Table.Briefing: Bildung

KI drängt in Schulen + Interview Macgilchrist + Unzufriedene Quereinsteiger

  • KI-Tool mischt Schulen auf – Kultusministerien planlos
  • Forscherin Macgilchrist: ChatGPT ist keine Revolution
  • Studie zur Berufszufriedenheit von Quereinsteigern
  • Sachsen-Anhalt plant Erzieher-Einsatz an Schulen
  • Meisterausbildung: Bayern bittet den Bund zur Kasse
  • Bundestagspräsidentin strebt Schulreform an
  • Akademiker-Überhang an Privatschulen
  • Heads: Gerd Woweries setzt auf Augmented Reality in der Ausbildung
  • Presseschau
  • Termine
Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Thema, das die Bildungswelt 2023 beschäftigen wird, steht bereits fest: die Ankunft künstlicher Intelligenz in der Schule. Der intelligente Bot ChatGPT kommt rasend schnell in den Klassenzimmern an, wie unsere Analyse zeigt. Lehrer sind aufgeschreckt, Fortbildungen zum Thema überbucht. Derweil kennen die meisten Kultusministerien das Tool noch gar nicht.

Von einer Revolution möchte Deutschlands führende Forscherin zu Bildungsmedien, Felicitas Macgilchrist, im Interview nicht sprechen. Dennoch sieht sie Schulen vor einem großen Wandel. Jeder Lehrer müsse jetzt prüfen, welche Aufgabenstellungen überhaupt noch Sinn ergeben. Wie die Politik das unterstützen kann? EdTech-Coaches an die Schulen schicken und eine Plattform aufbauen, auf der Lehrer Tools evaluieren.

Das wird auch Thema unseres nächsten Live-Briefings sein. Dann diskutieren wir mit der SPD-Vorsitzenden und Digitalpolitikerin Saskia Esken über “Neue KI in der Schule”. Mit am Tisch sitzt die Gründerin der Weiterbildungsplattform Fobizz, Diana Knodel. Merken Sie sich jetzt bereits den 24. Januar, 12 Uhr vor. Hier geht’s zur kostenfreien Anmeldung.

In der heutigen Ausgabe blicken wir auf ein weiteres Megathema: Fachkräftemangel in Schulen. Quereinsteiger füllen bekanntlich die Löcher in der Personaldecke. Nun zeigt eine Studie, dass sie unzufriedener sind als ihre Kollegen mit Lehramtsabschluss. Forscher sehen das als Alarmsignal und zeigen, woran das liegt und was zu tun ist.

Ins neue Jahr startet Table.Media übrigens mit einem neuen Produkt. Wir haben den Bildung.Table für Sie erweitert – im Berlin.Table finden Sie jetzt in unserem Late.Night Memo für die Hauptstadt bereits am Vorabend das Wichtigste aus der Bundespolitik mit Bezug zu Bildungsthemen. Wir sind gespannt, wie es Ihnen gefällt.

Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen ein schönes, erfolgreiches und vor allem friedliches neues Jahr!

Ihr
Niklas Prenzel
Bild von Niklas  Prenzel
  • KI in der Schule

Analyse

KI setzt Schulen unter Druck – und Kultusminister

Der oberste wissenschaftliche Berater der Kultusminister hat sich getäuscht. Olaf Köller hatte Bildung.Table im Gespräch vorhergesagt, dass Schüler das neue barrierefreie Tool für Künstliche Intelligenz ChatGPT nicht so schnell nutzen werden. Das ist offenbar falsch. Denn das Tool wirkt wie eine Künstliche Intelligenz to go. Jede und jeder kann sie kinderleicht anwenden. Und so verbreitet sie sich unter Schülern wie Studierenden rasend schnell. Überall bereiten sich Lehrerinnen und Lehrer darauf vor, wie sie die KI von ChatGPT nutzen können. Und wie sie sich davor schützen, dass die Schüler damit Hausaufgaben, Referate und vieles mehr lösen. Verschiedene Kultusministerien reagierten auf Nachfrage überrascht. In der Spitze der Häuser ist die Anwendung häufig unbekannt.

Unter Schülern und Studierenden ist das ganz anders. Maria aus Bayern zum Beispiel lässt sich von ChatGPT Tipps geben, was sie zu einem Krimi-Dinner anziehen soll. Die KI hat für sie auch schon eine Bewerbung geschrieben. Ihr Bruder Paul steht kurz vor seiner Bachelor-Arbeit in Informatik. Er wird mit seinem Dozenten nun darüber sprechen, ob er die Arbeit mit oder ohne die Künstliche Intelligenz bearbeiten soll. Der Prüfungs-Alltag der Informatiker hat sich bereits gewandelt: An seinem Institut müssen Studierende Programmier-Klausuren neuerdings auf Papier schreiben. ChatGPT ist die bislang am schnellsten wachsenden Web-Anwendung. Die Eigentümer wollen das bislang kostenfreie Tool bis Ende 2023 monetarisieren. Sie erwarten sich dieses Jahr Einnahmen von 200 Millionen Dollar. 

Kultusminister sehen keine Bedrohung durch die KI

In den Chef-Etagen der Kultusministerien ist das neue Tool entweder nicht bekannt – oder es wird nicht als Risiko gesehen. “Können Sie uns erklären, was Sie damit meinen?” So lautete bei vier von fünf Schulministerien die erste Auskunft auf eine Umfrage von Bildung.Table in Bayern, Hessen, Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Wir wollten wissen: Wie geht das Schulministerium mit ChatGPT um? “ChatGPT kann für Schülerinnen und Schüler zum Beispiel bei Hausaufgaben oder ähnlichem nützlich sein“, sagte die Sprecherin des Kultusministeriums in Sachsen. “Ein Ersatz für einen methodisch und didaktisch geplanten Unterricht wird nicht gesehen.” Eine “solche Bedrohung” sei dem Ministerium nicht bekannt.

In Hessen schlug der Sprecher von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) ähnliche Töne an. Der Einsatz von KI-Anwendungen wie ChatGPT im Unterricht sei keine Bedrohung für Lehrer und Unterricht. “Tools wie ChatGPT können Schülerinnen und Schüler individuell in ihrem Lernprozess unterstützen – und für Lehrkräfte eine Entlastung darstellen.” So könnten sich Lehrer noch mehr um die individuelle Entwicklung der Kinder kümmern. Lorz koordiniert die CDU-regierten Länder in der KMK.

Ein Sprecher des bayerischen Kultusministers Michael Piazolo (Freie Wähler) sah hingegen Veränderungen. “Eine neue Herausforderung bei ChatGPT stellt die Art der Internetrecherche dar.” Schüler müssten lernen, Ergebnisse zu überprüfen und zu verifizieren. In Bayern gibt es seit September einen Modellversuch KI@School. Die Sprecher der Bildungsministerien in NRW und Niedersachsen äußerten sich vor Redaktionsschluss nicht zu dem Thema.

Cheat-Programme verbreiten sich schnell

Der bayerische Seminarlehrer Kai Wörner vom Schulpreisträger “Realschule am Europakanal” in Erlangen beobachtet, dass sich die Schüler auf TikTok über ChatGPT informieren. “Das können sich viele Babyboomer gar nicht vorstellen”, sagte er Bildung.Table, “dass die Verbreitungskanäle von Schülern bei Tools, mit denen man – auf Neudeutsch – cheaten kann, blitzschnell funktionieren.” Wörner leitet am heutigen Mittwoch eine Lehrerfortbildung des bayerischen Lehrer-Bildungsinstituts ALP. Wegen der großen Nachfrage aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland hat die Akademie die Veranstaltung auch für Nicht-Bayern geöffnet. 360 Lehrerinnen und Lehrer haben sich angemeldet. 

Das Thema KI und ChatGPT brenne Lehrerinnen und Lehrern auf den Nägeln, sagt Wörner. “Wir erreichen damit auch Kollegen jenseits der Technik-Bubble. Jeder hat irgendwie schon mal von KI gehört. Aber mit ChatGPT ist die KI für Schule frei verfügbar – also sollten wir die Lehrer auch fit für KI machen.” Fortbildungen dazu gibt es viele, nicht nur in Bayern. In Niedersachsen bietet das Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung, kurz NLQ, im Februar und März eine mehrstündige Fortbildung zu ChatGPT an. Auch das NLQ-Seminar ist für Nicht-Landeskinder offen. Anmelden kann man sich ab 16. Januar. In Hamburg hat die Lehrerbildnerin Regina Schulz schon im Dezember eine Veranstaltung gemacht. Weitere folgen im März und April. Am 10. Januar bietet die Mobile Schule etwas zu ChatGPT an. Der Westermann-Verlag veranstalt am 11. Januar mit dem KI-Experten Florian Nuxoll eine Online-Fortbildung.

Lehrerfortbildung Fobizz integriert ChatGPT

Bereits seit einigen Wochen lässt der private Anbieter Fobizz Lehrkräfte mit einem KI-Assistenten arbeiten. Lehrkräfte können darin die Grundfunktion von ChatGPT nutzen, ohne sich auf der Seite des eigentlichen Anbieters OpenAI anzumelden. Bei Fobizz gebe es “Inspiration für Aufgabenstellungen oder für Unterrichtsentwürfe”, berichtet Diana Knodel, die Gründerin von Fobizz. Im Live-Briefing von Bildung.Table wird sie am 24. Januar mit der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken diskutieren.

“Mit ChatGPT haben wir ein neues Level erreicht”, sagt Knodel. “Man bekommt als Lehrkraft von einer Künstlichen Intelligenz teilweise sogar komplette Aufsätze, mathematische Beweise oder Unterrichtsentwürfe. Das wird und muss schulisches Lernen und Lehren verändern.” Wie Knodel denken auch digital versierte Lehrkräfte. Sie sind sich sicher, dass mit ChatGPT ein ganzes Lehr-Lern-Modell auf den Prüfstand kommt. “Natürlich stellt sich mit ChatGPT die Grundsatzfrage noch stärker”, sagt etwa Jens Großpietsch, pädagogischer Berater der Berliner Freudberg-Schule. “Was müssen Schüler im 21. Jahrhundert noch lernen? Und was müssen sie nicht mehr lernen, weil es Routine-Aufgaben sind, die künftig Assistenzsysteme wie etwa die KI übernimmt?” 

Die neue KI interessiert alle Lehrer – nicht nur IT-Nerds

Der Umgang der Pädagogen mit dem neuen Tool ist ganz unterschiedlich. Patrick Brauweiler aus Köln etwa, der als Learning Consultant Schulen berät, gibt praktische Tipps: “Nutze ChatGPT für Faktenchecks. Ergänze und konkretisiere den artifiziell erzeugten Text mit eigenen Beispielen. Gehe mit dem Text in einen kritischen Dialog.” Der renommierte Bildungsexperte Jens Großpietsch indes stellt Hausaufgaben und Noten infrage. “Auch bei ChatGPT zeigt sich wieder, wie unsinnig Noten sind”, sagte der Begründer des “Wunders von Moabit“. “Wenn überhaupt Noten, dann sollte der Lernfortschritt im Mittelpunkt stehen. Ich kann keine Noten vergeben für Sachen, bei denen ich nicht weiß, ob sie die Künstliche Intelligenz oder der Schüler erledigt hat.”

Für die Schule bedeutet das, nicht nur einzelne Komponenten zu ergänzen oder neu zu denken, sondern die ganze Lernidee neu zu betrachten. Seminarlehrer Kai Wörner spricht von einer Krise der Sachkompetenz. “Schüler haben schnell auf Faktenwissen Zugriff und werden diesen Vorteil auch im Unterricht nutzen. Für uns Lehrer heißt das, dass wir einfache Aufgaben ohne Hinterfragung nicht mehr stellen brauchen. Es wird in Zukunft viel mehr darauf ankommen, dass Schüler ihre Ergebnisse quellenkritsch reflektieren können – etwa vermehrt im Rahmen mündlicher Beiträge.” Für Schule bedeutet dieser Umbau nichts weniger als eine Revolution. Und das Interessante ist: Revolution verstehen diesmal alle Lehrer, die sich einmal ChatGPT angeschaut haben – egal, ob sie Reformpädagogen oder IT-Nerds sind. 

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“Alle paar Wochen ein neues Tool”

Mehr Chancen als Risiken: Forscherin Felicitas Macgilchrist über KI in der Schule.

Sie forschen zu Bildungsmedien, also einem Bereich, in dem ChatGPT für Aufruhr sorgt. Erleben wir gerade eine Revolution?

Nein, als das Medium Film oder der Computer aufkamen, stimmten Beobachter den Abgesang auf das Schulbuch an und dass sich in der Schule fortan alles ändern würde. Das geschah nicht. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich sehe einen Riesenunterschied zwischen dieser KI und dem, was adaptive Lernsoftware bisher als KI vertreiben. Letztere funktionieren bisher nach behavioristischen Lernmodellen, die zeigen, ob eine Antwort richtig oder falsch ist. ChatGPT kann viel mehr als das, aber wird die Institution Schule auch nicht grundlegend verändern, wenn sich die institutionellen Strukturen nicht ändern.

Könnten Hausaufgaben überflüssig werden?

Die Frage nach schriftlichen Hausaufgaben wird jetzt rauf- und runterdiskutiert. Sie ist besonders virulent im US-amerikanischen Kontext. Das dortige Bildungssystem basiert darauf, dass Studierende regelmäßig Essays schreiben müssen. ChatGPT verfasst Texte, die eine Eins bekommen könnten. Sie zeigen die eine Seite, die andere und münden in einer Konklusion: ein ganz klassischer Essaystil. Aufgaben, die automatisiert und schematisch ausgeführt werden können, sind keine Aufgaben mehr für die Schule. Das wird die Institution ändern, aber nicht revolutionieren. Lehrkräfte könnten in Zukunft mehr auf den Prozess des Schreibens und Recherchierens als auf das Produkt schauen.

Künstliche Intelligenz entmystifizieren

Neue Aufgaben für eine neue Zeit – wie ändert ChatGPT die Schule darüber hinaus?

Eine Idee, die diskutiert wird, ist, dass wir ChatGPT wie eine intelligente Suchmaschine behandeln. Das erfordert dieselben kritischen Kompetenzen, die Schüler:innen bereits im Umgang mit Google und Co. lernen sollten. Auf den Lehrplan gehört dann die Frage: Mit welchen Datensätzen wurde die KI trainiert? So kann man reflektieren, welche Antworten zustande kommen und die Idee von KI entmystifizieren. Es ist ein menschengemachtes Programm, das mit menschengemachten Texten trainiert wird und für Fehler und Bias anfällig ist. Eine zweite wichtige Idee ist aber, dass Schüler:innen im Unterricht auch mit dem Tool spielen. Denn Essays schreiben ist wahrlich das Langweiligste, was man damit machen kann.

Was finden Sie denn spannender?

Im Deutschunterricht könnte man ein vom Bot verfasstes Gedicht oder eine Kurzgeschichte analysieren und diskutieren, wie sich die Wissensproduktion wandelt. Man könnte im Geschichtsunterricht den ChatGPT auf Chinesisch, Englisch und Deutsch nach dem Auslöser des Ersten Weltkriegs fragen – und die Antworten vergleichen. In einem Forum las ich von Geschichtsunterricht, in dem Comics von GPT-3 (Vorgängerversion von ChatGPT, Anm. d. R.) erstellt wurden. Die Klasse reflektierte dann, welche Geschichte dabei geschrieben wird und welche Diskriminierung reproduziert werden. Solche kritischen Nutzungsweisen, die Voreingenommenheiten von Machine Learning thematisieren, braucht es.

Schulen brauchen EdTech-Coaches

Wie sollte das System Schule auf intelligente Bots im Klassenzimmer reagieren?

Die Schulfächer müssen Aufgaben stellen, die wirklich nur Schüler:innen beantworten können. Das sind Aufgaben, die bestimmte Kompetenzen und Wissen fördern und die nicht automatisiert erledigt werden können. Jede Lehrkraft muss für sich schauen, welche Aufgaben noch Sinn ergeben. Denn gleichzeitig sollten sie neue Aufgaben entwickeln, die mit ChatGPT spielen. Lehrkräfte brauchen Entwicklungszeit, um ihren Unterricht weiterzudenken.

Zeit, die sie meist nicht haben.

Im besten Fall werden sie durch EdTech-Coaches unterstützt, deren Aufgabe es ist, auf dem neuesten Stand zu sein, sich kreative Angebote zu überlegen und das den Lehrkräften beizubringen. Das spart Zeit. Aber Punkt bei solcher neuen Technologie ist: Ich muss damit herumspielen und mich reinfuchsen, erst dann kann ich damit kritisch umgehen und unterrichten.

KMK soll Plattform für Austausch bauen

Zoomen wir aus dem Unterricht heraus und blicken auf das Bildungssystem. Wie muss die Politik auf die Ankunft von KI im Unterricht reagieren?

Bei Twitter sehen wir, was passiert, wenn einer einzelnen Person eine zentrale Infrastruktur gehört. Die Entwicklung digitaler Infrastruktur muss demokratischer werden, auch für den Bildungsbereich. ChatGPT soll laut Eigentümern bis 2024 eine Milliarde Dollar umsetzen. Das ist ein weiterer großer privater Player, der in den Bildungssektor drängt. Mit der Nationalen Bildungsplattform versucht die Politik in Deutschland eine öffentliche Plattform zu bauen, die unabhängiger von privaten Anbietern ist und die Möglichkeiten für mehr Transparenz und eine partizipative Entwicklung aufzeigt. 

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK schlägt eine Instanz vor, die Tools für die Schule zulässt. Was halten Sie davon?

Die Geschwindigkeiten sind nicht parallel. Es ist sehr schwer, in einem sich schnell bewegenden Feld eine Zulassungsinstanz einzubauen. Denn Digitalität bedeutet: Es gibt alle paar Wochen eine neue Version oder ein neues Tool. Ich würde der KMK eher raten, eine Plattform aufzubauen, wo Lehrkräfte ihre eigene Erfahrung mit EdTech-Tools austauschen. Aber die Plattform muss wirklich auf dem neusten Stand und gut gepflegt sein – und das erfordert Ressourcen. In der Schweiz gibt es eine sehr aktive Plattform, auf der Lehrkräfte Schulbücher evaluieren. Auch in den USA gibt es eine sehr gute Non-Profit-Webseite, die EdTech-Tools evaluieren lässt.

Dann evaluieren Sie doch bitte abschließend ChatGPT.

Bisherige KI-Software basiert meist auf einer sehr einfachen Umsetzung des Skinnerschen Behaviorismus. Das ist okay, denn Schulen brauchen auch das Pauken. Aber klassisches Vokabel- oder Rechnenlernen, wofür KI bisher eingesetzt werden kann, ist eben nur ein Teil von Schule. Ich glaube, dass ChatGPT erstmals zeigt, wie Künstliche Intelligenz in der Schule für mehr genutzt werden kann als reines Pauken – aber nur, wenn die Lehrkräfte Zeit erhalten, um es kreativ einzusetzen und es gemeinsam mit Schüler:innen kritisch zu reflektieren.

Felicitas Macgilchrist ist Professorin am Leibniz-Institut für Bildungsmedien in Braunschweig und leitet den Arbeitsbereich Medienforschung an der Universität Göttingen.

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Quereinsteiger sind mit Job unzufriedener

Quer- oder Seiteneinsteiger sind im Durchschnitt weniger zufrieden in ihrem Beruf als andere Lehrkräfte. Das gilt nicht nur, aber auch für Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie mit über 120.000 Lehrkräften in dreizehn Staaten. Die Forscher haben dafür Daten aus den PISA-Erhebungen der Jahre 2015 und 2018 ausgewertet und die Jobzufriedenheit von “first and second career teachers” verglichen.

Klassisch ausgebildete Lehrkräfte sind also glücklich, Quer- und Seiteneinsteiger unglücklich? So einfach lässt sich das Studienergebnis nicht zusammenfassen, betont Studienleiter Tim Fütterer von der Universität Tübingen: “Es handelt sich um Mittelwerte und die Unterschiede sind klein.”

Studienleiter spricht von einem “Alarmsignal

Über die Unterrichtsqualität derjenigen, die ohne klassische Lehramtsausbildung vor Schulklassen stehen, sage das Studienergebnis ohnehin nichts aus. “Es gibt Befunde, dass die Berufszufriedenheit mit der Qualität des Unterrichtes zusammenhängt. Aber der Schluss, dass die Unterrichtsqualität von Quer- und Seiteneinsteigern niedriger ist, ist nicht zulässig”, sagt Fütterer.

Seine Kollegin Christin Lucksnat forscht an der Universität Potsdam zur Unterrichtsqualität von Quer- und Seiteneinsteigern (Bildung.Table berichtete) und bestätigt diese Aussage. Zufriedenheit im Job könne ein Faktor neben vielen anderen sein, die sich auf die Unterrichtsqualität auswirken. “Der Schluss, dass unzufriedene Lehrkräfte automatisch schlechter unterrichten, ist falsch”.

Dennoch wertet der Bildungsforscher Fütterer das Ergebnis seiner Studie als “Alarmsignal“. Wenn eine Lehrkraft mit ihrem Job unzufrieden ist, könne das viele Folgen haben: “Vielleicht ist sie stärker belastet, auch mit der Unterrichtsvor- und -nachbereitung. Vielleicht ist sie weniger motiviert, Energie in die Arbeit zu investieren”. Das müsse die Politik auf dem Schirm haben, wenn sie in Zeiten des Lehrermangels auf Quer- und Seiteneinsteiger setze.

Mängel in der Ausbildung führen zu Unzufriedenheit

Doch wovon hängt es ab, ob Lehrkräfte zufrieden sind, oder nicht? Fütterer und seine Kollegen sind in ihrer Studie auf unterschiedliche Faktoren gestoßen, die sowohl für klassisch ausgebildete Lehrkräfte als auch für Quer- und Seiteneinsteiger wichtig sind – vom Schülerverhalten bis zur Schulausstattung. Allerdings zeige sich, dass die Erstausbildung eine große Rolle spielt. Für Fütterer ist das Ergebnis wenig überraschend. Im Lehramtsstudium beschäftigten sich die Studierenden von Anfang an mit dem angestrebten Berufsfeld und tauschten sich mit ihren Peers aus. “Quer- und Seiteneinsteiger dagegen bekommen teilweise keine fundierte Ausbildung.”

Von einem Quereinstieg spricht man in Deutschland häufig, wenn ohne Lehramtsstudium das Referendariat absolviert wird. Als Seiteneinsteiger werden hierzulande meist Lehrkräfte bezeichnet, die ohne Lehramtsstudium und ohne Referendariat an den Schulen arbeiten. Sie erwerben häufig berufsbegleitend eine pädagogische Zusatzqualifikation.

Welche Voraussetzungen Quer- und Seiteneinsteiger mitbringen müssen, um an Schulen zu unterrichten, unterscheidet sich in Deutschland von Bundesland zu Bundesland. Eine Übersicht des deutschen Bildungsservers zeigt: In Baden-Württemberg können Interessierte ohne Lehramtsstudium in das Referendariat einsteigen. Berlin stellt für einige Fächer Bewerber ohne Staatsexamen ein. In Mecklenburg-Vorpommern können Lehrkräfte eingestellt werden, die fachliche Qualifikation durch ihre Ausbildung oder Berufserfahrung mitbringen.

Kaum Daten zu erfolgreicher Qualifizierung

Auch die Qualifizierungsprogramme für Quer- und Seiteneinsteiger unterscheiden sich stark, zur Wirksamkeit gibt es bisher kaum Daten. Aus Studien wisse man, was Quer- und Seiteneinsteiger wertschätzen, sagt Fütterer:

  • Mentoring
  • Hospitationen in Lehrproben
  • gemeinsame Unterrichtsvorbereitungen
  • fachlichen Austausch über Schülerinnen und Schüler
  • Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien

Viele dieser Aspekte finden in einer regulären Lehramtsausbildung statt und könnten Quer- und Seiteneinsteigern damit fehlen. Wichtig findet der Tübinger Bildungsforscher vor allem, dass Quer- und Seiteneinsteiger systematisch an den Lehrerberuf und das Unterrichten herangeführt werden, anstatt sich auf “Trial-and-Error” oder “Learning-by-Doing” verlassen zu müssen.

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News

Sachsen-Anhalt will Erzieher als Hilfslehrer einsetzen

Sachsen-Anhalt beabsichtigt, wegen des Lehrermangels Erzieher aus Horten mindestens als Vertretungslehrer an Grundschulen zuzulassen. Auf diese Weise will die Staatsregierung dem zwischen Salzwedel und Halle besonders gravierenden Lehrermangel entgegengetreten. Entsprechende Überlegungen bestätigten sowohl das Bildungsministerium als auch die Staatskanzlei in Magdeburg gegenüber Bildung.Table.

Der erste Schritt dahin wäre, die Zuständigkeit für Horterzieher wieder in das Bildungsministerium von Eva Feußner (CDU) zurückzuholen. Darüber gibt es konkrete Gespräche. Im Moment liegt die Verantwortung für Horte im Sozialministerium. 

Sachsen-Anhalt war bereits im vergangenen Jahr mit einer spektakulären Maßnahme bundesweit aufgefallen. Das Land führte an diversen Schulen die Vier-Tage-Woche ein. Das heißt, die Schüler bleiben einen Tag pro Woche zu Hause und werden per Digitalunterricht betreut. Oder sie machen einen Praktikumstag. Nach Informationen von Bildung.Table ist allerdings bereits die erste Schule wieder abgesprungen. Die Gemeinschaftsschule konnte nicht genug “Ein-Tag”-Praktikumsplätze für ihre Schülerschaft finden. Anders als die Schulen wollten, wird aus der Vier-Tage-Woche auch kein offizieller Schulversuch. Dann würden die Schulen besondere Rechte und Unterstützung erhalten.

Ministerpräsident Haseloff macht den Lehrermangel zur Chefsache

Dagegen scheint die Variante, Horterzieher aufzuwerten, nun höhere Priorität zu erlangen. “Schule und Hort sollten denselben Träger haben, um Synergien zu heben”, sagte etwa CDU-Fraktionschef Guido Heuer einer Regionalzeitung. Es gelte für ihn als Unterricht, wenn eine Hortnerin in der zweiten Klasse in Deutsch oder Mathe vertrete. Die Variante, Erzieher als Hilfslehrer einzusetzen, hätte den Vorteil, heißt es in der CDU-Fraktion, “dass die Hortnerinnen schon da sind – und sofort für Entlastungen sorgen könnten.” Der Lehrermangel ist in Sachsen-Anhalt auch an Grundschulen gravierend. Eine Grundschule etwa hat nur noch 57 Prozent ihres eigentlich vorgesehenen Personals.

Der Sprecher der Staatskanzlei betonte: “Wir müssen an allen Stellschrauben drehen. Wir werden also auch diese Idee aufgreifen.” Um den Lehrermangel zu beherrschen, ist für den 19. Januar ein Bildungsgipfel in der Staatskanzlei in Magdeburg geplant. Ministerpräsident Rainer Haseloff wolle Bildung zum Chefthema machen. Zu dem Gipfel sind Handwerk, Wirtschaft, Kommunen und Lehrergewerkschaften eingeladen. Nach Informationen von Bildung.Table ist das von der SPD geführte Sozialministerium allerdings gegen die Aufwertung der Hortnerinnen. Die CDU hingegen wolle das Thema Hortner mit der Brechstange durchsetzen. Daher werde es zu einem Konflikt in der CDU/SPD/FDP-Koalition kommen. Christian Füller

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Initiative aus Bayern: Bund soll Meisterausbildung finanzieren

Bayern will, dass der Bund künftig sämtliche Kosten für die Meisterausbildung übernimmt. Dafür hat das bayerische Kabinett eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Profitieren soll auch, wer eine gleichgelagerte Fortbildung macht – etwa zum Techniker, Fachwirt oder Betriebswirt. Der Bund soll dafür das Aufstiegsfortbildungsgesetz und damit das Aufstiegs-BAföG reformieren. Bisher kann er damit etwa die Hälfte der Fortbildungskosten übernehmen.

Die Reform soll zu mehr Gleichbehandlung mit dem kostenfreien Hochschulstudium führen, betonte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Im Juli hatte der Freie-Wähler-Chef bereits vorgerechnet, dass der Bund für die kostenlose Meisterausbildung allein in Bayern rund 220 Millionen Euro zur Verfügung stellen müsste. Auch Bayern müsste dann noch 92 Millionen Euro beisteuern, so Aiwanger.

Jörg Dittrich, neuer Verbandschef des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), sagte Anfang der Woche der Bild-Zeitung, der Mangel an Handwerkern werde sich in diesem Jahr weiter verschärften, Ende 2023 könnte die Wartezeit für einen Termin bis zu sechs Monate betragen. Aktuell müssen Verbraucher etwa drei Monate warten, laut Schätzung des ZDH sind 250.000 Handwerker-Stellen unbesetzt.

Elf Länder zahlen Prämien oder Boni

Je nach Gewerk kostet eine Meisterausbildung 6.000 bis zu mehr als 18.000 Euro, Kosten für Lernmittel und Materialien ausgenommen. Viele absolvieren sie daher berufsbegleitend. Angestellte können mit dem Meister ihr Einkommen steigern. In zahlreichen Handwerksberufen kann man sich zudem nur mit Meistertitel selbständig machen. Aktuell suchen vielen Betriebsinhaber aus Altersgründen Nachwuchs.

Bisher zahlen elf Bundesländer bei abgeschlossener Fortbildung Prämien oder Boni. Baden-Württemberg und Thüringen belohnen nur Handwerksmeister. Bayern zahlt auch nach dem Abschluss einer gleichwertigen Fortbildung 2.000 Euro. NRW will Handwerks-Meistern nach erfolgreicher Prüfung über 2.500 Euro zahlen. Am spendabelsten sind bisher Bremen und Niedersachsen mit Prämien über 4.000 Euro. Die Zahlungen der Länder wirken sich laut BMBF nicht auf Leistungen des Aufstiegs-BAföG aus. Anna Parrisius

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Bundestagspräsidentin Bas will Schulpolitik neu sortieren

Bärbel Bas beklagt “institutionelle Lähmung” in der Schulpolitik.

Die Liste der Unterstützer einer grundlegenden Bildungsreform wird länger. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fordert im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung Bund, Länder und Kommunen auf, eine gemeinsame Föderalismus-Kommission einzusetzen. Ziel müsse es sein, das Kompetenzchaos im Bildungswesen neu zu sortieren. In der Schulpolitik gebe es eine “besonders schädliche institutionelle Lähmung“, betont die SPD-Politikerin.

“Die Kommunen sind für Gebäude zuständig, die Länder für Personal und Finanzen, und der Bund allenfalls behelfsmäßig wie beim Digitalpakt. Es klappt vorne und hinten nicht“, sagt sie. “Finanzschwache Kommunen haben kein Geld für angemessene Gebäude und Ausstattung, geschweige denn für eine besondere Förderung. Dabei bräuchten wir gerade in sozialen Brennpunkten die besten Schulen.”

Bas knüpft damit direkt an einen Vorschlag des Polit-Urgesteins Wolfgang Schäuble an, der in einer Rede im Dezember eine politikfeldübergreifende Staatsreform angemahnt hat. “Niemand behauptet ernsthaft, dass die föderale Ordnung unseres Landes derzeit in guter Verfassung sei”, bilanzierte Schäuble. Bas nutzt diese Vorlage nun. “Wir sollten im Kleinen beginnen und unsere Kräfte auf eine Reform des Bildungswesens fokussieren.” dpa/bau

Lesen Sie auch: Interview mit Thomas de Maizière – “Kooperation vollständig unsystematisch”

Jeder zweite Privatschüler aus Akademiker-Haushalt

Die soziale Durchmischung an Privatschulen ist gering. Jeder zweite Schüler einer Privatschule hat Eltern mit einem Hochschulabschluss, während an öffentlichen Schulen ein Drittel Akademiker-Kinder sind. Verglichen mit öffentlichen Schulen besuchen zudem nur etwa halb so viele Kinder mit Migrationshintergrund Privatschulen. Das sind Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie untersucht die örtliche Verteilung von Privatschulen und die Struktur der Schülerschaft.

Der Ost-West-Vergleich zeigt: Im Osten Deutschlands besuchen elf Prozent der Schüler eine Privatschule – zwei Prozent mehr als in Westdeutschland. Ein Viertel aller Schüler aus Akademiker-Haushalten in Ostdeutschland besuchen eine Privatschule. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Privatschulen sind im Osten Deutschlands breiter und zufälliger verteilt als im Westen. Es gibt sie also nicht nur dort, wo vorwiegend privilegierte Familien wohnen.

Studienautoren plädieren für bindende Schulgeld-Staffelung

Das Schulgeld ist einer der Gründe, aus denen sich Kinder aus einkommensschwachen Familien gegen den Besuch einer Privatschule entscheiden. Laut den Studienautoren sei es notwendig, das Schulgeldsystem zu reformieren. Sie fordern einheitliche und bindende Standards für die Einkommensstaffelung beim Schulgeld.

Doch das Schulgeld ist nicht der alleinige Grund, dass sich Kinder gegen Privatschulen entscheiden. Haushalte mit niedrigem Einkommen und ohne Hochschulbildung nehmen private Schulen erst gar nicht als Wahloption wahr, so Felix Weinhardt, Studienautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es Bedarf nach einem breiter zugänglichen Informationsangebot über Privatschulen gibt. Doch Weinhardt betont auch: “Politisch sollte Priorität haben, das öffentliche Bildungssystem für Akademiker:innenhaushalte wieder attraktiver zu machen, damit diese sich nicht zunehmend für Privatschulen entscheiden.” 

Das DIW hatte unter Beteiligung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) sowie amtliche Schuldaten ausgewertet. Insgesamt analysierten die Forscher Daten von mehr als 7.000 Schülern aus den Jahren 2002 bis 2019. Anouk Schlung

  • WZB

Heads

Gerd Woweries – setzt auf Augmented Reality in der Ausbildung

Gerd Woweries, Leiter des ABB Ausbildungszentrums Berlin.

Gerd Woweries hat große Pläne für die Zukunft der dualen Berufsausbildung – digitaler soll sie werden und nachhaltiger. Woweries leitet das ABB Ausbildungszentrum (AZB) Berlin, den Ausbildungsbetrieb des Technologie-Konzerns ABB. Kleine und mittlere Unternehmen schicken ihre Azubis dorthin – damit sie Inhalte lernen, die die Betriebe ihnen selbst nicht vermitteln können. 800 junge Menschen in 18 Berufen der Metall- und Elektrotechnik nehmen aktuell an der Verbundausbildung teil. Die Azubis kommen aus 150 Unternehmen, zum Beispiel vom Heiz- und Klimatechnik-Unternehmen Viessmann oder vom Automobilzulieferer Brose.  

Woweries selbst absolvierte keine Berufsausbildung, er studierte Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Anschluss leitete er die Rechtsabteilung der Industrie- und Handelskammer Berlin und wechselte erst von dort in den Ausbildungsbereich der IHK. Leiter des ABB Ausbildungszentrums ist Woweries seit März 2015. Dort gilt für ihn: “Wir digitalisieren nicht auf Teufel komm raus, sondern da, wo es sinnvoll und notwendig ist!”

Realistische Ausbildung mit dem digitalen Schweißkabinett

Sinnvoll und notwendig findet Woweries Tools wie das digitale Schweißkabinett. Mit Augmented-Reality-Brillen und virtuellen Coaches können Azubis damit im realitätsnahen Simulationsmodus auf nachhaltige Weise schweißen lernen. Die digitalen Kabinette verbrauchen weniger Strom und Schweißgase. Sie garantieren zudem Anlagenmechanik- oder Mechatronik-Azubis, die noch in den Grundzügen ihrer Ausbildung sind, mehr Arbeitssicherheit. 

Einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft will Woweries’ Ausbildungszentrum mit dem Bau einer Industrie 4.0-Anlage gehen, einer Hightech-Anlage mit Robotern und Augmented Reality. In ihr sollen Fachkräfte künftig Weiterbildungen erhalten. Aber: Nicht alles, was digital ist, hält Woweries für die beste Wahl. So entschied sich das AZB gegen die Anschaffung digitaler Schaltschränke. Wenn Elektrotechnik-Azubis lernen, wie man schaltet, sei es wichtig, dass sie selbst Hand anlegen, also auch haptisch lernen.

Mismatching als zentrales Problem

Über sein Ausbildungszentrum hinaus will Woweries die duale Ausbildung verbessern: Er sitzt beim Berufsbildungsausschuss der IHK Berlin vor. Ein solches Gremium haben alle Kammern, sei es im Handwerk oder in den freien Berufen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheiden darin über den Bau überbetrieblicher Berufsbildungsstätten oder Rechtsvorschriften für die Berufsbildung, außerdem achten sie auf die Qualität von Prüfungen. 

Daneben ist Woweries Mitglied der ReforminitiativeBerufliche Bildung 2026“. Ihr Ziel: die berufliche Bildung in Berlin zukunftsfähig machen. Herausforderungen, die Woweries sieht, reichen weit in die Phase, bevor Jugendliche überhaupt in Ausbildung kommen: Zuvorderst müssten die Bundesagentur, Politik und Unternehmen dafür sorgen, dass mehr Jugendliche eine Lehrstelle bekommen. Denn obwohl viele Unternehmen händeringend Azubis suchen, gehen viele Ausbildungssuchende leer aus.

Auch die allgemeinbildenden Schulen sollten besser werden – um “den hohen Anforderungen, die Wirtschaft oder Universitäten vorgeben”, noch beikommen zu können. Schon jetzt reiche die Allgemeinbildung vieler Azubis nicht aus. Ebenso wenig ihre Vorbereitung auf die rasante technische Entwicklung.  

Und: Woweries plädiert dafür, bessere Berufsorientierung zum Standard zu machen. Schüler sollten die Vielfalt der dualen Ausbildungen kennenlernen, von den Karrierechancen erfahren. Die Politik müsse ein neues Bewusstsein schaffen – und Unternehmen, indem sie verstärkt in Schulen und den öffentlichen Raum gehen. Der Konzern ABB tut dies bereits mit dem Projekt Girlsatec, das das Land Berlin fördert. Junge Frauen, die sich noch in einer gewerblich-technischen Ausbildung befinden oder diese bereits abgeschlossen haben, gehen dabei in Schulen und berichten Mädchen und anderen Frauen von ihren Erfahrungen. Anouk Schlung 

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Presseschau

Bundesländervergleich: Maßnahmen gegen Lehrermangel SZ
Allmendinger fordert “Dienstags für die Bildung” WIARDA
Klett-Erbe will BNE zur Dekadenaufgabe machen FAZ
Interview zum Amtsantritt: Busse gibt sich selbstbewusst SPIEGEL
Olaf Köller: Bildungssystem im Jahresrückblick CAMPUS SCHULMANAGEMENT
Neufinanzierung von Schulen – essenziell für Bildungsgerechtigkeit WIARDA
PISA-Chef warnt vor wachsender Chancenungleichheit STUTTGARTER ZEITUNG
Der Lehrermangel in Zahlen SZ
VBE-Vorsitzender Brand über das Kernproblem der Bildungskrise WELT
Baden-Württemberg: Bildungsreform per Volksantrag FAZ
Sozialpädagogin Claus-Szygowski über Armut in der Schule DEUTSCHES SCHULPORTAL
Videospiele und ihr Potenzial für die Schule ZDF

Termine

11. Januar 2023, 18:00 bis 19:30 Uhr, online
Teacher Education: Meeting the Challenge of Quality Preparation and Teacher Shortages
Die Universitäten Dresden, Hannover, Münster und Tübingen richten sich mit dieser Veranstaltungsreihe an fachkundige Akteure und Forschende in der Lehrerbildung. Es werden grundlegende Strukturprobleme und drängende Herausforderungen thematisiert und unter Berücksichtigung des nationalen und internationalen Forschungsdiskurses aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. INFOS & ANMELDUNG

16. Januar 2023, 10:45 bis 12:45 Uhr, online
e-teaching.org-Themenspecial: Hybride Lernräume gestalten – Beispiele aud der Praxis
Diese Veranstaltung richtet den Blick auf die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten hybrider Lernräume im Hochschulkontext. Fragen, die thematisiert werden, sind zum Beispiel: Welche digitale Raumgestaltung passt zu welchen Nutzungsszenarien? Wie lassen sich physisch-analoge und digital-virtuelle Lernräume sinnvoll miteinander verknüpfen? INFOS & ANMELDUNG

17. Januar 2023, 10:00 bis 12:00 Uhr, online
Vorstellung der Forschungsergebnisse des ECaRoM-Projektes: Wie können fürsorgliche Männlichkeiten in Kindertagesstätten und der Grundschule gestärkt werden?
ECaRoM” steht für Early care and the role of men: Die Förderung fürsorglicher Männlichkeiten in der frühen Erziehung und Bildung. Das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt beschäftigt sich mit der Verbindung von frühkindlicher geschlechterreflektierter Pädagogik, Fürsorge und Männlichkeit. In der Vorstellung der Forschungsergebnisse geht es zudem um praktische Methoden und deren Einsatz im Kita- oder Grundschulalltag. INFOS & ANMELDUNG

18. Januar 2023, 17:00 bis 19:00 Uhr, online
GEW-Fachgespräch: Arbeitszeiterfassung ja, Stechuhr nein!
Der Jurist Simon Pschorr wird in diesem Fachgespräch über die Konsequenzen des BAG-Urteils zur Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sprechen. Welche Auswirkungen das Urteil für Hochschule und Forschung hat, wird genauso beleuchtet wie die Frage, wie Arbeitszeit erfasst und dennoch Flexibilität gewährt bleiben kann. INFOS & ANMELDUNG

18. und 19. Januar 2023, online
Tagung: Hochschule digital.innovativ
Hochschullehre in großen und kleinen Gruppen ist das Thema der diesjährigen Online-Tagung Hochschule digital.innovativ. Im Zuge vom Austausch von Erfahrungen und vom Entwickeln von Zukunftsvisionen, geht es um die Frage, wie digitale Tools und Lernplattformen didaktisch sinnvoll eingesetzt werden können. INFOS & ANMELDUNG

20. Januar 2023
Bewerbungsschluss: Smart-School-Wettbewerb 2023
Bis Mitte Januar können sich Schulen für eine Teilnahme am Smart-School-Wettbewerb 2023 bewerben. Gewinnerschulen erwartet eine Auszeichnung mit dem Siegel Smart School und eine Mitgliedschaft in einem bundesweiten Netz digitaler Vorreiterschulen. INFOS

BILDUNG.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • KI-Tool mischt Schulen auf – Kultusministerien planlos
    • Forscherin Macgilchrist: ChatGPT ist keine Revolution
    • Studie zur Berufszufriedenheit von Quereinsteigern
    • Sachsen-Anhalt plant Erzieher-Einsatz an Schulen
    • Meisterausbildung: Bayern bittet den Bund zur Kasse
    • Bundestagspräsidentin strebt Schulreform an
    • Akademiker-Überhang an Privatschulen
    • Heads: Gerd Woweries setzt auf Augmented Reality in der Ausbildung
    • Presseschau
    • Termine
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    ein Thema, das die Bildungswelt 2023 beschäftigen wird, steht bereits fest: die Ankunft künstlicher Intelligenz in der Schule. Der intelligente Bot ChatGPT kommt rasend schnell in den Klassenzimmern an, wie unsere Analyse zeigt. Lehrer sind aufgeschreckt, Fortbildungen zum Thema überbucht. Derweil kennen die meisten Kultusministerien das Tool noch gar nicht.

    Von einer Revolution möchte Deutschlands führende Forscherin zu Bildungsmedien, Felicitas Macgilchrist, im Interview nicht sprechen. Dennoch sieht sie Schulen vor einem großen Wandel. Jeder Lehrer müsse jetzt prüfen, welche Aufgabenstellungen überhaupt noch Sinn ergeben. Wie die Politik das unterstützen kann? EdTech-Coaches an die Schulen schicken und eine Plattform aufbauen, auf der Lehrer Tools evaluieren.

    Das wird auch Thema unseres nächsten Live-Briefings sein. Dann diskutieren wir mit der SPD-Vorsitzenden und Digitalpolitikerin Saskia Esken über “Neue KI in der Schule”. Mit am Tisch sitzt die Gründerin der Weiterbildungsplattform Fobizz, Diana Knodel. Merken Sie sich jetzt bereits den 24. Januar, 12 Uhr vor. Hier geht’s zur kostenfreien Anmeldung.

    In der heutigen Ausgabe blicken wir auf ein weiteres Megathema: Fachkräftemangel in Schulen. Quereinsteiger füllen bekanntlich die Löcher in der Personaldecke. Nun zeigt eine Studie, dass sie unzufriedener sind als ihre Kollegen mit Lehramtsabschluss. Forscher sehen das als Alarmsignal und zeigen, woran das liegt und was zu tun ist.

    Ins neue Jahr startet Table.Media übrigens mit einem neuen Produkt. Wir haben den Bildung.Table für Sie erweitert – im Berlin.Table finden Sie jetzt in unserem Late.Night Memo für die Hauptstadt bereits am Vorabend das Wichtigste aus der Bundespolitik mit Bezug zu Bildungsthemen. Wir sind gespannt, wie es Ihnen gefällt.

    Im Namen der Redaktion wünsche ich Ihnen ein schönes, erfolgreiches und vor allem friedliches neues Jahr!

    Ihr
    Niklas Prenzel
    Bild von Niklas  Prenzel
    • KI in der Schule

    Analyse

    KI setzt Schulen unter Druck – und Kultusminister

    Der oberste wissenschaftliche Berater der Kultusminister hat sich getäuscht. Olaf Köller hatte Bildung.Table im Gespräch vorhergesagt, dass Schüler das neue barrierefreie Tool für Künstliche Intelligenz ChatGPT nicht so schnell nutzen werden. Das ist offenbar falsch. Denn das Tool wirkt wie eine Künstliche Intelligenz to go. Jede und jeder kann sie kinderleicht anwenden. Und so verbreitet sie sich unter Schülern wie Studierenden rasend schnell. Überall bereiten sich Lehrerinnen und Lehrer darauf vor, wie sie die KI von ChatGPT nutzen können. Und wie sie sich davor schützen, dass die Schüler damit Hausaufgaben, Referate und vieles mehr lösen. Verschiedene Kultusministerien reagierten auf Nachfrage überrascht. In der Spitze der Häuser ist die Anwendung häufig unbekannt.

    Unter Schülern und Studierenden ist das ganz anders. Maria aus Bayern zum Beispiel lässt sich von ChatGPT Tipps geben, was sie zu einem Krimi-Dinner anziehen soll. Die KI hat für sie auch schon eine Bewerbung geschrieben. Ihr Bruder Paul steht kurz vor seiner Bachelor-Arbeit in Informatik. Er wird mit seinem Dozenten nun darüber sprechen, ob er die Arbeit mit oder ohne die Künstliche Intelligenz bearbeiten soll. Der Prüfungs-Alltag der Informatiker hat sich bereits gewandelt: An seinem Institut müssen Studierende Programmier-Klausuren neuerdings auf Papier schreiben. ChatGPT ist die bislang am schnellsten wachsenden Web-Anwendung. Die Eigentümer wollen das bislang kostenfreie Tool bis Ende 2023 monetarisieren. Sie erwarten sich dieses Jahr Einnahmen von 200 Millionen Dollar. 

    Kultusminister sehen keine Bedrohung durch die KI

    In den Chef-Etagen der Kultusministerien ist das neue Tool entweder nicht bekannt – oder es wird nicht als Risiko gesehen. “Können Sie uns erklären, was Sie damit meinen?” So lautete bei vier von fünf Schulministerien die erste Auskunft auf eine Umfrage von Bildung.Table in Bayern, Hessen, Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Wir wollten wissen: Wie geht das Schulministerium mit ChatGPT um? “ChatGPT kann für Schülerinnen und Schüler zum Beispiel bei Hausaufgaben oder ähnlichem nützlich sein“, sagte die Sprecherin des Kultusministeriums in Sachsen. “Ein Ersatz für einen methodisch und didaktisch geplanten Unterricht wird nicht gesehen.” Eine “solche Bedrohung” sei dem Ministerium nicht bekannt.

    In Hessen schlug der Sprecher von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) ähnliche Töne an. Der Einsatz von KI-Anwendungen wie ChatGPT im Unterricht sei keine Bedrohung für Lehrer und Unterricht. “Tools wie ChatGPT können Schülerinnen und Schüler individuell in ihrem Lernprozess unterstützen – und für Lehrkräfte eine Entlastung darstellen.” So könnten sich Lehrer noch mehr um die individuelle Entwicklung der Kinder kümmern. Lorz koordiniert die CDU-regierten Länder in der KMK.

    Ein Sprecher des bayerischen Kultusministers Michael Piazolo (Freie Wähler) sah hingegen Veränderungen. “Eine neue Herausforderung bei ChatGPT stellt die Art der Internetrecherche dar.” Schüler müssten lernen, Ergebnisse zu überprüfen und zu verifizieren. In Bayern gibt es seit September einen Modellversuch KI@School. Die Sprecher der Bildungsministerien in NRW und Niedersachsen äußerten sich vor Redaktionsschluss nicht zu dem Thema.

    Cheat-Programme verbreiten sich schnell

    Der bayerische Seminarlehrer Kai Wörner vom Schulpreisträger “Realschule am Europakanal” in Erlangen beobachtet, dass sich die Schüler auf TikTok über ChatGPT informieren. “Das können sich viele Babyboomer gar nicht vorstellen”, sagte er Bildung.Table, “dass die Verbreitungskanäle von Schülern bei Tools, mit denen man – auf Neudeutsch – cheaten kann, blitzschnell funktionieren.” Wörner leitet am heutigen Mittwoch eine Lehrerfortbildung des bayerischen Lehrer-Bildungsinstituts ALP. Wegen der großen Nachfrage aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland hat die Akademie die Veranstaltung auch für Nicht-Bayern geöffnet. 360 Lehrerinnen und Lehrer haben sich angemeldet. 

    Das Thema KI und ChatGPT brenne Lehrerinnen und Lehrern auf den Nägeln, sagt Wörner. “Wir erreichen damit auch Kollegen jenseits der Technik-Bubble. Jeder hat irgendwie schon mal von KI gehört. Aber mit ChatGPT ist die KI für Schule frei verfügbar – also sollten wir die Lehrer auch fit für KI machen.” Fortbildungen dazu gibt es viele, nicht nur in Bayern. In Niedersachsen bietet das Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung, kurz NLQ, im Februar und März eine mehrstündige Fortbildung zu ChatGPT an. Auch das NLQ-Seminar ist für Nicht-Landeskinder offen. Anmelden kann man sich ab 16. Januar. In Hamburg hat die Lehrerbildnerin Regina Schulz schon im Dezember eine Veranstaltung gemacht. Weitere folgen im März und April. Am 10. Januar bietet die Mobile Schule etwas zu ChatGPT an. Der Westermann-Verlag veranstalt am 11. Januar mit dem KI-Experten Florian Nuxoll eine Online-Fortbildung.

    Lehrerfortbildung Fobizz integriert ChatGPT

    Bereits seit einigen Wochen lässt der private Anbieter Fobizz Lehrkräfte mit einem KI-Assistenten arbeiten. Lehrkräfte können darin die Grundfunktion von ChatGPT nutzen, ohne sich auf der Seite des eigentlichen Anbieters OpenAI anzumelden. Bei Fobizz gebe es “Inspiration für Aufgabenstellungen oder für Unterrichtsentwürfe”, berichtet Diana Knodel, die Gründerin von Fobizz. Im Live-Briefing von Bildung.Table wird sie am 24. Januar mit der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken diskutieren.

    “Mit ChatGPT haben wir ein neues Level erreicht”, sagt Knodel. “Man bekommt als Lehrkraft von einer Künstlichen Intelligenz teilweise sogar komplette Aufsätze, mathematische Beweise oder Unterrichtsentwürfe. Das wird und muss schulisches Lernen und Lehren verändern.” Wie Knodel denken auch digital versierte Lehrkräfte. Sie sind sich sicher, dass mit ChatGPT ein ganzes Lehr-Lern-Modell auf den Prüfstand kommt. “Natürlich stellt sich mit ChatGPT die Grundsatzfrage noch stärker”, sagt etwa Jens Großpietsch, pädagogischer Berater der Berliner Freudberg-Schule. “Was müssen Schüler im 21. Jahrhundert noch lernen? Und was müssen sie nicht mehr lernen, weil es Routine-Aufgaben sind, die künftig Assistenzsysteme wie etwa die KI übernimmt?” 

    Die neue KI interessiert alle Lehrer – nicht nur IT-Nerds

    Der Umgang der Pädagogen mit dem neuen Tool ist ganz unterschiedlich. Patrick Brauweiler aus Köln etwa, der als Learning Consultant Schulen berät, gibt praktische Tipps: “Nutze ChatGPT für Faktenchecks. Ergänze und konkretisiere den artifiziell erzeugten Text mit eigenen Beispielen. Gehe mit dem Text in einen kritischen Dialog.” Der renommierte Bildungsexperte Jens Großpietsch indes stellt Hausaufgaben und Noten infrage. “Auch bei ChatGPT zeigt sich wieder, wie unsinnig Noten sind”, sagte der Begründer des “Wunders von Moabit“. “Wenn überhaupt Noten, dann sollte der Lernfortschritt im Mittelpunkt stehen. Ich kann keine Noten vergeben für Sachen, bei denen ich nicht weiß, ob sie die Künstliche Intelligenz oder der Schüler erledigt hat.”

    Für die Schule bedeutet das, nicht nur einzelne Komponenten zu ergänzen oder neu zu denken, sondern die ganze Lernidee neu zu betrachten. Seminarlehrer Kai Wörner spricht von einer Krise der Sachkompetenz. “Schüler haben schnell auf Faktenwissen Zugriff und werden diesen Vorteil auch im Unterricht nutzen. Für uns Lehrer heißt das, dass wir einfache Aufgaben ohne Hinterfragung nicht mehr stellen brauchen. Es wird in Zukunft viel mehr darauf ankommen, dass Schüler ihre Ergebnisse quellenkritsch reflektieren können – etwa vermehrt im Rahmen mündlicher Beiträge.” Für Schule bedeutet dieser Umbau nichts weniger als eine Revolution. Und das Interessante ist: Revolution verstehen diesmal alle Lehrer, die sich einmal ChatGPT angeschaut haben – egal, ob sie Reformpädagogen oder IT-Nerds sind. 

    • ChatGPT
    • Künstliche Intelligenz
    • Lehrerfortbildung

    “Alle paar Wochen ein neues Tool”

    Mehr Chancen als Risiken: Forscherin Felicitas Macgilchrist über KI in der Schule.

    Sie forschen zu Bildungsmedien, also einem Bereich, in dem ChatGPT für Aufruhr sorgt. Erleben wir gerade eine Revolution?

    Nein, als das Medium Film oder der Computer aufkamen, stimmten Beobachter den Abgesang auf das Schulbuch an und dass sich in der Schule fortan alles ändern würde. Das geschah nicht. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich sehe einen Riesenunterschied zwischen dieser KI und dem, was adaptive Lernsoftware bisher als KI vertreiben. Letztere funktionieren bisher nach behavioristischen Lernmodellen, die zeigen, ob eine Antwort richtig oder falsch ist. ChatGPT kann viel mehr als das, aber wird die Institution Schule auch nicht grundlegend verändern, wenn sich die institutionellen Strukturen nicht ändern.

    Könnten Hausaufgaben überflüssig werden?

    Die Frage nach schriftlichen Hausaufgaben wird jetzt rauf- und runterdiskutiert. Sie ist besonders virulent im US-amerikanischen Kontext. Das dortige Bildungssystem basiert darauf, dass Studierende regelmäßig Essays schreiben müssen. ChatGPT verfasst Texte, die eine Eins bekommen könnten. Sie zeigen die eine Seite, die andere und münden in einer Konklusion: ein ganz klassischer Essaystil. Aufgaben, die automatisiert und schematisch ausgeführt werden können, sind keine Aufgaben mehr für die Schule. Das wird die Institution ändern, aber nicht revolutionieren. Lehrkräfte könnten in Zukunft mehr auf den Prozess des Schreibens und Recherchierens als auf das Produkt schauen.

    Künstliche Intelligenz entmystifizieren

    Neue Aufgaben für eine neue Zeit – wie ändert ChatGPT die Schule darüber hinaus?

    Eine Idee, die diskutiert wird, ist, dass wir ChatGPT wie eine intelligente Suchmaschine behandeln. Das erfordert dieselben kritischen Kompetenzen, die Schüler:innen bereits im Umgang mit Google und Co. lernen sollten. Auf den Lehrplan gehört dann die Frage: Mit welchen Datensätzen wurde die KI trainiert? So kann man reflektieren, welche Antworten zustande kommen und die Idee von KI entmystifizieren. Es ist ein menschengemachtes Programm, das mit menschengemachten Texten trainiert wird und für Fehler und Bias anfällig ist. Eine zweite wichtige Idee ist aber, dass Schüler:innen im Unterricht auch mit dem Tool spielen. Denn Essays schreiben ist wahrlich das Langweiligste, was man damit machen kann.

    Was finden Sie denn spannender?

    Im Deutschunterricht könnte man ein vom Bot verfasstes Gedicht oder eine Kurzgeschichte analysieren und diskutieren, wie sich die Wissensproduktion wandelt. Man könnte im Geschichtsunterricht den ChatGPT auf Chinesisch, Englisch und Deutsch nach dem Auslöser des Ersten Weltkriegs fragen – und die Antworten vergleichen. In einem Forum las ich von Geschichtsunterricht, in dem Comics von GPT-3 (Vorgängerversion von ChatGPT, Anm. d. R.) erstellt wurden. Die Klasse reflektierte dann, welche Geschichte dabei geschrieben wird und welche Diskriminierung reproduziert werden. Solche kritischen Nutzungsweisen, die Voreingenommenheiten von Machine Learning thematisieren, braucht es.

    Schulen brauchen EdTech-Coaches

    Wie sollte das System Schule auf intelligente Bots im Klassenzimmer reagieren?

    Die Schulfächer müssen Aufgaben stellen, die wirklich nur Schüler:innen beantworten können. Das sind Aufgaben, die bestimmte Kompetenzen und Wissen fördern und die nicht automatisiert erledigt werden können. Jede Lehrkraft muss für sich schauen, welche Aufgaben noch Sinn ergeben. Denn gleichzeitig sollten sie neue Aufgaben entwickeln, die mit ChatGPT spielen. Lehrkräfte brauchen Entwicklungszeit, um ihren Unterricht weiterzudenken.

    Zeit, die sie meist nicht haben.

    Im besten Fall werden sie durch EdTech-Coaches unterstützt, deren Aufgabe es ist, auf dem neuesten Stand zu sein, sich kreative Angebote zu überlegen und das den Lehrkräften beizubringen. Das spart Zeit. Aber Punkt bei solcher neuen Technologie ist: Ich muss damit herumspielen und mich reinfuchsen, erst dann kann ich damit kritisch umgehen und unterrichten.

    KMK soll Plattform für Austausch bauen

    Zoomen wir aus dem Unterricht heraus und blicken auf das Bildungssystem. Wie muss die Politik auf die Ankunft von KI im Unterricht reagieren?

    Bei Twitter sehen wir, was passiert, wenn einer einzelnen Person eine zentrale Infrastruktur gehört. Die Entwicklung digitaler Infrastruktur muss demokratischer werden, auch für den Bildungsbereich. ChatGPT soll laut Eigentümern bis 2024 eine Milliarde Dollar umsetzen. Das ist ein weiterer großer privater Player, der in den Bildungssektor drängt. Mit der Nationalen Bildungsplattform versucht die Politik in Deutschland eine öffentliche Plattform zu bauen, die unabhängiger von privaten Anbietern ist und die Möglichkeiten für mehr Transparenz und eine partizipative Entwicklung aufzeigt. 

    Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK schlägt eine Instanz vor, die Tools für die Schule zulässt. Was halten Sie davon?

    Die Geschwindigkeiten sind nicht parallel. Es ist sehr schwer, in einem sich schnell bewegenden Feld eine Zulassungsinstanz einzubauen. Denn Digitalität bedeutet: Es gibt alle paar Wochen eine neue Version oder ein neues Tool. Ich würde der KMK eher raten, eine Plattform aufzubauen, wo Lehrkräfte ihre eigene Erfahrung mit EdTech-Tools austauschen. Aber die Plattform muss wirklich auf dem neusten Stand und gut gepflegt sein – und das erfordert Ressourcen. In der Schweiz gibt es eine sehr aktive Plattform, auf der Lehrkräfte Schulbücher evaluieren. Auch in den USA gibt es eine sehr gute Non-Profit-Webseite, die EdTech-Tools evaluieren lässt.

    Dann evaluieren Sie doch bitte abschließend ChatGPT.

    Bisherige KI-Software basiert meist auf einer sehr einfachen Umsetzung des Skinnerschen Behaviorismus. Das ist okay, denn Schulen brauchen auch das Pauken. Aber klassisches Vokabel- oder Rechnenlernen, wofür KI bisher eingesetzt werden kann, ist eben nur ein Teil von Schule. Ich glaube, dass ChatGPT erstmals zeigt, wie Künstliche Intelligenz in der Schule für mehr genutzt werden kann als reines Pauken – aber nur, wenn die Lehrkräfte Zeit erhalten, um es kreativ einzusetzen und es gemeinsam mit Schüler:innen kritisch zu reflektieren.

    Felicitas Macgilchrist ist Professorin am Leibniz-Institut für Bildungsmedien in Braunschweig und leitet den Arbeitsbereich Medienforschung an der Universität Göttingen.

    • KI in der Schule
    • Ständige Wissenschaftliche Kommission

    Quereinsteiger sind mit Job unzufriedener

    Quer- oder Seiteneinsteiger sind im Durchschnitt weniger zufrieden in ihrem Beruf als andere Lehrkräfte. Das gilt nicht nur, aber auch für Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie mit über 120.000 Lehrkräften in dreizehn Staaten. Die Forscher haben dafür Daten aus den PISA-Erhebungen der Jahre 2015 und 2018 ausgewertet und die Jobzufriedenheit von “first and second career teachers” verglichen.

    Klassisch ausgebildete Lehrkräfte sind also glücklich, Quer- und Seiteneinsteiger unglücklich? So einfach lässt sich das Studienergebnis nicht zusammenfassen, betont Studienleiter Tim Fütterer von der Universität Tübingen: “Es handelt sich um Mittelwerte und die Unterschiede sind klein.”

    Studienleiter spricht von einem “Alarmsignal

    Über die Unterrichtsqualität derjenigen, die ohne klassische Lehramtsausbildung vor Schulklassen stehen, sage das Studienergebnis ohnehin nichts aus. “Es gibt Befunde, dass die Berufszufriedenheit mit der Qualität des Unterrichtes zusammenhängt. Aber der Schluss, dass die Unterrichtsqualität von Quer- und Seiteneinsteigern niedriger ist, ist nicht zulässig”, sagt Fütterer.

    Seine Kollegin Christin Lucksnat forscht an der Universität Potsdam zur Unterrichtsqualität von Quer- und Seiteneinsteigern (Bildung.Table berichtete) und bestätigt diese Aussage. Zufriedenheit im Job könne ein Faktor neben vielen anderen sein, die sich auf die Unterrichtsqualität auswirken. “Der Schluss, dass unzufriedene Lehrkräfte automatisch schlechter unterrichten, ist falsch”.

    Dennoch wertet der Bildungsforscher Fütterer das Ergebnis seiner Studie als “Alarmsignal“. Wenn eine Lehrkraft mit ihrem Job unzufrieden ist, könne das viele Folgen haben: “Vielleicht ist sie stärker belastet, auch mit der Unterrichtsvor- und -nachbereitung. Vielleicht ist sie weniger motiviert, Energie in die Arbeit zu investieren”. Das müsse die Politik auf dem Schirm haben, wenn sie in Zeiten des Lehrermangels auf Quer- und Seiteneinsteiger setze.

    Mängel in der Ausbildung führen zu Unzufriedenheit

    Doch wovon hängt es ab, ob Lehrkräfte zufrieden sind, oder nicht? Fütterer und seine Kollegen sind in ihrer Studie auf unterschiedliche Faktoren gestoßen, die sowohl für klassisch ausgebildete Lehrkräfte als auch für Quer- und Seiteneinsteiger wichtig sind – vom Schülerverhalten bis zur Schulausstattung. Allerdings zeige sich, dass die Erstausbildung eine große Rolle spielt. Für Fütterer ist das Ergebnis wenig überraschend. Im Lehramtsstudium beschäftigten sich die Studierenden von Anfang an mit dem angestrebten Berufsfeld und tauschten sich mit ihren Peers aus. “Quer- und Seiteneinsteiger dagegen bekommen teilweise keine fundierte Ausbildung.”

    Von einem Quereinstieg spricht man in Deutschland häufig, wenn ohne Lehramtsstudium das Referendariat absolviert wird. Als Seiteneinsteiger werden hierzulande meist Lehrkräfte bezeichnet, die ohne Lehramtsstudium und ohne Referendariat an den Schulen arbeiten. Sie erwerben häufig berufsbegleitend eine pädagogische Zusatzqualifikation.

    Welche Voraussetzungen Quer- und Seiteneinsteiger mitbringen müssen, um an Schulen zu unterrichten, unterscheidet sich in Deutschland von Bundesland zu Bundesland. Eine Übersicht des deutschen Bildungsservers zeigt: In Baden-Württemberg können Interessierte ohne Lehramtsstudium in das Referendariat einsteigen. Berlin stellt für einige Fächer Bewerber ohne Staatsexamen ein. In Mecklenburg-Vorpommern können Lehrkräfte eingestellt werden, die fachliche Qualifikation durch ihre Ausbildung oder Berufserfahrung mitbringen.

    Kaum Daten zu erfolgreicher Qualifizierung

    Auch die Qualifizierungsprogramme für Quer- und Seiteneinsteiger unterscheiden sich stark, zur Wirksamkeit gibt es bisher kaum Daten. Aus Studien wisse man, was Quer- und Seiteneinsteiger wertschätzen, sagt Fütterer:

    • Mentoring
    • Hospitationen in Lehrproben
    • gemeinsame Unterrichtsvorbereitungen
    • fachlichen Austausch über Schülerinnen und Schüler
    • Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien

    Viele dieser Aspekte finden in einer regulären Lehramtsausbildung statt und könnten Quer- und Seiteneinsteigern damit fehlen. Wichtig findet der Tübinger Bildungsforscher vor allem, dass Quer- und Seiteneinsteiger systematisch an den Lehrerberuf und das Unterrichten herangeführt werden, anstatt sich auf “Trial-and-Error” oder “Learning-by-Doing” verlassen zu müssen.

    • Lehrermangel
    • Pisa
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    News

    Sachsen-Anhalt will Erzieher als Hilfslehrer einsetzen

    Sachsen-Anhalt beabsichtigt, wegen des Lehrermangels Erzieher aus Horten mindestens als Vertretungslehrer an Grundschulen zuzulassen. Auf diese Weise will die Staatsregierung dem zwischen Salzwedel und Halle besonders gravierenden Lehrermangel entgegengetreten. Entsprechende Überlegungen bestätigten sowohl das Bildungsministerium als auch die Staatskanzlei in Magdeburg gegenüber Bildung.Table.

    Der erste Schritt dahin wäre, die Zuständigkeit für Horterzieher wieder in das Bildungsministerium von Eva Feußner (CDU) zurückzuholen. Darüber gibt es konkrete Gespräche. Im Moment liegt die Verantwortung für Horte im Sozialministerium. 

    Sachsen-Anhalt war bereits im vergangenen Jahr mit einer spektakulären Maßnahme bundesweit aufgefallen. Das Land führte an diversen Schulen die Vier-Tage-Woche ein. Das heißt, die Schüler bleiben einen Tag pro Woche zu Hause und werden per Digitalunterricht betreut. Oder sie machen einen Praktikumstag. Nach Informationen von Bildung.Table ist allerdings bereits die erste Schule wieder abgesprungen. Die Gemeinschaftsschule konnte nicht genug “Ein-Tag”-Praktikumsplätze für ihre Schülerschaft finden. Anders als die Schulen wollten, wird aus der Vier-Tage-Woche auch kein offizieller Schulversuch. Dann würden die Schulen besondere Rechte und Unterstützung erhalten.

    Ministerpräsident Haseloff macht den Lehrermangel zur Chefsache

    Dagegen scheint die Variante, Horterzieher aufzuwerten, nun höhere Priorität zu erlangen. “Schule und Hort sollten denselben Träger haben, um Synergien zu heben”, sagte etwa CDU-Fraktionschef Guido Heuer einer Regionalzeitung. Es gelte für ihn als Unterricht, wenn eine Hortnerin in der zweiten Klasse in Deutsch oder Mathe vertrete. Die Variante, Erzieher als Hilfslehrer einzusetzen, hätte den Vorteil, heißt es in der CDU-Fraktion, “dass die Hortnerinnen schon da sind – und sofort für Entlastungen sorgen könnten.” Der Lehrermangel ist in Sachsen-Anhalt auch an Grundschulen gravierend. Eine Grundschule etwa hat nur noch 57 Prozent ihres eigentlich vorgesehenen Personals.

    Der Sprecher der Staatskanzlei betonte: “Wir müssen an allen Stellschrauben drehen. Wir werden also auch diese Idee aufgreifen.” Um den Lehrermangel zu beherrschen, ist für den 19. Januar ein Bildungsgipfel in der Staatskanzlei in Magdeburg geplant. Ministerpräsident Rainer Haseloff wolle Bildung zum Chefthema machen. Zu dem Gipfel sind Handwerk, Wirtschaft, Kommunen und Lehrergewerkschaften eingeladen. Nach Informationen von Bildung.Table ist das von der SPD geführte Sozialministerium allerdings gegen die Aufwertung der Hortnerinnen. Die CDU hingegen wolle das Thema Hortner mit der Brechstange durchsetzen. Daher werde es zu einem Konflikt in der CDU/SPD/FDP-Koalition kommen. Christian Füller

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    • Sachsen-Anhalt

    Initiative aus Bayern: Bund soll Meisterausbildung finanzieren

    Bayern will, dass der Bund künftig sämtliche Kosten für die Meisterausbildung übernimmt. Dafür hat das bayerische Kabinett eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Profitieren soll auch, wer eine gleichgelagerte Fortbildung macht – etwa zum Techniker, Fachwirt oder Betriebswirt. Der Bund soll dafür das Aufstiegsfortbildungsgesetz und damit das Aufstiegs-BAföG reformieren. Bisher kann er damit etwa die Hälfte der Fortbildungskosten übernehmen.

    Die Reform soll zu mehr Gleichbehandlung mit dem kostenfreien Hochschulstudium führen, betonte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Im Juli hatte der Freie-Wähler-Chef bereits vorgerechnet, dass der Bund für die kostenlose Meisterausbildung allein in Bayern rund 220 Millionen Euro zur Verfügung stellen müsste. Auch Bayern müsste dann noch 92 Millionen Euro beisteuern, so Aiwanger.

    Jörg Dittrich, neuer Verbandschef des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), sagte Anfang der Woche der Bild-Zeitung, der Mangel an Handwerkern werde sich in diesem Jahr weiter verschärften, Ende 2023 könnte die Wartezeit für einen Termin bis zu sechs Monate betragen. Aktuell müssen Verbraucher etwa drei Monate warten, laut Schätzung des ZDH sind 250.000 Handwerker-Stellen unbesetzt.

    Elf Länder zahlen Prämien oder Boni

    Je nach Gewerk kostet eine Meisterausbildung 6.000 bis zu mehr als 18.000 Euro, Kosten für Lernmittel und Materialien ausgenommen. Viele absolvieren sie daher berufsbegleitend. Angestellte können mit dem Meister ihr Einkommen steigern. In zahlreichen Handwerksberufen kann man sich zudem nur mit Meistertitel selbständig machen. Aktuell suchen vielen Betriebsinhaber aus Altersgründen Nachwuchs.

    Bisher zahlen elf Bundesländer bei abgeschlossener Fortbildung Prämien oder Boni. Baden-Württemberg und Thüringen belohnen nur Handwerksmeister. Bayern zahlt auch nach dem Abschluss einer gleichwertigen Fortbildung 2.000 Euro. NRW will Handwerks-Meistern nach erfolgreicher Prüfung über 2.500 Euro zahlen. Am spendabelsten sind bisher Bremen und Niedersachsen mit Prämien über 4.000 Euro. Die Zahlungen der Länder wirken sich laut BMBF nicht auf Leistungen des Aufstiegs-BAföG aus. Anna Parrisius

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    Bundestagspräsidentin Bas will Schulpolitik neu sortieren

    Bärbel Bas beklagt “institutionelle Lähmung” in der Schulpolitik.

    Die Liste der Unterstützer einer grundlegenden Bildungsreform wird länger. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fordert im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung Bund, Länder und Kommunen auf, eine gemeinsame Föderalismus-Kommission einzusetzen. Ziel müsse es sein, das Kompetenzchaos im Bildungswesen neu zu sortieren. In der Schulpolitik gebe es eine “besonders schädliche institutionelle Lähmung“, betont die SPD-Politikerin.

    “Die Kommunen sind für Gebäude zuständig, die Länder für Personal und Finanzen, und der Bund allenfalls behelfsmäßig wie beim Digitalpakt. Es klappt vorne und hinten nicht“, sagt sie. “Finanzschwache Kommunen haben kein Geld für angemessene Gebäude und Ausstattung, geschweige denn für eine besondere Förderung. Dabei bräuchten wir gerade in sozialen Brennpunkten die besten Schulen.”

    Bas knüpft damit direkt an einen Vorschlag des Polit-Urgesteins Wolfgang Schäuble an, der in einer Rede im Dezember eine politikfeldübergreifende Staatsreform angemahnt hat. “Niemand behauptet ernsthaft, dass die föderale Ordnung unseres Landes derzeit in guter Verfassung sei”, bilanzierte Schäuble. Bas nutzt diese Vorlage nun. “Wir sollten im Kleinen beginnen und unsere Kräfte auf eine Reform des Bildungswesens fokussieren.” dpa/bau

    Lesen Sie auch: Interview mit Thomas de Maizière – “Kooperation vollständig unsystematisch”

    Jeder zweite Privatschüler aus Akademiker-Haushalt

    Die soziale Durchmischung an Privatschulen ist gering. Jeder zweite Schüler einer Privatschule hat Eltern mit einem Hochschulabschluss, während an öffentlichen Schulen ein Drittel Akademiker-Kinder sind. Verglichen mit öffentlichen Schulen besuchen zudem nur etwa halb so viele Kinder mit Migrationshintergrund Privatschulen. Das sind Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie untersucht die örtliche Verteilung von Privatschulen und die Struktur der Schülerschaft.

    Der Ost-West-Vergleich zeigt: Im Osten Deutschlands besuchen elf Prozent der Schüler eine Privatschule – zwei Prozent mehr als in Westdeutschland. Ein Viertel aller Schüler aus Akademiker-Haushalten in Ostdeutschland besuchen eine Privatschule. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Privatschulen sind im Osten Deutschlands breiter und zufälliger verteilt als im Westen. Es gibt sie also nicht nur dort, wo vorwiegend privilegierte Familien wohnen.

    Studienautoren plädieren für bindende Schulgeld-Staffelung

    Das Schulgeld ist einer der Gründe, aus denen sich Kinder aus einkommensschwachen Familien gegen den Besuch einer Privatschule entscheiden. Laut den Studienautoren sei es notwendig, das Schulgeldsystem zu reformieren. Sie fordern einheitliche und bindende Standards für die Einkommensstaffelung beim Schulgeld.

    Doch das Schulgeld ist nicht der alleinige Grund, dass sich Kinder gegen Privatschulen entscheiden. Haushalte mit niedrigem Einkommen und ohne Hochschulbildung nehmen private Schulen erst gar nicht als Wahloption wahr, so Felix Weinhardt, Studienautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin.

    Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es Bedarf nach einem breiter zugänglichen Informationsangebot über Privatschulen gibt. Doch Weinhardt betont auch: “Politisch sollte Priorität haben, das öffentliche Bildungssystem für Akademiker:innenhaushalte wieder attraktiver zu machen, damit diese sich nicht zunehmend für Privatschulen entscheiden.” 

    Das DIW hatte unter Beteiligung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) sowie amtliche Schuldaten ausgewertet. Insgesamt analysierten die Forscher Daten von mehr als 7.000 Schülern aus den Jahren 2002 bis 2019. Anouk Schlung

    • WZB

    Heads

    Gerd Woweries – setzt auf Augmented Reality in der Ausbildung

    Gerd Woweries, Leiter des ABB Ausbildungszentrums Berlin.

    Gerd Woweries hat große Pläne für die Zukunft der dualen Berufsausbildung – digitaler soll sie werden und nachhaltiger. Woweries leitet das ABB Ausbildungszentrum (AZB) Berlin, den Ausbildungsbetrieb des Technologie-Konzerns ABB. Kleine und mittlere Unternehmen schicken ihre Azubis dorthin – damit sie Inhalte lernen, die die Betriebe ihnen selbst nicht vermitteln können. 800 junge Menschen in 18 Berufen der Metall- und Elektrotechnik nehmen aktuell an der Verbundausbildung teil. Die Azubis kommen aus 150 Unternehmen, zum Beispiel vom Heiz- und Klimatechnik-Unternehmen Viessmann oder vom Automobilzulieferer Brose.  

    Woweries selbst absolvierte keine Berufsausbildung, er studierte Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Anschluss leitete er die Rechtsabteilung der Industrie- und Handelskammer Berlin und wechselte erst von dort in den Ausbildungsbereich der IHK. Leiter des ABB Ausbildungszentrums ist Woweries seit März 2015. Dort gilt für ihn: “Wir digitalisieren nicht auf Teufel komm raus, sondern da, wo es sinnvoll und notwendig ist!”

    Realistische Ausbildung mit dem digitalen Schweißkabinett

    Sinnvoll und notwendig findet Woweries Tools wie das digitale Schweißkabinett. Mit Augmented-Reality-Brillen und virtuellen Coaches können Azubis damit im realitätsnahen Simulationsmodus auf nachhaltige Weise schweißen lernen. Die digitalen Kabinette verbrauchen weniger Strom und Schweißgase. Sie garantieren zudem Anlagenmechanik- oder Mechatronik-Azubis, die noch in den Grundzügen ihrer Ausbildung sind, mehr Arbeitssicherheit. 

    Einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft will Woweries’ Ausbildungszentrum mit dem Bau einer Industrie 4.0-Anlage gehen, einer Hightech-Anlage mit Robotern und Augmented Reality. In ihr sollen Fachkräfte künftig Weiterbildungen erhalten. Aber: Nicht alles, was digital ist, hält Woweries für die beste Wahl. So entschied sich das AZB gegen die Anschaffung digitaler Schaltschränke. Wenn Elektrotechnik-Azubis lernen, wie man schaltet, sei es wichtig, dass sie selbst Hand anlegen, also auch haptisch lernen.

    Mismatching als zentrales Problem

    Über sein Ausbildungszentrum hinaus will Woweries die duale Ausbildung verbessern: Er sitzt beim Berufsbildungsausschuss der IHK Berlin vor. Ein solches Gremium haben alle Kammern, sei es im Handwerk oder in den freien Berufen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheiden darin über den Bau überbetrieblicher Berufsbildungsstätten oder Rechtsvorschriften für die Berufsbildung, außerdem achten sie auf die Qualität von Prüfungen. 

    Daneben ist Woweries Mitglied der ReforminitiativeBerufliche Bildung 2026“. Ihr Ziel: die berufliche Bildung in Berlin zukunftsfähig machen. Herausforderungen, die Woweries sieht, reichen weit in die Phase, bevor Jugendliche überhaupt in Ausbildung kommen: Zuvorderst müssten die Bundesagentur, Politik und Unternehmen dafür sorgen, dass mehr Jugendliche eine Lehrstelle bekommen. Denn obwohl viele Unternehmen händeringend Azubis suchen, gehen viele Ausbildungssuchende leer aus.

    Auch die allgemeinbildenden Schulen sollten besser werden – um “den hohen Anforderungen, die Wirtschaft oder Universitäten vorgeben”, noch beikommen zu können. Schon jetzt reiche die Allgemeinbildung vieler Azubis nicht aus. Ebenso wenig ihre Vorbereitung auf die rasante technische Entwicklung.  

    Und: Woweries plädiert dafür, bessere Berufsorientierung zum Standard zu machen. Schüler sollten die Vielfalt der dualen Ausbildungen kennenlernen, von den Karrierechancen erfahren. Die Politik müsse ein neues Bewusstsein schaffen – und Unternehmen, indem sie verstärkt in Schulen und den öffentlichen Raum gehen. Der Konzern ABB tut dies bereits mit dem Projekt Girlsatec, das das Land Berlin fördert. Junge Frauen, die sich noch in einer gewerblich-technischen Ausbildung befinden oder diese bereits abgeschlossen haben, gehen dabei in Schulen und berichten Mädchen und anderen Frauen von ihren Erfahrungen. Anouk Schlung 

    • Berufsorientierung
    • Duale Berufsausbildung

    Presseschau

    Bundesländervergleich: Maßnahmen gegen Lehrermangel SZ
    Allmendinger fordert “Dienstags für die Bildung” WIARDA
    Klett-Erbe will BNE zur Dekadenaufgabe machen FAZ
    Interview zum Amtsantritt: Busse gibt sich selbstbewusst SPIEGEL
    Olaf Köller: Bildungssystem im Jahresrückblick CAMPUS SCHULMANAGEMENT
    Neufinanzierung von Schulen – essenziell für Bildungsgerechtigkeit WIARDA
    PISA-Chef warnt vor wachsender Chancenungleichheit STUTTGARTER ZEITUNG
    Der Lehrermangel in Zahlen SZ
    VBE-Vorsitzender Brand über das Kernproblem der Bildungskrise WELT
    Baden-Württemberg: Bildungsreform per Volksantrag FAZ
    Sozialpädagogin Claus-Szygowski über Armut in der Schule DEUTSCHES SCHULPORTAL
    Videospiele und ihr Potenzial für die Schule ZDF

    Termine

    11. Januar 2023, 18:00 bis 19:30 Uhr, online
    Teacher Education: Meeting the Challenge of Quality Preparation and Teacher Shortages
    Die Universitäten Dresden, Hannover, Münster und Tübingen richten sich mit dieser Veranstaltungsreihe an fachkundige Akteure und Forschende in der Lehrerbildung. Es werden grundlegende Strukturprobleme und drängende Herausforderungen thematisiert und unter Berücksichtigung des nationalen und internationalen Forschungsdiskurses aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. INFOS & ANMELDUNG

    16. Januar 2023, 10:45 bis 12:45 Uhr, online
    e-teaching.org-Themenspecial: Hybride Lernräume gestalten – Beispiele aud der Praxis
    Diese Veranstaltung richtet den Blick auf die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten hybrider Lernräume im Hochschulkontext. Fragen, die thematisiert werden, sind zum Beispiel: Welche digitale Raumgestaltung passt zu welchen Nutzungsszenarien? Wie lassen sich physisch-analoge und digital-virtuelle Lernräume sinnvoll miteinander verknüpfen? INFOS & ANMELDUNG

    17. Januar 2023, 10:00 bis 12:00 Uhr, online
    Vorstellung der Forschungsergebnisse des ECaRoM-Projektes: Wie können fürsorgliche Männlichkeiten in Kindertagesstätten und der Grundschule gestärkt werden?
    ECaRoM” steht für Early care and the role of men: Die Förderung fürsorglicher Männlichkeiten in der frühen Erziehung und Bildung. Das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt beschäftigt sich mit der Verbindung von frühkindlicher geschlechterreflektierter Pädagogik, Fürsorge und Männlichkeit. In der Vorstellung der Forschungsergebnisse geht es zudem um praktische Methoden und deren Einsatz im Kita- oder Grundschulalltag. INFOS & ANMELDUNG

    18. Januar 2023, 17:00 bis 19:00 Uhr, online
    GEW-Fachgespräch: Arbeitszeiterfassung ja, Stechuhr nein!
    Der Jurist Simon Pschorr wird in diesem Fachgespräch über die Konsequenzen des BAG-Urteils zur Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sprechen. Welche Auswirkungen das Urteil für Hochschule und Forschung hat, wird genauso beleuchtet wie die Frage, wie Arbeitszeit erfasst und dennoch Flexibilität gewährt bleiben kann. INFOS & ANMELDUNG

    18. und 19. Januar 2023, online
    Tagung: Hochschule digital.innovativ
    Hochschullehre in großen und kleinen Gruppen ist das Thema der diesjährigen Online-Tagung Hochschule digital.innovativ. Im Zuge vom Austausch von Erfahrungen und vom Entwickeln von Zukunftsvisionen, geht es um die Frage, wie digitale Tools und Lernplattformen didaktisch sinnvoll eingesetzt werden können. INFOS & ANMELDUNG

    20. Januar 2023
    Bewerbungsschluss: Smart-School-Wettbewerb 2023
    Bis Mitte Januar können sich Schulen für eine Teilnahme am Smart-School-Wettbewerb 2023 bewerben. Gewinnerschulen erwartet eine Auszeichnung mit dem Siegel Smart School und eine Mitgliedschaft in einem bundesweiten Netz digitaler Vorreiterschulen. INFOS

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