Table.Briefing: China

Frankreichs EU-Präsidentschaft + Einkommensteuer

  • Emmanuel Macrons EU-Präsidentschaft
  • Einkommensteuer: Änderungen aufgeschoben, nicht aufgehoben
  • Staatsfirmen müssen Klima schützen
  • Notenbank gibt Geld für grüne Projekte
  • Xi’an straft Beamte für Corona-Ausbruch
  • Diplomat warnt Berlin vor “Taiwan-Büro”
  • IOC: Menschenrechtler fordern Bachs Rücktritt
  • Nachruf auf den Sinologen Jonathan Spence
Liebe Leserin, lieber Leser,

im Verhältnis zu China hat die neue Bundesregierung eine klare Richtung vorgegeben: Die deutsche Haltung soll europäischer werden. Da trifft es sich, dass mit Frankreich zum Jahreswechsel Deutschlands engster Partner die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat.

Amelie Richter hat sich die europäische Agenda des französischen Staatschefs genauer angeschaut und festgestellt: Auch wenn Emmanuel Macron einen indo-pazifischen Schwerpunkt setzen will und China nicht explizit oben auf der Liste steht, wird an der Volksrepublik kein Weg vorbeiführen. Neben strategischen Beschlüssen stehen zudem auch wichtige Personalentscheidungen an.

Chinas Öffnungspolitik eilt aktuell ja ein eher schlechter Ruf voraus. Doch es geht auch anders. Just zum Jahreswechsel hat der chinesische Staatsrat allen ausländischen Angestellten in China ein unverhofftes Geschenk gemacht: Die geplante Umstellung des Steuerrechts wurde um ein Jahr verschoben. Finn Mayer-Kuckuk hat sich die Situation genauer angeschaut. In Zeiten von nahezu vollständig geschlossener Grenzen ist die Verschiebung ein unverhofftes Kooperationsangebot an die internationale Wirtschaft.

Zu guter Letzt möchte ich Sie noch auf einen Nachruf hinweisen. Jonathan D. Spence ist während der Weihnachtsfeiertage im Alter von 85 Jahren gestorben. Er gehört zu den renommiertesten Sinologen der Welt und vermutlich hat fast jeder China-Interessierte zumindest eines seiner zahlreichen Bücher im Regal stehen. Was seine China-Forschung auszeichnete, lesen Sie ebenfalls in unserem heutigen Briefing.  

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Analyse

Frankreichs EU-Präsidentschaft kommt an China nicht vorbei

Neues Jahr, neue EU-Ratspräsidentschaft: Am 1. Januar hat Frankreich die Führung im Gremium der Staats- und Regierungschefs übernommen. In der französischen Hauptstadt trug zu diesem Anlass sogar der Eiffelturm die EU-Flagge. Nach der relativ schwachen und von Kontroversen begleiteten Ratspräsidentschaft der Slowenen unter dem umstrittenen Ministerpräsidenten Janez Janša übernimmt nun Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Die Erwartungen sind groß, startete der 44-Jährige seine eigene, die französische Präsidentschaft doch einst mit einer klaren europäischen Ausrichtung. Drei Hauptpfeiler sollen die kommenden sechs Monate prägen: “Relance, puissance, appartenance” – “Erholung, Kraft, Zugehörigkeit”.

China steht zwar nicht oben auf der Agenda. Doch die aktuellen Handelsprobleme mit Litauen rücken das Verhältnis der EU zur Volksrepublik zwangsläufig in den Vordergrund. Auch anlässlich der anstehenden Olympischen Winterspiele ringt die EU weiterhin um einen gemeinsamen Ansatz. Auf der heimischen Agenda kommt zudem noch die französische Präsidentschaftswahl im April dazu – die Franzosen starten also mit einer vollen Agenda.

Für Paris werden vor allem die ersten drei Monate des Jahres intensiv, sagt der Wissenschaftler Antoine Bondaz, der sich für den französischen Think-Tank “Fondation pour la recherche stratégique” (FRS) mit China und Asien beschäftigt. Ab April werde es dann schwieriger, Veranstaltung mit ranghohen Vertretern zu planen. Dann beginnt der Wahlkampfs in Frankreich. Außenpolitik spielt im Rennen um das höchste Amt Frankreichs bisher eine verschwindend kleine Rolle. Die Debatte ist geprägt von Migration und Corona-Politik.

Ministertreffen für Indo-Pazifik Ende Februar

Auch in der französischen EU-Ratspräsidentschaft wird der Fokus auf den Dauerthemen Migration und Corona-Pandemie liegen. In seiner Neujahrsansprache versprach Macron, alles dafür zu tun, dass die Ratspräsidentschaft ein Moment des Fortschritts werde: “Fortschritt bei der Kontrolle unserer Grenzen, bei klimafreundlichen Technologien, bei der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, beim Aufbau eines neuen Bündnisses mit Afrika, bei einer besseren Überwachung der großen Internet-Plattformen, bei der Kultur in Europa.”

Macron will in den kommenden sechs Monaten unter anderem eine Schengen-Reform zur besseren Grenzverteidigung auf den Weg bringen und sich für einen EU-weiten Mindestlohn sowie die Schaffung eines CO2-Grenzausgleichs für Importe, dem sogenannten “Carbon Border Adjustment Mechanism” (CBAM), einsetzen (China.Table berichtete).

Außenpolitisch werde es vor allem um “puissance” gehen – Kraft und Power, die Brüssel als selbst benannte geopolitische Macht ausstrahlen möchte, erklärt Bondaz. In den Mittelpunkt rückt hier vor allem die indopazifische Region – denn sieben der 13 Übersee-Départements Frankreichs liegen im Indischen Ozean und Südpazifik. Der Élysée hatte bereits 2018 eine Strategie für die Region vorgelegt.

Unter der Führung der Franzosen werde deshalb vor allem die Indo-Pazifik-Strategie der EU in den Fokus rücken, ist Bondaz überzeugt. Für Ende Februar ist erstmals ein Ministertreffen zwischen den Mitgliedsstaaten und den Ländern der Region geplant. “Das wird ein großes Ereignis in Paris.” Ob daraus auch konkrete Ergebnisse hervorgehen werden, sei jedoch offen, sagt Bondaz. Zeit wäre es jedoch.

China zwangsläufig auf der Agenda

Brüssel hatte seine Indo-Pazifik-Strategie im September vorgestellt. Entscheidend sei nun, dass zügig Schlüsselprojekte identifiziert und angegangen werden, so der französische Forscher. “Wie stellen wir sicher, dass wir Synergien mit den Partnern in der Region wie Japan und Korea aufbauen können?” Diese und andere Fragen beschäftigen die französische EU-Ratspräsidentschaft. “Wir brauchen jetzt Pilotprojekte, da es bisher keine klaren Initiativen gibt.” China stehe dabei offiziell zwar nicht auf der Prioritätenliste – durch ein verstärktes Engagement im Indo-Pazifik werde das Verhältnis zu Peking aber sicher inoffiziell eine Rolle spielen.

Dass Frankreich sich dabei quasi auf heimatlichen Grund bewegt, sieht Bondaz als Vorteil. Rund 1,5 Millionen französische Staatsbürger leben in der indo-pazifischen Region. Im Indischen Ozean auf den Inseln La Réunion und Mayotte, im Pazifik in Neukaledonien und Französisch-Polynesien. Zudem sind 7000 französische Soldaten dauerhaft im Indo-Pazifik stationiert. Die Besonderheiten der Region müssen bei der Umsetzung der EU-Strategie aufgezeigt werden, vor allem die “maritime Dimension”, so Bondaz. Dabei geht es vor allem um die Sicherung internationaler Seewege und wichtiger maritimer Handelsrouten. Ein Thema, bei dem Peking wachsenden Einfluss auf die Straße von Taiwan befürchtet. Es birgt deshalb Konfliktpotential.

Auch eine andere geopolitische Strategie aus Brüssel muss in den sechs Monaten der französischen Ratspräsidentschaft an Fahrt gewinnen: Die Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” soll nach Willen der EU-Kommission bis Mitte 2022 konkrete Projekte zutage fördern.

Macron: Mehr Unabhängigkeit in Produktion und Lieferketten

Präsident Macron spricht sich nicht zuletzt seit Beginn der Corona-Pandemie für eine unabhängigere Versorgung Europas aus und lässt beispielsweise bereits die Produktion von Paracetamol wieder in Frankreich ansiedeln. In seiner Rede über die Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft betonte Macron das Streben nach Autarkie, auch im Bereich der Halbleiter.

Zudem ließ Macron bei besagter Rede eine Äußerung fallen, die weniger gut ankam. Angesprochen auf einen möglichen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking, zeigte Frankreichs Staatschef, dass er von einem Fernbleiben nicht viel hält: “Ich denke nicht, dass wir diese Themen politisieren sollten, insbesondere wenn es sich um unbedeutende und symbolische Schritte handelt.” Frankreichs Präsident werde jedoch nicht nach Peking fahren, ist sich Bondaz sicher. Eventuell werde man Minister schicken – Macron selbst werde aber nicht reisen, auch wenn er im Sommer die Olympischen Spiele in Japan besucht hat. Sollte es dazu Beschwerden aus Peking geben, könne die Präsidentschaftswahl in Frankreich oder die Pandemie-Situation als Begründung genannt werden, so Bondaz. Paris ist übrigens Gastgeber der Olympischen Spiele 2024.

Geringe Chancen für Renaissance des CAI

Dass das immer noch lahmgelegte Investitionsabkommen CAI unter der französischen Ratspräsidentschaft ein Revival erlebt, hält Bondaz für ausgeschlossen. Derzeit gebe es keinen Ausweg aus der Sackgasse der gegenseitigen Sanktionen – daran könne auch Frankreich nichts ändern. Auf Macron hagelte kurz nach der politischen Einigung im Dezember 2020 Kritik von links und rechts (China.Table berichtete). Er wäre also nicht schlecht beraten, das in Frankreich unbeliebte Abkommen einfach im Eisschrank zu lassen, solange er im Wahlkampf steckt.

Brüssel hatte mehrfach die Absicht gezeigt, Handelsinstrumente fertigzustellen, die wehrhaft gegen Peking zum Einsatz kommen könnten, während das CAI unbearbeitet blieb. Im kommenden Jahr sollen unter anderem neue Vorgaben für die internationale Beschaffung durch das “International Procurement Instrument” (IPI) abgeschlossen werden. Hier droht jedoch ein Disput zwischen Parlament und EU-Rat, was die Umsetzungshoheit angeht (China.Table berichtete). Es wird jedoch erwartet, dass IPI unter der französischen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden kann.

Gesprächsbedarf über die Federführung gibt es auch beim “Anti-coercion instrument” (API), mit welchem effektiver auf wirtschaftlichen Druck von Drittstaaten wie China reagiert werden soll. Angesichts des aktuellen Beispiels von Litauen liegt ein besonderer Fokus auf der Initiative der EU-Kommission, die zeitnah im Rat und EU-Parlament beraten werden soll.

Neue Botschafter in Peking und Brüssel

In den ersten sechs Monaten wird zudem ein Fortschritt bei der Gesetzgebung für ausländische Investitionen erwartet. Im März soll der sogenannte Strategische Kompass der EU beschlossen werden (China.Table berichtete). Zudem wird weiterhin nach einem passenden Zeitpunkt für ein persönliches Treffen zwischen der EU- und der chinesischen Führungsspitze gesucht. Für das mögliche Gipfeltreffen kursierten bereits mehrere Terminmöglichkeiten – die anhaltende Pandemie-Lage, die Winterspiele in Peking und der Volkskongress Anfang März machen es jedoch unwahrscheinlich, dass es in den ersten drei Monaten des Jahres dazu kommen wird.

2022 hält zudem einige personelle Neubesetzungen bereit: Chinas Botschafter in Brüssel, Zhang Ming, habe die belgische Hauptstadt bereits verlassen, schrieb die chinesische EU-Mission in ihrem Newsletter vom Silvestertag. Wer nachfolgen wird, ist demnach noch unklar. Auch auf der anderen Seite wird es einen Wechsel geben. Denn auch der EU-Botschafter in China, Nicolas Chapuis, wird seinen Posten bald verlassen.

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    Aufschub im Steuerrecht kommt Expats entgegen

    Der Wegfall von Steuererleichterungen für in China lebende Ausländer ist ein heiß diskutiertes Thema in der Expat-Community. Nun hat der Staatsrat unter Li Keqiang beschlossen, die Übergangsfrist bis Ende des neuen Jahres zu verlängern (China.Table berichtete). Im Jahr 2022 gelten demnach weiterhin die Regeln des vergangenen Jahres. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ab 2023 soll wie geplant die Angleichung an die Regeln für Inländer endgültig kommen.

    Die Auslandshandelskammern verbuchen die Verschiebung als einen Erfolg ihrer Lobbyarbeit. Sowohl die nationalen Kammern als auch die US-Außenhandelskammer (Amcham) sowie die EU-Handelskammer (European Chamber) hatten bei ihren chinesischen Regierungskontakten darauf hingearbeitet, die Steuerreform möglichst zu kippen. Nun gabe es zumindest einen Aufschub. “Die Verlängerung der nicht besteuerten Zuwendungen ist von größter Wichtigkeit nicht nur für eine große Zahl ausländischer Unternehmen, die erfahrene Expatriierte beschäftigen, sondern auch für China selbst”, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Kammer. Eine drohende Abwanderung von internationalem Fachpersonal könne so noch einmal abgewendet werden.

    Generell gilt die Entscheidung kurz vor Jahresende als positives Signal in Zeiten einer hartnäckigen Abriegelung der chinesischen Grenzen aufgrund der Corona-Pandemie. Gepaart mit den Bestrebungen der chinesischen Regierung hin zu mehr industrieller Eigenständigkeit hatten sich internationale Firmen immer weniger willkommen gefühlt. Statt der lange versprochenen Öffnung haben sie eher eine Verschiebung der bestehenden Restriktionen auf neue Felder erlebt.

    Neue Abzugsmöglichkeiten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

    Aus chinesischer Sicht war die Änderung des Steuerrechts dagegen ein logischer Schritt. Die Verpflichtungen der ausländischen Mitarbeiter würden sich damit den allgemein gültigen Regeln in China angleichen. Konkret geht es um eine Reihe von Leistungen des Arbeitgebers:

    • Wohnungsmiete
    • Schulgeld für die Kinder
    • Sprachschule
    • Verpflegung
    • Jahresboni

    Diese Nebenleistungen (benefits in kind, BIK) müssen in der Regel direkt vom Arbeitgeber bezahlt werden. Sie sollten für eine bessere Übersichtlichkeit nicht über das Konto des Arbeitnehmers laufen. Doch gerade bei den kleineren Posten erkennen die Finanzämter auch Rückerstattungen für Quittungen (Fapiao) an.

    Es sind innerhalb der neuen Regelungen zwar neue Abzugsmöglichkeiten vorgesehen. Der Effekt der Einsparungen würde aber bei weitem nicht an die bisher Abzugsmöglichkeiten heranreichen. Nach den neuen Regeln sollen abzugsfähig sein:

    • Miete
    • Schulgeld
    • Hypothekenzinsen
    • Krankheitskosten
    • Zuwendungen für Senioren in der Familie

    Die letzteren Punkte zeigen deutlich die Nähe zum einheimischen Steuerrecht. Sie kommen bei Expats nur selten vor. Der große Unterschied zum alten System: Vorher liefen diese Leistungen einfach komplett am Einkommen vorbei. Künftig gelten sie zwar als geldwerte Vorteile, doch lassen sich zumindest Freibeträge absetzen. Diese sind allerdings klein bemessen.

    So sind für Schulgeld 1000 Yuan im Monat abzugsfähig. Doch allein die Deutsche Schule in Peking kostet im ersten Jahr jedoch (je nach Einzelfall) über 25.000 Euro. Umgerechnet sind das rund 15.000 Yuan im Monat. Die Amcham schätzt, dass ein Mitarbeiter, der bisher 960.000 Yuan an Nebenleistungen im Jahr erhält, dafür künftig 785.000 Yuan mehr Steuern zahlen müsste. Das wären gut 100.000 Euro. Da die Arbeitsverträge oft eine Gleichstellung mit dem Heimatstandort versprechen, sind das in Zukunft dann zusätzliche Kosten für das Unternehmen.

    Der Standort China verliert an Attraktivität

    Die Grundzüge der Neuregelegung sind seit Anfang 2019 bekannt. Seit 2018 lief eine ursprünglich auf drei Jahre angelegt Übergangsfrist. Expats können derzeit wählen, ob sie nach dem alten oder dem neuen Verfahren versteuern wollen. Die reformierte Version hat jedoch nur wenig freiwillige Anhänger gefunden. Zahlen der Amcham zufolge hat sich eine überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter für die bisherigen Vorteile entschieden.

    In vielen Fällen wird die Neuregelegung jedoch vor allem die Arbeitgeber betreffen. In Entsendeverträgen ist oft vorgesehen, dass die Firma die Mehrkosten trägt. Doch auch das ist für den Standort China relevant. Entsendungen sind für die Organisationen ohnehin teuer. Als Reaktion auf die steigenden Kosten wäre die betriebswirtschaftlich naheliegende Reaktion, Expat-Positionen abzubauen.

    Die Kammern warnen jedenfalls vor zwei Trends: Abwanderung von Expats, die die Kosten selbst tragen müssen, und einen Bedeutungsverlust des Standorts China. In China liegt der Regelsteuersatz mit 45 Prozent im asiatischen Vergleich bereits eher hoch. Der Wert rangiert auch über dem EU-Schnitt. Die Unternehmensberatung KPMG sieht China hier auf dem gleichen Level wie Deutschland. Die EU-Kammer erwartet nun, dass die freundliche Geste des Staatsrates “Chinas internationale Beziehungen insgesamt verbessern” wird.

    Mit der Streckung der Übergangsfrist ist eine Kernforderung der Kammern erfüllt. Sie wünschen sich darüber hinaus jedoch einen Erhalt unversteuerter Zuwendungen. Die Amcham in Shanghai erbittet zudem mehr Berechenbarkeit bei Regeländerungen. Eine Ankündigung sechs Monate im Voraus sei erforderlich, damit die Firmen sich darauf einstellen könnten. Dieser Vorlauf war bei der plötzlichen Entscheidung am Silvestertag zwar nicht gegeben. Doch immerhin ging der Schritt diesmal in die gewünschte Richtung.

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      Staatsfirmen müssen Klima schützen

      China hat 97 “zentralen Staatsunternehmen” vorgeschrieben, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren zu senken. Zudem sollen die Unternehmen ihre Kapazitäten für die Erzeugung von erneuerbaren Energien erhöhen. Das geht aus einer behördlichen Anordnung von 30. Dezember 2021 hervor. Beim Energieverbrauch und den Treibhausgasemissionen werden jedoch abermals keine absoluten Ziele gesetzt. Vielmehr sollen bis 2025 die Energieeffizienz, das heißt der Energieverbrauch in Relation zur Produktion der Unternehmen um 15 Prozent, und die CO2-Emissionen in Relation zur Produktion um 18 Prozent im Vergleich zu 2020 reduziert werden. Bis 2030 sollen die Emissionen in Relation zur Produktion um 65 Prozent fallen – hier allerdings im Vergleich zu 2005.

      Zudem sollen erneuerbare Energien bis 2025 mehr als 50 Prozent der Stromerzeugungskapazität der zentralen Staatsunternehmen ausmachen. Die Vorgabe zum Ausbau der erneuerbaren Energien bedeutet, dass “in den nächsten vier Jahren Hunderte Gigawatt an Solar- und Windkraftanlagen gebaut werden”, schreibt die Energieexpertin Yan Qin von Refinitiv, einem Anbieter von Finanzmarktdaten, auf Twitter.

      Als zentrale Staatsunternehmen gelten 97 Unternehmen, die im Auftrag der chinesischen Regierung kommerzielle Tätigkeiten ausüben. Viele davon sind in Energie-intensiven Sektoren wie der Stahlindustrie, dem Bauwesen, der Luftfahrt, Telekommunikation, Stromerzeugung und im Bergbau tätig, wie die South China Morning Post berichtet. Die zentralen Staatsunternehmen sind laut Yan Qin für 90 Prozent der nationalen Öl- und Gasversorgung, 60 Prozent der Stromversorgung und 25 Prozent der Kohleversorgung verantwortlich. Sie “spielen eine wichtige Rolle für die Wirtschaft, gleichzeitig gehören sie aber auch zu den Hauptverursachern von Kohlenstoffemissionen. Sie sollten eine Vorbildfunktion bei der Erreichung der Klimaziele spielen”, erklärte die State-owned Assets Supervision and Administration Commission (SASAC) des Staatsrats, die die Richtlinie erlassen hat. nib

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        Zentralbank stellt Milliarden für CO2-Reduktion bereit

        Die chinesische Zentralbank hat die erste Milliarden-Tranche für Kredite bereitgestellt, die speziell für “grüne Projekte” eingesetzt werden sollen. Die Tranche umfasst rund 13 Milliarden US-Dollar wie das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin berichtet.

        Das Kreditprogramm wurde im vergangenen November beschlossen und ist Teil von Chinas Bemühungen, mit finanziellen Mitteln den Weg hin zur CO2-Neutralität des Landes zu erreichen. Banken können sich von nun an bei der Zentralbank melden und anschließend das Geld für emissionsreduzierende Projekte verleihen.  

        Mithilfe der Zentralbankunterstützung haben die Banken mittlerweile 140 Milliarden Yuan zur Verfügung gestellt. Rund 2.800 Unternehmen haben solch grüne Kredite bereits in Anspruch genommen. Mit ihren Vorhaben können die CO2-Emissionen um fast 29 Millionen Tonnen reduziert werden, erklärte ein Beamter der Zentralbank am vergangenen Donnerstag in Peking.   

        China war 2020 für mehr als 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Ende Oktober hatte die Führung in Peking deshalb einen Klima-Aktionsplan vorgelegt, um die Emissionen im Land zu senken und bis zum Jahr 2030 den Höchststand bei den CO2-Emissionen zu erreichen (China.Table berichtete). Insgesamt werden in dem Aktionsplan neun übergeordnete Bereiche aufgezählt, in denen Emissionen gesenkt werden sollen – vom Energiebereich über den Bau- bis hin zum Transportsektor. Auch die Zentralbank soll finanzielle Mittel und Anreize setzen, um Chinas Klimaziele zu erreichen.

        Diese Ziele lauten: Der Kohleverbrauch soll “strikt kontrolliert” werden und im Zeitraum zwischen 2026 und 2030 sinken. Bis 2030 soll der Anteil des Verbrauchs nicht-fossiler Energieträger 25 Prozent erreichen. Die Kohlendioxidemissionen pro BIP-Einheit sollen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um mehr als 65 Prozent sinken. rad

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          Beamte in Xi’an wegen schlechter Covid-Maßnahmen entlassen

          Zwei ranghohe Beamte in Millionenstadt Xi’an wurden am Sonntag von ihren Posten entlassen. Das berichtet die Zeitung “South China Morning Post”. Als Grund wird die schlechte Handhabung des aktuellen Corona-Ausbruchs genannt. Etliche Bewohner der Stadt hatten über Lebensmittelknappheit geklagt.

          Der Volkszeitung zufolge waren Wang Bin und Cui Shiyue für den Bezirk Yanta zuständig. Es ist der Distrikt, der am schwersten vom aktuellen Corona-Ausbruch betroffen ist. Wang Bin war zuletzt als KP-Funktionär Vorsitzender des Distriktkomitees, Cui Shiyue sein Stellvertreter.  Die Entlassungen erfolgen just zu der Zeit, in der sich die Lage in der Provinzhauptstadt der zentralchinesischen Provinz Shaanxi endlich etwas entspannt. Am Wochenende fiel die Zahl der täglichen Neuinfektionen erstmals seit dem 24. Dezember wieder unter 100. Landesweit wurden 101 neue Fälle registriert, 90 allein in Xi’an.

          Seit einigen Tagen gilt für die rund 13 Millionen Einwohner von Xi’an ein strikter Lockdown (China.Table berichtete). Anfangs durften die Menschen noch alle paar Tage zum Lebensmitteleinkauf ihre Häuser verlassen, inzwischen dürfen sie nur noch für die verpflichtenden Covid-Tests hinaus. Sie sind deshalb vollständig von staatlich organisierten Lieferungen abhängig. Während die chinesischen Staatsmedien ein weitgehend rosiges Bild von sich aufopfernden Nachbarschaftskomitees und dankbaren Bewohnern zeichnen, berichtet der deutsche Journalist Fabian Kretschmer hingegen anderes: “Es ist über eine Woche her, dass wir unsere Wohnanlage nicht mehr verlassen können, und die Bezirksregierung organisiert bislang weder Fleisch, Milch noch sonstiges Essen“, sagt ihm eine Chinesin aus dem Südteil der Stadt, dem Epizentrum des Corona-Ausbruchs.

          China verfolgt in der Pandemie eine strikte Null-Covid-Strategie: Mit rigiden Maßnahmen wie nun wieder in Xi’an hat man das Coronavirus bislang weitgehend in den Griff bekommen. Allerdings ist es seit Herbst zu mehreren Ausbrüchen gekommen. Jetzt fürchten die Verantwortlichen die weitaus infektiösere Omikron-Variante. rad

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            Diplomat warnt Berlin vor “Taiwan-Büro”

            Die litauische Regierung erwägt ein Hilfspaket in Höhe von bis zu 130 Millionen Euro, um Unternehmen zu unterstützen, die von einer chinesischen Zollblockade betroffen sind. Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung seien den Unternehmen zunächst sechs Millionen Euro zugewiesen worden, sagte Litauens Finanzministerin Gintarė Skaistė. China habe “unangekündigte Sanktionen” gegen litauische Firmen verhängt. Im Gegenzug warf die Geschäftsstelle der Volksrepublik in Litauen dem baltischen Land vor, den bilateralen Streit auf EU-Ebene eskalieren zu lassen.

            Unterdessen warnte ein chinesischer Diplomat in Deutschland die neue Bundesregierung, dem litauischen Beispiel zu folgen und ein Taiwan-Büro unter diesem Namen zuzulassen. Berlin solle nicht die “Taiwan-Karte” spielen, sagte Wang Weidong, Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der chinesischen Botschaft in Deutschland, der chinesischen Zeitung “Global Times”. Litauen beabsichtige, die Position der EU zu Taiwan als Geisel zu halten und spreche fälschlicherweise von wirtschaftlichem Zwang, so Wang. Die Volksrepublik habe sich strikt an die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten. Berichte in westlichen Medien über eine Zollblockade litauischer Waren seien “völlig unbegründet”. Das Interview erfolgte als Reaktion auf ein Schreiben der deutsch-baltischen Handelskammer, in dem vor Fabrikschließungen gewarnt wurde, sollte der Streit nicht beigelegt werden können (China.Table berichtete).

            Die Volksrepublik blockiert seit einem Monat den Import litauischer Waren. Diese werden vom Zoll nicht mehr abgewickelt. Betroffen sind auch andere EU-Staaten, wenn ihre Produkte Komponenten aus Litauen enthalten. Offen bekannt hat sich Peking zu dem Vorgehen noch nicht. Die Europäische Union sammelt derzeit Informationen, um möglicherweise eine Klage bei der WTO anzustreben. ari

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              Organisation fordert Rücktritt von IOC-Präsident Bach

              Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Thomas Bach zum Rücktritt aufgefordert. Angesichts der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen dürften in China keine Olympischen Spiele stattfinden. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Wenzel Michalski, Human-Rights-Watch-Direktor für Deutschland: “Wenn selbst die Wirtschaft jetzt schon fordert, die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang auch von Unternehmerseite anzuprangern, dann spätestens muss einem Herrn Bach und den anderen klar sein, dass ihre Zeit gekommen ist.”

              Vier Wochen vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking betonte Michalski: “Die müssen zurücktreten und einer neuen Generation von menschenrechtsbewussten Funktionären das Feld überlassen.” China steht unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit den Minderheiten der Uiguren und der Tibeter in der Kritik. Hinzu kommen die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong sowie zunehmende Drohungen gegen Taiwan.

              In diesem Jahr stehen gleich mehrere Sportereignisse in Ländern mit Menschenrechtsproblemen an, neben den Olympischen Winterspielen in China auch die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. HRW-Direktor Michalski forderte denn auch, die Macht dieser Sportverbände müsste “jetzt eigentlich gebrochen werden, denn sie haben gezeigt, dass sie nur unverantwortlich und geldgierig handeln”.

              FDP-Menschenrechtspolitiker Peter Heidt sagt: “Es ist mich für ein Wahnsinn, in China jetzt diese Winterspiele durchzuführen. Ich weiß, die Sportler bereiten sich darauf vor. Aber eigentlich müssten wir diese Winterspiele komplett boykottieren.” Heidt sagte ebenfalls im Deutschlandradio, dass er derzeit an einem Antrag arbeite, damit Deutschland die Spiele zumindest diplomatisch boykottiere. Es sei aber nicht leicht, in der Regierungskoalition die richtige Formulierung zu finden. Bislang hat die Bundesregierung keine einheitliche Haltung zu diesem Thema gefunden (China.Table berichtete).

              Angesichts der Menschenrechtsverletzungen in China haben die USA, Australien, Großbritannien und Kanada einen diplomatischen Boykott der Spiele angekündigt. Sie werden keine Politiker zu den Wettkämpfen schicken. IOC-Chef Thomas Bach sieht die Situation offenbar anders. Er hatte zuletzt gar von großem internationalen Rückhalt gesprochen. “Die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für diese Olympischen Winterspiele ist offensichtlich und höchst willkommen”, sagte der Deutsche in seiner Neujahrsansprache. Die Winterspiele werden vom 4. bis 20. Februar stattfinden. rad

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                Das sind die fünf größten Risiken für die chinesische Wirtschaft HANDELSBLATT
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                Tesla opens showroom in China’s Xinjiang region despite genocide allegations NY POST
                Seltene Einigkeit: Russland, China und westliche Atommächte lehnen Weiterverbreitung von Kernwaffen ab STERN
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                Germany Nervously Tests the Indo-Pacific Waters FOREIGN POLICY
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                Nachruf

                Nachruf auf Jonathan Spence

                Nachruf auf Jonathan Spence
                Gern gesehener Gast: Jonathan Spence auf einer Konferenz Ende 2011 in Peking

                Wer sich mit China beschäftigt, kommt an diesem Mann nicht vorbei: Jonathan D. Spence. Er gilt als einer der renommiertesten Sinologen unserer Zeit. Mindestens eines seiner vielen Bücher findet sich in den Regalen eines jeden China-Interessierten: sei es “Chinas Weg in die Moderne”, “Das Tor des Himmlischen Friedens”, “Die Geschichte der Frau Wang – Leben in einer chinesischen Provinz des 17. Jahrhundert” oder “Gottes chinesischer Sohn”, die Biographie über Hong Xiuquan (洪秀全), dem Gründer und Anführer der einst ganz China erschütternden Taiping-Bewegung.

                Über die Weihnachtsfeiertage ist Jonathan Spence zu Hause in West Haven, Connecticut, gestorben. Wie seine Frau Annping Chin amerikanischen Medien mitteilte, starb er im Zusammenhang mit einer Parkinson-Erkrankung. Er wurde 85 Jahre alt.

                Obwohl sich China und die USA derzeit in kaum einem Punkt einig sind, in der Bewunderung für Spence sind sie es. Er habe Generationen von Sinologen beeinflusst, schreibt die Washington Post. Das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin lobt, Spence erklärte dem Westen China. Und selbst die sonst gerne nationalistisch-polternde “Global Times” aus Peking preist Spence als den Guru der modernen China-Studien in den USA. Der deutsche Historiker Jürgen Osterhammel bezeichnete Spence einmal als einen “der größten Künstler der Vergegenwärtigung fremder Welten”.

                Präzise wie chinesische Kalligrafie

                Mehr als 40 Jahre lehrte Spence an der renommierten Yale-Universität. Allein sein Überblickskurs über die Geschichte Chinas war all die Jahre derart beliebt, dass er in den größten Sälen der Universität gehalten werden musste – nicht selten auch in der Kapelle auf dem Universitätsgelände.

                Aus der Vorlesung ging auch sein wohl bekanntestes Buch hervor: Chinas Weg in die Moderne. 1990 veröffentlicht, wurde es in dutzende Sprachen übersetzt, avancierte zum internationalen Bestseller und zählt längst zu den Standardwerken über Chinas Geschichte. Auf rund 870 Seiten beschreibt Spence facettenreich die Entwicklung Chinas vom 17. Jahrhundert bis hin zu den Ereignissen rund um den Platz des Himmlischen Friedens 1989. Der Originaltitel lautet “In Search for Modern China” – und spiegelt seine Herangehensweise wider: suchend, stets wachsam, mit großen Respekt für Details.

                Über sein Werk “Treason by the Book” hieß es einst in der New York Times: “Es ist ein Buch wie ein Spinnennetz, geschickt, faszinierend und präzise wie chinesische Kalligrafie.” Das Buch handelt von dem Gelehrten Zeng Jing (曾靜), der 1730 versuchte, gegen den damaligen Kaiser Yongzheng (雍正)eine Rebellion anzuzetteln.

                Spence erste Veröffentlichung erschien 1966 unter dem Titel “Ts’ao Yin and the K’ang-hsi Emperor – Bondservant and Master”. Im Vorwort schreibt Spence über seinen Protagonisten: Es müssen keine großen Ansprüche formuliert werden bezüglich der Wichtigkeit von Ts’ao Yin. Er war weder einer der großen General der Qing-Dynastie noch eine entscheidende Figur in der Herrschaft von Kaiser K’ang-hsi. Seine Wichtigkeit liegt vielmehr darin, dass der Verlauf seines Lebens uns viel über die Gesellschaft erzählt, in welcher er lebte, und über die Institutionen, in denen er operierte.

                Geschichte von Menschen gemacht

                In diesen Worten wird der grundlegende Charakter seiner Forschung deutlich: Spence wollte keine Projektion namens China erschaffen. In einer Zeit, als Geschichtsschreibung wenig mehr war als pure Ereignisgeschichte, wagte Spence etwas Revolutionäres: Bei ihm wurde Geschichte nicht von Orten, Daten oder Verträgen gemacht, sondern von Menschen. Er nutzte konkrete Biografien in ihren konkreten chinesischen Bedingungen, um China so darzustellen, wie es zur jeweiligen Zeit war.

                Anhand des Lebens historisch verbürgter Gestalten erfährt der Leser bei Spence wie beiläufig die sozialen, kulturellen und politischen Begleitumstände vergangener Zeiten. Spence selbst schrieb einst dazu: “Es ist meine stillschweigende Überzeugung, dass kühne Generalisierungen normalerweise weit von der Wirklichkeit entfernt sind und dass die individuelle Erfahrung selten mit dem angenommenen allgemeinen Trend übereinstimmt.”

                Doch sein Stil stieß durchaus auch auf Kritik. Weil Spence seine Charaktere mitunter in wörtlicher Rede auftreten sprechen lässt, werfen ihm einige Kritiker vor, die Grenze zwischen historischer Wahrheit und literarischer Fantasie mitunter zu überschreiten.

                Dabei legte Spence großen Wert und Sorgfalt im Umgang mit chinesischen Quellen. Durch Glück und Zufall war es ihm 1962 möglich, als erster Historiker aus dem Westen die kaiserlichen Archive in Taiwan zu besuchen. Damals waren die Dokumente weder organisiert noch katalogisiert, und so arbeitete sich Spence durch Berge von ungeordnetem Papier. In einem Interview 2010 schilderte er, wie ihm erst währenddessen klarwurde, dass er damals die handschriftlichen Notizen des Qing-Kaisers Kangxi (K’ang-hsi, 康熙) in Händen hielt. “Es war etwas, das mich heute noch emotional sehr bewegt.”

                Eine Hommage an Sima Qian

                Geboren wurde Jonathan Dermot Spence 1936 im englischen Surrey. Nach zwei Jahren als Soldat in Deutschland studierte er zunächst Geschichte in Cambridge, bevor er sich in Yale endgültig auf China fokussierte. Dort unterrichtete er mehr als 40 Jahre bis zu seinem Ruhestand 2008. Mit seiner zweiten Frau Annping Chin lebte er bis zu seinem Tod in West Haven, Connecticut.  

                Spence erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise: Für seine Dissertation bekam er den John Addison Porter Prize. 1985 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen, 1992 in die American Philosophical Society, 1997 in die British Academy. 2001 ernannte ihn Queen Elizabeth II. zum Companion of the Order of St. Michael and St. George. Er erhielt Ehrendoktorwürden und Titel unter anderem von den Universitäten in Yale, Oxford, Hongkong, Peking und Nanjing.

                Spence chinesischer Name lautet übrigens 史景遷 (Shǐ Jǐngqiān) – es ist eine Hommage an den chinesischen Historiker und Schriftsteller Sima Qian. Dieser gilt als Begründer der chinesischen Geschichtsschreibung, weil er als Erster einen Überblick über mehr als 2000 Jahre chinesischer Geschichte verfasste, vom sagenumwobenen Gelben Kaiser bis in seine Zeit im ersten Jahrhundert vor Christus.

                Spence wurde einst gefragt, was eigentlich sein Interesse an China geweckt habe: die jahrtausendealte Geschichte, die wunderschönen Schriftzeichen oder die mächtigen Kaiser auf dem Drachenthron? Nichts dergleichen. Es waren vielmehr einfache chinesische Arbeiter. Sein Vater habe ihn als kleinen Jungen mit ins Kino genommen, sie wollten ein Disney-Film anschauen. Es war 1944 und vor dem Film wurden noch Nachrichten gezeigt, wobei eine Meldung den jungen Spence nachhaltig beeindruckte: einfache chinesische Arbeiter hatten im Kampf gegen japanische Truppen mit ihren bloßen Händen eine Straße durch die Berge gebaut. “Ich fand diese Vorstellung sehr beeindruckend.” Es war diese Faszination für die einfachen Menschen, die Spence sein ganzes wissenschaftliches Arbeiten hindurch antrieb.  

                Mit Jonathan Spence hat die Welt einen der wichtigsten China-Kenner verloren.

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                  Personalien

                  Chris Harvey wird bei der Consulting-Plattform XpertiseNow der CEO für den Ableger in Hongkong. Er kommt von dem Wirtschaftsprüfer Deloitte.

                  Chen Zhongqi ist als Geschäftsführer des Immobilienunternehmens Agile Group in Hongkong ausgeschieden. Er bleibt dem Unternehmen allerdings im Ausschuss für Risikoberwerung erhalten.

                  Christian Bischof ist jetzt bei der Kion-Gruppe der Leiter der Marke Baoli für die Regionen Europa, Naher Osten und Afrika. Kion Baoli ist ein Unternehmen mit Sitz in Jiangsu.

                  Dessert

                  Es ist ein eiskaltes Highlight gleich zu Jahresbeginn: das Eisfestival in Harbin. Sein Ursprung liegt in Harbins traditionellen Laternenshows und Gartenparties, die seit 1963 alljährlich im Winter stattfinden. Inzwischen ist das Festival hochprofessionalisiert und findet auf “Sun Island” statt, einem Gebiet wenige Minuten außerhalb der Stadt. Dort erschaffen mehr als 12.000 Arbeiter bei rund minus 20 Grad eine bunte Welt aus Eis und Schnee. Offizieller Start des Festivals ist zwar erst am 5. Januar. Aber es ist so schön, wer will da schon warten.

                  China.Table Redaktion

                  CHINA.TABLE REDAKTION

                  Licenses:
                    • Emmanuel Macrons EU-Präsidentschaft
                    • Einkommensteuer: Änderungen aufgeschoben, nicht aufgehoben
                    • Staatsfirmen müssen Klima schützen
                    • Notenbank gibt Geld für grüne Projekte
                    • Xi’an straft Beamte für Corona-Ausbruch
                    • Diplomat warnt Berlin vor “Taiwan-Büro”
                    • IOC: Menschenrechtler fordern Bachs Rücktritt
                    • Nachruf auf den Sinologen Jonathan Spence
                    Liebe Leserin, lieber Leser,

                    im Verhältnis zu China hat die neue Bundesregierung eine klare Richtung vorgegeben: Die deutsche Haltung soll europäischer werden. Da trifft es sich, dass mit Frankreich zum Jahreswechsel Deutschlands engster Partner die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat.

                    Amelie Richter hat sich die europäische Agenda des französischen Staatschefs genauer angeschaut und festgestellt: Auch wenn Emmanuel Macron einen indo-pazifischen Schwerpunkt setzen will und China nicht explizit oben auf der Liste steht, wird an der Volksrepublik kein Weg vorbeiführen. Neben strategischen Beschlüssen stehen zudem auch wichtige Personalentscheidungen an.

                    Chinas Öffnungspolitik eilt aktuell ja ein eher schlechter Ruf voraus. Doch es geht auch anders. Just zum Jahreswechsel hat der chinesische Staatsrat allen ausländischen Angestellten in China ein unverhofftes Geschenk gemacht: Die geplante Umstellung des Steuerrechts wurde um ein Jahr verschoben. Finn Mayer-Kuckuk hat sich die Situation genauer angeschaut. In Zeiten von nahezu vollständig geschlossener Grenzen ist die Verschiebung ein unverhofftes Kooperationsangebot an die internationale Wirtschaft.

                    Zu guter Letzt möchte ich Sie noch auf einen Nachruf hinweisen. Jonathan D. Spence ist während der Weihnachtsfeiertage im Alter von 85 Jahren gestorben. Er gehört zu den renommiertesten Sinologen der Welt und vermutlich hat fast jeder China-Interessierte zumindest eines seiner zahlreichen Bücher im Regal stehen. Was seine China-Forschung auszeichnete, lesen Sie ebenfalls in unserem heutigen Briefing.  

                    Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

                    Ihr
                    Michael Radunski
                    Bild von Michael  Radunski

                    Analyse

                    Frankreichs EU-Präsidentschaft kommt an China nicht vorbei

                    Neues Jahr, neue EU-Ratspräsidentschaft: Am 1. Januar hat Frankreich die Führung im Gremium der Staats- und Regierungschefs übernommen. In der französischen Hauptstadt trug zu diesem Anlass sogar der Eiffelturm die EU-Flagge. Nach der relativ schwachen und von Kontroversen begleiteten Ratspräsidentschaft der Slowenen unter dem umstrittenen Ministerpräsidenten Janez Janša übernimmt nun Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Die Erwartungen sind groß, startete der 44-Jährige seine eigene, die französische Präsidentschaft doch einst mit einer klaren europäischen Ausrichtung. Drei Hauptpfeiler sollen die kommenden sechs Monate prägen: “Relance, puissance, appartenance” – “Erholung, Kraft, Zugehörigkeit”.

                    China steht zwar nicht oben auf der Agenda. Doch die aktuellen Handelsprobleme mit Litauen rücken das Verhältnis der EU zur Volksrepublik zwangsläufig in den Vordergrund. Auch anlässlich der anstehenden Olympischen Winterspiele ringt die EU weiterhin um einen gemeinsamen Ansatz. Auf der heimischen Agenda kommt zudem noch die französische Präsidentschaftswahl im April dazu – die Franzosen starten also mit einer vollen Agenda.

                    Für Paris werden vor allem die ersten drei Monate des Jahres intensiv, sagt der Wissenschaftler Antoine Bondaz, der sich für den französischen Think-Tank “Fondation pour la recherche stratégique” (FRS) mit China und Asien beschäftigt. Ab April werde es dann schwieriger, Veranstaltung mit ranghohen Vertretern zu planen. Dann beginnt der Wahlkampfs in Frankreich. Außenpolitik spielt im Rennen um das höchste Amt Frankreichs bisher eine verschwindend kleine Rolle. Die Debatte ist geprägt von Migration und Corona-Politik.

                    Ministertreffen für Indo-Pazifik Ende Februar

                    Auch in der französischen EU-Ratspräsidentschaft wird der Fokus auf den Dauerthemen Migration und Corona-Pandemie liegen. In seiner Neujahrsansprache versprach Macron, alles dafür zu tun, dass die Ratspräsidentschaft ein Moment des Fortschritts werde: “Fortschritt bei der Kontrolle unserer Grenzen, bei klimafreundlichen Technologien, bei der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, beim Aufbau eines neuen Bündnisses mit Afrika, bei einer besseren Überwachung der großen Internet-Plattformen, bei der Kultur in Europa.”

                    Macron will in den kommenden sechs Monaten unter anderem eine Schengen-Reform zur besseren Grenzverteidigung auf den Weg bringen und sich für einen EU-weiten Mindestlohn sowie die Schaffung eines CO2-Grenzausgleichs für Importe, dem sogenannten “Carbon Border Adjustment Mechanism” (CBAM), einsetzen (China.Table berichtete).

                    Außenpolitisch werde es vor allem um “puissance” gehen – Kraft und Power, die Brüssel als selbst benannte geopolitische Macht ausstrahlen möchte, erklärt Bondaz. In den Mittelpunkt rückt hier vor allem die indopazifische Region – denn sieben der 13 Übersee-Départements Frankreichs liegen im Indischen Ozean und Südpazifik. Der Élysée hatte bereits 2018 eine Strategie für die Region vorgelegt.

                    Unter der Führung der Franzosen werde deshalb vor allem die Indo-Pazifik-Strategie der EU in den Fokus rücken, ist Bondaz überzeugt. Für Ende Februar ist erstmals ein Ministertreffen zwischen den Mitgliedsstaaten und den Ländern der Region geplant. “Das wird ein großes Ereignis in Paris.” Ob daraus auch konkrete Ergebnisse hervorgehen werden, sei jedoch offen, sagt Bondaz. Zeit wäre es jedoch.

                    China zwangsläufig auf der Agenda

                    Brüssel hatte seine Indo-Pazifik-Strategie im September vorgestellt. Entscheidend sei nun, dass zügig Schlüsselprojekte identifiziert und angegangen werden, so der französische Forscher. “Wie stellen wir sicher, dass wir Synergien mit den Partnern in der Region wie Japan und Korea aufbauen können?” Diese und andere Fragen beschäftigen die französische EU-Ratspräsidentschaft. “Wir brauchen jetzt Pilotprojekte, da es bisher keine klaren Initiativen gibt.” China stehe dabei offiziell zwar nicht auf der Prioritätenliste – durch ein verstärktes Engagement im Indo-Pazifik werde das Verhältnis zu Peking aber sicher inoffiziell eine Rolle spielen.

                    Dass Frankreich sich dabei quasi auf heimatlichen Grund bewegt, sieht Bondaz als Vorteil. Rund 1,5 Millionen französische Staatsbürger leben in der indo-pazifischen Region. Im Indischen Ozean auf den Inseln La Réunion und Mayotte, im Pazifik in Neukaledonien und Französisch-Polynesien. Zudem sind 7000 französische Soldaten dauerhaft im Indo-Pazifik stationiert. Die Besonderheiten der Region müssen bei der Umsetzung der EU-Strategie aufgezeigt werden, vor allem die “maritime Dimension”, so Bondaz. Dabei geht es vor allem um die Sicherung internationaler Seewege und wichtiger maritimer Handelsrouten. Ein Thema, bei dem Peking wachsenden Einfluss auf die Straße von Taiwan befürchtet. Es birgt deshalb Konfliktpotential.

                    Auch eine andere geopolitische Strategie aus Brüssel muss in den sechs Monaten der französischen Ratspräsidentschaft an Fahrt gewinnen: Die Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” soll nach Willen der EU-Kommission bis Mitte 2022 konkrete Projekte zutage fördern.

                    Macron: Mehr Unabhängigkeit in Produktion und Lieferketten

                    Präsident Macron spricht sich nicht zuletzt seit Beginn der Corona-Pandemie für eine unabhängigere Versorgung Europas aus und lässt beispielsweise bereits die Produktion von Paracetamol wieder in Frankreich ansiedeln. In seiner Rede über die Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft betonte Macron das Streben nach Autarkie, auch im Bereich der Halbleiter.

                    Zudem ließ Macron bei besagter Rede eine Äußerung fallen, die weniger gut ankam. Angesprochen auf einen möglichen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking, zeigte Frankreichs Staatschef, dass er von einem Fernbleiben nicht viel hält: “Ich denke nicht, dass wir diese Themen politisieren sollten, insbesondere wenn es sich um unbedeutende und symbolische Schritte handelt.” Frankreichs Präsident werde jedoch nicht nach Peking fahren, ist sich Bondaz sicher. Eventuell werde man Minister schicken – Macron selbst werde aber nicht reisen, auch wenn er im Sommer die Olympischen Spiele in Japan besucht hat. Sollte es dazu Beschwerden aus Peking geben, könne die Präsidentschaftswahl in Frankreich oder die Pandemie-Situation als Begründung genannt werden, so Bondaz. Paris ist übrigens Gastgeber der Olympischen Spiele 2024.

                    Geringe Chancen für Renaissance des CAI

                    Dass das immer noch lahmgelegte Investitionsabkommen CAI unter der französischen Ratspräsidentschaft ein Revival erlebt, hält Bondaz für ausgeschlossen. Derzeit gebe es keinen Ausweg aus der Sackgasse der gegenseitigen Sanktionen – daran könne auch Frankreich nichts ändern. Auf Macron hagelte kurz nach der politischen Einigung im Dezember 2020 Kritik von links und rechts (China.Table berichtete). Er wäre also nicht schlecht beraten, das in Frankreich unbeliebte Abkommen einfach im Eisschrank zu lassen, solange er im Wahlkampf steckt.

                    Brüssel hatte mehrfach die Absicht gezeigt, Handelsinstrumente fertigzustellen, die wehrhaft gegen Peking zum Einsatz kommen könnten, während das CAI unbearbeitet blieb. Im kommenden Jahr sollen unter anderem neue Vorgaben für die internationale Beschaffung durch das “International Procurement Instrument” (IPI) abgeschlossen werden. Hier droht jedoch ein Disput zwischen Parlament und EU-Rat, was die Umsetzungshoheit angeht (China.Table berichtete). Es wird jedoch erwartet, dass IPI unter der französischen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden kann.

                    Gesprächsbedarf über die Federführung gibt es auch beim “Anti-coercion instrument” (API), mit welchem effektiver auf wirtschaftlichen Druck von Drittstaaten wie China reagiert werden soll. Angesichts des aktuellen Beispiels von Litauen liegt ein besonderer Fokus auf der Initiative der EU-Kommission, die zeitnah im Rat und EU-Parlament beraten werden soll.

                    Neue Botschafter in Peking und Brüssel

                    In den ersten sechs Monaten wird zudem ein Fortschritt bei der Gesetzgebung für ausländische Investitionen erwartet. Im März soll der sogenannte Strategische Kompass der EU beschlossen werden (China.Table berichtete). Zudem wird weiterhin nach einem passenden Zeitpunkt für ein persönliches Treffen zwischen der EU- und der chinesischen Führungsspitze gesucht. Für das mögliche Gipfeltreffen kursierten bereits mehrere Terminmöglichkeiten – die anhaltende Pandemie-Lage, die Winterspiele in Peking und der Volkskongress Anfang März machen es jedoch unwahrscheinlich, dass es in den ersten drei Monaten des Jahres dazu kommen wird.

                    2022 hält zudem einige personelle Neubesetzungen bereit: Chinas Botschafter in Brüssel, Zhang Ming, habe die belgische Hauptstadt bereits verlassen, schrieb die chinesische EU-Mission in ihrem Newsletter vom Silvestertag. Wer nachfolgen wird, ist demnach noch unklar. Auch auf der anderen Seite wird es einen Wechsel geben. Denn auch der EU-Botschafter in China, Nicolas Chapuis, wird seinen Posten bald verlassen.

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                      Aufschub im Steuerrecht kommt Expats entgegen

                      Der Wegfall von Steuererleichterungen für in China lebende Ausländer ist ein heiß diskutiertes Thema in der Expat-Community. Nun hat der Staatsrat unter Li Keqiang beschlossen, die Übergangsfrist bis Ende des neuen Jahres zu verlängern (China.Table berichtete). Im Jahr 2022 gelten demnach weiterhin die Regeln des vergangenen Jahres. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ab 2023 soll wie geplant die Angleichung an die Regeln für Inländer endgültig kommen.

                      Die Auslandshandelskammern verbuchen die Verschiebung als einen Erfolg ihrer Lobbyarbeit. Sowohl die nationalen Kammern als auch die US-Außenhandelskammer (Amcham) sowie die EU-Handelskammer (European Chamber) hatten bei ihren chinesischen Regierungskontakten darauf hingearbeitet, die Steuerreform möglichst zu kippen. Nun gabe es zumindest einen Aufschub. “Die Verlängerung der nicht besteuerten Zuwendungen ist von größter Wichtigkeit nicht nur für eine große Zahl ausländischer Unternehmen, die erfahrene Expatriierte beschäftigen, sondern auch für China selbst”, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Kammer. Eine drohende Abwanderung von internationalem Fachpersonal könne so noch einmal abgewendet werden.

                      Generell gilt die Entscheidung kurz vor Jahresende als positives Signal in Zeiten einer hartnäckigen Abriegelung der chinesischen Grenzen aufgrund der Corona-Pandemie. Gepaart mit den Bestrebungen der chinesischen Regierung hin zu mehr industrieller Eigenständigkeit hatten sich internationale Firmen immer weniger willkommen gefühlt. Statt der lange versprochenen Öffnung haben sie eher eine Verschiebung der bestehenden Restriktionen auf neue Felder erlebt.

                      Neue Abzugsmöglichkeiten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein

                      Aus chinesischer Sicht war die Änderung des Steuerrechts dagegen ein logischer Schritt. Die Verpflichtungen der ausländischen Mitarbeiter würden sich damit den allgemein gültigen Regeln in China angleichen. Konkret geht es um eine Reihe von Leistungen des Arbeitgebers:

                      • Wohnungsmiete
                      • Schulgeld für die Kinder
                      • Sprachschule
                      • Verpflegung
                      • Jahresboni

                      Diese Nebenleistungen (benefits in kind, BIK) müssen in der Regel direkt vom Arbeitgeber bezahlt werden. Sie sollten für eine bessere Übersichtlichkeit nicht über das Konto des Arbeitnehmers laufen. Doch gerade bei den kleineren Posten erkennen die Finanzämter auch Rückerstattungen für Quittungen (Fapiao) an.

                      Es sind innerhalb der neuen Regelungen zwar neue Abzugsmöglichkeiten vorgesehen. Der Effekt der Einsparungen würde aber bei weitem nicht an die bisher Abzugsmöglichkeiten heranreichen. Nach den neuen Regeln sollen abzugsfähig sein:

                      • Miete
                      • Schulgeld
                      • Hypothekenzinsen
                      • Krankheitskosten
                      • Zuwendungen für Senioren in der Familie

                      Die letzteren Punkte zeigen deutlich die Nähe zum einheimischen Steuerrecht. Sie kommen bei Expats nur selten vor. Der große Unterschied zum alten System: Vorher liefen diese Leistungen einfach komplett am Einkommen vorbei. Künftig gelten sie zwar als geldwerte Vorteile, doch lassen sich zumindest Freibeträge absetzen. Diese sind allerdings klein bemessen.

                      So sind für Schulgeld 1000 Yuan im Monat abzugsfähig. Doch allein die Deutsche Schule in Peking kostet im ersten Jahr jedoch (je nach Einzelfall) über 25.000 Euro. Umgerechnet sind das rund 15.000 Yuan im Monat. Die Amcham schätzt, dass ein Mitarbeiter, der bisher 960.000 Yuan an Nebenleistungen im Jahr erhält, dafür künftig 785.000 Yuan mehr Steuern zahlen müsste. Das wären gut 100.000 Euro. Da die Arbeitsverträge oft eine Gleichstellung mit dem Heimatstandort versprechen, sind das in Zukunft dann zusätzliche Kosten für das Unternehmen.

                      Der Standort China verliert an Attraktivität

                      Die Grundzüge der Neuregelegung sind seit Anfang 2019 bekannt. Seit 2018 lief eine ursprünglich auf drei Jahre angelegt Übergangsfrist. Expats können derzeit wählen, ob sie nach dem alten oder dem neuen Verfahren versteuern wollen. Die reformierte Version hat jedoch nur wenig freiwillige Anhänger gefunden. Zahlen der Amcham zufolge hat sich eine überwältigende Mehrheit der Mitarbeiter für die bisherigen Vorteile entschieden.

                      In vielen Fällen wird die Neuregelegung jedoch vor allem die Arbeitgeber betreffen. In Entsendeverträgen ist oft vorgesehen, dass die Firma die Mehrkosten trägt. Doch auch das ist für den Standort China relevant. Entsendungen sind für die Organisationen ohnehin teuer. Als Reaktion auf die steigenden Kosten wäre die betriebswirtschaftlich naheliegende Reaktion, Expat-Positionen abzubauen.

                      Die Kammern warnen jedenfalls vor zwei Trends: Abwanderung von Expats, die die Kosten selbst tragen müssen, und einen Bedeutungsverlust des Standorts China. In China liegt der Regelsteuersatz mit 45 Prozent im asiatischen Vergleich bereits eher hoch. Der Wert rangiert auch über dem EU-Schnitt. Die Unternehmensberatung KPMG sieht China hier auf dem gleichen Level wie Deutschland. Die EU-Kammer erwartet nun, dass die freundliche Geste des Staatsrates “Chinas internationale Beziehungen insgesamt verbessern” wird.

                      Mit der Streckung der Übergangsfrist ist eine Kernforderung der Kammern erfüllt. Sie wünschen sich darüber hinaus jedoch einen Erhalt unversteuerter Zuwendungen. Die Amcham in Shanghai erbittet zudem mehr Berechenbarkeit bei Regeländerungen. Eine Ankündigung sechs Monate im Voraus sei erforderlich, damit die Firmen sich darauf einstellen könnten. Dieser Vorlauf war bei der plötzlichen Entscheidung am Silvestertag zwar nicht gegeben. Doch immerhin ging der Schritt diesmal in die gewünschte Richtung.

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                        Staatsfirmen müssen Klima schützen

                        China hat 97 “zentralen Staatsunternehmen” vorgeschrieben, den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren zu senken. Zudem sollen die Unternehmen ihre Kapazitäten für die Erzeugung von erneuerbaren Energien erhöhen. Das geht aus einer behördlichen Anordnung von 30. Dezember 2021 hervor. Beim Energieverbrauch und den Treibhausgasemissionen werden jedoch abermals keine absoluten Ziele gesetzt. Vielmehr sollen bis 2025 die Energieeffizienz, das heißt der Energieverbrauch in Relation zur Produktion der Unternehmen um 15 Prozent, und die CO2-Emissionen in Relation zur Produktion um 18 Prozent im Vergleich zu 2020 reduziert werden. Bis 2030 sollen die Emissionen in Relation zur Produktion um 65 Prozent fallen – hier allerdings im Vergleich zu 2005.

                        Zudem sollen erneuerbare Energien bis 2025 mehr als 50 Prozent der Stromerzeugungskapazität der zentralen Staatsunternehmen ausmachen. Die Vorgabe zum Ausbau der erneuerbaren Energien bedeutet, dass “in den nächsten vier Jahren Hunderte Gigawatt an Solar- und Windkraftanlagen gebaut werden”, schreibt die Energieexpertin Yan Qin von Refinitiv, einem Anbieter von Finanzmarktdaten, auf Twitter.

                        Als zentrale Staatsunternehmen gelten 97 Unternehmen, die im Auftrag der chinesischen Regierung kommerzielle Tätigkeiten ausüben. Viele davon sind in Energie-intensiven Sektoren wie der Stahlindustrie, dem Bauwesen, der Luftfahrt, Telekommunikation, Stromerzeugung und im Bergbau tätig, wie die South China Morning Post berichtet. Die zentralen Staatsunternehmen sind laut Yan Qin für 90 Prozent der nationalen Öl- und Gasversorgung, 60 Prozent der Stromversorgung und 25 Prozent der Kohleversorgung verantwortlich. Sie “spielen eine wichtige Rolle für die Wirtschaft, gleichzeitig gehören sie aber auch zu den Hauptverursachern von Kohlenstoffemissionen. Sie sollten eine Vorbildfunktion bei der Erreichung der Klimaziele spielen”, erklärte die State-owned Assets Supervision and Administration Commission (SASAC) des Staatsrats, die die Richtlinie erlassen hat. nib

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                          Zentralbank stellt Milliarden für CO2-Reduktion bereit

                          Die chinesische Zentralbank hat die erste Milliarden-Tranche für Kredite bereitgestellt, die speziell für “grüne Projekte” eingesetzt werden sollen. Die Tranche umfasst rund 13 Milliarden US-Dollar wie das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin berichtet.

                          Das Kreditprogramm wurde im vergangenen November beschlossen und ist Teil von Chinas Bemühungen, mit finanziellen Mitteln den Weg hin zur CO2-Neutralität des Landes zu erreichen. Banken können sich von nun an bei der Zentralbank melden und anschließend das Geld für emissionsreduzierende Projekte verleihen.  

                          Mithilfe der Zentralbankunterstützung haben die Banken mittlerweile 140 Milliarden Yuan zur Verfügung gestellt. Rund 2.800 Unternehmen haben solch grüne Kredite bereits in Anspruch genommen. Mit ihren Vorhaben können die CO2-Emissionen um fast 29 Millionen Tonnen reduziert werden, erklärte ein Beamter der Zentralbank am vergangenen Donnerstag in Peking.   

                          China war 2020 für mehr als 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Ende Oktober hatte die Führung in Peking deshalb einen Klima-Aktionsplan vorgelegt, um die Emissionen im Land zu senken und bis zum Jahr 2030 den Höchststand bei den CO2-Emissionen zu erreichen (China.Table berichtete). Insgesamt werden in dem Aktionsplan neun übergeordnete Bereiche aufgezählt, in denen Emissionen gesenkt werden sollen – vom Energiebereich über den Bau- bis hin zum Transportsektor. Auch die Zentralbank soll finanzielle Mittel und Anreize setzen, um Chinas Klimaziele zu erreichen.

                          Diese Ziele lauten: Der Kohleverbrauch soll “strikt kontrolliert” werden und im Zeitraum zwischen 2026 und 2030 sinken. Bis 2030 soll der Anteil des Verbrauchs nicht-fossiler Energieträger 25 Prozent erreichen. Die Kohlendioxidemissionen pro BIP-Einheit sollen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um mehr als 65 Prozent sinken. rad

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                            Beamte in Xi’an wegen schlechter Covid-Maßnahmen entlassen

                            Zwei ranghohe Beamte in Millionenstadt Xi’an wurden am Sonntag von ihren Posten entlassen. Das berichtet die Zeitung “South China Morning Post”. Als Grund wird die schlechte Handhabung des aktuellen Corona-Ausbruchs genannt. Etliche Bewohner der Stadt hatten über Lebensmittelknappheit geklagt.

                            Der Volkszeitung zufolge waren Wang Bin und Cui Shiyue für den Bezirk Yanta zuständig. Es ist der Distrikt, der am schwersten vom aktuellen Corona-Ausbruch betroffen ist. Wang Bin war zuletzt als KP-Funktionär Vorsitzender des Distriktkomitees, Cui Shiyue sein Stellvertreter.  Die Entlassungen erfolgen just zu der Zeit, in der sich die Lage in der Provinzhauptstadt der zentralchinesischen Provinz Shaanxi endlich etwas entspannt. Am Wochenende fiel die Zahl der täglichen Neuinfektionen erstmals seit dem 24. Dezember wieder unter 100. Landesweit wurden 101 neue Fälle registriert, 90 allein in Xi’an.

                            Seit einigen Tagen gilt für die rund 13 Millionen Einwohner von Xi’an ein strikter Lockdown (China.Table berichtete). Anfangs durften die Menschen noch alle paar Tage zum Lebensmitteleinkauf ihre Häuser verlassen, inzwischen dürfen sie nur noch für die verpflichtenden Covid-Tests hinaus. Sie sind deshalb vollständig von staatlich organisierten Lieferungen abhängig. Während die chinesischen Staatsmedien ein weitgehend rosiges Bild von sich aufopfernden Nachbarschaftskomitees und dankbaren Bewohnern zeichnen, berichtet der deutsche Journalist Fabian Kretschmer hingegen anderes: “Es ist über eine Woche her, dass wir unsere Wohnanlage nicht mehr verlassen können, und die Bezirksregierung organisiert bislang weder Fleisch, Milch noch sonstiges Essen“, sagt ihm eine Chinesin aus dem Südteil der Stadt, dem Epizentrum des Corona-Ausbruchs.

                            China verfolgt in der Pandemie eine strikte Null-Covid-Strategie: Mit rigiden Maßnahmen wie nun wieder in Xi’an hat man das Coronavirus bislang weitgehend in den Griff bekommen. Allerdings ist es seit Herbst zu mehreren Ausbrüchen gekommen. Jetzt fürchten die Verantwortlichen die weitaus infektiösere Omikron-Variante. rad

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                              Diplomat warnt Berlin vor “Taiwan-Büro”

                              Die litauische Regierung erwägt ein Hilfspaket in Höhe von bis zu 130 Millionen Euro, um Unternehmen zu unterstützen, die von einer chinesischen Zollblockade betroffen sind. Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung seien den Unternehmen zunächst sechs Millionen Euro zugewiesen worden, sagte Litauens Finanzministerin Gintarė Skaistė. China habe “unangekündigte Sanktionen” gegen litauische Firmen verhängt. Im Gegenzug warf die Geschäftsstelle der Volksrepublik in Litauen dem baltischen Land vor, den bilateralen Streit auf EU-Ebene eskalieren zu lassen.

                              Unterdessen warnte ein chinesischer Diplomat in Deutschland die neue Bundesregierung, dem litauischen Beispiel zu folgen und ein Taiwan-Büro unter diesem Namen zuzulassen. Berlin solle nicht die “Taiwan-Karte” spielen, sagte Wang Weidong, Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der chinesischen Botschaft in Deutschland, der chinesischen Zeitung “Global Times”. Litauen beabsichtige, die Position der EU zu Taiwan als Geisel zu halten und spreche fälschlicherweise von wirtschaftlichem Zwang, so Wang. Die Volksrepublik habe sich strikt an die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten. Berichte in westlichen Medien über eine Zollblockade litauischer Waren seien “völlig unbegründet”. Das Interview erfolgte als Reaktion auf ein Schreiben der deutsch-baltischen Handelskammer, in dem vor Fabrikschließungen gewarnt wurde, sollte der Streit nicht beigelegt werden können (China.Table berichtete).

                              Die Volksrepublik blockiert seit einem Monat den Import litauischer Waren. Diese werden vom Zoll nicht mehr abgewickelt. Betroffen sind auch andere EU-Staaten, wenn ihre Produkte Komponenten aus Litauen enthalten. Offen bekannt hat sich Peking zu dem Vorgehen noch nicht. Die Europäische Union sammelt derzeit Informationen, um möglicherweise eine Klage bei der WTO anzustreben. ari

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                                Organisation fordert Rücktritt von IOC-Präsident Bach

                                Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Thomas Bach zum Rücktritt aufgefordert. Angesichts der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen dürften in China keine Olympischen Spiele stattfinden. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Wenzel Michalski, Human-Rights-Watch-Direktor für Deutschland: “Wenn selbst die Wirtschaft jetzt schon fordert, die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang auch von Unternehmerseite anzuprangern, dann spätestens muss einem Herrn Bach und den anderen klar sein, dass ihre Zeit gekommen ist.”

                                Vier Wochen vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking betonte Michalski: “Die müssen zurücktreten und einer neuen Generation von menschenrechtsbewussten Funktionären das Feld überlassen.” China steht unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit den Minderheiten der Uiguren und der Tibeter in der Kritik. Hinzu kommen die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong sowie zunehmende Drohungen gegen Taiwan.

                                In diesem Jahr stehen gleich mehrere Sportereignisse in Ländern mit Menschenrechtsproblemen an, neben den Olympischen Winterspielen in China auch die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. HRW-Direktor Michalski forderte denn auch, die Macht dieser Sportverbände müsste “jetzt eigentlich gebrochen werden, denn sie haben gezeigt, dass sie nur unverantwortlich und geldgierig handeln”.

                                FDP-Menschenrechtspolitiker Peter Heidt sagt: “Es ist mich für ein Wahnsinn, in China jetzt diese Winterspiele durchzuführen. Ich weiß, die Sportler bereiten sich darauf vor. Aber eigentlich müssten wir diese Winterspiele komplett boykottieren.” Heidt sagte ebenfalls im Deutschlandradio, dass er derzeit an einem Antrag arbeite, damit Deutschland die Spiele zumindest diplomatisch boykottiere. Es sei aber nicht leicht, in der Regierungskoalition die richtige Formulierung zu finden. Bislang hat die Bundesregierung keine einheitliche Haltung zu diesem Thema gefunden (China.Table berichtete).

                                Angesichts der Menschenrechtsverletzungen in China haben die USA, Australien, Großbritannien und Kanada einen diplomatischen Boykott der Spiele angekündigt. Sie werden keine Politiker zu den Wettkämpfen schicken. IOC-Chef Thomas Bach sieht die Situation offenbar anders. Er hatte zuletzt gar von großem internationalen Rückhalt gesprochen. “Die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für diese Olympischen Winterspiele ist offensichtlich und höchst willkommen”, sagte der Deutsche in seiner Neujahrsansprache. Die Winterspiele werden vom 4. bis 20. Februar stattfinden. rad

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                                  Das sind die fünf größten Risiken für die chinesische Wirtschaft HANDELSBLATT
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                                  Nachruf

                                  Nachruf auf Jonathan Spence

                                  Nachruf auf Jonathan Spence
                                  Gern gesehener Gast: Jonathan Spence auf einer Konferenz Ende 2011 in Peking

                                  Wer sich mit China beschäftigt, kommt an diesem Mann nicht vorbei: Jonathan D. Spence. Er gilt als einer der renommiertesten Sinologen unserer Zeit. Mindestens eines seiner vielen Bücher findet sich in den Regalen eines jeden China-Interessierten: sei es “Chinas Weg in die Moderne”, “Das Tor des Himmlischen Friedens”, “Die Geschichte der Frau Wang – Leben in einer chinesischen Provinz des 17. Jahrhundert” oder “Gottes chinesischer Sohn”, die Biographie über Hong Xiuquan (洪秀全), dem Gründer und Anführer der einst ganz China erschütternden Taiping-Bewegung.

                                  Über die Weihnachtsfeiertage ist Jonathan Spence zu Hause in West Haven, Connecticut, gestorben. Wie seine Frau Annping Chin amerikanischen Medien mitteilte, starb er im Zusammenhang mit einer Parkinson-Erkrankung. Er wurde 85 Jahre alt.

                                  Obwohl sich China und die USA derzeit in kaum einem Punkt einig sind, in der Bewunderung für Spence sind sie es. Er habe Generationen von Sinologen beeinflusst, schreibt die Washington Post. Das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin lobt, Spence erklärte dem Westen China. Und selbst die sonst gerne nationalistisch-polternde “Global Times” aus Peking preist Spence als den Guru der modernen China-Studien in den USA. Der deutsche Historiker Jürgen Osterhammel bezeichnete Spence einmal als einen “der größten Künstler der Vergegenwärtigung fremder Welten”.

                                  Präzise wie chinesische Kalligrafie

                                  Mehr als 40 Jahre lehrte Spence an der renommierten Yale-Universität. Allein sein Überblickskurs über die Geschichte Chinas war all die Jahre derart beliebt, dass er in den größten Sälen der Universität gehalten werden musste – nicht selten auch in der Kapelle auf dem Universitätsgelände.

                                  Aus der Vorlesung ging auch sein wohl bekanntestes Buch hervor: Chinas Weg in die Moderne. 1990 veröffentlicht, wurde es in dutzende Sprachen übersetzt, avancierte zum internationalen Bestseller und zählt längst zu den Standardwerken über Chinas Geschichte. Auf rund 870 Seiten beschreibt Spence facettenreich die Entwicklung Chinas vom 17. Jahrhundert bis hin zu den Ereignissen rund um den Platz des Himmlischen Friedens 1989. Der Originaltitel lautet “In Search for Modern China” – und spiegelt seine Herangehensweise wider: suchend, stets wachsam, mit großen Respekt für Details.

                                  Über sein Werk “Treason by the Book” hieß es einst in der New York Times: “Es ist ein Buch wie ein Spinnennetz, geschickt, faszinierend und präzise wie chinesische Kalligrafie.” Das Buch handelt von dem Gelehrten Zeng Jing (曾靜), der 1730 versuchte, gegen den damaligen Kaiser Yongzheng (雍正)eine Rebellion anzuzetteln.

                                  Spence erste Veröffentlichung erschien 1966 unter dem Titel “Ts’ao Yin and the K’ang-hsi Emperor – Bondservant and Master”. Im Vorwort schreibt Spence über seinen Protagonisten: Es müssen keine großen Ansprüche formuliert werden bezüglich der Wichtigkeit von Ts’ao Yin. Er war weder einer der großen General der Qing-Dynastie noch eine entscheidende Figur in der Herrschaft von Kaiser K’ang-hsi. Seine Wichtigkeit liegt vielmehr darin, dass der Verlauf seines Lebens uns viel über die Gesellschaft erzählt, in welcher er lebte, und über die Institutionen, in denen er operierte.

                                  Geschichte von Menschen gemacht

                                  In diesen Worten wird der grundlegende Charakter seiner Forschung deutlich: Spence wollte keine Projektion namens China erschaffen. In einer Zeit, als Geschichtsschreibung wenig mehr war als pure Ereignisgeschichte, wagte Spence etwas Revolutionäres: Bei ihm wurde Geschichte nicht von Orten, Daten oder Verträgen gemacht, sondern von Menschen. Er nutzte konkrete Biografien in ihren konkreten chinesischen Bedingungen, um China so darzustellen, wie es zur jeweiligen Zeit war.

                                  Anhand des Lebens historisch verbürgter Gestalten erfährt der Leser bei Spence wie beiläufig die sozialen, kulturellen und politischen Begleitumstände vergangener Zeiten. Spence selbst schrieb einst dazu: “Es ist meine stillschweigende Überzeugung, dass kühne Generalisierungen normalerweise weit von der Wirklichkeit entfernt sind und dass die individuelle Erfahrung selten mit dem angenommenen allgemeinen Trend übereinstimmt.”

                                  Doch sein Stil stieß durchaus auch auf Kritik. Weil Spence seine Charaktere mitunter in wörtlicher Rede auftreten sprechen lässt, werfen ihm einige Kritiker vor, die Grenze zwischen historischer Wahrheit und literarischer Fantasie mitunter zu überschreiten.

                                  Dabei legte Spence großen Wert und Sorgfalt im Umgang mit chinesischen Quellen. Durch Glück und Zufall war es ihm 1962 möglich, als erster Historiker aus dem Westen die kaiserlichen Archive in Taiwan zu besuchen. Damals waren die Dokumente weder organisiert noch katalogisiert, und so arbeitete sich Spence durch Berge von ungeordnetem Papier. In einem Interview 2010 schilderte er, wie ihm erst währenddessen klarwurde, dass er damals die handschriftlichen Notizen des Qing-Kaisers Kangxi (K’ang-hsi, 康熙) in Händen hielt. “Es war etwas, das mich heute noch emotional sehr bewegt.”

                                  Eine Hommage an Sima Qian

                                  Geboren wurde Jonathan Dermot Spence 1936 im englischen Surrey. Nach zwei Jahren als Soldat in Deutschland studierte er zunächst Geschichte in Cambridge, bevor er sich in Yale endgültig auf China fokussierte. Dort unterrichtete er mehr als 40 Jahre bis zu seinem Ruhestand 2008. Mit seiner zweiten Frau Annping Chin lebte er bis zu seinem Tod in West Haven, Connecticut.  

                                  Spence erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise: Für seine Dissertation bekam er den John Addison Porter Prize. 1985 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen, 1992 in die American Philosophical Society, 1997 in die British Academy. 2001 ernannte ihn Queen Elizabeth II. zum Companion of the Order of St. Michael and St. George. Er erhielt Ehrendoktorwürden und Titel unter anderem von den Universitäten in Yale, Oxford, Hongkong, Peking und Nanjing.

                                  Spence chinesischer Name lautet übrigens 史景遷 (Shǐ Jǐngqiān) – es ist eine Hommage an den chinesischen Historiker und Schriftsteller Sima Qian. Dieser gilt als Begründer der chinesischen Geschichtsschreibung, weil er als Erster einen Überblick über mehr als 2000 Jahre chinesischer Geschichte verfasste, vom sagenumwobenen Gelben Kaiser bis in seine Zeit im ersten Jahrhundert vor Christus.

                                  Spence wurde einst gefragt, was eigentlich sein Interesse an China geweckt habe: die jahrtausendealte Geschichte, die wunderschönen Schriftzeichen oder die mächtigen Kaiser auf dem Drachenthron? Nichts dergleichen. Es waren vielmehr einfache chinesische Arbeiter. Sein Vater habe ihn als kleinen Jungen mit ins Kino genommen, sie wollten ein Disney-Film anschauen. Es war 1944 und vor dem Film wurden noch Nachrichten gezeigt, wobei eine Meldung den jungen Spence nachhaltig beeindruckte: einfache chinesische Arbeiter hatten im Kampf gegen japanische Truppen mit ihren bloßen Händen eine Straße durch die Berge gebaut. “Ich fand diese Vorstellung sehr beeindruckend.” Es war diese Faszination für die einfachen Menschen, die Spence sein ganzes wissenschaftliches Arbeiten hindurch antrieb.  

                                  Mit Jonathan Spence hat die Welt einen der wichtigsten China-Kenner verloren.

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                                    Chris Harvey wird bei der Consulting-Plattform XpertiseNow der CEO für den Ableger in Hongkong. Er kommt von dem Wirtschaftsprüfer Deloitte.

                                    Chen Zhongqi ist als Geschäftsführer des Immobilienunternehmens Agile Group in Hongkong ausgeschieden. Er bleibt dem Unternehmen allerdings im Ausschuss für Risikoberwerung erhalten.

                                    Christian Bischof ist jetzt bei der Kion-Gruppe der Leiter der Marke Baoli für die Regionen Europa, Naher Osten und Afrika. Kion Baoli ist ein Unternehmen mit Sitz in Jiangsu.

                                    Dessert

                                    Es ist ein eiskaltes Highlight gleich zu Jahresbeginn: das Eisfestival in Harbin. Sein Ursprung liegt in Harbins traditionellen Laternenshows und Gartenparties, die seit 1963 alljährlich im Winter stattfinden. Inzwischen ist das Festival hochprofessionalisiert und findet auf “Sun Island” statt, einem Gebiet wenige Minuten außerhalb der Stadt. Dort erschaffen mehr als 12.000 Arbeiter bei rund minus 20 Grad eine bunte Welt aus Eis und Schnee. Offizieller Start des Festivals ist zwar erst am 5. Januar. Aber es ist so schön, wer will da schon warten.

                                    China.Table Redaktion

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