Table.Briefing: China

Abhängigkeit von Rohstoffen + Regionalbanken in Not

  • Rohstoffe: Deutschland bleibt abhängig
  • Bankenpleiten in Henan nur die Spitze des Eisbergs
  • Sinolytics.Radar: Mehr Lockdown = weniger Wachstum
  • Termin für Handelsdialog zwischen Brüssel und Peking steht
  • Firmen machen seltener den Kotau
  • Protest wegen Taiwan-Vertreter bei Abes Beisetzung
  • Rekordproduktion von Wasserkraft
  • Indien könnte bald mehr Einwohner haben als China
  • Portrait: Maja Linnemann erforscht Bestattungs-Rituale
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Hälfte des in Deutschland verarbeiteten Magnesiums kommt aus China. Bei Seltenen Erden ist die Abhängigkeit von China ähnlich hoch. Und indirekt noch viel höher, denn die deutsche Industrie ist auf Vorprodukte aus anderen EU-Ländern angewiesen, die noch mehr Rohstoffe von dem asiatischen Weltmarktführer beziehen. Nico Beckert analysiert, warum es so schwerfällt, von dem bewährten Lieferanten loszukommen. Solange weltpolitisch alles in Ordnung ist, wirkt es unsinnig, höhere Kosten für eine Diversifizierung in Kauf zu nehmen. Die Konkurrenz macht es ja ebenfalls auch nicht. Hier wäre ein weitsichtiges Risikomanagement gefragt.

Die Frage nach den tatsächlichen Risiken tut sich auch bei kleinen Banken tief in der Provinz auf. Die Zahlungsausfälle in Henan sind nur die Spitze des Eisbergs, analysiert unser Team in Peking. Dabei kocht dort bereits die Volksseele, weil die Kunden seit Tagen kein Geld erhalten. Die Zentrale in Peking hatte das Problem mit den sehr kleinen Kreditkooperativen lange Zeit schlicht übersehen. Doch tatsächlich spielen sie für das System eine große Rolle, stellen sie doch Kapital für Mittelstand und Kleinunternehmer bereit. Auch die Banken-Pleiten sind nun eine Nebenwirkung der bitteren Covid-Medizin, mit der sich die Regierung herumschlagen muss.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Deutschland bleibt von Rohstoffen aus China abhängig

Magnesiumbarren in einem Lager der Firma Fugu Taida Chemical in Shaanxi. China deckt einen Großteil der globalen Nachfrage an Rohstoffen - auch Deutschlands.
Magnesiumbarren in einem Lager der Firma Fugu Taida Chemical in Shaanxi. China deckt einen Großteil der globalen Nachfrage.

Jahrzehntelang war unvorstellbar, dass Russland irgendwann kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Jetzt hat Wladimir Putin die Gaslieferungen gedrosselt. Deutsche Ministerien entwickeln Notfall-Pläne für den Winter. Betroffen sind nicht nur Privathaushalte, sondern auch die Industrie, die fast sicher die Produktion drosseln muss.

Das lenkt die Aufmerksamkeit auch auf andere Abhängigkeiten: China ist der größte Lieferant wichtiger Rohstoffe wie Seltener Erden und Magnesium. Bei anderen Rohstoffen liegt die Volksrepublik unter den Top 5-Exporteuren weltweit. Unter Managern, Ökonomen und Politikern wächst nun die Sorge vor den Folgen eines Konflikts mit China, der Deutschland wirtschaftlich in mehrfacher Hinsicht schwer treffen würde.

Die Hälfte der deutschen Magnesium-Importe und 45 Prozent der Importe Seltener Erden stammen aus der Volksrepublik, wie eine neue Studie des Ifo-Instituts zeigt. Die Metalle werden in wichtigen Zukunftstechnologien wie Brennstoffzellen, Elektromotoren, Windenergie-Anlagen, Digitaltechnik oder Robotern verbaut.

Schneeballeffekte entlang der Lieferverbindungen

Es gibt bereits konkrete Warnzeichen. Ende vergangenen Jahres drosselte China die Magnesium-Produktion aufgrund der Stromkrise. Dadurch litt die europäische Industrie, die beispielsweise für die Aluminium-Herstellung auf Magnesium aus der Volksrepublik angewiesen ist (China.Table berichtete). Das Problem wurde schnell aufgelöst, zeigt aber die Abhängigkeiten sehr markant.

Bei den Seltenen Erden hatte China zwischenzeitlich ein Quasi-Monopol. Im Jahr 2011 entfielen 97 Prozent der weltweiten Produktion auf das Land. Mittlerweile ist Chinas Anteil an der Weltproduktion zwar gesunken, liegt aber immer noch bei rund 58 Prozent. Da die Volksrepublik selbst viel verbraucht, ist der Exportanteil geringer und beträgt 26 Prozent. Auch bei den Seltenen Erden gab es bereits Warnzeichen. Ende 2010 hatte China die Exporte an Japan aufgrund diplomatischer Verstimmungen für mehrere Wochen eingeschränkt.

Die Tabelle zeigt die Abhängigkeit Deutschlands bei Rohstoffen.

Laut Ifo-Forscherinnen und -forschern gehören die Seltenen Erden und Magnesium zu den “Rohstoffen mit kritischen Abhängigkeiten”. Sie sind für viele Schlüsseltechnologien wichtig und werden nur von wenigen Ländern im großen Maßstab gefördert und exportiert.

Bei sieben weiteren kritischen Rohstoffen ist Deutschlands Abhängigkeit von China weniger stark ausgeprägt. Einzig bei Graphit liegt der Anteil der Importe aus China bei über zehn Prozent. Immerhin ist der Rest der Welt insgesamt noch abhängiger von China als Deutschland. Das zeigt sich an der Statistik. Der Anteil der Importe aus China ist global gesehen meist höher als der deutsche Wert. “Die deutschen Einfuhren sind stärker diversifiziert als der durchschnittliche Welthandel”, sagt Lisandra Flach, eine der Autorinnen der Ifo-Studie.

Dera-Expertin: Indirekte Abhängigkeiten wiegen schwerer

Doch das gilt nur für direkte Abhängigkeiten. China ist der größte Rohstoffproduzent und -verbraucher weltweit. “Jede rohstoffrelevante Veränderung in China, beispielsweise konjunkturbedingte Nachfrageschwankungen, beeinflusst die weltweiten Rohstoffmärkte und die Preisentwicklung“, sagt Yun Schüler-Zhou, China-Expertin bei der Deutschen Rohstoffagentur (Dera). Weil Deutschland von Rohstoffimporten abhängig ist, haben Preisschwankungen eine große Auswirkung auf die deutsche Industrie. “Diese indirekte Abhängigkeit von China ist viel weitreichender als die direkte Lieferabhängigkeit”, so Schüler-Zhou.

Zudem bestehen Abhängigkeiten durch verzweigte Lieferketten. “Die Abhängigkeit entlang der Wertschöpfungskette kann noch größer sein als in unserer Studie dargestellt”, so Flach. Wenn andere EU-Länder Rohstoffe aus China importieren, sie weiterverarbeiten und dann in Zwischengütern nach Deutschland exportieren, bestehe eine indirekte Abhängigkeit von China. Bei Seltenen Erden ist das besonders markant. Die EU-Staaten importieren 98 Prozent ihres Bedarfs aus China.

China ist häufig nicht das einzige Land, das über bestimmte Rohstoffvorkommen verfügt. Doch durch Preisvorteile wurden Produzenten aus anderen Ländern teils vom Markt verdrängt. Das beste Beispiel dafür sind die Seltenen Erden. Anders als der Name vermuten lässt, kommen diese 17 Metalle in der Erdkruste nicht selten vor. Doch: “China ist dominant beim Abbau von Seltenen Erden, weil Umwelt- und Gesundheitsstandards niedrig sind”, sagt Michael Reckordt, Rohstoffexperte der NGO PowerShift.

Das ist ein Wettbewerbsvorteil, durch den die Preise gedrückt werden können. Minen in den USA mussten deswegen zwischenzeitlich schließen. Unternehmen sind oftmals schlicht nicht bereit, einen höheren Preis für die Rohstoffe zu bezahlen. Hier zeigt sich eine Parallele zum russischen Gas: Statt frühzeitig auch auf andere Lieferanten und LNG zu setzen, haben sich deutsche Unternehmen in die Abhängigkeit von Russland begeben. Solange das Angebot reichlich und günstig war, fielen die Probleme mit dieser Strategie nicht auf.

Die Abhängigkeit ist trotz guter Vorsätze hoch geblieben

Obwohl es seit Jahren regelmäßig Klagen über die Abhängigkeiten bei Rohstoffen aus China gibt, sind sie immer noch beunruhigend hoch. Bei seltenen Erden lag der Anteil nach Angaben des Info-Instituts

  • 2017 bei 40 Prozent,
  • 2019 bei 45 und
  • 2021 bei 30 Prozent.

Ob die jüngste Abnahme eine Trendwende darstellt, ist unklar, da sich die Corona-Politik Chinas auch auf den Bergbausektor ausgewirkt hat. Bei Magnesium kam es über die letzten Jahre sogar zu einem leichten Anstieg des chinesischen Importanteils von 40 Prozent im Jahr 2017 auf 51 Prozent 2021. Bei anderen Metallen sind die Importe sogar drastisch angestiegen. Dazu gehören Chrom, Wismut, Zirkon, Indium, sowie viele Produkte aus Eisen und Stahl, wie Schüler-Zhou von der Dera sagt.

Dabei ist schwer zu bewerten, ob genug getan wurde, um die Abhängigkeiten zu verringern. “Die Bemühungen passieren in der Regel auf Betriebs- beziehungsweise Unternehmensebene”, sagt Rohstoffexperte Reckordt. Zudem sind auch Malaysia und Myanmar keine idealen Lieferanten von Seltenen Erden. “Somit reduziert sich die Liste der Alternativen sehr schnell auf die USA”, so Reckordt.

Rohstoffe sind mehr als nur Wirtschaftsgüter

Laut Experten geht die Abhängigkeit von China auch mit politischen Risiken einher. “Handelsbeziehungen mit China könnten im Zuge außenpolitischer Konflikte unterbrochen werden”, sagt Schüler-Zhou von der Dera. Strategische Rohstoffe wie Seltene Erden seien heute politisch weit relevanter als normale Wirtschaftsgüter. “Ihre Bedeutung für die Energiewende in China und den westlichen Ländern hat zugenommen. Dadurch steigen der Wettbewerb und das Konfliktpotenzial“, so Schüler-Zhou.

Deutschland bleibt als exportorientiertes Industrieland auf Rohstoff-Importe aus Drittländern und insbesondere aus China angewiesen. Die Abhängigkeiten zu verringern, wird – wie im Fall der russischen Gas-Abhängigkeit – mit höheren Kosten einhergehen. In anderen Weltregionen gelten teils höhere Umwelt- und Sozialstandards. Wenn der deutschen Industrie jedoch ernsthaft daran gelegen ist, die Risiken allzu großer Abhängigkeiten zu reduzieren, muss sie höhere Preise in Kauf nehmen.

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Banken-Skandal in Henan zeigt die Verwundbarkeit der Branche

Für Hunderte geprellte Bankkunden in Henan gibt es endlich ein paar gute Nachrichten. Noch am Sonntag protestierten sie in der Provinz-Hauptstadt Zhengzhou wütend vor der lokalen Niederlassung der Zentralbank (China.Table berichtete). Sie fordern ihre seit Monaten eingefrorenen Bank-Einlagen von mindestens vier in Schieflage geratenen Instituten zurück. Sicherheitskräfte rückten an und vertrieben die aufgebrachte Menge.

Dennoch konnten sich die Demonstranten Gehör verschaffen. Laut Mitteilungen vom Montag und Dienstag sicherten die Behörden zu, die Kunden zumindest teilweise zu entschädigen. Die Regionalbanken seien von einer Betrüger-Bande infiltriert und für illegale Geschäfte genutzt worden, hieß es. Die Kriminellen hätten unter anderem Finanzplattformen im Internet genutzt, um Geld von Anlegern einzusammeln. Auch gründeten sie Scheinfirmen, an die sie dann fiktive Kredite vergaben.

Skandale gibt es immer wieder

Das alles klingt ziemlich abenteuerlich. Was die Bankkunden in Henan erlebt haben, ist in China aber kein Einzelfall. Es gibt immer wieder Unregelmäßigkeiten im Bankenwesen, obwohl die Regierung schon vor Jahren damit begonnen hat, das Finanzsystem aufzuräumen. Vielleicht gibt es gerade auch deshalb mehr Skandale. Wie etwa 2019 bei der mongolischen Baoshang Bank, wo der Staat wegen “ernsthafter Kreditrisiken” die Kontrolle übernahm (China.Table berichtete). Die Rettungsaktion sorgte weltweit für Schlagzeilen. Die Finanzierungskosten für kleinere chinesische Banken sprangen in die Höhe, chinesische Bankaktien rauschten in den Keller. 

Die Finanzmärkte sorgen sich in der Regel weniger wegen der tatsächlichen wirtschaftlichen Schäden, weil sowohl die Baoshang Bank als auch die nun betroffenen Institute in Henan verhältnismäßig kleine Bilanzsummen aufweisen. Vielmehr besteht die Angst, dass die Probleme einzelner Institute nur die Spitze eines Eisberges seien könnten. Seit Jahren bezweifelt werden vor allem die offiziellen Zahlen zum Anteil der notleidenden Kredite (NPL) an den ausstehenden Forderungen der Banken. Über alle Banken in China hinweg lag diese zuletzt lediglich bei 1,9 Prozent. Das wäre ein ähnliches Niveau wie in den sehr entwickelten Finanzmärkten der USA und der EU. 

Wie groß ist der Schuldenberg wirklich?

Internationale Ratingagenturen äußern jedoch schon lange den Verdacht, dass der Berg fauler Kredite in China tatsächlich viel größer ist. Die hohen Schulden sind eine Folge wirtschafts- und geldpolitischer Entscheidungen nach der Bankenkrise 2008. Um die Konjunktur während des Abschwungs zu stützen, legte die chinesische Regierung ein riesiges Konjunkturprogramm auf. Zudem lockerten die Banken damals ihre Kreditvergabe. Bankmanager nahmen Bestechungsgelder an, verschleierten Risiken, von denen selbst bis heute viele noch nicht wieder ans Tageslicht gelangt sein könnten. 

Peking ist zwar bestrebt, den Schuldenabbau zu forcieren. Die Behörden legen kleine Regionalbanken zu größeren Instituten zusammen, die sich leichter kontrollieren lassen. Doch immer müssen vor allem die chinesischen Lokalregierungen eine Abwägung treffen. Wie sehr können sie den Kredithahn zudrehen, wie genau dürfen sie kontrollieren, um eine ohnehin schwächelnde Konjunktur nicht noch weiter zu belasten? 

Peking gesteht Probleme ein

Dass längst nicht alle Schwierigkeiten gelöst sind, gesteht auch Peking ein. Zwar seien die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit kleinen und mittleren Banken “im Allgemeinen kontrollierbar”, teilte Chinas Banken- und Versicherungsaufsicht (CBIRC) erst vor wenigen Tagen mit. Einige Kreditgeber würden jedoch verdächtigt, Verbrechen begangen zu haben, so Xiao Yuanqi, der Vize-Chef der Behörde. 

Berüchtigt für Banken-Korruption und seine angeschlagenen Finanzinstitute ist vor allem der wirtschaftlich relativ schwache Nordosten des Landes. Allein in der Provinz Liaoning leiteten die Behörden im vergangenen Jahr  Disziplinarmaßnahmen gegen 63 Führungskräfte von kleinen- und mittelgroßen Banken ein. Die Provinz hat 75 regionale Institute. Selbst laut der offiziellen Statistik machen Not leidende Kredite derzeit  5,11 ihrer Bücher aus – weit mehr als im nationalen Durchschnitt. 

Zu den latenten Problemen kamen in Henan jüngst auch noch pandemiebedingte Schwierigkeiten hinzu. Die Wirtschaftlichkeit der Mini-Institute auf dem Lande ist gering. Sie haben zwar eine wichtige Rolle, indem sie Kredite an kleine und mittelgroße Firmen vergeben. Doch Analysten des australischen Bankhauses ANZ zufolge liegt die Kapitalrendite mit diesem Geschäftsmodell deutlich unter einem Prozent. Einen Puffer für Schwankungen infolge von Corona-Maßnahmen hatten sie nicht.Jörn Petring/Gregor Koppenburg 

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  • Finanzen

Synolytics:Radar

China muss sich zwischen Wachstum und Null-Covid entscheiden

Dieser Inhalt ist Lizenznehmern unserer Vollversion vorbehalten.
  • Die verschärften Corona-Regelungen im März und April 2022 haben der chinesischen Wirtschaft schweren Schaden zugefügt. Im April sank die Wertschöpfung des Industriesektors um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während sie im März noch um 5,0 Prozent gestiegen war.
  • Wie die Daten für Mai zeigen, stieg die Wertschöpfung im Industriesektor erneut leicht um 0,7 Prozent, was auf die schrittweise Lockerung der Maßnahmen in Peking und Shanghai sowie auf die Auswirkungen der vom Staatsrat ergriffenen umfassenden Konjunkturmaßnahmen zurückzuführen ist.
  • Chinas wirtschaftspolitische Entscheider sind sich der Störungen bewusst, die Corona-Beschränkungen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite verursachen. Daher ergreifen sie verstärkt politische Maßnahmen, um die Wiederaufnahme von Produktion und Logistik zu beschleunigen. Gleichzeitig werden Unternehmen durch Senkung oder Aussetzung von Steuern und Sozialabgaben entlastet.
  • Vor allem aber folgen viele Konjunkturmaßnahmen dem üblichen Schema und konzentrieren sich auf verstärkte Investitionen in Infrastrukturprojekte. Die politischen Bemühungen zur Ankurbelung des Verbrauchs, insbesondere im Automobilsektor, sind im Vergleich dazu eher verhalten.
  • Ob die Technokraten die effizientesten Instrumente einsetzen, ist fraglich. Die Art der Maßnahmen ändert jedoch nichts an der grundlegenden Tatsache, dass mögliche erneute Lockdowns im Rahmen der derzeitigen Null-Covid-Strategie die Wirtschaft sofort erneut schädigen werden, unabhängig davon, welche Konjunkturmaßnahmen ergriffen werden.
  • Konjunkturprogramme und Null-Covid können nicht gleichzeitig funktionieren. Um ein stabiles Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, müsste die chinesische Regierung Null-Covid aufgeben und nach alternativen Lösungen suchen, um “mit dem Virus zu leben”.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • Coronavirus
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News

EU und China sprechen über Handel und Finanzen

Zwischen der EU und China wird in der kommenden Woche nach gut zweijähriger Pause wieder ein Handelsdialog stattfinden. Handelskommissar und EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis werde dazu mit Chinas Vizepremier Liu He am 19. Juli in einer Videokonferenz zusammentreffen, bestätigte die EU-Generaldirektion für Handel. Teilnehmen werden außerdem Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness sowie Vertreter mehrerer EU-Generaldirektionen und chinesischer Ministerien.

Der Handelsdirektion zufolge stehen auf der Agenda Themen wie die globale Energie- und Nahrungsmittelkrise. Auch über Lieferketten und “bilaterale Handels- und Investitionsbelange” soll gesprochen werden. Zwischen der EU und der Volksrepublik gibt es eine ganze Reihe an offenen Fragen:

  • Das WTO-Verfahren gegen China wegen der Handelsblockade von EU-Staat Litauen läuft immer noch,
  • das Investitionsabkommen CAI bewegt sich nicht und
  • die EU rüstet ihren internationalen Handel mit mehreren neuen Gesetzen, die sich – nicht offen ausgesprochen – primär gegen China richten.

Der vorige Handelsdialog fand im Juli 2020 statt. Der EU-China-Gipfel im April dieses Jahres war ein Misserfolg: Brüssel wollte über Chinas Rolle im Krieg gegen die Ukraine sprechen, Peking über Handel.

Vergangene Woche trafen sich EU-Klimakommissar Frans Timmermans und Vizepremier Han Zheng bereits zu einem Online-Gipfel. Es gebe viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit, twitterte Timmermans nach dem Treffen. Beispielsweise bei den Themen saubere Energie und Wasserstoff sowie den CO2-Märkten. Letzteres ist vor allem mit Blick auf den geplanten CO2-Grenzausgleich der EU interessant. Dazu laufen derzeit die Verhandlungen zwischen Europaparlament, Kommission und EU-Rat. ari

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Firmen entschuldigen sich weniger oft für Xinjiang

Ausländische Firmen reagieren bei öffentlicher Kritik in China sehr unterschiedlich. So gebe es feine Unterschiede, für welche Kontroversen sie sich entschuldigen und für welche nicht, wie die Studie des in Stockholm ansässigen National China Centre ergeben hat. Der unabhängige Thinktank fand demnach heraus, dass 80 Prozent der Firmen bei Aussagen bezüglich der territorialen Integrität Taiwans, Hongkongs und Tibets öfter öffentlich zurückrudern als bei Kritik im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang. Dort entschuldigt sich laut der Studie nur rund ein Drittel der Firmen nach einem Shitstorm öffentlich.

Die unterschiedliche Entschuldigungsrate führt die Denkfabrik unter anderem darauf zurück, dass die Zwangsarbeitsproblematik in Xinjiang zuletzt immer stärker in den Fokus der Politik in Europa und Nordamerika gerückt ist (China.Table berichtete). Während die Unternehmen im Falle Taiwans einen Imageverlust im Westen verkraften könnten, sei “es viel schwerer vorstellbar, dass sie sich mit dem Vorwurf anfreunden könnten, in etwas verwickelt zu sein, was einige westliche Parlamente und Regierungen als Völkermord bezeichnen“, so die Studie.

Die Denkfabrik untersuchte Boykottvorfälle zwischen 2008 und 2021, wobei vor allem Unternehmen aus den USA, Japan und Frankreich betroffen waren. Zu den Firmen, die öffentlich einen Kotau vollzogen, gehörten unter anderem Walmart, Daimler und Nike (China.Table berichtete). Die meisten Boykottaufrufe gab es in der Lebensmittelbranche, bei Luxusgütern und in der Automobilindustrie – insbesondere in Branchen also, in denen starke lokale Alternativen vorhanden sind.

Neben einer allgemeinen Verschärfung des Nationalismus unter Chinas Konsumenten (China.Table berichtete) stellte die Studie zudem fest, dass die Boykotte im Jahr 2019 während des Handelsstreits mit Donald Trump einen Höhepunkt erreichten und dass Chinas Regierung bei mindestens einem Drittel der Fälle mit staatlichen Medienberichten zusätzlich Öl ins Feuer goss. fpe

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Taiwans Vizepräsident auf Abes Bestattung

Der taiwanische Vizepräsient Lai Ching-te (William Lai) hat an der Beisetzung des ermordeten japanischen Spitzenpolitikers Shinzo Abe teilgenommen. Lai bezeichnete den Besuch im Nachbarland als private “Respektbezeugung für einen Freund”. Auslandsreisen taiwanischer Amtsträger sind selten, zumal Taiwan keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu den meisten Ländern unterhält. Lai ist ein möglicher Kandidat für die Nachfolge der amtierenden Präsidentin Tsai Ing-wen.

China protestierte gegen den Besuch. “Nach dem Attentat auf den früheren Premierminister Shinzo Abe nutzen die Taiwan-Behörden die Gelegenheit für Manipulationen”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Taiwan könne gar keinen Vizepräsidenten haben, weil es Teil der Volksrepublik China sei. fin

  • Geopolitik
  • Japan
  • Taiwan

Ausstoß an Wasserkraft erreicht Rekord

Eine willkommene Erleichterung im Kampf gegen Emissionen bietet in China derzeit die Wasserkraft: Dank ergiebigen Regens sind die Stauseen gut gefüllt, die Turbinen erreichen eine Rekordleistung. In den ersten fünf Monaten des Jahres ist in Südchina die Stromproduktion an den Dämmen um 18 Prozent gestiegen, berichtet Greenpeace China. Im Mai ist die Elektrizitätserzeugung aus Wasserkraft landesweit um 27 Prozent hochgesprungen. Im Jahr 2021 allein sind 23 Gigawatt an Wasserkraft-Kapazität durch den Bau neuer Dämme hinzugekommen. Südchina hat im März und im Mai die stärksten Regenfälle seit 60 Jahren erlebt. fin/rtr

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  • Erneuerbare Energien
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UN-Report zur Bevölkerung: Indien überholt China

Indien könnte China bereits im nächsten Jahr als bevölkerungsreichstes Land der Erde ablösen. Das geht aus den am Montag von der UN veröffentlichten World Population Prospects hervor, einem jährlichen Demografie-Bericht zur Lage der Weltbevölkerung. Indien und China hätten dann jeweils mehr als 1,4 Milliarden Einwohner. In China stagniert das Bevölkerungswachstum auf niedrigem Niveau, während es in Indien von einem hohen Niveau herkommend sinkt. Indiens Bevölkerung wächst daher noch, während sie in China möglicherweise schon schrumpft. Bei einer Volkszählung 2022 in Indien lag die Bevölkerungszahl dort noch bei 1,21 Milliarden Menschen.

Chinas Geburtsrate befindet sich auf dem tiefsten Stand seit Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949. Die Zahl der Neugeborenen ging offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2021 um 11,5 Prozent auf 10,6 Millionen zurück (China.Table berichtete). Schon bald könnten im Land zu wenige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um eine wachsende Zahl älterer Menschen zu versorgen. Auch in Indien geht die Geburtenrate bereits zurück. Da Indiens Bevölkerung aber noch recht jung ist, wächst sie schnell weiter.

Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge wird die Weltbevölkerung bis zum 15. November dieses Jahres einen neuen Rekordwert von acht Milliarden Menschen erreichen. Sollte sich an den weltweiten Streblichkeitsraten nichts ändern, könnten es 2030 dann 8,5 Milliarden und bis 2100 über 10 Milliarden Menschen sein. Laut dem UN-Report wird sich das zukünftige Bevölkerungswachstum der Erde bis zum Jahr 2050 vor allem auf acht Länder konzentrieren: die Demokratische Republik Kongo, Ägypten, Äthiopien, Indien, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und Tansania. fpe

  • Demografie
  • Geopolitik
  • Gesellschaft
  • Indien

Presseschau

Wegen nur eines Corona-Falls – Lockdown für 320.000 Einwohner in China TAGESSPIEGEL
Dangerous heatwaves engulf parts of China, US and Europe THEGUARDIAN
US warns it will defend Philippines in South China Sea DW
U.S. to open new embassies, boost aid in Pacific as China’s sway grows WASHINGTONPOST
China tries to stem growing anger over frozen bank deposits CNN
China’s Henan bank customers face harassment, job loss over protests REUTERS
WeChat Is China’s Most Beloved (and Feared) Surveillance Tool BLOOMBERG
China protests Taiwan’s VP paying respects at Abe’s memorial APNEWS
Japan und China: Wahre und falsche Helden SUEDDEUTSCHE
China to buy Xinjiang cotton, but state stockpiling won’t save mills from massive losses amid US ban SCMP
‘I Don’t Mind Being a Martyr’: Ailing Hong Kong Activist Defiant in Court NYTIMES
China ‘not to blame’ for African debt crisis, it’s the West: study SCMP

Heads

Maja Linnemann – Sinologin mit Faszination für Friedhöfe

Die Autorin und Übersetzerin Maja Linnemann bloggt über Tod und Bestattungskultur in China.
Die Autorin und Übersetzerin Maja Linnemann bloggt über Tod und Bestattungskultur in China.

“Ich interessiere mich für viele Dinge”, sagt Maja Linnemann, “aber Friedhöfe hatten schon immer eine besondere Wirkung auf mich.” Vor zwei Jahren wurde Linnemanns Buch “Letzte Dinge. Tod und Bestattungskultur in China” im Drachenhaus Verlag veröffentlicht, im selben Jahr startete sie den Blog “Friedhofswelten”. “Die alte Kultur Chinas dringt überall durch, auch in der Art und Weise, wie mit dem Tod umgegangen wird.”

Linnemann hat Sinologie in Bremen, Chengdu, Hamburg und London studiert und lebte 14 Jahre in Peking. In dieser Zeit war sie unter anderem als Chefredakteurin der CHINA Nachrichten und eines deutsch-chinesischen Online-Feuilletons des Goethe-Instituts tätig. Als vor etwas mehr als zehn Jahren ein Nachbar ihres chinesischen Schwiegervaters starb, nahm sie zum ersten Mal an einer traditionellen Dorfbeerdigung teil. “Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen”, sagt sie heute.

Alte Bestattungsrituale verschwinden

Sie erinnert sich an bunte Papierfiguren, die Pferde, Autos und andere Dinge fast in Lebensgröße darstellten und in einem Umzug durchs Dorf getragen wurden. “Alles, von dem man glaubte, dass der Tote es im Jenseits brauchen würde”, erklärt sie. “Das Befremdlichste war für mich die große Feier, die am Abend auf dem Sportplatz des Dorfes stattfand. Es gab Aufführungen und Live-Musik, die Kinder spielten drumherum, es war laut und ausgelassen.”

Viele der Bestattungstraditionen Chinas werden seit mehr als 1.000 Jahren in genau dieser Weise ausgeführt und gehen zurück auf die Schriftensammlung “Familienrituale” des chinesischen Philosophen Zhu Xi, die weit verbreitet war. “Den alten Traditionen steht allerdings eine Regierung gegenüber, die mittlerweile auch das Sterben reguliert”, sagt Linnemann.

In Städten wie Peking oder Shanghai wurde die Erdbestattung aus Platzgründen verboten, in vielen ländlichen Regionen ebenso. “Es gibt einige Chinesen, die sich dagegen wehren und ihre Verwandten auf dem eigenen Land bestatten. Immer wieder führt das zu hohen Geldstrafen oder sogar dazu, dass öffentliche Stellen die Beerdigten wieder ausgraben.”

Die Wahlheimat Peking ging verloren

Dass von der Regierung durchgesetzte Veränderungen in China teils radikal wirken und oft rasant vonstattengehen, musste auch Linnemann erfahren, als sie in Peking lebte. “Ich habe diese Stadt geliebt, aber dann wurden große Teile der traditionellen, einstöckigen Bebauung abgerissen und ganze Viertel verschwanden.” Kleine Gassen wurden durch breite Straßen ersetzt, der Autoverkehr nahm nach der Jahrtausendwende massiv zu. “Ich habe Peking immer als Fahrradstadt begriffen. Die vielen Autos und der Lärm waren tatsächlich ein wichtiger Grund, warum ich nicht mehr dort leben wollte.”

Linnemann sagt heute, sie habe ihre Wahlheimat verloren. 2013 kehrte sie zurück nach Bremen und baute als Geschäftsführerin das dortige Konfuzius-Institut auf. “Selbst wenn ich zurückgehen würde, es wäre einfach nicht mehr das Gleiche.” Seit vier Jahren arbeitet sie selbstständig als Übersetzerin und Autorin. In einigen Wochen erscheint der von ihr übersetzte Roman “Mitgefühl” des Autors Lu Nei im Drachenhaus Verlag. Noch in diesem Jahr wird auch eine ihrer Übersetzungen im Rahmen des Forschungsprojekts “China – Normen, Ideen, Praktiken” des Max-Planck-Instituts publiziert. Svenja Napp

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Personalien

Angela Wei Dong rückt bei dem US-Kosmetikhersteller Estée Lauder in den Vorstand auf. Dong ist derzeit Geschäftsführerin von Nike China. Zuvor war sie bei Coca-Cola tätig. 

Ben Yue ist bei der Bank of China in Hongkong vom Chef der Anleihe-Sparte (Fixed Income) zum Finanzchef (CIO) aufgestiegen. Yue hat bereits für die HSBC und die USB gearbeitet.

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Dessert

Auf wackligen Beinen absolvierte am Montag ein im April geborenes Tiger-Baby seinen ersten öffentlichen Auftritt in der South-China-Tigeraufzuchtstation in Suzhou. In freier Wildbahn gibt es vom Südchinesischen Tiger “Panthera tigris amoyensis” seit mehr als 20 Jahren keine Spur mehr.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    die Hälfte des in Deutschland verarbeiteten Magnesiums kommt aus China. Bei Seltenen Erden ist die Abhängigkeit von China ähnlich hoch. Und indirekt noch viel höher, denn die deutsche Industrie ist auf Vorprodukte aus anderen EU-Ländern angewiesen, die noch mehr Rohstoffe von dem asiatischen Weltmarktführer beziehen. Nico Beckert analysiert, warum es so schwerfällt, von dem bewährten Lieferanten loszukommen. Solange weltpolitisch alles in Ordnung ist, wirkt es unsinnig, höhere Kosten für eine Diversifizierung in Kauf zu nehmen. Die Konkurrenz macht es ja ebenfalls auch nicht. Hier wäre ein weitsichtiges Risikomanagement gefragt.

    Die Frage nach den tatsächlichen Risiken tut sich auch bei kleinen Banken tief in der Provinz auf. Die Zahlungsausfälle in Henan sind nur die Spitze des Eisbergs, analysiert unser Team in Peking. Dabei kocht dort bereits die Volksseele, weil die Kunden seit Tagen kein Geld erhalten. Die Zentrale in Peking hatte das Problem mit den sehr kleinen Kreditkooperativen lange Zeit schlicht übersehen. Doch tatsächlich spielen sie für das System eine große Rolle, stellen sie doch Kapital für Mittelstand und Kleinunternehmer bereit. Auch die Banken-Pleiten sind nun eine Nebenwirkung der bitteren Covid-Medizin, mit der sich die Regierung herumschlagen muss.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

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    Deutschland bleibt von Rohstoffen aus China abhängig

    Magnesiumbarren in einem Lager der Firma Fugu Taida Chemical in Shaanxi. China deckt einen Großteil der globalen Nachfrage an Rohstoffen - auch Deutschlands.
    Magnesiumbarren in einem Lager der Firma Fugu Taida Chemical in Shaanxi. China deckt einen Großteil der globalen Nachfrage.

    Jahrzehntelang war unvorstellbar, dass Russland irgendwann kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Jetzt hat Wladimir Putin die Gaslieferungen gedrosselt. Deutsche Ministerien entwickeln Notfall-Pläne für den Winter. Betroffen sind nicht nur Privathaushalte, sondern auch die Industrie, die fast sicher die Produktion drosseln muss.

    Das lenkt die Aufmerksamkeit auch auf andere Abhängigkeiten: China ist der größte Lieferant wichtiger Rohstoffe wie Seltener Erden und Magnesium. Bei anderen Rohstoffen liegt die Volksrepublik unter den Top 5-Exporteuren weltweit. Unter Managern, Ökonomen und Politikern wächst nun die Sorge vor den Folgen eines Konflikts mit China, der Deutschland wirtschaftlich in mehrfacher Hinsicht schwer treffen würde.

    Die Hälfte der deutschen Magnesium-Importe und 45 Prozent der Importe Seltener Erden stammen aus der Volksrepublik, wie eine neue Studie des Ifo-Instituts zeigt. Die Metalle werden in wichtigen Zukunftstechnologien wie Brennstoffzellen, Elektromotoren, Windenergie-Anlagen, Digitaltechnik oder Robotern verbaut.

    Schneeballeffekte entlang der Lieferverbindungen

    Es gibt bereits konkrete Warnzeichen. Ende vergangenen Jahres drosselte China die Magnesium-Produktion aufgrund der Stromkrise. Dadurch litt die europäische Industrie, die beispielsweise für die Aluminium-Herstellung auf Magnesium aus der Volksrepublik angewiesen ist (China.Table berichtete). Das Problem wurde schnell aufgelöst, zeigt aber die Abhängigkeiten sehr markant.

    Bei den Seltenen Erden hatte China zwischenzeitlich ein Quasi-Monopol. Im Jahr 2011 entfielen 97 Prozent der weltweiten Produktion auf das Land. Mittlerweile ist Chinas Anteil an der Weltproduktion zwar gesunken, liegt aber immer noch bei rund 58 Prozent. Da die Volksrepublik selbst viel verbraucht, ist der Exportanteil geringer und beträgt 26 Prozent. Auch bei den Seltenen Erden gab es bereits Warnzeichen. Ende 2010 hatte China die Exporte an Japan aufgrund diplomatischer Verstimmungen für mehrere Wochen eingeschränkt.

    Die Tabelle zeigt die Abhängigkeit Deutschlands bei Rohstoffen.

    Laut Ifo-Forscherinnen und -forschern gehören die Seltenen Erden und Magnesium zu den “Rohstoffen mit kritischen Abhängigkeiten”. Sie sind für viele Schlüsseltechnologien wichtig und werden nur von wenigen Ländern im großen Maßstab gefördert und exportiert.

    Bei sieben weiteren kritischen Rohstoffen ist Deutschlands Abhängigkeit von China weniger stark ausgeprägt. Einzig bei Graphit liegt der Anteil der Importe aus China bei über zehn Prozent. Immerhin ist der Rest der Welt insgesamt noch abhängiger von China als Deutschland. Das zeigt sich an der Statistik. Der Anteil der Importe aus China ist global gesehen meist höher als der deutsche Wert. “Die deutschen Einfuhren sind stärker diversifiziert als der durchschnittliche Welthandel”, sagt Lisandra Flach, eine der Autorinnen der Ifo-Studie.

    Dera-Expertin: Indirekte Abhängigkeiten wiegen schwerer

    Doch das gilt nur für direkte Abhängigkeiten. China ist der größte Rohstoffproduzent und -verbraucher weltweit. “Jede rohstoffrelevante Veränderung in China, beispielsweise konjunkturbedingte Nachfrageschwankungen, beeinflusst die weltweiten Rohstoffmärkte und die Preisentwicklung“, sagt Yun Schüler-Zhou, China-Expertin bei der Deutschen Rohstoffagentur (Dera). Weil Deutschland von Rohstoffimporten abhängig ist, haben Preisschwankungen eine große Auswirkung auf die deutsche Industrie. “Diese indirekte Abhängigkeit von China ist viel weitreichender als die direkte Lieferabhängigkeit”, so Schüler-Zhou.

    Zudem bestehen Abhängigkeiten durch verzweigte Lieferketten. “Die Abhängigkeit entlang der Wertschöpfungskette kann noch größer sein als in unserer Studie dargestellt”, so Flach. Wenn andere EU-Länder Rohstoffe aus China importieren, sie weiterverarbeiten und dann in Zwischengütern nach Deutschland exportieren, bestehe eine indirekte Abhängigkeit von China. Bei Seltenen Erden ist das besonders markant. Die EU-Staaten importieren 98 Prozent ihres Bedarfs aus China.

    China ist häufig nicht das einzige Land, das über bestimmte Rohstoffvorkommen verfügt. Doch durch Preisvorteile wurden Produzenten aus anderen Ländern teils vom Markt verdrängt. Das beste Beispiel dafür sind die Seltenen Erden. Anders als der Name vermuten lässt, kommen diese 17 Metalle in der Erdkruste nicht selten vor. Doch: “China ist dominant beim Abbau von Seltenen Erden, weil Umwelt- und Gesundheitsstandards niedrig sind”, sagt Michael Reckordt, Rohstoffexperte der NGO PowerShift.

    Das ist ein Wettbewerbsvorteil, durch den die Preise gedrückt werden können. Minen in den USA mussten deswegen zwischenzeitlich schließen. Unternehmen sind oftmals schlicht nicht bereit, einen höheren Preis für die Rohstoffe zu bezahlen. Hier zeigt sich eine Parallele zum russischen Gas: Statt frühzeitig auch auf andere Lieferanten und LNG zu setzen, haben sich deutsche Unternehmen in die Abhängigkeit von Russland begeben. Solange das Angebot reichlich und günstig war, fielen die Probleme mit dieser Strategie nicht auf.

    Die Abhängigkeit ist trotz guter Vorsätze hoch geblieben

    Obwohl es seit Jahren regelmäßig Klagen über die Abhängigkeiten bei Rohstoffen aus China gibt, sind sie immer noch beunruhigend hoch. Bei seltenen Erden lag der Anteil nach Angaben des Info-Instituts

    • 2017 bei 40 Prozent,
    • 2019 bei 45 und
    • 2021 bei 30 Prozent.

    Ob die jüngste Abnahme eine Trendwende darstellt, ist unklar, da sich die Corona-Politik Chinas auch auf den Bergbausektor ausgewirkt hat. Bei Magnesium kam es über die letzten Jahre sogar zu einem leichten Anstieg des chinesischen Importanteils von 40 Prozent im Jahr 2017 auf 51 Prozent 2021. Bei anderen Metallen sind die Importe sogar drastisch angestiegen. Dazu gehören Chrom, Wismut, Zirkon, Indium, sowie viele Produkte aus Eisen und Stahl, wie Schüler-Zhou von der Dera sagt.

    Dabei ist schwer zu bewerten, ob genug getan wurde, um die Abhängigkeiten zu verringern. “Die Bemühungen passieren in der Regel auf Betriebs- beziehungsweise Unternehmensebene”, sagt Rohstoffexperte Reckordt. Zudem sind auch Malaysia und Myanmar keine idealen Lieferanten von Seltenen Erden. “Somit reduziert sich die Liste der Alternativen sehr schnell auf die USA”, so Reckordt.

    Rohstoffe sind mehr als nur Wirtschaftsgüter

    Laut Experten geht die Abhängigkeit von China auch mit politischen Risiken einher. “Handelsbeziehungen mit China könnten im Zuge außenpolitischer Konflikte unterbrochen werden”, sagt Schüler-Zhou von der Dera. Strategische Rohstoffe wie Seltene Erden seien heute politisch weit relevanter als normale Wirtschaftsgüter. “Ihre Bedeutung für die Energiewende in China und den westlichen Ländern hat zugenommen. Dadurch steigen der Wettbewerb und das Konfliktpotenzial“, so Schüler-Zhou.

    Deutschland bleibt als exportorientiertes Industrieland auf Rohstoff-Importe aus Drittländern und insbesondere aus China angewiesen. Die Abhängigkeiten zu verringern, wird – wie im Fall der russischen Gas-Abhängigkeit – mit höheren Kosten einhergehen. In anderen Weltregionen gelten teils höhere Umwelt- und Sozialstandards. Wenn der deutschen Industrie jedoch ernsthaft daran gelegen ist, die Risiken allzu großer Abhängigkeiten zu reduzieren, muss sie höhere Preise in Kauf nehmen.

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    Banken-Skandal in Henan zeigt die Verwundbarkeit der Branche

    Für Hunderte geprellte Bankkunden in Henan gibt es endlich ein paar gute Nachrichten. Noch am Sonntag protestierten sie in der Provinz-Hauptstadt Zhengzhou wütend vor der lokalen Niederlassung der Zentralbank (China.Table berichtete). Sie fordern ihre seit Monaten eingefrorenen Bank-Einlagen von mindestens vier in Schieflage geratenen Instituten zurück. Sicherheitskräfte rückten an und vertrieben die aufgebrachte Menge.

    Dennoch konnten sich die Demonstranten Gehör verschaffen. Laut Mitteilungen vom Montag und Dienstag sicherten die Behörden zu, die Kunden zumindest teilweise zu entschädigen. Die Regionalbanken seien von einer Betrüger-Bande infiltriert und für illegale Geschäfte genutzt worden, hieß es. Die Kriminellen hätten unter anderem Finanzplattformen im Internet genutzt, um Geld von Anlegern einzusammeln. Auch gründeten sie Scheinfirmen, an die sie dann fiktive Kredite vergaben.

    Skandale gibt es immer wieder

    Das alles klingt ziemlich abenteuerlich. Was die Bankkunden in Henan erlebt haben, ist in China aber kein Einzelfall. Es gibt immer wieder Unregelmäßigkeiten im Bankenwesen, obwohl die Regierung schon vor Jahren damit begonnen hat, das Finanzsystem aufzuräumen. Vielleicht gibt es gerade auch deshalb mehr Skandale. Wie etwa 2019 bei der mongolischen Baoshang Bank, wo der Staat wegen “ernsthafter Kreditrisiken” die Kontrolle übernahm (China.Table berichtete). Die Rettungsaktion sorgte weltweit für Schlagzeilen. Die Finanzierungskosten für kleinere chinesische Banken sprangen in die Höhe, chinesische Bankaktien rauschten in den Keller. 

    Die Finanzmärkte sorgen sich in der Regel weniger wegen der tatsächlichen wirtschaftlichen Schäden, weil sowohl die Baoshang Bank als auch die nun betroffenen Institute in Henan verhältnismäßig kleine Bilanzsummen aufweisen. Vielmehr besteht die Angst, dass die Probleme einzelner Institute nur die Spitze eines Eisberges seien könnten. Seit Jahren bezweifelt werden vor allem die offiziellen Zahlen zum Anteil der notleidenden Kredite (NPL) an den ausstehenden Forderungen der Banken. Über alle Banken in China hinweg lag diese zuletzt lediglich bei 1,9 Prozent. Das wäre ein ähnliches Niveau wie in den sehr entwickelten Finanzmärkten der USA und der EU. 

    Wie groß ist der Schuldenberg wirklich?

    Internationale Ratingagenturen äußern jedoch schon lange den Verdacht, dass der Berg fauler Kredite in China tatsächlich viel größer ist. Die hohen Schulden sind eine Folge wirtschafts- und geldpolitischer Entscheidungen nach der Bankenkrise 2008. Um die Konjunktur während des Abschwungs zu stützen, legte die chinesische Regierung ein riesiges Konjunkturprogramm auf. Zudem lockerten die Banken damals ihre Kreditvergabe. Bankmanager nahmen Bestechungsgelder an, verschleierten Risiken, von denen selbst bis heute viele noch nicht wieder ans Tageslicht gelangt sein könnten. 

    Peking ist zwar bestrebt, den Schuldenabbau zu forcieren. Die Behörden legen kleine Regionalbanken zu größeren Instituten zusammen, die sich leichter kontrollieren lassen. Doch immer müssen vor allem die chinesischen Lokalregierungen eine Abwägung treffen. Wie sehr können sie den Kredithahn zudrehen, wie genau dürfen sie kontrollieren, um eine ohnehin schwächelnde Konjunktur nicht noch weiter zu belasten? 

    Peking gesteht Probleme ein

    Dass längst nicht alle Schwierigkeiten gelöst sind, gesteht auch Peking ein. Zwar seien die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit kleinen und mittleren Banken “im Allgemeinen kontrollierbar”, teilte Chinas Banken- und Versicherungsaufsicht (CBIRC) erst vor wenigen Tagen mit. Einige Kreditgeber würden jedoch verdächtigt, Verbrechen begangen zu haben, so Xiao Yuanqi, der Vize-Chef der Behörde. 

    Berüchtigt für Banken-Korruption und seine angeschlagenen Finanzinstitute ist vor allem der wirtschaftlich relativ schwache Nordosten des Landes. Allein in der Provinz Liaoning leiteten die Behörden im vergangenen Jahr  Disziplinarmaßnahmen gegen 63 Führungskräfte von kleinen- und mittelgroßen Banken ein. Die Provinz hat 75 regionale Institute. Selbst laut der offiziellen Statistik machen Not leidende Kredite derzeit  5,11 ihrer Bücher aus – weit mehr als im nationalen Durchschnitt. 

    Zu den latenten Problemen kamen in Henan jüngst auch noch pandemiebedingte Schwierigkeiten hinzu. Die Wirtschaftlichkeit der Mini-Institute auf dem Lande ist gering. Sie haben zwar eine wichtige Rolle, indem sie Kredite an kleine und mittelgroße Firmen vergeben. Doch Analysten des australischen Bankhauses ANZ zufolge liegt die Kapitalrendite mit diesem Geschäftsmodell deutlich unter einem Prozent. Einen Puffer für Schwankungen infolge von Corona-Maßnahmen hatten sie nicht.Jörn Petring/Gregor Koppenburg 

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    Synolytics:Radar

    China muss sich zwischen Wachstum und Null-Covid entscheiden

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    • Die verschärften Corona-Regelungen im März und April 2022 haben der chinesischen Wirtschaft schweren Schaden zugefügt. Im April sank die Wertschöpfung des Industriesektors um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während sie im März noch um 5,0 Prozent gestiegen war.
    • Wie die Daten für Mai zeigen, stieg die Wertschöpfung im Industriesektor erneut leicht um 0,7 Prozent, was auf die schrittweise Lockerung der Maßnahmen in Peking und Shanghai sowie auf die Auswirkungen der vom Staatsrat ergriffenen umfassenden Konjunkturmaßnahmen zurückzuführen ist.
    • Chinas wirtschaftspolitische Entscheider sind sich der Störungen bewusst, die Corona-Beschränkungen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite verursachen. Daher ergreifen sie verstärkt politische Maßnahmen, um die Wiederaufnahme von Produktion und Logistik zu beschleunigen. Gleichzeitig werden Unternehmen durch Senkung oder Aussetzung von Steuern und Sozialabgaben entlastet.
    • Vor allem aber folgen viele Konjunkturmaßnahmen dem üblichen Schema und konzentrieren sich auf verstärkte Investitionen in Infrastrukturprojekte. Die politischen Bemühungen zur Ankurbelung des Verbrauchs, insbesondere im Automobilsektor, sind im Vergleich dazu eher verhalten.
    • Ob die Technokraten die effizientesten Instrumente einsetzen, ist fraglich. Die Art der Maßnahmen ändert jedoch nichts an der grundlegenden Tatsache, dass mögliche erneute Lockdowns im Rahmen der derzeitigen Null-Covid-Strategie die Wirtschaft sofort erneut schädigen werden, unabhängig davon, welche Konjunkturmaßnahmen ergriffen werden.
    • Konjunkturprogramme und Null-Covid können nicht gleichzeitig funktionieren. Um ein stabiles Wirtschaftswachstum zu gewährleisten, müsste die chinesische Regierung Null-Covid aufgeben und nach alternativen Lösungen suchen, um “mit dem Virus zu leben”.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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    EU und China sprechen über Handel und Finanzen

    Zwischen der EU und China wird in der kommenden Woche nach gut zweijähriger Pause wieder ein Handelsdialog stattfinden. Handelskommissar und EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis werde dazu mit Chinas Vizepremier Liu He am 19. Juli in einer Videokonferenz zusammentreffen, bestätigte die EU-Generaldirektion für Handel. Teilnehmen werden außerdem Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness sowie Vertreter mehrerer EU-Generaldirektionen und chinesischer Ministerien.

    Der Handelsdirektion zufolge stehen auf der Agenda Themen wie die globale Energie- und Nahrungsmittelkrise. Auch über Lieferketten und “bilaterale Handels- und Investitionsbelange” soll gesprochen werden. Zwischen der EU und der Volksrepublik gibt es eine ganze Reihe an offenen Fragen:

    • Das WTO-Verfahren gegen China wegen der Handelsblockade von EU-Staat Litauen läuft immer noch,
    • das Investitionsabkommen CAI bewegt sich nicht und
    • die EU rüstet ihren internationalen Handel mit mehreren neuen Gesetzen, die sich – nicht offen ausgesprochen – primär gegen China richten.

    Der vorige Handelsdialog fand im Juli 2020 statt. Der EU-China-Gipfel im April dieses Jahres war ein Misserfolg: Brüssel wollte über Chinas Rolle im Krieg gegen die Ukraine sprechen, Peking über Handel.

    Vergangene Woche trafen sich EU-Klimakommissar Frans Timmermans und Vizepremier Han Zheng bereits zu einem Online-Gipfel. Es gebe viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit, twitterte Timmermans nach dem Treffen. Beispielsweise bei den Themen saubere Energie und Wasserstoff sowie den CO2-Märkten. Letzteres ist vor allem mit Blick auf den geplanten CO2-Grenzausgleich der EU interessant. Dazu laufen derzeit die Verhandlungen zwischen Europaparlament, Kommission und EU-Rat. ari

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    Firmen entschuldigen sich weniger oft für Xinjiang

    Ausländische Firmen reagieren bei öffentlicher Kritik in China sehr unterschiedlich. So gebe es feine Unterschiede, für welche Kontroversen sie sich entschuldigen und für welche nicht, wie die Studie des in Stockholm ansässigen National China Centre ergeben hat. Der unabhängige Thinktank fand demnach heraus, dass 80 Prozent der Firmen bei Aussagen bezüglich der territorialen Integrität Taiwans, Hongkongs und Tibets öfter öffentlich zurückrudern als bei Kritik im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang. Dort entschuldigt sich laut der Studie nur rund ein Drittel der Firmen nach einem Shitstorm öffentlich.

    Die unterschiedliche Entschuldigungsrate führt die Denkfabrik unter anderem darauf zurück, dass die Zwangsarbeitsproblematik in Xinjiang zuletzt immer stärker in den Fokus der Politik in Europa und Nordamerika gerückt ist (China.Table berichtete). Während die Unternehmen im Falle Taiwans einen Imageverlust im Westen verkraften könnten, sei “es viel schwerer vorstellbar, dass sie sich mit dem Vorwurf anfreunden könnten, in etwas verwickelt zu sein, was einige westliche Parlamente und Regierungen als Völkermord bezeichnen“, so die Studie.

    Die Denkfabrik untersuchte Boykottvorfälle zwischen 2008 und 2021, wobei vor allem Unternehmen aus den USA, Japan und Frankreich betroffen waren. Zu den Firmen, die öffentlich einen Kotau vollzogen, gehörten unter anderem Walmart, Daimler und Nike (China.Table berichtete). Die meisten Boykottaufrufe gab es in der Lebensmittelbranche, bei Luxusgütern und in der Automobilindustrie – insbesondere in Branchen also, in denen starke lokale Alternativen vorhanden sind.

    Neben einer allgemeinen Verschärfung des Nationalismus unter Chinas Konsumenten (China.Table berichtete) stellte die Studie zudem fest, dass die Boykotte im Jahr 2019 während des Handelsstreits mit Donald Trump einen Höhepunkt erreichten und dass Chinas Regierung bei mindestens einem Drittel der Fälle mit staatlichen Medienberichten zusätzlich Öl ins Feuer goss. fpe

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    • USA

    Taiwans Vizepräsident auf Abes Bestattung

    Der taiwanische Vizepräsient Lai Ching-te (William Lai) hat an der Beisetzung des ermordeten japanischen Spitzenpolitikers Shinzo Abe teilgenommen. Lai bezeichnete den Besuch im Nachbarland als private “Respektbezeugung für einen Freund”. Auslandsreisen taiwanischer Amtsträger sind selten, zumal Taiwan keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu den meisten Ländern unterhält. Lai ist ein möglicher Kandidat für die Nachfolge der amtierenden Präsidentin Tsai Ing-wen.

    China protestierte gegen den Besuch. “Nach dem Attentat auf den früheren Premierminister Shinzo Abe nutzen die Taiwan-Behörden die Gelegenheit für Manipulationen”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Taiwan könne gar keinen Vizepräsidenten haben, weil es Teil der Volksrepublik China sei. fin

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    Ausstoß an Wasserkraft erreicht Rekord

    Eine willkommene Erleichterung im Kampf gegen Emissionen bietet in China derzeit die Wasserkraft: Dank ergiebigen Regens sind die Stauseen gut gefüllt, die Turbinen erreichen eine Rekordleistung. In den ersten fünf Monaten des Jahres ist in Südchina die Stromproduktion an den Dämmen um 18 Prozent gestiegen, berichtet Greenpeace China. Im Mai ist die Elektrizitätserzeugung aus Wasserkraft landesweit um 27 Prozent hochgesprungen. Im Jahr 2021 allein sind 23 Gigawatt an Wasserkraft-Kapazität durch den Bau neuer Dämme hinzugekommen. Südchina hat im März und im Mai die stärksten Regenfälle seit 60 Jahren erlebt. fin/rtr

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    UN-Report zur Bevölkerung: Indien überholt China

    Indien könnte China bereits im nächsten Jahr als bevölkerungsreichstes Land der Erde ablösen. Das geht aus den am Montag von der UN veröffentlichten World Population Prospects hervor, einem jährlichen Demografie-Bericht zur Lage der Weltbevölkerung. Indien und China hätten dann jeweils mehr als 1,4 Milliarden Einwohner. In China stagniert das Bevölkerungswachstum auf niedrigem Niveau, während es in Indien von einem hohen Niveau herkommend sinkt. Indiens Bevölkerung wächst daher noch, während sie in China möglicherweise schon schrumpft. Bei einer Volkszählung 2022 in Indien lag die Bevölkerungszahl dort noch bei 1,21 Milliarden Menschen.

    Chinas Geburtsrate befindet sich auf dem tiefsten Stand seit Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949. Die Zahl der Neugeborenen ging offiziellen Angaben zufolge im Jahr 2021 um 11,5 Prozent auf 10,6 Millionen zurück (China.Table berichtete). Schon bald könnten im Land zu wenige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um eine wachsende Zahl älterer Menschen zu versorgen. Auch in Indien geht die Geburtenrate bereits zurück. Da Indiens Bevölkerung aber noch recht jung ist, wächst sie schnell weiter.

    Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge wird die Weltbevölkerung bis zum 15. November dieses Jahres einen neuen Rekordwert von acht Milliarden Menschen erreichen. Sollte sich an den weltweiten Streblichkeitsraten nichts ändern, könnten es 2030 dann 8,5 Milliarden und bis 2100 über 10 Milliarden Menschen sein. Laut dem UN-Report wird sich das zukünftige Bevölkerungswachstum der Erde bis zum Jahr 2050 vor allem auf acht Länder konzentrieren: die Demokratische Republik Kongo, Ägypten, Äthiopien, Indien, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und Tansania. fpe

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    Presseschau

    Wegen nur eines Corona-Falls – Lockdown für 320.000 Einwohner in China TAGESSPIEGEL
    Dangerous heatwaves engulf parts of China, US and Europe THEGUARDIAN
    US warns it will defend Philippines in South China Sea DW
    U.S. to open new embassies, boost aid in Pacific as China’s sway grows WASHINGTONPOST
    China tries to stem growing anger over frozen bank deposits CNN
    China’s Henan bank customers face harassment, job loss over protests REUTERS
    WeChat Is China’s Most Beloved (and Feared) Surveillance Tool BLOOMBERG
    China protests Taiwan’s VP paying respects at Abe’s memorial APNEWS
    Japan und China: Wahre und falsche Helden SUEDDEUTSCHE
    China to buy Xinjiang cotton, but state stockpiling won’t save mills from massive losses amid US ban SCMP
    ‘I Don’t Mind Being a Martyr’: Ailing Hong Kong Activist Defiant in Court NYTIMES
    China ‘not to blame’ for African debt crisis, it’s the West: study SCMP

    Heads

    Maja Linnemann – Sinologin mit Faszination für Friedhöfe

    Die Autorin und Übersetzerin Maja Linnemann bloggt über Tod und Bestattungskultur in China.
    Die Autorin und Übersetzerin Maja Linnemann bloggt über Tod und Bestattungskultur in China.

    “Ich interessiere mich für viele Dinge”, sagt Maja Linnemann, “aber Friedhöfe hatten schon immer eine besondere Wirkung auf mich.” Vor zwei Jahren wurde Linnemanns Buch “Letzte Dinge. Tod und Bestattungskultur in China” im Drachenhaus Verlag veröffentlicht, im selben Jahr startete sie den Blog “Friedhofswelten”. “Die alte Kultur Chinas dringt überall durch, auch in der Art und Weise, wie mit dem Tod umgegangen wird.”

    Linnemann hat Sinologie in Bremen, Chengdu, Hamburg und London studiert und lebte 14 Jahre in Peking. In dieser Zeit war sie unter anderem als Chefredakteurin der CHINA Nachrichten und eines deutsch-chinesischen Online-Feuilletons des Goethe-Instituts tätig. Als vor etwas mehr als zehn Jahren ein Nachbar ihres chinesischen Schwiegervaters starb, nahm sie zum ersten Mal an einer traditionellen Dorfbeerdigung teil. “Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen”, sagt sie heute.

    Alte Bestattungsrituale verschwinden

    Sie erinnert sich an bunte Papierfiguren, die Pferde, Autos und andere Dinge fast in Lebensgröße darstellten und in einem Umzug durchs Dorf getragen wurden. “Alles, von dem man glaubte, dass der Tote es im Jenseits brauchen würde”, erklärt sie. “Das Befremdlichste war für mich die große Feier, die am Abend auf dem Sportplatz des Dorfes stattfand. Es gab Aufführungen und Live-Musik, die Kinder spielten drumherum, es war laut und ausgelassen.”

    Viele der Bestattungstraditionen Chinas werden seit mehr als 1.000 Jahren in genau dieser Weise ausgeführt und gehen zurück auf die Schriftensammlung “Familienrituale” des chinesischen Philosophen Zhu Xi, die weit verbreitet war. “Den alten Traditionen steht allerdings eine Regierung gegenüber, die mittlerweile auch das Sterben reguliert”, sagt Linnemann.

    In Städten wie Peking oder Shanghai wurde die Erdbestattung aus Platzgründen verboten, in vielen ländlichen Regionen ebenso. “Es gibt einige Chinesen, die sich dagegen wehren und ihre Verwandten auf dem eigenen Land bestatten. Immer wieder führt das zu hohen Geldstrafen oder sogar dazu, dass öffentliche Stellen die Beerdigten wieder ausgraben.”

    Die Wahlheimat Peking ging verloren

    Dass von der Regierung durchgesetzte Veränderungen in China teils radikal wirken und oft rasant vonstattengehen, musste auch Linnemann erfahren, als sie in Peking lebte. “Ich habe diese Stadt geliebt, aber dann wurden große Teile der traditionellen, einstöckigen Bebauung abgerissen und ganze Viertel verschwanden.” Kleine Gassen wurden durch breite Straßen ersetzt, der Autoverkehr nahm nach der Jahrtausendwende massiv zu. “Ich habe Peking immer als Fahrradstadt begriffen. Die vielen Autos und der Lärm waren tatsächlich ein wichtiger Grund, warum ich nicht mehr dort leben wollte.”

    Linnemann sagt heute, sie habe ihre Wahlheimat verloren. 2013 kehrte sie zurück nach Bremen und baute als Geschäftsführerin das dortige Konfuzius-Institut auf. “Selbst wenn ich zurückgehen würde, es wäre einfach nicht mehr das Gleiche.” Seit vier Jahren arbeitet sie selbstständig als Übersetzerin und Autorin. In einigen Wochen erscheint der von ihr übersetzte Roman “Mitgefühl” des Autors Lu Nei im Drachenhaus Verlag. Noch in diesem Jahr wird auch eine ihrer Übersetzungen im Rahmen des Forschungsprojekts “China – Normen, Ideen, Praktiken” des Max-Planck-Instituts publiziert. Svenja Napp

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    Personalien

    Angela Wei Dong rückt bei dem US-Kosmetikhersteller Estée Lauder in den Vorstand auf. Dong ist derzeit Geschäftsführerin von Nike China. Zuvor war sie bei Coca-Cola tätig. 

    Ben Yue ist bei der Bank of China in Hongkong vom Chef der Anleihe-Sparte (Fixed Income) zum Finanzchef (CIO) aufgestiegen. Yue hat bereits für die HSBC und die USB gearbeitet.

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    Dessert

    Auf wackligen Beinen absolvierte am Montag ein im April geborenes Tiger-Baby seinen ersten öffentlichen Auftritt in der South-China-Tigeraufzuchtstation in Suzhou. In freier Wildbahn gibt es vom Südchinesischen Tiger “Panthera tigris amoyensis” seit mehr als 20 Jahren keine Spur mehr.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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