Executive Summary
Erscheinungsdatum: 07. November 2025

Wie die Rüstungsmilliarden die Wirtschaft antreiben

Unbemannter Jet: Das Verteidigungsunternehmen Helsing hat den Flugzeughersteller Grob übernommen. (picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer)

Waren Rüstungsinvestitionen vor wenigen Jahren noch verpönt und bei großen Fonds sogar ausgeschlossen, erkennt der Markt nun das Potenzial. Das liegt aber nicht allein in rein militärischen Anwendungen.

Verteidigungsinvestitionen führen zu einer Innovationswelle in der gesamten Wirtschaft. Der Spillover-Effekt ist bereits spürbar, sagt Hendrik Brandis, Managing Partner bei Earlybird Venture Capital, im Gespräch mit Table.Briefings. Start-ups wie Marvel Fusion benötigen den stärksten Laser der Welt für Kernfusion – gleichzeitig eröffne sich eine zweite Geschäftsperspektive: Luftverteidigung mit Laserstrahlen statt Patriot-Raketen. „Plötzlich entsteht eine Zweitverwendung dessen, was bereits da ist“, beschreibt Brandis das Momentum im Deep-Tech-Bereich. „Kommerzielle Drohnenhersteller werden intensiv für militärische Anwendungen angesprochen, Yachthersteller, die in der Krise stecken, fertigten nun Drohnenrümpfe aus Kohlefaser.“

Die Wachstumseffekte auf das Bruttoinlandsprodukt werden unterschiedlich eingeschätzt:

  • Eine optimistische Schätzung stammt vom IfW Kiel, das zum Schluss kommt, dass das gesamteuropäische BIP um 0,9 bis 1,5 Prozent steigen könnte, wenn die Verteidigungsausgaben von 2 auf 3,5 Prozent des BIP erhöht werden.

  • Das ZEW Mannheim kommt in seiner Analyse dagegen zu dem Ergebnis, dass ein zusätzlicher Euro für die Rüstungsindustrie maximal 50 Cent zusätzliche gesamtwirtschaftliche Produktion erzeugt.

Die Auswirkungen der Verteidigungsausgaben auf die Gesamtwirtschaft würden nur dann maximiert, wenn Deutschland in Technologie statt in klassische Rüstungsgüter investiert. „Wenn man die Milliarden aus dem Sondervermögen in Technologie-Unternehmen investiert, die auch im kommerziellen Bereich potenziell sehr erfolgreich sind, macht das den Unterschied“, erklärt Brandis. Ein Skyranger oder eine weitere Eurofighter-Tranche haben einen geringeren Spillover-Effekt als innovative Defense-Technologien. „Dual-Use-Technologien bieten zudem einen entscheidenden Vorteil: Sie eröffnen verschiedene Verkaufsoptionen für Investoren, während reine Defense-Investments aus Investorensicht ein überdurchschnittliches Risiko bergen.“

Immer mehr Unternehmen wollen vom Rüstungsboom profitieren: Die Zahl der Mitgliedsunternehmen im Verband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hat sich innerhalb eines Jahres von 250 auf 450 fast verdoppelt. Der Großteil der neu hinzukommenden Firmen möchte in die Lieferkette von Rheinmetall einsteigen. Auch Unternehmen, deren Kernkompetenzen ursprünglich in anderen Branchen lagen, wollen nun indirekt vom Rüstungsboom profitieren.

  • Beispiel Salzgitter: Der Stahlhersteller liefert offiziell zugelassene Panzer- und Sicherheitsstahle für die Verteidigungsindustrie. Für Vorstandschef Gunnar Groebler ist der Verteidigungssektor zwar bisher „volumenseitig ein Nischenthema“, aber „ein wichtiges Wachstumsfeld.“

  • Beispiel Trumpf: Der Maschinenbauer und Laserspezialist kooperiert zukünftig bei der Entwicklung von Drohnenabwehrlösungen mit Rohde und Schwarz.

  • Beispiel Lufthansa Technik: Das Flugunternehmen will seine Kernkompetenz der „Einsatzverfügbarkeit“ aus der zivilen Welt in die militärische übertragen. Offizielle Angaben zum Umsatz des Verteidigungsgeschäfts macht Lufthansa Technik nicht, laut Branchenkreisen liegt dessen Anteil jedoch im mittleren einstelligen Prozentbereich am Gesamtumsatz von rund acht Milliarden Euro.

Rüstungsinvestitionen müssen nicht nur die Bundeswehr stärken, sondern gezielt Automobilzulieferer und Maschinenbauer einbinden. „Verteidigungsinvestitionen müssen als strategischer Hebel für technologischen Fortschritt, wirtschaftliche Resilienz und nationalen Wohlstand verstanden werden“, fordern die Autoren Nico Lange, René Obermann, Joachim von Sandrart und Moritz Schularick in einem aktuellen Strategiepapier. Zehn Prozent des Beschaffungsbudgets 2026 sollen zwingend in disruptive Technologien fließen – von Drohnen über künstliche Intelligenz bis zu autonomen Systemen. Diese Quote soll bis 2030 auf 30 Prozent ansteigen.

Der Plan sieht vor, deutsche Fertigungskompetenzen massiv auszubauen und gleichzeitig die ukrainische Verteidigungsindustrie einzubinden. Kernstück der Strategie: Deutschland wird zum Ankerinvestor für europäische strategische Fähigkeiten wie Satellitenaufklärung, Luftverteidigung und Cybersysteme. Die Exportorientierung soll von Beginn an mitgedacht werden, um Skaleneffekte zu erzielen.

Es entsteht ein neuer, langfristiger Wirtschaftszweig. „Ich glaube nicht, dass das ein Strohfeuer ist, das morgen vorbei ist“, sagt Investor Brandis. Selbst wenn die Ausgaben nicht über fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen werden, bleibt das Niveau dauerhaft erhöht. „Souveränitätsaspekte spielen dabei eine zunehmende Rolle, die über reine Verteidigung hinausgeht.“ Im Satellitenmarkt etwa bevorzugen Kunden europäische Anbieter, selbst wenn es das Doppelte kosten würde – aus Sorge vor politischen Abhängigkeiten bei US-amerikanischen Anbietern wie SpaceX.

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Letzte Aktualisierung: 07. November 2025

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