eines der meistgenutzten Schlagworte im Gespräch um den Außenhandel ist derzeit “Decoupling”. Eine Entflechtung der Volkswirtschaften ist gerade nach den Lieferketten-Schocks der vergangenen Jahre ein Ziel vieler Wirtschaftspolitiker – auch in Deutschland. Für die USA kommt noch die Rivalität mit China hinzu. Die Hoffnung in Washington lautet wohl, der neuen Großmacht nicht länger durch Handel und Technik-Lieferungen beim Aufstieg zu helfen.
Das Vorhaben, China zu bremsen, scheitert derzeit jedoch gründlich, analysiert Frank Sieren. Denn Chinas Wirtschaft selbst ist alles andere als entkoppelt vom Welthandel. Im Gegenteil. Das Land handelt so eifrig wie nie zuvor. Mit wem? Mit Partnern entlang der Seidenstraße und in asiatischen Nachbarländern.
Chinas internationaler Aufstieg geht mit einer Zunahme des Wohlstands im Inland einher. Doch die Zuwächse sind ungleichmäßig verteilt. Das wurde der Öffentlichkeit der Hauptstadt Peking in diesen Tagen allzu deutlich vor Augen geführt. Denn in China wurden alle Schritte einiger Corona-Infizierten im Netz öffentlich gemacht. Die ersten zwei Bewegungsprofile des neuen Jahres könnten unterschiedlicher nicht sein: Eines gehörte einer dekadenten Luxus-Shopperin, das andere einem Tagelöhner, der sich mit schmutzigen und anstrengenden Jobs durchschlägt. Gleichgültig, wie viel Wahrheit in der Darstellung dieser Fälle steckt: Die Hauptstadt des kommunistischen China hat nun ihre Diskussion über den Abgrund zwischen Arm und Reich, schreibt Fabian Kretschmer.
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Man muss kein chinesischer Kommunist sein, um den wachsenden Wunsch Chinas nach mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit vom Westen zu verstehen. Das ist nicht erst seit Pekings Erfahrungen mit Donald Trump so. Trump hat Peking jedoch endgültig gezeigt, wie der Machtkampf zwischen dem Westen und China aussehen kann: Die etablierte Weltmacht versucht, die aufsteigende Weltmacht auszubremsen.
Dass Trump damit den Trend zu mehr Eigenständigkeit Pekings noch verstärkt hat, ist nicht verwunderlich. Trumps kurzsichtige Politik hat damit zum Schaden der USA gewirkt, statt sie wieder “great” zu machen. Einer der nachhaltigsten Belege dafür ergibt sich aus den aktuellen Handelszahlen: Peking kauft relativ gesehen weniger im Westen als in den vergangenen Jahrzehnten und orientiert sich stattdessen nach Asien.
Im Jahr 2021 führten die Chinesen ein Viertel mehr in die USA aus, als sie US-amerikanische Produkte einführten. Das Handelsbilanzdefizit der USA mit China ist mit 676 Milliarden US-Dollar so hoch wie nie (China.Table berichtete). Noch deutlicher ist die Bewegung aber auch hinsichtlich der EU. China verkauft sogar 57 Prozent mehr Produkte nach Europa, als es Güter in Europa einkauft.
Dass China weniger im Westen einkauft, kann man durchaus als Rückzugsbewegung bezeichnen. Diese Rückzugsbewegung Chinas in einem Teil der Welt entspricht einer Öffnungsbewegung in anderen Teilen. Kurz, China kauft nicht weniger, sondern nun woanders ein. Und zwar bei politisch dankbareren und wohl auch verlässlicheren Lieferanten.
Die Importe aus den ASEAN-Staaten, inzwischen vor der EU die größten Handelspartner Chinas, stiegen 2021 um über 22 Prozent an. Und selbst aus Australien, mit dem China in einem erbitterten politischen Streit liegt (China.Table berichtete), steigen sie um fast 20 Prozent. Auch die Importe aus den Ländern der “Belt and Road”-Initiative (BRI, die Neue Seidenstraße) legen zu. Selbst der Handel mit Indien, das weder Teil der Regional Comprehensive Economic Partnership RCEP noch der BRI ist, hat trotz der ernsten politischen Spannungen zugelegt. Der Seidenstraßen-Handel ist 2021 um mehr als 45 Prozent gestiegen und hat erstmals die Marke von 100 Milliarden US-Dollar geknackt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, wie viel China in Indien kauft. Bei den Importen wurde ein Wachstum von gut 38 Prozent verzeichnet.
Was mit Chinas Handel geschieht, ist also kein “Decoupling”, keine “Entkopplung” vom Westen. Sondern es handelt sich um eine Diversifizierung in Richtung Asien und Afrika. Im Zuge dieser Diversifizierung verschränkt sich das Land mehr denn je mit der Welt. Im Jahr 2021 hat Chinas Handel die Schwelle von sechs Billionen US-Dollar überschritten. Die Exporte und Importe sind um rund 30 Prozent gewachsen.
Das alles spricht gegen die These von der fortschreitenden Entkopplung. Ohne die Halbleiterknappheit, Stromausfälle und geschlossenen Häfen wegen Corona-Fällen wäre der Wert womöglich noch höher.
Der wichtigste Trend ist allerdings Pekings Öffnung in Richtung Asien. Diese Bewegung wird sich noch verstärken, wenn man bedenkt, dass China erst ein Pro-Kopf-Einkommen auf dem Niveau von Rumänien hat. Seit dem 1. Januar 2022 ist mit der RCEP die größte Freihandelszone der Welt aktiv. Ganz Asien inklusive Australien ist hier beteiligt (China.Table berichtete). Nur Indien zögert noch, hat die Tür aber nicht zugeschlagen.
Das Ziel ist es, einen asiatischen Binnenmarkt aufzubauen – ohne die Hilfe oder Vermittlung des Westens und durchaus mit dem gemeinsamen Ziel einer geringeren Abhängigkeit vom Westen. Einmalig an dieser Freihandelszone ist nicht nur ihre schiere Größe mit rund 30 Prozent der Weltbevölkerung und rund 30 Prozent des globalen BIP, sondern vor allem auch ihre Vielfalt. Noch nie in der Weltgeschichte haben sich so viele Länder mit so unterschiedlichem Entwicklungsstand, so unterschiedlicher Größe, so unterschiedlichen politischen Systemen und so verschiedenen Religionen zu einem Binnenmarkt zusammengeschlossen.
Ein einmaliges Labor der Öffnung und Kooperation in der Globalisierung ist entstanden. Ein Labor, das von China initiiert, angeführt und über acht Jahre hinweg mit großer Ausdauer und Zähigkeit ausgehandelt wurde, wobei durchaus schmerzhafte Kompromisse nötig waren, um die Unterschriften von 15 Ländern unter den Vertrag zu bekommen. Es wird sicherlich nicht einfach, RCEP stabil werden zu lassen, wie man schon an der Entwicklung der EU sieht. Andererseits stehen die Chancen gut, dass die beteiligten Länder sich pragmatisch zusammenraufen.
Hinzu kommt: Vieles an der Politik Pekings, das im Westen als ideologisch motivierter Rückzug wahrgenommen wird, ist eigentlich ein normales Verhalten großer aufsteigender Volkswirtschaften. Dazu gehört zum Beispiel die Tendenz, dass jedes große Land einen möglichst hohen Anteil seines wirtschaftlichen Wachstums im eigenen Land generieren will, weil es dadurch weniger abhängig vom Auf und Ab internationaler Machtkämpfe ist.
Wenn Chinas Politik also beschließt, den Binnenkonsum zu stärken, ist das noch lange kein “Decoupling” und schon gar keine Rückkehr zu Mao, sondern eine Entwicklung, die auch die US-Amerikaner vor einigen Jahrzehnten vollzogen haben und der auch Deutschland gerne folgen möchte. Allerdings hat Deutschland dafür eine zu kleine Bevölkerung, weswegen gut 40 Prozent der deutschen Wirtschaft weiterhin von Exporten abhängt.
Tatsächlich ist China beim Thema Binnenkonsum gut vorangekommen. Lag der Anteil 2020 noch bei 54 Prozent, liegt er nun bei gut über 60 Prozent. Einen Wert, den China schon mal im Jahr 2000 erreicht hatte, der aber dann durch einen großen Handelsaufschwung mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation 2001 wieder schrumpfte. Dennoch ist im Vergleich zu den USA noch Luft nach oben. In den USA liegt er bei knapp 70 Prozent.
Wie in kaum einer anderen chinesischen Stadt prallen in Peking dekadenter Reichtum und bittere Armut so krass aufeinander: Im Ausgehviertel Sanlitun fahren die Söhne von Parteibonzen ihre knallbunten Ferraris spazieren, während an den Straßenecken greise Frauen in zerlumpter Kleidung um Almosen bitten. In den glitzernden Einkaufszentren führen die Kundinnen Designer-Taschen aus, die den Jahresverdienst der Rezeptionisten am Eingang um ein Vielfaches übersteigen. Die Ungleichheit ist deutlich sichtbar, und doch wird sie von den Hauptstadtbewohnern selten thematisiert oder gar kritisiert.
Ausgerechnet die ersten zwei Coronavirus-Infektionen des neuen Jahres haben nun die überfällige Debatte ausgelöst, wie sich der Sozialismus mit dieser Ungleichheit verträgt. Auslöser der Diskussion war die Veröffentlichung der Bewegungsprofile zweier sehr unterschiedlicher Pekinger Bürger.
Das erste der Bewegungsprofile gehört zu einer Frau aus dem gehobenen Haidian-Bezirk, wo die renommiertesten Schulen der Stadt angesiedelt und die Wohnungspreise dadurch überhitzt sind. Ihre Tage glichen einem Marathonlauf zwischen Nobel-Restaurants und Designer-Boutiquen. Und am Wochenende entspannte sich die Pekingerin beim Skifahren in den umliegenden Bergen.
Kaum vier Tage später veröffentlichten die Behörden dann das Bewegungsprofil eines weiteren Infizierten: Der Mann aus dem Bezirk Chaoyang hatte innerhalb der letzten 14 Tage 30 unterschiedliche Tagelöhner-Jobs angenommen. Er trug Zementsäcke, sortierte Abfälle und durchsuchte Müllhalden nach verkäuflichen Metallen. Er arbeitete stets nach Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden; sobald die ersten Pekinger eilig in ihre Büros huschten, versuchte Herr Yue in einer kleinen Abstellkammer am Stadtrand etwas Schlaf nachzuholen. Ein Zimmer, für das der Wanderarbeiter umgerechnet 100 Euro pro Monat zahlt.
Chinas Nutzer auf den sozialen Medien horchten ob der krassen Diskrepanz auf. Sie legten die Bewegungsprofile der zwei Fremden nebeneinander – und waren selbst geschockt darüber, welch unterschiedliche Lebensrealitäten in ihrer Heimat gleichzeitig nebenher existieren.
Die lokalen Medien machten den 44-jährigen Mann daraufhin ausfindig – und umgehend zur viralen Sensation, der online hunderte Millionen Klicks generierte. Doch die Geschichte von Yue Zongxian wird kein Happy End haben: Der Fischer aus der Küstenprovinz Shandong zog erst vor zwei Monaten in die chinesische Hauptstadt. Dort suchte er nach seinem seit August vermissten Sohn, der zuletzt als Aushilfskoch in einem Restaurant gejobbt haben soll. Die örtliche Polizei geht davon aus, dass dieser sich das Leben genommen hat und hat Herrn Yue bereits den verwesten Körper eines jungen Mannes präsentiert. Der glaubte jedoch den Behörden nicht, dass dies tatsächlich sein Sohn gewesen sein soll. Also suchte er weiter.
Es gibt viele, viele Menschen wie Herrn Yue in China, anders als es die glitzernden Wolkenkratzer-Fassaden von Shanghai und Shenzhen vermuten lassen. Vor zwei Jahren rief Premierminister Li Keqiang in der Bevölkerung eine ernüchternde Statistik in Erinnerung: 600 Millionen Chinesen müssen nach wie vor mit weniger als 1.000 Yuan (140 Euro) pro Monat zurechtkommen. Der Gini-Koeffizient, der die soziale Ungleichheit bemisst, kommt in China auf ähnliche Werte wie in den Vereinigten Staaten.
Für die herrschende Partei, die sich nach wie vor “kommunistisch” nennt, ist dies längst zum Problem geworden. Xi Jinping wiederholt in seinen Reden derzeit kaum ein Schlagwort öfter als den “gemeinsamen Wohlstand” (Common Prosperity), der oberste Priorität genieße (China.Table berichtete). Das wirtschaftliche Wachstum soll endlich auch bei denjenigen ankommen, die bisher wenig von Chinas Aufstieg profitieren – allen voran die Landbevölkerung, die nur über rund ein Drittel des Einkommens im Vergleich zu den Großstädtern besitzt.
Die Leidensgeschichte von Yue Zongxian löste unter vielen Mitbürgern nun derartige Empathie aus, dass sie den 44-Jährigen mit virtuellen “hongbao” überhäuften. Die “roten Briefumschläge” schlug Yue allerdings allesamt aus. Er wolle keine Spendengelder aus Mitleid erhalten. Zudem, so sagte er den Medien, sei es die Verantwortung eines jeden, hart zu arbeiten und sich um seine Familie zu kümmern. Fabian Kretschmer
31.01.2022
Onlineevent/Konfuzius Institut Berlin: Chinesisches Neujahrsfest 2022 – Online-Festprogramm mit digitalem Konzert Mehr
31.01.2022, 5:00-6:30 PM London Time
Panel Discussion/SOAS London: Momentous changes in Hong Kong: Implications for Taiwan Mehr
01.02.2022, 20:00-21:00 Uhr
Hybrid-Vortrag/DAI Heidelberg: “The Elephant in the Room”: Warum wir China immer mitdenken müssen! Mehr
01.02.2022, 4:00-5:30 PM EST
Lecture/Harvard University: Contemporary Chinese Society Lecture Series featuring Ethan Michelson – Decoupling: Gender Injustice in China’s Divorce Courts Mehr
03.02.2022, 12:00-13:00 Uhr MEZ / 19:00-20:00 Uhr CST
Conversation/CNBW: Sport und Business: Im Gespräch mit Ski-Langlauf Experte Georg Zipfel und Abraham Wang Mehr
03.02.2022, 18.00-19:30 Uhr
Online-Kongress/Vereinigung Bayerischer Wirtschaft e.V.: Chinesisches Sozialkreditsystem – Unterstützung, Überwachung oder Steuerung? Mehr
03.02.2022, 10:00-11:30 Uhr
Webinar/IHK Stuttgart: ASEAN – eine Region der Chancen? Mehr
03.02.2022, 18:30 Uhr
Event/Konfuzius Institut Freiburg: Interaktives Neujahrsfest – Jahr des Tigers Mehr
04.02.2022, 20:00-21:00 Uhr
Konzert/Konfuzius Institut Heidelberg: Trommelwirbel zum Jahr des Tigers – Konzert zum chinesischen Neujahr 2022 Mehr
Die Europäische Union (EU) hat wegen der Handelsblockade gegen Litauen bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein Verfahren gegen China eingeleitet. Brüssel habe am Donnerstag in Genf einen Antrag auf Konsultation mit China vorgelegt, nachdem zahlreiche Belege für die Blockade gesammelt worden seien, teilte die EU-Kommission mit. Demnach habe die EU Beweise dafür, dass sich die Volksrepublik weigere, litauische Waren beim Zoll abzuwickeln, Einfuhranträgen aus Litauen ablehne und Druck auf Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten ausübe, litauische Zulieferer aus ihren Lieferketten zu werfen (China.Table berichtete).
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis erklärte, es sei mehrfach versucht worden, den Handelsdisput zwischen Litauen und China bilateral zu lösen. Nachdem die Versuche alle gescheitert seien, sehe man nun keinen anderen Ausweg. “Die Einleitung eines WTO-Verfahrens ist kein Schritt, den wir auf die leichte Schulter nehmen.” Er fügte hinzu, dass die EU immer noch eine “diplomatischen Lösung” mit China anstrebe. Sollte der Fall auf diese Weise gelöst werden können, würde Brüssel auch den WTO-Fall nicht weiterverfolgen, so Dombrovskis.
Die Volksrepublik hatte seit Anfang Dezember litauische Waren für den chinesischen Zoll blockiert. Ab Mitte des Monats erhöhte Peking auch den Druck auf deutsche Unternehmen mit Ausfuhren nach China, die litauische Komponenten enthalten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie befürwortete den Schritt Brüssels. “Es ist richtig, das nicht WTO-konforme Verhalten Chinas auf diesem Weg aufzuarbeiten und unsere Sichtweise damit zu unterstreichen”, teilte der Verband mit. Die willkürlich angepassten Maßnahmen der chinesischen Zollbehörde sorge auch bei deutschen Unternehmen für erhebliche Unsicherheit. “Deutsche Exporte nach China mit Zulieferprodukten aus Litauen bleiben an der Grenze stecken und erreichen selbst deutsche Joint-Venture-Betriebe in China nicht”, so der BDI.
Peking hat bisher bestritten, dass es ein Handelsembargo für litauische Waren gibt. Chinesische Unternehmen hätten eigenständig beschlossen, keine Waren aus Ländern zu kaufen, die “Chinas Souveränität angegriffen” haben. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, reagiert mit Kritik auf den Gang der EU zur WTO. Der Streit mit Litauen sei ein “politischer, kein wirtschaftlicher“, so Zhao. Die EU sei daher gar nicht zuständig, behauptet Zhao. Vilnius versuche, den Beziehungen zwischen Brüssel und Peking zu schaden.
EU-Handelskommissar Dombrovskis widersprach der chinesischen Darstellung. Er betonte, bei diesen Handelsangelegenheiten liege die Zuständigkeit durchaus in Brüssel. Der Antrag der EU ist nur der erste formelle Schritt in Richtung eines WTO-Falls, der sich über Jahre hinweg ziehen wird. China hat das Recht, die angefragten Konsultation anzunehmen oder nicht. Sollten diese abgelehnt werden, droht ein WTO-Streitbeilegungsverfahren. ari
Die Außenminister der USA und Chinas haben sich am Mittwoch einen vorhersehbaren Schlagabtausch geliefert. Wang Yi warf den Amerikanern in einem Telefonat vor, die Olympischen Spiele zu stören und forderte sie auf, jede Einmischung in Chinas Angelegenheiten zu unterlassen.
In dem Gespräch ging es zudem um die russischen Aggressionen in der Ukraine. Wang Yi sagte US-Außenminister Antony Blinken der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge, dass Russlands “legitime Sicherheitsbedenken ernst genommen und angegangen werden sollten”. Hinsichtlich der Nato sagte Wang: “Regionale Sicherheit sollte nicht durch die Stärkung oder gar Erweiterung von Militärblöcken garantiert werden.”
Nach US-Darstellung forderte Blinken China auf, seinen militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck gegen Taiwan zurückzunehmen. Auch schwankende Energiepreise waren demnach Thema des Telefonats. fin
Der Opel-Mutterkonzern Stellantis will auf dem chinesischen Markt vorankommen und übernimmt dazu die Mehrheit an seinem Joint-Venture GAC-Stellantis. Stellantis werde seinen 50-Prozent-Anteil auf 75 Prozent aufstocken, kündigte der aus Peugeot und Fiat Chrysler fusionierte Autokonzern am Donnerstag an. Die chinesische Regierung muss dem Deal noch zustimmen. Einzelheiten zu dem Plan von Stellantis für den chinesischen Markt sollen im Rahmen des globalen Strategieplans am 1. März bekannt gegeben werden.
Das heutige Gemeinschaftsunternehmen GAC-Stellantis wurde im März 2010 von Guangzhou Automobile (GAC) und Fiat gegründet. Fiat ist nach mehreren Fusionen heute Teil von Stellantis. Im Jahr 2021 hatte GAC-Stellantis bekannt gegeben, seine Produktion in China umzustrukturieren. Firmenchef Carlos Tavares kündigte damals an, die China-Strategie neu aufzustellen. Ziel sei es, die Marke Opel in China einzuführen und vollelektrische Fahrzeuge anzubieten.
Stellantis folgt damit dem Vorbild BMW: Die Münchner hatten bereits im Oktober 2018 angekündigt, die Mehrheit an ihrem Gemeinschaftsunternehmen mit Brilliance zu übernehmen. BMW wartet derzeit auf die Genehmigung der chinesischen Behörden. Die Regierung in Peking hatte damals mitgeteilt, die Vorschriften für ausländische Autofirmen zu lockern; seit Anfang des Jahres gelten die Erleichterungen.
Auch Volkswagen will beim Ausbau der Elektromobilität in China seinen Einfluss erweitern. Der weltweit zweitgrößte Autobauer hatte sich im vergangenen Jahr die Mehrheit an dem Joint Venture JAC-Anhui gesichert, nachdem die Regierung in Peking die Regeln für Auslandsbeteiligungen gelockert hatte. Dabei hatte VW bereits die Kontrolle über eines der Werke in der ostchinesischen Stadt Hefei übernommen. rtr
Hongkong reduziert die Quarantäne-Dauer bei Einreise um sieben auf 14 Tage. Die Änderung gelte ab dem 5. Februar, sagte Regierungschefin Carrie Lam. Diplomaten und die Finanzbranche hatten zuvor die Länge der Quarantäne kritisiert, sie schade dem Wettbewerb. Sie beuge sich nicht dem Druck Anderer, sagte Lam. Es habe sich gezeigt, dass Omikron eine recht kurze Inkubationszeit habe. Bislang müssen Einreisende auf eigene Kosten 21 Tage in Hotel-Quarantäne verbringen. Für welche Länder die neue Regelung gilt, gab Lam noch nicht bekannt. rtr
Die Behörden in der nordwestchinesischen Provinz Qinghai haben ein Verbot von Gruppenchats mit religiösem Hintergrund angekündigt. Entsprechender digitaler Austausch über soziale Medien soll ab dem 1. März bestraft werden, berichtet Radio Free Asia (RFA). Besonders betroffen von der Regelung sind tibetische Buddhisten. Qinghai zählt zu den größten tibetischen Siedlungsgebieten außerhalb Tibets. Rund 1,2 Millionen Tibeter leben in der Provinz.
Von dem Verbot betroffen sind demnach auch Gruppenchats, in denen lediglich Informationen zu religiösen Feiertagen oder über Pilgerfahrten verbreitet werden. Laut RFA-Quellen sei die neue Regelung am 20. Januar von der Provinzregierung verkündet worden.
Neben der tibetischen Gemeinde leben in Qinghai auch mehrere Hunderttausend Angehörige der Hui-Ethnie, die überwiegend muslimischen Glaubens sind. Qinghai ist die einzige Provinz der Volksrepublik China, die sowohl eine Grenze mit Tibet als auch mit der muslimisch geprägten Autonomen Region Xinjiang teilt. Sowohl Buddhisten als auch Muslime klagen seit Jahren über Diskriminierung und fortwährende Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Behörden (China.Table berichtete). grz
Das US-Repräsentantenhaus hat zur Stärkung des Wettbewerbs mit China und der Menschenrechte einen umfassenden Gesetzesvorschlag vorgelegt Der fast 3000 Seiten starke Entwurf mit dem Namen “America Competes Act of 2022” umfasst Milliarden US-Dollar Fördergeld für die Halbleiterindustrie der Vereinigten Staaten. Außerdem sind neue Bestimmungen zur Stärkung der US-Beziehungen zu Taiwan und dem der Quad-Allianz aus den USA, Japan, Indien und Australien enthalten. Mit rund 100 Millionen US-Dollar sollen zudem Zensur und Desinformation der chinesischen Regierung entgegengewirkt werden.
Weitere wichtige Punkte des Gesetzesvorschlags:
US-Präsident Joe Biden begrüßte die Gesetzesvorlage. “Gemeinsam haben wir die Gelegenheit, China und dem Rest der Welt zu zeigen, dass das 21. Jahrhundert das amerikanische Jahrhundert sein wird”, erklärte Biden. Die Vorlage muss nun zunächst im Repräsentantenhaus debattiert und verabschiedet werden. Danach wird sie gegebenenfalls dem Senat vorgelegt. Die zeitliche Abfolge dafür ist bisher noch nicht klar. ari
Eigentlich ist der Tiger in China ein beliebtes Tier. Die prächtige Raubkatze steht für Stärke, Vitalität, Risikobereitschaft und Abenteuer. Noch vor zwölf Jahren, als das vorige Jahr des Tigers begrüßt wurde, verbanden Millionen Chinesinnen und Chinesen das Tierkreiszeichen mit Aufbruch, Öffnung und Stärke. Das fing die Stimmung des Jahres 2010 gut ein. Es war das Jahr der Expo in Shanghai, zwei Jahre nach den erfolgreichen Olympischen Sommerspielen in Beijing, im Westen herrschten die Folgen der Finanzkrise, China hatte Oberwasser.
Tatsächlich ist China seitdem zwar stärker geworden. Doch mit der Freude gehen nun auch kompliziertere Gefühle einher, als im Tiger-Jahr 2010. Staats- und Parteichef Xi Jinping ist in der Zwischenzeit an die Regierung gekommen – und zeigt sich so stark wie lange kein chinesischer Machthaber vor ihm.
Ein Teil der Diskreditierung des Tigers hat nun unmittelbar mit seiner Politik zu tun. Xi hatte kurz nach Beginn seiner Amtszeit 2012 der Korruption den Kampf angesagt. Seitdem verwendet er exzessiv die Metapher, mit seiner umfassenden Antikorruptionskampagne nicht nur gegen “Fliegen”, sondern auch gegen “Tiger” vorzugehen. Was er damit meinte: Er werde nicht nur einfache Beamte belangen, sondern auch hochrangige Parteikader und reiche Unternehmer.
Und er hat Wort gehalten. Hunderttausende Parteimitglieder, einige schätzen gar bis zu einer Million, hat er seitdem festnehmen lassen, darunter Top-Kader wie den einst mächtigen Sicherheitschef Zhou Yongkang, der seine Macht sicherlich willkürlich ausgeübt hat und bestechlich war. Doch Xi ging auch gegen Leute vor, die ihm einfach politisch nicht passten. So ist die Freude, wenn am 1. Februar nach dem traditionellen chinesischen Mondkalender 1,5 Milliarden Chinesinnen und Chinesen weltweit das neue Jahr des Tigers begrüßen, bei einigen denn auch durchwachsen. Manche verbinden mit dem Begriff Tiger inzwischen Angst und Schrecken.
Doch auch die traditionelle Astrologie schreibt dem Tiger weiterhin zwei Seiten zu. Der Tiger ist in dem Zwölfjahreszyklus nach Ratte und Büffel die Nummer drei im Tierkreiszeichen. Wer in einem Jahr des Tigers geboren ist (also 1938, 1950, 1962, 1974, 1986, 1998 oder 2010), gilt charakterlich als durchsetzungsstark, mutig und abenteuerlustig. Tigern wird auch Spürsinn und eine Neigung dazu, sich Herausforderungen zu stellen, nachgesagt. Eigenschaften also, die mit einem echten Tiger in Verbindung gebracht werden. Tiger gelten aber auch als angriffslustig, aufbrausend, launisch und unberechenbar. Zudem sind Tiger Einzelgänger. Angenehme Zeitgenosse sind “Tiger” also an und für sich nicht. Turbulent, gar wild könnte auch das Tiger-Jahr werden. Das verspricht kein gutes Jahr – gäbe es nicht das Zusatzelement.
Denn jedes Tierkreiszeichen wird mit einem der fünf Elemente verbunden: Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde. Das Jahr 2022 trifft auf das Element Wasser. Und Wasser besänftigt. Es macht die Übergänge zwischen den Ereignissen fließend und harmonisch. Wasser ist zudem flexibel, nicht allzu emotional geprägt, und es reinigt. Das Element Wasser besänftigt den Tiger also gewissermaßen.
An und für sich würde 2022 ein Jahr von Konflikten, womöglich gar Kriegen werden, sagt der Hongkonger Feng-Shui-Meister Raymond Lo, einer von weltweit fünf Astrologen, die von der Internationalen Feng Shui Association (IFSA) den Titel “Großer Meister” verliehen bekam. “Aber es scheint, dass das Jahr des Wassertigers positiv und produktiver werden wird.” Das Bedürfnis nach “einem heilenden Jahr nach der katastrophalen Covid-19-Pandemie der vorangegangenen zwei Jahre” sei groß, sagt Lo. Wird die Ukraine-Krise also womöglich doch noch in friedlichen Bahnen enden? Und könnte der Taiwan-Konflikt 2022 an Schärfe verlieren? Zu hoffen wäre es ja.
Menschen, die in einem Tiger-Jahr geboren sind, können 2022 wichtige Projekte vorantreiben. Das Jahr des Tigers verlangt ihnen zwar viel Anstrengungen ab, diese werden aber entsprechend belohnt. Wer sich etwa im Beruf verändern möchte, hat 2022 gute Voraussetzungen dafür.
Aber auch für andere Tierkreiszeichen ist es den Astrologen zufolge ratsam, sich an die Glücksbringer zu halten, die das Tierkreiszeichen des Tigers mit sich bringt. Farben, die im Tigerjahr Glück versprechen, sind Blau, Grau, Weiß und Orange.
Und die Tiger selbst? Das eigene Jahr des Tierkreiszeichens ist keineswegs ein Glücksjahr. Im sogenannten Benming-Nian 本命年 könnte sich der chinesischen Astrologie zufolge der Gott des Alters beleidigt fühlen. Um Unglück abzuwehren, sollten daher alle, auf denen ihr Tierjahr fällt, das ganze Jahr über etwas Rotes am Leibe tragen. Viele in China tragen deswegen ein rotes Bändchen ums Handgelenk. Eine rote Unterhose tut’s auch.
Jean-Alexandre Delbecq ist zum Director of Continuous Improvement bei NOK-Freudenberg Group China befördert worden. Der studierte Mathematiker ist seit 2018 für das deutsch-japanische Unternehmen in Shanghai als Abteilungsleiter für Anwendungstechnik und Unternehmensqualität tätig.
Laurin Riekehof ist bei Stiebel Eletron Tianjin zum Direktor für Aftersales in China aufgestiegen. Riekehof hat zuvor in China für den Hersteller für Wärmepumpen und Lüftung als Head of Technical Planning gearbeitet.
Gleich zwei kleine Tiger hat der Guangzhou Safari Park präsentiert. Die weißen Zwillingstiger Meilang und Meimei sind erst vor gut einem Monat auf die Welt gekommen und wurden nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Rechtzeitig zum Jahr des Tigers, dessen Beginn kommende Woche in China gefeiert wird. Für die beiden kleinen Raubkatzen beginnt das allerdings zu spät: Die beiden äußerst seltenen Tiger sind im chinesischen Sternzeichen noch als Ochsen geboren.
eines der meistgenutzten Schlagworte im Gespräch um den Außenhandel ist derzeit “Decoupling”. Eine Entflechtung der Volkswirtschaften ist gerade nach den Lieferketten-Schocks der vergangenen Jahre ein Ziel vieler Wirtschaftspolitiker – auch in Deutschland. Für die USA kommt noch die Rivalität mit China hinzu. Die Hoffnung in Washington lautet wohl, der neuen Großmacht nicht länger durch Handel und Technik-Lieferungen beim Aufstieg zu helfen.
Das Vorhaben, China zu bremsen, scheitert derzeit jedoch gründlich, analysiert Frank Sieren. Denn Chinas Wirtschaft selbst ist alles andere als entkoppelt vom Welthandel. Im Gegenteil. Das Land handelt so eifrig wie nie zuvor. Mit wem? Mit Partnern entlang der Seidenstraße und in asiatischen Nachbarländern.
Chinas internationaler Aufstieg geht mit einer Zunahme des Wohlstands im Inland einher. Doch die Zuwächse sind ungleichmäßig verteilt. Das wurde der Öffentlichkeit der Hauptstadt Peking in diesen Tagen allzu deutlich vor Augen geführt. Denn in China wurden alle Schritte einiger Corona-Infizierten im Netz öffentlich gemacht. Die ersten zwei Bewegungsprofile des neuen Jahres könnten unterschiedlicher nicht sein: Eines gehörte einer dekadenten Luxus-Shopperin, das andere einem Tagelöhner, der sich mit schmutzigen und anstrengenden Jobs durchschlägt. Gleichgültig, wie viel Wahrheit in der Darstellung dieser Fälle steckt: Die Hauptstadt des kommunistischen China hat nun ihre Diskussion über den Abgrund zwischen Arm und Reich, schreibt Fabian Kretschmer.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Man muss kein chinesischer Kommunist sein, um den wachsenden Wunsch Chinas nach mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit vom Westen zu verstehen. Das ist nicht erst seit Pekings Erfahrungen mit Donald Trump so. Trump hat Peking jedoch endgültig gezeigt, wie der Machtkampf zwischen dem Westen und China aussehen kann: Die etablierte Weltmacht versucht, die aufsteigende Weltmacht auszubremsen.
Dass Trump damit den Trend zu mehr Eigenständigkeit Pekings noch verstärkt hat, ist nicht verwunderlich. Trumps kurzsichtige Politik hat damit zum Schaden der USA gewirkt, statt sie wieder “great” zu machen. Einer der nachhaltigsten Belege dafür ergibt sich aus den aktuellen Handelszahlen: Peking kauft relativ gesehen weniger im Westen als in den vergangenen Jahrzehnten und orientiert sich stattdessen nach Asien.
Im Jahr 2021 führten die Chinesen ein Viertel mehr in die USA aus, als sie US-amerikanische Produkte einführten. Das Handelsbilanzdefizit der USA mit China ist mit 676 Milliarden US-Dollar so hoch wie nie (China.Table berichtete). Noch deutlicher ist die Bewegung aber auch hinsichtlich der EU. China verkauft sogar 57 Prozent mehr Produkte nach Europa, als es Güter in Europa einkauft.
Dass China weniger im Westen einkauft, kann man durchaus als Rückzugsbewegung bezeichnen. Diese Rückzugsbewegung Chinas in einem Teil der Welt entspricht einer Öffnungsbewegung in anderen Teilen. Kurz, China kauft nicht weniger, sondern nun woanders ein. Und zwar bei politisch dankbareren und wohl auch verlässlicheren Lieferanten.
Die Importe aus den ASEAN-Staaten, inzwischen vor der EU die größten Handelspartner Chinas, stiegen 2021 um über 22 Prozent an. Und selbst aus Australien, mit dem China in einem erbitterten politischen Streit liegt (China.Table berichtete), steigen sie um fast 20 Prozent. Auch die Importe aus den Ländern der “Belt and Road”-Initiative (BRI, die Neue Seidenstraße) legen zu. Selbst der Handel mit Indien, das weder Teil der Regional Comprehensive Economic Partnership RCEP noch der BRI ist, hat trotz der ernsten politischen Spannungen zugelegt. Der Seidenstraßen-Handel ist 2021 um mehr als 45 Prozent gestiegen und hat erstmals die Marke von 100 Milliarden US-Dollar geknackt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, wie viel China in Indien kauft. Bei den Importen wurde ein Wachstum von gut 38 Prozent verzeichnet.
Was mit Chinas Handel geschieht, ist also kein “Decoupling”, keine “Entkopplung” vom Westen. Sondern es handelt sich um eine Diversifizierung in Richtung Asien und Afrika. Im Zuge dieser Diversifizierung verschränkt sich das Land mehr denn je mit der Welt. Im Jahr 2021 hat Chinas Handel die Schwelle von sechs Billionen US-Dollar überschritten. Die Exporte und Importe sind um rund 30 Prozent gewachsen.
Das alles spricht gegen die These von der fortschreitenden Entkopplung. Ohne die Halbleiterknappheit, Stromausfälle und geschlossenen Häfen wegen Corona-Fällen wäre der Wert womöglich noch höher.
Der wichtigste Trend ist allerdings Pekings Öffnung in Richtung Asien. Diese Bewegung wird sich noch verstärken, wenn man bedenkt, dass China erst ein Pro-Kopf-Einkommen auf dem Niveau von Rumänien hat. Seit dem 1. Januar 2022 ist mit der RCEP die größte Freihandelszone der Welt aktiv. Ganz Asien inklusive Australien ist hier beteiligt (China.Table berichtete). Nur Indien zögert noch, hat die Tür aber nicht zugeschlagen.
Das Ziel ist es, einen asiatischen Binnenmarkt aufzubauen – ohne die Hilfe oder Vermittlung des Westens und durchaus mit dem gemeinsamen Ziel einer geringeren Abhängigkeit vom Westen. Einmalig an dieser Freihandelszone ist nicht nur ihre schiere Größe mit rund 30 Prozent der Weltbevölkerung und rund 30 Prozent des globalen BIP, sondern vor allem auch ihre Vielfalt. Noch nie in der Weltgeschichte haben sich so viele Länder mit so unterschiedlichem Entwicklungsstand, so unterschiedlicher Größe, so unterschiedlichen politischen Systemen und so verschiedenen Religionen zu einem Binnenmarkt zusammengeschlossen.
Ein einmaliges Labor der Öffnung und Kooperation in der Globalisierung ist entstanden. Ein Labor, das von China initiiert, angeführt und über acht Jahre hinweg mit großer Ausdauer und Zähigkeit ausgehandelt wurde, wobei durchaus schmerzhafte Kompromisse nötig waren, um die Unterschriften von 15 Ländern unter den Vertrag zu bekommen. Es wird sicherlich nicht einfach, RCEP stabil werden zu lassen, wie man schon an der Entwicklung der EU sieht. Andererseits stehen die Chancen gut, dass die beteiligten Länder sich pragmatisch zusammenraufen.
Hinzu kommt: Vieles an der Politik Pekings, das im Westen als ideologisch motivierter Rückzug wahrgenommen wird, ist eigentlich ein normales Verhalten großer aufsteigender Volkswirtschaften. Dazu gehört zum Beispiel die Tendenz, dass jedes große Land einen möglichst hohen Anteil seines wirtschaftlichen Wachstums im eigenen Land generieren will, weil es dadurch weniger abhängig vom Auf und Ab internationaler Machtkämpfe ist.
Wenn Chinas Politik also beschließt, den Binnenkonsum zu stärken, ist das noch lange kein “Decoupling” und schon gar keine Rückkehr zu Mao, sondern eine Entwicklung, die auch die US-Amerikaner vor einigen Jahrzehnten vollzogen haben und der auch Deutschland gerne folgen möchte. Allerdings hat Deutschland dafür eine zu kleine Bevölkerung, weswegen gut 40 Prozent der deutschen Wirtschaft weiterhin von Exporten abhängt.
Tatsächlich ist China beim Thema Binnenkonsum gut vorangekommen. Lag der Anteil 2020 noch bei 54 Prozent, liegt er nun bei gut über 60 Prozent. Einen Wert, den China schon mal im Jahr 2000 erreicht hatte, der aber dann durch einen großen Handelsaufschwung mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation 2001 wieder schrumpfte. Dennoch ist im Vergleich zu den USA noch Luft nach oben. In den USA liegt er bei knapp 70 Prozent.
Wie in kaum einer anderen chinesischen Stadt prallen in Peking dekadenter Reichtum und bittere Armut so krass aufeinander: Im Ausgehviertel Sanlitun fahren die Söhne von Parteibonzen ihre knallbunten Ferraris spazieren, während an den Straßenecken greise Frauen in zerlumpter Kleidung um Almosen bitten. In den glitzernden Einkaufszentren führen die Kundinnen Designer-Taschen aus, die den Jahresverdienst der Rezeptionisten am Eingang um ein Vielfaches übersteigen. Die Ungleichheit ist deutlich sichtbar, und doch wird sie von den Hauptstadtbewohnern selten thematisiert oder gar kritisiert.
Ausgerechnet die ersten zwei Coronavirus-Infektionen des neuen Jahres haben nun die überfällige Debatte ausgelöst, wie sich der Sozialismus mit dieser Ungleichheit verträgt. Auslöser der Diskussion war die Veröffentlichung der Bewegungsprofile zweier sehr unterschiedlicher Pekinger Bürger.
Das erste der Bewegungsprofile gehört zu einer Frau aus dem gehobenen Haidian-Bezirk, wo die renommiertesten Schulen der Stadt angesiedelt und die Wohnungspreise dadurch überhitzt sind. Ihre Tage glichen einem Marathonlauf zwischen Nobel-Restaurants und Designer-Boutiquen. Und am Wochenende entspannte sich die Pekingerin beim Skifahren in den umliegenden Bergen.
Kaum vier Tage später veröffentlichten die Behörden dann das Bewegungsprofil eines weiteren Infizierten: Der Mann aus dem Bezirk Chaoyang hatte innerhalb der letzten 14 Tage 30 unterschiedliche Tagelöhner-Jobs angenommen. Er trug Zementsäcke, sortierte Abfälle und durchsuchte Müllhalden nach verkäuflichen Metallen. Er arbeitete stets nach Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden; sobald die ersten Pekinger eilig in ihre Büros huschten, versuchte Herr Yue in einer kleinen Abstellkammer am Stadtrand etwas Schlaf nachzuholen. Ein Zimmer, für das der Wanderarbeiter umgerechnet 100 Euro pro Monat zahlt.
Chinas Nutzer auf den sozialen Medien horchten ob der krassen Diskrepanz auf. Sie legten die Bewegungsprofile der zwei Fremden nebeneinander – und waren selbst geschockt darüber, welch unterschiedliche Lebensrealitäten in ihrer Heimat gleichzeitig nebenher existieren.
Die lokalen Medien machten den 44-jährigen Mann daraufhin ausfindig – und umgehend zur viralen Sensation, der online hunderte Millionen Klicks generierte. Doch die Geschichte von Yue Zongxian wird kein Happy End haben: Der Fischer aus der Küstenprovinz Shandong zog erst vor zwei Monaten in die chinesische Hauptstadt. Dort suchte er nach seinem seit August vermissten Sohn, der zuletzt als Aushilfskoch in einem Restaurant gejobbt haben soll. Die örtliche Polizei geht davon aus, dass dieser sich das Leben genommen hat und hat Herrn Yue bereits den verwesten Körper eines jungen Mannes präsentiert. Der glaubte jedoch den Behörden nicht, dass dies tatsächlich sein Sohn gewesen sein soll. Also suchte er weiter.
Es gibt viele, viele Menschen wie Herrn Yue in China, anders als es die glitzernden Wolkenkratzer-Fassaden von Shanghai und Shenzhen vermuten lassen. Vor zwei Jahren rief Premierminister Li Keqiang in der Bevölkerung eine ernüchternde Statistik in Erinnerung: 600 Millionen Chinesen müssen nach wie vor mit weniger als 1.000 Yuan (140 Euro) pro Monat zurechtkommen. Der Gini-Koeffizient, der die soziale Ungleichheit bemisst, kommt in China auf ähnliche Werte wie in den Vereinigten Staaten.
Für die herrschende Partei, die sich nach wie vor “kommunistisch” nennt, ist dies längst zum Problem geworden. Xi Jinping wiederholt in seinen Reden derzeit kaum ein Schlagwort öfter als den “gemeinsamen Wohlstand” (Common Prosperity), der oberste Priorität genieße (China.Table berichtete). Das wirtschaftliche Wachstum soll endlich auch bei denjenigen ankommen, die bisher wenig von Chinas Aufstieg profitieren – allen voran die Landbevölkerung, die nur über rund ein Drittel des Einkommens im Vergleich zu den Großstädtern besitzt.
Die Leidensgeschichte von Yue Zongxian löste unter vielen Mitbürgern nun derartige Empathie aus, dass sie den 44-Jährigen mit virtuellen “hongbao” überhäuften. Die “roten Briefumschläge” schlug Yue allerdings allesamt aus. Er wolle keine Spendengelder aus Mitleid erhalten. Zudem, so sagte er den Medien, sei es die Verantwortung eines jeden, hart zu arbeiten und sich um seine Familie zu kümmern. Fabian Kretschmer
31.01.2022
Onlineevent/Konfuzius Institut Berlin: Chinesisches Neujahrsfest 2022 – Online-Festprogramm mit digitalem Konzert Mehr
31.01.2022, 5:00-6:30 PM London Time
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01.02.2022, 20:00-21:00 Uhr
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03.02.2022, 12:00-13:00 Uhr MEZ / 19:00-20:00 Uhr CST
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Die Europäische Union (EU) hat wegen der Handelsblockade gegen Litauen bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein Verfahren gegen China eingeleitet. Brüssel habe am Donnerstag in Genf einen Antrag auf Konsultation mit China vorgelegt, nachdem zahlreiche Belege für die Blockade gesammelt worden seien, teilte die EU-Kommission mit. Demnach habe die EU Beweise dafür, dass sich die Volksrepublik weigere, litauische Waren beim Zoll abzuwickeln, Einfuhranträgen aus Litauen ablehne und Druck auf Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten ausübe, litauische Zulieferer aus ihren Lieferketten zu werfen (China.Table berichtete).
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis erklärte, es sei mehrfach versucht worden, den Handelsdisput zwischen Litauen und China bilateral zu lösen. Nachdem die Versuche alle gescheitert seien, sehe man nun keinen anderen Ausweg. “Die Einleitung eines WTO-Verfahrens ist kein Schritt, den wir auf die leichte Schulter nehmen.” Er fügte hinzu, dass die EU immer noch eine “diplomatischen Lösung” mit China anstrebe. Sollte der Fall auf diese Weise gelöst werden können, würde Brüssel auch den WTO-Fall nicht weiterverfolgen, so Dombrovskis.
Die Volksrepublik hatte seit Anfang Dezember litauische Waren für den chinesischen Zoll blockiert. Ab Mitte des Monats erhöhte Peking auch den Druck auf deutsche Unternehmen mit Ausfuhren nach China, die litauische Komponenten enthalten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie befürwortete den Schritt Brüssels. “Es ist richtig, das nicht WTO-konforme Verhalten Chinas auf diesem Weg aufzuarbeiten und unsere Sichtweise damit zu unterstreichen”, teilte der Verband mit. Die willkürlich angepassten Maßnahmen der chinesischen Zollbehörde sorge auch bei deutschen Unternehmen für erhebliche Unsicherheit. “Deutsche Exporte nach China mit Zulieferprodukten aus Litauen bleiben an der Grenze stecken und erreichen selbst deutsche Joint-Venture-Betriebe in China nicht”, so der BDI.
Peking hat bisher bestritten, dass es ein Handelsembargo für litauische Waren gibt. Chinesische Unternehmen hätten eigenständig beschlossen, keine Waren aus Ländern zu kaufen, die “Chinas Souveränität angegriffen” haben. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, reagiert mit Kritik auf den Gang der EU zur WTO. Der Streit mit Litauen sei ein “politischer, kein wirtschaftlicher“, so Zhao. Die EU sei daher gar nicht zuständig, behauptet Zhao. Vilnius versuche, den Beziehungen zwischen Brüssel und Peking zu schaden.
EU-Handelskommissar Dombrovskis widersprach der chinesischen Darstellung. Er betonte, bei diesen Handelsangelegenheiten liege die Zuständigkeit durchaus in Brüssel. Der Antrag der EU ist nur der erste formelle Schritt in Richtung eines WTO-Falls, der sich über Jahre hinweg ziehen wird. China hat das Recht, die angefragten Konsultation anzunehmen oder nicht. Sollten diese abgelehnt werden, droht ein WTO-Streitbeilegungsverfahren. ari
Die Außenminister der USA und Chinas haben sich am Mittwoch einen vorhersehbaren Schlagabtausch geliefert. Wang Yi warf den Amerikanern in einem Telefonat vor, die Olympischen Spiele zu stören und forderte sie auf, jede Einmischung in Chinas Angelegenheiten zu unterlassen.
In dem Gespräch ging es zudem um die russischen Aggressionen in der Ukraine. Wang Yi sagte US-Außenminister Antony Blinken der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge, dass Russlands “legitime Sicherheitsbedenken ernst genommen und angegangen werden sollten”. Hinsichtlich der Nato sagte Wang: “Regionale Sicherheit sollte nicht durch die Stärkung oder gar Erweiterung von Militärblöcken garantiert werden.”
Nach US-Darstellung forderte Blinken China auf, seinen militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck gegen Taiwan zurückzunehmen. Auch schwankende Energiepreise waren demnach Thema des Telefonats. fin
Der Opel-Mutterkonzern Stellantis will auf dem chinesischen Markt vorankommen und übernimmt dazu die Mehrheit an seinem Joint-Venture GAC-Stellantis. Stellantis werde seinen 50-Prozent-Anteil auf 75 Prozent aufstocken, kündigte der aus Peugeot und Fiat Chrysler fusionierte Autokonzern am Donnerstag an. Die chinesische Regierung muss dem Deal noch zustimmen. Einzelheiten zu dem Plan von Stellantis für den chinesischen Markt sollen im Rahmen des globalen Strategieplans am 1. März bekannt gegeben werden.
Das heutige Gemeinschaftsunternehmen GAC-Stellantis wurde im März 2010 von Guangzhou Automobile (GAC) und Fiat gegründet. Fiat ist nach mehreren Fusionen heute Teil von Stellantis. Im Jahr 2021 hatte GAC-Stellantis bekannt gegeben, seine Produktion in China umzustrukturieren. Firmenchef Carlos Tavares kündigte damals an, die China-Strategie neu aufzustellen. Ziel sei es, die Marke Opel in China einzuführen und vollelektrische Fahrzeuge anzubieten.
Stellantis folgt damit dem Vorbild BMW: Die Münchner hatten bereits im Oktober 2018 angekündigt, die Mehrheit an ihrem Gemeinschaftsunternehmen mit Brilliance zu übernehmen. BMW wartet derzeit auf die Genehmigung der chinesischen Behörden. Die Regierung in Peking hatte damals mitgeteilt, die Vorschriften für ausländische Autofirmen zu lockern; seit Anfang des Jahres gelten die Erleichterungen.
Auch Volkswagen will beim Ausbau der Elektromobilität in China seinen Einfluss erweitern. Der weltweit zweitgrößte Autobauer hatte sich im vergangenen Jahr die Mehrheit an dem Joint Venture JAC-Anhui gesichert, nachdem die Regierung in Peking die Regeln für Auslandsbeteiligungen gelockert hatte. Dabei hatte VW bereits die Kontrolle über eines der Werke in der ostchinesischen Stadt Hefei übernommen. rtr
Hongkong reduziert die Quarantäne-Dauer bei Einreise um sieben auf 14 Tage. Die Änderung gelte ab dem 5. Februar, sagte Regierungschefin Carrie Lam. Diplomaten und die Finanzbranche hatten zuvor die Länge der Quarantäne kritisiert, sie schade dem Wettbewerb. Sie beuge sich nicht dem Druck Anderer, sagte Lam. Es habe sich gezeigt, dass Omikron eine recht kurze Inkubationszeit habe. Bislang müssen Einreisende auf eigene Kosten 21 Tage in Hotel-Quarantäne verbringen. Für welche Länder die neue Regelung gilt, gab Lam noch nicht bekannt. rtr
Die Behörden in der nordwestchinesischen Provinz Qinghai haben ein Verbot von Gruppenchats mit religiösem Hintergrund angekündigt. Entsprechender digitaler Austausch über soziale Medien soll ab dem 1. März bestraft werden, berichtet Radio Free Asia (RFA). Besonders betroffen von der Regelung sind tibetische Buddhisten. Qinghai zählt zu den größten tibetischen Siedlungsgebieten außerhalb Tibets. Rund 1,2 Millionen Tibeter leben in der Provinz.
Von dem Verbot betroffen sind demnach auch Gruppenchats, in denen lediglich Informationen zu religiösen Feiertagen oder über Pilgerfahrten verbreitet werden. Laut RFA-Quellen sei die neue Regelung am 20. Januar von der Provinzregierung verkündet worden.
Neben der tibetischen Gemeinde leben in Qinghai auch mehrere Hunderttausend Angehörige der Hui-Ethnie, die überwiegend muslimischen Glaubens sind. Qinghai ist die einzige Provinz der Volksrepublik China, die sowohl eine Grenze mit Tibet als auch mit der muslimisch geprägten Autonomen Region Xinjiang teilt. Sowohl Buddhisten als auch Muslime klagen seit Jahren über Diskriminierung und fortwährende Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Behörden (China.Table berichtete). grz
Das US-Repräsentantenhaus hat zur Stärkung des Wettbewerbs mit China und der Menschenrechte einen umfassenden Gesetzesvorschlag vorgelegt Der fast 3000 Seiten starke Entwurf mit dem Namen “America Competes Act of 2022” umfasst Milliarden US-Dollar Fördergeld für die Halbleiterindustrie der Vereinigten Staaten. Außerdem sind neue Bestimmungen zur Stärkung der US-Beziehungen zu Taiwan und dem der Quad-Allianz aus den USA, Japan, Indien und Australien enthalten. Mit rund 100 Millionen US-Dollar sollen zudem Zensur und Desinformation der chinesischen Regierung entgegengewirkt werden.
Weitere wichtige Punkte des Gesetzesvorschlags:
US-Präsident Joe Biden begrüßte die Gesetzesvorlage. “Gemeinsam haben wir die Gelegenheit, China und dem Rest der Welt zu zeigen, dass das 21. Jahrhundert das amerikanische Jahrhundert sein wird”, erklärte Biden. Die Vorlage muss nun zunächst im Repräsentantenhaus debattiert und verabschiedet werden. Danach wird sie gegebenenfalls dem Senat vorgelegt. Die zeitliche Abfolge dafür ist bisher noch nicht klar. ari
Eigentlich ist der Tiger in China ein beliebtes Tier. Die prächtige Raubkatze steht für Stärke, Vitalität, Risikobereitschaft und Abenteuer. Noch vor zwölf Jahren, als das vorige Jahr des Tigers begrüßt wurde, verbanden Millionen Chinesinnen und Chinesen das Tierkreiszeichen mit Aufbruch, Öffnung und Stärke. Das fing die Stimmung des Jahres 2010 gut ein. Es war das Jahr der Expo in Shanghai, zwei Jahre nach den erfolgreichen Olympischen Sommerspielen in Beijing, im Westen herrschten die Folgen der Finanzkrise, China hatte Oberwasser.
Tatsächlich ist China seitdem zwar stärker geworden. Doch mit der Freude gehen nun auch kompliziertere Gefühle einher, als im Tiger-Jahr 2010. Staats- und Parteichef Xi Jinping ist in der Zwischenzeit an die Regierung gekommen – und zeigt sich so stark wie lange kein chinesischer Machthaber vor ihm.
Ein Teil der Diskreditierung des Tigers hat nun unmittelbar mit seiner Politik zu tun. Xi hatte kurz nach Beginn seiner Amtszeit 2012 der Korruption den Kampf angesagt. Seitdem verwendet er exzessiv die Metapher, mit seiner umfassenden Antikorruptionskampagne nicht nur gegen “Fliegen”, sondern auch gegen “Tiger” vorzugehen. Was er damit meinte: Er werde nicht nur einfache Beamte belangen, sondern auch hochrangige Parteikader und reiche Unternehmer.
Und er hat Wort gehalten. Hunderttausende Parteimitglieder, einige schätzen gar bis zu einer Million, hat er seitdem festnehmen lassen, darunter Top-Kader wie den einst mächtigen Sicherheitschef Zhou Yongkang, der seine Macht sicherlich willkürlich ausgeübt hat und bestechlich war. Doch Xi ging auch gegen Leute vor, die ihm einfach politisch nicht passten. So ist die Freude, wenn am 1. Februar nach dem traditionellen chinesischen Mondkalender 1,5 Milliarden Chinesinnen und Chinesen weltweit das neue Jahr des Tigers begrüßen, bei einigen denn auch durchwachsen. Manche verbinden mit dem Begriff Tiger inzwischen Angst und Schrecken.
Doch auch die traditionelle Astrologie schreibt dem Tiger weiterhin zwei Seiten zu. Der Tiger ist in dem Zwölfjahreszyklus nach Ratte und Büffel die Nummer drei im Tierkreiszeichen. Wer in einem Jahr des Tigers geboren ist (also 1938, 1950, 1962, 1974, 1986, 1998 oder 2010), gilt charakterlich als durchsetzungsstark, mutig und abenteuerlustig. Tigern wird auch Spürsinn und eine Neigung dazu, sich Herausforderungen zu stellen, nachgesagt. Eigenschaften also, die mit einem echten Tiger in Verbindung gebracht werden. Tiger gelten aber auch als angriffslustig, aufbrausend, launisch und unberechenbar. Zudem sind Tiger Einzelgänger. Angenehme Zeitgenosse sind “Tiger” also an und für sich nicht. Turbulent, gar wild könnte auch das Tiger-Jahr werden. Das verspricht kein gutes Jahr – gäbe es nicht das Zusatzelement.
Denn jedes Tierkreiszeichen wird mit einem der fünf Elemente verbunden: Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde. Das Jahr 2022 trifft auf das Element Wasser. Und Wasser besänftigt. Es macht die Übergänge zwischen den Ereignissen fließend und harmonisch. Wasser ist zudem flexibel, nicht allzu emotional geprägt, und es reinigt. Das Element Wasser besänftigt den Tiger also gewissermaßen.
An und für sich würde 2022 ein Jahr von Konflikten, womöglich gar Kriegen werden, sagt der Hongkonger Feng-Shui-Meister Raymond Lo, einer von weltweit fünf Astrologen, die von der Internationalen Feng Shui Association (IFSA) den Titel “Großer Meister” verliehen bekam. “Aber es scheint, dass das Jahr des Wassertigers positiv und produktiver werden wird.” Das Bedürfnis nach “einem heilenden Jahr nach der katastrophalen Covid-19-Pandemie der vorangegangenen zwei Jahre” sei groß, sagt Lo. Wird die Ukraine-Krise also womöglich doch noch in friedlichen Bahnen enden? Und könnte der Taiwan-Konflikt 2022 an Schärfe verlieren? Zu hoffen wäre es ja.
Menschen, die in einem Tiger-Jahr geboren sind, können 2022 wichtige Projekte vorantreiben. Das Jahr des Tigers verlangt ihnen zwar viel Anstrengungen ab, diese werden aber entsprechend belohnt. Wer sich etwa im Beruf verändern möchte, hat 2022 gute Voraussetzungen dafür.
Aber auch für andere Tierkreiszeichen ist es den Astrologen zufolge ratsam, sich an die Glücksbringer zu halten, die das Tierkreiszeichen des Tigers mit sich bringt. Farben, die im Tigerjahr Glück versprechen, sind Blau, Grau, Weiß und Orange.
Und die Tiger selbst? Das eigene Jahr des Tierkreiszeichens ist keineswegs ein Glücksjahr. Im sogenannten Benming-Nian 本命年 könnte sich der chinesischen Astrologie zufolge der Gott des Alters beleidigt fühlen. Um Unglück abzuwehren, sollten daher alle, auf denen ihr Tierjahr fällt, das ganze Jahr über etwas Rotes am Leibe tragen. Viele in China tragen deswegen ein rotes Bändchen ums Handgelenk. Eine rote Unterhose tut’s auch.
Jean-Alexandre Delbecq ist zum Director of Continuous Improvement bei NOK-Freudenberg Group China befördert worden. Der studierte Mathematiker ist seit 2018 für das deutsch-japanische Unternehmen in Shanghai als Abteilungsleiter für Anwendungstechnik und Unternehmensqualität tätig.
Laurin Riekehof ist bei Stiebel Eletron Tianjin zum Direktor für Aftersales in China aufgestiegen. Riekehof hat zuvor in China für den Hersteller für Wärmepumpen und Lüftung als Head of Technical Planning gearbeitet.
Gleich zwei kleine Tiger hat der Guangzhou Safari Park präsentiert. Die weißen Zwillingstiger Meilang und Meimei sind erst vor gut einem Monat auf die Welt gekommen und wurden nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Rechtzeitig zum Jahr des Tigers, dessen Beginn kommende Woche in China gefeiert wird. Für die beiden kleinen Raubkatzen beginnt das allerdings zu spät: Die beiden äußerst seltenen Tiger sind im chinesischen Sternzeichen noch als Ochsen geboren.