“Mit unserem Besuch haben wir gezeigt, dass freiheitliche Demokratien zusammenstehen” – das sagt Klaus-Peter Willsch von der CDU über die Reise des Parlamentarischen Freundeskreises Berlin-Taipeh. Die Tour der Bundestagsabgeordneten nach Taiwan von Sonntag bis Donnerstag stand deutlich mehr im Fokus der Berichterstattung, als es für solche Besuche üblich ist. Diese finden eigentlich relativ häufig statt, doch diesmal war der Eindruck von Pekings Säbelrasseln rund um Nancy Pelosis Besuch im August noch frisch. Im Interview mit David Demes berichtet Willsch von den erheblichen Einflussmöglichkeiten des Parlaments auf die Geopolitik.
Sie sind zum Schaudern, die Lockdown-Berichte aus China. Warum nur bleibt das Land so beharrlich bei seiner Null-Covid-Politik, wenn wirksame Impfstoffe in Reichweite sind? Wo Rätsel sind, da gedeihen auch Gerüchte. Und so wurde schon mehrfach vermutet, dass Biontech oder Moderna vielleicht doch kurz davor stünden, auf den chinesischen Markt zu gelangen. Fakt ist: Die Impfstoffe der beiden mRNA-Pioniere sind weiterhin nicht zugelassen. Und plötzlich erreichte uns diese Nachricht: Ein chinesischer mRNA-Impfstoff, an dem bereits länger geforscht wird, ist zugelassen. Allerdings nicht in China, sondern in Indonesien. Finn Mayer-Kuckuk fasst zusammen, was über den Stoff jetzt schon bekannt ist. Und geht in seiner Analyse auch der Frage nach, warum China den großen Forschungserfolg nicht zuerst im eigenen Land stolz präsentiert.
Bei den Vereinten Nationen wird es keine Debatte zu den Menschenrechtsverletzungen Chinas in Xinjiang geben. Der UN-Menschenrechtsrat in Genf lehnte einen entsprechenden Vorschlag vorwiegend westlicher Länder am Donnerstag ab. China hat sich also wieder einmal durchgesetzt, wie Sie in unserer ausführlichen News zum Thema nachlesen können.
Herr Willsch, dieser Besuch war bereits Ihre vierte Delegationsreise nach Taiwan. Das vorige Mal waren Sie vor mehr als drei Jahren hier. Was hat sich seitdem verändert?
Die wesentliche Veränderung lag in der medialen Anteilnahme an unserer Reise. Eine solche Aufmerksamkeit genießen Reisen von Parlamentariergruppen eher selten. Natürlich haben uns unsere taiwanischen Freunde wie immer herzlich empfangen. Aber durch das aufgeheizte Setting und die Überreaktion der Regierung in Peking war die Situation natürlich nochmal zugespitzt.
Hat sich die Bedrohungslage aus Ihrer Sicht denn deutlich verändert?
Die Drohungen aus Peking haben sich seit der Neujahrsansprache von Xi Jinping im Jahr 2019 immer weiter verschärft. Die Verletzungen der taiwanischen Luftüberwachungszone und auch die Manöver nach dem Besuch von Nancy Pelosi hatten eine neue Qualität. Dennoch: Taiwan lebt mit dieser Situation eigentlich schon seit Jahren. Peking formuliert die Drohungen mal drastischer und mal weniger drastisch. Zurzeit überwiegen eher die drastischen Formulierungen.
Was können Sie und Ihre Kolleg:innen tun, um Taiwan zu unterstützen?
Ich konzentriere mich darauf, wie wir aus dem Parlament heraus die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft ausbauen können. Die Taiwaner haben absolut berechtigte Anliegen, die nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Weltgemeinschaft von Bedeutung sind. Was könnte Taiwan zum Beispiel im Rahmen der WHO dazu beitragen, die Weltgemeinschaft insgesamt besser auf die nächste Pandemie vorzubereiten? Oder auch das Thema Luftsicherheit. Natürlich gehört Taiwan in die ICAO. Die Möglichkeiten eines Parlaments sind da zwar begrenzt. Dennoch versuchen wir, unseren Beitrag zu leisten.
Sie sind seit 2010 Vorsitzender der Parlamentariergruppe. Wie kommt ein Finanzpolitiker aus Hessen dazu, sich für Taiwan zu interessieren?
Ich interessiere mich eigentlich seit Beginn meiner Zugehörigkeit zum Bundestag 1998 für Taiwan. Vor allem wegen des Spannungsverhältnisses zwischen dem großen China, das von der kommunistischen Partei totalitär regiert wird, auf der einen und dieser Insel der Freiheit auf der anderen Seite. Taiwan ist mit seiner parlamentarischen Demokratie in Asien geradezu ein Musterland. Als der Vorsitz der Gruppe im Jahr 2009 wegen des Wegganges meines Vorgängers verwaist war, habe ich das gerne übernommen. Bis heute habe ich diese Entscheidung nicht bereut.
Sie haben in Ihrem Grußwort am Montag gesagt, dass Sie Kritik an Ihrer Reise wahrgenommen haben, Sie diese aber nicht weiter kümmere. Wurden Sie oder andere Mitglieder Ihrer Delegation von chinesischer Seite unter Druck gesetzt?
Ich persönlich kann nichts Derartiges berichten. Auch aus der Delegation ist mir nichts in der Richtung zu Ohren gekommen. Wir wissen allerdings, dass Peking wie immer beim Auswärtigen Amt protestiert hat. Vor allem die öffentliche Reaktion auf unseren Besuch war im Vergleich zu unseren vorherigen Reisen sehr ungewöhnlich. Aber das lag sicher auch daran, dass der Besuch von Nancy Pelosi noch nicht lange her ist und die Lage noch etwas angespannt ist.
Ihr Empfang bei Präsidentin Tsai Ing-wen fiel ausgerechnet auf den Tag der Deutschen Einheit. In Ihrem Grußwort haben Sie erwähnt, dass die Wiedervereinigung Deutschlands der schönste Tag Ihrer politischen Karriere gewesen sei. Die Symbolik dieser Aussage ist vielen chinesischen Internetnutzern nicht entgangen. Wollten Sie damit eine Botschaft mit Bezug auf Taiwan und China senden?
Ich habe hinterher dazu gesagt, dass Deutschland seine Einheit in Freiheit und Selbstbestimmung gefeiert hat. Das unterscheidet sich ja schon deutlich von den Ambitionen Pekings.
In der Vergangenheit haben Sie oft vom “freien China” gesprochen, wenn Sie Taiwan gemeint haben. Wie nehmen Sie die Veränderungen in der Identität der Taiwaner wahr? Ist das auch Thema bei Ihren bilateralen Gesprächen?
Im Verlauf der letzten Jahre ist schon deutlich geworden, dass sich hier mehr und mehr eine taiwanische Identität herausgebildet hat. Das ist aber auch kein Wunder. Die Generationen, die nach dem Krieg geboren wurden, kennen ja nichts anderes. Trotzdem gehören Taiwan und China für mich zu einem gemeinsamen Kulturkreis. Wenn Sie das Palastmuseum in Taipeh besuchen und sehen, was dort an chinesischem Kulturerbe ausgestellt ist, wird das ganz deutlich. Dennoch glaube ich, dass diese Kategorisierung noch immer zutrifft. Dass es in Taiwan Freiheit, Selbstbestimmung und Rechtsstaatlichkeit gibt und in der größeren Volksrepublik leider das Gegenteil der Fall ist.
Nochmal zum Grußwort am Montag. Ein Zitat von Ihnen hatte in stark erweiterter Version die Runde gemacht. Wie Sie wissen, hat China.Table darüber berichtet…
Das war sehr verdienstvoll. Vielen Dank für Ihre Klarstellung. Ich kann allen, die das nochmal nachlesen wollen, nur empfehlen, sich den Live-Mitschnitt und die Übersetzung auf der Homepage unserer Botschaft, dem Deutschen Institut, anzuschauen. Da ist das alles richtig eingeordnet. (Anm. der Red.: Am Donnerstag war das Protokoll noch nicht online zugänglich.)
Ich will trotzdem nochmal nachhaken. Ihr Kommentar, der so nie gefallen ist, dass Deutschland Taiwan im Falle einer militärischen Bedrohung beistehen würde, haben Sie nie dementiert. Lag das vielleicht daran, dass sich die Aussage nicht so stark von Außenministerin Baerbocks Äußerungen in New York unterschieden hat?
Ja, das ist so.
Die Gefahr einer militärischen Eskalation in der Taiwan-Straße bekommt in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit. Haben Sie Sorge, dass Ihre Reise zu einer solchen Eskalation beitragen könnte?
Wir sollten gegenüber Peking deutlich machen, dass das ein Teil von Parlamentarismus ist. Bei uns gibt es ein Parlament, das sich eine Regierung hält. Das ist in der Volksrepublik China deutlich anders. Wir sollten als Parlament selbstbewusst unsere Spielräume nutzen. Als Parlamentariergruppe versuchen wir, dazu unseren Beitrag zu leisten.
Sie haben bei Ihrer Reise auch das Thema Halbleiter angesprochen. Wie bewerten Sie die Abhängigkeit Deutschlands von der taiwanischen Halbleiterindustrie? Ihr Parteikollege Altmaier hatte während der Pandemie eine Bittschrift an die taiwanische Wirtschaftsministerin gerichtet und um mehr Chips gebeten.
Es braucht nicht immer ein Eingreifen der Politik. Im Rahmen von freiem Handel finden Marktteilnehmer, die gut miteinander zusammenarbeiten können, selbst zueinander. Dennoch haben wir durch die Störung der Lieferketten in Folge von geschlossenen Häfen, Covid-19 und auch politischen Verwerfungen natürlich auch etwas gelernt. Keine normale Firma macht sich von einem einzigen Zulieferer abhängig. Das gilt auch für eine Volkswirtschaft. Es ist klug, da mehr Fantasie walten zu lassen und mehr Gehirnschmalz reinzustecken. Realistisch betrachtet ist der Vorsprung von Taiwan und vor allem TSMC im Bereich Highend-Halbleiter schon gewaltig. Aus meiner Sicht besteht da jetzt aber auch keine hohe Not. Wir sind gute und gern gesehene Kunden.
Was halten Sie von der Theorie des Silizium-Schutzschildes? Dass Taiwan durch seine Halbleiter-Industrie vor einem chinesischen Angriff geschützt wird?
Die entwickelte Welt, die gerade auch mit Blick auf Digitalisierung weiterkommen will, hat das natürlich im Blick und das ist kein Nachteil für Taiwan.
Glauben Sie also, dass China deswegen von einem Angriff absehen könnte?
Auch China ist von Taiwans Halbleitern abhängig. Wenn ich in Taiwan von Überlegungen höre, wie man seine Technologie schützen und verhindern will, dass sie dem Gegner in die Hände fällt, dann wissen die Chinesen auch, was das für ihren Werkzeugmaschinenbau, für ihre Ambitionen in der Luftfahrt, bei Automobilität et cetera bedeutet. Für Taiwan ist das keine ungemütliche Lage und wird China Anlass dazu geben, vielleicht einen Moment länger darüber nachzudenken, ob sie Taiwan angreifen oder nicht.
Die Nachricht von der Zulassung eines chinesischen mRNA-Impfstoffs in Indonesien kam in der vergangenen Woche etwas überraschend. Es ist bisher ungeklärt, warum Indonesien mit einer Zulassung vorprescht, während die Studien noch laufen. Impfstoffe sind schließlich längst nicht mehr knapp. Klar ist nun aber, dass AWcorna das erste chinesische mRNA-Arzneimittel sein soll, das demnächst auch offiziell Zulassungsreife erlangt.
AWcorna heißt auf Chinesisch Woaikexin 沃艾可欣. Ursprünglich wurde es unter dem Namen Arcov vorgestellt. Hersteller ist die Firma Walvax Biotechnology 沃森生物 aus Yunnan. An der Entwicklung ist das Militär beteiligt: Die Academy of Military Science gehört zu den Forschungspartnern. Dies ist von erheblicher Bedeutung: Die Volksbefreiungsarmee ist ein zentralstaatlicher Spieler unter direkter Kontrolle von Xi Jinping. Das Projekt hat also vermutlich die Zustimmung Pekings. Eine wie auch immer geartete Praxisanwendung ist daher wahrscheinlich. Selbst dann, wenn in Chinas Führung grundsätzliche Vorbehalte gegen die junge mRNA-Technik wabern sollten.
Ebenfalls mit im Boot sitzt ein ehemaliger Konkurrent, Suzhou Abogen Biosciences. Hier wurde offenbar eine Allianz eingefädelt, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen. Aktuell läuft eine Zulassungsstudie mit 28.000 Teilnehmern in Mexiko, Indonesien, Malaysia und Nepal. China gehört zwar auch zu den Standorten, doch es eignet sich derzeit nicht für Coronavirus-Studien, weil das Virus dort nicht ausreichend verbreitet ist.
Bisher ist nichts von Problemen mit dem Wirkstoff bekannt, und die Notfallzulassung in Indonesien (China.Table berichtete) weist auf günstige Studienergebnisse hin. Eine Produktionsanlage für den Wirkstoff wurde in Yuxi, Provinz Yunnan, seit 2020 errichtet. Sie soll eine Kapazität von mindestens 120 Millionen Dosen jährlich erreichen, wenn nicht sogar von 200 Millionen Dosen. All das deutet auf Pläne hin, den Impfstoff früher oder später im großen Stil im Inland einzusetzen. Das mRNA-Präparat würde angesichts der hohen chinesischen Impfquote mit herkömmlichen Wirkstoffen vor allem als Booster verwendet werden.
Die indonesischen Behörden haben jetzt Eckdaten von AWcorna vorgestellt. Sie berichten von einer Wirksamkeitsrate von 84 Prozent gegen die Ursprungsvariante und von 71 Prozent gegen Omikron. Je nachdem, worauf sich die Prozentzahlen beziehen, läge das zwar etwas unter den Werten, auf die Biontech und Moderna kommen, auf den ersten Blick deuten sie aber auf einen wirksamen Impfstoff hin.
Viele wichtige Informationen fehlen jedoch, obwohl Journalisten bereits nachgefragt haben. Beziehen sich die Zahlen auf eine Anwendung als Booster auf eine Erstimpfung? Handelt es sich um den Schutz vor allen symptomatischen Infektionen, oder nur um den vor schweren Verläufen? Die westlichen Hersteller veröffentlichen meist die Schutzwirkung vor allen sichtbaren Infektionen, China hat sich zuletzt meist oft auf die schweren Verläufe bezogen. Solange keine weiteren Details bekannt sind, lässt sich AWcorna nicht einschätzen.
Im Juni hatten die chinesischen Forscher im Fachblatt Nature bereits einige Details zu Eigenschaften des Wirkstoffs veröffentlicht. Sie analysierten zunächst ein Problem, mit dem sich China derzeit herumplagt: Die herkömmlichen chinesischen Impfstoffe erzeugen kaum Immunität gegen Omikron. Ein Booster mit Biontech würde zwar gute Abwehrkräfte erzeugen, doch das Präparat ist in China nicht erhältlich.
Die Forscher testeten AWcorna als Booster nach zwei Impfungen mit dem chinesischen Totimpfstoff. Es handelte sich noch um eine begrenzte Studie mit 300 Testpersonen. Als Vergleich diente ein Booster mit dem herkömmlichen chinesischen Impfstoff Coronavac. Das Ergebnis: 84 Prozent der Teilnehmer hatten nach dem Booster mit AWcorna brauchbare Antikörper gegen Omikron. Beim herkömmlichen chinesischen Präparat waren es nur 35 Prozent.
Dies deckt sich mit Informationen zur ersten, noch kleinen (Phase I) Studie von AWcorna am Menschen. Dort entwickelten zwischen 80 und 95 Prozent der Probanden Antikörper. Diese Zahl bezieht sich auf die Produktion irgendwelcher Antikörper, die 84 Prozent auf wirksame Antikörper gegen Omikron.
Doch auch diese Zahl wirft Fragen auf. Wenn tatsächlich 16 Prozent der Teilnehmer keine ausreichenden Antikörper gegen Omikron ausbilden, liegt das Präparat weit unter der Durchschlagskraft der Konkurrenz von Moderna und Biontech. Der Wirkstoff aus Mainz führt schon bei der ersten Dosis bei praktisch allen Probanden zur Ausbildung von Antikörpern. Beim Booster ist der Effekt noch deutlich ausgeprägter.
Die geringe Transparenz des Herstellers ist bedauerlich, liegt aber möglicherweise in der geschäftlichen Grundeinstellung eines militärnahen chinesischen Unternehmens begründet. Alle Instinkte stehen dort vermutlich auf Geheimhaltung, anders als bei Biontech, das als europäische Aktiengesellschaft sogar verpflichtet ist, laufend Daten und Informationen zu publizieren.
Nun ist völlig unklar, wann das Präparat in China in die Massenproduktion geht. Vor einem Jahr gab es bereits einen falschen Alarm in der Global Times: Der Herstellungsbeginn stehe unmittelbar bevor. Seitdem ist jedoch nichts Sichtbares passiert, bis überraschend die Zulassung aus Indonesien kam.
Indonesien ist ein enger Verbündeter Chinas und wichtiger Teil der Seidenstraßen-Initiative. Es war einer der ersten Empfänger chinesischer Impfstoffe nach Ausbruch der Pandemie. Es lässt sich spekulieren, dass es ein Freundschaftsdienst war, den Impfstoff dort zuzulassen. Der Schachzug wirft aber auch Fragen auf. Warum verkündet China nicht triumphal im eigenen Land die Leistung, eine der komplexesten Biotechnologien unserer Zeit gemeistert zu haben?
Die prompte Verschiffung der Substanz nach Indonesien wertet den PR-Coup ein gutes Stück ab. Dabei hätte China sich damit brüsten können, aus eigener Kraft geschafft zu haben, was eigentlich durch Techniktransfer hätte zustande kommen sollen. Die Behörden hatten sowohl Biontech als auch Moderna gedrängt, die Methoden zur Nutzbarmachung von mRNA mit China zu teilen. Das war Voraussetzung für den Markteintritt – und die Weigerung der westlichen Firmen war wohl einer der Gründe dafür, dass sie bis heute außen vor stehen.
Es bleibt das Gefühl, dass mRNA-Impfstoffe in China bisher nur eine B-Strategie sind, während ihre Anwendung im Westen die Hauptlinie der Verteidigung gegen das Virus ist. Chinas große A-Strategie ist dagegen Xi Jinpings Null-Covid-Politik, von der die Propaganda nur Siege berichtet. Eine Durchseuchung unter Geimpften, wie sie in Europa und den USA stattgefunden hat, wäre in China schwerer zu vermitteln. Die Partei hat sich schließlich jetzt schon jahrelang den völligen Schutz der Bevölkerung vor dem Virus auf die Fahnen geschrieben.
Es kann also gut sein, dass auch die Verfügbarkeit von AWcorna keinen Einstieg in den Ausstieg aus Null-Covid bedeutet. Vielleicht fällt es der Führung auch schwer, sich von dem ungeahnten Maß an Kontrolle über die Bevölkerung ohne Weiteres wieder zu verabschieden. Die Übergangsphase wird auf jeden Fall lang bleiben (China.Table berichtete). Auch mRNA-Impfungen bieten bekanntlich keinen Schutz vor Infektionen.
11.10.2022, 18:00 Uhr (0:00 Uhr Beijing time)
Konrad-Adenauer-Stiftung, Webinar: Diplomatische Beziehungen Deutschland – China: Rückschau und Perspektiven Mehr
11.10.2022, 20:00 Uhr (02:00 pm US-Ostküstenzeit)
Center for Strategic & International Studies, Webinar: Why Taiwan Matters – From an Economic Perspective Mehr
12.10.2022, 18:00 Uhr (12:00 pm US-Ostküstenzeit)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: How China’s Catastrophic Success, US Strategic Blunders Fueled Rivalry Mehr
13.10.2022, 22:30 Uhr (04:30 pm US-Ostküstenzeit)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Panel Discussion – What Does China’s Rise Mean for the United States? Mehr
13.10.2022, 18:00 Uhr
Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen, Vortrag: Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen im Licht des sich verändernden globalen Geschäftsumfelds Mehr
13.10.2022, 18:00 Uhr
Konfuzius-Institut Bonn, Diskussionsveranstaltung: Partnerschaft und Wettbewerb – 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen China und Deutschland Mehr
14.10.2022, 9:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing time)
China-Team GmbH, Live-Event und Webinar: eCar production – resilient Supply Chain with China Mehr
Der UN-Menschenrechtsrat in Genf hat eine Debatte über die Menschenrechtslage in Xinjiang abgelehnt. Damit verwarf das Gremium am Donnerstag den Vorschlag Großbritanniens, der Türkei, der USA und anderer vornehmlich westlicher Länder, im nächsten Jahr eine Debatte über Menschenrechtsverletzungen Chinas gegenüber muslimischen Uiguren und anderen ethnischen Minderheiten in Chinas westlicher Region Xinjiang abzuhalten (China.Table berichtete).
Das Ergebnis war denkbar knapp: 19 Staaten stimmten gegen den Antrag, 17 dafür, bei satten elf Enthaltungen. Die einfache Mehrheit reichte aus. Es wäre die erste formale Entscheidung überhaupt gegen China im Menschenrechtsrat in dessen Geschichte gewesen. Es ging bei der Beschlussvorlage letztlich um Konsequenzen aus dem vor gut einem Monat veröffentlichten Xinjiang-Bericht des Hochkommissariats. Fernziel war, einen Sonderberichterstatter für die Volksrepublik zu installieren.
Eine Debatte darüber zu führen, ist nun erst einmal gescheitert. Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses gab es im vollbesetzten Genfer Ratssaal einen ungewöhnlichen Beifallssturm. Chinas Botschafter beim Rat, Chen Xu, hatte kurz vor der Abstimmung gewarnt, dass der Antrag eine “gefährliche Abkürzung” (“shortcut”) für die Prüfung der Menschenrechtslage in anderen Ländern darstellen würde. “Heute ist China das Ziel. Morgen wird jedes andere Entwicklungsland ins Visier genommen werden”, sagte Chen. Das Narrativ ist klar: China stellt sich bei Einmischung des Westens in ihre Angelegenheiten schützend vor die Entwicklungsländer.
Anders sehen das naturgemäß die Initiatoren des Vorschlages. Angesichts der Schwere der Vorwürfe gegen China wäre es wichtig gewesen, Mitgliedern der Vereinten Nationen die Möglichkeit zu einer eingehenden Prüfung zu geben”, sagte Simon Manley, Botschafter Großbritanniens beim Menschenrechtsrat. “Chinas Versuche, eine Debatte zu ersticken und die Wahrheit zu verschleiern, werden keinen Erfolg haben.” Manley drehte das Ergebnis zudem um. Die Zustimmung der 17 Staaten zeige, “dass eine bedeutsame Zahl Staaten nicht zum Schweigen gebracht werden kann, wenn es um eklatante Verstöße gegen die Menschenrechte geht – egal wo und von wem diese begangen werden.”
China sicherte sich bei der Abstimmung die Nein-Stimmen seiner üblichen Verbündeten, darunter viele afrikanische Länder sowie die Golfstaaten Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Somalia stimmte als einziges afrikanisches Land und einziges Mitglied der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) mit “Ja”. Das teilweise westlich orientierte OIC-Mitglied Türkei, wo auch viele geflüchtete Uiguren leben, hat derzeit keinen Sitz im Rat. Argentinien, Brasilien, Indien, Malaysia, Mexiko und – interessanterweise – die Ukraine waren unter den Ländern, die sich der Stimme enthielten.
Beobachter werteten die Ablehnung laut Reuters dagegen als Rückschlag für die Bemühungen um Rechenschaftspflicht sowie für die moralische Autorität des Westens beim Thema Menschenrechte. Vor allem auch, weil es erst das zweite Mal in der 16-jährigen Geschichte des UN-Menschenrechtsrates war, dass ein Antrag abgelehnt wurde. Das sagt eine Menge aus über den wachsenden Einfluss Chinas bei den Vereinten Nationen. Peking gelingt es immer öfter, Staaten auf seine Seite zu ziehen, vor allem Entwicklungsländer.
Der Abstimmung war ein tagelanges zähes Ringen bis kurz vor der Sitzung vorausgegangen. Diplomaten hatten kurz vor der Abstimmung ein enges Ergebnis vorhergesagt. Die Nachrichtenagentur Associated Press hatte vorab anonym den Botschafter eines Entwicklungslandes mit Sitz im Menschenrechtsrat mit den Worten zitiert, er erwarte erst am Morgen vor der Abstimmung eine E-Mail aus seiner Hauptstadt mit der Anweisung, wie er abzustimmen habe. ck
Einwohner von Xinjiang dürfen die Provinz nach Medienberichten wegen eines Corona-Ausbruchs auf unbestimmte Zeit nicht verlassen. Am Dienstag wurden demnach insgesamt 38 asymptomatische Fälle festgestellt. In der Region im Westen Chinas leben 22 Millionen Menschen, viele von ihnen gehören Minderheiten wie den Uiguren an. Die Reisebeschränkungen in Xinjiang folgen auf einen wochenlangen, strikten Lockdown in einigen Teilen Xinjiangs, der unter anderem zu massiven Problemen mit der Lebensmittelversorgung geführt hatte.
Kontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen wurden hochgefahren. Zug- und Bus-Verbindungen in andere Provinzen wurden ausgesetzt, ebenso die meisten Flüge. Bis wann die Restriktionen gelten, gaben die Behörden nicht bekannt. Betroffen sind auch Touristen, die zur goldenen Woche in die Region gereist sind.
Am Tag zuvor war der Flughafen von Xishuangbanna, Yunnan, von bewaffneten Polizisten in einen Lockdown versetzt worden. Reisende wurden festgehalten und äußerten zum Teil lautstarken Protest, wie in Videos in den sozialen Medien zu sehen war.
Am 16. Oktober beginnt in Beijing der Parteitag der Kommunistischen Partei. Vor großen politischen Ereignissen sind die Sicherheitsvorkehrungen in China besonders hoch. In diesem Jahr spielt die strikte Vermeidung von Coronavirus-Ausbrüchen zusätzlich eine große Rolle. Aber auch soziale oder politische Proteste in der Hauptstadt will die Partei zu dieser Zeit unbedingt verhindern. jul
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Land Polen wegen der geplanten Auslieferung eines Häftlings nach China zur Zahlung einer Entschädigung verdonnert. Dem taiwanischen Staatsbürger Hung Tao Liu drohe in China unter anderem Folter, teilte das Gericht am Donnerstag in Straßburg mit.
Der Mann wurde ursprünglich wegen Telekommunikationsbetrugs von Interpol gesucht und vor fünf Jahren in Polen verhaftet. China forderte seitdem die Auslieferung. Einen Asylantrag lehnten die Behörden ab. Im Jahr 2018 entschied ein Gericht in Warschau, dass die Auslieferung des Taiwaners nach China rechtskonform sei. China habe versichert, seine Rechte ausreichend zu schützen.
Die Richter in Straßburg stellten dagegen fest, dass die Lage in chinesischen Gefängnissen mit einer “allgemeinen Situation der Gewalt” gleichzusetzen sei. Basis dafür sind UN-Berichte über Folter in China. Die polnischen Gerichte hätten die Risiken für den Häftling nach einer Abschiebung sorgfältiger bewerten müssen. Polen muss dem Mann nun für die bereits überlange Haft insgesamt 18.000 Euro zahlen. fin
Die chinesische Währung hat diese Woche zum ersten Mal an der Moskauer Börse den Handel mit US-Dollar übertroffen und wurde zur meistgehandelten Fremdwährung. Am Montag wurden insgesamt 64.900 Yuan-Rubel-Transaktionen abgeschlossen. Das Handelsvolumen erreichte nach Angaben der Moscow Exchange Group 70 Milliarden Rubel (rund 1,2 Milliarden US-Dollar). Der Handel von Papieren in US-Dollar belief sich hingegen nur auf ein Volumen in Höhe von 68,2 Milliarden Rubel.
Angesichts der westlichen Sanktionen wegen Putins Krieg gegen die Ukraine versucht Russland den Dollar aus dem Handelsgeschäft mit anderen Ländern zu verdrängen. Die russische Zentralbank kündigte erst im September an, seine Devisenreserven zu diversifizieren und in großem Umfang Währungen “befreundeter Staaten” aufzukaufen. Der größte Teil der Käufe soll dabei auf den chinesischen Yuan entfallen.
Russlands Yuan-Reserven machten zu Jahresbeginn rund 17 Prozent der Devisenbestände aus. Sie sollen den Plänen zufolge von umgerechnet 100 Milliarden Dollar auf 180 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Im Gegenzug sollen die Währungen der G7-Staaten schrittweise aus den eigenen Devisenreserven entfernt werden. Der russische Gazprom-Konzern hat zudem ebenfalls im September bekannt gegeben, dass Zahlungen für Gaslieferungen an China künftig in Yuan und Rubel statt in Dollar erfolgen sollen. flee
Das amerikanische Verteidigungsministerium hat mehr als ein Dutzend chinesische Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt. Das berichtet die South China Morning Post. Betroffen sind demnach unter anderem der bekannte Drohnenhersteller DJI, Chinas größtes Genforschungsunternehmen BGI Genomics und die China State Construction Group. Die Behörde vermutet bei den Unternehmen Verbindungen zum chinesischen Militär.
Die schwarze Liste wurde bereits letztes Jahr herausgegeben. Sie ist Grundlage für Restriktionen des US-Wirtschaftsministeriums. Dazu kann auch das Verbot für amerikanische Unternehmen gehören, in die chinesischen Konzerne zu investieren. Auf der Liste steht bereits Huawei.
Das Pentagon vermutet, dass China versucht, seine Armee mithilfe von nur scheinbar zivilen Unternehmen zu modernisieren. Diese ermöglichen den Zugang zu fortschrittlichen Technologien. Wirtschaftsbeziehungen mit diesen Unternehmen könnten letztlich zur Modernisierung und zum Wachstum des chinesischen Militärs beitragen, so das Pentagon.
DJI ist Weltmarktführer im Bereich ziviler Drohnen (China.Table berichtete). DJI-Drohnen sind auf dem Endverbraucher-Markt ebenso wie im Profibereich unter anderem für Filmaufnahmen beliebt. Allerdings steht auch der Vorwurf im Raum, dass sie vom russischen Militär im Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz gekommen sein könnten. DJI streitet dies ab. jul
Der große chinesische Autohersteller Great Wall Motor aus Baoding hat sich die Münchner Werbeagentur David+Martin ausgesucht, um seine Oberklasse-Marke Wey in Europa bekannt zu machen. Es gehe darum, “eine komplett neue Marke auf dem gesättigten europäischen Automarkt zu etablieren”, sagte Geschäftsführer Sven Koesling laut Pressemitteilung. Schon zur Paris Motor Show ab dem 17. Oktober soll die Agentur die Kommunikation der Marke begleiten, berichtet das Fachblatt Horizont.
Great Wall hat im vergangenen November eine Europazentrale in München eröffnet (China.Table berichtete). Ziel ist ein Markteinstieg in Deutschland mit den Elektroauto-Marken Wey und Ora (China.Table berichtete). Der SUV Wey Coffee 01 ist derzeit das Hybrid-Flaggschiff von Great Wall mit besonders hoher elektrischer Reichweite und viel Digitaltechnik. Great Wall war der erste nennenswerte private Autohersteller Chinas. Im Jahr 2021 hat das Unternehmen 1,3 Millionen Autos abgesetzt – bisher fast nur in China. fin
Ein wesentlicher Aspekt der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Chinas ist: Wer einmal dabei ist, kann nicht mehr austreten.
Die Möglichkeit, aus der Partei auszutreten, ist zwar in der Satzung der Partei verankert, aber praktisch existiert sie nicht. Der einzige Weg, die Partei zu verlassen, ist der Ausschluss. Und wenn es einmal so weit ist, hat man ein großes Problem. Das ist einer der Gründe, warum die Zahl der Parteimitglieder stetig ansteigt. Ein anderer Grund ist natürlich die wachsende Bevölkerungszahl in China.
Als weltweit größte politische Vereinigung rühmt sich die KPCh mit 97 Millionen Mitgliedern, was ungefähr der gesamten Bevölkerung von Deutschland, Österreich und der Schweiz entspricht. Wie viele davon tatsächlich an den Kommunismus glauben, lässt sich dagegen unmöglich sagen. Aber diese Zahl dürfte nahezu bei null liegen.
In China – wie auch in anderen Teilen der Welt – ist der Kommunismus als Ideologie bankrott. Obwohl die Partei immer noch den Stempel des Kommunismus trägt, entfernt sie sich nicht nur von der klassischen kommunistischen Zukunftsvision, sondern auch von den grundlegenden Doktrinen des Marxismus, wie etwa der Analyse der Beziehungen zwischen Kapital und Arbeitern.
Vielmehr entwickeln die Spitzenpolitiker und hochrangigen Apparatschiks laufend neue Konzepte und Theorien, wie zuletzt den “Chinesischen Traum” und “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter”. Im Mittelpunkt des stetig wachsenden Flickenteppichs von Jargons stehen folgende Aspekte: Die Aufgabe der KP China ist es,
Jedes Parteimitglied vermag Slogans zu diesen Zielen oder Abwandlungen davon zu skandieren. Einige sind sogar in der Lage, lange Vorträge darüber zu halten. Aber die Zahl derjenigen, die der Partei aufrichtig aus diesen Gründen beitreten, ist äußerst gering.
Infolge der zügellosen Korruption und der chronischen sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeit herrscht nahezu im gesamten Land blanker Zynismus. Die Menschen verfolgen ausschließlich ihre Eigeninteressen.
Obwohl es der KPCh an überzeugenden, inspirierenden politischen Ideen mangelt, hat sie sich dennoch unangefochten an der Macht gehalten. Und es ist eine ungeschriebene Regel, dass die oberste Führungsriege jeder staatlichen Organisation auf allen Ebenen Mitglied der Partei sein muss. Dies gilt auch für die Armee, staatliche Unternehmen und sonstige öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Universitäten.
Die Partei, die Staatsunternehmen und der öffentliche Sektor stehen im kommunistischen China immer an oberster Stelle. Unter Xi Jinping ist ihre Position noch stärker geworden. Wer berufliche oder persönliche Ambitionen hegt, weiß also, wohin er sich wenden muss. Eine Mitgliedschaft mag zwar keine Garantie für Macht und Geld sein, aber schaden kann sie auf jeden Fall nicht.
Wer Mitglied werden möchte, muss fachliche Kompetenz vorweisen. Am wichtigsten ist jedoch, der Parteilinie zu folgen, das heißt, sich dem Parteisprech zu bedienen und der Parteipolitik stets die Treue zu halten. Freies Denken oder das Äußern von abweichenden Gedanken ist ein absolutes Tabu. Das wahre Ich muss stets verborgen bleiben, egal, wie es auch aussehen mag.
Doch mit einem Beitritt ist es noch lange nicht getan. Die Parteikomitees aller Organisationen auf den verschiedenen Ebenen schulen ihre Mitglieder im Rahmen von Versammlungen und Studiensitzungen laufend in den neuesten Konzepten und Richtlinien. Dabei bedienen sie sich zum Beispiel Abschriften von Parteiführern und Büchern über deren Gedanken und Theorien.
Von Zeit zu Zeit werden besonders vorbildliche Parteimitglieder präsentiert, die angeblich ihre Freizeit dem Parteistudium widmen. Das interessanteste Beispiel war ein junges Paar, das 2016 in seiner Hochzeitsnacht die Parteisatzung abschrieb.
Die Partei betreibt zudem Parteischulen auf Zentral-, Provinz- und Kreisebene. Parteifunktionäre der oberen und mittleren Ränge müssen alle paar Jahre abwechselnd eine Vollzeitschulung über Parteipolitik absolvieren. Die Kurse können dabei bis zu 4 Monate dauern (und sind übrigens eine großartige Gelegenheit zum Knüpfen von Kontakten).
Im Zeitalter der Neuen Medien hat die Partei mit dem technischen Fortschritt bestens Schritt gehalten. Sie hat eine eigene Internetseite und eine ausgefeilte App zur Bildung ihrer Mitglieder entwickelt. Sie heißen auf Chinesisch “Xuexi Qiangguo”, was wörtlich übersetzt “studiere und stärke die Nation” bedeutet. Dort haben Mitglieder auch die Möglichkeit, sich anhand von Quizfragen selbst zu testen. Typische Fragen lauten etwa: “Was sind die wichtigsten Punkte von Xi Jinpings Gedanken zur Diplomatie?” Oder: “Welche Strafe erhält ein Mitglied, wenn es unbegründete Kritik an der zentralen Führung der Partei übt?”
In einer Bildungskampagne haben zahlreiche Parteigremien festgelegt, wie viel Zeit ihre Mitglieder auf der Website oder in der App verbringen müssen. Ausschussvorsitzende oder Mandatsträger haben die Möglichkeit, dies zu überprüfen.
Sämtliche Bildungsmaßnahmen dienen in gewisser Weise der Gehirnwäsche. Es handelt sich um Rituale, die die Treue zur Partei fördern sollen. Das größte aller Rituale ist der große Parteikongress, der einmal alle fünf Jahre stattfindet.
Hin und wieder gehen einige Bildungsinitiativen nach hinten los. Auf dem letzten Parteitag 2017 rief Xi die Mitglieder dazu auf, “das ursprüngliche Herz nicht zu vergessen und die Mission fest im Gedächtnis zu behalten”. Kurz darauf wurde eine Bildungsinitiative mit diesem Zitat als Thema gestartet. Als Lernmaterial diente der im selben Jahr erschienene deutsche Film “Der junge Karl Marx”, der das Leben von Marx zwischen 1843 und 1848 zeigt. Parteimitglieder und Regierungsangestellte wurden aufgerufen, sich den Film während der Arbeitszeit in Kinos anzuschauen.
Es scheint keine schlechte Idee zu sein, dass eine kommunistische Partei Marx als ihr “ursprüngliches Herz” aufgreift.
Unglücklicherweise wurde dabei übersehen, dass ein zentrales Thema, mit dem sich Marx befasste, das durch kapitalistische Ausbeutung verursachte Elend der Arbeiter war. Etwas, das zufälligerweise im heutigen China lautstark Anklang fand.
Selbstverständlich hatten die Studenten der renommierten Peking-Universität eine unabhängige Gesellschaft für Marxismus gegründet. Einige von ihnen schlossen sich den Arbeitern in Peking und Shenzhen an, um für die Rechte der Arbeiter zu demonstrieren, was wiederum zu einem harten Durchgreifen der Regierung in Peking führte.
Damit wurde den Partei- und Regierungsfunktionären klar, dass ein grundlegender Bestandteil des Marxismus sehr gefährlich ist. So ist das Lied “Die Internationale”, die Hymne der sozialistischen Arbeiterbewegung, die die Unterdrückten auffordert, sich zum Kampf zu erheben, in China inzwischen praktisch verboten. Wer das Lied laut und öffentlich singt, sei es als Einzelner oder in einer Gruppe, riskiert die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu ziehen und verhaftet zu werden.
Die marxistischen Lehren, auf die sich die Partei nach wie vor bequem berufen kann, sind das Volkseigentum und die Diktatur des Proletariats, mit denen die Partei ihr Macht- und Wirtschaftsmonopol begründet.
Jörg Storm ist für Mercedes-Benz aus China zurückgekehrt. Er war dort am Standort Beijing CIO Mercedes-Benz Taiwan & Hongkong sowie Director IT Service & Parts. Heute ist er Global Head IT Infrastructure in Stuttgart.
Li Quan ist jetzt bei New China Life Insurance nicht nur CEO, sondern auch Chairman. Sein Vorgänger Xu Zhibin hatte seinen Rücktritt erklärt. Li arbeitet seit 2010 für New China Life und hat 34 Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche.
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Goldener Oktober, farbenfrohe Ernte: Diese Touristen hat es in das Dorf Duanzhuang in der nordchinesischen Provinz Hebei gezogen. Die erste Oktoberwoche ist in China Reisezeit. Eine gute Gelegenheit, um das Profil auf den sozialen Medien mit neuen Bildern zu bestücken.
“Mit unserem Besuch haben wir gezeigt, dass freiheitliche Demokratien zusammenstehen” – das sagt Klaus-Peter Willsch von der CDU über die Reise des Parlamentarischen Freundeskreises Berlin-Taipeh. Die Tour der Bundestagsabgeordneten nach Taiwan von Sonntag bis Donnerstag stand deutlich mehr im Fokus der Berichterstattung, als es für solche Besuche üblich ist. Diese finden eigentlich relativ häufig statt, doch diesmal war der Eindruck von Pekings Säbelrasseln rund um Nancy Pelosis Besuch im August noch frisch. Im Interview mit David Demes berichtet Willsch von den erheblichen Einflussmöglichkeiten des Parlaments auf die Geopolitik.
Sie sind zum Schaudern, die Lockdown-Berichte aus China. Warum nur bleibt das Land so beharrlich bei seiner Null-Covid-Politik, wenn wirksame Impfstoffe in Reichweite sind? Wo Rätsel sind, da gedeihen auch Gerüchte. Und so wurde schon mehrfach vermutet, dass Biontech oder Moderna vielleicht doch kurz davor stünden, auf den chinesischen Markt zu gelangen. Fakt ist: Die Impfstoffe der beiden mRNA-Pioniere sind weiterhin nicht zugelassen. Und plötzlich erreichte uns diese Nachricht: Ein chinesischer mRNA-Impfstoff, an dem bereits länger geforscht wird, ist zugelassen. Allerdings nicht in China, sondern in Indonesien. Finn Mayer-Kuckuk fasst zusammen, was über den Stoff jetzt schon bekannt ist. Und geht in seiner Analyse auch der Frage nach, warum China den großen Forschungserfolg nicht zuerst im eigenen Land stolz präsentiert.
Bei den Vereinten Nationen wird es keine Debatte zu den Menschenrechtsverletzungen Chinas in Xinjiang geben. Der UN-Menschenrechtsrat in Genf lehnte einen entsprechenden Vorschlag vorwiegend westlicher Länder am Donnerstag ab. China hat sich also wieder einmal durchgesetzt, wie Sie in unserer ausführlichen News zum Thema nachlesen können.
Herr Willsch, dieser Besuch war bereits Ihre vierte Delegationsreise nach Taiwan. Das vorige Mal waren Sie vor mehr als drei Jahren hier. Was hat sich seitdem verändert?
Die wesentliche Veränderung lag in der medialen Anteilnahme an unserer Reise. Eine solche Aufmerksamkeit genießen Reisen von Parlamentariergruppen eher selten. Natürlich haben uns unsere taiwanischen Freunde wie immer herzlich empfangen. Aber durch das aufgeheizte Setting und die Überreaktion der Regierung in Peking war die Situation natürlich nochmal zugespitzt.
Hat sich die Bedrohungslage aus Ihrer Sicht denn deutlich verändert?
Die Drohungen aus Peking haben sich seit der Neujahrsansprache von Xi Jinping im Jahr 2019 immer weiter verschärft. Die Verletzungen der taiwanischen Luftüberwachungszone und auch die Manöver nach dem Besuch von Nancy Pelosi hatten eine neue Qualität. Dennoch: Taiwan lebt mit dieser Situation eigentlich schon seit Jahren. Peking formuliert die Drohungen mal drastischer und mal weniger drastisch. Zurzeit überwiegen eher die drastischen Formulierungen.
Was können Sie und Ihre Kolleg:innen tun, um Taiwan zu unterstützen?
Ich konzentriere mich darauf, wie wir aus dem Parlament heraus die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft ausbauen können. Die Taiwaner haben absolut berechtigte Anliegen, die nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Weltgemeinschaft von Bedeutung sind. Was könnte Taiwan zum Beispiel im Rahmen der WHO dazu beitragen, die Weltgemeinschaft insgesamt besser auf die nächste Pandemie vorzubereiten? Oder auch das Thema Luftsicherheit. Natürlich gehört Taiwan in die ICAO. Die Möglichkeiten eines Parlaments sind da zwar begrenzt. Dennoch versuchen wir, unseren Beitrag zu leisten.
Sie sind seit 2010 Vorsitzender der Parlamentariergruppe. Wie kommt ein Finanzpolitiker aus Hessen dazu, sich für Taiwan zu interessieren?
Ich interessiere mich eigentlich seit Beginn meiner Zugehörigkeit zum Bundestag 1998 für Taiwan. Vor allem wegen des Spannungsverhältnisses zwischen dem großen China, das von der kommunistischen Partei totalitär regiert wird, auf der einen und dieser Insel der Freiheit auf der anderen Seite. Taiwan ist mit seiner parlamentarischen Demokratie in Asien geradezu ein Musterland. Als der Vorsitz der Gruppe im Jahr 2009 wegen des Wegganges meines Vorgängers verwaist war, habe ich das gerne übernommen. Bis heute habe ich diese Entscheidung nicht bereut.
Sie haben in Ihrem Grußwort am Montag gesagt, dass Sie Kritik an Ihrer Reise wahrgenommen haben, Sie diese aber nicht weiter kümmere. Wurden Sie oder andere Mitglieder Ihrer Delegation von chinesischer Seite unter Druck gesetzt?
Ich persönlich kann nichts Derartiges berichten. Auch aus der Delegation ist mir nichts in der Richtung zu Ohren gekommen. Wir wissen allerdings, dass Peking wie immer beim Auswärtigen Amt protestiert hat. Vor allem die öffentliche Reaktion auf unseren Besuch war im Vergleich zu unseren vorherigen Reisen sehr ungewöhnlich. Aber das lag sicher auch daran, dass der Besuch von Nancy Pelosi noch nicht lange her ist und die Lage noch etwas angespannt ist.
Ihr Empfang bei Präsidentin Tsai Ing-wen fiel ausgerechnet auf den Tag der Deutschen Einheit. In Ihrem Grußwort haben Sie erwähnt, dass die Wiedervereinigung Deutschlands der schönste Tag Ihrer politischen Karriere gewesen sei. Die Symbolik dieser Aussage ist vielen chinesischen Internetnutzern nicht entgangen. Wollten Sie damit eine Botschaft mit Bezug auf Taiwan und China senden?
Ich habe hinterher dazu gesagt, dass Deutschland seine Einheit in Freiheit und Selbstbestimmung gefeiert hat. Das unterscheidet sich ja schon deutlich von den Ambitionen Pekings.
In der Vergangenheit haben Sie oft vom “freien China” gesprochen, wenn Sie Taiwan gemeint haben. Wie nehmen Sie die Veränderungen in der Identität der Taiwaner wahr? Ist das auch Thema bei Ihren bilateralen Gesprächen?
Im Verlauf der letzten Jahre ist schon deutlich geworden, dass sich hier mehr und mehr eine taiwanische Identität herausgebildet hat. Das ist aber auch kein Wunder. Die Generationen, die nach dem Krieg geboren wurden, kennen ja nichts anderes. Trotzdem gehören Taiwan und China für mich zu einem gemeinsamen Kulturkreis. Wenn Sie das Palastmuseum in Taipeh besuchen und sehen, was dort an chinesischem Kulturerbe ausgestellt ist, wird das ganz deutlich. Dennoch glaube ich, dass diese Kategorisierung noch immer zutrifft. Dass es in Taiwan Freiheit, Selbstbestimmung und Rechtsstaatlichkeit gibt und in der größeren Volksrepublik leider das Gegenteil der Fall ist.
Nochmal zum Grußwort am Montag. Ein Zitat von Ihnen hatte in stark erweiterter Version die Runde gemacht. Wie Sie wissen, hat China.Table darüber berichtet…
Das war sehr verdienstvoll. Vielen Dank für Ihre Klarstellung. Ich kann allen, die das nochmal nachlesen wollen, nur empfehlen, sich den Live-Mitschnitt und die Übersetzung auf der Homepage unserer Botschaft, dem Deutschen Institut, anzuschauen. Da ist das alles richtig eingeordnet. (Anm. der Red.: Am Donnerstag war das Protokoll noch nicht online zugänglich.)
Ich will trotzdem nochmal nachhaken. Ihr Kommentar, der so nie gefallen ist, dass Deutschland Taiwan im Falle einer militärischen Bedrohung beistehen würde, haben Sie nie dementiert. Lag das vielleicht daran, dass sich die Aussage nicht so stark von Außenministerin Baerbocks Äußerungen in New York unterschieden hat?
Ja, das ist so.
Die Gefahr einer militärischen Eskalation in der Taiwan-Straße bekommt in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit. Haben Sie Sorge, dass Ihre Reise zu einer solchen Eskalation beitragen könnte?
Wir sollten gegenüber Peking deutlich machen, dass das ein Teil von Parlamentarismus ist. Bei uns gibt es ein Parlament, das sich eine Regierung hält. Das ist in der Volksrepublik China deutlich anders. Wir sollten als Parlament selbstbewusst unsere Spielräume nutzen. Als Parlamentariergruppe versuchen wir, dazu unseren Beitrag zu leisten.
Sie haben bei Ihrer Reise auch das Thema Halbleiter angesprochen. Wie bewerten Sie die Abhängigkeit Deutschlands von der taiwanischen Halbleiterindustrie? Ihr Parteikollege Altmaier hatte während der Pandemie eine Bittschrift an die taiwanische Wirtschaftsministerin gerichtet und um mehr Chips gebeten.
Es braucht nicht immer ein Eingreifen der Politik. Im Rahmen von freiem Handel finden Marktteilnehmer, die gut miteinander zusammenarbeiten können, selbst zueinander. Dennoch haben wir durch die Störung der Lieferketten in Folge von geschlossenen Häfen, Covid-19 und auch politischen Verwerfungen natürlich auch etwas gelernt. Keine normale Firma macht sich von einem einzigen Zulieferer abhängig. Das gilt auch für eine Volkswirtschaft. Es ist klug, da mehr Fantasie walten zu lassen und mehr Gehirnschmalz reinzustecken. Realistisch betrachtet ist der Vorsprung von Taiwan und vor allem TSMC im Bereich Highend-Halbleiter schon gewaltig. Aus meiner Sicht besteht da jetzt aber auch keine hohe Not. Wir sind gute und gern gesehene Kunden.
Was halten Sie von der Theorie des Silizium-Schutzschildes? Dass Taiwan durch seine Halbleiter-Industrie vor einem chinesischen Angriff geschützt wird?
Die entwickelte Welt, die gerade auch mit Blick auf Digitalisierung weiterkommen will, hat das natürlich im Blick und das ist kein Nachteil für Taiwan.
Glauben Sie also, dass China deswegen von einem Angriff absehen könnte?
Auch China ist von Taiwans Halbleitern abhängig. Wenn ich in Taiwan von Überlegungen höre, wie man seine Technologie schützen und verhindern will, dass sie dem Gegner in die Hände fällt, dann wissen die Chinesen auch, was das für ihren Werkzeugmaschinenbau, für ihre Ambitionen in der Luftfahrt, bei Automobilität et cetera bedeutet. Für Taiwan ist das keine ungemütliche Lage und wird China Anlass dazu geben, vielleicht einen Moment länger darüber nachzudenken, ob sie Taiwan angreifen oder nicht.
Die Nachricht von der Zulassung eines chinesischen mRNA-Impfstoffs in Indonesien kam in der vergangenen Woche etwas überraschend. Es ist bisher ungeklärt, warum Indonesien mit einer Zulassung vorprescht, während die Studien noch laufen. Impfstoffe sind schließlich längst nicht mehr knapp. Klar ist nun aber, dass AWcorna das erste chinesische mRNA-Arzneimittel sein soll, das demnächst auch offiziell Zulassungsreife erlangt.
AWcorna heißt auf Chinesisch Woaikexin 沃艾可欣. Ursprünglich wurde es unter dem Namen Arcov vorgestellt. Hersteller ist die Firma Walvax Biotechnology 沃森生物 aus Yunnan. An der Entwicklung ist das Militär beteiligt: Die Academy of Military Science gehört zu den Forschungspartnern. Dies ist von erheblicher Bedeutung: Die Volksbefreiungsarmee ist ein zentralstaatlicher Spieler unter direkter Kontrolle von Xi Jinping. Das Projekt hat also vermutlich die Zustimmung Pekings. Eine wie auch immer geartete Praxisanwendung ist daher wahrscheinlich. Selbst dann, wenn in Chinas Führung grundsätzliche Vorbehalte gegen die junge mRNA-Technik wabern sollten.
Ebenfalls mit im Boot sitzt ein ehemaliger Konkurrent, Suzhou Abogen Biosciences. Hier wurde offenbar eine Allianz eingefädelt, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen. Aktuell läuft eine Zulassungsstudie mit 28.000 Teilnehmern in Mexiko, Indonesien, Malaysia und Nepal. China gehört zwar auch zu den Standorten, doch es eignet sich derzeit nicht für Coronavirus-Studien, weil das Virus dort nicht ausreichend verbreitet ist.
Bisher ist nichts von Problemen mit dem Wirkstoff bekannt, und die Notfallzulassung in Indonesien (China.Table berichtete) weist auf günstige Studienergebnisse hin. Eine Produktionsanlage für den Wirkstoff wurde in Yuxi, Provinz Yunnan, seit 2020 errichtet. Sie soll eine Kapazität von mindestens 120 Millionen Dosen jährlich erreichen, wenn nicht sogar von 200 Millionen Dosen. All das deutet auf Pläne hin, den Impfstoff früher oder später im großen Stil im Inland einzusetzen. Das mRNA-Präparat würde angesichts der hohen chinesischen Impfquote mit herkömmlichen Wirkstoffen vor allem als Booster verwendet werden.
Die indonesischen Behörden haben jetzt Eckdaten von AWcorna vorgestellt. Sie berichten von einer Wirksamkeitsrate von 84 Prozent gegen die Ursprungsvariante und von 71 Prozent gegen Omikron. Je nachdem, worauf sich die Prozentzahlen beziehen, läge das zwar etwas unter den Werten, auf die Biontech und Moderna kommen, auf den ersten Blick deuten sie aber auf einen wirksamen Impfstoff hin.
Viele wichtige Informationen fehlen jedoch, obwohl Journalisten bereits nachgefragt haben. Beziehen sich die Zahlen auf eine Anwendung als Booster auf eine Erstimpfung? Handelt es sich um den Schutz vor allen symptomatischen Infektionen, oder nur um den vor schweren Verläufen? Die westlichen Hersteller veröffentlichen meist die Schutzwirkung vor allen sichtbaren Infektionen, China hat sich zuletzt meist oft auf die schweren Verläufe bezogen. Solange keine weiteren Details bekannt sind, lässt sich AWcorna nicht einschätzen.
Im Juni hatten die chinesischen Forscher im Fachblatt Nature bereits einige Details zu Eigenschaften des Wirkstoffs veröffentlicht. Sie analysierten zunächst ein Problem, mit dem sich China derzeit herumplagt: Die herkömmlichen chinesischen Impfstoffe erzeugen kaum Immunität gegen Omikron. Ein Booster mit Biontech würde zwar gute Abwehrkräfte erzeugen, doch das Präparat ist in China nicht erhältlich.
Die Forscher testeten AWcorna als Booster nach zwei Impfungen mit dem chinesischen Totimpfstoff. Es handelte sich noch um eine begrenzte Studie mit 300 Testpersonen. Als Vergleich diente ein Booster mit dem herkömmlichen chinesischen Impfstoff Coronavac. Das Ergebnis: 84 Prozent der Teilnehmer hatten nach dem Booster mit AWcorna brauchbare Antikörper gegen Omikron. Beim herkömmlichen chinesischen Präparat waren es nur 35 Prozent.
Dies deckt sich mit Informationen zur ersten, noch kleinen (Phase I) Studie von AWcorna am Menschen. Dort entwickelten zwischen 80 und 95 Prozent der Probanden Antikörper. Diese Zahl bezieht sich auf die Produktion irgendwelcher Antikörper, die 84 Prozent auf wirksame Antikörper gegen Omikron.
Doch auch diese Zahl wirft Fragen auf. Wenn tatsächlich 16 Prozent der Teilnehmer keine ausreichenden Antikörper gegen Omikron ausbilden, liegt das Präparat weit unter der Durchschlagskraft der Konkurrenz von Moderna und Biontech. Der Wirkstoff aus Mainz führt schon bei der ersten Dosis bei praktisch allen Probanden zur Ausbildung von Antikörpern. Beim Booster ist der Effekt noch deutlich ausgeprägter.
Die geringe Transparenz des Herstellers ist bedauerlich, liegt aber möglicherweise in der geschäftlichen Grundeinstellung eines militärnahen chinesischen Unternehmens begründet. Alle Instinkte stehen dort vermutlich auf Geheimhaltung, anders als bei Biontech, das als europäische Aktiengesellschaft sogar verpflichtet ist, laufend Daten und Informationen zu publizieren.
Nun ist völlig unklar, wann das Präparat in China in die Massenproduktion geht. Vor einem Jahr gab es bereits einen falschen Alarm in der Global Times: Der Herstellungsbeginn stehe unmittelbar bevor. Seitdem ist jedoch nichts Sichtbares passiert, bis überraschend die Zulassung aus Indonesien kam.
Indonesien ist ein enger Verbündeter Chinas und wichtiger Teil der Seidenstraßen-Initiative. Es war einer der ersten Empfänger chinesischer Impfstoffe nach Ausbruch der Pandemie. Es lässt sich spekulieren, dass es ein Freundschaftsdienst war, den Impfstoff dort zuzulassen. Der Schachzug wirft aber auch Fragen auf. Warum verkündet China nicht triumphal im eigenen Land die Leistung, eine der komplexesten Biotechnologien unserer Zeit gemeistert zu haben?
Die prompte Verschiffung der Substanz nach Indonesien wertet den PR-Coup ein gutes Stück ab. Dabei hätte China sich damit brüsten können, aus eigener Kraft geschafft zu haben, was eigentlich durch Techniktransfer hätte zustande kommen sollen. Die Behörden hatten sowohl Biontech als auch Moderna gedrängt, die Methoden zur Nutzbarmachung von mRNA mit China zu teilen. Das war Voraussetzung für den Markteintritt – und die Weigerung der westlichen Firmen war wohl einer der Gründe dafür, dass sie bis heute außen vor stehen.
Es bleibt das Gefühl, dass mRNA-Impfstoffe in China bisher nur eine B-Strategie sind, während ihre Anwendung im Westen die Hauptlinie der Verteidigung gegen das Virus ist. Chinas große A-Strategie ist dagegen Xi Jinpings Null-Covid-Politik, von der die Propaganda nur Siege berichtet. Eine Durchseuchung unter Geimpften, wie sie in Europa und den USA stattgefunden hat, wäre in China schwerer zu vermitteln. Die Partei hat sich schließlich jetzt schon jahrelang den völligen Schutz der Bevölkerung vor dem Virus auf die Fahnen geschrieben.
Es kann also gut sein, dass auch die Verfügbarkeit von AWcorna keinen Einstieg in den Ausstieg aus Null-Covid bedeutet. Vielleicht fällt es der Führung auch schwer, sich von dem ungeahnten Maß an Kontrolle über die Bevölkerung ohne Weiteres wieder zu verabschieden. Die Übergangsphase wird auf jeden Fall lang bleiben (China.Table berichtete). Auch mRNA-Impfungen bieten bekanntlich keinen Schutz vor Infektionen.
11.10.2022, 18:00 Uhr (0:00 Uhr Beijing time)
Konrad-Adenauer-Stiftung, Webinar: Diplomatische Beziehungen Deutschland – China: Rückschau und Perspektiven Mehr
11.10.2022, 20:00 Uhr (02:00 pm US-Ostküstenzeit)
Center for Strategic & International Studies, Webinar: Why Taiwan Matters – From an Economic Perspective Mehr
12.10.2022, 18:00 Uhr (12:00 pm US-Ostküstenzeit)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: How China’s Catastrophic Success, US Strategic Blunders Fueled Rivalry Mehr
13.10.2022, 22:30 Uhr (04:30 pm US-Ostküstenzeit)
Fairbank Center for Chinese Studies, Webinar: Panel Discussion – What Does China’s Rise Mean for the United States? Mehr
13.10.2022, 18:00 Uhr
Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen, Vortrag: Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen im Licht des sich verändernden globalen Geschäftsumfelds Mehr
13.10.2022, 18:00 Uhr
Konfuzius-Institut Bonn, Diskussionsveranstaltung: Partnerschaft und Wettbewerb – 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen China und Deutschland Mehr
14.10.2022, 9:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing time)
China-Team GmbH, Live-Event und Webinar: eCar production – resilient Supply Chain with China Mehr
Der UN-Menschenrechtsrat in Genf hat eine Debatte über die Menschenrechtslage in Xinjiang abgelehnt. Damit verwarf das Gremium am Donnerstag den Vorschlag Großbritanniens, der Türkei, der USA und anderer vornehmlich westlicher Länder, im nächsten Jahr eine Debatte über Menschenrechtsverletzungen Chinas gegenüber muslimischen Uiguren und anderen ethnischen Minderheiten in Chinas westlicher Region Xinjiang abzuhalten (China.Table berichtete).
Das Ergebnis war denkbar knapp: 19 Staaten stimmten gegen den Antrag, 17 dafür, bei satten elf Enthaltungen. Die einfache Mehrheit reichte aus. Es wäre die erste formale Entscheidung überhaupt gegen China im Menschenrechtsrat in dessen Geschichte gewesen. Es ging bei der Beschlussvorlage letztlich um Konsequenzen aus dem vor gut einem Monat veröffentlichten Xinjiang-Bericht des Hochkommissariats. Fernziel war, einen Sonderberichterstatter für die Volksrepublik zu installieren.
Eine Debatte darüber zu führen, ist nun erst einmal gescheitert. Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses gab es im vollbesetzten Genfer Ratssaal einen ungewöhnlichen Beifallssturm. Chinas Botschafter beim Rat, Chen Xu, hatte kurz vor der Abstimmung gewarnt, dass der Antrag eine “gefährliche Abkürzung” (“shortcut”) für die Prüfung der Menschenrechtslage in anderen Ländern darstellen würde. “Heute ist China das Ziel. Morgen wird jedes andere Entwicklungsland ins Visier genommen werden”, sagte Chen. Das Narrativ ist klar: China stellt sich bei Einmischung des Westens in ihre Angelegenheiten schützend vor die Entwicklungsländer.
Anders sehen das naturgemäß die Initiatoren des Vorschlages. Angesichts der Schwere der Vorwürfe gegen China wäre es wichtig gewesen, Mitgliedern der Vereinten Nationen die Möglichkeit zu einer eingehenden Prüfung zu geben”, sagte Simon Manley, Botschafter Großbritanniens beim Menschenrechtsrat. “Chinas Versuche, eine Debatte zu ersticken und die Wahrheit zu verschleiern, werden keinen Erfolg haben.” Manley drehte das Ergebnis zudem um. Die Zustimmung der 17 Staaten zeige, “dass eine bedeutsame Zahl Staaten nicht zum Schweigen gebracht werden kann, wenn es um eklatante Verstöße gegen die Menschenrechte geht – egal wo und von wem diese begangen werden.”
China sicherte sich bei der Abstimmung die Nein-Stimmen seiner üblichen Verbündeten, darunter viele afrikanische Länder sowie die Golfstaaten Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Somalia stimmte als einziges afrikanisches Land und einziges Mitglied der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) mit “Ja”. Das teilweise westlich orientierte OIC-Mitglied Türkei, wo auch viele geflüchtete Uiguren leben, hat derzeit keinen Sitz im Rat. Argentinien, Brasilien, Indien, Malaysia, Mexiko und – interessanterweise – die Ukraine waren unter den Ländern, die sich der Stimme enthielten.
Beobachter werteten die Ablehnung laut Reuters dagegen als Rückschlag für die Bemühungen um Rechenschaftspflicht sowie für die moralische Autorität des Westens beim Thema Menschenrechte. Vor allem auch, weil es erst das zweite Mal in der 16-jährigen Geschichte des UN-Menschenrechtsrates war, dass ein Antrag abgelehnt wurde. Das sagt eine Menge aus über den wachsenden Einfluss Chinas bei den Vereinten Nationen. Peking gelingt es immer öfter, Staaten auf seine Seite zu ziehen, vor allem Entwicklungsländer.
Der Abstimmung war ein tagelanges zähes Ringen bis kurz vor der Sitzung vorausgegangen. Diplomaten hatten kurz vor der Abstimmung ein enges Ergebnis vorhergesagt. Die Nachrichtenagentur Associated Press hatte vorab anonym den Botschafter eines Entwicklungslandes mit Sitz im Menschenrechtsrat mit den Worten zitiert, er erwarte erst am Morgen vor der Abstimmung eine E-Mail aus seiner Hauptstadt mit der Anweisung, wie er abzustimmen habe. ck
Einwohner von Xinjiang dürfen die Provinz nach Medienberichten wegen eines Corona-Ausbruchs auf unbestimmte Zeit nicht verlassen. Am Dienstag wurden demnach insgesamt 38 asymptomatische Fälle festgestellt. In der Region im Westen Chinas leben 22 Millionen Menschen, viele von ihnen gehören Minderheiten wie den Uiguren an. Die Reisebeschränkungen in Xinjiang folgen auf einen wochenlangen, strikten Lockdown in einigen Teilen Xinjiangs, der unter anderem zu massiven Problemen mit der Lebensmittelversorgung geführt hatte.
Kontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen wurden hochgefahren. Zug- und Bus-Verbindungen in andere Provinzen wurden ausgesetzt, ebenso die meisten Flüge. Bis wann die Restriktionen gelten, gaben die Behörden nicht bekannt. Betroffen sind auch Touristen, die zur goldenen Woche in die Region gereist sind.
Am Tag zuvor war der Flughafen von Xishuangbanna, Yunnan, von bewaffneten Polizisten in einen Lockdown versetzt worden. Reisende wurden festgehalten und äußerten zum Teil lautstarken Protest, wie in Videos in den sozialen Medien zu sehen war.
Am 16. Oktober beginnt in Beijing der Parteitag der Kommunistischen Partei. Vor großen politischen Ereignissen sind die Sicherheitsvorkehrungen in China besonders hoch. In diesem Jahr spielt die strikte Vermeidung von Coronavirus-Ausbrüchen zusätzlich eine große Rolle. Aber auch soziale oder politische Proteste in der Hauptstadt will die Partei zu dieser Zeit unbedingt verhindern. jul
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Land Polen wegen der geplanten Auslieferung eines Häftlings nach China zur Zahlung einer Entschädigung verdonnert. Dem taiwanischen Staatsbürger Hung Tao Liu drohe in China unter anderem Folter, teilte das Gericht am Donnerstag in Straßburg mit.
Der Mann wurde ursprünglich wegen Telekommunikationsbetrugs von Interpol gesucht und vor fünf Jahren in Polen verhaftet. China forderte seitdem die Auslieferung. Einen Asylantrag lehnten die Behörden ab. Im Jahr 2018 entschied ein Gericht in Warschau, dass die Auslieferung des Taiwaners nach China rechtskonform sei. China habe versichert, seine Rechte ausreichend zu schützen.
Die Richter in Straßburg stellten dagegen fest, dass die Lage in chinesischen Gefängnissen mit einer “allgemeinen Situation der Gewalt” gleichzusetzen sei. Basis dafür sind UN-Berichte über Folter in China. Die polnischen Gerichte hätten die Risiken für den Häftling nach einer Abschiebung sorgfältiger bewerten müssen. Polen muss dem Mann nun für die bereits überlange Haft insgesamt 18.000 Euro zahlen. fin
Die chinesische Währung hat diese Woche zum ersten Mal an der Moskauer Börse den Handel mit US-Dollar übertroffen und wurde zur meistgehandelten Fremdwährung. Am Montag wurden insgesamt 64.900 Yuan-Rubel-Transaktionen abgeschlossen. Das Handelsvolumen erreichte nach Angaben der Moscow Exchange Group 70 Milliarden Rubel (rund 1,2 Milliarden US-Dollar). Der Handel von Papieren in US-Dollar belief sich hingegen nur auf ein Volumen in Höhe von 68,2 Milliarden Rubel.
Angesichts der westlichen Sanktionen wegen Putins Krieg gegen die Ukraine versucht Russland den Dollar aus dem Handelsgeschäft mit anderen Ländern zu verdrängen. Die russische Zentralbank kündigte erst im September an, seine Devisenreserven zu diversifizieren und in großem Umfang Währungen “befreundeter Staaten” aufzukaufen. Der größte Teil der Käufe soll dabei auf den chinesischen Yuan entfallen.
Russlands Yuan-Reserven machten zu Jahresbeginn rund 17 Prozent der Devisenbestände aus. Sie sollen den Plänen zufolge von umgerechnet 100 Milliarden Dollar auf 180 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Im Gegenzug sollen die Währungen der G7-Staaten schrittweise aus den eigenen Devisenreserven entfernt werden. Der russische Gazprom-Konzern hat zudem ebenfalls im September bekannt gegeben, dass Zahlungen für Gaslieferungen an China künftig in Yuan und Rubel statt in Dollar erfolgen sollen. flee
Das amerikanische Verteidigungsministerium hat mehr als ein Dutzend chinesische Unternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt. Das berichtet die South China Morning Post. Betroffen sind demnach unter anderem der bekannte Drohnenhersteller DJI, Chinas größtes Genforschungsunternehmen BGI Genomics und die China State Construction Group. Die Behörde vermutet bei den Unternehmen Verbindungen zum chinesischen Militär.
Die schwarze Liste wurde bereits letztes Jahr herausgegeben. Sie ist Grundlage für Restriktionen des US-Wirtschaftsministeriums. Dazu kann auch das Verbot für amerikanische Unternehmen gehören, in die chinesischen Konzerne zu investieren. Auf der Liste steht bereits Huawei.
Das Pentagon vermutet, dass China versucht, seine Armee mithilfe von nur scheinbar zivilen Unternehmen zu modernisieren. Diese ermöglichen den Zugang zu fortschrittlichen Technologien. Wirtschaftsbeziehungen mit diesen Unternehmen könnten letztlich zur Modernisierung und zum Wachstum des chinesischen Militärs beitragen, so das Pentagon.
DJI ist Weltmarktführer im Bereich ziviler Drohnen (China.Table berichtete). DJI-Drohnen sind auf dem Endverbraucher-Markt ebenso wie im Profibereich unter anderem für Filmaufnahmen beliebt. Allerdings steht auch der Vorwurf im Raum, dass sie vom russischen Militär im Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz gekommen sein könnten. DJI streitet dies ab. jul
Der große chinesische Autohersteller Great Wall Motor aus Baoding hat sich die Münchner Werbeagentur David+Martin ausgesucht, um seine Oberklasse-Marke Wey in Europa bekannt zu machen. Es gehe darum, “eine komplett neue Marke auf dem gesättigten europäischen Automarkt zu etablieren”, sagte Geschäftsführer Sven Koesling laut Pressemitteilung. Schon zur Paris Motor Show ab dem 17. Oktober soll die Agentur die Kommunikation der Marke begleiten, berichtet das Fachblatt Horizont.
Great Wall hat im vergangenen November eine Europazentrale in München eröffnet (China.Table berichtete). Ziel ist ein Markteinstieg in Deutschland mit den Elektroauto-Marken Wey und Ora (China.Table berichtete). Der SUV Wey Coffee 01 ist derzeit das Hybrid-Flaggschiff von Great Wall mit besonders hoher elektrischer Reichweite und viel Digitaltechnik. Great Wall war der erste nennenswerte private Autohersteller Chinas. Im Jahr 2021 hat das Unternehmen 1,3 Millionen Autos abgesetzt – bisher fast nur in China. fin
Ein wesentlicher Aspekt der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Chinas ist: Wer einmal dabei ist, kann nicht mehr austreten.
Die Möglichkeit, aus der Partei auszutreten, ist zwar in der Satzung der Partei verankert, aber praktisch existiert sie nicht. Der einzige Weg, die Partei zu verlassen, ist der Ausschluss. Und wenn es einmal so weit ist, hat man ein großes Problem. Das ist einer der Gründe, warum die Zahl der Parteimitglieder stetig ansteigt. Ein anderer Grund ist natürlich die wachsende Bevölkerungszahl in China.
Als weltweit größte politische Vereinigung rühmt sich die KPCh mit 97 Millionen Mitgliedern, was ungefähr der gesamten Bevölkerung von Deutschland, Österreich und der Schweiz entspricht. Wie viele davon tatsächlich an den Kommunismus glauben, lässt sich dagegen unmöglich sagen. Aber diese Zahl dürfte nahezu bei null liegen.
In China – wie auch in anderen Teilen der Welt – ist der Kommunismus als Ideologie bankrott. Obwohl die Partei immer noch den Stempel des Kommunismus trägt, entfernt sie sich nicht nur von der klassischen kommunistischen Zukunftsvision, sondern auch von den grundlegenden Doktrinen des Marxismus, wie etwa der Analyse der Beziehungen zwischen Kapital und Arbeitern.
Vielmehr entwickeln die Spitzenpolitiker und hochrangigen Apparatschiks laufend neue Konzepte und Theorien, wie zuletzt den “Chinesischen Traum” und “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter”. Im Mittelpunkt des stetig wachsenden Flickenteppichs von Jargons stehen folgende Aspekte: Die Aufgabe der KP China ist es,
Jedes Parteimitglied vermag Slogans zu diesen Zielen oder Abwandlungen davon zu skandieren. Einige sind sogar in der Lage, lange Vorträge darüber zu halten. Aber die Zahl derjenigen, die der Partei aufrichtig aus diesen Gründen beitreten, ist äußerst gering.
Infolge der zügellosen Korruption und der chronischen sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeit herrscht nahezu im gesamten Land blanker Zynismus. Die Menschen verfolgen ausschließlich ihre Eigeninteressen.
Obwohl es der KPCh an überzeugenden, inspirierenden politischen Ideen mangelt, hat sie sich dennoch unangefochten an der Macht gehalten. Und es ist eine ungeschriebene Regel, dass die oberste Führungsriege jeder staatlichen Organisation auf allen Ebenen Mitglied der Partei sein muss. Dies gilt auch für die Armee, staatliche Unternehmen und sonstige öffentliche Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Universitäten.
Die Partei, die Staatsunternehmen und der öffentliche Sektor stehen im kommunistischen China immer an oberster Stelle. Unter Xi Jinping ist ihre Position noch stärker geworden. Wer berufliche oder persönliche Ambitionen hegt, weiß also, wohin er sich wenden muss. Eine Mitgliedschaft mag zwar keine Garantie für Macht und Geld sein, aber schaden kann sie auf jeden Fall nicht.
Wer Mitglied werden möchte, muss fachliche Kompetenz vorweisen. Am wichtigsten ist jedoch, der Parteilinie zu folgen, das heißt, sich dem Parteisprech zu bedienen und der Parteipolitik stets die Treue zu halten. Freies Denken oder das Äußern von abweichenden Gedanken ist ein absolutes Tabu. Das wahre Ich muss stets verborgen bleiben, egal, wie es auch aussehen mag.
Doch mit einem Beitritt ist es noch lange nicht getan. Die Parteikomitees aller Organisationen auf den verschiedenen Ebenen schulen ihre Mitglieder im Rahmen von Versammlungen und Studiensitzungen laufend in den neuesten Konzepten und Richtlinien. Dabei bedienen sie sich zum Beispiel Abschriften von Parteiführern und Büchern über deren Gedanken und Theorien.
Von Zeit zu Zeit werden besonders vorbildliche Parteimitglieder präsentiert, die angeblich ihre Freizeit dem Parteistudium widmen. Das interessanteste Beispiel war ein junges Paar, das 2016 in seiner Hochzeitsnacht die Parteisatzung abschrieb.
Die Partei betreibt zudem Parteischulen auf Zentral-, Provinz- und Kreisebene. Parteifunktionäre der oberen und mittleren Ränge müssen alle paar Jahre abwechselnd eine Vollzeitschulung über Parteipolitik absolvieren. Die Kurse können dabei bis zu 4 Monate dauern (und sind übrigens eine großartige Gelegenheit zum Knüpfen von Kontakten).
Im Zeitalter der Neuen Medien hat die Partei mit dem technischen Fortschritt bestens Schritt gehalten. Sie hat eine eigene Internetseite und eine ausgefeilte App zur Bildung ihrer Mitglieder entwickelt. Sie heißen auf Chinesisch “Xuexi Qiangguo”, was wörtlich übersetzt “studiere und stärke die Nation” bedeutet. Dort haben Mitglieder auch die Möglichkeit, sich anhand von Quizfragen selbst zu testen. Typische Fragen lauten etwa: “Was sind die wichtigsten Punkte von Xi Jinpings Gedanken zur Diplomatie?” Oder: “Welche Strafe erhält ein Mitglied, wenn es unbegründete Kritik an der zentralen Führung der Partei übt?”
In einer Bildungskampagne haben zahlreiche Parteigremien festgelegt, wie viel Zeit ihre Mitglieder auf der Website oder in der App verbringen müssen. Ausschussvorsitzende oder Mandatsträger haben die Möglichkeit, dies zu überprüfen.
Sämtliche Bildungsmaßnahmen dienen in gewisser Weise der Gehirnwäsche. Es handelt sich um Rituale, die die Treue zur Partei fördern sollen. Das größte aller Rituale ist der große Parteikongress, der einmal alle fünf Jahre stattfindet.
Hin und wieder gehen einige Bildungsinitiativen nach hinten los. Auf dem letzten Parteitag 2017 rief Xi die Mitglieder dazu auf, “das ursprüngliche Herz nicht zu vergessen und die Mission fest im Gedächtnis zu behalten”. Kurz darauf wurde eine Bildungsinitiative mit diesem Zitat als Thema gestartet. Als Lernmaterial diente der im selben Jahr erschienene deutsche Film “Der junge Karl Marx”, der das Leben von Marx zwischen 1843 und 1848 zeigt. Parteimitglieder und Regierungsangestellte wurden aufgerufen, sich den Film während der Arbeitszeit in Kinos anzuschauen.
Es scheint keine schlechte Idee zu sein, dass eine kommunistische Partei Marx als ihr “ursprüngliches Herz” aufgreift.
Unglücklicherweise wurde dabei übersehen, dass ein zentrales Thema, mit dem sich Marx befasste, das durch kapitalistische Ausbeutung verursachte Elend der Arbeiter war. Etwas, das zufälligerweise im heutigen China lautstark Anklang fand.
Selbstverständlich hatten die Studenten der renommierten Peking-Universität eine unabhängige Gesellschaft für Marxismus gegründet. Einige von ihnen schlossen sich den Arbeitern in Peking und Shenzhen an, um für die Rechte der Arbeiter zu demonstrieren, was wiederum zu einem harten Durchgreifen der Regierung in Peking führte.
Damit wurde den Partei- und Regierungsfunktionären klar, dass ein grundlegender Bestandteil des Marxismus sehr gefährlich ist. So ist das Lied “Die Internationale”, die Hymne der sozialistischen Arbeiterbewegung, die die Unterdrückten auffordert, sich zum Kampf zu erheben, in China inzwischen praktisch verboten. Wer das Lied laut und öffentlich singt, sei es als Einzelner oder in einer Gruppe, riskiert die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu ziehen und verhaftet zu werden.
Die marxistischen Lehren, auf die sich die Partei nach wie vor bequem berufen kann, sind das Volkseigentum und die Diktatur des Proletariats, mit denen die Partei ihr Macht- und Wirtschaftsmonopol begründet.
Jörg Storm ist für Mercedes-Benz aus China zurückgekehrt. Er war dort am Standort Beijing CIO Mercedes-Benz Taiwan & Hongkong sowie Director IT Service & Parts. Heute ist er Global Head IT Infrastructure in Stuttgart.
Li Quan ist jetzt bei New China Life Insurance nicht nur CEO, sondern auch Chairman. Sein Vorgänger Xu Zhibin hatte seinen Rücktritt erklärt. Li arbeitet seit 2010 für New China Life und hat 34 Jahre Erfahrung in der Versicherungsbranche.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!
Goldener Oktober, farbenfrohe Ernte: Diese Touristen hat es in das Dorf Duanzhuang in der nordchinesischen Provinz Hebei gezogen. Die erste Oktoberwoche ist in China Reisezeit. Eine gute Gelegenheit, um das Profil auf den sozialen Medien mit neuen Bildern zu bestücken.