alle vier Jahre haben die Bürger nicht nur Gelegenheit, über die Politik der Vergangenheit zu richten, sondern vor allem der Zukunft mit ihrer Stimme eine – womöglich – neue Richtung zu geben. Ob Sie Lehrende, Unternehmer, Eltern oder Angestellte in Bildungsberufen sind: zu Ihrer Vorbereitung auf den nächsten Wahltag, in zwei Wochen, hat die Redaktion von Bildung.Table in der vergangenen Woche die Wahlprogramme der Parteien untersucht und gefragt: Was soll sich ändern, wenn die Parteien die Gelegenheit zum Mitregieren bekommen?
Heute gibt es Antworten: Christian Füller hat nicht nur mit Startups über deren Eindrücke gesprochen, sondern auch Bildungsinitiativen und Stiftungen gefragt, was sie von der Politik erwarten und wie sie die Pläne der Parteien bewerten. Ihr Urteil, so viel will ich hier verraten, ist nicht gerade positiv – und die Erwartungen hoch.
Auch im Interview mit Katja Hintze, der Vorsitzenden der Stiftung Bildung, wird rasch klar: für die Bildungspraktiker spielen Zuständigkeiten und föderale Verwicklungen keine Rolle mehr. Sie sehen eine Gesamtverantwortung der Parteien, die sich anschicken, das Land zu regieren, für eine modernere, effizientere und vor allem chancengerechtere Bildung. Die altbekannten Ausreden wollen sie nicht mehr akzeptieren.
Aufmerksam machen möchte ich Sie außerdem auf den Umstand, dass das Land Schleswig-Holstein seine Lernstandserhebungen auf Online-Messungen umstellt. Ein von Bettermarks entwickeltes Tool liefert die Ergebnisse binnen Minuten. Meine Kollegen haben die Details.
Einen erfolgreichen Tag wünsche ich Ihnen,
Simone Fleischmann könnte man auch Frau Klartext nennen. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes spricht aus, was andere sich nicht zu sagen trauen. Vor den Ferien stellte sie dem bayerischen Bildungsminister Michael Piazolo (Freie Wähler) praktisch ein Ultimatum: Kümmern Sie sich, endlich, um die Pandemie – wir lernen mit den Kindern.
Jetzt, etwas über sechs Wochen nach dieser Ansage, ist die Präsidentin enttäuscht – und entschlossen. “Wann reden wir denn endlich mal wieder über Pädagogik, über den Unterricht, über die aktuellen Erziehungsaufgaben, über die nochmals gestiegenen heterogenen Herausforderungen?” Bildung.Table sagte sie zur Debatte um Lolli-Tests und Quarantäne von Schüler:innen, “die Lehrerkonferenzen in Bayern konnten heute wieder nicht das tun, was ihr Job ist: sich um die Schüler kümmern – und ihnen das Lernen leichter zu machen”.
So geht es vielen aus der Szene der Bildungsinitiativen, der Startups und der Stiftungen. Es herrscht eine Mischung aus Wut und Verzweiflung über die Kultusminister:innen – aber auch über die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl. “Einiges liest sich wie ein Hollywoodabspann,” sagte Max Voigt von der Open Knowledge-Foundation zu den Programmen: “Viel Bekanntes in ungeordneter Reihenfolge, wenige Visionen und neue, zusammenhängende Konzepte”. Die stellvertretende Vorsitzende des “Bündnis für Bildung,” Anita Stangl, sagte: “Nach der Wahl werden sich alle Parteien daran messen lassen müssen, wie es in der digitalen Bildung gelingt, den ‘Corona-Modus’ hinter uns zu lassen”. Die Digital-Lobby Bündnis für Bildung vereint Unternehmen und Öffentliche Hand und ist ein wichtiger Vermittler zwischen beiden geworden.
Die Kritik der Initiativen und Bildungsunternehmer richtet sich vor allem auf den Digitalpakt, den Bildungsföderalismus und mangelnde Konzepte gerade in der Lehrerbildung.
Digitalpakt: Jacob Chammon vom Forum Bildung Digitalisierung, dem Cluster der Tech-Stiftungen von Bertelsmann bis Wübben, formuliert seine Wünsche, ohne das Wort Digitalpakt auszusprechen: “Wir brauchen nachhaltige Programme für Schulen und ihre Träger, um die Grundvoraussetzung für den digitalen Unterricht zu gewährleisten”. Nico Colsman von der gemeinnützigen Organisation “Zukunft Digitale Bildung” wird da bereits deutlicher. “Wir müssen Digitalpakt-Gelder direkt auf die Schulkonten überweisen”, sagt der Geschäftsführer, “und dem Kollegium deutliche Freiheiten in der Umsetzung geben”. Am klarsten ist die Initiative deutscher digitaler Bildungsanbieter. “Wir benötigen jetzt einen DigitalPakt 2, der schnell und unbürokratisch für die Schulen zur Verfügung steht”, heißt es in ihren Wahlprüfsteinen, die gestern online gingen.
Den Startups ist wichtig, “auch die Förderung digitaler Lernangebote” durch den Digitalpakt möglich zu machen. Das ist bis jetzt kaum möglich, wie viele Beispiele zeigen. Was die Digitalisten, deren Motto gern “einfach mal machen” lautet, am meisten an dem Fünf-Milliarden-Euro-Pakt stört: “dass das Abrufen der Mittel an zu große bürokratische Hürden geknüpft war und ist und in der Folge zu langsam angelaufen ist.” Alexander Giesecke von Simpleclub sagte, “die digitale Infrastruktur, wie funktionierendes Wlan und Endgeräte sind Voraussetzung dafür, dass Schule sich generell für digitale Bildungsangebote öffnet.” Stephan Bayer von Sofatutor nennt das, was kommen muss “einen DigitalPakt 2 für Content. Jetzt muss vor allem in digital aufbereitete Lerninhalte investiert werden und nicht mehr ausschließlich in die technische Grundausstattung – und das so unbürokratisch wie möglich”, sagte Bayer zu Bildung.Table.
So verständlich und richtig die Forderung ist, so trifft sie doch auf ein grundsätzliches verfassungsrechtliches Problem. Einen Digitalpakt für Inhalte müssten die Länder alleine finanzieren, denn laut Verfassung ist es dem Bund nur erlaubt, für die digitale Infrastruktur Gelder freizugeben, so steht es jedenfalls in Artikel 91c des Grundgesetzes über “informationstechnische Systeme.” Wie man den technischen Rahmen eines Lernmanagementsystems von den Bildungsinhalten, die darin gespeichert werden, eigentlich unterscheiden soll, steht allerdings nicht in der Verfassung. Das bedeutet: Das Fingerhakeln, ob der Bund digitale Bildungsanbieter fördern darf, wird nach der Wahl weiter gehen.
Bildungsföderalismus: Bei der sogenannten Kulturhoheit der Länder herrscht so etwas wie Furcht und Entschlossenheit. Einige der von Bildung.Table Angefragten wollten sich zum Bildungsföderalismus lieber nicht äußern – offenbar ein zu heißes Eisen, weil insbesondere die Union und selbst die Grünen und die SPD am Bildungsföderalismus grundsätzlich festhalten wollen. “Das Aufheben des sogenannten Kooperationsverbots ist sicherlich wünschenswert, aber aktuell nicht mehrheitsfähig”, sagte Max Voigt von der Open Knowledge-Foundation. Realistischer sei eine Reformierung der Kultusministerkonferenz. “Hier braucht es mehr demokratische Kontrollmechanismen und Transparenz.”
Das Problem des Föderalismus scheint in einer Äußerung der Initiative digitaler Bildungsanbieter auf. Sie wollen dem Bund mehr Möglichkeiten einräumen, um “nachhaltige Förder- und Finanzierungsstrukturen zu etablieren.” Was die Digitalisten fordern, ist allerdings so etwas wie die Quadratur des Kreises: Die bestehende, auf vielen Ebenen verflochtene Kultusbürokratie lässt sich nicht “einfach mal vereinfachen”. Das ist ja der Grund, warum die drei in den Umfragen führenden Parteien sich beim Föderalismus wohlweislich zurückhalten.
Trotzdem hört sich der Anspruch der digitalen Bildungsanbieter gut und richtig an: “Bürokratische (Förder-) Prozesse müssen vereinfacht werden, sodass Bund und Länder gemeinsam Schulen schnell und unkompliziert unterstützen können,” steht da. “Zuständigkeitsfragen müssen klar definiert werden, damit machtpolitische Kämpfe nicht zulasten unserer Kinder gehen.” Das Bündnis für Bildung versucht dieser Zwickmühle mit einer geradezu patriotischen Formel von Anita Stangl zu entgehen: “Unser Bildungsföderalismus bietet die Möglichkeit, auf die unterschiedlichen Gegebenheiten maßgeschneidert vor Ort zu reagieren.”
Lehrerfortbildung: Auch beim so dringend notwendigen Vermitteln der digitalen Kompetenzen an das Lehrpersonal gehen die Forderungen meilenweit auseinander. Natürlich sind sich alle einig, dass – so formuliert es Jacob Chammon – “es den Kompetenzaufbau aufseiten des pädagogischen Personals in den Schulen und Verwaltungen braucht”. Allerdings ist vollkommen unklar, ob das durch Zwang oder freiwillig geschehen soll. Nicolas Colsman plädiert für “massiven Druck zur Weiterbildungspflicht” – eine Forderung, die weit verbreitet ist, von Kennern aber genauso weit von sich gewiesen wird. Wer versucht, verbeamteten Lehrkräften Druck zum Fortbilden zu machen, scheitert am Dienstrecht – und an der grundsätzlichen Freiheit der Lehrer:innen zur Wahl ihrer Methoden.
Das weiß niemand besser als Simone Fleischmann, die für fast 70.000 Lehrer:innen in Bayern spricht. Die Verbandspräsidentin fordert, dass der Staat für eine adäquate digitale Ausstattung an den Schulen sorgt und zugleich vielfältige Formate von Lehrerfortbildung anbietet. Das subsumiert Fleischmann unter Anforderungen an den Staat – weil sie weiß, dass es bei den Pädagog:innen vor allem um Vertrauen und Zeit geht. Es dürfe nicht sein, sagte sie Bildung.Table, dass Lehrkräfte über ihr normales Arbeitspensum hinaus nun erneut eine Vielzahl unklarer Hygiene- und Gesundheitsvorschriften interpretieren müssten. “Es geht jetzt darum, eine komplexe neue Technologie für die Lehrerinnen und Lehrer zu öffnen”, sagte Fleischmann. “Das klappt am besten, wenn Lehrerinnen und Lehrer das Vertrauen in den Staat haben können, dass sie sich auf die pädagogisch wichtigen Fragen des Lernens und des digitalen Lernens konzentrieren können”.
Frau Hintze, in der Gesellschaft bekämpfen sich zwei Gruppen, die sich beide auf das Kindeswohl berufen. Die einen wollen in dieser Phase der Pandemie Schulen unbedingt offen halten, die anderen wollen sie unbedingt schließen. Was ist da los?
Was Kindeswohl für das jeweilige Kind bedeutet, lässt sich nicht verallgemeinern und ist sehr von den jeweiligen Lebensumständen des Kindes abhängig. Es gibt Kinder, deren Eltern oder Großeltern die Möglichkeit haben, das Homeschooling zu übernehmen. Deren Realität ist eine völlig andere als die von Kindern, für die Kindergarten und Schule safe spaces sind…
… Was ist das?
Für diese Kinder können Bildungseinrichtungen ein sicherer Ort sein, an dem sie gut aufgehoben sind und lernen können. Wir sehen viele Kinder, die in ihrem Zuhause Vernachlässigung, Konflikte oder sogar Gewalt erleben. Die Pandemie-Erfahrungen von Kindern sind also extrem unterschiedlich. Kitas und Schulen sind nicht nur Lernorte, sondern auch Lebensorte und das gilt es auszubauen. Orte, wo Kinder und Jugendliche sozialen Umgang erfahren, miteinander leben und lernen.
Was bedeutet das für das umstrittene Thema Schulschließung oder -öffnung?
Es geht nicht um Schließungen ja oder nein, sondern um individuelle Antworten. Gute pädagogische Fachkräfte können sehr genau einschätzen, was für welches Kind das Beste ist. Das heißt, wir brauchen nicht große Lösungen, sondern kleine und zielgenaue.
Gibt es keine Möglichkeit, einen sinnvollen Mittelweg zu finden? Also ein Minimum an Ansteckung und ein Maximum an sozialer Fürsorge für die Kinder, die ihren Familien ausgesetzt sind?
Das hört sich gut an, ist aber wenig praktikabel, sobald es konkret wird. Der Lockdown war für viele Eltern, Lehrer:innen und besonders Schüler:innen ein Härtetest – aber für jeden anders. Viele der ehrenamtlich Engagierten in Kita- und Schulfördervereinen haben schon während Pandemie und Lockdown versucht, auch die Schüler:innen zu erreichen, die im Homeschooling waren. Sei es mit der Versorgung mit Lehrmaterialien oder in manchen Fällen gespendeten digitalen Geräten. Der gute Mittelweg bedeutet also, dass die Entscheidungen verantwortungsvoll und standortspezifisch angepasst werden. Einige Schulen und Lehrkräfte haben das herausragend gemeistert. Diese Entscheidungsfreiheit gilt es zu stärken.
Welche Erfahrungen haben Sie im Alltag Ihrer Stiftungsarbeit mit sozialer Benachteiligung infolge von Corona gemacht?
Die Pandemie hat uns bei der Förderung von Chancengerechtigkeit auf die Probe gestellt. Dabei geht es um mehr als nur um den Zugang zu digitalen Endgeräten und um Lernlücken. Das fehlende Miteinander wirkte sich negativ auf die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus, das Selbstbewusstsein litt, die ungleichen Chancen wurden einmal mehr sichtbar und verstärkt.
Was war Ihre Antwort auf die Situation?
Unser Patenschaftsprogramm, welches das Familienministerium fördert, ist sehr wirkungsvoll. Die Idee dabei ist, Kinder mit unterschiedlichen Teilhabechancen in Tandems zusammenzubringen – sodass sie sich gegenseitig helfen und miteinander lernen können.
Ging das ohne reale Begegnungsmöglichkeit?
Da entpuppte sich die Digitalität, die manchmal auch ein Fluch war, plötzlich als Segen. Wir haben darauf gedrängt, während des Lockdowns weitere Tandemtreffen zu ermöglichen – wenn auch “nur” digital, per Videocall oder telefonisch.
Können Sie das genauer schildern?
Mit den digitalen Möglichkeiten haben sich vor allem die Kinder und Jugendlichen selbst geholfen, miteinander Kontakt zu halten und sich gegenseitig zum Beispiel beim Lernen zu motivieren. Sie haben sich über Chats, Videokonferenzen und Plattformen verbunden, Aufgaben geteilt und Fragen miteinander gelöst – Teamwork pur. Die Welt der jungen Menschen ist um ein Vielfaches näher an den digitalen Möglichkeiten.
Kann man das als Institution einfach nachmachen?
Wir als Stiftung haben mit unseren Patenschaften ausgeglichen, wo Kinder und Jugendliche durch ihren Lebenshintergrund nicht gut aufgestellt sein konnten. Es gilt, die digitalen Möglichkeiten zu nutzen und gleichzeitig zu lernen, was eben nicht digital sein kann: Empathie, Kreativität, Auseinandersetzungen, gemeinsames Erleben, Natur, Begegnungen mit Bauch, Herz und Füßen.
Wie sind die Familien damit umgegangen?
Die Rückmeldungen waren positiv. Die Kinder fühlten sich weniger allein und profitierten, gemeinsam zu lernen. Wir begrüßen daher das zwei Milliarden-Euro-Aufholpaket der Bundesregierung, das auch Gelder für frühkindliche Bildung und Angebote in der Freizeit bereitstellt. Leider sind die Mittel viel zu spät auf den Weg gebracht worden – und wieder einmal schwer bis gar nicht für Bildungsengagierte erreichbar. Wir fordern einen ‘Bildungsschutzschirm’, der weitere Gelder langfristig und unbürokratisch bereit stellt – damit die Chancenungerechtigkeit nicht weiter zunimmt.
Wir hinterlassen Kindern und Jugendlichen einen überhitzten Planeten – und jetzt setzen wir sie in den Schulen einer hohen Infektionsgefahr aus. Was bedeutet das, Frau Hintze?
Junge Menschen werden bei politischen Entscheidungen viel zu selten mitgedacht und eingebunden. Das sieht selbst das Bundesverfassungsgericht so. Erst im April hat Karlsruhe die Bundesregierung aufgefordert, beim Klimaschutzpaket nachzubessern – weil die Gefahren des Klimawandels einseitig der jüngeren Generation aufgebürdet werden. Die Coronavirus-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass dies auch für die Bildungspolitik gilt. Wir setzen uns deshalb bei der Politik dafür ein, Kinder und Jugendliche sowie Menschen aus den Bildungsengagement-Strukturen mehr in die Debatte und in Entscheidungen einzubeziehen. Das wäre ein wichtiger Schritt, um für einen besseren Schutz der jungen Menschen zu sorgen – sowohl kurz- als auch langfristig.
Wie erklären Sie sich diese Haltung der Politik?
Ich glaube nicht, dass diese Art von Politik böse Absicht ist.
Sondern?
Dass es viel zu lange herrschende Politik war, auf künftige Generationen keine Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet, dass ein großes Umdenken stattfinden muss: sowohl in der Klima- wie auch in der Bildungspolitik. Es gilt gesamtgesellschaftlich ein stärkeres Miteinander der Generationen und eine stärkere Gemeinwohlorientierung zu leben. Christian Füller
Katja Hintze ist die Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung, die eine Petition für mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen aufgelegt hat.
Gastbeitrag von Björn Nölte
Ich habe viele Jahre in der Oberstufe, wo es sich anbietet, mit der (von mir sogenannten) Methode “Master-or-Die” gearbeitet. Auf Fortbildungen, Barcamps und ähnlichen Veranstaltungen stößt es regelmäßig auf Interesse, aber auch auf Skepsis. Jetzt werde ich eine weiterentwickelte Variante erproben, die ich hier vorstellen möchte.
Master-or-Die konterkariert die althergebrachte Auffassung von Leistungsbewertung. Es ist ein Beispiel des formative assessment. In unserer gegenwärtigen Schule herrscht vor allem das Gegenteil vor: summative assessment, die gesonderte Bewertung am Ende des Lernprozesses, in Form von Tests, Klassenarbeiten, Klausuren. Auch das führe ich natürlich nach wie vor durch. Formative assessment sieht im Gegensatz dazu vor, Feedback und Rückmeldung der Lehrkraft während des Lernprozesses zu geben, um das Lernen zu verbessern und nicht erst am Ende des Lernprozesses als Legitimation der Ziffernnote; assessment for learning statt assessment of learning.
Master-or-Die setzt diesen Gedanken konsequent um. Es wird am besten eingesetzt bei sehr komplexen Aufgaben, die einen grundlegenden Charakter für den jeweiligen Unterricht haben, sodass es gerechtfertigt ist, dass sich die Schüler lange damit beschäftigen. In Geschichte etwa die Anfertigung einer Quellenanalyse. Die Schüler suchen sich jeweils eine Quelle aus. Das Angebot an Quellen sollte nichts berücksichtigen, wozu es abschreibefertige Analysen im Internet zu finden gibt. Die Schüler werden angeleitet und haben dann ein ganzes Halbjahr lang Zeit, ihre umfangreiche Quellenanalyse zu schreiben. Während des Schreibens können sie Rückmeldungen des Lehrer einfordern – so oft sie möchten. Das Feedback des Lehrers enthält auch immer den aktuellen Notenstand des bisher erbrachten Textes.
Dass diese Form nur digital realisierbar ist, liegt auf der Hand. Bis zum endgültigen Abgabedatum müssen die Schüler ihren Text bis in den Einserbereich verbessert haben. Schaffen sie das nicht, erhaltent sie Note 6, null Punkte – Master-or-Die. Am Ende haben somit alle Schüler eine sehr gute Leistung, haben die Erfahrung einer sehr guten eigenen Leistung, haben eine eigene sehr gute Quellenanalyse in ihren Unterlagen und haben die Lehrperson als Unterstützer wahrgenommen und nicht als Kontrolleur. Bei dem einen dauert es etwas länger, die andere ist schneller am Ziel. Neben der “Sache” haben die Schüler Selbst- und Projektmanagement gelernt. Während des Arbeitsprozesses können sie sich auch Feedback von Mitschülern holen, so viel, wie sie möchten.
Ich spare hier alle weiteren Erläuterungen, didaktischen Begründungen, Antworten auf erwartete Einwürfe aus, sondern komme zu der Neuerung. Master-or-Die 2.0 bedeutet nun, dass die Schüler mit dem Lehrer vor dem Beginn der Bearbeitung eine Zielvereinbarung treffen. Nicht jeder Schüler muss bis zu einer “1” vorstoßen, sondern bestimmt selbst sein Ziel. Ansonsten gelten die gleichen Feedback-Regeln. Nur heißt es am Ende nicht ausschließlich “1 or Die”, sondern vielleicht auch “2+ or Die”, “3 or Die” oder “2- or Die”.
Björn Nölte ist einer der Vorreiter digitalen Lernens. Er ist inzwischen Referent für Digitalisierung der Schulstiftung der Evangelische Kirchen Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Dieser Text erschien auf Nöltes Medium-Seite.
16. September 2021, 9:00 bis 18:00 Uhr
Online-Karrieremesse: RE-START
Die Agentur für Arbeit lädt zur digitalen Messe für “alle, die sich beruflich neu erfinden möchten” ein. Teilnehmer:innen können sich aus vielen Workshops und Vorträgen in der “Wissenswelt Bewerbung”, der “Welt der Berufe” und der “Welt des Lernens” die für sie passenden heraussuchen. Zudem soll es virtuelle Messestände und die Möglichkeit zum direkten Kontakt mit “Wunscharbeitgebern” geben. Die Teilnahme ist kostenlos. Infos
16. September 2021, 13:00 Uhr
Digitale Pressekonferenz: Bildung auf einen Blick
Die Ergebnisse der neuesten “Bildung auf einen Blick”-Studie sind da. OECD-Bildungsdirekter Andreas Schleider, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und der hessische Kultusminister Anexander Lorz stellen die Ergebnisse vor. Anmeldung
28. September 2021, 17:00 Uhr
Roadshow: #wirfürschule Highlight Projekte 2021
Zwölf Projekt-Teams stellen ihre Ergebnisse des #wirfürschule-Hackathons vor. Danach können einzelne Highlight-Projekte in Breakout-Sessions näher kennengelernt werden. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, eine Anmeldung wird empfohlen. Anmeldung
Das Land Schleswig-Holstein stellt seine Lernstandserhebungen auf Online-Messungen um. Einen Piloten gab es bereits im letzten Schuljahr, ab sofort kann das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen (IQSH) des nördlichen Bundeslandes seine Lernstandserhebungen flächendeckend digital durchführen. Das geht mit einem von Bettermarks entwickelten Tool in den Mathematikjahrgängen 5 bis 10. Daneben besitzt Schleswig-Holstein ein zweites Instrument, das es ermöglicht, die Lernstände von Schülern online zu diagnostizieren, es heißt Leonie oder “Lehrkräfte Onlinedienst für interne Evaluation für Schleswig-Holstein”. Selbst die sogenannten Vergleichsarbeiten (Vera) sollen künftig an der Küste online durchgeführt werden.
Der Vorteil einer online-Erhebung ist, dass binnen kürzester Zeit für die Lehrkraft klar ist, wie der Diagnosetest ausgefallen ist – und wo die Schüler:innen stehen. Das bedeutet, erstens, die Lehrkräfte werden entlastet, weil sie nicht mehr selbst die Auswertung vornehmen müssen. Und, zweitens, geht das Auswerten viel schneller als bisher. Ergebnisse von Lernstandserhebungen standen zum Teil erst nach Wochen und Monaten bereit. “Lehrkräfte können mit wenigen Klicks die für eine Klassenstufe benötigten Minimalkenntnisse überprüfen”, so Arndt Kwiatkowski, der Gründer von Bettermarks. Zur Nutzung des Diagnostools gibt es Handreichungen für Lehrer:innen.
Mit den neuen Online-Tests könnte man auch landesweite Lernstandserhebungen vornehmen, sagte die stellvertretende Direktorin des IQSH, Maike Abshagen, Bildung.Table. Darin liegt die eigentliche Sprengkraft des neuen Tools. Bettermarks könnte nun, wenn die Bundesländer mitmachen, binnen kürzester Zeit Lernstandserhebungen in Mathematik auf seiner Plattform durchführen. Die Bundesländer waren in die Kritik geraten, weil sie während der Pandemie ihre Vergleichsarbeiten entweder nicht angewendet oder die Auswertungen nicht veröffentlicht hatten. So liegen bisher bundesweit keine validen Informationen über Lernlücken vor – abgesehen von der Hansestadt Hamburg, die eben die Ergebnisse der im Mai vorgenommenen Lernstandstests veröffentlichte. Das neue Verfahren in Schleswig-Holstein wird offenbar rege genutzt. Inzwischen wurden über 63.000 Tests zur Überprüfung der Mindeststandards in Mathematik gerechnet, teilte Bettermarks mit. “Lehrkräfte erhalten nicht nur eine automatische Auswertung, sondern die Schülerinnen und Schüler bekommen in Abhängigkeit des Ergebnisses auch individuelles Übungsmaterial, um etwaige Wissenslücken zu schließen”, so Kwiatkowski.
Der Unterschied zwischen dem neuen Tool und den bisher eingesetzten Vergleichsarbeiten liegt daran, dass Bettermarks Mindeststandards überprüft, während “Leonie” und “Vera” differenzierte Diagnose-Tools für den innerschulischen Gebrauch sind. Das bedeutet aber, dass mittels des neuen Mathe-Diagnosetests leicht zu identifizieren ist, wie viele und welche Schüler:innen nicht den Mindeststandard erreichen. Für diese Schüler:innen könnte man entsprechende Hilfs- oder Nachhilfe-Programme durchführen. Wissenschaftler verlangen bereits seit vielen Jahren, dass in Deutschland einheitliche Mindeststandards für alle Schulformen gelten. Das gegliederte Schulwesen sorgt dafür, dass die Standards sehr unterschiedlich gehandhabt werden – und deswegen Zehntausende Schulabbrecher produziert werden.
Dem Vernehmen nach soll der neue Online-Test nicht nur in Schleswig-Holstein zum Einsatz kommen. “Das Instrument ist modular gestaltet, sodass die Tests dem in der Klasse behandelten Stoff zugeordnet werden können”, sagte Kwiatkwoski. “Wir haben die Hoffnung, dass diese Tests dadurch für alle Curricula der Bundesländer und Schultypen passend sind”. Christian Füller
Ziemlich genau ein Jahr und sechs Monate nach Beginn der ersten Schulschließungen liegt nun ein erster valider Befund über Lernrückstände vor. Danach ist die Gruppe der Schülerinnen und Schüler in den dritten Klassen Hamburgs, die als lernschwach eingestuft werden, um elf Prozent gewachsen. In der Mathematik hat sich ihre Zahl um 8,7 Prozent erhöht. Schulsenator Ties Rabe von der SPD sagte dazu: “Fernunterricht war und ist kein Ersatz für den Unterricht in der Schule, und die Schulschließungen haben gerade bei Kindern aus sozial benachteiligten Stadtteilen zu deutlichen Lernrückständen geführt.” Martina Diedrich, die die Untersuchung durchgeführt hat, sagte Zeit Online: “Es ist spürbar, aber kein Erdrutsch. Man hätte auch Schlimmeres befürchten können.”
Damit liegen für die gesamte Bundesrepublik zum ersten Mal echte Informationen über Lernlücken vor. Das “Hamburger Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung” hatte bereits im vergangenen Jahr die so genannten Vergleichsarbeiten durchgeführt – und keine messbaren Lernstandseinbußen festgestellt. Das war in der Republik praktisch nicht zur Kenntnis genommen worden. Die Kultusminister:innen hatten weiter ohne Belege berichtet, es gebe massive Lernrückstände. Die jetzige Untersuchung stammt aus dem Mai 2021 und bezieht sich auf die zweite lange Phase der Schulschließungen, die von Dezember 2020 an mehrere Monate dauerte. “Wir stellen jetzt erkennbare Rückstände in den dritten Klassen fest. Das betrifft zum Teil Mathematik, insbesondere aber das Lesen,” sagte Martina Diedrich, die Direktorin des Qualitäts-Instituts ist. Die Rückstände beträfen alle sozialen Schichten. Lern- und Leseförderung sei jetzt überall nötig.
Auch die jetzige Untersuchung, die nur einen Jahrgang in der Grundschule erfasst, lässt viel Raum für Spekulationen. Zum Beispiel stellt sich die Frage, warum die Schüler überraschend in Mathematik weniger Lücken aufgebaut haben. Diedrich sagte, “wir können das noch nicht deuten.” In der Rechtschreibung haben die Drittklässler in Hamburg sogar zugelegt – mitten in der Pandemie. Das brachte Schulsenator Rabe in eine Zwickmühle: einerseits betont er seit langem, dass große Lernrückstände entstanden seien – und sucht Belege dafür. Andererseits konnte er sich jetzt “über die ersten Erfolge unserer Rechtschreiboffensive” freuen. Gleichzeitig reklamierte Schulsenator Rabe, dass er das Milliarden Euro schwere Aufholpaket des Bundes angestoßen habe: “Auf Initiative Hamburgs haben die Bundesregierung und die 16 Landesregierungen ein gemeinsames Lernförderprogramm vereinbart.”
Forscherin Diedrich backte kleinere Brötchen. Auf die Frage, was man nun tun könne, sagte sie: “Wenn es gelänge, dass das Lesen als echte Freizeitaktivität wieder entdeckt würde und nicht bloß etwas, das man für die Schule tun muss, dann wäre vermutlich schon viel gewonnen”. Im übrigen forderte Diedrich die Kultusminister der Länder auf, ihre Daten aus Lernstandsmessungen für einen Vergleich zur Verfügung zu stellen. “Angesichts der Situation wäre es wichtig, die Daten möglichst viele Bundesländer anschauen zu können.” Das allerdings ist etwas, was die Kultusminister:innen der Länder bisher strikt verweigern. cif
In Schorndorf in Baden-Württemberg zeigt sich eine Besonderheit des Digitalpakts: Das Geld fürs Digitale steht bereit – kann aber für Digitales oft nicht eingesetzt werden. In der “Daimlerstadt” (Eigenwerbung) hat Anja Feininger aus der Schulverwaltung den Zugang zu dem Lern- und Videoportal Sofatutor organisiert. Feininger ist Anhängerin: “Meine Kinder haben während der Pandemie die Lernvideos und die Zusatzaufgaben intensiv genutzt”. Allerdings konnte Schorndorf nicht mehr aufs Budget des Digitalpakts des Landes Baden-Württemberg zugreifen. “Wir hatten unser Geld schon für die Anschaffung von Tablets und Beamern ausgegeben,” berichtet eine Sprecherin. Also entschloss sich der Bürgermeister zu einer ungewöhnlichen Aktion: Er ließ bei Sofatutor Rabatt-Möglichkeiten sondieren. Schorndorf konnte so einen Preisnachlass für die Eltern aushandeln. Das heißt, die Eltern haben ab sofort die Möglichkeit, zu stark reduziertem Preis die Plattform zu buchen und nutzen.
“Wir sind von der Qualität der Inhalte überzeugt und sehen die Lernplattform als eine weitere Möglichkeit, etwaige Wissenslücken und Lernrückstände, die im vergangenen Schuljahr entstanden sind, durch selbständige Lernphasen aufzuarbeiten,” heißt es in einem gerade versandten Elternbrief, der Bildung.Table vorliegt. Zunächst können die Eltern der 4.000 Schorndorfer Schüler:innen im September eine Gratis-Testphase nutzen. Dann bekommen alle, die das Angebot wollen, eine günstige Lizenz. Auch Umwandlungen sind möglich: “Sollten Sie bereits Sofatutor nutzen und ein Abonnement abgeschlossen haben, gibt es die Möglichkeit, dieses in die kostengünstigere Schullizenz zu überführen,” steht im Brief an die Eltern. Die große Frage, die sich in Schorndorf stellt, ist folgende: Wie kann es sein, dass Milliarden an Digitalisierungsmitteln in einem Bundestopf – ungenutzt – bereitstehen, aber Schulträger Eltern für den Erwerb von Lizenzen zur Kasse bitten müssen?
In Hessen liegt der Fall ähnlich – nämlich kompliziert. Dort wurde die Videoplattform Sofatutor vom Land zwar ausgewählt, um die Programme gegen Lernlücken in den Sommerferien zu ergänzen. Nach einer vorläufigen Bilanz war das Projekt kein Renner unter den Schülern. 750.000 Schüler:innen hätten darauf Zugriff gehabt, nach Angaben des Ministeriums haben 15.000 die Lernplattform genutzt. Damit wurde das Programm ähnlich zurückhaltend aufgenommen wie die anderen Ferienangebote des hessischen Kultusministeriums. Ein Sprecher sagte, dass es trotz der großen Diskussion um Lernrückstände keinen Run auf die Sommerschulen des Landes gegeben habe. Eltern und Kinder hätten im Sommer wohl anderes vorgehabt, als Lernlücken zu schließen. Allerdings dürfte die gebremste Nachfrage nach Sofatutor auch damit zusammen hängen, dass der digitale Teil des Ferienprogramms, erstens, extrem kurzfristig organisiert wurde. “Es war mit heißer Nadel gestrickt, wir konnten das kaum bekannt machen”, so ein Sprecher. Und zweitens wurde in der Pressemitteilung des Ministeriums der Name des Anbieters Sofatutor nicht genannt. Die Juristen des Hauses hätten dies verhindert, weil es sich sonst um Werbung gehandelt hätte.
Sofatutor digitalisiert seit zehn Jahren die Inhalte der Lehrpläne in Deutschland, indem es lehrplangerechte Lernvideos produziert. In der Schule wirklich angekommen ist das Startup immer noch nicht. cif
Zwei der größten deutschen Kindersuchmaschinen starten eine gemeinsame Social-Media-Kampagne. Frag Finn und Blinde Kuh wollen so ein “Zeichen für einen positiven Jugendschutz” setzen und “Kindern den Weg ins Internet […] eröffnen”. Das soll vor allem mit ihren Suchmaschinen gehen. Die Kampagne #DarumKindersuchmaschinen (Instagram & Twitter) soll Eltern und Lehrkräfte dazu motivieren, “Kindersuchmaschinen mehr in den Alltag zu integrieren sowie im Unterricht einzubinden.” Unterstützt werden die kindgerechten Suchwebsites von Wissenschaftler:innen, Blogger:innen, Lehrenden und anderen Personen des öffentlichen Lebens – Darunter die Infektiologin Marylyn Addo, der Kika-Moderator Tim Gailus und die Politikerin und Publizistin Marina Weisband.
“Kindersuchmaschinen leisten einen wesentlichen Teil zur Umsetzung der Kinderrechte in der digitalen Welt,” heißt es bei Blinde Kuh und Frag Finn. Die beiden Suchmaschinen beziehen sich damit auf die “Rechte auf Information, Spiel, Spaß und Teilhabe.” Mit ihren Websites wollen sie beim Suchen im Netz Schutz bieten und gleichzeitig die “Recherche-, Informations- und Medienkompetenz” von Kindern fördern.
Auf der Kampagnen–Website sammeln die Akteure Argumente für Kindersuchmaschinen. Diese böten Kindern einen “geschützten Surfraum, in dem nur sichere Seiten verlinkt sind.” Zudem werden kindgerechte Inhalte sichtbarer gemacht und deutlich prominenter als bei den gängigen Suchmaschinen angezeigt. Redakteur:innen kümmern sich “händisch” um die Qualität der Suchergebnisse. Es gibt aber auch “automatische Check-Systeme”, die unzuverlässige und inaktuelle Seiten vom Such-Index schmeißen. Die Sortierung der Suchergebnisse soll außerdem ausschließlich nach Relevanz der Ergebnisse funktionieren. Bezahlte Suchergebnisse wie bei Google gibt es laut Blinde Kuh nicht.
Blinde Kuh gibt es seit 1997, sie ist die Gründung des Unternehmers Stefan R. Müller und der Redakteurin Birgit Bachmann mit “Birgits Kinderseiten”. Die Seite ist für Kinder von sechs bis zwölf Jahren und gewann 2006 den Grimme-Preis. Seit 2004 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Suchmaschine. Frag Finn ist seit 2007 im Netz und ebenfalls für Sechs- bis Zwölfjährige ausgelegt. Es gehört unter das Dach der von der Industrie gegründeten “Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia Diensteanbieter”, kurz FSM. Unter den zahlenden Mitgliedern sind Facebook, Disney, G Data, Kika und die Telekom. Eine andere bekannte deutsche Kindersuchmaschine ist Helles Köpfchen. Enno Eidens
Das Spiel Bad News behandelt mit dem Thema Fake News ein Thema, das relevant ist sowohl für den Unterricht in Ethik und praktischer Philosophie als auch für den Unterricht in verwandten Fächern – in Gemeinschaftskunde, Politik und so weiter. Das besondere Potenzial, das Bad News hier hat, ist, dass das Thema greifbar gemacht wird. Es stellt konkrete Beispiele vor und legt den Fokus auf die Strategien, die die Macher von Fake News verfolgen.
Das Schöne am Spiel Bad News ist ja, dass es ein Browserspiel ist und insofern sehr niedrige bis gar keine Anforderung an die notwendige Technik stellt. Die Lehrkräfte und die Lernenden brauchen nur einen Internetzugang und ein internetfähiges Gerät: Das kann ein PC sein, natürlich aber auch ein Tablet oder ein Smartphone, das die Schülerinnen und Schüler ohnehin meistens dabei haben.
Oftmals ist es so, wenn man in der Schule ein Thema wie Fake News behandelt, dass man die Schülerinnen und Schüler in der Rolle belässt, in der sie normalerweise sind: in dem Fall die Rolle der Nutzerinnen und Nutzer von Internetangeboten. Bad News bietet das Potenzial, einen Rollenwechsel für die Lernenden zu starten, indem man von der Rolle der Nutzenden weggeht und in die Rolle der Produzierenden schlüpft und mal selbst in einer geschützten Umgebung die Möglichkeit hat, Fake News zu verbreiten und sich möglichst böse zu verhalten.
Das eine ist das Offensichtliche: Dass man einen Blick wirft auf die Begleitmaterialien, die zum Spiel dazu kommen. Extra für Lehrkräfte gibt es ein kleines PDF, das einige Tipps und Informationen bereithält, die durchaus interessant sind. Der zweite Tipp ist, dass man die Schülerinnen und Schüler gerne auch zu zweit spielen lässt. Das hat den Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler schon während des Spielens in einen Austausch kommen und über ihr Handeln diskutieren können. So muss die Reflexion nicht nachgelagert werden, sondern kann schon während des Spielens beginnen.
Bad News legt den Fokus auf die Strategien der Macher von Fake News, stellt einige vor und macht das sehr gut. Es ist aber letztendlich als Spiel auf diese Strategien beschränkt. Das heißt bestimmte Fragen werden nicht thematisiert, zum Beispiel: Wie entstehen Fake News? Was sind die Motive der Macher von Fake News? Wie verbreiten sich Fake News? Welche Strukturen stehen dahinter? Diese Punkte werden durch das Spiel nicht angesprochen.
Janek Stechel forscht als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der PH Freiburg und ist Lehrer am Pädagogium Baden-Baden.
alle vier Jahre haben die Bürger nicht nur Gelegenheit, über die Politik der Vergangenheit zu richten, sondern vor allem der Zukunft mit ihrer Stimme eine – womöglich – neue Richtung zu geben. Ob Sie Lehrende, Unternehmer, Eltern oder Angestellte in Bildungsberufen sind: zu Ihrer Vorbereitung auf den nächsten Wahltag, in zwei Wochen, hat die Redaktion von Bildung.Table in der vergangenen Woche die Wahlprogramme der Parteien untersucht und gefragt: Was soll sich ändern, wenn die Parteien die Gelegenheit zum Mitregieren bekommen?
Heute gibt es Antworten: Christian Füller hat nicht nur mit Startups über deren Eindrücke gesprochen, sondern auch Bildungsinitiativen und Stiftungen gefragt, was sie von der Politik erwarten und wie sie die Pläne der Parteien bewerten. Ihr Urteil, so viel will ich hier verraten, ist nicht gerade positiv – und die Erwartungen hoch.
Auch im Interview mit Katja Hintze, der Vorsitzenden der Stiftung Bildung, wird rasch klar: für die Bildungspraktiker spielen Zuständigkeiten und föderale Verwicklungen keine Rolle mehr. Sie sehen eine Gesamtverantwortung der Parteien, die sich anschicken, das Land zu regieren, für eine modernere, effizientere und vor allem chancengerechtere Bildung. Die altbekannten Ausreden wollen sie nicht mehr akzeptieren.
Aufmerksam machen möchte ich Sie außerdem auf den Umstand, dass das Land Schleswig-Holstein seine Lernstandserhebungen auf Online-Messungen umstellt. Ein von Bettermarks entwickeltes Tool liefert die Ergebnisse binnen Minuten. Meine Kollegen haben die Details.
Einen erfolgreichen Tag wünsche ich Ihnen,
Simone Fleischmann könnte man auch Frau Klartext nennen. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes spricht aus, was andere sich nicht zu sagen trauen. Vor den Ferien stellte sie dem bayerischen Bildungsminister Michael Piazolo (Freie Wähler) praktisch ein Ultimatum: Kümmern Sie sich, endlich, um die Pandemie – wir lernen mit den Kindern.
Jetzt, etwas über sechs Wochen nach dieser Ansage, ist die Präsidentin enttäuscht – und entschlossen. “Wann reden wir denn endlich mal wieder über Pädagogik, über den Unterricht, über die aktuellen Erziehungsaufgaben, über die nochmals gestiegenen heterogenen Herausforderungen?” Bildung.Table sagte sie zur Debatte um Lolli-Tests und Quarantäne von Schüler:innen, “die Lehrerkonferenzen in Bayern konnten heute wieder nicht das tun, was ihr Job ist: sich um die Schüler kümmern – und ihnen das Lernen leichter zu machen”.
So geht es vielen aus der Szene der Bildungsinitiativen, der Startups und der Stiftungen. Es herrscht eine Mischung aus Wut und Verzweiflung über die Kultusminister:innen – aber auch über die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl. “Einiges liest sich wie ein Hollywoodabspann,” sagte Max Voigt von der Open Knowledge-Foundation zu den Programmen: “Viel Bekanntes in ungeordneter Reihenfolge, wenige Visionen und neue, zusammenhängende Konzepte”. Die stellvertretende Vorsitzende des “Bündnis für Bildung,” Anita Stangl, sagte: “Nach der Wahl werden sich alle Parteien daran messen lassen müssen, wie es in der digitalen Bildung gelingt, den ‘Corona-Modus’ hinter uns zu lassen”. Die Digital-Lobby Bündnis für Bildung vereint Unternehmen und Öffentliche Hand und ist ein wichtiger Vermittler zwischen beiden geworden.
Die Kritik der Initiativen und Bildungsunternehmer richtet sich vor allem auf den Digitalpakt, den Bildungsföderalismus und mangelnde Konzepte gerade in der Lehrerbildung.
Digitalpakt: Jacob Chammon vom Forum Bildung Digitalisierung, dem Cluster der Tech-Stiftungen von Bertelsmann bis Wübben, formuliert seine Wünsche, ohne das Wort Digitalpakt auszusprechen: “Wir brauchen nachhaltige Programme für Schulen und ihre Träger, um die Grundvoraussetzung für den digitalen Unterricht zu gewährleisten”. Nico Colsman von der gemeinnützigen Organisation “Zukunft Digitale Bildung” wird da bereits deutlicher. “Wir müssen Digitalpakt-Gelder direkt auf die Schulkonten überweisen”, sagt der Geschäftsführer, “und dem Kollegium deutliche Freiheiten in der Umsetzung geben”. Am klarsten ist die Initiative deutscher digitaler Bildungsanbieter. “Wir benötigen jetzt einen DigitalPakt 2, der schnell und unbürokratisch für die Schulen zur Verfügung steht”, heißt es in ihren Wahlprüfsteinen, die gestern online gingen.
Den Startups ist wichtig, “auch die Förderung digitaler Lernangebote” durch den Digitalpakt möglich zu machen. Das ist bis jetzt kaum möglich, wie viele Beispiele zeigen. Was die Digitalisten, deren Motto gern “einfach mal machen” lautet, am meisten an dem Fünf-Milliarden-Euro-Pakt stört: “dass das Abrufen der Mittel an zu große bürokratische Hürden geknüpft war und ist und in der Folge zu langsam angelaufen ist.” Alexander Giesecke von Simpleclub sagte, “die digitale Infrastruktur, wie funktionierendes Wlan und Endgeräte sind Voraussetzung dafür, dass Schule sich generell für digitale Bildungsangebote öffnet.” Stephan Bayer von Sofatutor nennt das, was kommen muss “einen DigitalPakt 2 für Content. Jetzt muss vor allem in digital aufbereitete Lerninhalte investiert werden und nicht mehr ausschließlich in die technische Grundausstattung – und das so unbürokratisch wie möglich”, sagte Bayer zu Bildung.Table.
So verständlich und richtig die Forderung ist, so trifft sie doch auf ein grundsätzliches verfassungsrechtliches Problem. Einen Digitalpakt für Inhalte müssten die Länder alleine finanzieren, denn laut Verfassung ist es dem Bund nur erlaubt, für die digitale Infrastruktur Gelder freizugeben, so steht es jedenfalls in Artikel 91c des Grundgesetzes über “informationstechnische Systeme.” Wie man den technischen Rahmen eines Lernmanagementsystems von den Bildungsinhalten, die darin gespeichert werden, eigentlich unterscheiden soll, steht allerdings nicht in der Verfassung. Das bedeutet: Das Fingerhakeln, ob der Bund digitale Bildungsanbieter fördern darf, wird nach der Wahl weiter gehen.
Bildungsföderalismus: Bei der sogenannten Kulturhoheit der Länder herrscht so etwas wie Furcht und Entschlossenheit. Einige der von Bildung.Table Angefragten wollten sich zum Bildungsföderalismus lieber nicht äußern – offenbar ein zu heißes Eisen, weil insbesondere die Union und selbst die Grünen und die SPD am Bildungsföderalismus grundsätzlich festhalten wollen. “Das Aufheben des sogenannten Kooperationsverbots ist sicherlich wünschenswert, aber aktuell nicht mehrheitsfähig”, sagte Max Voigt von der Open Knowledge-Foundation. Realistischer sei eine Reformierung der Kultusministerkonferenz. “Hier braucht es mehr demokratische Kontrollmechanismen und Transparenz.”
Das Problem des Föderalismus scheint in einer Äußerung der Initiative digitaler Bildungsanbieter auf. Sie wollen dem Bund mehr Möglichkeiten einräumen, um “nachhaltige Förder- und Finanzierungsstrukturen zu etablieren.” Was die Digitalisten fordern, ist allerdings so etwas wie die Quadratur des Kreises: Die bestehende, auf vielen Ebenen verflochtene Kultusbürokratie lässt sich nicht “einfach mal vereinfachen”. Das ist ja der Grund, warum die drei in den Umfragen führenden Parteien sich beim Föderalismus wohlweislich zurückhalten.
Trotzdem hört sich der Anspruch der digitalen Bildungsanbieter gut und richtig an: “Bürokratische (Förder-) Prozesse müssen vereinfacht werden, sodass Bund und Länder gemeinsam Schulen schnell und unkompliziert unterstützen können,” steht da. “Zuständigkeitsfragen müssen klar definiert werden, damit machtpolitische Kämpfe nicht zulasten unserer Kinder gehen.” Das Bündnis für Bildung versucht dieser Zwickmühle mit einer geradezu patriotischen Formel von Anita Stangl zu entgehen: “Unser Bildungsföderalismus bietet die Möglichkeit, auf die unterschiedlichen Gegebenheiten maßgeschneidert vor Ort zu reagieren.”
Lehrerfortbildung: Auch beim so dringend notwendigen Vermitteln der digitalen Kompetenzen an das Lehrpersonal gehen die Forderungen meilenweit auseinander. Natürlich sind sich alle einig, dass – so formuliert es Jacob Chammon – “es den Kompetenzaufbau aufseiten des pädagogischen Personals in den Schulen und Verwaltungen braucht”. Allerdings ist vollkommen unklar, ob das durch Zwang oder freiwillig geschehen soll. Nicolas Colsman plädiert für “massiven Druck zur Weiterbildungspflicht” – eine Forderung, die weit verbreitet ist, von Kennern aber genauso weit von sich gewiesen wird. Wer versucht, verbeamteten Lehrkräften Druck zum Fortbilden zu machen, scheitert am Dienstrecht – und an der grundsätzlichen Freiheit der Lehrer:innen zur Wahl ihrer Methoden.
Das weiß niemand besser als Simone Fleischmann, die für fast 70.000 Lehrer:innen in Bayern spricht. Die Verbandspräsidentin fordert, dass der Staat für eine adäquate digitale Ausstattung an den Schulen sorgt und zugleich vielfältige Formate von Lehrerfortbildung anbietet. Das subsumiert Fleischmann unter Anforderungen an den Staat – weil sie weiß, dass es bei den Pädagog:innen vor allem um Vertrauen und Zeit geht. Es dürfe nicht sein, sagte sie Bildung.Table, dass Lehrkräfte über ihr normales Arbeitspensum hinaus nun erneut eine Vielzahl unklarer Hygiene- und Gesundheitsvorschriften interpretieren müssten. “Es geht jetzt darum, eine komplexe neue Technologie für die Lehrerinnen und Lehrer zu öffnen”, sagte Fleischmann. “Das klappt am besten, wenn Lehrerinnen und Lehrer das Vertrauen in den Staat haben können, dass sie sich auf die pädagogisch wichtigen Fragen des Lernens und des digitalen Lernens konzentrieren können”.
Frau Hintze, in der Gesellschaft bekämpfen sich zwei Gruppen, die sich beide auf das Kindeswohl berufen. Die einen wollen in dieser Phase der Pandemie Schulen unbedingt offen halten, die anderen wollen sie unbedingt schließen. Was ist da los?
Was Kindeswohl für das jeweilige Kind bedeutet, lässt sich nicht verallgemeinern und ist sehr von den jeweiligen Lebensumständen des Kindes abhängig. Es gibt Kinder, deren Eltern oder Großeltern die Möglichkeit haben, das Homeschooling zu übernehmen. Deren Realität ist eine völlig andere als die von Kindern, für die Kindergarten und Schule safe spaces sind…
… Was ist das?
Für diese Kinder können Bildungseinrichtungen ein sicherer Ort sein, an dem sie gut aufgehoben sind und lernen können. Wir sehen viele Kinder, die in ihrem Zuhause Vernachlässigung, Konflikte oder sogar Gewalt erleben. Die Pandemie-Erfahrungen von Kindern sind also extrem unterschiedlich. Kitas und Schulen sind nicht nur Lernorte, sondern auch Lebensorte und das gilt es auszubauen. Orte, wo Kinder und Jugendliche sozialen Umgang erfahren, miteinander leben und lernen.
Was bedeutet das für das umstrittene Thema Schulschließung oder -öffnung?
Es geht nicht um Schließungen ja oder nein, sondern um individuelle Antworten. Gute pädagogische Fachkräfte können sehr genau einschätzen, was für welches Kind das Beste ist. Das heißt, wir brauchen nicht große Lösungen, sondern kleine und zielgenaue.
Gibt es keine Möglichkeit, einen sinnvollen Mittelweg zu finden? Also ein Minimum an Ansteckung und ein Maximum an sozialer Fürsorge für die Kinder, die ihren Familien ausgesetzt sind?
Das hört sich gut an, ist aber wenig praktikabel, sobald es konkret wird. Der Lockdown war für viele Eltern, Lehrer:innen und besonders Schüler:innen ein Härtetest – aber für jeden anders. Viele der ehrenamtlich Engagierten in Kita- und Schulfördervereinen haben schon während Pandemie und Lockdown versucht, auch die Schüler:innen zu erreichen, die im Homeschooling waren. Sei es mit der Versorgung mit Lehrmaterialien oder in manchen Fällen gespendeten digitalen Geräten. Der gute Mittelweg bedeutet also, dass die Entscheidungen verantwortungsvoll und standortspezifisch angepasst werden. Einige Schulen und Lehrkräfte haben das herausragend gemeistert. Diese Entscheidungsfreiheit gilt es zu stärken.
Welche Erfahrungen haben Sie im Alltag Ihrer Stiftungsarbeit mit sozialer Benachteiligung infolge von Corona gemacht?
Die Pandemie hat uns bei der Förderung von Chancengerechtigkeit auf die Probe gestellt. Dabei geht es um mehr als nur um den Zugang zu digitalen Endgeräten und um Lernlücken. Das fehlende Miteinander wirkte sich negativ auf die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus, das Selbstbewusstsein litt, die ungleichen Chancen wurden einmal mehr sichtbar und verstärkt.
Was war Ihre Antwort auf die Situation?
Unser Patenschaftsprogramm, welches das Familienministerium fördert, ist sehr wirkungsvoll. Die Idee dabei ist, Kinder mit unterschiedlichen Teilhabechancen in Tandems zusammenzubringen – sodass sie sich gegenseitig helfen und miteinander lernen können.
Ging das ohne reale Begegnungsmöglichkeit?
Da entpuppte sich die Digitalität, die manchmal auch ein Fluch war, plötzlich als Segen. Wir haben darauf gedrängt, während des Lockdowns weitere Tandemtreffen zu ermöglichen – wenn auch “nur” digital, per Videocall oder telefonisch.
Können Sie das genauer schildern?
Mit den digitalen Möglichkeiten haben sich vor allem die Kinder und Jugendlichen selbst geholfen, miteinander Kontakt zu halten und sich gegenseitig zum Beispiel beim Lernen zu motivieren. Sie haben sich über Chats, Videokonferenzen und Plattformen verbunden, Aufgaben geteilt und Fragen miteinander gelöst – Teamwork pur. Die Welt der jungen Menschen ist um ein Vielfaches näher an den digitalen Möglichkeiten.
Kann man das als Institution einfach nachmachen?
Wir als Stiftung haben mit unseren Patenschaften ausgeglichen, wo Kinder und Jugendliche durch ihren Lebenshintergrund nicht gut aufgestellt sein konnten. Es gilt, die digitalen Möglichkeiten zu nutzen und gleichzeitig zu lernen, was eben nicht digital sein kann: Empathie, Kreativität, Auseinandersetzungen, gemeinsames Erleben, Natur, Begegnungen mit Bauch, Herz und Füßen.
Wie sind die Familien damit umgegangen?
Die Rückmeldungen waren positiv. Die Kinder fühlten sich weniger allein und profitierten, gemeinsam zu lernen. Wir begrüßen daher das zwei Milliarden-Euro-Aufholpaket der Bundesregierung, das auch Gelder für frühkindliche Bildung und Angebote in der Freizeit bereitstellt. Leider sind die Mittel viel zu spät auf den Weg gebracht worden – und wieder einmal schwer bis gar nicht für Bildungsengagierte erreichbar. Wir fordern einen ‘Bildungsschutzschirm’, der weitere Gelder langfristig und unbürokratisch bereit stellt – damit die Chancenungerechtigkeit nicht weiter zunimmt.
Wir hinterlassen Kindern und Jugendlichen einen überhitzten Planeten – und jetzt setzen wir sie in den Schulen einer hohen Infektionsgefahr aus. Was bedeutet das, Frau Hintze?
Junge Menschen werden bei politischen Entscheidungen viel zu selten mitgedacht und eingebunden. Das sieht selbst das Bundesverfassungsgericht so. Erst im April hat Karlsruhe die Bundesregierung aufgefordert, beim Klimaschutzpaket nachzubessern – weil die Gefahren des Klimawandels einseitig der jüngeren Generation aufgebürdet werden. Die Coronavirus-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass dies auch für die Bildungspolitik gilt. Wir setzen uns deshalb bei der Politik dafür ein, Kinder und Jugendliche sowie Menschen aus den Bildungsengagement-Strukturen mehr in die Debatte und in Entscheidungen einzubeziehen. Das wäre ein wichtiger Schritt, um für einen besseren Schutz der jungen Menschen zu sorgen – sowohl kurz- als auch langfristig.
Wie erklären Sie sich diese Haltung der Politik?
Ich glaube nicht, dass diese Art von Politik böse Absicht ist.
Sondern?
Dass es viel zu lange herrschende Politik war, auf künftige Generationen keine Rücksicht zu nehmen. Das bedeutet, dass ein großes Umdenken stattfinden muss: sowohl in der Klima- wie auch in der Bildungspolitik. Es gilt gesamtgesellschaftlich ein stärkeres Miteinander der Generationen und eine stärkere Gemeinwohlorientierung zu leben. Christian Füller
Katja Hintze ist die Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung, die eine Petition für mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen aufgelegt hat.
Gastbeitrag von Björn Nölte
Ich habe viele Jahre in der Oberstufe, wo es sich anbietet, mit der (von mir sogenannten) Methode “Master-or-Die” gearbeitet. Auf Fortbildungen, Barcamps und ähnlichen Veranstaltungen stößt es regelmäßig auf Interesse, aber auch auf Skepsis. Jetzt werde ich eine weiterentwickelte Variante erproben, die ich hier vorstellen möchte.
Master-or-Die konterkariert die althergebrachte Auffassung von Leistungsbewertung. Es ist ein Beispiel des formative assessment. In unserer gegenwärtigen Schule herrscht vor allem das Gegenteil vor: summative assessment, die gesonderte Bewertung am Ende des Lernprozesses, in Form von Tests, Klassenarbeiten, Klausuren. Auch das führe ich natürlich nach wie vor durch. Formative assessment sieht im Gegensatz dazu vor, Feedback und Rückmeldung der Lehrkraft während des Lernprozesses zu geben, um das Lernen zu verbessern und nicht erst am Ende des Lernprozesses als Legitimation der Ziffernnote; assessment for learning statt assessment of learning.
Master-or-Die setzt diesen Gedanken konsequent um. Es wird am besten eingesetzt bei sehr komplexen Aufgaben, die einen grundlegenden Charakter für den jeweiligen Unterricht haben, sodass es gerechtfertigt ist, dass sich die Schüler lange damit beschäftigen. In Geschichte etwa die Anfertigung einer Quellenanalyse. Die Schüler suchen sich jeweils eine Quelle aus. Das Angebot an Quellen sollte nichts berücksichtigen, wozu es abschreibefertige Analysen im Internet zu finden gibt. Die Schüler werden angeleitet und haben dann ein ganzes Halbjahr lang Zeit, ihre umfangreiche Quellenanalyse zu schreiben. Während des Schreibens können sie Rückmeldungen des Lehrer einfordern – so oft sie möchten. Das Feedback des Lehrers enthält auch immer den aktuellen Notenstand des bisher erbrachten Textes.
Dass diese Form nur digital realisierbar ist, liegt auf der Hand. Bis zum endgültigen Abgabedatum müssen die Schüler ihren Text bis in den Einserbereich verbessert haben. Schaffen sie das nicht, erhaltent sie Note 6, null Punkte – Master-or-Die. Am Ende haben somit alle Schüler eine sehr gute Leistung, haben die Erfahrung einer sehr guten eigenen Leistung, haben eine eigene sehr gute Quellenanalyse in ihren Unterlagen und haben die Lehrperson als Unterstützer wahrgenommen und nicht als Kontrolleur. Bei dem einen dauert es etwas länger, die andere ist schneller am Ziel. Neben der “Sache” haben die Schüler Selbst- und Projektmanagement gelernt. Während des Arbeitsprozesses können sie sich auch Feedback von Mitschülern holen, so viel, wie sie möchten.
Ich spare hier alle weiteren Erläuterungen, didaktischen Begründungen, Antworten auf erwartete Einwürfe aus, sondern komme zu der Neuerung. Master-or-Die 2.0 bedeutet nun, dass die Schüler mit dem Lehrer vor dem Beginn der Bearbeitung eine Zielvereinbarung treffen. Nicht jeder Schüler muss bis zu einer “1” vorstoßen, sondern bestimmt selbst sein Ziel. Ansonsten gelten die gleichen Feedback-Regeln. Nur heißt es am Ende nicht ausschließlich “1 or Die”, sondern vielleicht auch “2+ or Die”, “3 or Die” oder “2- or Die”.
Björn Nölte ist einer der Vorreiter digitalen Lernens. Er ist inzwischen Referent für Digitalisierung der Schulstiftung der Evangelische Kirchen Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Dieser Text erschien auf Nöltes Medium-Seite.
16. September 2021, 9:00 bis 18:00 Uhr
Online-Karrieremesse: RE-START
Die Agentur für Arbeit lädt zur digitalen Messe für “alle, die sich beruflich neu erfinden möchten” ein. Teilnehmer:innen können sich aus vielen Workshops und Vorträgen in der “Wissenswelt Bewerbung”, der “Welt der Berufe” und der “Welt des Lernens” die für sie passenden heraussuchen. Zudem soll es virtuelle Messestände und die Möglichkeit zum direkten Kontakt mit “Wunscharbeitgebern” geben. Die Teilnahme ist kostenlos. Infos
16. September 2021, 13:00 Uhr
Digitale Pressekonferenz: Bildung auf einen Blick
Die Ergebnisse der neuesten “Bildung auf einen Blick”-Studie sind da. OECD-Bildungsdirekter Andreas Schleider, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und der hessische Kultusminister Anexander Lorz stellen die Ergebnisse vor. Anmeldung
28. September 2021, 17:00 Uhr
Roadshow: #wirfürschule Highlight Projekte 2021
Zwölf Projekt-Teams stellen ihre Ergebnisse des #wirfürschule-Hackathons vor. Danach können einzelne Highlight-Projekte in Breakout-Sessions näher kennengelernt werden. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, eine Anmeldung wird empfohlen. Anmeldung
Das Land Schleswig-Holstein stellt seine Lernstandserhebungen auf Online-Messungen um. Einen Piloten gab es bereits im letzten Schuljahr, ab sofort kann das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen (IQSH) des nördlichen Bundeslandes seine Lernstandserhebungen flächendeckend digital durchführen. Das geht mit einem von Bettermarks entwickelten Tool in den Mathematikjahrgängen 5 bis 10. Daneben besitzt Schleswig-Holstein ein zweites Instrument, das es ermöglicht, die Lernstände von Schülern online zu diagnostizieren, es heißt Leonie oder “Lehrkräfte Onlinedienst für interne Evaluation für Schleswig-Holstein”. Selbst die sogenannten Vergleichsarbeiten (Vera) sollen künftig an der Küste online durchgeführt werden.
Der Vorteil einer online-Erhebung ist, dass binnen kürzester Zeit für die Lehrkraft klar ist, wie der Diagnosetest ausgefallen ist – und wo die Schüler:innen stehen. Das bedeutet, erstens, die Lehrkräfte werden entlastet, weil sie nicht mehr selbst die Auswertung vornehmen müssen. Und, zweitens, geht das Auswerten viel schneller als bisher. Ergebnisse von Lernstandserhebungen standen zum Teil erst nach Wochen und Monaten bereit. “Lehrkräfte können mit wenigen Klicks die für eine Klassenstufe benötigten Minimalkenntnisse überprüfen”, so Arndt Kwiatkowski, der Gründer von Bettermarks. Zur Nutzung des Diagnostools gibt es Handreichungen für Lehrer:innen.
Mit den neuen Online-Tests könnte man auch landesweite Lernstandserhebungen vornehmen, sagte die stellvertretende Direktorin des IQSH, Maike Abshagen, Bildung.Table. Darin liegt die eigentliche Sprengkraft des neuen Tools. Bettermarks könnte nun, wenn die Bundesländer mitmachen, binnen kürzester Zeit Lernstandserhebungen in Mathematik auf seiner Plattform durchführen. Die Bundesländer waren in die Kritik geraten, weil sie während der Pandemie ihre Vergleichsarbeiten entweder nicht angewendet oder die Auswertungen nicht veröffentlicht hatten. So liegen bisher bundesweit keine validen Informationen über Lernlücken vor – abgesehen von der Hansestadt Hamburg, die eben die Ergebnisse der im Mai vorgenommenen Lernstandstests veröffentlichte. Das neue Verfahren in Schleswig-Holstein wird offenbar rege genutzt. Inzwischen wurden über 63.000 Tests zur Überprüfung der Mindeststandards in Mathematik gerechnet, teilte Bettermarks mit. “Lehrkräfte erhalten nicht nur eine automatische Auswertung, sondern die Schülerinnen und Schüler bekommen in Abhängigkeit des Ergebnisses auch individuelles Übungsmaterial, um etwaige Wissenslücken zu schließen”, so Kwiatkowski.
Der Unterschied zwischen dem neuen Tool und den bisher eingesetzten Vergleichsarbeiten liegt daran, dass Bettermarks Mindeststandards überprüft, während “Leonie” und “Vera” differenzierte Diagnose-Tools für den innerschulischen Gebrauch sind. Das bedeutet aber, dass mittels des neuen Mathe-Diagnosetests leicht zu identifizieren ist, wie viele und welche Schüler:innen nicht den Mindeststandard erreichen. Für diese Schüler:innen könnte man entsprechende Hilfs- oder Nachhilfe-Programme durchführen. Wissenschaftler verlangen bereits seit vielen Jahren, dass in Deutschland einheitliche Mindeststandards für alle Schulformen gelten. Das gegliederte Schulwesen sorgt dafür, dass die Standards sehr unterschiedlich gehandhabt werden – und deswegen Zehntausende Schulabbrecher produziert werden.
Dem Vernehmen nach soll der neue Online-Test nicht nur in Schleswig-Holstein zum Einsatz kommen. “Das Instrument ist modular gestaltet, sodass die Tests dem in der Klasse behandelten Stoff zugeordnet werden können”, sagte Kwiatkwoski. “Wir haben die Hoffnung, dass diese Tests dadurch für alle Curricula der Bundesländer und Schultypen passend sind”. Christian Füller
Ziemlich genau ein Jahr und sechs Monate nach Beginn der ersten Schulschließungen liegt nun ein erster valider Befund über Lernrückstände vor. Danach ist die Gruppe der Schülerinnen und Schüler in den dritten Klassen Hamburgs, die als lernschwach eingestuft werden, um elf Prozent gewachsen. In der Mathematik hat sich ihre Zahl um 8,7 Prozent erhöht. Schulsenator Ties Rabe von der SPD sagte dazu: “Fernunterricht war und ist kein Ersatz für den Unterricht in der Schule, und die Schulschließungen haben gerade bei Kindern aus sozial benachteiligten Stadtteilen zu deutlichen Lernrückständen geführt.” Martina Diedrich, die die Untersuchung durchgeführt hat, sagte Zeit Online: “Es ist spürbar, aber kein Erdrutsch. Man hätte auch Schlimmeres befürchten können.”
Damit liegen für die gesamte Bundesrepublik zum ersten Mal echte Informationen über Lernlücken vor. Das “Hamburger Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung” hatte bereits im vergangenen Jahr die so genannten Vergleichsarbeiten durchgeführt – und keine messbaren Lernstandseinbußen festgestellt. Das war in der Republik praktisch nicht zur Kenntnis genommen worden. Die Kultusminister:innen hatten weiter ohne Belege berichtet, es gebe massive Lernrückstände. Die jetzige Untersuchung stammt aus dem Mai 2021 und bezieht sich auf die zweite lange Phase der Schulschließungen, die von Dezember 2020 an mehrere Monate dauerte. “Wir stellen jetzt erkennbare Rückstände in den dritten Klassen fest. Das betrifft zum Teil Mathematik, insbesondere aber das Lesen,” sagte Martina Diedrich, die Direktorin des Qualitäts-Instituts ist. Die Rückstände beträfen alle sozialen Schichten. Lern- und Leseförderung sei jetzt überall nötig.
Auch die jetzige Untersuchung, die nur einen Jahrgang in der Grundschule erfasst, lässt viel Raum für Spekulationen. Zum Beispiel stellt sich die Frage, warum die Schüler überraschend in Mathematik weniger Lücken aufgebaut haben. Diedrich sagte, “wir können das noch nicht deuten.” In der Rechtschreibung haben die Drittklässler in Hamburg sogar zugelegt – mitten in der Pandemie. Das brachte Schulsenator Rabe in eine Zwickmühle: einerseits betont er seit langem, dass große Lernrückstände entstanden seien – und sucht Belege dafür. Andererseits konnte er sich jetzt “über die ersten Erfolge unserer Rechtschreiboffensive” freuen. Gleichzeitig reklamierte Schulsenator Rabe, dass er das Milliarden Euro schwere Aufholpaket des Bundes angestoßen habe: “Auf Initiative Hamburgs haben die Bundesregierung und die 16 Landesregierungen ein gemeinsames Lernförderprogramm vereinbart.”
Forscherin Diedrich backte kleinere Brötchen. Auf die Frage, was man nun tun könne, sagte sie: “Wenn es gelänge, dass das Lesen als echte Freizeitaktivität wieder entdeckt würde und nicht bloß etwas, das man für die Schule tun muss, dann wäre vermutlich schon viel gewonnen”. Im übrigen forderte Diedrich die Kultusminister der Länder auf, ihre Daten aus Lernstandsmessungen für einen Vergleich zur Verfügung zu stellen. “Angesichts der Situation wäre es wichtig, die Daten möglichst viele Bundesländer anschauen zu können.” Das allerdings ist etwas, was die Kultusminister:innen der Länder bisher strikt verweigern. cif
In Schorndorf in Baden-Württemberg zeigt sich eine Besonderheit des Digitalpakts: Das Geld fürs Digitale steht bereit – kann aber für Digitales oft nicht eingesetzt werden. In der “Daimlerstadt” (Eigenwerbung) hat Anja Feininger aus der Schulverwaltung den Zugang zu dem Lern- und Videoportal Sofatutor organisiert. Feininger ist Anhängerin: “Meine Kinder haben während der Pandemie die Lernvideos und die Zusatzaufgaben intensiv genutzt”. Allerdings konnte Schorndorf nicht mehr aufs Budget des Digitalpakts des Landes Baden-Württemberg zugreifen. “Wir hatten unser Geld schon für die Anschaffung von Tablets und Beamern ausgegeben,” berichtet eine Sprecherin. Also entschloss sich der Bürgermeister zu einer ungewöhnlichen Aktion: Er ließ bei Sofatutor Rabatt-Möglichkeiten sondieren. Schorndorf konnte so einen Preisnachlass für die Eltern aushandeln. Das heißt, die Eltern haben ab sofort die Möglichkeit, zu stark reduziertem Preis die Plattform zu buchen und nutzen.
“Wir sind von der Qualität der Inhalte überzeugt und sehen die Lernplattform als eine weitere Möglichkeit, etwaige Wissenslücken und Lernrückstände, die im vergangenen Schuljahr entstanden sind, durch selbständige Lernphasen aufzuarbeiten,” heißt es in einem gerade versandten Elternbrief, der Bildung.Table vorliegt. Zunächst können die Eltern der 4.000 Schorndorfer Schüler:innen im September eine Gratis-Testphase nutzen. Dann bekommen alle, die das Angebot wollen, eine günstige Lizenz. Auch Umwandlungen sind möglich: “Sollten Sie bereits Sofatutor nutzen und ein Abonnement abgeschlossen haben, gibt es die Möglichkeit, dieses in die kostengünstigere Schullizenz zu überführen,” steht im Brief an die Eltern. Die große Frage, die sich in Schorndorf stellt, ist folgende: Wie kann es sein, dass Milliarden an Digitalisierungsmitteln in einem Bundestopf – ungenutzt – bereitstehen, aber Schulträger Eltern für den Erwerb von Lizenzen zur Kasse bitten müssen?
In Hessen liegt der Fall ähnlich – nämlich kompliziert. Dort wurde die Videoplattform Sofatutor vom Land zwar ausgewählt, um die Programme gegen Lernlücken in den Sommerferien zu ergänzen. Nach einer vorläufigen Bilanz war das Projekt kein Renner unter den Schülern. 750.000 Schüler:innen hätten darauf Zugriff gehabt, nach Angaben des Ministeriums haben 15.000 die Lernplattform genutzt. Damit wurde das Programm ähnlich zurückhaltend aufgenommen wie die anderen Ferienangebote des hessischen Kultusministeriums. Ein Sprecher sagte, dass es trotz der großen Diskussion um Lernrückstände keinen Run auf die Sommerschulen des Landes gegeben habe. Eltern und Kinder hätten im Sommer wohl anderes vorgehabt, als Lernlücken zu schließen. Allerdings dürfte die gebremste Nachfrage nach Sofatutor auch damit zusammen hängen, dass der digitale Teil des Ferienprogramms, erstens, extrem kurzfristig organisiert wurde. “Es war mit heißer Nadel gestrickt, wir konnten das kaum bekannt machen”, so ein Sprecher. Und zweitens wurde in der Pressemitteilung des Ministeriums der Name des Anbieters Sofatutor nicht genannt. Die Juristen des Hauses hätten dies verhindert, weil es sich sonst um Werbung gehandelt hätte.
Sofatutor digitalisiert seit zehn Jahren die Inhalte der Lehrpläne in Deutschland, indem es lehrplangerechte Lernvideos produziert. In der Schule wirklich angekommen ist das Startup immer noch nicht. cif
Zwei der größten deutschen Kindersuchmaschinen starten eine gemeinsame Social-Media-Kampagne. Frag Finn und Blinde Kuh wollen so ein “Zeichen für einen positiven Jugendschutz” setzen und “Kindern den Weg ins Internet […] eröffnen”. Das soll vor allem mit ihren Suchmaschinen gehen. Die Kampagne #DarumKindersuchmaschinen (Instagram & Twitter) soll Eltern und Lehrkräfte dazu motivieren, “Kindersuchmaschinen mehr in den Alltag zu integrieren sowie im Unterricht einzubinden.” Unterstützt werden die kindgerechten Suchwebsites von Wissenschaftler:innen, Blogger:innen, Lehrenden und anderen Personen des öffentlichen Lebens – Darunter die Infektiologin Marylyn Addo, der Kika-Moderator Tim Gailus und die Politikerin und Publizistin Marina Weisband.
“Kindersuchmaschinen leisten einen wesentlichen Teil zur Umsetzung der Kinderrechte in der digitalen Welt,” heißt es bei Blinde Kuh und Frag Finn. Die beiden Suchmaschinen beziehen sich damit auf die “Rechte auf Information, Spiel, Spaß und Teilhabe.” Mit ihren Websites wollen sie beim Suchen im Netz Schutz bieten und gleichzeitig die “Recherche-, Informations- und Medienkompetenz” von Kindern fördern.
Auf der Kampagnen–Website sammeln die Akteure Argumente für Kindersuchmaschinen. Diese böten Kindern einen “geschützten Surfraum, in dem nur sichere Seiten verlinkt sind.” Zudem werden kindgerechte Inhalte sichtbarer gemacht und deutlich prominenter als bei den gängigen Suchmaschinen angezeigt. Redakteur:innen kümmern sich “händisch” um die Qualität der Suchergebnisse. Es gibt aber auch “automatische Check-Systeme”, die unzuverlässige und inaktuelle Seiten vom Such-Index schmeißen. Die Sortierung der Suchergebnisse soll außerdem ausschließlich nach Relevanz der Ergebnisse funktionieren. Bezahlte Suchergebnisse wie bei Google gibt es laut Blinde Kuh nicht.
Blinde Kuh gibt es seit 1997, sie ist die Gründung des Unternehmers Stefan R. Müller und der Redakteurin Birgit Bachmann mit “Birgits Kinderseiten”. Die Seite ist für Kinder von sechs bis zwölf Jahren und gewann 2006 den Grimme-Preis. Seit 2004 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Suchmaschine. Frag Finn ist seit 2007 im Netz und ebenfalls für Sechs- bis Zwölfjährige ausgelegt. Es gehört unter das Dach der von der Industrie gegründeten “Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia Diensteanbieter”, kurz FSM. Unter den zahlenden Mitgliedern sind Facebook, Disney, G Data, Kika und die Telekom. Eine andere bekannte deutsche Kindersuchmaschine ist Helles Köpfchen. Enno Eidens
Das Spiel Bad News behandelt mit dem Thema Fake News ein Thema, das relevant ist sowohl für den Unterricht in Ethik und praktischer Philosophie als auch für den Unterricht in verwandten Fächern – in Gemeinschaftskunde, Politik und so weiter. Das besondere Potenzial, das Bad News hier hat, ist, dass das Thema greifbar gemacht wird. Es stellt konkrete Beispiele vor und legt den Fokus auf die Strategien, die die Macher von Fake News verfolgen.
Das Schöne am Spiel Bad News ist ja, dass es ein Browserspiel ist und insofern sehr niedrige bis gar keine Anforderung an die notwendige Technik stellt. Die Lehrkräfte und die Lernenden brauchen nur einen Internetzugang und ein internetfähiges Gerät: Das kann ein PC sein, natürlich aber auch ein Tablet oder ein Smartphone, das die Schülerinnen und Schüler ohnehin meistens dabei haben.
Oftmals ist es so, wenn man in der Schule ein Thema wie Fake News behandelt, dass man die Schülerinnen und Schüler in der Rolle belässt, in der sie normalerweise sind: in dem Fall die Rolle der Nutzerinnen und Nutzer von Internetangeboten. Bad News bietet das Potenzial, einen Rollenwechsel für die Lernenden zu starten, indem man von der Rolle der Nutzenden weggeht und in die Rolle der Produzierenden schlüpft und mal selbst in einer geschützten Umgebung die Möglichkeit hat, Fake News zu verbreiten und sich möglichst böse zu verhalten.
Das eine ist das Offensichtliche: Dass man einen Blick wirft auf die Begleitmaterialien, die zum Spiel dazu kommen. Extra für Lehrkräfte gibt es ein kleines PDF, das einige Tipps und Informationen bereithält, die durchaus interessant sind. Der zweite Tipp ist, dass man die Schülerinnen und Schüler gerne auch zu zweit spielen lässt. Das hat den Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler schon während des Spielens in einen Austausch kommen und über ihr Handeln diskutieren können. So muss die Reflexion nicht nachgelagert werden, sondern kann schon während des Spielens beginnen.
Bad News legt den Fokus auf die Strategien der Macher von Fake News, stellt einige vor und macht das sehr gut. Es ist aber letztendlich als Spiel auf diese Strategien beschränkt. Das heißt bestimmte Fragen werden nicht thematisiert, zum Beispiel: Wie entstehen Fake News? Was sind die Motive der Macher von Fake News? Wie verbreiten sich Fake News? Welche Strukturen stehen dahinter? Diese Punkte werden durch das Spiel nicht angesprochen.
Janek Stechel forscht als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der PH Freiburg und ist Lehrer am Pädagogium Baden-Baden.