für viele europäische Unternehmen ist China der wichtigste Absatzmarkt. Doch das Arbeiten in China wieder zunehmend schwieriger: Lockdowns, Lieferkettenprobleme und vor allem weitgehend geschlossene Grenzen sind lediglich die bekanntesten Probleme, unter denen europäische Firmen in China leiden.
Unser Autorenteam in Peking hat sich die aktuelle Umfrage der EU-Handelskammer in China genauer angeschaut und nachgefragt, was die Führung in Peking tun könnte, um das Marktumfeld wieder zu verbessern. Denn eines ist klar, die Stimmung ist so schlecht wie nie zuvor. Einige Unternehmen stellen sich bereits die Frage, wie sehr sie in Zukunft noch auf China setzen wollen.
In Deutschland wird indes das VW-Werk in Xinjiang plötzlich zum Diskussionsthema. Wir halten die heikle Präsenz in Urumqi schon lange für die größte politische Schwachstelle von VW. Unbemerkt von Volkswagen hat sich in der Politik der Wind gedreht. Während 2012 noch Angela Merkel lächelnd bei der Unterzeichnung der Verträge für das umstrittene Werk dabei war, schauen die Regierungen heute bei Menschenrechten sehr genau hin.
Dahinter steckt zum Teil auch harte Interessenpolitik: Gegenüber einem unfreundlichen, inflexiblen China spielen EU und USA das Thema nach vorn, indem sie Importe ächten, die mit Zwangsarbeit zu tun haben. In Deutschland ist zugleich ein Grüner der Wirtschaftsminister. Jetzt hat sich neben der Gewerkschaft auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD eingeschaltet. VW steckt in der lange erwarteten Zwickmühle zwischen Forderungen aus Peking und Verpflichtungen gegenüber der deutschen Öffentlichkeit.
Unsere dritte Analyse dreht sich ganz um Chinas Wachstum. Vielleicht ließe sich ein eigener Indikator daraus machen: Der Unterschied zwischen westlichen Konjunkturprognosen für China und dem offiziellen Planziel ist derzeit mit über einem Prozentpunkt besonders groß. Wir beleuchten in unserer Analyse die Gründe für die unterschiedlichen Einschätzungen. Zwar haben die internationalen Institutionen gute Argumente für ihren Pessimismus. Doch am Ende wird das Ziel von “nahe 5,5 Prozent” Wachstum fast sicher erreicht werden. Schließlich laufen derzeit große Konjunkturprogramme an. Was keiner der Ökonomen aussprechen mochte: Wenn die einlaufenden Daten den erwünschten Wert nicht hergeben, dann kann Peking immer noch ein wenig mogeln, damit er zumindest auf dem Papier steht.
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Die EU-Handelskammer in China hat die chinesische Regierung aufgefordert, die strengen Corona-Maßnahmen endlich zu lockern. “China muss seine Grenzen öffnen. Es verfügt über alle Mittel für ein großartiges Comeback”, sagte Kammer-Vizepräsidentin Bettina Schön-Behanzin am Montag bei der Vorstellung des neuen “Business Confidence Survey” (BCS) 2022.
China müsse den Unternehmen die Angst nehmen und “mit einem klaren Plan Vertrauen zurückgewinnen”, sagte Schön-Behanzin. Mit Massentests und Lockdowns könne die Lage nicht unter Kontrolle gebracht werden. Anlass für den Appell ist das Resultat der jährlichen Umfrage. Darin wird deutlich, wie sehr die Stimmung in europäischen Unternehmen in China seit Beginn des Krieges in der Ukraine und der Lockdowns in mehreren Wirtschaftsmetropolen des Landes in den Keller gesunken ist.
Trübe Aussichten für das eigene Geschäft, Lieferketten-Probleme, Personalmangel – das alles ziehen die geo- und gesundheitspolitischen Krisen nach sich und belasten das Geschäftsklima in der zweitgrößten Volkswirtschaft. Der BCS der Europäischen Handelskammer in China offenbart die wachsenden Sorgen unter den 620 Firmen, die an der alljährlichen Umfrage teilgenommen haben. Drei Viertel der Mitglieder berichteten, dass die strengen Corona-Eindämmungsmaßnahmen ihren Betrieb negativ beeinflusst hätten. 92 Prozent klagten über Lieferketten-Probleme, die etwa durch Hafenschließungen und steigende Frachtkosten verursacht wurden.
Die Lage habe sich so schnell verschärft, dass Teile der diesjährigen BCS bereits überholt waren, als die Kammer noch dabei war, die ausgefüllten Fragebögen auszuwerten. Denn die Abgabefrist für die Beantwortung lag bereits einige Monate zurück und hatte die jüngsten Entwicklungen noch nicht berücksichtigt. Die Spuren, die Krieg und Lockdowns hinterlassen, versuchte die Kammer, mit einer separaten Blitz-Umfrage Ende April abzubilden.
Das Resultat waren demnach “erheblich destabilisierende Auswirkungen auf die China-Aktivitäten europäischer Unternehmen“. Maßnahmen wie die jüngsten Hafenschließungen in China, der Rückgang des Straßengüterverkehrs und die steigenden Seefrachtkosten werden sich voraussichtlich negativ auf die Bilanzen auswirken. 60 Prozent der Befragten der Flash-Umfrage haben ihre Umsatzprognose für das laufende Jahr nach unten korrigiert.
Eine große Herausforderung sei es zudem, neues Personal aus Europa zu gewinnen. “Es ist schwierig, jemanden zu finden, der noch nach China reisen will”, sagte Schön-Behanzin. Lockdowns, lange Quarantänezeiten, sowie immer weniger verfügbare Flüge hätten einen wahren “Exodus” ausgelöst. 23 Prozent der Unternehmen gaben an, darüber nachzudenken, neue Investitionen in der Volksrepublik auf Eis zu legen. “Die jüngsten Ereignisse haben viele Unternehmen dazu veranlasst, sich zu fragen, wie weit sie in Zukunft auf die China-Karte wollen.”
Im Vergleich zum jüngsten Stimmungsbericht las sich die Umfrage im vergangenen Jahr wie ein regelrechter Rausch. Europäische Unternehmen hatten sich wegen der zunächst erfolgreichen Null-Covid-Strategie sehr zufrieden und zuversichtlich geäußert. Im Juni vergangenen Jahres profitierten die Firmen davon, dass es der Volksrepublik zunächst gelungen war, das Coronavirus fernzuhalten. Doch das war vor dem Ausbruch von Omikron. Als die deutlich ansteckendere Virus-Variante das Land erreichte, griffen die Behörden zu viel drastischeren Eindämmungsmaßnahmen, als sie in anderen Regionen der Welt angewendet werden.
Laut der Kammer sei die überwältigende Mehrheit der Unternehmen trotz aller Schwierigkeiten noch immer bereit, grundsätzlich an China festzuhalten. Das ist wenig überraschend, denn trotz der aktuellen Probleme bietet die Volksrepublik weiterhin auch Grund für Optimismus. Die wachsende Mittelschicht ist demnach ein wichtiger Grund für die Firmen, zu bleiben. Chancen würden sich auch durch die rasant zunehmenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Land ergeben.
Doch um davon optimal profitieren zu können, stehen den europäischen Firmen immer noch zahlreiche andere Faktoren im Weg, die seit vielen Jahren Kopfschmerzen bereiten. Krieg und Corona haben mit ihren unmittelbaren Konsequenzen die Prioritäten zwar bis auf Weiteres verschoben. Allerdings drücken sie immer noch nachhaltig auf die Stimmung.
Doch damit sich das China-Geschäft wieder zum Besseren wenden kann, müsse zunächst die Corona-Krise in den Griff bekommen werden. Um die Lage in China zu entspannen, empfiehlt die Handelskammer der Regierung, auf wirksamere MRNA-Impfstoffe zu setzen. Die Volksrepublik, so Schön-Behanzin, solle sich eher am Singapurer-Modell orientieren. Auch der südostasiatische Stadtstaat hatte nach dem Beginn der Corona-Pandemie vor über zwei Jahren zunächst sehr strenge Maßnahmen verhängt. Nachdem eine hohe Impfquote erreicht war, kehrte Singapur jedoch immer weiter zur Normalität zurück, was eine große Erleichterung für die Wirtschaft darstellte. Jörn Petring/ Gregor Koppenburg
In der Debatte über ein von Volkswagen in der chinesischen Uiguren-Region Xinjiang betriebenes Werk nimmt der Druck auf den Autobauer rapide zu. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der im Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns sitzt, stellte die Aktivitäten von VW dort sogar komplett in Frage. “Inzwischen gibt es kaum einen Zweifel daran, dass in Xinjiang Menschenrechtsverletzungen stattfinden”, sagte der Gewerkschaftschef den “Wolfsburger Nachrichten”. Deshalb müsse sich der Konzernvorstand mit dem Thema befassen.
Die Präsenz in Urumqi ist hoch umstritten; zuletzt verweigerte die Bundesregierung dem Konzern mit Hinweis auf Nähe zu Menschenrechtsverletzungen sogar Investitionsbürgschaften (China.Table berichtete). Inzwischen haben Forscher auch erste Hinweise ermittelt, die die Lieferbeziehungen der Autokonzerne eben doch mit Zwangsarbeit in Verbindung bringen (China.Table berichtete). Das Unternehmen selbst hält jedoch konsequent an dem Standort fest.
Zwar gebe es aktuell keinen Hinweis darauf, dass es bei VW selbst zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. “Dennoch ist insgesamt die Frage zu stellen, was es für das Renommee des Unternehmens bedeutet, dort weiter investiert zu sein”, so Hofmann.
Hofmann sagte in dem Interview, Volkswagen könne nicht nur darauf schauen, was im eigenen “Vorgarten” los sei, sondern müsse auch darauf achten, in welcher “Straße” man wohne. “Wenn rechts und links sichtbar Menschenrechtsverletzungen passieren, verlange ich Handeln.” Der Konzern müsse sich sichtbar und unmissverständlich gegen Menschenrechtsverletzungen positionieren.
Auch VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo ließ Kritik an den Aktivitäten ihres Unternehmens in der uigurisch geprägten Region anklingen. “Mich erschüttern diese Berichte über Menschenrechtsverletzungen sehr”, sagte Cavallo der Taz am Wochenende. “Wir haben als Volkswagen eine Verantwortung.” Der Betriebsrat definiere Standards zu Arbeitsbedingungen und zur Lieferkette. Ihr liegen allerdings keine Belege dafür, dass in dem Werk in Urumqi “etwas passiert, was nicht mit unserer Charta in Einklang zu bringen ist”.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der als Vertreter des mit 20 Prozent der Stimmrechte an VW beteiligten Bundeslandes in dem Kontrollgremium sitzt, stimmte ebenfalls in die Diskussion ein. “Die Bilder und Berichte über die schweren Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in der chinesischen Region Xinjiang sind bestürzend.” Es gebe bislang aber keine Hinweise darauf, dass es in dem VW-Werk zu Verletzungen von Menschenrechten oder Arbeitsrechten gekommen sei. “Das entbindet den Konzern jedoch nicht von der Pflicht, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und die Vorwürfe zur Menschenrechtslage genau zu prüfen, was auch getan werden wird.”
Das Thema Xinjiang wird bei VW nun wohl auch Thema im Aufsichtsrat. Volkswagen erklärte in einer Stellungnahme: “Uns sind keine Fälle bekannt, dass Mitarbeiter des Unternehmens SAIC Volkswagen in Internierungslagern waren oder sind.” Auf Nachfrage ergänzte der Konzern: “In Gesprächen mit der chinesischen Regierung werden alle wichtigen Themen, die für unsere Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind, adressiert.” Dabei würden auch kritische Themen nicht ausgespart.
VW kann sich jedoch kaum ohne Weiteres aus dem Projekt zurückziehen. Der Standort in Urumqi ist zwar klein und zudem betriebswirtschaftlich nur wenig sinnvoll. Doch für die chinesische Regierung hat er erheblichen Symbolwert. Peking hatte VW im Jahr 2012 zu dem zusätzlichen Gemeinschaftsprojekt mit seinem langjährigen Partner SAIC gedrängt. Damals ging es vor allem darum, Belege für die Steigerung der Wirtschaftskraft in Xinjiang zu schaffen.
China hat seine Legitimation für die Herrschaft über das Gebiet aus dem Anspruch gezogen, Entwicklung und Wohlstand in die abgelegene Region zu bringen. Tatsächlich wuchs dort seinerzeit die Wirtschaft und es entstanden moderne Arbeitsplätze. Das machte es für die deutsche Seite auch leicht, dieses Narrativ zu akzeptieren – man ließ sich einreden, den Uiguren damit etwas Gutes zu tun.
Seit 2018 hat die Uiguren-Politik der chinesischen Regierung allerdings eine Wendung ins Extreme genommen. Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung sitzt in Lagern fest; die Region gleicht einem Freiluft-Gefängnis mit technischer Totalüberwachung (China.Table berichtete). Das VW-Werk trägt nun durch seine pure Existenz dazu bei, dieses Vorgehen zu legitimieren. Zugleich sitzt China gegenüber VW am längeren Hebel. Ohne das Wohlwollen der Regierung kann kein ausländisches Unternehmen dort Geschäfte machen. Nico Beckert/Finn Mayer-Kuckuk/Reuters
Was ist eine Prognose für das Wirtschaftswachstum noch wert, die Anfang März verkündet wurde? In Europa werden Konjunkturvorhersagen routinemäßig angepasst, wenn sich neue Entwicklungen ergeben. Chinas Politökonomie funktioniert jedoch anders. Das Ziel von Anfang März (China.Table berichtete) ist für die Führung in Stein gemeißelt. Es gibt keine Anzeichen, dass die Regierung in Peking vorhat, am Ende des Jahres schlechter dazustehen als die angekündigten “rund 5,5 Prozent”. Trotz Lockdowns ohne Ende und fortgesetzter Probleme am Immobilienmarkt.
Während westliche Institutionen die Konjunkturvorhersage daher mit guten Argumenten herunterschrauben, können chinesische Ökonomen glaubwürdig begründen, dass die Probleme in dem von der Regierung ausgegebenen Ziel schon berücksichtigt sind und es erreicht wird. “Die Regierung hat noch sechs Monate Zeit, um der Wirtschaft durch Konjunkturmaßnahmen einen Schub zu geben“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Justin Yifu Lin von der Peking-Universität am Donnerstag auf einer Veranstaltung des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel). Das werde ausreichen, um die schwache erste Jahreshälfte auszugleichen.
Es gehört jeden März zu den Ritualen in Chinas Jahreslauf, ein Wachstumsziel bekannt zu geben. Dieser Vorgang unterscheidet sich grundlegend von Vorhersagen wie der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung. Während diese den Versuch macht, die Entwicklung einer unberechenbaren Wirtschaft vorherzusagen, ist die chinesische Zahl ein Zielwert. Es ist für die Partei eine Frage der Glaubwürdigkeit, diesen Wert einzuhalten oder zu übertreffen.
Nach dem Auftritt des Premiers rauschten dann jedoch die Omikron-Wellen durch Chinas wichtigste Industriezentren. Die neue Variante ließ sich nicht mit den vorhandenen Mitteln einhegen und brachte die Konjunktur gerade am Wirtschaftsknoten Shanghai zum Erliegen.
Tatsächlich galt das Ziel von 5,5 Prozent jedoch schon im März als vorsichtig gewählt, schließlich zirkulierte Omikron da bereits. Die Regierung hat sich also bewusst etwas Luft nach oben gelassen. Zudem lässt die Regierung bereits Konjunkturprogramme von erheblichem Ausmaß in Gang setzen. Der Nachrichtendienst Bloomberg hat den Wert der angekündigten Maßnahmen addiert und ist auf 5.300 Milliarden Yuan gekommen, rund 750 Milliarden Euro. Das entspricht einem Viertel des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Viele der Hilfen laufen über die Finanzämter. Es gibt Nachlässe bei der Unternehmensteuer, der Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer. Für 2022 allein sind Steuererleichterungen in Höhe von 2.500 Milliarden Yuan vorgesehen. Die Steuererleichterungen sind Teil von 33 Fördermaßnahmen, die die Regierung Ende Mai bekannt gegeben hat. Ein wichtiges Instrument betrifft die Gemeindefinanzierung. Die Lokalregierungen dürfen mehr eigene Anleihen ausgeben. Damit sollen sie höhere Ausgaben für Bauprojekte finanzieren. Firmen in Zahlungsschwierigkeiten müssen ihre Strom- und Wasserrechnungen vorerst nicht bezahlen.
Der Ökonom Lin hält angesichts dieses Feuerwerks an Maßnahmen sogar ein Wachstum von sechs Prozent für möglich. Er erkennt an, dass das Jahr sehr schwierig angefangen hat, hält Peking aber weiterhin für hochgradig handlungsfähig.
Zugleich wundern sich westliche Experten über das, was sie als Inflexibilität der chinesischen Regierung im Umgang mit der Wirtschaft wahrnehmen. Ein Ökonom mit einem besonders genauen Blick auf China ist Helge Berger, der beim Internationalen Währungsfonds IWF in Washington für das Land zuständig ist. Seine Abteilung hat die Vorhersage für China im April auf 4,4 Prozent zurückgestuft; im Juli steht eine weitere Neubewertung an. “Ja, die Regierung hat sich zu fiskalischer Unterstützung entschlossen”, sagt Berger. “Aber es ist unwahrscheinlich, dass die Maßnahmen einen ausreichenden Effekt haben.” Aus Sicht des IWF wachse daher die Lücke zwischen dem Zielwert und dem noch Erreichbaren.
Berger zählt eine Reihe von Problemen auf, die das Wachstum hemmen:
Doch sein staatsnaher Kollege Lin, der auch die chinesische Regierung berät, hat ebenso gute Argumente für ein Anspringen der Wirtschaftstätigkeit in den kommenden Monaten:
Auch Lin sieht trotz allem Optimismus allerdings erhebliche Probleme am Immobilienmarkt. Die Regierung habe sich in den vergangenen Jahren bemüht, hier auf eine weniger spekulative und insgesamt solidere Wirtschaftsweise hinzuarbeiten. Eine simple Freigabe von Krediten kommt daher nicht in Frage, wenn die Branche sich konsolidieren soll.
Die beiden profilierten Ökonomen Lin und Berger haben vermutlich auf ihre Weise beide recht. Zwar kann am Jahresende wie angekündigt die Zahl von 5,5 Prozent oder mehr stehen, wie Lin vorhersagt. Doch das wird dann eher das Ergebnis eines typischen Wunders chinesischer Wirtschaftssteuerung oder -manipulation sein als das Ergebnis halbwegs natürlich zusammenwirkender Faktoren.
Dieser Beitrag bezieht sich auf den elften Teil der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) mit dem Titel “Kann China sein BIP-Wachstumsziel von 5,5 Prozent für 2022 erreichen?” China.Table ist der Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.
Russland hat im Mai so viel Öl nach China verkauft wie noch nie und ist damit zum größten Öl-Lieferanten der Volksrepublik aufgestiegen. China importierte allein im vergangenen Monat fast 8,42 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland, wie die Zollbehörde in Peking am Montag mitteilte. Das sind knapp zwei Millionen Barrel pro Tag (bpd) – und 55 Prozent mehr als im vergangenen Jahr.
Damit verdrängte Russland nach 19 Monaten wieder Saudi-Arabien von Rang eins der größten Öl-Lieferanten Chinas. Chinesische Unternehmen wie der Raffinerie-Riese Sinopec profitierten dabei von kräftigen Preisnachlässen, nachdem sich westliche Öl-Konzerne und Handelshäuser aufgrund der Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs vom russischen Markt zurückgezogen hatten.
Saudi-Arabien lieferte im Mai mit 7,82 Millionen Tonnen nach China. Das sind neun Prozent mehr Öl als im Vorjahr. Im Vergleich zum April sind die saudischen Lieferungen allerdings um rund 15 Prozent gesunken.
Die Europäische Union hatte im Mai einen weitgehenden Importstopp von russischem Öl beschlossen. Dies betrifft aber nur Transporte mit Öltankern über den Seeweg, Pipeline-Öl wurde auf Drängen vor allem Ungarns von dem Embargo ausgeschlossen. Das EU-Embargo soll zudem mit Übergangsfristen greifen. rtr
Die großen staatlichen chinesischen Energiekonzerne CNPC und Sinopec sind Insidern zufolge mit Katar in fortgeschrittenen Gesprächen über Flüssiggasgeschäfte. Dabei gehe es um eine Beteiligung am Ausbau des Projekts North Field East und um langfristige Lieferverträge, sagten mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Es wäre die erste Partnerschaft dieser Art zwischen den Ländern. China gehört zu den weltweit größten LNG-Verbrauchern (China.Table berichtete), Katar zu den weltgrößten Produzenten. Auch Deutschland bemüht sich um LNG-Lieferverträge mit Katar, um damit die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.
Den Insidern zufolge könnten die beiden Unternehmen sich jeweils mit fünf Prozent an zwei separaten LNG-Zügen – den Anlagen, in denen das Gas verflüssigt wird – beteiligen. Im Zuge des fast 30 Milliarden Dollar teuren Ausbaus des Gasfeldes North Field East sollen insgesamt sechs LNG-Züge hinzukommen, die Katar jeweils als Joint-Venture aufziehen möchte. Darüber hinaus verhandelten die chinesischen Unternehmen mit dem Staatskonzern QatarEnergy über LNG-Lieferverträge mit einer Laufzeit von bis zu 27 Jahren.
Ein Liefervertrag mit Katar würde die Importquellen Chinas für LNG diversifizieren. Die politischen Beziehungen mit den USA und Australien – zwei großen LNG-Lieferanten – sind schwierig; Russland – ein weiterer großer LNG-Lieferant befindet sich im Krieg und ist von Sanktionen betroffen. Die Energiesicherheit steht weit oben auf Pekings Agenda. Da käme ein LNG-Deal mit Katar gerade recht. nib/rtr
Der chinesische Bezirk Beidaihe will Elektroautos von Tesla ab dem kommenden Monat von seinen Straßen verbannen. Ab 1. Juli sei es für mindestens zwei Monate verboten, mit einem Wagen des US-Herstellers durch die Region zu fahren, sagte ein Vertreter der lokalen Verkehrspolizei der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Der Polizist nannte keinen Grund für diese Entscheidung. Er sagte lediglich, es gehe um Staatsangelegenheiten. Tesla war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Beidaihe liegt östlich der Hauptstadt Peking. Dort befindet sich ein renommierter Badeort, in dem die Führungselite der Kommunistischen Partei jedes Jahr zu einem Treffen hinter verschlossenen Türen zusammenkommt und einzelne Interessen austariert. Der Zeitpunkt des kommenden Treffens vor dem anstehenden Parteitag der KP im Herbst fällt mit dem kolportierten Fahrverbot für Tesla zusammen.
Das Vorgehen der Behörden in Beidaihe ist nicht die erste Entscheidung dieser Art: Erst vor wenigen Wochen war Tesla-Fahrzeugen das Befahren einiger Straßen in der Innenstadt von Chengdu untersagt worden. Die Maßnahme von Anfang Juni wurde auch damals nicht offiziell begründet, fiel zeitlich jedoch zusammen mit einem Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in der Stadt.
Schon im vergangenen Jahr hatte Chinas Militär Tesla-Autos den Zugang zu einigen Gebieten untersagt. Damals war inoffiziell die Rede von Sicherheitsbedenken hinsichtlich der an den Fahrzeugen installierten Kameras. Musk versicherte damals, dass Teslas Autos weder in China noch anderswo spionierten und dass das Unternehmen geschlossen würde, wenn dies der Fall wäre. rad/rtr
Brüssel feilt weiter an einem geplanten EU-Instrument gegen wirtschaftlichen Druck aus Drittstaaten. Details dazu wurden nun im Ausschuss für Handel des Europaparlaments debattiert: Eine eigens zuständige Einrichtung, ein vorgeschlagenes “EU Resilience Office”, das mögliche wirtschaftliche Nötigungsversuche aus China im Auge behalten und bewerten sollte, ist nach Ansicht des Ausschusses und der EU-Kommission nicht nötig. Da das Instrument gegen wirtschaftlichen Zwang (“anti-coercion instrument”, ACI) vor allem abschreckend wirken solle, hätte ein neu geschaffenes Büro idealerweise eher wenig zu tun, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), am Donnerstag. Demnach soll die Zuständigkeit besser direkt bei der EU-Kommission liegen.
Die genaue Beschaffenheit des ACI ist noch offen, erklärte Colin Brown, der für die EU-Generaldirektion für Handel den Bereich der Rechtsangelegenheiten und Streitbeilegung leitet, im Ausschuss. Ausgeschlossen wurde Brown zufolge die Möglichkeit, auf wirtschaftlichen Zwang mit Visa-Verweigerung oder Visa-Entzug zu kontern. Offen ist auch noch, wie man im Rahmen des Instruments auf extraterritoriale Sanktionen reagieren kann. Eine Abstimmung im Ausschuss wird Lange zufolge für September erwartet, zuvor wird noch der Ausschuss für internationale Angelegenheiten eine Einschätzung abgeben. Anschließend verhandelt das EU-Parlament dann mit EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedsstaaten. Das ACI hat seit dem Vorgehen Chinas gegen den EU-Staat Litauen eine neue Dynamik erhalten. Die Volksrepublik blockiert die Zollabfertigung, weil Litauen Taiwan die Eröffnung einer Handelsvertretung mit dem Namen “Taiwan-Büro” erlaubte (China.Table berichtete). ari
Die UN-Verhandlungen zum Abschluss eines globalen Pakts zum Schutz der Natur (COP15) sollen im Dezember nach Kanada verlegt werden. China als eigentlicher Gastgeber hat am Montag der Verlegung zugestimmt. Geplant war, dass das UN-Gipfeltreffen im dritten Quartal 2022 in Kunming stattfinden würde. Dort wollten 195 Nationen ein neues Abkommen beschließen, um Schäden an Pflanzen, Tieren und Ökosystemen möglichst schnell zu stoppen und umzukehren. Die Konferenz war aufgrund der Coronavirus-Pandemie bereits mehrfach verschoben worden.
Da Chinas Grenzen jedoch aufgrund seiner Null-COVID-Strategie geschlossen waren, schlug das Gastgeberland im vergangenen Monat vor, die bereits viermal verschobenen Gespräche nun endgültig auf 2023 zu legen. Eine Verschiebung ins kommende Jahr wurde allerdings abgelehnt. Jetzt soll die Standortverlegung nach Montreal das Treffen endlich möglich machen.
Li Shuo von Greenpeace China bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die COP15-Konferenz dort vom 5. bis 17. Dezember stattfinden solle. Offiziell soll die Verlegung diese Woche nach abschließenden Gesprächen verkündet werden.
Wie die COP15 wird auch der AFC Asien-Cup im Fußball nicht in China stattfinden. Eigentlich sollte das Turnier im Juni und Juli kommenden Jahres in China ausgetragen werden. Stattdessen hat sich Südkorea um die Ausrichtung des Asien-Pokals 2023 beworben. rad
Die Volksrepublik China erschließt sich für François Chimits nicht über die Sprache. Mandarin hat er nie konsequent gelernt. Sein Übersetzungswerkzeug sind stattdessen Zahlen. Beim Mercator Institute for China Studies in Berlin blickt er aus der Vogelperspektive auf Chinas Wirtschaft und analysiert deren Bedeutung für Europa.
Der Weg dorthin begann mit einem Studium der Entwicklungsökonomie an der Universität Dauphine in seiner Geburtsstadt Paris. “Politik war für mich erstmal nur ein Hobby, das man nebenbei machen kann. Als Student wollte ich eine harte Wissenschaft lernen”, sagt Chimits. Es folgte ein zweijähriger Aufenthalt in Peking, wo er für die französische Botschaft als Analyst für Makroökonomie und Finanzsysteme arbeitete. Anschließend übernahm er den Posten des stellvertretenden Leiters der Abteilung Handelspolitik im französischen Finanzministerium. An der renommierten Universität Sciences Po in Paris lehrte Chimits zudem mehrere Jahre zu Chinas Wirtschaft.
Chimits beschäftigt vor allem die Frage nach dem Ursprung von Reichtum und Armut. “Wenn sich ein Land entwickeln will, gibt es kein Rezept. Aber einige Bedingungen müssen erfüllt sein, wie Stabilität, Bildung, Ausbildung und Offenheit.” Und genau hier steht China vor gewaltigen Herausforderungen, so Chimits. Mit der Pandemie hat sich die Volksrepublik bewusst von der Welt abgekoppelt. “Das ist für das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land der Welt sehr besorgniserregend.”
China sei im vergangenen Jahr gut durch die Pandemie gekommen. Vor allem chinesische Auslandsdirektinvestitionen, Exporte und Investitionen im Hightech-Bereich haben 2021 zugelegt. Aber langfristig droht einem isolierten China, das durch harte Lockdowns im ganzen Land seit Monaten an Produktivität einbüßt, der Verlust von Wohlstand.
China brauche einen massiven Produktivitätsanstieg, um die Alterung der Gesellschaft auffangen zu können. Und das geht nur mit Innovation, Technologie und gesellschaftlicher Offenheit. Deswegen stürzten sich chinesische Firmen jetzt nicht auf ein vom Krieg unter Druck geratene russische Unternehmen, erklärt Chimits. “Russland bietet nur Ressourcen, aber keine Innovation.”
Ist das für Europa eine gute Nachricht? Keineswegs. Denn obwohl es für China in Russland nichts zu holen gibt, klammert sich China an die Partnerschaft mit Russland. “Das ist wirtschaftlich sehr kostenintensiv. Und es zeigt, dass Peking sogar bereit ist, zur Erreichung seiner geopolitischen Ziele ökonomische Verluste hinzunehmen.” Daher müsse die EU jetzt zu einem ernstzunehmenden geopolitischen Akteur aufsteigen, so Chimits.
Und hier zeigt sich eine Parallele zu Chimits Hobby, dem Boxen. Denn was beim Faustkampf gilt, kann auch in der Chinapolitik von Nutzen sein: Nur mit einer guten Defensivarbeit kann man sich im Ring behaupten. “Chinas politische Zielsetzungen zu beeinflussen, wird für uns immer schwieriger. Aber ich rate unseren Politikern: Macht eure Arbeit! Verwendet die Werkzeuge, die ihr aktuell baut. Und dann bereitet euch auf eine Langstrecke vor, um unsere Präferenzen und Werte in der Welt zu vertreten.”
An alle China-affinen Studierenden, die gerade enttäuscht in ihren WG-Zimmern sitzen, hat er einen Rat: “Macht euch keine Sorgen, es gibt genug zu lesen und zu lernen, um die Zeit zu überbrücken, bis ihr wieder nach China könnt.” Dennoch denkt Chimits mit Sorge an den fehlenden Kontakt mit China. “Wir verlieren Chinas Diversität aus den Augen. China wird aus der Distanz immer homogener. Das kann dir in Peking, Hongkong oder auf dem Dorf in Yunnan nicht passieren.” Jonathan Lehrer
für viele europäische Unternehmen ist China der wichtigste Absatzmarkt. Doch das Arbeiten in China wieder zunehmend schwieriger: Lockdowns, Lieferkettenprobleme und vor allem weitgehend geschlossene Grenzen sind lediglich die bekanntesten Probleme, unter denen europäische Firmen in China leiden.
Unser Autorenteam in Peking hat sich die aktuelle Umfrage der EU-Handelskammer in China genauer angeschaut und nachgefragt, was die Führung in Peking tun könnte, um das Marktumfeld wieder zu verbessern. Denn eines ist klar, die Stimmung ist so schlecht wie nie zuvor. Einige Unternehmen stellen sich bereits die Frage, wie sehr sie in Zukunft noch auf China setzen wollen.
In Deutschland wird indes das VW-Werk in Xinjiang plötzlich zum Diskussionsthema. Wir halten die heikle Präsenz in Urumqi schon lange für die größte politische Schwachstelle von VW. Unbemerkt von Volkswagen hat sich in der Politik der Wind gedreht. Während 2012 noch Angela Merkel lächelnd bei der Unterzeichnung der Verträge für das umstrittene Werk dabei war, schauen die Regierungen heute bei Menschenrechten sehr genau hin.
Dahinter steckt zum Teil auch harte Interessenpolitik: Gegenüber einem unfreundlichen, inflexiblen China spielen EU und USA das Thema nach vorn, indem sie Importe ächten, die mit Zwangsarbeit zu tun haben. In Deutschland ist zugleich ein Grüner der Wirtschaftsminister. Jetzt hat sich neben der Gewerkschaft auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD eingeschaltet. VW steckt in der lange erwarteten Zwickmühle zwischen Forderungen aus Peking und Verpflichtungen gegenüber der deutschen Öffentlichkeit.
Unsere dritte Analyse dreht sich ganz um Chinas Wachstum. Vielleicht ließe sich ein eigener Indikator daraus machen: Der Unterschied zwischen westlichen Konjunkturprognosen für China und dem offiziellen Planziel ist derzeit mit über einem Prozentpunkt besonders groß. Wir beleuchten in unserer Analyse die Gründe für die unterschiedlichen Einschätzungen. Zwar haben die internationalen Institutionen gute Argumente für ihren Pessimismus. Doch am Ende wird das Ziel von “nahe 5,5 Prozent” Wachstum fast sicher erreicht werden. Schließlich laufen derzeit große Konjunkturprogramme an. Was keiner der Ökonomen aussprechen mochte: Wenn die einlaufenden Daten den erwünschten Wert nicht hergeben, dann kann Peking immer noch ein wenig mogeln, damit er zumindest auf dem Papier steht.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Die EU-Handelskammer in China hat die chinesische Regierung aufgefordert, die strengen Corona-Maßnahmen endlich zu lockern. “China muss seine Grenzen öffnen. Es verfügt über alle Mittel für ein großartiges Comeback”, sagte Kammer-Vizepräsidentin Bettina Schön-Behanzin am Montag bei der Vorstellung des neuen “Business Confidence Survey” (BCS) 2022.
China müsse den Unternehmen die Angst nehmen und “mit einem klaren Plan Vertrauen zurückgewinnen”, sagte Schön-Behanzin. Mit Massentests und Lockdowns könne die Lage nicht unter Kontrolle gebracht werden. Anlass für den Appell ist das Resultat der jährlichen Umfrage. Darin wird deutlich, wie sehr die Stimmung in europäischen Unternehmen in China seit Beginn des Krieges in der Ukraine und der Lockdowns in mehreren Wirtschaftsmetropolen des Landes in den Keller gesunken ist.
Trübe Aussichten für das eigene Geschäft, Lieferketten-Probleme, Personalmangel – das alles ziehen die geo- und gesundheitspolitischen Krisen nach sich und belasten das Geschäftsklima in der zweitgrößten Volkswirtschaft. Der BCS der Europäischen Handelskammer in China offenbart die wachsenden Sorgen unter den 620 Firmen, die an der alljährlichen Umfrage teilgenommen haben. Drei Viertel der Mitglieder berichteten, dass die strengen Corona-Eindämmungsmaßnahmen ihren Betrieb negativ beeinflusst hätten. 92 Prozent klagten über Lieferketten-Probleme, die etwa durch Hafenschließungen und steigende Frachtkosten verursacht wurden.
Die Lage habe sich so schnell verschärft, dass Teile der diesjährigen BCS bereits überholt waren, als die Kammer noch dabei war, die ausgefüllten Fragebögen auszuwerten. Denn die Abgabefrist für die Beantwortung lag bereits einige Monate zurück und hatte die jüngsten Entwicklungen noch nicht berücksichtigt. Die Spuren, die Krieg und Lockdowns hinterlassen, versuchte die Kammer, mit einer separaten Blitz-Umfrage Ende April abzubilden.
Das Resultat waren demnach “erheblich destabilisierende Auswirkungen auf die China-Aktivitäten europäischer Unternehmen“. Maßnahmen wie die jüngsten Hafenschließungen in China, der Rückgang des Straßengüterverkehrs und die steigenden Seefrachtkosten werden sich voraussichtlich negativ auf die Bilanzen auswirken. 60 Prozent der Befragten der Flash-Umfrage haben ihre Umsatzprognose für das laufende Jahr nach unten korrigiert.
Eine große Herausforderung sei es zudem, neues Personal aus Europa zu gewinnen. “Es ist schwierig, jemanden zu finden, der noch nach China reisen will”, sagte Schön-Behanzin. Lockdowns, lange Quarantänezeiten, sowie immer weniger verfügbare Flüge hätten einen wahren “Exodus” ausgelöst. 23 Prozent der Unternehmen gaben an, darüber nachzudenken, neue Investitionen in der Volksrepublik auf Eis zu legen. “Die jüngsten Ereignisse haben viele Unternehmen dazu veranlasst, sich zu fragen, wie weit sie in Zukunft auf die China-Karte wollen.”
Im Vergleich zum jüngsten Stimmungsbericht las sich die Umfrage im vergangenen Jahr wie ein regelrechter Rausch. Europäische Unternehmen hatten sich wegen der zunächst erfolgreichen Null-Covid-Strategie sehr zufrieden und zuversichtlich geäußert. Im Juni vergangenen Jahres profitierten die Firmen davon, dass es der Volksrepublik zunächst gelungen war, das Coronavirus fernzuhalten. Doch das war vor dem Ausbruch von Omikron. Als die deutlich ansteckendere Virus-Variante das Land erreichte, griffen die Behörden zu viel drastischeren Eindämmungsmaßnahmen, als sie in anderen Regionen der Welt angewendet werden.
Laut der Kammer sei die überwältigende Mehrheit der Unternehmen trotz aller Schwierigkeiten noch immer bereit, grundsätzlich an China festzuhalten. Das ist wenig überraschend, denn trotz der aktuellen Probleme bietet die Volksrepublik weiterhin auch Grund für Optimismus. Die wachsende Mittelschicht ist demnach ein wichtiger Grund für die Firmen, zu bleiben. Chancen würden sich auch durch die rasant zunehmenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Land ergeben.
Doch um davon optimal profitieren zu können, stehen den europäischen Firmen immer noch zahlreiche andere Faktoren im Weg, die seit vielen Jahren Kopfschmerzen bereiten. Krieg und Corona haben mit ihren unmittelbaren Konsequenzen die Prioritäten zwar bis auf Weiteres verschoben. Allerdings drücken sie immer noch nachhaltig auf die Stimmung.
Doch damit sich das China-Geschäft wieder zum Besseren wenden kann, müsse zunächst die Corona-Krise in den Griff bekommen werden. Um die Lage in China zu entspannen, empfiehlt die Handelskammer der Regierung, auf wirksamere MRNA-Impfstoffe zu setzen. Die Volksrepublik, so Schön-Behanzin, solle sich eher am Singapurer-Modell orientieren. Auch der südostasiatische Stadtstaat hatte nach dem Beginn der Corona-Pandemie vor über zwei Jahren zunächst sehr strenge Maßnahmen verhängt. Nachdem eine hohe Impfquote erreicht war, kehrte Singapur jedoch immer weiter zur Normalität zurück, was eine große Erleichterung für die Wirtschaft darstellte. Jörn Petring/ Gregor Koppenburg
In der Debatte über ein von Volkswagen in der chinesischen Uiguren-Region Xinjiang betriebenes Werk nimmt der Druck auf den Autobauer rapide zu. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der im Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns sitzt, stellte die Aktivitäten von VW dort sogar komplett in Frage. “Inzwischen gibt es kaum einen Zweifel daran, dass in Xinjiang Menschenrechtsverletzungen stattfinden”, sagte der Gewerkschaftschef den “Wolfsburger Nachrichten”. Deshalb müsse sich der Konzernvorstand mit dem Thema befassen.
Die Präsenz in Urumqi ist hoch umstritten; zuletzt verweigerte die Bundesregierung dem Konzern mit Hinweis auf Nähe zu Menschenrechtsverletzungen sogar Investitionsbürgschaften (China.Table berichtete). Inzwischen haben Forscher auch erste Hinweise ermittelt, die die Lieferbeziehungen der Autokonzerne eben doch mit Zwangsarbeit in Verbindung bringen (China.Table berichtete). Das Unternehmen selbst hält jedoch konsequent an dem Standort fest.
Zwar gebe es aktuell keinen Hinweis darauf, dass es bei VW selbst zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. “Dennoch ist insgesamt die Frage zu stellen, was es für das Renommee des Unternehmens bedeutet, dort weiter investiert zu sein”, so Hofmann.
Hofmann sagte in dem Interview, Volkswagen könne nicht nur darauf schauen, was im eigenen “Vorgarten” los sei, sondern müsse auch darauf achten, in welcher “Straße” man wohne. “Wenn rechts und links sichtbar Menschenrechtsverletzungen passieren, verlange ich Handeln.” Der Konzern müsse sich sichtbar und unmissverständlich gegen Menschenrechtsverletzungen positionieren.
Auch VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo ließ Kritik an den Aktivitäten ihres Unternehmens in der uigurisch geprägten Region anklingen. “Mich erschüttern diese Berichte über Menschenrechtsverletzungen sehr”, sagte Cavallo der Taz am Wochenende. “Wir haben als Volkswagen eine Verantwortung.” Der Betriebsrat definiere Standards zu Arbeitsbedingungen und zur Lieferkette. Ihr liegen allerdings keine Belege dafür, dass in dem Werk in Urumqi “etwas passiert, was nicht mit unserer Charta in Einklang zu bringen ist”.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der als Vertreter des mit 20 Prozent der Stimmrechte an VW beteiligten Bundeslandes in dem Kontrollgremium sitzt, stimmte ebenfalls in die Diskussion ein. “Die Bilder und Berichte über die schweren Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in der chinesischen Region Xinjiang sind bestürzend.” Es gebe bislang aber keine Hinweise darauf, dass es in dem VW-Werk zu Verletzungen von Menschenrechten oder Arbeitsrechten gekommen sei. “Das entbindet den Konzern jedoch nicht von der Pflicht, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und die Vorwürfe zur Menschenrechtslage genau zu prüfen, was auch getan werden wird.”
Das Thema Xinjiang wird bei VW nun wohl auch Thema im Aufsichtsrat. Volkswagen erklärte in einer Stellungnahme: “Uns sind keine Fälle bekannt, dass Mitarbeiter des Unternehmens SAIC Volkswagen in Internierungslagern waren oder sind.” Auf Nachfrage ergänzte der Konzern: “In Gesprächen mit der chinesischen Regierung werden alle wichtigen Themen, die für unsere Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind, adressiert.” Dabei würden auch kritische Themen nicht ausgespart.
VW kann sich jedoch kaum ohne Weiteres aus dem Projekt zurückziehen. Der Standort in Urumqi ist zwar klein und zudem betriebswirtschaftlich nur wenig sinnvoll. Doch für die chinesische Regierung hat er erheblichen Symbolwert. Peking hatte VW im Jahr 2012 zu dem zusätzlichen Gemeinschaftsprojekt mit seinem langjährigen Partner SAIC gedrängt. Damals ging es vor allem darum, Belege für die Steigerung der Wirtschaftskraft in Xinjiang zu schaffen.
China hat seine Legitimation für die Herrschaft über das Gebiet aus dem Anspruch gezogen, Entwicklung und Wohlstand in die abgelegene Region zu bringen. Tatsächlich wuchs dort seinerzeit die Wirtschaft und es entstanden moderne Arbeitsplätze. Das machte es für die deutsche Seite auch leicht, dieses Narrativ zu akzeptieren – man ließ sich einreden, den Uiguren damit etwas Gutes zu tun.
Seit 2018 hat die Uiguren-Politik der chinesischen Regierung allerdings eine Wendung ins Extreme genommen. Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung sitzt in Lagern fest; die Region gleicht einem Freiluft-Gefängnis mit technischer Totalüberwachung (China.Table berichtete). Das VW-Werk trägt nun durch seine pure Existenz dazu bei, dieses Vorgehen zu legitimieren. Zugleich sitzt China gegenüber VW am längeren Hebel. Ohne das Wohlwollen der Regierung kann kein ausländisches Unternehmen dort Geschäfte machen. Nico Beckert/Finn Mayer-Kuckuk/Reuters
Was ist eine Prognose für das Wirtschaftswachstum noch wert, die Anfang März verkündet wurde? In Europa werden Konjunkturvorhersagen routinemäßig angepasst, wenn sich neue Entwicklungen ergeben. Chinas Politökonomie funktioniert jedoch anders. Das Ziel von Anfang März (China.Table berichtete) ist für die Führung in Stein gemeißelt. Es gibt keine Anzeichen, dass die Regierung in Peking vorhat, am Ende des Jahres schlechter dazustehen als die angekündigten “rund 5,5 Prozent”. Trotz Lockdowns ohne Ende und fortgesetzter Probleme am Immobilienmarkt.
Während westliche Institutionen die Konjunkturvorhersage daher mit guten Argumenten herunterschrauben, können chinesische Ökonomen glaubwürdig begründen, dass die Probleme in dem von der Regierung ausgegebenen Ziel schon berücksichtigt sind und es erreicht wird. “Die Regierung hat noch sechs Monate Zeit, um der Wirtschaft durch Konjunkturmaßnahmen einen Schub zu geben“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Justin Yifu Lin von der Peking-Universität am Donnerstag auf einer Veranstaltung des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel). Das werde ausreichen, um die schwache erste Jahreshälfte auszugleichen.
Es gehört jeden März zu den Ritualen in Chinas Jahreslauf, ein Wachstumsziel bekannt zu geben. Dieser Vorgang unterscheidet sich grundlegend von Vorhersagen wie der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung. Während diese den Versuch macht, die Entwicklung einer unberechenbaren Wirtschaft vorherzusagen, ist die chinesische Zahl ein Zielwert. Es ist für die Partei eine Frage der Glaubwürdigkeit, diesen Wert einzuhalten oder zu übertreffen.
Nach dem Auftritt des Premiers rauschten dann jedoch die Omikron-Wellen durch Chinas wichtigste Industriezentren. Die neue Variante ließ sich nicht mit den vorhandenen Mitteln einhegen und brachte die Konjunktur gerade am Wirtschaftsknoten Shanghai zum Erliegen.
Tatsächlich galt das Ziel von 5,5 Prozent jedoch schon im März als vorsichtig gewählt, schließlich zirkulierte Omikron da bereits. Die Regierung hat sich also bewusst etwas Luft nach oben gelassen. Zudem lässt die Regierung bereits Konjunkturprogramme von erheblichem Ausmaß in Gang setzen. Der Nachrichtendienst Bloomberg hat den Wert der angekündigten Maßnahmen addiert und ist auf 5.300 Milliarden Yuan gekommen, rund 750 Milliarden Euro. Das entspricht einem Viertel des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Viele der Hilfen laufen über die Finanzämter. Es gibt Nachlässe bei der Unternehmensteuer, der Einkommensteuer und der Mehrwertsteuer. Für 2022 allein sind Steuererleichterungen in Höhe von 2.500 Milliarden Yuan vorgesehen. Die Steuererleichterungen sind Teil von 33 Fördermaßnahmen, die die Regierung Ende Mai bekannt gegeben hat. Ein wichtiges Instrument betrifft die Gemeindefinanzierung. Die Lokalregierungen dürfen mehr eigene Anleihen ausgeben. Damit sollen sie höhere Ausgaben für Bauprojekte finanzieren. Firmen in Zahlungsschwierigkeiten müssen ihre Strom- und Wasserrechnungen vorerst nicht bezahlen.
Der Ökonom Lin hält angesichts dieses Feuerwerks an Maßnahmen sogar ein Wachstum von sechs Prozent für möglich. Er erkennt an, dass das Jahr sehr schwierig angefangen hat, hält Peking aber weiterhin für hochgradig handlungsfähig.
Zugleich wundern sich westliche Experten über das, was sie als Inflexibilität der chinesischen Regierung im Umgang mit der Wirtschaft wahrnehmen. Ein Ökonom mit einem besonders genauen Blick auf China ist Helge Berger, der beim Internationalen Währungsfonds IWF in Washington für das Land zuständig ist. Seine Abteilung hat die Vorhersage für China im April auf 4,4 Prozent zurückgestuft; im Juli steht eine weitere Neubewertung an. “Ja, die Regierung hat sich zu fiskalischer Unterstützung entschlossen”, sagt Berger. “Aber es ist unwahrscheinlich, dass die Maßnahmen einen ausreichenden Effekt haben.” Aus Sicht des IWF wachse daher die Lücke zwischen dem Zielwert und dem noch Erreichbaren.
Berger zählt eine Reihe von Problemen auf, die das Wachstum hemmen:
Doch sein staatsnaher Kollege Lin, der auch die chinesische Regierung berät, hat ebenso gute Argumente für ein Anspringen der Wirtschaftstätigkeit in den kommenden Monaten:
Auch Lin sieht trotz allem Optimismus allerdings erhebliche Probleme am Immobilienmarkt. Die Regierung habe sich in den vergangenen Jahren bemüht, hier auf eine weniger spekulative und insgesamt solidere Wirtschaftsweise hinzuarbeiten. Eine simple Freigabe von Krediten kommt daher nicht in Frage, wenn die Branche sich konsolidieren soll.
Die beiden profilierten Ökonomen Lin und Berger haben vermutlich auf ihre Weise beide recht. Zwar kann am Jahresende wie angekündigt die Zahl von 5,5 Prozent oder mehr stehen, wie Lin vorhersagt. Doch das wird dann eher das Ergebnis eines typischen Wunders chinesischer Wirtschaftssteuerung oder -manipulation sein als das Ergebnis halbwegs natürlich zusammenwirkender Faktoren.
Dieser Beitrag bezieht sich auf den elften Teil der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) mit dem Titel “Kann China sein BIP-Wachstumsziel von 5,5 Prozent für 2022 erreichen?” China.Table ist der Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.
Russland hat im Mai so viel Öl nach China verkauft wie noch nie und ist damit zum größten Öl-Lieferanten der Volksrepublik aufgestiegen. China importierte allein im vergangenen Monat fast 8,42 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland, wie die Zollbehörde in Peking am Montag mitteilte. Das sind knapp zwei Millionen Barrel pro Tag (bpd) – und 55 Prozent mehr als im vergangenen Jahr.
Damit verdrängte Russland nach 19 Monaten wieder Saudi-Arabien von Rang eins der größten Öl-Lieferanten Chinas. Chinesische Unternehmen wie der Raffinerie-Riese Sinopec profitierten dabei von kräftigen Preisnachlässen, nachdem sich westliche Öl-Konzerne und Handelshäuser aufgrund der Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs vom russischen Markt zurückgezogen hatten.
Saudi-Arabien lieferte im Mai mit 7,82 Millionen Tonnen nach China. Das sind neun Prozent mehr Öl als im Vorjahr. Im Vergleich zum April sind die saudischen Lieferungen allerdings um rund 15 Prozent gesunken.
Die Europäische Union hatte im Mai einen weitgehenden Importstopp von russischem Öl beschlossen. Dies betrifft aber nur Transporte mit Öltankern über den Seeweg, Pipeline-Öl wurde auf Drängen vor allem Ungarns von dem Embargo ausgeschlossen. Das EU-Embargo soll zudem mit Übergangsfristen greifen. rtr
Die großen staatlichen chinesischen Energiekonzerne CNPC und Sinopec sind Insidern zufolge mit Katar in fortgeschrittenen Gesprächen über Flüssiggasgeschäfte. Dabei gehe es um eine Beteiligung am Ausbau des Projekts North Field East und um langfristige Lieferverträge, sagten mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Es wäre die erste Partnerschaft dieser Art zwischen den Ländern. China gehört zu den weltweit größten LNG-Verbrauchern (China.Table berichtete), Katar zu den weltgrößten Produzenten. Auch Deutschland bemüht sich um LNG-Lieferverträge mit Katar, um damit die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.
Den Insidern zufolge könnten die beiden Unternehmen sich jeweils mit fünf Prozent an zwei separaten LNG-Zügen – den Anlagen, in denen das Gas verflüssigt wird – beteiligen. Im Zuge des fast 30 Milliarden Dollar teuren Ausbaus des Gasfeldes North Field East sollen insgesamt sechs LNG-Züge hinzukommen, die Katar jeweils als Joint-Venture aufziehen möchte. Darüber hinaus verhandelten die chinesischen Unternehmen mit dem Staatskonzern QatarEnergy über LNG-Lieferverträge mit einer Laufzeit von bis zu 27 Jahren.
Ein Liefervertrag mit Katar würde die Importquellen Chinas für LNG diversifizieren. Die politischen Beziehungen mit den USA und Australien – zwei großen LNG-Lieferanten – sind schwierig; Russland – ein weiterer großer LNG-Lieferant befindet sich im Krieg und ist von Sanktionen betroffen. Die Energiesicherheit steht weit oben auf Pekings Agenda. Da käme ein LNG-Deal mit Katar gerade recht. nib/rtr
Der chinesische Bezirk Beidaihe will Elektroautos von Tesla ab dem kommenden Monat von seinen Straßen verbannen. Ab 1. Juli sei es für mindestens zwei Monate verboten, mit einem Wagen des US-Herstellers durch die Region zu fahren, sagte ein Vertreter der lokalen Verkehrspolizei der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Der Polizist nannte keinen Grund für diese Entscheidung. Er sagte lediglich, es gehe um Staatsangelegenheiten. Tesla war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Beidaihe liegt östlich der Hauptstadt Peking. Dort befindet sich ein renommierter Badeort, in dem die Führungselite der Kommunistischen Partei jedes Jahr zu einem Treffen hinter verschlossenen Türen zusammenkommt und einzelne Interessen austariert. Der Zeitpunkt des kommenden Treffens vor dem anstehenden Parteitag der KP im Herbst fällt mit dem kolportierten Fahrverbot für Tesla zusammen.
Das Vorgehen der Behörden in Beidaihe ist nicht die erste Entscheidung dieser Art: Erst vor wenigen Wochen war Tesla-Fahrzeugen das Befahren einiger Straßen in der Innenstadt von Chengdu untersagt worden. Die Maßnahme von Anfang Juni wurde auch damals nicht offiziell begründet, fiel zeitlich jedoch zusammen mit einem Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in der Stadt.
Schon im vergangenen Jahr hatte Chinas Militär Tesla-Autos den Zugang zu einigen Gebieten untersagt. Damals war inoffiziell die Rede von Sicherheitsbedenken hinsichtlich der an den Fahrzeugen installierten Kameras. Musk versicherte damals, dass Teslas Autos weder in China noch anderswo spionierten und dass das Unternehmen geschlossen würde, wenn dies der Fall wäre. rad/rtr
Brüssel feilt weiter an einem geplanten EU-Instrument gegen wirtschaftlichen Druck aus Drittstaaten. Details dazu wurden nun im Ausschuss für Handel des Europaparlaments debattiert: Eine eigens zuständige Einrichtung, ein vorgeschlagenes “EU Resilience Office”, das mögliche wirtschaftliche Nötigungsversuche aus China im Auge behalten und bewerten sollte, ist nach Ansicht des Ausschusses und der EU-Kommission nicht nötig. Da das Instrument gegen wirtschaftlichen Zwang (“anti-coercion instrument”, ACI) vor allem abschreckend wirken solle, hätte ein neu geschaffenes Büro idealerweise eher wenig zu tun, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), am Donnerstag. Demnach soll die Zuständigkeit besser direkt bei der EU-Kommission liegen.
Die genaue Beschaffenheit des ACI ist noch offen, erklärte Colin Brown, der für die EU-Generaldirektion für Handel den Bereich der Rechtsangelegenheiten und Streitbeilegung leitet, im Ausschuss. Ausgeschlossen wurde Brown zufolge die Möglichkeit, auf wirtschaftlichen Zwang mit Visa-Verweigerung oder Visa-Entzug zu kontern. Offen ist auch noch, wie man im Rahmen des Instruments auf extraterritoriale Sanktionen reagieren kann. Eine Abstimmung im Ausschuss wird Lange zufolge für September erwartet, zuvor wird noch der Ausschuss für internationale Angelegenheiten eine Einschätzung abgeben. Anschließend verhandelt das EU-Parlament dann mit EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedsstaaten. Das ACI hat seit dem Vorgehen Chinas gegen den EU-Staat Litauen eine neue Dynamik erhalten. Die Volksrepublik blockiert die Zollabfertigung, weil Litauen Taiwan die Eröffnung einer Handelsvertretung mit dem Namen “Taiwan-Büro” erlaubte (China.Table berichtete). ari
Die UN-Verhandlungen zum Abschluss eines globalen Pakts zum Schutz der Natur (COP15) sollen im Dezember nach Kanada verlegt werden. China als eigentlicher Gastgeber hat am Montag der Verlegung zugestimmt. Geplant war, dass das UN-Gipfeltreffen im dritten Quartal 2022 in Kunming stattfinden würde. Dort wollten 195 Nationen ein neues Abkommen beschließen, um Schäden an Pflanzen, Tieren und Ökosystemen möglichst schnell zu stoppen und umzukehren. Die Konferenz war aufgrund der Coronavirus-Pandemie bereits mehrfach verschoben worden.
Da Chinas Grenzen jedoch aufgrund seiner Null-COVID-Strategie geschlossen waren, schlug das Gastgeberland im vergangenen Monat vor, die bereits viermal verschobenen Gespräche nun endgültig auf 2023 zu legen. Eine Verschiebung ins kommende Jahr wurde allerdings abgelehnt. Jetzt soll die Standortverlegung nach Montreal das Treffen endlich möglich machen.
Li Shuo von Greenpeace China bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die COP15-Konferenz dort vom 5. bis 17. Dezember stattfinden solle. Offiziell soll die Verlegung diese Woche nach abschließenden Gesprächen verkündet werden.
Wie die COP15 wird auch der AFC Asien-Cup im Fußball nicht in China stattfinden. Eigentlich sollte das Turnier im Juni und Juli kommenden Jahres in China ausgetragen werden. Stattdessen hat sich Südkorea um die Ausrichtung des Asien-Pokals 2023 beworben. rad
Die Volksrepublik China erschließt sich für François Chimits nicht über die Sprache. Mandarin hat er nie konsequent gelernt. Sein Übersetzungswerkzeug sind stattdessen Zahlen. Beim Mercator Institute for China Studies in Berlin blickt er aus der Vogelperspektive auf Chinas Wirtschaft und analysiert deren Bedeutung für Europa.
Der Weg dorthin begann mit einem Studium der Entwicklungsökonomie an der Universität Dauphine in seiner Geburtsstadt Paris. “Politik war für mich erstmal nur ein Hobby, das man nebenbei machen kann. Als Student wollte ich eine harte Wissenschaft lernen”, sagt Chimits. Es folgte ein zweijähriger Aufenthalt in Peking, wo er für die französische Botschaft als Analyst für Makroökonomie und Finanzsysteme arbeitete. Anschließend übernahm er den Posten des stellvertretenden Leiters der Abteilung Handelspolitik im französischen Finanzministerium. An der renommierten Universität Sciences Po in Paris lehrte Chimits zudem mehrere Jahre zu Chinas Wirtschaft.
Chimits beschäftigt vor allem die Frage nach dem Ursprung von Reichtum und Armut. “Wenn sich ein Land entwickeln will, gibt es kein Rezept. Aber einige Bedingungen müssen erfüllt sein, wie Stabilität, Bildung, Ausbildung und Offenheit.” Und genau hier steht China vor gewaltigen Herausforderungen, so Chimits. Mit der Pandemie hat sich die Volksrepublik bewusst von der Welt abgekoppelt. “Das ist für das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land der Welt sehr besorgniserregend.”
China sei im vergangenen Jahr gut durch die Pandemie gekommen. Vor allem chinesische Auslandsdirektinvestitionen, Exporte und Investitionen im Hightech-Bereich haben 2021 zugelegt. Aber langfristig droht einem isolierten China, das durch harte Lockdowns im ganzen Land seit Monaten an Produktivität einbüßt, der Verlust von Wohlstand.
China brauche einen massiven Produktivitätsanstieg, um die Alterung der Gesellschaft auffangen zu können. Und das geht nur mit Innovation, Technologie und gesellschaftlicher Offenheit. Deswegen stürzten sich chinesische Firmen jetzt nicht auf ein vom Krieg unter Druck geratene russische Unternehmen, erklärt Chimits. “Russland bietet nur Ressourcen, aber keine Innovation.”
Ist das für Europa eine gute Nachricht? Keineswegs. Denn obwohl es für China in Russland nichts zu holen gibt, klammert sich China an die Partnerschaft mit Russland. “Das ist wirtschaftlich sehr kostenintensiv. Und es zeigt, dass Peking sogar bereit ist, zur Erreichung seiner geopolitischen Ziele ökonomische Verluste hinzunehmen.” Daher müsse die EU jetzt zu einem ernstzunehmenden geopolitischen Akteur aufsteigen, so Chimits.
Und hier zeigt sich eine Parallele zu Chimits Hobby, dem Boxen. Denn was beim Faustkampf gilt, kann auch in der Chinapolitik von Nutzen sein: Nur mit einer guten Defensivarbeit kann man sich im Ring behaupten. “Chinas politische Zielsetzungen zu beeinflussen, wird für uns immer schwieriger. Aber ich rate unseren Politikern: Macht eure Arbeit! Verwendet die Werkzeuge, die ihr aktuell baut. Und dann bereitet euch auf eine Langstrecke vor, um unsere Präferenzen und Werte in der Welt zu vertreten.”
An alle China-affinen Studierenden, die gerade enttäuscht in ihren WG-Zimmern sitzen, hat er einen Rat: “Macht euch keine Sorgen, es gibt genug zu lesen und zu lernen, um die Zeit zu überbrücken, bis ihr wieder nach China könnt.” Dennoch denkt Chimits mit Sorge an den fehlenden Kontakt mit China. “Wir verlieren Chinas Diversität aus den Augen. China wird aus der Distanz immer homogener. Das kann dir in Peking, Hongkong oder auf dem Dorf in Yunnan nicht passieren.” Jonathan Lehrer