Table.Briefing: China

Flugzeugabsturz + Flüssiggas-Aufkauf + Schienen-Seidenstraße

  • Maschine der China Eastern mit 132 Menschen an Bord abgestürzt
  • Wettrennen um Flüssiggas: China sichert sich Lieferungen
  • Ukraine-Krieg trifft auch die Schienen-Seidenstraße
  • Steuer-Hilfen für Kleinunternehmen
  • VW sichert sich Rohstoffe
  • Evergrande-Aktien vom Handel ausgesetzt
  • Infrastruktur für Xinjiang 
  • Envision liefert Akkus an Mercedes
  • Höhere Preise bei BYD
  • Standpunkt Zhang Jun: Die USA werden Chinas Aufstieg nicht bremsen
Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Flugzeugabsturz ist auch dann eine große Nachricht, wenn durch Krieg und Pandemie täglich viele Menschen sterben. Der Schrecken im globalen Maßstab verdrängt nicht die regionalen und persönlichen Tragödien. Und wir haben gelernt, uns auf das Flugzeug als sicheres Verkehrsmittel zu verlassen. Umso größer der Schock, rauchende Trümmer an einem Berghang zu sehen. Schließlich nehmen wir in China den Flieger fast so oft wie einen Bus, um die riesigen Distanzen zu überwinden.

Genauso ein Routineflug zwischen Provinzhauptstädten war es, der am Montag abgestürzt ist. Flug MU5735 war auf dem Weg von Kunming nach Guangzhou. Im Osten von Guangxi ist die Maschine überraschend und fast ungebremst in einen Bambuswald gefallen. Unsere Anteilnahme gilt den 132 Opfern der Katastrophe.

Deutschland sorgt sich derweil um den Nachschub an Gas und Öl – trotz der schrecklichen Ereignisse ist auch das nicht nur eine legitime Sorge, sondern wegen der Frage nach Heizung und Transport sogar essenziell. Um einen Ausfall des russischen Gases auszugleichen, kommt vor allem der Import von Flüssiggas infrage. Es lässt sich auch ohne Pipelines transportieren. Doch ausgerechnet beim Einkauf von Flüssiggas ist China mit seiner hohen Nachfrage ein harter Konkurrent auf dem Weltmarkt, analysiert Ning Wang.

Auch die ökonomischen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs ziehen immer weitere Kreise: Julia Fiedler hat Logistiker befragt, ob die Seidenstraßen-Züge weiterhin rollen. Das tun sie zwar. Doch Probleme ergeben sich an anderer Stelle. Versicherer könnten Ärger machen, wenn die kostbaren Waren durch das sanktionierte Russland reisen. Die Folge: Stornierung von Fracht.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

Analyse

Flugzeug in Guangxi abgestürzt

Das Bild zeigt die Aufprallstelle des abgestürzten Flugzeuges in Guangxi. Es ist ein bewaldeter Hügel zu sehen, der in Flammen steht.
Handy-Foto der Absturzstelle vom Montagnachmittag

Bei einem Flugzeugabsturz in Südchina sind 132 Menschen gestorben. Flug MU5735 war auf dem Weg von Baoshan in der Nähe der Grenze zu Vietnam in Yunnan über die Provinzhauptstadt Kunming nach Guangzhou. Zur Ursache des Absturzes ist noch nichts bekannt.

Die Autonome Region Guangxi mobilisierte Rettungskräfte, doch es gilt als ausgeschlossen, dass Insassen der Boeing 737 überlebt haben. Das Auswärtige Amt konnte am Montag noch nicht sagen, ob sich deutsche Staatsbürger an Bord befanden. Die chinesischen Behörden hatten sich bis zum Abend noch nicht beim Generalkonsulat in Guangzhou gemeldet.

Präsident Xi Jinping ordnete eine zügige Aufklärung der Ursache an. Die US-Luftfahrtaufsicht NTSB schickt einen Repräsentanten, der an der Untersuchung teilnehmen soll. Laut Einschätzung von Luftfahrtexperten werden vermutlich erst der Flugdatenschreiber und der Cockpit-Stimmrekorder Aufschluss über den Hergang der Katastrophe geben. Bisher sei es unmöglich, über die Gründe auch nur zu spekulieren. Es sei aber generell ungewöhnlich, dass Flugzeuge bei gutem Wetter aus ihrer Reiseflughöhe abstürzen. Meist sind es Start, Landung oder außergewöhnliche Situationen, bei denen sich Unglücke ereignen.

Auf der Karte ist der Ort des Flugzeugabsturzes in Guangxi markiert.

Der Flug startete um kurz nach 13 Uhr planmäßig in Kunming, drehte nach Osten und gewann wie vorgesehen an Höhe. Zwischen 14.19 Uhr und 14.22 Uhr fiel die Flughöhe dann jedoch laut Flightradar24 um 6.000 Meter auf 2.700 Meter über dem Meeresspiegel. Das Flugzeug ist also von einem Moment auf den anderen in den freien Fall übergegangen. Wenige Sekunden später endet die Übermittlung von Daten in einer Höhe von 900 Metern über dem Meeresspiegel. Je nach Höhe der Berge muss das schon fast der Moment des Absturzes gewesen sein. Ein Video zeigt ein Flugzeug, das vertikal auf den Boden zurast. Auch auf dem Dashcam-Video eines Autofahrers ist ein ungebremster Absturz erkennbar.

Die Absturzstelle liegt in der Nähe der Stadt Wuzhou in der Autonomen Region Guangxi. Die Gegend ist bergig und bewaldet. China Eastern hat eine Hotline für Angehörige der Passagiere eingerichtet. Das Unternehmen lässt seine Flugzeuge vom Typ 737-800 vorerst am Boden. Der abgestürzte Flieger gehörte nicht zur Modellreihe 737 Max, die nach Problemen mit dem Bordcomputer erst seit kurzem wieder in die Luft darf.

Chinas Flugsicherheit genießt einen guten Ruf

Die Wartung von Flugzeugen durch Chinas teilstaatliche Fluggesellschaften hat grundsätzlich einen sehr guten Ruf. Zu den Anbietern von Wartungsdiensten gehören neben einheimischen chinesischen Firmen auch westliche Namen wie Spirit und Honeywell. Das Geschäft mit Inlandsflügen befindet sich schon längst wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. Das weltweit verbreitete Problem, dass Piloten aus der Übung geraten sind, hat China Eastern also tendenziell nicht.

Mit dem Absturz am Montag endet für die chinesische Luftfahrt eine lange Zeit ohne große, tödliche Unfälle. Zuletzt war 2010 eine Maschine von Henan Airlines abgestürzt. Von 96 Menschen an Bord starben 44. Der einzige große Unfall bei China Eastern liegt noch länger zurück. Er ereignete sich 1989. Einer in Russland gebauten Antonow gelang der Start nicht. Sie stürzte am Flughafen Shanghai in einen Fluss. Damals starben 34 Menschen. Seit dem Wechsel auf eine Flotte moderner Flugzeuge verlief der Betrieb ohne Abstürze und fast ohne Todesfälle.

China Eastern ist fast so groß wie die Lufthansa

China Eastern ist die achtgrößte Fluggesellschaft der Welt. Vor der Pandemie transportierte das Unternehmen laut Statista 130 Millionen Passagiere jährlich, fast so viel wie die Lufthansa, die auf 145 Millionen kam. Das Durchschnittsalter der Flotte beträgt 7,3 Jahre. Das Unternehmen hat 583 Maschinen im Einsatz. Es besitzt im aktiven Dienst 480 Flugzeuge von Airbus und Boeing für die Kurz- und Mittelstrecke sowie 91 Flugzeuge für die Langstrecke. Gut drei Viertel der Flugzeuge stammen vom europäischen Anbieter Airbus.

Der Markenname China Eastern ist 1988 entstanden, als das Flugbetriebsamt CAAC in sechs privatwirtschaftlich arbeitende Firmen aufgeteilt wurde. Wie der Name schon sagt, liegt das Kerngebiet der Streckenangebote im Osten des Landes. Das wichtigste Drehkreuz ist Shanghai. Von hier aus bieten die Strecken nach Kunming eine wichtige Verkehrsverbindung ins Landesinnere.

Flugzeugabsturz in Guangxi

Auf chinesischen Sozialmedien spekulierten Flug-Enthusiasten über Kürzungen beim Etat für Kontrolle und Reparaturen bei China Eastern. Doch da die Ursache noch völlig unklar ist, lässt sich auch hier kein Zusammenhang zu dem Absturz herstellen. Laut Geschäftsberichten sanken die Wartungskosten von 2019 auf 2021 um zwölf Prozent. Doch das kann mit dem Ausfall eines großen Teils des internationalen Geschäfts zusammenhängen.

  • Industrie
  • Luftfahrt

Der große Hunger nach Flüssiggas

Das Bild zeigt einen Frachter, auf dem LNG nach China importiert wird. Der Frachter dockt dabei in Tianjin an.
Angedockt – die erste Lieferung von Flüssigerdgas von Qatar Petroleum erreicht das LNG-Terminal in Tianjin

Russlands Krieg in der Ukraine gefährdet die Energieversorgung Deutschlands und vieler anderer EU-Staaten. Intern berät die Bundesregierung schon über Notfallpläne, welche Unternehmen und Sektoren bei einem Gas-Embargo zuerst verzichten müssten. Innerhalb kürzester Zeit will Deutschland seine Gasabhängigkeit von Russland nun beenden. Erst am Wochenende war Wirtschafts- und Klimaminister Habeck deswegen in Katar zu Besuch, um Deutschland Erdgas-Importe zu sichern. Das Emirat ist einer der weltweit größten Exporteure von Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas, LNG). Doch bisher liefert Katar vor allem nach Asien.

Denn während sich Deutschland jahrelang auf Russland als Hauptlieferant verlassen hat, haben China und andere Staaten Asiens ihre Importe schon früher diversifiziert. Auch, wenn das LNG teurer ist, da es erst energie- und kostenintensiv aufgearbeitet werden muss. Das führte kürzlich zu der skurrilen Situation, dass China drei LNG-Lieferungen aus den USA an Europa weiterverkauft hat – mit einem saftigen Preisaufschlag (China.Table berichtete).

Deutschland steigt spät ein, um seine Gas-Importe zu diversifizieren. Währenddessen unterzeichnen LNG-Käufer aus China immer mehr Verträge für langfristige Lieferungen. Zwar hat auch China in den vergangenen Jahren noch knapp die Hälfte seines Bedarfs durch kurzfristige Bestellungen gedeckt. Doch Experten registrieren eine Verschiebung hin zu Verträgen für Lieferungen, die weit in der Zukunft liegen. Sindre Knutsson von der Beratungsfirma Rystad Energy hat für die ersten beiden Monate dieses Jahres sogar einen Rückgang des kurzfristig bestellten Anteils auf zehn bis zwanzig Prozent ausgemacht. Die Wende zu Langfristverträgen hat also schon vor dem Beginn der Invasion in die Ukraine begonnen.

Peking sichert sich langfristige Verträge

Grund für das Bedürfnis nach langfristiger Absicherung sind die steigenden Preise. Im Februar verdoppelte sich sogar das Bestellvolumen Chinas bei russischen Anbietern im Vorjahresvergleich. Auch ohne den Angriffskrieg Putins in der Ukraine war schon klar, dass russisches Gas künftig vermehrt nach Peking gehen soll statt nach Europa. Grund ist die Strategie, auf möglichst viele verschiedene Bezugsquellen auszuweiten. Gazprom-Chef Alexej Miller kündigte fast zeitgleich Pläne für den Bau einer weiteren Pipeline nach China an. Der russische Anteil an den Lieferungen in Richtung China betrug auch nach der Verdoppelung nur acht Prozent.

Im vergangenen Jahr bereits haben China und Südkorea die weltweite Nachfrage nach LNG angeführt. China steigerte seine LNG-Importe um 12 Millionen Tonnen auf 79 Millionen Tonnen und überholte damit Japan als weltweit größten LNG-Importeur, wie Daten von S&P Global Commodity Insights zeigen. Energie-Experten prognostizieren, dass die Volksrepublik 2022 zum größten Importeur von LNG aufsteigen wird. Dabei kauft China erst seit 2006 Erdgas aus dem Ausland.

Im Jahr 2019, vor der weltweiten Pandemie, deckte China seinen Bedarf an Erdgas zu über 42 Prozent durch ausländische Quellen ab. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass im Jahr 2030 über 60 Prozent des chinesischen Erdgasbedarfs durch Importe gedeckt werden müssen. Einen Teil davon soll LNG übernehmen.

Doch trotz der LNG-Importe ist auch Russland weiterhin ein wichtiger Lieferant für China. 2014, im Jahr der russischen Krim-Annektion, unterzeichneten China und Russland einen 30-Jahres-Vertrag über 400 Milliarden US-Dollar zur Lieferung von russischem Erdgas nach China. Seit Dezember 2019 liefert die 55-Milliarden-Dollar teure Pipeline “Power of Siberia” erste Erdgaslieferungen von Russland nach China (China.Table berichtete). Als Putin und Xi sich am 4. Februar im Vorfeld der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking persönlich trafen, einigten sich beide auf weitere Gaslieferungen aus Russland.

Diversifizierung wichtiger als der Preis

Doch Russland ist bisher nur ein kleiner Lieferant für China. Die größten Teile der LNG-Lieferungen kamen bisher vor allem aus Australien, Katar, Malaysia und Turkmenistan. Laut dem Energie-Analysehaus Wood Mackenzie verbrauchte China im vergangenen Jahr schätzungsweise 370 Milliarden Kubikmeter LNG. Bis 2025 soll dies auf 475 Milliarden Kubikmeter ansteigen, wobei bis zur Hälfte des Bedarfs importiert werden muss.

Dass Peking dennoch keine zu großen Abhängigkeiten eingehen will und seine Quellen diversifiziert, zeigen auch die jüngsten Zukäufe aus den USA. Wegen Verzögerungen bei LNG-Exportprojekten in Kanada, an denen Chinas Staatskonzern Petrochina beteiligt ist, und in Mosambik, wo sowohl Petrochina als auch der Energieriese China National Offshore Oil (CNOOC) investiert haben, wurden Gaslieferungen aus den USA attraktiv. Noch 2019 kam der gesamte Gashandel zwischen beiden Ländern im Zusammenhang der Handelsstreitigkeiten zwischen Peking und Washington unter der Regierung von Donald Trump zum Stillstand. Danach allerdings haben nordamerikanische LNG-Exporteure ihre Kapazitäten aufgrund der Nachfrage in den großen asiatischen Volkswirtschaften wieder erweitert.

Chinas Staatsfirmen bauen zudem die Lager-Infrastruktur aus, um die erwarteten Lieferungen überhaupt aufnehmen zu können. Die China National Offshore Oil Corporation baut derzeit sechs der weltweit größten LNG-Speichertanks. Die Fundamente stehen schon, wie der führende Anbieter von LNG in China kürzlich bekannt gab.

Bis 2040 steigt die Nachfrage nach LNG auf über 700 Millionen Tonnen

Wie beliebt das verflüssigte Erdgas auf den Weltmärkten werden könnte, zeigt der neuste LNG-Bericht von Shell. Bis zum Jahr 2040 werden mehr als 700 Millionen Tonnen pro Jahr nachgefragt werden, so die Prognosen. Das wäre ein Anstieg von 90 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Es wird erwartet, dass Asien – vor allem China – den Großteil dieses Wachstums verbrauchen wird, da die inländische Gasproduktion zurückgeht, die Wirtschaft wächst und LNG Emissions-intensivere Energiequellen ersetzt. In den kommenden Monaten und Jahren wird es einen Run auf LNG geben.

Die große Frage ist: Wie können sich Deutschland und Europa kurzfristig Anteile am Weltmarktangebot sichern, wenn ein großer Teil des LNG in langfristigen Verträgen gehandelt wird? Und wie weit werden die Preise für Flüssigerdgas weiter steigen? Auf Robert Habeck werden noch viele anspruchsvolle Reisen zukommen. Und China wird ein zahlungskräftiger und gut vernetzter Konkurrent um die knappe Ressource bleiben.

  • Energie
  • Geopolitik
  • Klima

Störungen auf der Schienen-Seidenstraße

Aufgrund des Ukraine-Krieges kommt es auf der Schienen-Seidenstraße zu Störungen.
Containerterminal in Malaszewicze an der Grenze zwischen Belarus und Polen.

Die “eiserne Seidenstraße” ist längst keine romantische Idee mehr, sondern eine Realität des Gütertransports zwischen China und Europa. Die Pandemie hatte dem Transport per Zug sogar einen regelrechten Boom beschert. Im Jahr 2021 wurden auf der Schiene Waren im Wert von knapp 70 Milliarden Euro von Ost nach West transportiert – 50 Prozent mehr als 2020. Und zehnmal so viel wie noch 2016. Vor allem Maschinenteile, Autoteile, Elektronik, aber auch andere Produkte wie Metall- und Chemieerzeugnisse oder Kleidung stecken in den Containern.

Doch wegen des Kriegs in der Ukraine steht die Verlässlichkeit der Schienenwege infrage. Knackpunkt sind bisher weniger die Kämpfe selbst. Denn die gängigen Routen verlaufen ohnehin nicht durch die Ukraine. Die Sorge gilt stattdessen rechtlichen Problemen wie Sanktionen und dem Versicherungsschutz. “Es wäre keine Überraschung, wenn Unternehmen, die ihre Waren vor der Invasion auf der Schiene versenden wollten, nun auf den langsameren, aber zuverlässigeren Seeweg umsteigen”, sagt Jacob Gunter, Wirtschaftsexperte bei dem Forschungsinstitut Merics. Gunter sieht die Unsicherheit durch das sich schnell ändernde geopolitische Umfeld als erhebliches Risiko für den Güterverkehr auf der Schiene. Das werde die Probleme der Lieferkette verschärfen, da zuletzt viele Transporte auf die Schiene verlagert wurden.

Die Auswirkungen zeigen sich bereits in der Praxis. Obwohl die Züge bislang zuverlässig rollen, stornieren Unternehmen zum Teil ihre Buchungen für Schienentransporte, berichtet ein Sprecher der Duisburger Hafen AG. Der Hafen ist nach Hamburg das zweitwichtigste Terminal für die Güterzugverbindung Deutschland-China. Eine häufige Befürchtung der Unternehmen sei, dass internationale Versicherer den Versicherungsschutz durch Belarus und Russland kündigen könnten, so der Sprecher.

Auch Sanktionen seien eine Sorge, so die Hafengesellschaft. Aktuell werde der Transport auf der Schiene durch die Sanktionen gegen Russland zwar noch nicht wesentlich erschwert. Bei den Unternehmen komme diesbezüglich aber Unsicherheit auf. Je weitere Kreise die Sanktionen ziehen, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch reine Transporte mit Misstrauen betrachtet werden.

Schienen-Seidenstraße: Es gibt erste Stornierungen

Die Sorge um die Auswirkungen der Sanktionen ist nachvollziehbar. Schließlich sind die Lieferungen nach Russland und Belarus längst von den Strafmaßnahmen westlicher Länder betroffen. Auf dem Weg von China nach Deutschland verläuft ein Großteil der am meisten befahrenen nördlichen Strecke quer durch Russland und von dort über Belarus nach Polen. Der Logistiker DHL berichtet nun, dass Zugtransporte in die beiden sanktionierten Länder bis auf Weiteres ausgesetzt sind.

Auf der eisernen Seidenstraße werden Waren aus China nach Europa transportiert. Der Ukraine-Krieg führt nun jedoch zu Störungen im Verkehr.

Derzeit rollt also der Durchgangsverkehr von China nach Europa und umgekehrt, während Züge mit dem Ziel der großen Durchgangsländer ausfallen. Eine beunruhigende Situation. Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik merkt an, dass aus diesem Grund mehr und mehr Unternehmen nach Alternativen zur Nordroute suchen. Die Firmen interessieren sich insbesondere für die Südroute der Seidenstraße in die Türkei, die nicht durch russisches Gebiet führt. Allerdings dauert diese Strecke nach Deutschland viel länger, da sie Schiffspassagen umfasst. Der Logistik-Verband rechnet mit einem stetigen Rückgang der Transporte. Die Lage sei aber weiterhin sehr dynamisch und könne sich jederzeit ändern.

Manche Unternehmen setzen auch jetzt noch weiter auf den Transport mit dem Zug, beobachten die Situation aber ganz genau. Der Automobilzulieferer Conti hat verschiedene Krisenteams eingerichtet, um mit geeigneten Maßnahmen zielgerichtet und schnell auf mögliche Auswirkungen auf die Lieferketten reagieren zu können. Es gebe entsprechende Notfallpläne, die Sicherheitsvorräte und alternative Lieferanten umfassten. So solle dazu beigetragen werden, die Rohstoffversorgung abzusichern.

Beendet der Krieg den Seidenstraßen-Boom?

Ohne Probleme war der Transport auf der Schiene nie: Einerseits drosseln die unterschiedlichen Spurweiten das Tempo. An Grenzübergängen kann es zudem stocken, Rückstaus entstehen. So gab es an der Grenze China-Kasachstan wegen Corona-Maßnahmen Verspätungen von sechs Tagen. An der Grenze zur Mongolei bremst dagegen die schwache Infrastruktur und an der Grenze zu Russland behindern Wagen- und Ressourcenmangel der russischen Bahn die ungehinderte Fahrt. Dazu kommen politische Probleme in den Ländern entlang der Route. Zuletzt waren im Januar Unruhen in Kasachstan ein Unsicherheitsfaktor. Auch Korruption spielt eine Rolle. Hochpreisige Waren gehen auf dem Weg nach China zuweilen “verloren”, was zur Entscheidung gegen die Schiene beiträgt. 

Mehr als 90 Prozent der Waren, die von China nach Europa kommen, werden daher per Schiff transportiert. Die Schiene spielt insgesamt nur eine kleine Rolle für den Warenverkehr zwischen China und Europa. Vom Volumen her betrachtet, kommt sie nur auf ein Prozent. Wenn man auf den Warenwert blickt, sind es immerhin drei Prozent.

Doch gerade für wertvolle Güter wie Elektronikteile für Autos hat die Schiene sich fest als Transportweg etabliert. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 32 Kilometer pro Stunde: Das ist noch immer deutlich schneller als der Seeweg und dabei viel günstiger als das Flugzeug. “Die Schiene ist auch deswegen die schnellste Option für die Logistik geworden, weil ein Großteil der Luftfracht, die normalerweise zu Passagierflügen zwischen China und Europa hinzugefügt wird, zum Erliegen kam, als China seine Grenzen Anfang 2020 effektiv geschlossen hat”, so Merics-Ökonom Gunter.

China: Die Schiene ist politisch

Die Schiene ist jedoch gerade für China auch politisch relevant. Das weitverzweigte Bahnnetz der neuen Seidenstraße, die China und Europa verbindet, ist zwar nur ein kleiner Teil der Belt-and-Road-Initiative. Es ist aber besonders wichtig, wie sich an den hohen Subventionen zeigt, die ihm zufließen. Das Prestigeprojekt von Xi Jinping kann durchaus beeindrucken: Alle 30 Minuten fährt inzwischen ein Güterzug von China nach Europa. Bisher wurden mehr als 50.000 Fahrten abgewickelt. Es gibt 78 Verbindungen in 180 Städte, die in 23 europäischen Ländern liegen. Dabei spielt neben dem Warentransport vor allem der Aufbau von Beziehungen und wirtschaftlicher Einfluss in den Partnerländern eine Rolle.

Die Probleme, die nun auf und entlang dieser Strecke entstehen, trüben nicht nur das positive Image der zuverlässigen Schiene, sondern auch die Zukunftsperspektiven der Partnerschaften in Osteuropa. “Peking hat im Jahr 2021 die Beziehungen zu Kiew etwas aufgewärmt. Die Präsidenten Selenskyj und Xi haben die Möglichkeit diskutiert, die Ukraine zu einem Tor nach Europa zu machen”, erklärt Gunter. “China wollte durch die Ukraine einen alternativen Bahn-Eintrittspunkt in die EU schaffen.” Das Ziel war unter anderem, die Abhängigkeit von Belarus zu verringern, sowie von Litauen. Das kleine Land hatte sich den Zorn Pekings zugezogen, indem es sich für Taiwan erwärmte (China.Table berichtete).

Mit der russischen Invasion sind solche Pläne natürlich auf Eis gelegt. Xis gemeinsame Erklärung mit Putin im Februar 2022, in der er eine Freundschaft “ohne Grenzen” zwischen den beiden erklärt hat, macht erst einmal jede Kooperation zwischen Kiew und Peking unmöglich. Sollte China Russland regelrecht zur Hilfe eilen, würde eine Wiederaufnahme der Projekte noch schwerer werden, glaubt Gunter. Julia Fiedler

  • Handel
  • Neue Seidenstraße
  • Russland
  • Ukraine

News

Steuer-Geschenk für kleine Unternehmen

Die chinesische Regierung greift heimischen Kleinunternehmen mit milliardenschweren Steuersenkungen unter die Arme. Für sie seien Steuererleichterungen von fast einer Billion Yuan (rund 143 Milliarden Euro) beschlossen worden, so der staatliche Sender CCTV am Montag nach einer Kabinettssitzung. China werde außerdem Maßnahmen ergreifen, um das Vertrauen in die Märkte zu stärken und die Entwicklung der Kapitalmärkte stabil und gesund zu halten.

Der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt macht das Aufflammen der Coronavirus-Pandemie zu schaffen. Die Ausbreitung der hochinfektiösen Omikron-Variante hat in diesem Monat wichtige Produktionszentren wie Shenzhen und Dongguan getroffen. Dort standen in vielen Werken die Bänder still – von Fabriken für den Bau von Computer-Zubehör wie Flash-Laufwerken bis hin zu Autoteilen.

Die Regierung will in diesem Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von etwa 5,5 Prozent erreichen. Dafür dürfte die Zentralbank in den kommenden Monaten ihre Zinsen senken, um mit billigeren Krediten sowohl die Investitionen als auch den Konsum anzuschieben, sagen Experten. Das chinesische Kabinett hat diese geldpolitische Unterstützung auch zugesagt. Allerdings haben die Offiziellen auch davor gewarnt, den Markt nicht mit Liquidität zu überschwemmen, wie Bloomberg berichtet. rtr/nib

  • Coronavirus
  • Finanzen
  • Gesundheit
  • Steuern

Volkswagen sichert sich Rohstoffe für E-Autos

Angesichts der steigenden Rohstoffpreise sichert sich der Volkswagen-Konzern die für das Wachstum in der Elektromobilität benötigten Mengen an Nickel und Kobalt in China durch Partnerschaften. Dazu unterzeichneten die Wolfsburger Absichtserklärungen mit den Firmen Huayou Cobalt und Tsingshan Group zur Gründung von zwei Gemeinschaftsunternehmen. Eines soll sich auf die Weiterverarbeitung von Batterierohstoffen in Indonesien konzentrieren. Das andere soll sich auf die Herstellung von Nickel- und Kobaltsulfaten sowie von Kathodenmaterial für Lithium-Ionen-Batterien spezialisieren. Die beiden Joint-Ventures sollen dazu beitragen, die Kosten pro Batterie langfristig um 30 bis 50 Prozent zu senken, wie Volkswagen in China mitteilte.

Die Preise für E-Auto-Rohstoffe sind in jüngster Zeit stark gestiegen. Der CEO von Li Auto, Li Xiang, nannte den Preisanstieg am Wochenende in einem Social-Media-Beitrag sogar “absurd”, wie Bloomberg berichtet. Li geht davon aus, dass viele Hersteller ihre Preise anheben müssen, sobald die Batterielieferanten anfangen, höhere Preise zu verlangen. nib/rtr

  • Autoindustrie

Aktien von Evergrande aus dem Handel genommen

Die Börse in Hongkong hat am Montag die Aktien des angeschlagenen Immobilienentwicklers Evergrande vom Handel ausgesetzt. Auch der Handel mit Anteilsscheinen der E-Auto-Tochter Evergrande NEV und einer Dienstleistungstochter wurde vorerst eingestellt, wie Bloomberg berichtet. Das Unternehmen und die Börse haben keine offiziellen Gründe genannt.

Im Januar hatte der hoch verschuldete Konzern angekündigt, in den nächsten sechs Monaten einen vorläufigen Restrukturierungsplan vorzulegen. Das Unternehmen hat Verbindlichkeiten in Höhe von umgerechnet gut 300 Milliarden US-Dollar. Zulieferer hatten in jüngster Vergangenheit Druck gemacht, damit ausstehende Zahlungen geleistet werden. Auch Immobilienkäufer hatten vor einigen Evergrande-Büros protestiert, da sie in Vorauszahlungen geleistet haben und um die Fertigstellung ihrer Häuser und Wohnungen bangen (China.Table berichtete). nib

  • Evergrande
  • Hongkong
  • Immobilien

Milliarden für Xinjiang

China hat ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm in Xinjiang gestartet. Die Region habe kürzlich fast 4.500 Bauprojekte gestartet, berichtete am Freitag die offizielle Zeitung Xinjiang Daily. Sie seien Teil des mehrjährigen Programms mit einem Volumen von 1.75 Billionen Yuan (249 Milliarden Euro) für die Region. 27 der angestoßenen Projekte seien Großprojekte mit mehr als fünf Milliarden Yuan Investitionsumfang, so das Blatt, ohne Details zu nennen.

Nach Angaben der South China Morning Post gehören die Projekte zu dem gigantischen Stimulusprogramm, mit dem Peking im ganzen Land die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie einleiten will. Der Start dieser Großprojekte scheine ein Zeichen dafür zu sein, dass Peking zuversichtlich ist, die Gesellschaft im Griff zu haben, zitierte die Zeitung einen ungenannten Beobachter. Daher könne sich die Xinjiang-Politik wieder der wirtschaftlichen Entwicklung zuwenden. Diese Verschiebung zeige sich mit dem Wechsel des KP-Chefs für Xinjiang. Ma Xingrui, vormals Gouverneur der Boomprovinz Guangdong und ein prominenter Technokrat, hatte Ende Dezember 2021 die Nachfolge von Chen Quanguo übernommen (China.Table berichtete).

Chen war der Chefarchitekt eines Programms zur sozialen Kontrolle der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten in Xinjiang. Laut glaubwürdigen Berichten sollen mindestens eine Million Uigur:innen in Umerziehungslagern interniert gewesen sein – oder sich noch immer dort befinden. Hinzu kommen Vorwürfe von Zwangsarbeit und Zwangssterilisationen.

Peking hat bisher keinen Nachfolge-Posten für Chen Quanguo bekannt gegeben. Er erscheint laut South China Morning Post jedoch weiterhin bei Treffen des Politbüros. Wie weit eine mögliche Entspannungspolitik unter Ma Xingrui gehen kann, ist noch unklar. Die Zeitung zitierte Bewohner der Region, dass einige Straßensperren abgebaut wurden und manche kulturellen Veranstaltungen wieder stattfinden dürften. ck

  • Menschenrechte
  • Xinjiang
  • Zivilgesellschaft

Envision liefert Batterien an Mercedes

Das Shanghaier Unternehmen Envision Group hat eine Partnerschaft mit Mercedes-Benz im Bereich Batteriemodule für die E-Auto-Produktion abgeschlossen. Das Tochterunternehmen Envision AESC soll die Batterien für die vollelektrischen SUVs EQS and EQE liefern, die im US-Bundesstaat Alabama hergestellt werden. Envision zählt auch Renault, Nissan und Honda zu seinen Kunden. Es befindet sich zu 80 Prozent im Besitz der Envision Group. Die restlichen 20 Prozent hält Nissan.

Das Unternehmen gab zudem bekannt, eine zweite Batteriefabrik in den USA bauen zu wollen, ohne allerdings Details zu nennen. Bis zum Jahr 2025 will das Unternehmen eine jährliche Kapazität zur Produktion von E-Auto-Batterien in Höhe von 300 Gigawattstunden erreichen. Derzeit ist Envision der weltweit neuntgrößte Batteriehersteller mit einem Marktanteil von 1,4 Prozent. Die Envision Group stellt zudem Windkraftanlagen her. nib

  • Autoindustrie

BYD erhöht Preise

Der chinesische Autohersteller BYD hat erneut die Preise angehoben. Die Fahrzeuge der Serie Dynasty kosten seit Mittwoch 3.000 Yuan (430 Euro) mehr, die der Serie Ocean 6.000 Yuan (860 Euro). Als Grund habe das Unternehmen die steigenden Kosten für Rohstoffe genannt, berichtet Bloomberg. Wichtige Rohstoffe sind zuletzt deutlich teurer geworden. Das gilt insbesondere für Nickel, ein wichtiges Metall für E-Auto-Batterien. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Preis für Nickel verdreifacht.

Es ist die zweite Preisanpassung in weniger als zwei Monaten. Im Januar waren die Fahrzeuge bereits um bis zu 7.000 Yuan (1.000 Euro) teurer geworden, damals kam als Grund auch noch die Senkung der staatlichen Subventionen für E-Autos hinzu. China will diese dieses Jahr um 30 Prozent senken und Ende des Jahres ganz abschaffen

Preiserhöhungen hatte diese Woche daher auch schon Tesla in China bekannt gegeben, und das gleich zweimal. Beim Model Y Long Range und dem Model 3 Performance erhöhte Tesla den Preis zunächst um 18.000 Yuan (2.570 Euro), dann noch einmal um weitere 10.000 Yuan (1.430). 

BYD ist einer der größten Elektroauto-Hersteller Chinas. Im Februar setzte das Unternehmen 87.473 Elektroautos und Plug-in Hybride ab. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt rund 600.000. jul

  • Autoindustrie

Standpunkt

Chinas Absicherung gegen geopolitische Schocks

Von Zhang Jun
Zu sehen ist Zhang Jun, Direktor des Thinktanks China Center for Economic Studies in Shanghai: Er schreibt über die Absicherung Chinas gegenüber geopolitischen Schocks.
Zhang Jun ist Direktor des Thinktanks China Center for Economic Studies in Shanghai.

In Hinblick auf geopolitische Auswirkungen könnte wohl nichts von größerer Bedeutung sein als der Schwenk der Vereinigten Staaten von strategischer Kooperation hin zu einem strategischen Wettbewerb mit China. Wie aus einem Ende letzten Jahres veröffentlichten Bruegel-Bericht hervorgeht, stimmt dieser Sinneswandel zahlreiche Beobachter pessimistisch, wenn es um die chinesischen Wirtschaftsaussichten geht. Man geht offenbar davon aus, dass China keine andere Wahl hat, als von seinem erfolgreichen Entwicklungspfad abzuweichen und einen weniger florierenden Kurs mit einer Hinwendung nach innen einzuschlagen, und dies unter einem Staat, der vollständige Kontrolle über die Wirtschaft ausübt, um sich gegen geopolitische Schocks abzusichern. Doch bei Chinas Bestrebungen, in gewissen Bereichen seine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu fördern, handelt es sich um vernünftige Reaktionen auf externen Druck – und keineswegs um Anzeichen des Niedergangs seines Wirtschaftsmodells oder seiner Perspektiven.

In den letzten Jahren haben die USA ihre Bemühungen zur “Eindämmung” des chinesischen Aufstiegs intensiviert. Neben der Einführung von Zöllen und nichttarifären Hemmnissen für Einfuhren aus China wurden chinesische Investitionen eingeschränkt, indem man beispielsweise chinesische Unternehmen daran hinderte, Firmen in einigen High-Tech-Sektoren in den USA zu erwerben. Außerdem setzten die USA weiterhin chinesische Firmen auf ihre sogenannte Entity List. Dadurch verwehrte man diesen Unternehmen den Zugang zu amerikanisch kontrollierten kritischen Technologien wie Halbleitern, hielt US-Kapital von einigen strategischen Branchen Chinas fern und verdrängte chinesische Unternehmen von US-Börsen.

Eine Frage der Zeit bis China technologisch zu den USA aufschließt

Wie mein Ko-Autor, Shuo Shi, und ich in einer 2020 erschienenen Arbeit zeigen, könnte diese Politik nur zu eskalierenden strategischen Kosten für die USA führen. Und entgegen der landläufigen Meinung sind ihre längerfristigen Auswirkungen womöglich sehr begrenzt, geschweige denn ausreichend, um den Aufstieg der chinesischen Wirtschaft zu beenden.

Ein noch bedeutenderer Punkt wird in dieser Diskussion übersehen. China hat hinsichtlich seiner technologischen Stärke gemessen am Wert des akkumulierten Sach- und Humankapitals bereits eine kritische Schwelle überschritten. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis China technologisch zu den USA aufschließt.

Die chinesische Führung machte deutlich, dass sich das Land schneller in Richtung weltweiter technologischer Parität bewegen muss, um die Gefahr aufgrund geopolitischer Auswirkungen zu mildern. In den letzten Jahren hat die Regierung die Ausgaben erhöht, um Chinas Kapazitäten in grundlegenden und strategischen Sektoren zu stärken, darunter Bildung, Wissenschaft und Technologie, Landwirtschaft und erneuerbare Energien. Außerdem wurde die rasche Entwicklung von Branchen der Spitzentechnologie wie Big Data, Cloud Computing, 5G und künstliche Intelligenz unterstützt.

5G-Ausbau ist nicht nur eine Reaktion auf geopolitische Schocks

In ähnlicher Weise hat China gemäß seines Fünfjahresplans auch sein digitales Infrastruktursystem ausgebaut. Laut Angaben des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie hat China bereits 1,4 Millionen 5G-Basisstationen errichtet – mehr als 60 Prozent der weltweiten Gesamtzahl. Allein im letzten Jahr wurden über 650.000 dieser Stationen gebaut.

Bei diesen Bemühungen handelt es sich nicht einfach nur um eine Reaktion auf die Eindämmungsstrategien der USA und geopolitische Schocks, sondern größtenteils um eine Antwort auf die sich von innen ergebende Notwendigkeit, ein weiter fortgeschrittenes Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung zu erreichen. In Anbetracht dieser Sachlage haben die Bestrebungen der USA zur Eindämmung Chinas vielleicht am meisten dazu beigetragen, Chinas Schwächen zu verdeutlichen und weitere Fortschritte bei deren Beseitigung anzustoßen.

Die chinesischen Behörden glauben nicht, dass die amerikanische Eindämmungspolitik China aus dem bestehenden globalen Wirtschaftssystem herausdrängen, geschweige denn, ihr Land dazu bringen wird, ein nach innen gerichtetes, staatlich kontrolliertes Entwicklungsmodell anzustreben. Prognosen, wonach die US-Politik derartige Wirkungen entfalten würde, unterschätzen die Zuwächse im Bereich Wettbewerbsfähigkeit, die Chinas wirtschaftlichem Aufstieg in den letzten zwei Jahrzehnten vorangetrieben haben sowie auch dessen tiefgreifende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. 

Peking will weiter Verbindung zu internationalen Märkten

China hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aufgebaut und enormes Sach- und Humankapital angehäuft. Außerdem ist das Land eng in die weltweite Produktion eingebunden – und bildet dabei ihren zentralen Angelpunkt – und hat ergänzend dazu Beziehungen zu fortgeschrittenen Volkswirtschaften aufgebaut. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass China in umfassender Weise aus den globalen Lieferketten verdrängt wird.

Tatsächlich verfolgte China auch während des Aufbaus von Widerstandskraft im Inneren auch weiterhin die Wirtschaftsliberalisierung, wie etwa durch die Verbesserung des Geschäftsklimas, die Schaffung eines offeneren Finanzsektors und die Errichtung zahlreicher weiterer Freihandelszonen. Und die Regierung setzt sich auch weiterhin für die Liberalisierung des Binnenmarktes ein, um die Verbindung zu den internationalen Märkten aufrechtzuerhalten.

Abgesehen von den geopolitischen Herausforderungen muss sich China mit eigenen innerstaatlichen Problemen auseinandersetzen, angefangen bei der Fertilitätskrise. Obwohl die chinesische Regierung ihre übermäßig restriktive Geburtenpolitik gelockert hat, sind Erfahrungen in Ostasien ein Hinweis darauf, dass die Geburtenrate, wenn auch langsamer, doch weiter sinken könnte.

Rentenalter in China wird steigen

Um dem Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter Einhalt zu gebieten, wird China wohl bald das Rentenalter anheben. Zur Absicherung gegen die Auswirkungen einer alternden Bevölkerung auf das künftige Wirtschaftswachstum, wird die Regierung weiterhin die Investitionen in Bildung erhöhen, um so die Qualifikationen der Arbeitskräfte zu fördern und langfristig die Arbeitsproduktivität zu steigern.

Um das Wachstumspotenzial der Wirtschaft zu steigern und auszuschöpfen, gilt es für China, sich dringend produktivitätssteigernden Strukturreformen zu verpflichten. Hier sollte China Lehren aus ostasiatischen Volkswirtschaften ziehen, wo auf eine Phase hohen Wachstums fast immer eine Verlangsamung des Wachstums der totalen Faktorproduktivität folgte.

Eine dieser Lehren besteht darin, dem politischen Druck zu widerstehen, Ressourcen in weniger produktive Regionen zu leiten. Eine andere Lehre ist, Überinvestitionen in Bereiche wie Immobilien zu vermeiden, die nicht viel zum Produktivitätswachstum beitragen und makroökonomische Instabilität verursachen.

Reformen müssen beschleunigt werden

Aus diesem Grund muss die chinesische Regierung herausfordernde Strukturreformen in Angriff nehmen, im Rahmen derer Fehlallokation von Ressourcen korrigiert werden und ein Produktivitätswachstum ermöglicht wird, für das nach wie vor großer Spielraum besteht. So sollte China beispielsweise seine Wirtschaft stärker für privates Kapital öffnen. Dies würde dazu beitragen, zusätzliche Ressourcen in produktivere, unternehmerische Sektoren zu lenken, die sie effizienter und kreativer einsetzen würden als staatliche Unternehmen.

Das Wachstums- und Produktivitätspotenzial Chinas ist noch lange nicht ausgeschöpft und weder die Eindämmungspolitik der USA noch geopolitische Schocks werden diese Entwicklung bremsen. Um jedoch sein Potenzial auszuschöpfen, muss China – wie schon Ende der 1990er Jahre – seine Bemühungen um Strukturreformen beschleunigen und die Ressourcenallokation durch die Förderung eines gerechteren, wettbewerbsfähigeren und stärker marktorientierten Systems verbessern.

Zhang Jun ist Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fudan und Direktor der in Shanghai ansässigen Denkfabrik China Center for Economic Studies. Übersetzung: Helga Klinger-Groier.

Copyright: Project Syndicate, 2022.
www.project-syndicate.org

  • Geopolitik
  • USA

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Maschine der China Eastern mit 132 Menschen an Bord abgestürzt
    • Wettrennen um Flüssiggas: China sichert sich Lieferungen
    • Ukraine-Krieg trifft auch die Schienen-Seidenstraße
    • Steuer-Hilfen für Kleinunternehmen
    • VW sichert sich Rohstoffe
    • Evergrande-Aktien vom Handel ausgesetzt
    • Infrastruktur für Xinjiang 
    • Envision liefert Akkus an Mercedes
    • Höhere Preise bei BYD
    • Standpunkt Zhang Jun: Die USA werden Chinas Aufstieg nicht bremsen
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    ein Flugzeugabsturz ist auch dann eine große Nachricht, wenn durch Krieg und Pandemie täglich viele Menschen sterben. Der Schrecken im globalen Maßstab verdrängt nicht die regionalen und persönlichen Tragödien. Und wir haben gelernt, uns auf das Flugzeug als sicheres Verkehrsmittel zu verlassen. Umso größer der Schock, rauchende Trümmer an einem Berghang zu sehen. Schließlich nehmen wir in China den Flieger fast so oft wie einen Bus, um die riesigen Distanzen zu überwinden.

    Genauso ein Routineflug zwischen Provinzhauptstädten war es, der am Montag abgestürzt ist. Flug MU5735 war auf dem Weg von Kunming nach Guangzhou. Im Osten von Guangxi ist die Maschine überraschend und fast ungebremst in einen Bambuswald gefallen. Unsere Anteilnahme gilt den 132 Opfern der Katastrophe.

    Deutschland sorgt sich derweil um den Nachschub an Gas und Öl – trotz der schrecklichen Ereignisse ist auch das nicht nur eine legitime Sorge, sondern wegen der Frage nach Heizung und Transport sogar essenziell. Um einen Ausfall des russischen Gases auszugleichen, kommt vor allem der Import von Flüssiggas infrage. Es lässt sich auch ohne Pipelines transportieren. Doch ausgerechnet beim Einkauf von Flüssiggas ist China mit seiner hohen Nachfrage ein harter Konkurrent auf dem Weltmarkt, analysiert Ning Wang.

    Auch die ökonomischen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs ziehen immer weitere Kreise: Julia Fiedler hat Logistiker befragt, ob die Seidenstraßen-Züge weiterhin rollen. Das tun sie zwar. Doch Probleme ergeben sich an anderer Stelle. Versicherer könnten Ärger machen, wenn die kostbaren Waren durch das sanktionierte Russland reisen. Die Folge: Stornierung von Fracht.

    Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

    Ihre
    Amelie Richter
    Bild von Amelie  Richter

    Analyse

    Flugzeug in Guangxi abgestürzt

    Das Bild zeigt die Aufprallstelle des abgestürzten Flugzeuges in Guangxi. Es ist ein bewaldeter Hügel zu sehen, der in Flammen steht.
    Handy-Foto der Absturzstelle vom Montagnachmittag

    Bei einem Flugzeugabsturz in Südchina sind 132 Menschen gestorben. Flug MU5735 war auf dem Weg von Baoshan in der Nähe der Grenze zu Vietnam in Yunnan über die Provinzhauptstadt Kunming nach Guangzhou. Zur Ursache des Absturzes ist noch nichts bekannt.

    Die Autonome Region Guangxi mobilisierte Rettungskräfte, doch es gilt als ausgeschlossen, dass Insassen der Boeing 737 überlebt haben. Das Auswärtige Amt konnte am Montag noch nicht sagen, ob sich deutsche Staatsbürger an Bord befanden. Die chinesischen Behörden hatten sich bis zum Abend noch nicht beim Generalkonsulat in Guangzhou gemeldet.

    Präsident Xi Jinping ordnete eine zügige Aufklärung der Ursache an. Die US-Luftfahrtaufsicht NTSB schickt einen Repräsentanten, der an der Untersuchung teilnehmen soll. Laut Einschätzung von Luftfahrtexperten werden vermutlich erst der Flugdatenschreiber und der Cockpit-Stimmrekorder Aufschluss über den Hergang der Katastrophe geben. Bisher sei es unmöglich, über die Gründe auch nur zu spekulieren. Es sei aber generell ungewöhnlich, dass Flugzeuge bei gutem Wetter aus ihrer Reiseflughöhe abstürzen. Meist sind es Start, Landung oder außergewöhnliche Situationen, bei denen sich Unglücke ereignen.

    Auf der Karte ist der Ort des Flugzeugabsturzes in Guangxi markiert.

    Der Flug startete um kurz nach 13 Uhr planmäßig in Kunming, drehte nach Osten und gewann wie vorgesehen an Höhe. Zwischen 14.19 Uhr und 14.22 Uhr fiel die Flughöhe dann jedoch laut Flightradar24 um 6.000 Meter auf 2.700 Meter über dem Meeresspiegel. Das Flugzeug ist also von einem Moment auf den anderen in den freien Fall übergegangen. Wenige Sekunden später endet die Übermittlung von Daten in einer Höhe von 900 Metern über dem Meeresspiegel. Je nach Höhe der Berge muss das schon fast der Moment des Absturzes gewesen sein. Ein Video zeigt ein Flugzeug, das vertikal auf den Boden zurast. Auch auf dem Dashcam-Video eines Autofahrers ist ein ungebremster Absturz erkennbar.

    Die Absturzstelle liegt in der Nähe der Stadt Wuzhou in der Autonomen Region Guangxi. Die Gegend ist bergig und bewaldet. China Eastern hat eine Hotline für Angehörige der Passagiere eingerichtet. Das Unternehmen lässt seine Flugzeuge vom Typ 737-800 vorerst am Boden. Der abgestürzte Flieger gehörte nicht zur Modellreihe 737 Max, die nach Problemen mit dem Bordcomputer erst seit kurzem wieder in die Luft darf.

    Chinas Flugsicherheit genießt einen guten Ruf

    Die Wartung von Flugzeugen durch Chinas teilstaatliche Fluggesellschaften hat grundsätzlich einen sehr guten Ruf. Zu den Anbietern von Wartungsdiensten gehören neben einheimischen chinesischen Firmen auch westliche Namen wie Spirit und Honeywell. Das Geschäft mit Inlandsflügen befindet sich schon längst wieder auf dem Niveau vor der Pandemie. Das weltweit verbreitete Problem, dass Piloten aus der Übung geraten sind, hat China Eastern also tendenziell nicht.

    Mit dem Absturz am Montag endet für die chinesische Luftfahrt eine lange Zeit ohne große, tödliche Unfälle. Zuletzt war 2010 eine Maschine von Henan Airlines abgestürzt. Von 96 Menschen an Bord starben 44. Der einzige große Unfall bei China Eastern liegt noch länger zurück. Er ereignete sich 1989. Einer in Russland gebauten Antonow gelang der Start nicht. Sie stürzte am Flughafen Shanghai in einen Fluss. Damals starben 34 Menschen. Seit dem Wechsel auf eine Flotte moderner Flugzeuge verlief der Betrieb ohne Abstürze und fast ohne Todesfälle.

    China Eastern ist fast so groß wie die Lufthansa

    China Eastern ist die achtgrößte Fluggesellschaft der Welt. Vor der Pandemie transportierte das Unternehmen laut Statista 130 Millionen Passagiere jährlich, fast so viel wie die Lufthansa, die auf 145 Millionen kam. Das Durchschnittsalter der Flotte beträgt 7,3 Jahre. Das Unternehmen hat 583 Maschinen im Einsatz. Es besitzt im aktiven Dienst 480 Flugzeuge von Airbus und Boeing für die Kurz- und Mittelstrecke sowie 91 Flugzeuge für die Langstrecke. Gut drei Viertel der Flugzeuge stammen vom europäischen Anbieter Airbus.

    Der Markenname China Eastern ist 1988 entstanden, als das Flugbetriebsamt CAAC in sechs privatwirtschaftlich arbeitende Firmen aufgeteilt wurde. Wie der Name schon sagt, liegt das Kerngebiet der Streckenangebote im Osten des Landes. Das wichtigste Drehkreuz ist Shanghai. Von hier aus bieten die Strecken nach Kunming eine wichtige Verkehrsverbindung ins Landesinnere.

    Flugzeugabsturz in Guangxi

    Auf chinesischen Sozialmedien spekulierten Flug-Enthusiasten über Kürzungen beim Etat für Kontrolle und Reparaturen bei China Eastern. Doch da die Ursache noch völlig unklar ist, lässt sich auch hier kein Zusammenhang zu dem Absturz herstellen. Laut Geschäftsberichten sanken die Wartungskosten von 2019 auf 2021 um zwölf Prozent. Doch das kann mit dem Ausfall eines großen Teils des internationalen Geschäfts zusammenhängen.

    • Industrie
    • Luftfahrt

    Der große Hunger nach Flüssiggas

    Das Bild zeigt einen Frachter, auf dem LNG nach China importiert wird. Der Frachter dockt dabei in Tianjin an.
    Angedockt – die erste Lieferung von Flüssigerdgas von Qatar Petroleum erreicht das LNG-Terminal in Tianjin

    Russlands Krieg in der Ukraine gefährdet die Energieversorgung Deutschlands und vieler anderer EU-Staaten. Intern berät die Bundesregierung schon über Notfallpläne, welche Unternehmen und Sektoren bei einem Gas-Embargo zuerst verzichten müssten. Innerhalb kürzester Zeit will Deutschland seine Gasabhängigkeit von Russland nun beenden. Erst am Wochenende war Wirtschafts- und Klimaminister Habeck deswegen in Katar zu Besuch, um Deutschland Erdgas-Importe zu sichern. Das Emirat ist einer der weltweit größten Exporteure von Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas, LNG). Doch bisher liefert Katar vor allem nach Asien.

    Denn während sich Deutschland jahrelang auf Russland als Hauptlieferant verlassen hat, haben China und andere Staaten Asiens ihre Importe schon früher diversifiziert. Auch, wenn das LNG teurer ist, da es erst energie- und kostenintensiv aufgearbeitet werden muss. Das führte kürzlich zu der skurrilen Situation, dass China drei LNG-Lieferungen aus den USA an Europa weiterverkauft hat – mit einem saftigen Preisaufschlag (China.Table berichtete).

    Deutschland steigt spät ein, um seine Gas-Importe zu diversifizieren. Währenddessen unterzeichnen LNG-Käufer aus China immer mehr Verträge für langfristige Lieferungen. Zwar hat auch China in den vergangenen Jahren noch knapp die Hälfte seines Bedarfs durch kurzfristige Bestellungen gedeckt. Doch Experten registrieren eine Verschiebung hin zu Verträgen für Lieferungen, die weit in der Zukunft liegen. Sindre Knutsson von der Beratungsfirma Rystad Energy hat für die ersten beiden Monate dieses Jahres sogar einen Rückgang des kurzfristig bestellten Anteils auf zehn bis zwanzig Prozent ausgemacht. Die Wende zu Langfristverträgen hat also schon vor dem Beginn der Invasion in die Ukraine begonnen.

    Peking sichert sich langfristige Verträge

    Grund für das Bedürfnis nach langfristiger Absicherung sind die steigenden Preise. Im Februar verdoppelte sich sogar das Bestellvolumen Chinas bei russischen Anbietern im Vorjahresvergleich. Auch ohne den Angriffskrieg Putins in der Ukraine war schon klar, dass russisches Gas künftig vermehrt nach Peking gehen soll statt nach Europa. Grund ist die Strategie, auf möglichst viele verschiedene Bezugsquellen auszuweiten. Gazprom-Chef Alexej Miller kündigte fast zeitgleich Pläne für den Bau einer weiteren Pipeline nach China an. Der russische Anteil an den Lieferungen in Richtung China betrug auch nach der Verdoppelung nur acht Prozent.

    Im vergangenen Jahr bereits haben China und Südkorea die weltweite Nachfrage nach LNG angeführt. China steigerte seine LNG-Importe um 12 Millionen Tonnen auf 79 Millionen Tonnen und überholte damit Japan als weltweit größten LNG-Importeur, wie Daten von S&P Global Commodity Insights zeigen. Energie-Experten prognostizieren, dass die Volksrepublik 2022 zum größten Importeur von LNG aufsteigen wird. Dabei kauft China erst seit 2006 Erdgas aus dem Ausland.

    Im Jahr 2019, vor der weltweiten Pandemie, deckte China seinen Bedarf an Erdgas zu über 42 Prozent durch ausländische Quellen ab. Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass im Jahr 2030 über 60 Prozent des chinesischen Erdgasbedarfs durch Importe gedeckt werden müssen. Einen Teil davon soll LNG übernehmen.

    Doch trotz der LNG-Importe ist auch Russland weiterhin ein wichtiger Lieferant für China. 2014, im Jahr der russischen Krim-Annektion, unterzeichneten China und Russland einen 30-Jahres-Vertrag über 400 Milliarden US-Dollar zur Lieferung von russischem Erdgas nach China. Seit Dezember 2019 liefert die 55-Milliarden-Dollar teure Pipeline “Power of Siberia” erste Erdgaslieferungen von Russland nach China (China.Table berichtete). Als Putin und Xi sich am 4. Februar im Vorfeld der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking persönlich trafen, einigten sich beide auf weitere Gaslieferungen aus Russland.

    Diversifizierung wichtiger als der Preis

    Doch Russland ist bisher nur ein kleiner Lieferant für China. Die größten Teile der LNG-Lieferungen kamen bisher vor allem aus Australien, Katar, Malaysia und Turkmenistan. Laut dem Energie-Analysehaus Wood Mackenzie verbrauchte China im vergangenen Jahr schätzungsweise 370 Milliarden Kubikmeter LNG. Bis 2025 soll dies auf 475 Milliarden Kubikmeter ansteigen, wobei bis zur Hälfte des Bedarfs importiert werden muss.

    Dass Peking dennoch keine zu großen Abhängigkeiten eingehen will und seine Quellen diversifiziert, zeigen auch die jüngsten Zukäufe aus den USA. Wegen Verzögerungen bei LNG-Exportprojekten in Kanada, an denen Chinas Staatskonzern Petrochina beteiligt ist, und in Mosambik, wo sowohl Petrochina als auch der Energieriese China National Offshore Oil (CNOOC) investiert haben, wurden Gaslieferungen aus den USA attraktiv. Noch 2019 kam der gesamte Gashandel zwischen beiden Ländern im Zusammenhang der Handelsstreitigkeiten zwischen Peking und Washington unter der Regierung von Donald Trump zum Stillstand. Danach allerdings haben nordamerikanische LNG-Exporteure ihre Kapazitäten aufgrund der Nachfrage in den großen asiatischen Volkswirtschaften wieder erweitert.

    Chinas Staatsfirmen bauen zudem die Lager-Infrastruktur aus, um die erwarteten Lieferungen überhaupt aufnehmen zu können. Die China National Offshore Oil Corporation baut derzeit sechs der weltweit größten LNG-Speichertanks. Die Fundamente stehen schon, wie der führende Anbieter von LNG in China kürzlich bekannt gab.

    Bis 2040 steigt die Nachfrage nach LNG auf über 700 Millionen Tonnen

    Wie beliebt das verflüssigte Erdgas auf den Weltmärkten werden könnte, zeigt der neuste LNG-Bericht von Shell. Bis zum Jahr 2040 werden mehr als 700 Millionen Tonnen pro Jahr nachgefragt werden, so die Prognosen. Das wäre ein Anstieg von 90 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Es wird erwartet, dass Asien – vor allem China – den Großteil dieses Wachstums verbrauchen wird, da die inländische Gasproduktion zurückgeht, die Wirtschaft wächst und LNG Emissions-intensivere Energiequellen ersetzt. In den kommenden Monaten und Jahren wird es einen Run auf LNG geben.

    Die große Frage ist: Wie können sich Deutschland und Europa kurzfristig Anteile am Weltmarktangebot sichern, wenn ein großer Teil des LNG in langfristigen Verträgen gehandelt wird? Und wie weit werden die Preise für Flüssigerdgas weiter steigen? Auf Robert Habeck werden noch viele anspruchsvolle Reisen zukommen. Und China wird ein zahlungskräftiger und gut vernetzter Konkurrent um die knappe Ressource bleiben.

    • Energie
    • Geopolitik
    • Klima

    Störungen auf der Schienen-Seidenstraße

    Aufgrund des Ukraine-Krieges kommt es auf der Schienen-Seidenstraße zu Störungen.
    Containerterminal in Malaszewicze an der Grenze zwischen Belarus und Polen.

    Die “eiserne Seidenstraße” ist längst keine romantische Idee mehr, sondern eine Realität des Gütertransports zwischen China und Europa. Die Pandemie hatte dem Transport per Zug sogar einen regelrechten Boom beschert. Im Jahr 2021 wurden auf der Schiene Waren im Wert von knapp 70 Milliarden Euro von Ost nach West transportiert – 50 Prozent mehr als 2020. Und zehnmal so viel wie noch 2016. Vor allem Maschinenteile, Autoteile, Elektronik, aber auch andere Produkte wie Metall- und Chemieerzeugnisse oder Kleidung stecken in den Containern.

    Doch wegen des Kriegs in der Ukraine steht die Verlässlichkeit der Schienenwege infrage. Knackpunkt sind bisher weniger die Kämpfe selbst. Denn die gängigen Routen verlaufen ohnehin nicht durch die Ukraine. Die Sorge gilt stattdessen rechtlichen Problemen wie Sanktionen und dem Versicherungsschutz. “Es wäre keine Überraschung, wenn Unternehmen, die ihre Waren vor der Invasion auf der Schiene versenden wollten, nun auf den langsameren, aber zuverlässigeren Seeweg umsteigen”, sagt Jacob Gunter, Wirtschaftsexperte bei dem Forschungsinstitut Merics. Gunter sieht die Unsicherheit durch das sich schnell ändernde geopolitische Umfeld als erhebliches Risiko für den Güterverkehr auf der Schiene. Das werde die Probleme der Lieferkette verschärfen, da zuletzt viele Transporte auf die Schiene verlagert wurden.

    Die Auswirkungen zeigen sich bereits in der Praxis. Obwohl die Züge bislang zuverlässig rollen, stornieren Unternehmen zum Teil ihre Buchungen für Schienentransporte, berichtet ein Sprecher der Duisburger Hafen AG. Der Hafen ist nach Hamburg das zweitwichtigste Terminal für die Güterzugverbindung Deutschland-China. Eine häufige Befürchtung der Unternehmen sei, dass internationale Versicherer den Versicherungsschutz durch Belarus und Russland kündigen könnten, so der Sprecher.

    Auch Sanktionen seien eine Sorge, so die Hafengesellschaft. Aktuell werde der Transport auf der Schiene durch die Sanktionen gegen Russland zwar noch nicht wesentlich erschwert. Bei den Unternehmen komme diesbezüglich aber Unsicherheit auf. Je weitere Kreise die Sanktionen ziehen, desto wahrscheinlicher wird es, dass auch reine Transporte mit Misstrauen betrachtet werden.

    Schienen-Seidenstraße: Es gibt erste Stornierungen

    Die Sorge um die Auswirkungen der Sanktionen ist nachvollziehbar. Schließlich sind die Lieferungen nach Russland und Belarus längst von den Strafmaßnahmen westlicher Länder betroffen. Auf dem Weg von China nach Deutschland verläuft ein Großteil der am meisten befahrenen nördlichen Strecke quer durch Russland und von dort über Belarus nach Polen. Der Logistiker DHL berichtet nun, dass Zugtransporte in die beiden sanktionierten Länder bis auf Weiteres ausgesetzt sind.

    Auf der eisernen Seidenstraße werden Waren aus China nach Europa transportiert. Der Ukraine-Krieg führt nun jedoch zu Störungen im Verkehr.

    Derzeit rollt also der Durchgangsverkehr von China nach Europa und umgekehrt, während Züge mit dem Ziel der großen Durchgangsländer ausfallen. Eine beunruhigende Situation. Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik merkt an, dass aus diesem Grund mehr und mehr Unternehmen nach Alternativen zur Nordroute suchen. Die Firmen interessieren sich insbesondere für die Südroute der Seidenstraße in die Türkei, die nicht durch russisches Gebiet führt. Allerdings dauert diese Strecke nach Deutschland viel länger, da sie Schiffspassagen umfasst. Der Logistik-Verband rechnet mit einem stetigen Rückgang der Transporte. Die Lage sei aber weiterhin sehr dynamisch und könne sich jederzeit ändern.

    Manche Unternehmen setzen auch jetzt noch weiter auf den Transport mit dem Zug, beobachten die Situation aber ganz genau. Der Automobilzulieferer Conti hat verschiedene Krisenteams eingerichtet, um mit geeigneten Maßnahmen zielgerichtet und schnell auf mögliche Auswirkungen auf die Lieferketten reagieren zu können. Es gebe entsprechende Notfallpläne, die Sicherheitsvorräte und alternative Lieferanten umfassten. So solle dazu beigetragen werden, die Rohstoffversorgung abzusichern.

    Beendet der Krieg den Seidenstraßen-Boom?

    Ohne Probleme war der Transport auf der Schiene nie: Einerseits drosseln die unterschiedlichen Spurweiten das Tempo. An Grenzübergängen kann es zudem stocken, Rückstaus entstehen. So gab es an der Grenze China-Kasachstan wegen Corona-Maßnahmen Verspätungen von sechs Tagen. An der Grenze zur Mongolei bremst dagegen die schwache Infrastruktur und an der Grenze zu Russland behindern Wagen- und Ressourcenmangel der russischen Bahn die ungehinderte Fahrt. Dazu kommen politische Probleme in den Ländern entlang der Route. Zuletzt waren im Januar Unruhen in Kasachstan ein Unsicherheitsfaktor. Auch Korruption spielt eine Rolle. Hochpreisige Waren gehen auf dem Weg nach China zuweilen “verloren”, was zur Entscheidung gegen die Schiene beiträgt. 

    Mehr als 90 Prozent der Waren, die von China nach Europa kommen, werden daher per Schiff transportiert. Die Schiene spielt insgesamt nur eine kleine Rolle für den Warenverkehr zwischen China und Europa. Vom Volumen her betrachtet, kommt sie nur auf ein Prozent. Wenn man auf den Warenwert blickt, sind es immerhin drei Prozent.

    Doch gerade für wertvolle Güter wie Elektronikteile für Autos hat die Schiene sich fest als Transportweg etabliert. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 32 Kilometer pro Stunde: Das ist noch immer deutlich schneller als der Seeweg und dabei viel günstiger als das Flugzeug. “Die Schiene ist auch deswegen die schnellste Option für die Logistik geworden, weil ein Großteil der Luftfracht, die normalerweise zu Passagierflügen zwischen China und Europa hinzugefügt wird, zum Erliegen kam, als China seine Grenzen Anfang 2020 effektiv geschlossen hat”, so Merics-Ökonom Gunter.

    China: Die Schiene ist politisch

    Die Schiene ist jedoch gerade für China auch politisch relevant. Das weitverzweigte Bahnnetz der neuen Seidenstraße, die China und Europa verbindet, ist zwar nur ein kleiner Teil der Belt-and-Road-Initiative. Es ist aber besonders wichtig, wie sich an den hohen Subventionen zeigt, die ihm zufließen. Das Prestigeprojekt von Xi Jinping kann durchaus beeindrucken: Alle 30 Minuten fährt inzwischen ein Güterzug von China nach Europa. Bisher wurden mehr als 50.000 Fahrten abgewickelt. Es gibt 78 Verbindungen in 180 Städte, die in 23 europäischen Ländern liegen. Dabei spielt neben dem Warentransport vor allem der Aufbau von Beziehungen und wirtschaftlicher Einfluss in den Partnerländern eine Rolle.

    Die Probleme, die nun auf und entlang dieser Strecke entstehen, trüben nicht nur das positive Image der zuverlässigen Schiene, sondern auch die Zukunftsperspektiven der Partnerschaften in Osteuropa. “Peking hat im Jahr 2021 die Beziehungen zu Kiew etwas aufgewärmt. Die Präsidenten Selenskyj und Xi haben die Möglichkeit diskutiert, die Ukraine zu einem Tor nach Europa zu machen”, erklärt Gunter. “China wollte durch die Ukraine einen alternativen Bahn-Eintrittspunkt in die EU schaffen.” Das Ziel war unter anderem, die Abhängigkeit von Belarus zu verringern, sowie von Litauen. Das kleine Land hatte sich den Zorn Pekings zugezogen, indem es sich für Taiwan erwärmte (China.Table berichtete).

    Mit der russischen Invasion sind solche Pläne natürlich auf Eis gelegt. Xis gemeinsame Erklärung mit Putin im Februar 2022, in der er eine Freundschaft “ohne Grenzen” zwischen den beiden erklärt hat, macht erst einmal jede Kooperation zwischen Kiew und Peking unmöglich. Sollte China Russland regelrecht zur Hilfe eilen, würde eine Wiederaufnahme der Projekte noch schwerer werden, glaubt Gunter. Julia Fiedler

    • Handel
    • Neue Seidenstraße
    • Russland
    • Ukraine

    News

    Steuer-Geschenk für kleine Unternehmen

    Die chinesische Regierung greift heimischen Kleinunternehmen mit milliardenschweren Steuersenkungen unter die Arme. Für sie seien Steuererleichterungen von fast einer Billion Yuan (rund 143 Milliarden Euro) beschlossen worden, so der staatliche Sender CCTV am Montag nach einer Kabinettssitzung. China werde außerdem Maßnahmen ergreifen, um das Vertrauen in die Märkte zu stärken und die Entwicklung der Kapitalmärkte stabil und gesund zu halten.

    Der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt macht das Aufflammen der Coronavirus-Pandemie zu schaffen. Die Ausbreitung der hochinfektiösen Omikron-Variante hat in diesem Monat wichtige Produktionszentren wie Shenzhen und Dongguan getroffen. Dort standen in vielen Werken die Bänder still – von Fabriken für den Bau von Computer-Zubehör wie Flash-Laufwerken bis hin zu Autoteilen.

    Die Regierung will in diesem Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von etwa 5,5 Prozent erreichen. Dafür dürfte die Zentralbank in den kommenden Monaten ihre Zinsen senken, um mit billigeren Krediten sowohl die Investitionen als auch den Konsum anzuschieben, sagen Experten. Das chinesische Kabinett hat diese geldpolitische Unterstützung auch zugesagt. Allerdings haben die Offiziellen auch davor gewarnt, den Markt nicht mit Liquidität zu überschwemmen, wie Bloomberg berichtet. rtr/nib

    • Coronavirus
    • Finanzen
    • Gesundheit
    • Steuern

    Volkswagen sichert sich Rohstoffe für E-Autos

    Angesichts der steigenden Rohstoffpreise sichert sich der Volkswagen-Konzern die für das Wachstum in der Elektromobilität benötigten Mengen an Nickel und Kobalt in China durch Partnerschaften. Dazu unterzeichneten die Wolfsburger Absichtserklärungen mit den Firmen Huayou Cobalt und Tsingshan Group zur Gründung von zwei Gemeinschaftsunternehmen. Eines soll sich auf die Weiterverarbeitung von Batterierohstoffen in Indonesien konzentrieren. Das andere soll sich auf die Herstellung von Nickel- und Kobaltsulfaten sowie von Kathodenmaterial für Lithium-Ionen-Batterien spezialisieren. Die beiden Joint-Ventures sollen dazu beitragen, die Kosten pro Batterie langfristig um 30 bis 50 Prozent zu senken, wie Volkswagen in China mitteilte.

    Die Preise für E-Auto-Rohstoffe sind in jüngster Zeit stark gestiegen. Der CEO von Li Auto, Li Xiang, nannte den Preisanstieg am Wochenende in einem Social-Media-Beitrag sogar “absurd”, wie Bloomberg berichtet. Li geht davon aus, dass viele Hersteller ihre Preise anheben müssen, sobald die Batterielieferanten anfangen, höhere Preise zu verlangen. nib/rtr

    • Autoindustrie

    Aktien von Evergrande aus dem Handel genommen

    Die Börse in Hongkong hat am Montag die Aktien des angeschlagenen Immobilienentwicklers Evergrande vom Handel ausgesetzt. Auch der Handel mit Anteilsscheinen der E-Auto-Tochter Evergrande NEV und einer Dienstleistungstochter wurde vorerst eingestellt, wie Bloomberg berichtet. Das Unternehmen und die Börse haben keine offiziellen Gründe genannt.

    Im Januar hatte der hoch verschuldete Konzern angekündigt, in den nächsten sechs Monaten einen vorläufigen Restrukturierungsplan vorzulegen. Das Unternehmen hat Verbindlichkeiten in Höhe von umgerechnet gut 300 Milliarden US-Dollar. Zulieferer hatten in jüngster Vergangenheit Druck gemacht, damit ausstehende Zahlungen geleistet werden. Auch Immobilienkäufer hatten vor einigen Evergrande-Büros protestiert, da sie in Vorauszahlungen geleistet haben und um die Fertigstellung ihrer Häuser und Wohnungen bangen (China.Table berichtete). nib

    • Evergrande
    • Hongkong
    • Immobilien

    Milliarden für Xinjiang

    China hat ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm in Xinjiang gestartet. Die Region habe kürzlich fast 4.500 Bauprojekte gestartet, berichtete am Freitag die offizielle Zeitung Xinjiang Daily. Sie seien Teil des mehrjährigen Programms mit einem Volumen von 1.75 Billionen Yuan (249 Milliarden Euro) für die Region. 27 der angestoßenen Projekte seien Großprojekte mit mehr als fünf Milliarden Yuan Investitionsumfang, so das Blatt, ohne Details zu nennen.

    Nach Angaben der South China Morning Post gehören die Projekte zu dem gigantischen Stimulusprogramm, mit dem Peking im ganzen Land die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie einleiten will. Der Start dieser Großprojekte scheine ein Zeichen dafür zu sein, dass Peking zuversichtlich ist, die Gesellschaft im Griff zu haben, zitierte die Zeitung einen ungenannten Beobachter. Daher könne sich die Xinjiang-Politik wieder der wirtschaftlichen Entwicklung zuwenden. Diese Verschiebung zeige sich mit dem Wechsel des KP-Chefs für Xinjiang. Ma Xingrui, vormals Gouverneur der Boomprovinz Guangdong und ein prominenter Technokrat, hatte Ende Dezember 2021 die Nachfolge von Chen Quanguo übernommen (China.Table berichtete).

    Chen war der Chefarchitekt eines Programms zur sozialen Kontrolle der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten in Xinjiang. Laut glaubwürdigen Berichten sollen mindestens eine Million Uigur:innen in Umerziehungslagern interniert gewesen sein – oder sich noch immer dort befinden. Hinzu kommen Vorwürfe von Zwangsarbeit und Zwangssterilisationen.

    Peking hat bisher keinen Nachfolge-Posten für Chen Quanguo bekannt gegeben. Er erscheint laut South China Morning Post jedoch weiterhin bei Treffen des Politbüros. Wie weit eine mögliche Entspannungspolitik unter Ma Xingrui gehen kann, ist noch unklar. Die Zeitung zitierte Bewohner der Region, dass einige Straßensperren abgebaut wurden und manche kulturellen Veranstaltungen wieder stattfinden dürften. ck

    • Menschenrechte
    • Xinjiang
    • Zivilgesellschaft

    Envision liefert Batterien an Mercedes

    Das Shanghaier Unternehmen Envision Group hat eine Partnerschaft mit Mercedes-Benz im Bereich Batteriemodule für die E-Auto-Produktion abgeschlossen. Das Tochterunternehmen Envision AESC soll die Batterien für die vollelektrischen SUVs EQS and EQE liefern, die im US-Bundesstaat Alabama hergestellt werden. Envision zählt auch Renault, Nissan und Honda zu seinen Kunden. Es befindet sich zu 80 Prozent im Besitz der Envision Group. Die restlichen 20 Prozent hält Nissan.

    Das Unternehmen gab zudem bekannt, eine zweite Batteriefabrik in den USA bauen zu wollen, ohne allerdings Details zu nennen. Bis zum Jahr 2025 will das Unternehmen eine jährliche Kapazität zur Produktion von E-Auto-Batterien in Höhe von 300 Gigawattstunden erreichen. Derzeit ist Envision der weltweit neuntgrößte Batteriehersteller mit einem Marktanteil von 1,4 Prozent. Die Envision Group stellt zudem Windkraftanlagen her. nib

    • Autoindustrie

    BYD erhöht Preise

    Der chinesische Autohersteller BYD hat erneut die Preise angehoben. Die Fahrzeuge der Serie Dynasty kosten seit Mittwoch 3.000 Yuan (430 Euro) mehr, die der Serie Ocean 6.000 Yuan (860 Euro). Als Grund habe das Unternehmen die steigenden Kosten für Rohstoffe genannt, berichtet Bloomberg. Wichtige Rohstoffe sind zuletzt deutlich teurer geworden. Das gilt insbesondere für Nickel, ein wichtiges Metall für E-Auto-Batterien. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Preis für Nickel verdreifacht.

    Es ist die zweite Preisanpassung in weniger als zwei Monaten. Im Januar waren die Fahrzeuge bereits um bis zu 7.000 Yuan (1.000 Euro) teurer geworden, damals kam als Grund auch noch die Senkung der staatlichen Subventionen für E-Autos hinzu. China will diese dieses Jahr um 30 Prozent senken und Ende des Jahres ganz abschaffen

    Preiserhöhungen hatte diese Woche daher auch schon Tesla in China bekannt gegeben, und das gleich zweimal. Beim Model Y Long Range und dem Model 3 Performance erhöhte Tesla den Preis zunächst um 18.000 Yuan (2.570 Euro), dann noch einmal um weitere 10.000 Yuan (1.430). 

    BYD ist einer der größten Elektroauto-Hersteller Chinas. Im Februar setzte das Unternehmen 87.473 Elektroautos und Plug-in Hybride ab. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt rund 600.000. jul

    • Autoindustrie

    Standpunkt

    Chinas Absicherung gegen geopolitische Schocks

    Von Zhang Jun
    Zu sehen ist Zhang Jun, Direktor des Thinktanks China Center for Economic Studies in Shanghai: Er schreibt über die Absicherung Chinas gegenüber geopolitischen Schocks.
    Zhang Jun ist Direktor des Thinktanks China Center for Economic Studies in Shanghai.

    In Hinblick auf geopolitische Auswirkungen könnte wohl nichts von größerer Bedeutung sein als der Schwenk der Vereinigten Staaten von strategischer Kooperation hin zu einem strategischen Wettbewerb mit China. Wie aus einem Ende letzten Jahres veröffentlichten Bruegel-Bericht hervorgeht, stimmt dieser Sinneswandel zahlreiche Beobachter pessimistisch, wenn es um die chinesischen Wirtschaftsaussichten geht. Man geht offenbar davon aus, dass China keine andere Wahl hat, als von seinem erfolgreichen Entwicklungspfad abzuweichen und einen weniger florierenden Kurs mit einer Hinwendung nach innen einzuschlagen, und dies unter einem Staat, der vollständige Kontrolle über die Wirtschaft ausübt, um sich gegen geopolitische Schocks abzusichern. Doch bei Chinas Bestrebungen, in gewissen Bereichen seine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu fördern, handelt es sich um vernünftige Reaktionen auf externen Druck – und keineswegs um Anzeichen des Niedergangs seines Wirtschaftsmodells oder seiner Perspektiven.

    In den letzten Jahren haben die USA ihre Bemühungen zur “Eindämmung” des chinesischen Aufstiegs intensiviert. Neben der Einführung von Zöllen und nichttarifären Hemmnissen für Einfuhren aus China wurden chinesische Investitionen eingeschränkt, indem man beispielsweise chinesische Unternehmen daran hinderte, Firmen in einigen High-Tech-Sektoren in den USA zu erwerben. Außerdem setzten die USA weiterhin chinesische Firmen auf ihre sogenannte Entity List. Dadurch verwehrte man diesen Unternehmen den Zugang zu amerikanisch kontrollierten kritischen Technologien wie Halbleitern, hielt US-Kapital von einigen strategischen Branchen Chinas fern und verdrängte chinesische Unternehmen von US-Börsen.

    Eine Frage der Zeit bis China technologisch zu den USA aufschließt

    Wie mein Ko-Autor, Shuo Shi, und ich in einer 2020 erschienenen Arbeit zeigen, könnte diese Politik nur zu eskalierenden strategischen Kosten für die USA führen. Und entgegen der landläufigen Meinung sind ihre längerfristigen Auswirkungen womöglich sehr begrenzt, geschweige denn ausreichend, um den Aufstieg der chinesischen Wirtschaft zu beenden.

    Ein noch bedeutenderer Punkt wird in dieser Diskussion übersehen. China hat hinsichtlich seiner technologischen Stärke gemessen am Wert des akkumulierten Sach- und Humankapitals bereits eine kritische Schwelle überschritten. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis China technologisch zu den USA aufschließt.

    Die chinesische Führung machte deutlich, dass sich das Land schneller in Richtung weltweiter technologischer Parität bewegen muss, um die Gefahr aufgrund geopolitischer Auswirkungen zu mildern. In den letzten Jahren hat die Regierung die Ausgaben erhöht, um Chinas Kapazitäten in grundlegenden und strategischen Sektoren zu stärken, darunter Bildung, Wissenschaft und Technologie, Landwirtschaft und erneuerbare Energien. Außerdem wurde die rasche Entwicklung von Branchen der Spitzentechnologie wie Big Data, Cloud Computing, 5G und künstliche Intelligenz unterstützt.

    5G-Ausbau ist nicht nur eine Reaktion auf geopolitische Schocks

    In ähnlicher Weise hat China gemäß seines Fünfjahresplans auch sein digitales Infrastruktursystem ausgebaut. Laut Angaben des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie hat China bereits 1,4 Millionen 5G-Basisstationen errichtet – mehr als 60 Prozent der weltweiten Gesamtzahl. Allein im letzten Jahr wurden über 650.000 dieser Stationen gebaut.

    Bei diesen Bemühungen handelt es sich nicht einfach nur um eine Reaktion auf die Eindämmungsstrategien der USA und geopolitische Schocks, sondern größtenteils um eine Antwort auf die sich von innen ergebende Notwendigkeit, ein weiter fortgeschrittenes Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung zu erreichen. In Anbetracht dieser Sachlage haben die Bestrebungen der USA zur Eindämmung Chinas vielleicht am meisten dazu beigetragen, Chinas Schwächen zu verdeutlichen und weitere Fortschritte bei deren Beseitigung anzustoßen.

    Die chinesischen Behörden glauben nicht, dass die amerikanische Eindämmungspolitik China aus dem bestehenden globalen Wirtschaftssystem herausdrängen, geschweige denn, ihr Land dazu bringen wird, ein nach innen gerichtetes, staatlich kontrolliertes Entwicklungsmodell anzustreben. Prognosen, wonach die US-Politik derartige Wirkungen entfalten würde, unterschätzen die Zuwächse im Bereich Wettbewerbsfähigkeit, die Chinas wirtschaftlichem Aufstieg in den letzten zwei Jahrzehnten vorangetrieben haben sowie auch dessen tiefgreifende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. 

    Peking will weiter Verbindung zu internationalen Märkten

    China hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aufgebaut und enormes Sach- und Humankapital angehäuft. Außerdem ist das Land eng in die weltweite Produktion eingebunden – und bildet dabei ihren zentralen Angelpunkt – und hat ergänzend dazu Beziehungen zu fortgeschrittenen Volkswirtschaften aufgebaut. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass China in umfassender Weise aus den globalen Lieferketten verdrängt wird.

    Tatsächlich verfolgte China auch während des Aufbaus von Widerstandskraft im Inneren auch weiterhin die Wirtschaftsliberalisierung, wie etwa durch die Verbesserung des Geschäftsklimas, die Schaffung eines offeneren Finanzsektors und die Errichtung zahlreicher weiterer Freihandelszonen. Und die Regierung setzt sich auch weiterhin für die Liberalisierung des Binnenmarktes ein, um die Verbindung zu den internationalen Märkten aufrechtzuerhalten.

    Abgesehen von den geopolitischen Herausforderungen muss sich China mit eigenen innerstaatlichen Problemen auseinandersetzen, angefangen bei der Fertilitätskrise. Obwohl die chinesische Regierung ihre übermäßig restriktive Geburtenpolitik gelockert hat, sind Erfahrungen in Ostasien ein Hinweis darauf, dass die Geburtenrate, wenn auch langsamer, doch weiter sinken könnte.

    Rentenalter in China wird steigen

    Um dem Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter Einhalt zu gebieten, wird China wohl bald das Rentenalter anheben. Zur Absicherung gegen die Auswirkungen einer alternden Bevölkerung auf das künftige Wirtschaftswachstum, wird die Regierung weiterhin die Investitionen in Bildung erhöhen, um so die Qualifikationen der Arbeitskräfte zu fördern und langfristig die Arbeitsproduktivität zu steigern.

    Um das Wachstumspotenzial der Wirtschaft zu steigern und auszuschöpfen, gilt es für China, sich dringend produktivitätssteigernden Strukturreformen zu verpflichten. Hier sollte China Lehren aus ostasiatischen Volkswirtschaften ziehen, wo auf eine Phase hohen Wachstums fast immer eine Verlangsamung des Wachstums der totalen Faktorproduktivität folgte.

    Eine dieser Lehren besteht darin, dem politischen Druck zu widerstehen, Ressourcen in weniger produktive Regionen zu leiten. Eine andere Lehre ist, Überinvestitionen in Bereiche wie Immobilien zu vermeiden, die nicht viel zum Produktivitätswachstum beitragen und makroökonomische Instabilität verursachen.

    Reformen müssen beschleunigt werden

    Aus diesem Grund muss die chinesische Regierung herausfordernde Strukturreformen in Angriff nehmen, im Rahmen derer Fehlallokation von Ressourcen korrigiert werden und ein Produktivitätswachstum ermöglicht wird, für das nach wie vor großer Spielraum besteht. So sollte China beispielsweise seine Wirtschaft stärker für privates Kapital öffnen. Dies würde dazu beitragen, zusätzliche Ressourcen in produktivere, unternehmerische Sektoren zu lenken, die sie effizienter und kreativer einsetzen würden als staatliche Unternehmen.

    Das Wachstums- und Produktivitätspotenzial Chinas ist noch lange nicht ausgeschöpft und weder die Eindämmungspolitik der USA noch geopolitische Schocks werden diese Entwicklung bremsen. Um jedoch sein Potenzial auszuschöpfen, muss China – wie schon Ende der 1990er Jahre – seine Bemühungen um Strukturreformen beschleunigen und die Ressourcenallokation durch die Förderung eines gerechteren, wettbewerbsfähigeren und stärker marktorientierten Systems verbessern.

    Zhang Jun ist Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fudan und Direktor der in Shanghai ansässigen Denkfabrik China Center for Economic Studies. Übersetzung: Helga Klinger-Groier.

    Copyright: Project Syndicate, 2022.
    www.project-syndicate.org

    • Geopolitik
    • USA

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen