Oliver Blume wird ab September neuer Chef des VW-Konzerns. Aus Sicht von China.Table ist das eine aufregende Personalentscheidung. Blume hat 2001 an der renommierten Tongji-Universität in Shanghai promoviert. Damit kommt ein echter China-Kenner an die Spitze eines Dax-Konzerns. Da eine ganze Reihe von Fehlern seines Vorgängers mit dem chinesischen Markt zusammenhängen, ist uns die Top-Personalie eine Analyse wert. Vor allem bei der Beschaffung von Batterien hatte Blume als Porsche-Chef eine glücklichere Hand als Herbert Diess bei VW.
Eine weniger glückliche Hand hatten wir Deutsche im Umgang mit Russland. Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine – und den Folgen, wie der drohenden Gasknappheit – wird sich Deutschland auch seiner China-Abhängigkeiten zunehmend bewusst. Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck wollen einen neuen Kurs einschlagen. Und auch bei den deutschen Unternehmen setzt ein Umdenken ein. Das Problem: Gestaltet sich die Loslösung von Russland schon schwierig, wird es im Falle Chinas eine wahre Herkulesaufgabe. Denn Deutschlands Abhängigkeiten von China sind wesentlich größer und komplexer.
Nico Beckert analysiert, in welchen Bereichen die deutschen Abhängigkeiten am größten sind – und weshalb das viel zitierte “Decoupling” keine einfache Lösung sein wird. Da auch China sich unabhängiger von Deutschland machen will, lautet sein Fazit: Es steht eine Zeitenwende bevor.
Viel Spaß beim Lesen!
Mitten in die Werksferien in Wolfsburg platze am späten Freitagnachmittag die Nachricht über den Führungswechsel bei Volkswagen. Für den bisherigen VW-Chef Herbert Diess, so heißt es zumindest aus VW-Kreisen, sei das ein Schock gewesen. Er wusste zwar, dass er bei vielen Mitarbeitern aneckte und entscheidende Probleme noch nicht im Griff hatte. Die Abberufung kam jedoch ohne Vorwarnung.
Mit Oliver Blume als Nachfolger setzt der Aufsichtsrat nun auf jemanden, der explizit China-Erfahrung aufweist. Das ist kein Zufall. Fast alle Probleme und Baustellen des Konzerns haben derzeit direkt oder indirekt mit dem großen Markt in Fernost zu tun:
Firmenangaben zufolge hat Blume 2001 am Institut für Fahrzeugtechnik der renommierten Tongji-Universität in Shanghai promoviert. Die Tongji ist nicht irgendeine Uni. Es handelt sich um eine der Top-Institutionen der Volksrepublik. Sie schneidet in internationalen Rankings vor deutschen Hochschulen ab. Im Jahr 1907 als deutsche Hochschule für Chinesen in Shanghai gegründet, gehört sie zu den ältesten der modernen Bildungseinrichtungen in China. Der Name Tongji weckt Ehrfurcht.
Gleich im Anschluss an seine Zeit an der Tongji in Shanghai sammelte Blume an mehreren Standorten Konzernerfahrung. Er ging zunächst zu Audi, dann zu Seat und schließlich zur Kernmarke Volkswagen nach Wolfsburg, wo er die Produktionsplanung leitete. 2015 wurde er Chef von Porsche. Drei Jahre später wurde er zudem in den Konzernvorstand von VW berufen, verantwortlich für die Produktion. Blume will auch künftig in Personalunion Porsche-Chef bleiben.
An der China-Strategie, die der designierte China-Vorstand Ralf Brandstätter im Juni präsentierte, hat Blume nach Konzernangaben unmittelbar mitgewirkt. Ab August soll ein eigenes sogenanntes “China Board” installiert sein, das markenübergreifend und eigenständig vor Ort schalten und walten soll. An dieser Strategie wird VW also unter Blume als Konzernchef festhalten.
Doch ob diese Strategie ausreichen wird, um den Marktanteil des deutschen Autobauers von noch 40 Prozent im vergangenen Jahr halten zu können? Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich der chinesische Automarkt derzeit entwickelt, dürfte auch Blume nicht viel Zeit haben, um bald Erfolg vorzuweisen.
Die Rahmenbedingungen in China verändern sich so rasch, dass das deutsche Management nur mit Mühe mithalten kann. Das musste auch Diess erfahren. Ohne den Druck aus China hätte VW den Schwenk zu Elektromodellen in dieser Konsequenz zwar nicht vollzogen. Dennoch hinkt der deutsche Marktführer hinterher. Diess hinterlässt Blume daher große Baustellen:
Die von Diess eigens gegründete Tochterfirma Cariad sollte ein einheitliches Betriebssystem für die gesamte Volkswagen-Gruppe entwickeln. Es sollte die Grundlage für das autonome Fahren legen. Zuletzt zeichnete sich jedoch ab, dass es wegen diverser Koordinationsprobleme und unzureichender Fachkräfte zu erheblichen Verzögerungen kommt und die Volkswagen-Gruppe noch über Jahre zwei verschiedene Systeme verwenden wird, zwischen denen es kaum Überschneidungen gibt. Dem Konzern geht damit kostbare Zeit verloren.
Für chinesische Kunden sind die digitalen Funktionen des Autos tendenziell wichtiger als traditionelle Kennzahlen wie die Motorleistung. Eine gut zu bedienende Software ist für sie kaufentscheidend. Die chinesische Konkurrenz ist dabei aber den deutschen Autobauern deutlich überlegen: BYD ist beim E-Auto in China bereits Marktführer, chinesische Newcomer wie Nio, Xpeng holen kräftig auf und punkten mit einer leistungsstarken Benutzeroberfläche.
Gerade die Anbindung an beliebte Apps genügt sehr viel mehr den Ansprüchen der chinesischen Kundschaft als die Technik von Volkswagen. BYD ist inzwischen auch auf Expansionskurs in Europa. Diess Abgang dürfte also nicht zuletzt mit den Problemen im China-Geschäft in Zusammenhang stehen.
Doch auch im Umgang mit politischen Themen zeigte Diess in seiner Amtszeit wenig Fingerspitzengefühl. Erst Anfang Juli sagte er in einem Interview, der Konzern lasse sich von seinem Joint-Venture-Partner über die Menschenrechtslage in China informieren. Der Partner ist jedoch ein Staatsunternehmen und kein unabhängiger Beobachter (China.Table berichtete). In einem Interview mit der britischen BBC schützte Diess 2019 Unwissenheit vor, als er nach den brutalen Lagern in der chinesischen Provinz Xinjiang gefragt wurde. VW ist der einzige ausländische Autobauer, der auch in Xinjiang ein Autowerk betreibt. Diess’ Äußerung hat vor allem in angelsächsischen Medien für große Empörung gesorgt. Mittlerweile verweigert auch das Bundeswirtschaftsministerium dem Volkswagen-Konzern wegen seiner Tätigkeiten in Xinjiang Handelssubventionen (China.Table berichtete).
Über Jahre hinweg galt China als einer der bevorzugten Partner der deutschen Politik und Wirtschaft. Die Volksrepublik war Garant für deutsches Wachstum und ist längst zu Deutschlands größtem Handelspartner aufgestiegen. Auto- und Maschinenbauer machen in der Volksrepublik große Umsätze.
Doch vieles deutet darauf, dass das China-Engagement der deutschen Wirtschaft vor einem Wendepunkt steht. Die Corona-Lockdowns und der chinesische Fokus auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit machen das Land zunehmend unattraktiver.
Hinzu kommt die neue Furcht vor zu großen Abhängigkeiten: Deutschlands Gas-Abhängigkeit von Russland wird im Winter wohl zu einer Rezession führen. Vor diesem Hintergrund werden auch die China-Abhängigkeiten Deutschlands neu bewertet. Außenministerin Annalena Baerbock sagte jüngst, es sei ihr “sehr ernst” mit der Reduzierung der Abhängigkeiten von China.
Leicht wird das nicht. “Europas wirtschaftliche Verflechtungen mit China sind wesentlicher komplexer” als jene mit Russland “und betreffen Sektoren mit einer tief verzweigten Wertschöpfungskette”, sagt Max Zenglein, Chefökonom beim China-Think-Tank Merics gegenüber China.Table.
Bei Seltenen Erden, Magnesium und anderen Rohstoffen gibt es gar kritische Abhängigkeiten (China.Table berichtete). Auch bei Industriegütern haben die Abhängigkeiten stark zugenommen. Laut Merics befinden sich die EU-Staaten in 103 Produktkategorien in einer “kritischen strategischen Abhängigkeit” von China. Das heißt: Die Staaten importieren mindestens 50 Prozent eines bestimmten Produkts aus China, zudem hat die Volksrepublik einen globalen Marktanteil von mindestens 30 Prozent. Dazu zählen beispielsweise pharmazeutische Produkte, Chemikalien und Elektronikteile wie bestimmte Leiterplatten, kleine Transformatoren oder Batteriezellen. Zahlreiche Branchen sind auf Vorleistungen aus China angewiesen.
Bei all diesen Produkten wäre es schwierig, kurzfristig andere Zulieferer zu finden. Einen Lieferstopp könnte die deutsche Wirtschaft kaum verkraften. Zenglein empfiehlt deshalb: “Es wäre durchaus hilfreich, wenn Politik und Wirtschaft Mechanismen ergreifen, um die Abhängigkeiten zu identifizieren und diese in kritischen Bereichen – beispielsweise bei erneuerbaren Energien, pharmazeutischen Grundstoffen oder Elektronikbauteilen – zu reduzieren.”
China macht das schon. Peking hat es sich zum Ziel gesetzt, technologisch an die Weltspitze zu rücken und westliche Anbieter zu überholen. Chinas Unternehmen sollen innovativer werden und eine Tech-Dominanz aufbauen, die zukünftig für Wachstum sorgt. “Im Falle von geopolitischen Eskalationen” wäre China dann besser gerüstet, sagt Zenglein.
Um technologisch aufzuholen, nutzt China auch ausländische Konzerne. Einige Forscher warnen deshalb, die deutsche Industrie dürfe nicht zu naiv agieren. “Ausländische Investoren müssen sich vergegenwärtigen, dass sie diesem Ziel dienen sollen”, sagt Rolf Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) gegenüber China.Table. Als warnendes Beispiel diene die Autoindustrie. Deutsche Unternehmen “haben chinesischen Firmen das nötige Know-how geliefert, um von diesen zukünftig ersetzt werden zu können“, erklärt der Handelsexperte.
Was daraus folgt, zeigt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW): “Deutschland hängt vor allem auf der Exportseite, aber auch importseitig, wesentlich stärker von China ab als umgekehrt.” Und Chinas Importe werden in Zukunft weiter sinken, wie die Prognose zeigt. Der Grund ist in Peking zu finden. “Die chinesische Regierung will ihre Abhängigkeiten vom Ausland durch die Dual-Circulation-Strategie weiter abbauen”, schreibt der Autor der Studie, Jürgen Matthes.
Doch nicht alle Entwicklungen gehen auf eine aktive Entscheidung Pekings zurück. So verliert China in letzter Zeit als Absatzmarkt wie auch im täglichen Geschäft zunehmend an Attraktivität. Unternehmen und Verbände beklagen die strikte Null-Covid-Politik und die zahlreichen Lockdowns. Laut einer Umfrage der EU-Handelskammer in China überlegt ein immer größerer Teil der Unternehmen, Investitionen aus China abzuziehen (China.Table berichtete). Für 77 Prozent der befragten Unternehmen hat China als Investitionsziel an Attraktivität verloren.
Und auch Unternehmen in Deutschland wollen ihre China-Abhängigkeit verringern. Fast jedes zweite Industrieunternehmen, das Vorleistungen aus der Volksrepublik bezieht, will seine Importe aus China reduzieren, zeigt eine Ifo-Studie vom April. Ob dieser Stimmungsumschwung allerdings auch “einen grundsätzlichen Strategiewechsel bei den europäischen Unternehmen einleiten wird, bleibt noch abzuwarten”, sagt Zenglein.
Doch global stehen die Zeichen auf Entflechtung. “Die Globalisierung steht am Anfang einer Neu-Aufstellung”, sagt Zenglein. Risikofaktoren müssten in den Kalkulationen der Unternehmen in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dabei gehe es nicht um eine Abkopplung. Vielmehr plädiert Zenglein für eine Diversifizierung. Das “wird Zeit und vor allem Geld in Anspruch nehmen”.
Rolf Langhammer gibt zu bedenken, dass der chinesische Markt derzeit noch zu wichtig sei. “Unternehmen werden die Fokussierung auf den chinesischen Markt, wenn überhaupt, nur sehr langsam abbauen können”, meint der IfW-Forscher. Aber vor dem Hintergrund der neuen geopolitischen Realitäten “kann es noch kostspieliger werden, nicht zu reagieren“, sagt Zenglein.
Genau hier könnte die größte Herausforderung liegen. Denn die Firmen setzen lieber auf kurzfristige Gewinne denn auf langfristige Sicherheit. Schließlich steht man im Wettbewerb. Es ist das klassische Gefangenen-Dilemma: Gibt ein Unternehmen die Umsätze in China auf, eröffnen sich Chancen für Wettbewerber, die in die Lücke vorstoßen können und dem Unternehmen Marktanteile abnehmen. Ähnliches gilt für den Einkauf günstiger Vorprodukte und Rohstoffe aus China. Doch ob dieses Vorgehen langfristig den größten Nutzen bringt, steht spätestens nach dem Russland-Debakel infrage.
Werden die deutsche Politik und die Wirtschaft die richtigen Lehren ziehen und sich auf die neue Globalisierung einstellen? Eine neue China-Strategie des Außenministeriums könnte bald Aufschluss geben. Außenministerin Baerbock sagte jüngst, weil China ein Systemrivale sei, müssten wir klarstellen, dass wir nicht erpressbar sind, so “wie wir es bei der russischen Gasabhängigkeit waren”. Und auch Robert Habeck will einen neuen Kurs einschlagen. “Wir diversifizieren uns stärker und verringern unsere Abhängigkeiten auch von China”, sagte der Wirtschaftsminister kürzlich. Die Regierung wird sich an diesen Aussagen messen lassen müssen.
Volkswagen China hat einen flugtauglichen Prototyp seines Flugtaxis V.MO vorgestellt. Es handele sich damit um ein Angebot für die künftige “urbane Luftmobilität”, die helfen soll, Chinas Verkehrsprobleme zu lösen. Das Gerät startet und landet senkrecht wie ein Helikopter. Die Energie kommt aus Batterien. Innen haben vier Passagiere Platz. Das Unternehmen wolle den V.MO als ernstzunehmendes Produkt zur Serienreife bringen, betont Volkswagen-China-Chef Stephan Wöllenstein.
Der offizielle Spitzname der Passagierdrohne soll laut Pressemitteilung “Flying Tiger” sein, was vermutlich keine Anspielung auf die gleichnamige Fliegerstaffel im Zweiten Weltkrieg sein soll. Es handele sich um ein gutes Beispiel für eine Entwicklung “in China, für China”, sagte Wöllenstein. Das Fluggerät wurde vor Ort von jungen chinesischen Ingenieurinnen und Ingenieuren ersonnen. Um ein Massenprodukt handelt es sich jedoch auf absehbare Zeit nicht. Der Flying Tiger werde zunächst wohlhabenden Kunden angeboten, so der Konzern. fin
Der chinesische Autobauer BYD strebt mit seinen E-Autos auf den wichtigen japanischen Automarkt. Ab dem kommenden Jahr sollen drei E-Modelle in Japan angeboten werden, wie das Unternehmen bekannt gab. Anbieten will BYD einen SUV, einen Kompaktwagen und eine Limousine, wie Nikkei Asia berichtet.
Derzeit machen E-Autos nur ein Prozent der Autoverkäufe in Japan aus. Doch die Regierung verfolgt das Ziel, dass ab 2035 nur noch E-Autos und Hybride verkauft werden dürfen. BYD will in Japan demnach vor allem im unteren und mittleren Preissegment Marktanteile gewinnen. Derzeit verkauft das Unternehmen noch über neun von zehn Autos im Heimatmarkt. In Japan bietet BYD schon elektrische Busse an. nib
Ein Jahr nach dem Start des chinesischen Emissionshandels zeigen sich Experten enttäuscht über die Wirkung des Klimaschutz-Instruments. “Die Auswirkungen auf die Umwelt sind eindeutig begrenzt“, sagt Matt Gray, Mitbegründer von TransitionZero, einer Denkfabrik für den Klimaschutz gegenüber Reuters. Als Ursachen werden ein Überschuss von CO2-Zertifikaten und ungenaue Emissionsdaten der teilnehmenden Unternehmen angeführt.
Die Emissions-Zertifikate werden kostenlos an die mehr als 2.000 teilnehmenden Unternehmen aus dem Strom- und Wärmesektor vergeben. Zudem gibt es keine absolute Obergrenze für die Zertifikate und noch keine Pläne, die Anzahl der Zertifikate zu verringern, sodass die Lenkungswirkung des Handelssystems sehr gering ist (China.Table berichtete). Auch betrügen einige teilnehmende Unternehmen bei ihren Emissionsdaten. Mithilfe von Datenprüfungs-Agenturen werden gefälschte Berichte angefertigt und an die Behörden übermittelt. Die Aufklärung solcher Vergehen gestaltet sich mitunter schwierig (China.Table berichtete).
Laut Analysten könnten die Probleme schnell gelöst werden, wenn der Emissionshandel reformiert würde. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die Regierung das Thema in diesem Jahr als Priorität betrachtet, da sie versucht, die Energieversorgung zu gewährleisten und eine Wirtschaft zu beleben, die durch die Lockdowns betroffen ist, sagt Matt Gray gegenüber Reuters. nib
Chinas Halbleiterhersteller SMIC hat einem Branchen-Bericht zufolge trotz US-Sanktionen wichtige Fortschritte in der heimischen Semiconductor-Produktion gemacht. SMIC liefert demnach bereits seit vergangenem Jahr erste 7-nm-Chips aus. Diese würden zwar primär für Nischen-Produkte verwendet, zeigten aber, dass die Volksrepublik bei der eigenen Halbleiter-Produktion bereits fortschrittlicher sei als angenommen, erklärten Analysten von TechInsights. “Obwohl SMIC aufgrund der derzeit geltenden Sanktionen keinen Zugang zu den fortschrittlichsten Geräten hatte, scheinen sie die 7-nm-Technologie verwendet zu haben, um das MinerVa Bitcoin Miner System auf Chip herzustellen”, schreiben die Tech-Analysten.
Seit Ende 2020 haben die USA den nicht lizenzierten Verkauf von Geräten, die zur Herstellung von Halbleitern mit 10 nm und darüber verwendet werden können, an die chinesische Firma verboten. Interessant ist zudem: Laut der Analysten ist die gefundene Technologie von SMIC wohl eine ziemlich nahe Kopie des N7-Prozesses der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). TSMC und SMIC lagen über angeblich gestohlene Technologien durch den chinesischen Konzern bereits vor einiger Zeit im Clinch.
Der überraschende Fortschritt von SMIC wirft Fragen darüber auf, wie effektiv der Exportkontrollmechanismus der USA war und ob Washington tatsächlich Chinas Ambitionen, eine erstklassige Chipindustrie im Inland zu fördern, vereiteln kann. ari
Einem Blogeintrag zufolge befindet sich der Carsharing-Arm des Mobilitätsdienstleisters Didi Chuxing in Schwierigkeiten. Ein Mitarbeiter habe Informationen über die Insolvenz auf Weibo geteilt, berichtet die Webseite Pandaily. Zuvor hatten die Behörden dem Mutterkonzern eine Milliardenstrafe aufgebrummt, um ihn für seine Geschäftspraktiken zu sanktionieren (China.Table berichtete).
Das Unternehmen hatte jahrelang Geld verbrannt, um seine Dienste unter Preis anzubieten und damit die Konkurrenz aus dem Markt gedrängt. Es war zudem nicht zimperlich mit den Daten seiner Kunden umgegangen. Die Regierung hatte zunächst ein Download-Verbot für die beliebte App verhängt und die Untersuchung nun mit dem Bußgeld abgeschlossen. fin
Es ist neun Uhr morgens, aber Michael Clauß verzichtet dankend auf einen Kaffee. Er habe schon zwei Frühstückstermine hinter sich, sagt der deutsche EU-Botschafter, sein Koffeinbedarf ist daher gedeckt. Der nächste Termin steht bereits an, er führt Clauß in den sogenannten Beichtstuhl. Das Kabinett von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lotet einmal mehr in kleinen Gruppen aus, welche Befindlichkeiten die Mitgliedstaaten in Bezug auf die neuen Sanktionen gegen Russland haben.
Der Brüsseler Politikbetrieb geht im August in die obligatorische Sommerpause, Krieg und Krisen zum Trotz. Krise türmt sich inzwischen auf Krise, und Clauß ist mittendrin in den politischen Bemühungen der EU, diese einzuhegen. Er kennt den EU-Betrieb wie kaum ein anderer. Der 60-Jährige hat die vergangenen beiden Ratspräsidentschaften Deutschlands gemanagt, 2020 als Botschafter, 2007 als stellvertretender Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt. Den Prozess zur Erarbeitung einer europäischen Verfassung hat er als Leiter des deutschen Konventsekretariats begleitet, vom Start 2002 weg bis zu dessen bitteren Ende – den ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden.
Vorgestellt hatte sich Clauß das allerdings ganz anders. Er sollte nach seinen ersten Jahren im Außenamt eigentlich Botschafter in Sierra Leone werden, “meine Frau und ich fanden das Abenteuer sehr reizvoll”, sagt er. Wenige Stunden vor Abflug aber wurde in dem westafrikanischen Land geputscht, die deutsche Vertretung in der Hauptstadt Freetown musste evakuiert werden. Also musste eine andere Verwendung für Clauß gefunden werden – als Botschaftsrat an der EU-Vertretung. “Dass ich stattdessen nach Brüssel entsandt wurde, war reiner Zufall”, sagt er.
Begeistert war Clauß davon zunächst nicht. Er kannte Belgien aus der Schulzeit, sein Vater war als Bundeswehr-Offizier zeitweise beim Nato-Oberkommando in Mons stationiert. Clauß aber wollte ferne Länder kennenlernen. Auch deshalb hatte er sich, nach zweijährigem Dienst als Zeitsoldat, für den diplomatischen Dienst entschieden – und gegen die Truppe, in der es sein Vater bis zum Vier-Sterne General brachte.
So aber wurde es Brüssel statt Freetown. Anschließend folgten 14 Jahre in der Zentrale am Werderschen Markt, zuletzt als Leiter der Europaabteilung. 2013 sei es dann Zeit für einen Tapetenwechsel gewesen, sagt Clauß: Er wurde Botschafter in China. “Es ist heilsam und hilfreich, die Dinge auch mal von außen zu betrachten”, sagt er. “Von Peking aus betrachtet ist Brüssel nicht der Nabel der Welt.” Verglichen mit der enormen Dynamik in China seien die Prozesse in Europa oft mühsam und bürokratisch.
Für Ausländer ist es schwierig, in Peking hinter die Kulissen des chinesischen Systems zu blicken. Kontakt zu westlichen Diplomaten ist für KP-Kader unerwünscht. Seine Frau aber verschaffte Clauß Einblicke, die er sonst nicht bekommen hätte. Über sie bekam er Zugang zur chinesischen Elite, Mitgliedern der sogenannten Revolutionary Families: Söhne, Töchter und Enkel der einstigen Weggefährten von Mao, ohne offizielle Parteiposition, aber dennoch einflussreich und gut informiert. Viele von ihnen wurden an US-Eliteuniversitäten ausgebildet und sprechen daher sehr gut Englisch.
“Die Frauen haben sich am Wochenende hin und wieder verabredet und wir Männer sind einfach mitgekommen”, erzählt Clauß. In diesem Rahmen sei es möglich gewesen, teils recht offen miteinander zu sprechen. “Das hat mir die Tür aufgestoßen zu einer abgeschirmten Welt. Und es half dabei, die offiziellen Informationen einzuordnen.”
Illusionen über Funktionsweise und Machtanspruch des Systems macht er sich seither keine mehr. “China leitet aus seiner Entwicklung ein großes Selbstbewusstsein ab und stellt unser politisches und gesellschaftliches System infrage”, sagt er. Die KP werde zunehmend repressiv und versuche, die internationale Ordnung in ihrem Sinne umzukrempeln. So diene die “Belt and Road”-Initiative dazu, ein hierarchisches Verhältnis zu anderen Staaten zu etablieren, mit Peking an der Spitze. “In Europa wurde lange nicht gesehen, dass China ein systemischer Rivale ist. Mir war wichtig, hier in Brüssel zu vermitteln, dass wir diese Naivität ablegen müssen.”
Inzwischen ist diese Botschaft angekommen. Clauß hat nach der Versetzung nach Brüssel 2018 dazu beigetragen, Hand in Hand mit anderen China-Kennern wie dem Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer. Inzwischen hat die EU ein 300 Milliarden Euro schweres Gegenstück zur Neuen Seidenstraße aufgelegt. “Global Gateway hat das Potenzial, eine echte Alternative zu sein”, sagt Clauß. “Jetzt aber müssen wir voranschreiten, und zwar wertebasiert, aber auch realistisch vorgehen, um möglichst viele Länder einzubinden.”
In Berlin wird der Diplomat für seine Kompetenz und seine Sachlichkeit parteiübergreifend geschätzt, auch die Ampel-Regierung hält an ihm fest. Clauß selbst hat kein Parteibuch, das verträgt sich nicht mit seinem Beamtenethos. Er versucht, die Brüsseler Einblicke in die europapolitischen Abstimmungsprozesse in der Bundesregierung einzuspeisen, etwa was die Mehrheitsverhältnisse im Rat und Europaparlament betrifft.
Um den Stress abzuschütteln, geht Clauß jedes Wochenende viele, viele Kilometer laufen, bisweilen steigt er auch aufs Rennrad. Unter der Woche versucht er, sich einen weiteren Termin im Kalender dafür freizuhalten. “Ich bin Langstreckenläufer, das ist eine echte Leidenschaft”, sagt er. Er brauche den sportlichen Ausgleich für die physische Gesundheit, aber auch für die geistige Hygiene.
Dass ihn seine Karriere statt in den afrikanischen Regenwald in den EU-Paragrafendschungel geführt hat, damit hat Clauß längst seinen Frieden gemacht. “Brüssel ist zwar nicht so exotisch”, sagt er, “abenteuerlich geht es hier aber bisweilen auch zu”. Till Hoppe
Can Karagöz ist seit Juni Short Term Specialist H6 bei Daimler Truck China. Karagöz arbeitet seit 12 Jahren in der LKW-Sparte des Unternehmens.
Yue Lu hat den Posten des Director of Tool Management China bei Läpple Automotive übernommen. Das Unternehmen aus Heilbronn hat sich auf Pressteile und Karosseriemodule für Premium-Fahrzeuge spezialisiert. Yue Lu war zuvor bereits fünf Jahre für Läpple in Deutschland tätig.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unserer Personal-Rubrik an heads@table.media!
Oliver Blume wird ab September neuer Chef des VW-Konzerns. Aus Sicht von China.Table ist das eine aufregende Personalentscheidung. Blume hat 2001 an der renommierten Tongji-Universität in Shanghai promoviert. Damit kommt ein echter China-Kenner an die Spitze eines Dax-Konzerns. Da eine ganze Reihe von Fehlern seines Vorgängers mit dem chinesischen Markt zusammenhängen, ist uns die Top-Personalie eine Analyse wert. Vor allem bei der Beschaffung von Batterien hatte Blume als Porsche-Chef eine glücklichere Hand als Herbert Diess bei VW.
Eine weniger glückliche Hand hatten wir Deutsche im Umgang mit Russland. Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine – und den Folgen, wie der drohenden Gasknappheit – wird sich Deutschland auch seiner China-Abhängigkeiten zunehmend bewusst. Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck wollen einen neuen Kurs einschlagen. Und auch bei den deutschen Unternehmen setzt ein Umdenken ein. Das Problem: Gestaltet sich die Loslösung von Russland schon schwierig, wird es im Falle Chinas eine wahre Herkulesaufgabe. Denn Deutschlands Abhängigkeiten von China sind wesentlich größer und komplexer.
Nico Beckert analysiert, in welchen Bereichen die deutschen Abhängigkeiten am größten sind – und weshalb das viel zitierte “Decoupling” keine einfache Lösung sein wird. Da auch China sich unabhängiger von Deutschland machen will, lautet sein Fazit: Es steht eine Zeitenwende bevor.
Viel Spaß beim Lesen!
Mitten in die Werksferien in Wolfsburg platze am späten Freitagnachmittag die Nachricht über den Führungswechsel bei Volkswagen. Für den bisherigen VW-Chef Herbert Diess, so heißt es zumindest aus VW-Kreisen, sei das ein Schock gewesen. Er wusste zwar, dass er bei vielen Mitarbeitern aneckte und entscheidende Probleme noch nicht im Griff hatte. Die Abberufung kam jedoch ohne Vorwarnung.
Mit Oliver Blume als Nachfolger setzt der Aufsichtsrat nun auf jemanden, der explizit China-Erfahrung aufweist. Das ist kein Zufall. Fast alle Probleme und Baustellen des Konzerns haben derzeit direkt oder indirekt mit dem großen Markt in Fernost zu tun:
Firmenangaben zufolge hat Blume 2001 am Institut für Fahrzeugtechnik der renommierten Tongji-Universität in Shanghai promoviert. Die Tongji ist nicht irgendeine Uni. Es handelt sich um eine der Top-Institutionen der Volksrepublik. Sie schneidet in internationalen Rankings vor deutschen Hochschulen ab. Im Jahr 1907 als deutsche Hochschule für Chinesen in Shanghai gegründet, gehört sie zu den ältesten der modernen Bildungseinrichtungen in China. Der Name Tongji weckt Ehrfurcht.
Gleich im Anschluss an seine Zeit an der Tongji in Shanghai sammelte Blume an mehreren Standorten Konzernerfahrung. Er ging zunächst zu Audi, dann zu Seat und schließlich zur Kernmarke Volkswagen nach Wolfsburg, wo er die Produktionsplanung leitete. 2015 wurde er Chef von Porsche. Drei Jahre später wurde er zudem in den Konzernvorstand von VW berufen, verantwortlich für die Produktion. Blume will auch künftig in Personalunion Porsche-Chef bleiben.
An der China-Strategie, die der designierte China-Vorstand Ralf Brandstätter im Juni präsentierte, hat Blume nach Konzernangaben unmittelbar mitgewirkt. Ab August soll ein eigenes sogenanntes “China Board” installiert sein, das markenübergreifend und eigenständig vor Ort schalten und walten soll. An dieser Strategie wird VW also unter Blume als Konzernchef festhalten.
Doch ob diese Strategie ausreichen wird, um den Marktanteil des deutschen Autobauers von noch 40 Prozent im vergangenen Jahr halten zu können? Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich der chinesische Automarkt derzeit entwickelt, dürfte auch Blume nicht viel Zeit haben, um bald Erfolg vorzuweisen.
Die Rahmenbedingungen in China verändern sich so rasch, dass das deutsche Management nur mit Mühe mithalten kann. Das musste auch Diess erfahren. Ohne den Druck aus China hätte VW den Schwenk zu Elektromodellen in dieser Konsequenz zwar nicht vollzogen. Dennoch hinkt der deutsche Marktführer hinterher. Diess hinterlässt Blume daher große Baustellen:
Die von Diess eigens gegründete Tochterfirma Cariad sollte ein einheitliches Betriebssystem für die gesamte Volkswagen-Gruppe entwickeln. Es sollte die Grundlage für das autonome Fahren legen. Zuletzt zeichnete sich jedoch ab, dass es wegen diverser Koordinationsprobleme und unzureichender Fachkräfte zu erheblichen Verzögerungen kommt und die Volkswagen-Gruppe noch über Jahre zwei verschiedene Systeme verwenden wird, zwischen denen es kaum Überschneidungen gibt. Dem Konzern geht damit kostbare Zeit verloren.
Für chinesische Kunden sind die digitalen Funktionen des Autos tendenziell wichtiger als traditionelle Kennzahlen wie die Motorleistung. Eine gut zu bedienende Software ist für sie kaufentscheidend. Die chinesische Konkurrenz ist dabei aber den deutschen Autobauern deutlich überlegen: BYD ist beim E-Auto in China bereits Marktführer, chinesische Newcomer wie Nio, Xpeng holen kräftig auf und punkten mit einer leistungsstarken Benutzeroberfläche.
Gerade die Anbindung an beliebte Apps genügt sehr viel mehr den Ansprüchen der chinesischen Kundschaft als die Technik von Volkswagen. BYD ist inzwischen auch auf Expansionskurs in Europa. Diess Abgang dürfte also nicht zuletzt mit den Problemen im China-Geschäft in Zusammenhang stehen.
Doch auch im Umgang mit politischen Themen zeigte Diess in seiner Amtszeit wenig Fingerspitzengefühl. Erst Anfang Juli sagte er in einem Interview, der Konzern lasse sich von seinem Joint-Venture-Partner über die Menschenrechtslage in China informieren. Der Partner ist jedoch ein Staatsunternehmen und kein unabhängiger Beobachter (China.Table berichtete). In einem Interview mit der britischen BBC schützte Diess 2019 Unwissenheit vor, als er nach den brutalen Lagern in der chinesischen Provinz Xinjiang gefragt wurde. VW ist der einzige ausländische Autobauer, der auch in Xinjiang ein Autowerk betreibt. Diess’ Äußerung hat vor allem in angelsächsischen Medien für große Empörung gesorgt. Mittlerweile verweigert auch das Bundeswirtschaftsministerium dem Volkswagen-Konzern wegen seiner Tätigkeiten in Xinjiang Handelssubventionen (China.Table berichtete).
Über Jahre hinweg galt China als einer der bevorzugten Partner der deutschen Politik und Wirtschaft. Die Volksrepublik war Garant für deutsches Wachstum und ist längst zu Deutschlands größtem Handelspartner aufgestiegen. Auto- und Maschinenbauer machen in der Volksrepublik große Umsätze.
Doch vieles deutet darauf, dass das China-Engagement der deutschen Wirtschaft vor einem Wendepunkt steht. Die Corona-Lockdowns und der chinesische Fokus auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit machen das Land zunehmend unattraktiver.
Hinzu kommt die neue Furcht vor zu großen Abhängigkeiten: Deutschlands Gas-Abhängigkeit von Russland wird im Winter wohl zu einer Rezession führen. Vor diesem Hintergrund werden auch die China-Abhängigkeiten Deutschlands neu bewertet. Außenministerin Annalena Baerbock sagte jüngst, es sei ihr “sehr ernst” mit der Reduzierung der Abhängigkeiten von China.
Leicht wird das nicht. “Europas wirtschaftliche Verflechtungen mit China sind wesentlicher komplexer” als jene mit Russland “und betreffen Sektoren mit einer tief verzweigten Wertschöpfungskette”, sagt Max Zenglein, Chefökonom beim China-Think-Tank Merics gegenüber China.Table.
Bei Seltenen Erden, Magnesium und anderen Rohstoffen gibt es gar kritische Abhängigkeiten (China.Table berichtete). Auch bei Industriegütern haben die Abhängigkeiten stark zugenommen. Laut Merics befinden sich die EU-Staaten in 103 Produktkategorien in einer “kritischen strategischen Abhängigkeit” von China. Das heißt: Die Staaten importieren mindestens 50 Prozent eines bestimmten Produkts aus China, zudem hat die Volksrepublik einen globalen Marktanteil von mindestens 30 Prozent. Dazu zählen beispielsweise pharmazeutische Produkte, Chemikalien und Elektronikteile wie bestimmte Leiterplatten, kleine Transformatoren oder Batteriezellen. Zahlreiche Branchen sind auf Vorleistungen aus China angewiesen.
Bei all diesen Produkten wäre es schwierig, kurzfristig andere Zulieferer zu finden. Einen Lieferstopp könnte die deutsche Wirtschaft kaum verkraften. Zenglein empfiehlt deshalb: “Es wäre durchaus hilfreich, wenn Politik und Wirtschaft Mechanismen ergreifen, um die Abhängigkeiten zu identifizieren und diese in kritischen Bereichen – beispielsweise bei erneuerbaren Energien, pharmazeutischen Grundstoffen oder Elektronikbauteilen – zu reduzieren.”
China macht das schon. Peking hat es sich zum Ziel gesetzt, technologisch an die Weltspitze zu rücken und westliche Anbieter zu überholen. Chinas Unternehmen sollen innovativer werden und eine Tech-Dominanz aufbauen, die zukünftig für Wachstum sorgt. “Im Falle von geopolitischen Eskalationen” wäre China dann besser gerüstet, sagt Zenglein.
Um technologisch aufzuholen, nutzt China auch ausländische Konzerne. Einige Forscher warnen deshalb, die deutsche Industrie dürfe nicht zu naiv agieren. “Ausländische Investoren müssen sich vergegenwärtigen, dass sie diesem Ziel dienen sollen”, sagt Rolf Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) gegenüber China.Table. Als warnendes Beispiel diene die Autoindustrie. Deutsche Unternehmen “haben chinesischen Firmen das nötige Know-how geliefert, um von diesen zukünftig ersetzt werden zu können“, erklärt der Handelsexperte.
Was daraus folgt, zeigt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW): “Deutschland hängt vor allem auf der Exportseite, aber auch importseitig, wesentlich stärker von China ab als umgekehrt.” Und Chinas Importe werden in Zukunft weiter sinken, wie die Prognose zeigt. Der Grund ist in Peking zu finden. “Die chinesische Regierung will ihre Abhängigkeiten vom Ausland durch die Dual-Circulation-Strategie weiter abbauen”, schreibt der Autor der Studie, Jürgen Matthes.
Doch nicht alle Entwicklungen gehen auf eine aktive Entscheidung Pekings zurück. So verliert China in letzter Zeit als Absatzmarkt wie auch im täglichen Geschäft zunehmend an Attraktivität. Unternehmen und Verbände beklagen die strikte Null-Covid-Politik und die zahlreichen Lockdowns. Laut einer Umfrage der EU-Handelskammer in China überlegt ein immer größerer Teil der Unternehmen, Investitionen aus China abzuziehen (China.Table berichtete). Für 77 Prozent der befragten Unternehmen hat China als Investitionsziel an Attraktivität verloren.
Und auch Unternehmen in Deutschland wollen ihre China-Abhängigkeit verringern. Fast jedes zweite Industrieunternehmen, das Vorleistungen aus der Volksrepublik bezieht, will seine Importe aus China reduzieren, zeigt eine Ifo-Studie vom April. Ob dieser Stimmungsumschwung allerdings auch “einen grundsätzlichen Strategiewechsel bei den europäischen Unternehmen einleiten wird, bleibt noch abzuwarten”, sagt Zenglein.
Doch global stehen die Zeichen auf Entflechtung. “Die Globalisierung steht am Anfang einer Neu-Aufstellung”, sagt Zenglein. Risikofaktoren müssten in den Kalkulationen der Unternehmen in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dabei gehe es nicht um eine Abkopplung. Vielmehr plädiert Zenglein für eine Diversifizierung. Das “wird Zeit und vor allem Geld in Anspruch nehmen”.
Rolf Langhammer gibt zu bedenken, dass der chinesische Markt derzeit noch zu wichtig sei. “Unternehmen werden die Fokussierung auf den chinesischen Markt, wenn überhaupt, nur sehr langsam abbauen können”, meint der IfW-Forscher. Aber vor dem Hintergrund der neuen geopolitischen Realitäten “kann es noch kostspieliger werden, nicht zu reagieren“, sagt Zenglein.
Genau hier könnte die größte Herausforderung liegen. Denn die Firmen setzen lieber auf kurzfristige Gewinne denn auf langfristige Sicherheit. Schließlich steht man im Wettbewerb. Es ist das klassische Gefangenen-Dilemma: Gibt ein Unternehmen die Umsätze in China auf, eröffnen sich Chancen für Wettbewerber, die in die Lücke vorstoßen können und dem Unternehmen Marktanteile abnehmen. Ähnliches gilt für den Einkauf günstiger Vorprodukte und Rohstoffe aus China. Doch ob dieses Vorgehen langfristig den größten Nutzen bringt, steht spätestens nach dem Russland-Debakel infrage.
Werden die deutsche Politik und die Wirtschaft die richtigen Lehren ziehen und sich auf die neue Globalisierung einstellen? Eine neue China-Strategie des Außenministeriums könnte bald Aufschluss geben. Außenministerin Baerbock sagte jüngst, weil China ein Systemrivale sei, müssten wir klarstellen, dass wir nicht erpressbar sind, so “wie wir es bei der russischen Gasabhängigkeit waren”. Und auch Robert Habeck will einen neuen Kurs einschlagen. “Wir diversifizieren uns stärker und verringern unsere Abhängigkeiten auch von China”, sagte der Wirtschaftsminister kürzlich. Die Regierung wird sich an diesen Aussagen messen lassen müssen.
Volkswagen China hat einen flugtauglichen Prototyp seines Flugtaxis V.MO vorgestellt. Es handele sich damit um ein Angebot für die künftige “urbane Luftmobilität”, die helfen soll, Chinas Verkehrsprobleme zu lösen. Das Gerät startet und landet senkrecht wie ein Helikopter. Die Energie kommt aus Batterien. Innen haben vier Passagiere Platz. Das Unternehmen wolle den V.MO als ernstzunehmendes Produkt zur Serienreife bringen, betont Volkswagen-China-Chef Stephan Wöllenstein.
Der offizielle Spitzname der Passagierdrohne soll laut Pressemitteilung “Flying Tiger” sein, was vermutlich keine Anspielung auf die gleichnamige Fliegerstaffel im Zweiten Weltkrieg sein soll. Es handele sich um ein gutes Beispiel für eine Entwicklung “in China, für China”, sagte Wöllenstein. Das Fluggerät wurde vor Ort von jungen chinesischen Ingenieurinnen und Ingenieuren ersonnen. Um ein Massenprodukt handelt es sich jedoch auf absehbare Zeit nicht. Der Flying Tiger werde zunächst wohlhabenden Kunden angeboten, so der Konzern. fin
Der chinesische Autobauer BYD strebt mit seinen E-Autos auf den wichtigen japanischen Automarkt. Ab dem kommenden Jahr sollen drei E-Modelle in Japan angeboten werden, wie das Unternehmen bekannt gab. Anbieten will BYD einen SUV, einen Kompaktwagen und eine Limousine, wie Nikkei Asia berichtet.
Derzeit machen E-Autos nur ein Prozent der Autoverkäufe in Japan aus. Doch die Regierung verfolgt das Ziel, dass ab 2035 nur noch E-Autos und Hybride verkauft werden dürfen. BYD will in Japan demnach vor allem im unteren und mittleren Preissegment Marktanteile gewinnen. Derzeit verkauft das Unternehmen noch über neun von zehn Autos im Heimatmarkt. In Japan bietet BYD schon elektrische Busse an. nib
Ein Jahr nach dem Start des chinesischen Emissionshandels zeigen sich Experten enttäuscht über die Wirkung des Klimaschutz-Instruments. “Die Auswirkungen auf die Umwelt sind eindeutig begrenzt“, sagt Matt Gray, Mitbegründer von TransitionZero, einer Denkfabrik für den Klimaschutz gegenüber Reuters. Als Ursachen werden ein Überschuss von CO2-Zertifikaten und ungenaue Emissionsdaten der teilnehmenden Unternehmen angeführt.
Die Emissions-Zertifikate werden kostenlos an die mehr als 2.000 teilnehmenden Unternehmen aus dem Strom- und Wärmesektor vergeben. Zudem gibt es keine absolute Obergrenze für die Zertifikate und noch keine Pläne, die Anzahl der Zertifikate zu verringern, sodass die Lenkungswirkung des Handelssystems sehr gering ist (China.Table berichtete). Auch betrügen einige teilnehmende Unternehmen bei ihren Emissionsdaten. Mithilfe von Datenprüfungs-Agenturen werden gefälschte Berichte angefertigt und an die Behörden übermittelt. Die Aufklärung solcher Vergehen gestaltet sich mitunter schwierig (China.Table berichtete).
Laut Analysten könnten die Probleme schnell gelöst werden, wenn der Emissionshandel reformiert würde. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die Regierung das Thema in diesem Jahr als Priorität betrachtet, da sie versucht, die Energieversorgung zu gewährleisten und eine Wirtschaft zu beleben, die durch die Lockdowns betroffen ist, sagt Matt Gray gegenüber Reuters. nib
Chinas Halbleiterhersteller SMIC hat einem Branchen-Bericht zufolge trotz US-Sanktionen wichtige Fortschritte in der heimischen Semiconductor-Produktion gemacht. SMIC liefert demnach bereits seit vergangenem Jahr erste 7-nm-Chips aus. Diese würden zwar primär für Nischen-Produkte verwendet, zeigten aber, dass die Volksrepublik bei der eigenen Halbleiter-Produktion bereits fortschrittlicher sei als angenommen, erklärten Analysten von TechInsights. “Obwohl SMIC aufgrund der derzeit geltenden Sanktionen keinen Zugang zu den fortschrittlichsten Geräten hatte, scheinen sie die 7-nm-Technologie verwendet zu haben, um das MinerVa Bitcoin Miner System auf Chip herzustellen”, schreiben die Tech-Analysten.
Seit Ende 2020 haben die USA den nicht lizenzierten Verkauf von Geräten, die zur Herstellung von Halbleitern mit 10 nm und darüber verwendet werden können, an die chinesische Firma verboten. Interessant ist zudem: Laut der Analysten ist die gefundene Technologie von SMIC wohl eine ziemlich nahe Kopie des N7-Prozesses der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC). TSMC und SMIC lagen über angeblich gestohlene Technologien durch den chinesischen Konzern bereits vor einiger Zeit im Clinch.
Der überraschende Fortschritt von SMIC wirft Fragen darüber auf, wie effektiv der Exportkontrollmechanismus der USA war und ob Washington tatsächlich Chinas Ambitionen, eine erstklassige Chipindustrie im Inland zu fördern, vereiteln kann. ari
Einem Blogeintrag zufolge befindet sich der Carsharing-Arm des Mobilitätsdienstleisters Didi Chuxing in Schwierigkeiten. Ein Mitarbeiter habe Informationen über die Insolvenz auf Weibo geteilt, berichtet die Webseite Pandaily. Zuvor hatten die Behörden dem Mutterkonzern eine Milliardenstrafe aufgebrummt, um ihn für seine Geschäftspraktiken zu sanktionieren (China.Table berichtete).
Das Unternehmen hatte jahrelang Geld verbrannt, um seine Dienste unter Preis anzubieten und damit die Konkurrenz aus dem Markt gedrängt. Es war zudem nicht zimperlich mit den Daten seiner Kunden umgegangen. Die Regierung hatte zunächst ein Download-Verbot für die beliebte App verhängt und die Untersuchung nun mit dem Bußgeld abgeschlossen. fin
Es ist neun Uhr morgens, aber Michael Clauß verzichtet dankend auf einen Kaffee. Er habe schon zwei Frühstückstermine hinter sich, sagt der deutsche EU-Botschafter, sein Koffeinbedarf ist daher gedeckt. Der nächste Termin steht bereits an, er führt Clauß in den sogenannten Beichtstuhl. Das Kabinett von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen lotet einmal mehr in kleinen Gruppen aus, welche Befindlichkeiten die Mitgliedstaaten in Bezug auf die neuen Sanktionen gegen Russland haben.
Der Brüsseler Politikbetrieb geht im August in die obligatorische Sommerpause, Krieg und Krisen zum Trotz. Krise türmt sich inzwischen auf Krise, und Clauß ist mittendrin in den politischen Bemühungen der EU, diese einzuhegen. Er kennt den EU-Betrieb wie kaum ein anderer. Der 60-Jährige hat die vergangenen beiden Ratspräsidentschaften Deutschlands gemanagt, 2020 als Botschafter, 2007 als stellvertretender Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt. Den Prozess zur Erarbeitung einer europäischen Verfassung hat er als Leiter des deutschen Konventsekretariats begleitet, vom Start 2002 weg bis zu dessen bitteren Ende – den ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden.
Vorgestellt hatte sich Clauß das allerdings ganz anders. Er sollte nach seinen ersten Jahren im Außenamt eigentlich Botschafter in Sierra Leone werden, “meine Frau und ich fanden das Abenteuer sehr reizvoll”, sagt er. Wenige Stunden vor Abflug aber wurde in dem westafrikanischen Land geputscht, die deutsche Vertretung in der Hauptstadt Freetown musste evakuiert werden. Also musste eine andere Verwendung für Clauß gefunden werden – als Botschaftsrat an der EU-Vertretung. “Dass ich stattdessen nach Brüssel entsandt wurde, war reiner Zufall”, sagt er.
Begeistert war Clauß davon zunächst nicht. Er kannte Belgien aus der Schulzeit, sein Vater war als Bundeswehr-Offizier zeitweise beim Nato-Oberkommando in Mons stationiert. Clauß aber wollte ferne Länder kennenlernen. Auch deshalb hatte er sich, nach zweijährigem Dienst als Zeitsoldat, für den diplomatischen Dienst entschieden – und gegen die Truppe, in der es sein Vater bis zum Vier-Sterne General brachte.
So aber wurde es Brüssel statt Freetown. Anschließend folgten 14 Jahre in der Zentrale am Werderschen Markt, zuletzt als Leiter der Europaabteilung. 2013 sei es dann Zeit für einen Tapetenwechsel gewesen, sagt Clauß: Er wurde Botschafter in China. “Es ist heilsam und hilfreich, die Dinge auch mal von außen zu betrachten”, sagt er. “Von Peking aus betrachtet ist Brüssel nicht der Nabel der Welt.” Verglichen mit der enormen Dynamik in China seien die Prozesse in Europa oft mühsam und bürokratisch.
Für Ausländer ist es schwierig, in Peking hinter die Kulissen des chinesischen Systems zu blicken. Kontakt zu westlichen Diplomaten ist für KP-Kader unerwünscht. Seine Frau aber verschaffte Clauß Einblicke, die er sonst nicht bekommen hätte. Über sie bekam er Zugang zur chinesischen Elite, Mitgliedern der sogenannten Revolutionary Families: Söhne, Töchter und Enkel der einstigen Weggefährten von Mao, ohne offizielle Parteiposition, aber dennoch einflussreich und gut informiert. Viele von ihnen wurden an US-Eliteuniversitäten ausgebildet und sprechen daher sehr gut Englisch.
“Die Frauen haben sich am Wochenende hin und wieder verabredet und wir Männer sind einfach mitgekommen”, erzählt Clauß. In diesem Rahmen sei es möglich gewesen, teils recht offen miteinander zu sprechen. “Das hat mir die Tür aufgestoßen zu einer abgeschirmten Welt. Und es half dabei, die offiziellen Informationen einzuordnen.”
Illusionen über Funktionsweise und Machtanspruch des Systems macht er sich seither keine mehr. “China leitet aus seiner Entwicklung ein großes Selbstbewusstsein ab und stellt unser politisches und gesellschaftliches System infrage”, sagt er. Die KP werde zunehmend repressiv und versuche, die internationale Ordnung in ihrem Sinne umzukrempeln. So diene die “Belt and Road”-Initiative dazu, ein hierarchisches Verhältnis zu anderen Staaten zu etablieren, mit Peking an der Spitze. “In Europa wurde lange nicht gesehen, dass China ein systemischer Rivale ist. Mir war wichtig, hier in Brüssel zu vermitteln, dass wir diese Naivität ablegen müssen.”
Inzwischen ist diese Botschaft angekommen. Clauß hat nach der Versetzung nach Brüssel 2018 dazu beigetragen, Hand in Hand mit anderen China-Kennern wie dem Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer. Inzwischen hat die EU ein 300 Milliarden Euro schweres Gegenstück zur Neuen Seidenstraße aufgelegt. “Global Gateway hat das Potenzial, eine echte Alternative zu sein”, sagt Clauß. “Jetzt aber müssen wir voranschreiten, und zwar wertebasiert, aber auch realistisch vorgehen, um möglichst viele Länder einzubinden.”
In Berlin wird der Diplomat für seine Kompetenz und seine Sachlichkeit parteiübergreifend geschätzt, auch die Ampel-Regierung hält an ihm fest. Clauß selbst hat kein Parteibuch, das verträgt sich nicht mit seinem Beamtenethos. Er versucht, die Brüsseler Einblicke in die europapolitischen Abstimmungsprozesse in der Bundesregierung einzuspeisen, etwa was die Mehrheitsverhältnisse im Rat und Europaparlament betrifft.
Um den Stress abzuschütteln, geht Clauß jedes Wochenende viele, viele Kilometer laufen, bisweilen steigt er auch aufs Rennrad. Unter der Woche versucht er, sich einen weiteren Termin im Kalender dafür freizuhalten. “Ich bin Langstreckenläufer, das ist eine echte Leidenschaft”, sagt er. Er brauche den sportlichen Ausgleich für die physische Gesundheit, aber auch für die geistige Hygiene.
Dass ihn seine Karriere statt in den afrikanischen Regenwald in den EU-Paragrafendschungel geführt hat, damit hat Clauß längst seinen Frieden gemacht. “Brüssel ist zwar nicht so exotisch”, sagt er, “abenteuerlich geht es hier aber bisweilen auch zu”. Till Hoppe
Can Karagöz ist seit Juni Short Term Specialist H6 bei Daimler Truck China. Karagöz arbeitet seit 12 Jahren in der LKW-Sparte des Unternehmens.
Yue Lu hat den Posten des Director of Tool Management China bei Läpple Automotive übernommen. Das Unternehmen aus Heilbronn hat sich auf Pressteile und Karosseriemodule für Premium-Fahrzeuge spezialisiert. Yue Lu war zuvor bereits fünf Jahre für Läpple in Deutschland tätig.
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