der Ansteckungen hatte sich innerhalb der Lockdown-Blase in den vergangenen Tagen dagegen verlangsamt. Am Sonntag waren noch 6.804 neue Infektionen mit dem Coronavirus in der Stadt gemeldet worden. In der Spitze waren knapp 30.000 Menschen pro Tag positiv. Am Montag meldete Shanghai 32 Todesopfer im Zusammenhang mit dem Virus. Die Gesamtzahl der Verstorbenen betrug damit nach offiziellen Angaben 5.092.
Einen Aufschrei der Empörung in Sozialmedien verursachte der Fall eines alten Mannes, der bereits in einen Leichensack gesteckt worden war, ehe Mitarbeiter eines Krematoriums feststellten, dass der Mann noch lebte. Die Behörden kündigten eine Untersuchung des Vorfalls an.
Derweil stemmt sich Peking noch gegen einen drohenden Lockdown. Für zwölf Bezirke, darunter der Chaoyang-Distrikt, ordnete die Regierung drei neue Runden von Massentests an, denen sich alle Bewohner:innen von diesem Mittwoch bis einschließlich Freitag unterziehen sollen. Die Zahl der Ansteckungen blieb in Peking bislang täglich im zweistelligen Bereich. Mit den Massentests hofft die Stadt, einzelne positive Fälle isolieren und deren Kontakte nachverfolgen zu können.
Der Bewegungsspielraum für die Bewohner:innen der Hauptstadt ist während der knapp einwöchigen Ferien rund um den Maifeiertag an einen negativen PCR-Test geknüpft. Nur wer ein negatives Resultat vorlegen kann, darf bestimmte Touristen-Hotspots oder Hotels besuchen. Die Restaurants der Stadt sind bis einschließlich Mittwoch geschlossen und dürfen nur Lieferservice anbieten. Auch auf Taiwan droht die Corona-Situation, außer Kontrolle zu geraten (China.Table berichtete). Dort hatte man mehr als zwei Jahre lang die SARS-CoV-2-Epidemie mit einer vorausschauenden Seuchenbekämpfung erfolgreich in Schach gehalten. rtr/grz
China ist besorgt wegen der angespannten Situation rund um Nordkorea. Das sagte Chinas Sondergesandter für koreanische Angelegenheiten, Liu Xiaoming, am Montag in Seoul. Liu ist nach Südkorea gereist, um diese Woche Gespräch mit der Regierung in Seoul zu führen. Bei seiner Ankunft in Seoul forderte er, es müssten sowohl die Symptome als auch die eigentliche Ursache der Spannungen angegangen werden.
Nordkorea hat diesem Jahr eine Reihe unterschiedlicher Waffengattungen getestet – von Hyperschallraketen bis hin zu Interkontinentalraketen (ICBM). Beamte in Seoul und Washington sind davon überzeugt, dass es bald wieder zu einem Atomtest kommen könnte. Es gebe deutliche Anzeichen für entsprechende Vorbereitungen.
Die “berechtigten und begründeten Bedenken aller Parteien” müssen anerkannt werden, damit es zu einer politischen Einigung kommen könne, sagte Liu. “Wir fordern alle Parteien auf, einen kühlen Kopf zu bewahren und Zurückhaltung zu üben” ergänzte Liu via Twitter. China missbillige sämtliche Handlungen, durch die die Spannung eskalieren könnte.
Es ist Lius erster Besuch in Südkorea seit seinem Amtsantritt im April 2021. Am Dienstag wird Chinas Sondergesandter seinen südkoreanischen Amtskollegen, den Atombeauftragten Noh Kyu-duk, treffen. Berichten der Nachrichtenagentur Yonhap zufolge, könnte Liu auch mit Vertretern des neugewählten südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-yeol zusammenkommen, Yoon wird am 10. Mai sein neues Amt antreten.
Die Vereinigten Staaten drängen nach den jüngsten Waffentests auf weitere Sanktionen gegen Nordkorea gedrängt. China und Russland lehnen dies ab. Sie fordern, die Sanktionen müssten gelockert werden, damit neue Gespräche möglich würden. China ist zwar alles andere als erfreut über die fortwährenden Waffentests Nordkoreas, aber Peking braucht Pjöngjang – und muss daher das Treiben von Machthaber Kim Jong-un weiter verteidigen (China.Table berichtete). Die Probleme der Halbinsel könnten politisch gelöst werden, sagte Liu und versprach, China werde auch weiterhin eine “positive Rolle” spielen. rad
Sie tanzen und prügeln, schlagen Haustüren ein, testen Hauskatzen auf Covid-19 und lassen sich manches Mal von alten Damen in die Flucht schlagen – die sogenannten Da Bai (大白), Chinas Covid-Helfer in weißen Einweg-Schutzanzügen sind zum Symbol für den Lockdown-Wahnsinn in der Volksrepublik geworden. Der Spitzname, der sich mit “Weißer Riese” übersetzen lässt, geht auf den freundlichen, aufblasbaren Roboter Baymax aus Disneys gleichnamigen Animationsfilm zurück.
Unter den Anzügen aus Polyethylen stecken Polizisten und medizinisches Personal, aber auch Freiwillige aus allen Berufs-und Gesellschaftsschichten. Auch Ausländer haben sich zum Appell gemeldet, um China etwas zurückzugeben, wie die staatliche Shanghai Media Group ergriffen berichtet. Manche “Da Bai” haben ermutigende Sprüche auf die Rückseite ihrer Anzüge geschrieben: “Shanghai du schaffst das!” Oder: “Wenn das hier vorbei ist, trinken wir alle zusammen einen Milchtee!” Wenn man schon eine 26-Millionen-Metropole mit dystopisch aussehenden Seuchentruppen abriegelt, dann doch bitte freundlich.
Schon beim Covid-Ausbruch in Wuhan 2020 wurden die weißen Helfer von der Staatspropaganda als Helden an vorderster Front inszeniert. Dort sah man die “Da Bai” rund um die Uhr Gebäude desinfizieren, Stäbchen in Rachen stecken, Fieber messen und Lebensmittel verteilen. Oft kämen sie nicht einmal dazu, ihre Anzüge abzulegen, um aufs Klo zu gehen, hieß es. Trotz solcher Unannehmlichkeiten behielten die “Da Bai” angeblich stets eine gute Miene. Weil man das unter Mundschutz, Plastikscharnier und Kapuze aber nur schwer erkennen kann, teilten die Staatsmedien gerne Videos von Schutzanzug-Choreographien. Viral ging etwa ein Beitrag aus Xi’an Anfang des Jahres, in dem die weißen Riesen in Mannschaftsstärke einen Hoppelhasen-Tanz zum Popsong “Penguin’s Game” aufführten.
Doch China wäre nicht China, wenn die Bürger nicht im Rahmen des Möglichen ihr eigenes Ding durchziehen würden. Auf Social-Media-Kanälen kursieren Videos von “Da Bai” bei Schwertkämpfen, beim Corona-Testen von Fischen und Hühnern, bei Jackass-verdächtigen Stunts und Desinfektions-Exzessen auf menschenleeren Straßen. Sogar auf Chinas Dating-Apps sind lasziv geöffnete Schutzanzüge mittlerweile ein Selfie-Trend.
Viele Videos, die zuletzt kursierten, zeigten die “Da Bai” jedoch längst nicht mehr nur als niedliche Chaoten, sondern als gewalttätige und willfährige Sturmtruppen, die auf einem Quarantäne-Todesstern außer Kontrolle geraten scheinen. Die Liste der dokumentierten Entgleisungen ist so lang wie schrecklich: Da sind “Da Bai”, die den Bürgern mit Megaphonen ins Gesicht brüllen, Haustiere erschlagen und Rentner, die nicht in die Quarantäne-Zentren wollen, mit Gewalt auf den Boden zwingen.
Mittlerweile werden die Coronavirus-Helfer sogar als “Weiße Garden” bezeichnet, in Anlehnung an die Roten Garden, die während der Kulturrevolution ihre neu gewonnene Macht in Sadismus gipfeln ließen. Die Empörung über die “Big Whites” käme der Regierung sogar gelegen, sagt Rana Mitter, Professor für chinesische Politik an der Universität Oxford in einem Interview mit der Zeitung JapanTimes. “Sie lenken den Zorn der Bevölkerung von den zentralen Behörden ab.”
Anfang der Woche sah man, wie die weißen Anzüge ohne Inhalt vor Hauseingängen festgezurrt wurden, um die Bewohner davon abzuhalten, vor die Tür zu gehen. Der “Da Bai” ist endgültig zur Vogelscheuche geworden – mal sehen, wie lange sich die Bevölkerung noch von ihm abschrecken lässt. Fabian Peltsch
Daniel Cheng ist neuer Senior Director beim Londoner Immobilien-Beratungsunternehmen Knight Frank. Cheng arbeitet aus Hongkong und steigt nach sechs Jahren im Unternehmen in die Position Senior Director auf.
Über Changchun, der Hauptstadt der nordostchinesischen Provinz Jilin, bricht sich der Sonnenschein durch eine lichte Wolkendecke Bahn. Wer mag, kann das als Sinnbild verstehen für die gelockerten Corona-Restriktionen in der Stadt. Am Sonntag setzten die Behörden alle Bezirke der Metropole auf den Status “geringes Risiko”. Dadurch erweitert sich der Bewegungsspielraum der Bürger:innen erheblich.