Table.Briefing: Bildung

HPI-Schulcloud angekommen + Karliczek pusht + Admins überlastet + Bund finanziert Bildungs-Ehrenamt + Simon Maria Hassemer + H5P

  • Dataport übernimmt HPI-Schulcloud
  • Bildungsrat heißt jetzt “Netzwerk Bildung Digital”
  • Blogpost: Lehrer Simon Rott über das Leiden der Admins
  • KI-Bildungsstudie: Deutschland besser als gedacht
  • Bundesgeld für Schüler- und Elternräte?
  • Makerspace: Lern-Gamer Simon Maria Hassemer
  • H5P: ein Koffer voller Tools
Liebe Leserin, lieber Leser,

Die Schulcloud zieht um. Bisher residierte die Entwicklung des Hasso-Plattner-Instituts auf dem Campus in Potsdam-Griebnitzsee. Jetzt wurde sie offiziell übergeben an die drei Bundesländer, die das open-source-Lernmanagementsystem bei sich als Länderlösung eingeführt haben. Die Cloud wirkt mit einem Plus von 1.600 Prozent an Schulanschlüssen seit März 2020 wie ein fabelhaftes Erfolgsprojekt. Aber das ist nicht die ganze Geschichte. 

Diesen Text wollten wir unbedingt haben. Während die Bundesregierung 500 Millionen Euro für so genannte Admins bereitgestellt hat, aber dafür wohl noch kein Cent ausgegeben wurde, berichtet uns ein Netzwerkberater, wie der Job an einer Schule mit 300 Schülern und 250 Tablets wirklich aussieht. Schnallen Sie sich gut an für den Blogpost.

Alle reden über Künstliche Intelligenz, aber kaum einer weiß, was es ist. Sehr viele haben laut Umfragen Angst vor KI, und zwar besonders in der Schule. Trotzdem soll massiv in so genannte Adaptive Lernsysteme, intelligente tutorielle Systeme und Vorrats-Daten-Seen investiert werden. Die Deutsche Telekom Stiftung wollte nun wissen, wie es mit KI beim Lernen wirklich aussieht – und es kam ein sehr überraschendes Ergebnis heraus. Spoiler: die Zahl 13 ist eine deutsche KI-Glückszahl. 

Und sonst erwartet Sie ein engagierter Gamer-Lehrer (Makerspace), ein Koffer voller interaktiver Tools namens H5P (Diaktik&Tools) und jede Menge Zivilgesellschaft. 

Ihr
Christian Füller
Bild von Christian  Füller
  • Intelligente tutorielle Systeme

Analyse

Dataport übernimmt HPI-Cloud

Das Hasso-Plattner Institut (HPI) hat am Montag sein Software-Baby, die Schulcloud, symbolisch an drei Bundesländer übergeben. Brandenburg, Thüringen und Niedersachsen wollen ab sofort die open-source-Cloud selbst betreiben und haben sich dazu den Dienstleister “Dataport” ausgesucht. Die Schulcloud wird weiter von Potsdam-Griebnitzsee aus organisiert und entwickelt – allerdings nun nicht mehr unter Führung des HPI, hieß es. Das Personal wechsle zu Dataport und sei bereits in ein anderes Gebäude umgezogen. Der Projektleiter der Schulcloud, Jan Renz, wechselt vom HPI ins Bundesbildungsministerium, das die Schulcloud mit 20 Millionen Euro gefördert hat.

Die Veranstaltung zur Übergabe des Projektes am Montag, gespickt mit Grußworten von Bildungsministern, zeigte exemplarisch den interessanten Weg des Erfolgs der Schulcloud – und die entscheidende offene Frage: wird mit der Drei-Länder-Vereinbarung und viel öffentlichem Geld ein Staatskonkurrent für mittelständische Lernwolken erschaffen? Der Direktor des HPI, Christoph Meinel, stellte erneut in den Raum, dass die von seinem Institut entwickelte Lernplattform die zentrale digitale Infrastruktur vieler Bundesländer werden könnte. “Wir hoffen – es gibt auch gute Gespräche -, dass auch weitere Länder dazu kommen”. Damit machte Meinel selbst den ordnungspolitischen Konflikt zum Thema. Der Bund hat als Forschungsprojekt eine Schulcloud mit zweistelligen Millionenbeträgen gefördert, die nun lange existierenden Clouds und Lernmanagementsystemen Konkurrenz macht. Bezeichnenderweise fiel im HPI am Montag kein einziges Mal der Name einer der Wettbewerber: Etwa die open-source-Systeme “Moodle” und “Mebis” mit über 10.000 Schulen in ganz Deutschland, ucs@school von Univention, “itslearning“, das inzwischen im Norden und in Baden-Württemberg Landeslösung ist, “Lernsax” in Sachsen und vor allem “IServ“, dem Marktführer in Norddeutschland. 

Der staatliche Markteingriff

Die mittelständischen Anbieter hatten sich im April 2020 in einem Offenen Brief beschwert, “dass das BMBF nun erneut einen zweistelligen Millionenbetrag in sein eigenes Konkurrenzprodukt steckt“, gemeint war die Schulcloud. Die Mittelständler böten innovative Lösungen für Schulen an, hieß es in dem Brief. Statt diese Bemühungen zu unterstützen, werde ein unfertiges Produkt wie die Schulcloud gefördert. “Generell ist der staatliche Markteingriff durch die Entwicklung einer eigenen Schulcloud unnötig und kontraproduktiv.

Die im Übergang befindliche HPI-Schulcloud soll inzwischen rund 4.000 Schulen und eine Million Schüler erreichen. Allerdings kamen am Montag wieder Zweifel auf, wie verlässlich diese Zahlen sind – etwa in Niedersachsen. Michael Sternberg, Geschäftsführer der Landesinitiative n-21, sagte über die Anbindung der niedersächsischen Schulcloud-Variante, der “Niedersächsischen Bildungscloud“: ihr gehörten 1.600 Schulen an, “die alle einen Zugang bekommen haben, die angemeldet sind und in dem System arbeiten können. Und die das mit round about 800.000 Nutzerinnen tatsächlich auch tun” – und dann korrigierte sich Sternberg: “Tun könnten, muss man sagen. Uns fehlt manchmal so ein bisschen die operative Zahlenhistorie, um auch die einzelnen Nutzungen durchschauen zu können“. Auf Deutsch: wie viele Schulen die Schulcloud wirklich nutzen, kann der Kooperationspartner in Niedersachsen nicht sagen. Wer der etablierte regionale Konkurrent der Schulcloud ist und wie viele Schulen er erreicht, wollte Sternberg gar nicht erst aussprechen. Das ist umso verwunderlicher, weil die Schulcloud ohne IServ an viele Schulen in Niedersachsen nicht so einfach hätte andocken können. “Ein großer Teil der Schulen in Niedersachsen greift über eine Funktion von IServ auf die HPI-Schulcloud in Niedersachsen zu”, sagte IServ-Geschäftsführer Jörg Ludwig Bildung.Table. “Ohne diese Schnittstelle wäre es vor allem im ersten Lockdown nicht so schnell möglich gewesen, die Schulen anzubinden.” Allein 675.000 Accounts der Schulcloud laufen über die Schnittstelle IServ.

“Wollen etabliertes System nicht abwürgen”

Auch auf Nachfrage vermied Sternberg zuzugeben, dass der Marktführer in Niedersachsen nach wie vor mit großem Abstand das Lernmanagementsystem IServ ist, eine ehemalige Schüler-Gründung, die inzwischen 5.000 Schulen in Norddeutschland mit ihrem LMS erreicht. In Niedersachsen nutzen 2.200 Schulen IServ. Die Frage der gegenseitigen Konkurrenz sei “nicht so ganz maßgeblich”, sagte Sternberg. “Wenn es ein anderes etabliertes System gibt, das in der Schule vorhanden ist, dann wollen wir das auch nicht abwürgen.” Auch Christoph Meinel betonte, es gehe gar nicht um Konkurrenz. Es werde fälschlicherweise berichtet, “den professionellen kommerziellen Anbietern von Bildungs-Software wird die Arbeit weggenommen. Nein, natürlich nicht.” In der Wirklichkeit allerdings ist in Niedersachsen ein Krieg der Lernwolken ausgebrochen, der die Landesregierung spaltet: Das SPD-geführte Schulministerium bezahlt die Schulcloud mithilfe von Digitalpaktmitteln, das CDU-geführte Digitalministerium fördert IServ. (Bildung.Table berichtete)

Dass die Erfolgsgeschichte der Potsdamer Schulcloud – ein rechnerisches Plus von rund 1.600 Prozent an Schulen in der Cloud seit März 2020 – vor allem durch die Coronavirus-Pandemie ausgelöst wurde, zeigten die Grußworte. Sowohl KMK-Präsidentin Britta Ernst, die Schulministerin in Brandenburg ist, als auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek betonten, dass Corona der Cloud den Kick gegeben hat. “Der Druck der Pandemie hat der digitalen Bildung einen ordentlichen letzten Schub verliehen – das gilt auch für die Schulcloud des HPI”, so Karliczek. Vor den Schulschließungen hatte die Schulcloud – die mal als nationale Cloud für 40.000 Schulen gedacht war – nicht einmal ein Prozent der deutschen Schulen erreicht. Inzwischen ist die Schulcloud in drei Bundesländern offizielles Angebot. In Brandenburg und Thüringen, wo es vorher keine echte Cloud gab, ist die Schulcloud des Plattner-Instituts inzwischen Marktführer. 

Schulcloud wurde geöffnet, ehe sie fertig war

Allerdings scheint das System noch nicht komplett ausgereift zu sein. Christoph Meinel sagte, man habe auf Bitten des Bildungsministeriums die Schulcloud ein Jahr vor der vereinbarten Fertigstellung für die Praxis hunderter und tausender Schulen angeboten. “Wir waren auch ein kleines bisschen leichtsinnig, als wir sagten: ‘ja das machen wir'”, so der Direktor des HPI. “Wir hatten das Problem, dass wir plötzlich Schulen die Schulcloud zur Verfügung stellten, wo Lehrer und Lehrerinnen gar kein Gefühl hatten: ‘Was kann man damit machen? Wie geht’n das, wie schaltet man das ein?‘” Meinel entschuldigte sich, dass nicht immer alles geklappt habe – und kritisierte “die ungute Rolle der Medien”. Anstelle Eltern und Lehrer an die Hand zu nehmen, “war da unisono so ein bisschen gehässige Stimmung.” Dieser negative Kontext sei vor allem in Deutschland sehr stark. “Innovation ist ein Stück Mut“, sagte Meinel. 

Immer wieder wurde am Montag betont, wie außerordentlich die Potsdamer Schulcloud sei, weil sie, erstens, quelloffen programmiert sei und, zweitens, in einem agilen Prozess “nutzerzentriert mit den Anwendern” entwickelt worden sei. Dafür steht die Kooperation mit “MINT EC”. Der Verbund mathematisch-naturwissenschaftlich-informationstechnologischer Gymnasien stellte die ersten 25 Projektschulen für die Cloud. Es habe unter anderem Design-Thinking-Workshops gegeben, in denen Lehrer und Schüler ihre Bedürfnisse in die Gestaltung der Cloud eingebracht hätten. Da passte es den Veranstaltern nicht ins Programm, dass eine Lehrerin die Frage stellte, was mit den Ideen zur Kollaboration unter den Schülern geschehen sei: “Wir  haben in Brandenburg im Piloten viele Anregungen gegeben, wo wirklich nicht viel passiert ist in der Schulcloud.” 

Das Plattner-Institut nutzte die Gelegenheit, einzelne Projekte von Schülern und Lehrerinnen, die in der Schulcloud arbeiten, mit Preisen auszuzeichnen. Dabei ging es um einen pädagogischen “Escape Room“, einen “flipped classroom” mit 50 neu erstellten Lernvideos und ein Sprachprojekt, bei dem die Schüler Audio-, Video- und andere digitale Tools einsetzen konnten. Die Siegerinnen bekamen jede eine Urkunde – und einen Scheck im Wert von 250 bis 750 Euro

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    Netzwerk statt Bildungsrat

    Das neue “Netzwerk Bildung Digital” will nicht weniger als die Transformation des Bildungssystems erreichen und zu diesem Zweck “alle Bildungsbereiche” vernetzen. “Das Bereichsübergreifende ist tatsächlich das Neue: dass wir nicht alle unsere eigenen Süppchen kochen”, sagte Jacob Chammon vom Forum Bildung Digitalisierung bei der Auftaktveranstaltung. “Wir brauchen jetzt eine Bestandsaufnahme.” Das Forum ist ein Verein von neun einflussreichen Stiftungen, darunter die “Deutsche Telekom Stiftung“, die “Bertelsmann Stiftung“, die “Robert Bosch Stiftung” und die “Stiftung Mercator“. Das Forum Bildung soll das neue Netzwerk koordinieren – und bekommt dafür Geld vom Bundesbildungsministerium. “Wir brauchen jetzt auch einen gemeinsamen Aufschlag”, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), “wo jede Ebene und jede Institution den Bereich, den sie verantwortet, am Ende weiterentwickelt. Aber irgendwo muss das alles wieder zusammenlaufen“.

    Sortieren mächtige Bildungsstiftungen vor?

    Die Bundesbildungsministerin dürfte mit dem neuen Netzwerk etwas erreichen wollen, was ihr in der Zusammenarbeit mit den Schulministern nicht gelungen ist: einen Bildungsrat begründen, in dem sich gesellschaftliche Gruppen über die Zukunft des Bildungssystems austauschen (Bildung.Table berichtete). Der geplante Bildungsrat war gescheitert, weil die Länder sich mit dem Bund nicht über die Stimmverteilung einigen konnten. Ob das neue Format “Netzwerk” allerdings föderale Strukturen auflockern oder gar aufbrechen könnte, steht in den Sternen. Erstens sind mit den Bildungsstiftungen mächtige Spieler als Koordinatoren beteiligt, die möglicherweise nur bestimmte gesellschaftlichen Akteure einladen. Zweitens ist ein Beitrag der für Schule zuständigen Länderminister bislang nicht erkennbar. 

    Der Vorsitzende des Forums, Chammon, zeigte sich dennoch zuversichtlich. Es gehe es um eine bundesweite interdisziplinäre Vernetzung entlang der gesamten Bildungskette, sagte er. “Es ist sehr viel passiert in den letzten Monaten: Da sind viele gute Beispiele, da sind gelungene Ansätze, es gibt Best-Practice. Und jetzt geht es wirklich darum, über die ganze Bildungskette hinaus die Leute zu vernetzen.” Bildung sei ein Tanker und den schaffe man nur gemeinsam zu drehen, sagte der ehemalige Leiter der skandinavischen Schule in Berlin und fragte: “Wo können wir uns weiterentwickeln und wie können wir voneinander lernen?” 

    Die Fragen sind nicht neu

    Mit dem Slogan “Wir müssen reden!” bewirbt Chammon sogenannte Dialogforen. Von Juli bis Oktober sollen sich jeden ersten Mittwoch im Monat Akteure aus dem gesamten Bildungsbereich online zu Fokusthemen austauschen. Den Anfang macht das Thema “Bildungsgerechtigkeit” am heutigen Mittwoch. Es soll diskutiert werden, wie diese durch den Einsatz digitaler Medien gefördert und Teilhabe und Demokratie in der digitalen Welt gestärkt werden können. Im August soll es dann um Beziehungen gehen – und wie diese zwischen Lehrenden und Lernenden digital gestaltet werden sollten. Weitere Themen sind innovative Didaktik und digitale Lehr-Lern-Settings sowie Anforderungen an Qualifizierungsangebote. Am Ende steht dann das Thema Bildungsübergänge und -zugänge im Mittelpunkt mit der Frage, wie Digitalisierung den Zugang zu Bildung verbessern und Aufstiegsmöglichkeiten ermöglichen kann. Diese Fragen erscheinen wichtig, klingen jedoch nicht neu und wurden bereits vielfach diskutiert. 

    Chammon beteuert: “Wir suchen Lösungen!” Es stellt sich allerdings die Frage, wie die Erkenntnisse als praktikable Strategien und Werkzeuge nachhaltig ihren Weg in jede Bildungseinrichtung Deutschlands finden sollen. Wie werden diese “Lösungen” am Schluss bundesweit kommuniziert? Wie werden sie übertragbar und nutzbar gemacht? Und wie lange soll dieser Prozess dauern? Die Gestaltung des Informationsmanagements bleibt ungeklärt – ebenso ein Fahrplan mit konkreten Arbeitsschritten. 

    Praktiker: Mehr Druck beim Ausbau der Infrastruktur

    Zum Auftakt haben Karliczek und Chammon gezeigt, was sie unter Netzwerken verstehen. Sie haben einflussreiche und staatlich geförderte Projektträger zu Wort kommen lassen. So etwa Michael Fritz, den Vorstand der Stiftung “Haus der kleinen Forscher”, Oliver Janoschka, den Geschäftsführer des “Hochschulforums Digitalisierung”, auch der “Volkshochschul-Verband” und der “Zentralverband des Deutschen Handwerks” war vertreten, genau wie Dario Schramm, der Generalsekretär der “Bundesschülerkonferenz”. 

    Wie viel kritisches Potenzial in dem Format steckt, zeigte die Schulleiterin der Waldschule Hatten, Silke Müller, beim Auftakt des “Netzwerks Digitale Bildung”. Es  gehe darum, den verantwortlichen Stellen Druck zu machen, “damit sie ausstatten, ausstatten, ausstatten”, sagte sie zur mangelhaften digitalen Infrastruktur. Erst dann könne über Handlungsfähigkeit und die Bildung der Zukunft geredet werden. “Vernetzen Sie uns, die wir alle auf dem Weg sind, und geben Sie uns eine Stimme”. Müller hatte auch ein Beispiel, das üblicherweise nicht angesprochen wird bei Digitalveranstaltungen: die Risiken des Netzes. Kinder und Jugendliche lebten “nonstop in der Netzwelt”, sagte sie. “Die leben durch Likes und Selbstbestätigung durch diese Likes – und durch Hatespeech.” Das Netz sei ein rechtsfreier Raum. “Die Kinder erleben fürchterlichste Dinge, wodurch sie verrohen.” Dennoch wäre es ein fataler pädagogischer Fehler zu meinen, das lasse sich verbieten oder ausschalten. “Was wir tun ist, das nur zu verurteilen, anstatt die Kinder an die Hand zu nehmen“, sagte Müller. “Wir müssen aber richtig rein in die digitale Welt, wir müssen noch tiefer rein und noch mehr Kompetenz aufbauen”. Wenn es so kritisch weiter geht, könnte das Netzwerk ein spannender Streitraum über digitale Bildung werden. Nadine Berneis/cif

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      Das Admin-Drama

      Ein Gastbeitrag von Simon Rott (Twitter Thread)

      In Baden-Württemberg teilen sich Land und Schulträger die Aufgaben an Schulen, so auch (theoretisch) in der IT. Die “Digitalisierungshinweise für Schulen in öffentlicher Trägerschaft” von Juli 2019 sollen regeln, wer wofür zuständig ist. Dort findet sich eine 50 Punkte lange Tabelle. Die meisten Punkte, die dem Land obliegen, übernehmen entweder die Schulleitung oder die “Netzwerkberater” vor Ort. Viele Kommunen können oder wollen ihren Aufgaben nicht nachkommen, daher landen auch die oft an der Schule. 

      Netzwerkberater” sind reguläre Lehrkräfte, und sie heißen so, weil die eigentliche Idee ist, dass sie das Kollegium im Umgang mit dem Netzwerk beraten. An den meisten Schulen nennt man sie jedoch Netzwerker oder Admins, denn das trifft es meist besser. (Disclaimer: ich bin unser Admin) 

      Regelung mit einem 23 Jahre alten Erlass

      Für ihre Tätigkeit bekommen die Admins Anrechnungsstunden, sie müssen also weniger unterrichten. Die Details regelt ein Erlass des Kultusministeriums, der mehr als 20 Jahre alt ist: er stammt vom 23. Juni 1998 und wurde seitdem nicht mehr verändert. Dieser Erlass besagt, dass die Schule eine Stunde aus ihrem allgemeinen Entlastungskontingent nehmen soll, ab 25 Computern gibt es eine weitere und ab 51 Computern zwei weitere Stunden. Damit endet die Skala – mit Ausnahme der beruflichen Schulen. Viele Admins bekommen zwei oder drei Anrechnungsstunden. Sie unterrichten zum Beispiel eine fünfte Klasse in Geografie weniger (das bedeutet zwei Stunden Ermäßigung), kümmern sich dafür um das Netzwerk an ihrer Schule. 

      Was das umfasst, schildere ich aus meiner persönlichen Erfahrung. 

      Wir sind eine sehr kleine Schule mit nur ca. 320 Schüler:innen und knapp 40 Kolleg:innen. Für diese kümmere ich mich um Server, Wlan im ganzen Gebäude, Projektionsmöglichkeiten, 57 feste PCs, circa 20 Notebooks, acht Drucker, und 250 schuleigene Tablets

      Wir arbeiten mit Moodle, gehostet bei “Baden-Württembergs extended Lan“, kurz Belwue, E-Mail-Adressen und Verteilern, Threema work als Messenger vor Ort, mit “pädagogischen Musterlösungen” des Landesmedienzentrums sowie dem Schulmanager für den Vertretungsplan. Es müssen jeweils Accounts gepflegt, neue User, Klassen und Kurse angelegt, alte gelöscht werden. 

      Passwörter werden oft vergessen

      User vergessen (oft) Passwörter. Sie haben Fragen, Wünsche und Probleme und wenden sich damit an den Admin. Um Standardprobleme abzupuffern, betreiben wir einen Moodle-Kurs “Hilfe” für Schüler:innen, und eine Wissensdatenbank mit einem Ticketsystem für Kolleg:innen. Bei mehr als 300 Geräten geht auch mal was kaputt, dann kümmern wir uns um Ersatz, Reparatur, Abwicklung mit Versicherung, Neueinrichtung und so weiter. Natürlich begleiten wir Neue, sorgen für internen Austausch und Fortbildung und sind für Fragen immer da. Wir verwalten die Tablets mit einem ProfileManager vor Ort, ziehen aber gerade zu Jam school um, kaufen und verwalten Apps, haben zusätzlich zu Papier digitale Schulbücher von verschiedenen Verlagen, welche auch Accounts benötigen und deren Lizenzen zugeordnet werden müssen. 

      Für all das sind vom Kultusministerium laut der 1998er-Liste drei Stunden weniger Unterricht vorgesehen. Das ist natürlich unrealistisch – um es freundlich zu sagen. Um es deutlich zu sagen: wer seine Aufgaben als Netzwerker, Admin und die als Lehrkraft ernst nimmt, der geht unter. Hinweise darauf werden (vom Ministerium) gerne damit beantwortet, dass einige der Aufgaben ja Aufgabe des Schulträgers seien. 

      Das stimmt natürlich. Jedoch würde die Zeit auch dann (bei weitem) nicht reichen, wenn man nur die Aufgaben des Netzwerkberaters machen würde, zudem ist bei den meisten Schulträgern unrealistisch, allen Aufgaben vollumfänglich nachzukommen. Es gibt Vorzeigeschulträger: Das sind oft große Städte mit Stadtmedienzentren, welche die Economies of Scale nutzen können. Beim Rest bleiben viele der Aufgaben an Schulen hängen, da Schulträger die Aufgaben nicht leisten können, zum Beispiel weil sie gar keine IT-Abteilung haben

      Viele Admins macht die Aufgabenflut kaputt

      Gerne wird auch auf die “Zusatz-VerwaltungsvereinbarungAdministration’ zum DigitalPakt” verwiesen. Dort sind in der Tat Gelder für IT-Angestellte der Schulträger oder Dienstleister vorgesehen. Die decken jedoch nur den Zeitraum bis 2024 ab, die Folgefinanzierung ist ungeklärt. Das führt dazu, dass Schulträger ungern Stellen oder Ansprüche schaffen. Nicht weniger schwierig ist, dass IT-Stellen oft nicht besetzt werden können. In der Wirtschaft fehlen ebenfalls ITler, und da gibt es viel mehr Geld. Man könnte auch Dienstleister beauftragen, aber an gute Leute zu kommen ist – insbesondere auf dem Land und als kleine Schule – eine große Herausforderung.

      Selbst wenn man einen guten Dienstleister hat, so ist natürlich dennoch viel Koordination und Absprache mit diesem erforderlich, was wiederum  Zeit in Anspruch nimmt. Manche Schulen versuchen ihre Admins durch andere Stunden zu entlasten, da allen klar ist, dass die zwei bis drei Stunden bei weitem nicht reichen. Das geht dann aber auf Kosten anderer, wichtiger Bereiche (Arbeitsgemeinschaften etwa oder Pool-Stunden). 

      In der Pandemie waren und sind Admins extrem belastet, viele gehen gerade an der Aufgabenflut – man kann es nicht anders ausdrücken – kaputt.  

      Wertschätzung hält uns im Job

      Viele Admins halten das Ganze nur aus, weil sie sehr viel Wertschätzung an der Schule erfahren. Die nicht vorhandene Wertschätzung von oben frustriert jedoch und führt zu Resignation. Viele würden am liebsten hinschmeißen, tun das aber nicht, aus Verantwortung der Schule, den Kollegen und Schülern gegenüber. Die Aufgabe abzugeben ist oft kaum möglich.

      Zwar gibt es bereits Ansätze, die Beziehungen zwischen Land und Schulträgern neu zu strukturieren, und dies ist beispielsweise in Baden-Württemberg auch im Koalitionsvertrag als Ziel genannt. Bis dahin müsste man jedoch dringend eine Übergangslösung finden. Diese wird kurzfristig vermutlich nur mit mehr Anrechnungsstunden für die “Netzwerkberater” vor Ort möglich sein, denn alles andere braucht Zeit.

      Selbst wenn diese zusätzlichen Stunden nicht kommen würden – ich mache weiter.

      Simon Rott ist Lehrer einer Schule in Baden-Württemberg.
      Korrekturanmerkung: Die neue Landesregierung prüft bisher nicht, die Ermäßigungsstunden für Admins zu erhöhen. Und Simon setzte diesen spannenden Thread auch nicht als Antwort auf die @BoschAcademy ab. Sorry! Christian Füller

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        KI-Studie: Deutschland auf Platz Drei

        So schnell kann’s gehen. Gerade noch wurde allenthalben gejammert, dass es in Deutschland noch kaum Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) beim Lernen gibt – schon steht Deutschland auf Platz Drei bei der KI im Bildungswesen. So ist es jedenfalls, wenn man einer Studie folgt, die im Auftrag der “Deutschen Telekom Stiftung” die Anwendung adaptiver und anderer intelligenter Lernsysteme untersucht hat. Der dritte Platz kommt zustande, weil von 99 recherchierten Beispielen von KI in der Bildung immerhin 13 aus Deutschland kamen. Platz Eins und Zwei nehmen natürlich die USA und China ein. Aus China kamen 32 Fallbeispiele, die USA waren mit 30 Fällen vertreten. Die Recherche bezog sich nicht allein auf deutsch-sprachige Fundstücke. Insofern wäre der deutsche Rückstand in der Tat nicht so groß. 

        Dennoch empfehlen die Autoren gleich dreier, wichtiger KI-erforschender Institutionen: setzt mehr Modellversuche für Künstliche Intelligenz beim Lernen und in der Schule ein. Ein Beispiel wäre in Deutschland die Universitäts-Schule in Dresden, wo eine Gemeinschaftsschule zusammen mit Professorin Anke Langner den Einsatz von KI innerhalb eines Lernmanagementsystems kontrolliert testet – und erforscht. Genau solche Projekte wollen die Autoren unter Leitung des “mmb Instituts – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung” öfter sehen. Es sollte hierzulande, schreiben sie, “nicht nur stärker in Forschung und (Produkt-) Entwicklung investiert werden, sondern vor allem auch in die praktische Erprobung und ‘Erdung’ dieser Technologien im deutschen Schulalltag.” Konkret heißt das: “didaktisch orientierte Innovationsprozesse anzuregen und neue Räume und Möglichkeiten für das Experimentieren mit intelligenten Anwendungen zu schaffen.”

        KI ist auf Schülerebene relevant

        Zudem regen die Autoren an, “KI-gestützte Systeme nicht ersetzend, sondern vielmehr ergänzend-begleitend zu Präsenz-Lernsettings einzusetzen (‘Co-Teaching’ und ‘Assisted Learning’ in hybriden Lernarrangements und Flipped Classroom-Settings etc.)”. Auch das Anlegen von Daten-Silos für Machine-Learning steht auf der Wunschliste, das wäre “die Einrichtung relevanter – jedoch anonymisierter und pseudonymisierter – Test-Datenbestände für die Entwicklung künftiger KI-Algorithmen im EdTech-Bereich.” Diese Forderung dürfte Widerspruch provozieren.

        Der große Vorteil des KI-Papiers der Telekom-Stiftung besteht darin, dass dort die Einsatzbereiche klar beschrieben werden. Sie seien sinnvoll auf der Schülerebene, damit “das lernbezogene Verhalten der Schülerinnen und Schüler umfassend beobachtet, dokumentiert und statistisch analysiert” werden kann. Mit KI könnten auch Klassen- oder Lerngruppen in den Mittelpunkt rücken. Schließlich wäre es möglich, ein Systemmononitoring zu betreiben. Der große Nachteil der Ausarbeitung liegt darin, dass es erneut eine Stakeholder-Studie ist. Vielleicht würde es helfen, wenn auch mal gänzlich außenstehende Forschergruppen Anwendungen Künstlicher Intelligenz kritisch betrachten. Der Auftrag dazu müsste dann vielleicht nicht von einer Tech-Stiftung kommen. Die Studie findet sich hier. cif

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          Bund will Bildungs-Ehrenamt dauerhaft fördern

          Der Bildungsförderalismus wird oft kritisiert. Jetzt bekommt er einen weiteren Schlag aus der Bundespolitik. Grüne, SPD und Linke wollen den Bildungs-Ehrenamt – Stiftungen und Initiativen, die sich in der Bildung engagieren, besser durch den Bund finanzieren. Dazu gehören etwa die Bundesvertretungen von Eltern und Schülern oder die gemeinnützige Spendenorganisation “Stiftung Bildung”. “Es ist grundsätzlich wichtig, dass Bildung von vielen Händen getragen wird”, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr in einer Botschaft zu einem Podiumsgespräch der “Stiftung Bildung”. Neben Bund, Ländern und Kommunen hat Bahr “nichtstaatliche, ehrenamtliche Strukturen” im Auge, deren Arbeit in der Bildung immer wichtiger werde. Solche Akteure sollten für ihre Bildungsarbeit kontinuierlich aus dem Bundestopf finanziert werden – statt wie bisher nur für einzelne Projekte. 

          Bildungsföderalismus und Bildungs-Ehrenamt

          Doch einer solchen Finanzierung könnte der Föderalismus den Riegel vorschieben, denn der verbietet, dass sich der Bund in das Schulwesen der Länder einmischt. Zwei SPD-Arbeitskreise wollen dem ein Ende machen. Bahr und ihre Fraktionskollegen aus der Ehrenamts- und Bildungspolitik haben sich zusammengeschlossen mit dem Ziel, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik für das Ehrenamt auszusetzen. Die Stiftung Bildung hat eigens ein Gutachten anfertigen lassen, das auf 34 Seiten die “Bundesförderung nichtstaatlicher Bildungsakteure” auslotet. Darin heißt es, der staatliche Bildungsauftrag werde durch überregionales ehren- wie auch hauptamtliches Engagement “wesentlich ergänzt”. Deshalb sei es “nur konsequent”, diese Organisationen für Bildungsaufgaben besser und institutionell zu bezahlen. “Der Bund könnte und muss auch den Mut aufbringen, hier eine längst überfällige und zugunsten der Bildung der Kinder wirkende gesellschaftliche Lücke zu schließen”, sagte die Stiftungsvorsitzende Katja Hintze dem Bildung.Table. Die Folgen von Pandemie und Digitalisierung hätten deutlich gezeigt, dass der Föderalismus nicht mehr Herr der Lage ist.

          In dem Gutachten, dessen Autoren die Stiftung nicht bekannt gegeben hat, finden sich mehrere Seitenhiebe gegen den Bildungsföderalismus als solchen. Bildung sei in der Vergangenheit “zu isoliert als Ländersache” angesehen worden, heißt es etwa. Wegen zunehmender Gesellschaftsveränderungen sei es aber “nicht mehr zeitgemäß“, unter Berufung auf den Föderalismus weiterführende Kooperationen zwischen Bund und Ländern “strikt abzulehnen”. Die beiden SPD-Arbeitskreise Engagement und Familie haben nun ein Papier verfasst. Man sehe die Förderung des Engagements in der Bildung “als eine Aufgabe, die die neue Regierung anpacken muss”, so Ulrike Bahr. ChK

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            Game-Master Simon Maria Hassemer

            Simon Maria Hassemer ist Berufsschullehrer an der Josef-Durler-Schule in Rastatt und Game Master
            Auch mit VR kennt sich Hassemer aus – hier mit dem historischen Lernspiel “1943 Berlin Blitz”.

            In seinem Unterricht wird nur gespielt. Der Berufsschullehrer Simon Maria Hassemer setzt in seinem Unterricht voll auf dieses didaktische Mittel. Ob digital oder analog, ist nicht entscheidend. Hassemer will das große Ganze ändern – er möchte die kulturelle Mauer zwischen Spielen und Lernen einreißen. Das macht er mit spielerischer Methodik und viel Kritik an der Ausbildung von Lehrer:innen in Deutschland.

            Gamification bedeutet, spieltypische Elemente in einem spielfremden Kontext einzusetzen. Das können Apps sein, die Punkte für gelaufene Kilometer vergeben oder lustige Animationen, die in professioneller Software “Lust” auf mehr Arbeit machen sollen. Doch hinter Gamification steckt, vor allem im pädagogischen Kontext, weit mehr. Gamification und Game-based Learning werden von einigen Lehrer:innen und Bildungsexperten als notwendige Revolution für das deutsche Schulwesen beworben (Bildung.Table berichtete). Einer dieser Lehrer ist Simon Maria Hassemer von der Josef-Durler-Schule in Rastatt.

            Doch was heißt hier Spielen, schließlich muss ja auch gelernt werden – oder? Hassemer meint, dass es keinen messbaren neurologischen Unterschied zwischen Spielen und Lernen gibt. Diesen Unterschied nennt er eine “kulturelle Zuweisung”, belegbar mit neurobiologischen Forschungsergebnissen. Konkreter wird Hassemer, wenn er die “5 Säulen von Gamification nach Roman Rackwitz” kurzerhand in die “5 Säulen von Unterricht” umbenennt. Das sind: 1. Transparente Information, 2. Sofortige Rückmeldung, 2. Regeln & Ziele, 4. Größtmögliche Freiheit und 5. Herausfordernde Aufgaben – Hassemer spricht auf YouTube ausführlich über seinen Gamification-Ansatz. Ein Vortrag des Games-Pioniers Roman Rackwitz habe seinen damals noch “vorsichtigen Methoden” einen enormen Vorschub gebracht.

            Kritik an der Ausbildung

            Simon Maria Hassemer lässt nicht nur spielen, damit der Unterricht mehr Spaß macht. Er will damit den seiner Meinung nach kritischen Aspekten der Ausbildung in Deutschland begegnen. Sein Referendariat in Karlsruhe war für ihn viel zu schematisch. “So und so musst du deinen Unterricht machen”, hieß es da. Zudem habe der Lehrer zu sehr im Mittelpunkt gestanden und zu wenig wurde die Beziehungsarbeit mit den Lernenden thematisiert. Wie im Nürnberger Trichter, erinnert sich Hassemer, sollte Wissen in die Schüler reingestopft werden, weil mehr Wissen mehr Erfolg bedeuten würde. “Diese 90 Minuten müssen voll sein, dann sind sie gut”, erinnert sich Hassemer.

            Ebenfalls kritisch sieht er die Lehrprobe, bei der eine Lehr-Feuerwerk erwartet werde. “Man macht sich da was vor und alle wissen das”, sagt Hassemer.  In seinem Referendariat habe es allerdings auch handlungs- und produktionsorientierten Unterricht gegeben. Hassemer hat sich hier die “guten Impulse rausgeholt und sie durchgezogen.” Der Großteil seiner Methoden kommt allerdings aus einem schulfernen Kontext. Privat war Hassemer schon immer an Spielen und multimedialer Gestaltung, beispielsweise Hörspiel- und Musikaufnahmen, interessiert. Schon in seiner Dissertation zum “Mittelalter der Popkultur” hat er neben historischen Romanen und Filmen auch Videospiele untersucht.

            Nach seiner Ausbildung zum Gymnasiallehrer wurde Simon Maria Hassemer im Jahr 2015 direkt an die berufliche Josef-Durler-Schule in Rastatt abgeordnet. Eigentlich sollte er hier nur ein Jahr bleiben, doch er ist immer noch da. Das Profil der Schüler:innen und die gute Beziehungsarbeit an der Schule gefallen ihm. Er unterrichte dort junge Menschen mit diversen sozioökonomischen Hintergründen und konnte so den Elfenbeinturm Gymnasium verlassen, berichtet Hassemer. An seiner Schule hat er unter anderem eine Multimedia AG und ein E-Sport-Team gegründet. Gegenwärtig ist er Klassenlehrer für Gestaltungs- und Medientechnik, im nächsten Jahr kommt eine Informationstechnik-Klasse hinzu. In seiner Multimedia AG bringt er die Fähigkeiten der unterschiedlichen Fachrichtungen zusammen und lässt sie an gemeinsamen Projekten arbeiten.

            Verantwortung durch Gestaltung

            Simon Maria Hassemers Schüler gestalten. Sie entwickeln eigene Videospiele. In “Masters of Gramatyka” wurde die Sprache vom Bösen befallen und muss nun gerettet werden – mit Grammatik. Dafür muss die Spielfigur die “Meister der Sprache” finden. Um ein Spiel zu programmieren brauche es neben den technischen und gestalterischen Skills auch “eine gehörige Portion Kreativität, sowie Kommunikations- und Teamkompetenz”, betont der Berufsschullehrer. Im normalen Unterricht ließe sich das wegen enger Strukturen und dem Notendruck nicht derartig abbilden. Bei der Arbeit an “Masters of Gramatyka” lernen die Schüler nicht nur, wie sie die notwendige Software für die Spieleentwicklung beherrschen. Auch die Inhalte aus dem Deutschunterricht werden bearbeitet und eingebaut. Das einfachste Beispiel für diese integrative Mechanik ist das Quiz. Wer die Fragen beantwortet und dafür Punkte bekommt, lernt etwas, wird aber nur “extrinsisch über ein Punkte-Belohnungssystem” motiviert. Das Quiz selbst zu erstellen sei im Gegensatz dazu tiefes Auseinandersetzen mit den jeweiligen Inhalten, sagt Hassemer.

            Beim Spielen geht es Simon Maria Hassemer nicht nur um Lernstoff. Er habe bei einigen seiner Schüler fehlende Verantwortung und Bewusstsein für den eigenen Bildungsweg entdeckt und möchte über das Spielen im Unterricht etwas an dieser Haltung ändern. Sich selbst sieht er dabei als eine Art “Game Master” – das sind die, die bei einem klassischen Rollenspiel mit Stift und Papier das Abenteuer für die Mitspieler vorbereiten. Hassemer möchte ein Umfeld für lehrreiche Erfahrungen gestalten und dabei Motivationen schaffen, die weit über das Lernziel hinausgehen. Die spielerischen und medial unterstützen Methoden hat er mitgebracht, um die Schüler:innen auf seine Art zu erreichen. Bei denen komme er damit auch sehr gut an, freut sich der Lehrer.

            Mehr über Gamification und Game-based Learning gibt es – unter anderem – beim Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, beim ZDF und bei Jane McGonical auf YouTube.

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              H5P

              Was bringt H5P pädagogisch?

              Der Name H5P steht für einen ganzen Koffer, der voller interaktiver Tools ist. Oder offiziell: H5P ist eine freie und quelloffene Software zum Erstellen von interaktiven Lehr-& Lern-Inhalten für das Web. Im Koffer befinden sich Elemente, mit denen Lehrende Möglichkeiten zum Üben, Präsentieren und zur Aufgabenstellung haben. Die Lernenden können aber auch selbstständig tätig werden. Hier steckt in meinen Augen die Power von H5P: Es macht aus Lernenden Agierende. Sie können sich selbst mit der Materie tiefer befassen, sie erschließen sich Themen – und dabei eine Werkstatt des Internets, das heißt: H5P ermächtigt Schüler:innen. Der Tool-Koffer ist sehr intuitiv zu bedienen, er setzt keine Programmierkenntnisse voraus. Mit diesem Instrument kann man also kompetenzorientiert unterrichten – und lernen.

              Welche technischen Voraussetzungen muss ich als Lehrkraft haben?

              Grundsätzlich kann man mit H5P sicherlich einfach on the go beginnen, wenn man sich traut, ein bisschen zu experimentieren. Für die meisten Lehrerinnen und Lehrer ist wahrscheinlich eine Fortbildung ratsam, damit man mal sieht, wie viel an Möglichkeiten im H5P-Koffer stecken. Eine Voraussetzung ist die Anmeldung bei der H5P-Plattform. Danach kann man die Übungen und die Aufgaben – alles, was man da gebaut hat, herunterladen und auf seine Homepage oder auf eine Lern-Plattform stellen.

              Was bleibt von H5P im ganz normalen Klassenzimmer?

              H5P ist immer einsetzbar. Ich kann damit Präsentationen vorbereiten, ich kann meine Stimme aufnehmen, ich kann Puzzles und Videos gestalten. Ich kann auch Memory-Karten erstellen. Es ist wirklich eine sehr umfassende Sammlung mit mehr als einem Dutzend von Werkzeugen, die immer wieder ergänzt wird. Alles, was man analog zur Erstellung von Lernmaterial nutzt, geht hier eben digital. Das bringt zusätzliche Möglichkeiten. Man sollte deswegen nicht in den Schubladen analog oder digital denken – sondern in dem Strauß an Möglichkeiten, den H5P bietet. 

              Pro-Tipp

              H5P ist überall einsetzbar, aber besonders liebe ich es im Sprachunterricht. Wir haben hier die Möglichkeit, innerhalb einer Aufgabe Audio-Feedbacks zu geben oder wir können Diktate aufnehmen. Man kann einen klassischen Lückentext erstellen oder ein Kreuzworträtsel basteln. Was ich besonders toll finde, ist es ein interaktives Wimmelbild zu basteln, auf dem man an bestimmten Stellen Hotspots setzt, um dort Audio Nachrichten zu platzieren. Damit kann man Vokabelübungen machen, um nur ein Beispiel zu nennen. Auf einem Wimmelbild findet man immer sehr viele Dinge – und H5P erweitert die medialen Möglichkeiten noch. 

              Kritik

              Wenn es was zu kritteln gibt, dann dass H5P ein so reiches Tool ist, dass es manchem als zu vielfältig und zu detailtief erscheinen könnte.

              Elke Höfler ist Lehrbeauftragte am Institut für Romanistik an der Universität Graz (Schwerpunkt: Fachdidaktik) und der Universität Innsbruck (Schwerpunkt: Fachdidaktik) und hält Lehrveranstaltungen zu mediendidaktischen Themen.

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                  • H5P: ein Koffer voller Tools
                  Liebe Leserin, lieber Leser,

                  Die Schulcloud zieht um. Bisher residierte die Entwicklung des Hasso-Plattner-Instituts auf dem Campus in Potsdam-Griebnitzsee. Jetzt wurde sie offiziell übergeben an die drei Bundesländer, die das open-source-Lernmanagementsystem bei sich als Länderlösung eingeführt haben. Die Cloud wirkt mit einem Plus von 1.600 Prozent an Schulanschlüssen seit März 2020 wie ein fabelhaftes Erfolgsprojekt. Aber das ist nicht die ganze Geschichte. 

                  Diesen Text wollten wir unbedingt haben. Während die Bundesregierung 500 Millionen Euro für so genannte Admins bereitgestellt hat, aber dafür wohl noch kein Cent ausgegeben wurde, berichtet uns ein Netzwerkberater, wie der Job an einer Schule mit 300 Schülern und 250 Tablets wirklich aussieht. Schnallen Sie sich gut an für den Blogpost.

                  Alle reden über Künstliche Intelligenz, aber kaum einer weiß, was es ist. Sehr viele haben laut Umfragen Angst vor KI, und zwar besonders in der Schule. Trotzdem soll massiv in so genannte Adaptive Lernsysteme, intelligente tutorielle Systeme und Vorrats-Daten-Seen investiert werden. Die Deutsche Telekom Stiftung wollte nun wissen, wie es mit KI beim Lernen wirklich aussieht – und es kam ein sehr überraschendes Ergebnis heraus. Spoiler: die Zahl 13 ist eine deutsche KI-Glückszahl. 

                  Und sonst erwartet Sie ein engagierter Gamer-Lehrer (Makerspace), ein Koffer voller interaktiver Tools namens H5P (Diaktik&Tools) und jede Menge Zivilgesellschaft. 

                  Ihr
                  Christian Füller
                  Bild von Christian  Füller
                  • Intelligente tutorielle Systeme

                  Analyse

                  Dataport übernimmt HPI-Cloud

                  Das Hasso-Plattner Institut (HPI) hat am Montag sein Software-Baby, die Schulcloud, symbolisch an drei Bundesländer übergeben. Brandenburg, Thüringen und Niedersachsen wollen ab sofort die open-source-Cloud selbst betreiben und haben sich dazu den Dienstleister “Dataport” ausgesucht. Die Schulcloud wird weiter von Potsdam-Griebnitzsee aus organisiert und entwickelt – allerdings nun nicht mehr unter Führung des HPI, hieß es. Das Personal wechsle zu Dataport und sei bereits in ein anderes Gebäude umgezogen. Der Projektleiter der Schulcloud, Jan Renz, wechselt vom HPI ins Bundesbildungsministerium, das die Schulcloud mit 20 Millionen Euro gefördert hat.

                  Die Veranstaltung zur Übergabe des Projektes am Montag, gespickt mit Grußworten von Bildungsministern, zeigte exemplarisch den interessanten Weg des Erfolgs der Schulcloud – und die entscheidende offene Frage: wird mit der Drei-Länder-Vereinbarung und viel öffentlichem Geld ein Staatskonkurrent für mittelständische Lernwolken erschaffen? Der Direktor des HPI, Christoph Meinel, stellte erneut in den Raum, dass die von seinem Institut entwickelte Lernplattform die zentrale digitale Infrastruktur vieler Bundesländer werden könnte. “Wir hoffen – es gibt auch gute Gespräche -, dass auch weitere Länder dazu kommen”. Damit machte Meinel selbst den ordnungspolitischen Konflikt zum Thema. Der Bund hat als Forschungsprojekt eine Schulcloud mit zweistelligen Millionenbeträgen gefördert, die nun lange existierenden Clouds und Lernmanagementsystemen Konkurrenz macht. Bezeichnenderweise fiel im HPI am Montag kein einziges Mal der Name einer der Wettbewerber: Etwa die open-source-Systeme “Moodle” und “Mebis” mit über 10.000 Schulen in ganz Deutschland, ucs@school von Univention, “itslearning“, das inzwischen im Norden und in Baden-Württemberg Landeslösung ist, “Lernsax” in Sachsen und vor allem “IServ“, dem Marktführer in Norddeutschland. 

                  Der staatliche Markteingriff

                  Die mittelständischen Anbieter hatten sich im April 2020 in einem Offenen Brief beschwert, “dass das BMBF nun erneut einen zweistelligen Millionenbetrag in sein eigenes Konkurrenzprodukt steckt“, gemeint war die Schulcloud. Die Mittelständler böten innovative Lösungen für Schulen an, hieß es in dem Brief. Statt diese Bemühungen zu unterstützen, werde ein unfertiges Produkt wie die Schulcloud gefördert. “Generell ist der staatliche Markteingriff durch die Entwicklung einer eigenen Schulcloud unnötig und kontraproduktiv.

                  Die im Übergang befindliche HPI-Schulcloud soll inzwischen rund 4.000 Schulen und eine Million Schüler erreichen. Allerdings kamen am Montag wieder Zweifel auf, wie verlässlich diese Zahlen sind – etwa in Niedersachsen. Michael Sternberg, Geschäftsführer der Landesinitiative n-21, sagte über die Anbindung der niedersächsischen Schulcloud-Variante, der “Niedersächsischen Bildungscloud“: ihr gehörten 1.600 Schulen an, “die alle einen Zugang bekommen haben, die angemeldet sind und in dem System arbeiten können. Und die das mit round about 800.000 Nutzerinnen tatsächlich auch tun” – und dann korrigierte sich Sternberg: “Tun könnten, muss man sagen. Uns fehlt manchmal so ein bisschen die operative Zahlenhistorie, um auch die einzelnen Nutzungen durchschauen zu können“. Auf Deutsch: wie viele Schulen die Schulcloud wirklich nutzen, kann der Kooperationspartner in Niedersachsen nicht sagen. Wer der etablierte regionale Konkurrent der Schulcloud ist und wie viele Schulen er erreicht, wollte Sternberg gar nicht erst aussprechen. Das ist umso verwunderlicher, weil die Schulcloud ohne IServ an viele Schulen in Niedersachsen nicht so einfach hätte andocken können. “Ein großer Teil der Schulen in Niedersachsen greift über eine Funktion von IServ auf die HPI-Schulcloud in Niedersachsen zu”, sagte IServ-Geschäftsführer Jörg Ludwig Bildung.Table. “Ohne diese Schnittstelle wäre es vor allem im ersten Lockdown nicht so schnell möglich gewesen, die Schulen anzubinden.” Allein 675.000 Accounts der Schulcloud laufen über die Schnittstelle IServ.

                  “Wollen etabliertes System nicht abwürgen”

                  Auch auf Nachfrage vermied Sternberg zuzugeben, dass der Marktführer in Niedersachsen nach wie vor mit großem Abstand das Lernmanagementsystem IServ ist, eine ehemalige Schüler-Gründung, die inzwischen 5.000 Schulen in Norddeutschland mit ihrem LMS erreicht. In Niedersachsen nutzen 2.200 Schulen IServ. Die Frage der gegenseitigen Konkurrenz sei “nicht so ganz maßgeblich”, sagte Sternberg. “Wenn es ein anderes etabliertes System gibt, das in der Schule vorhanden ist, dann wollen wir das auch nicht abwürgen.” Auch Christoph Meinel betonte, es gehe gar nicht um Konkurrenz. Es werde fälschlicherweise berichtet, “den professionellen kommerziellen Anbietern von Bildungs-Software wird die Arbeit weggenommen. Nein, natürlich nicht.” In der Wirklichkeit allerdings ist in Niedersachsen ein Krieg der Lernwolken ausgebrochen, der die Landesregierung spaltet: Das SPD-geführte Schulministerium bezahlt die Schulcloud mithilfe von Digitalpaktmitteln, das CDU-geführte Digitalministerium fördert IServ. (Bildung.Table berichtete)

                  Dass die Erfolgsgeschichte der Potsdamer Schulcloud – ein rechnerisches Plus von rund 1.600 Prozent an Schulen in der Cloud seit März 2020 – vor allem durch die Coronavirus-Pandemie ausgelöst wurde, zeigten die Grußworte. Sowohl KMK-Präsidentin Britta Ernst, die Schulministerin in Brandenburg ist, als auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek betonten, dass Corona der Cloud den Kick gegeben hat. “Der Druck der Pandemie hat der digitalen Bildung einen ordentlichen letzten Schub verliehen – das gilt auch für die Schulcloud des HPI”, so Karliczek. Vor den Schulschließungen hatte die Schulcloud – die mal als nationale Cloud für 40.000 Schulen gedacht war – nicht einmal ein Prozent der deutschen Schulen erreicht. Inzwischen ist die Schulcloud in drei Bundesländern offizielles Angebot. In Brandenburg und Thüringen, wo es vorher keine echte Cloud gab, ist die Schulcloud des Plattner-Instituts inzwischen Marktführer. 

                  Schulcloud wurde geöffnet, ehe sie fertig war

                  Allerdings scheint das System noch nicht komplett ausgereift zu sein. Christoph Meinel sagte, man habe auf Bitten des Bildungsministeriums die Schulcloud ein Jahr vor der vereinbarten Fertigstellung für die Praxis hunderter und tausender Schulen angeboten. “Wir waren auch ein kleines bisschen leichtsinnig, als wir sagten: ‘ja das machen wir'”, so der Direktor des HPI. “Wir hatten das Problem, dass wir plötzlich Schulen die Schulcloud zur Verfügung stellten, wo Lehrer und Lehrerinnen gar kein Gefühl hatten: ‘Was kann man damit machen? Wie geht’n das, wie schaltet man das ein?‘” Meinel entschuldigte sich, dass nicht immer alles geklappt habe – und kritisierte “die ungute Rolle der Medien”. Anstelle Eltern und Lehrer an die Hand zu nehmen, “war da unisono so ein bisschen gehässige Stimmung.” Dieser negative Kontext sei vor allem in Deutschland sehr stark. “Innovation ist ein Stück Mut“, sagte Meinel. 

                  Immer wieder wurde am Montag betont, wie außerordentlich die Potsdamer Schulcloud sei, weil sie, erstens, quelloffen programmiert sei und, zweitens, in einem agilen Prozess “nutzerzentriert mit den Anwendern” entwickelt worden sei. Dafür steht die Kooperation mit “MINT EC”. Der Verbund mathematisch-naturwissenschaftlich-informationstechnologischer Gymnasien stellte die ersten 25 Projektschulen für die Cloud. Es habe unter anderem Design-Thinking-Workshops gegeben, in denen Lehrer und Schüler ihre Bedürfnisse in die Gestaltung der Cloud eingebracht hätten. Da passte es den Veranstaltern nicht ins Programm, dass eine Lehrerin die Frage stellte, was mit den Ideen zur Kollaboration unter den Schülern geschehen sei: “Wir  haben in Brandenburg im Piloten viele Anregungen gegeben, wo wirklich nicht viel passiert ist in der Schulcloud.” 

                  Das Plattner-Institut nutzte die Gelegenheit, einzelne Projekte von Schülern und Lehrerinnen, die in der Schulcloud arbeiten, mit Preisen auszuzeichnen. Dabei ging es um einen pädagogischen “Escape Room“, einen “flipped classroom” mit 50 neu erstellten Lernvideos und ein Sprachprojekt, bei dem die Schüler Audio-, Video- und andere digitale Tools einsetzen konnten. Die Siegerinnen bekamen jede eine Urkunde – und einen Scheck im Wert von 250 bis 750 Euro

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                    Netzwerk statt Bildungsrat

                    Das neue “Netzwerk Bildung Digital” will nicht weniger als die Transformation des Bildungssystems erreichen und zu diesem Zweck “alle Bildungsbereiche” vernetzen. “Das Bereichsübergreifende ist tatsächlich das Neue: dass wir nicht alle unsere eigenen Süppchen kochen”, sagte Jacob Chammon vom Forum Bildung Digitalisierung bei der Auftaktveranstaltung. “Wir brauchen jetzt eine Bestandsaufnahme.” Das Forum ist ein Verein von neun einflussreichen Stiftungen, darunter die “Deutsche Telekom Stiftung“, die “Bertelsmann Stiftung“, die “Robert Bosch Stiftung” und die “Stiftung Mercator“. Das Forum Bildung soll das neue Netzwerk koordinieren – und bekommt dafür Geld vom Bundesbildungsministerium. “Wir brauchen jetzt auch einen gemeinsamen Aufschlag”, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), “wo jede Ebene und jede Institution den Bereich, den sie verantwortet, am Ende weiterentwickelt. Aber irgendwo muss das alles wieder zusammenlaufen“.

                    Sortieren mächtige Bildungsstiftungen vor?

                    Die Bundesbildungsministerin dürfte mit dem neuen Netzwerk etwas erreichen wollen, was ihr in der Zusammenarbeit mit den Schulministern nicht gelungen ist: einen Bildungsrat begründen, in dem sich gesellschaftliche Gruppen über die Zukunft des Bildungssystems austauschen (Bildung.Table berichtete). Der geplante Bildungsrat war gescheitert, weil die Länder sich mit dem Bund nicht über die Stimmverteilung einigen konnten. Ob das neue Format “Netzwerk” allerdings föderale Strukturen auflockern oder gar aufbrechen könnte, steht in den Sternen. Erstens sind mit den Bildungsstiftungen mächtige Spieler als Koordinatoren beteiligt, die möglicherweise nur bestimmte gesellschaftlichen Akteure einladen. Zweitens ist ein Beitrag der für Schule zuständigen Länderminister bislang nicht erkennbar. 

                    Der Vorsitzende des Forums, Chammon, zeigte sich dennoch zuversichtlich. Es gehe es um eine bundesweite interdisziplinäre Vernetzung entlang der gesamten Bildungskette, sagte er. “Es ist sehr viel passiert in den letzten Monaten: Da sind viele gute Beispiele, da sind gelungene Ansätze, es gibt Best-Practice. Und jetzt geht es wirklich darum, über die ganze Bildungskette hinaus die Leute zu vernetzen.” Bildung sei ein Tanker und den schaffe man nur gemeinsam zu drehen, sagte der ehemalige Leiter der skandinavischen Schule in Berlin und fragte: “Wo können wir uns weiterentwickeln und wie können wir voneinander lernen?” 

                    Die Fragen sind nicht neu

                    Mit dem Slogan “Wir müssen reden!” bewirbt Chammon sogenannte Dialogforen. Von Juli bis Oktober sollen sich jeden ersten Mittwoch im Monat Akteure aus dem gesamten Bildungsbereich online zu Fokusthemen austauschen. Den Anfang macht das Thema “Bildungsgerechtigkeit” am heutigen Mittwoch. Es soll diskutiert werden, wie diese durch den Einsatz digitaler Medien gefördert und Teilhabe und Demokratie in der digitalen Welt gestärkt werden können. Im August soll es dann um Beziehungen gehen – und wie diese zwischen Lehrenden und Lernenden digital gestaltet werden sollten. Weitere Themen sind innovative Didaktik und digitale Lehr-Lern-Settings sowie Anforderungen an Qualifizierungsangebote. Am Ende steht dann das Thema Bildungsübergänge und -zugänge im Mittelpunkt mit der Frage, wie Digitalisierung den Zugang zu Bildung verbessern und Aufstiegsmöglichkeiten ermöglichen kann. Diese Fragen erscheinen wichtig, klingen jedoch nicht neu und wurden bereits vielfach diskutiert. 

                    Chammon beteuert: “Wir suchen Lösungen!” Es stellt sich allerdings die Frage, wie die Erkenntnisse als praktikable Strategien und Werkzeuge nachhaltig ihren Weg in jede Bildungseinrichtung Deutschlands finden sollen. Wie werden diese “Lösungen” am Schluss bundesweit kommuniziert? Wie werden sie übertragbar und nutzbar gemacht? Und wie lange soll dieser Prozess dauern? Die Gestaltung des Informationsmanagements bleibt ungeklärt – ebenso ein Fahrplan mit konkreten Arbeitsschritten. 

                    Praktiker: Mehr Druck beim Ausbau der Infrastruktur

                    Zum Auftakt haben Karliczek und Chammon gezeigt, was sie unter Netzwerken verstehen. Sie haben einflussreiche und staatlich geförderte Projektträger zu Wort kommen lassen. So etwa Michael Fritz, den Vorstand der Stiftung “Haus der kleinen Forscher”, Oliver Janoschka, den Geschäftsführer des “Hochschulforums Digitalisierung”, auch der “Volkshochschul-Verband” und der “Zentralverband des Deutschen Handwerks” war vertreten, genau wie Dario Schramm, der Generalsekretär der “Bundesschülerkonferenz”. 

                    Wie viel kritisches Potenzial in dem Format steckt, zeigte die Schulleiterin der Waldschule Hatten, Silke Müller, beim Auftakt des “Netzwerks Digitale Bildung”. Es  gehe darum, den verantwortlichen Stellen Druck zu machen, “damit sie ausstatten, ausstatten, ausstatten”, sagte sie zur mangelhaften digitalen Infrastruktur. Erst dann könne über Handlungsfähigkeit und die Bildung der Zukunft geredet werden. “Vernetzen Sie uns, die wir alle auf dem Weg sind, und geben Sie uns eine Stimme”. Müller hatte auch ein Beispiel, das üblicherweise nicht angesprochen wird bei Digitalveranstaltungen: die Risiken des Netzes. Kinder und Jugendliche lebten “nonstop in der Netzwelt”, sagte sie. “Die leben durch Likes und Selbstbestätigung durch diese Likes – und durch Hatespeech.” Das Netz sei ein rechtsfreier Raum. “Die Kinder erleben fürchterlichste Dinge, wodurch sie verrohen.” Dennoch wäre es ein fataler pädagogischer Fehler zu meinen, das lasse sich verbieten oder ausschalten. “Was wir tun ist, das nur zu verurteilen, anstatt die Kinder an die Hand zu nehmen“, sagte Müller. “Wir müssen aber richtig rein in die digitale Welt, wir müssen noch tiefer rein und noch mehr Kompetenz aufbauen”. Wenn es so kritisch weiter geht, könnte das Netzwerk ein spannender Streitraum über digitale Bildung werden. Nadine Berneis/cif

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                      Das Admin-Drama

                      Ein Gastbeitrag von Simon Rott (Twitter Thread)

                      In Baden-Württemberg teilen sich Land und Schulträger die Aufgaben an Schulen, so auch (theoretisch) in der IT. Die “Digitalisierungshinweise für Schulen in öffentlicher Trägerschaft” von Juli 2019 sollen regeln, wer wofür zuständig ist. Dort findet sich eine 50 Punkte lange Tabelle. Die meisten Punkte, die dem Land obliegen, übernehmen entweder die Schulleitung oder die “Netzwerkberater” vor Ort. Viele Kommunen können oder wollen ihren Aufgaben nicht nachkommen, daher landen auch die oft an der Schule. 

                      Netzwerkberater” sind reguläre Lehrkräfte, und sie heißen so, weil die eigentliche Idee ist, dass sie das Kollegium im Umgang mit dem Netzwerk beraten. An den meisten Schulen nennt man sie jedoch Netzwerker oder Admins, denn das trifft es meist besser. (Disclaimer: ich bin unser Admin) 

                      Regelung mit einem 23 Jahre alten Erlass

                      Für ihre Tätigkeit bekommen die Admins Anrechnungsstunden, sie müssen also weniger unterrichten. Die Details regelt ein Erlass des Kultusministeriums, der mehr als 20 Jahre alt ist: er stammt vom 23. Juni 1998 und wurde seitdem nicht mehr verändert. Dieser Erlass besagt, dass die Schule eine Stunde aus ihrem allgemeinen Entlastungskontingent nehmen soll, ab 25 Computern gibt es eine weitere und ab 51 Computern zwei weitere Stunden. Damit endet die Skala – mit Ausnahme der beruflichen Schulen. Viele Admins bekommen zwei oder drei Anrechnungsstunden. Sie unterrichten zum Beispiel eine fünfte Klasse in Geografie weniger (das bedeutet zwei Stunden Ermäßigung), kümmern sich dafür um das Netzwerk an ihrer Schule. 

                      Was das umfasst, schildere ich aus meiner persönlichen Erfahrung. 

                      Wir sind eine sehr kleine Schule mit nur ca. 320 Schüler:innen und knapp 40 Kolleg:innen. Für diese kümmere ich mich um Server, Wlan im ganzen Gebäude, Projektionsmöglichkeiten, 57 feste PCs, circa 20 Notebooks, acht Drucker, und 250 schuleigene Tablets

                      Wir arbeiten mit Moodle, gehostet bei “Baden-Württembergs extended Lan“, kurz Belwue, E-Mail-Adressen und Verteilern, Threema work als Messenger vor Ort, mit “pädagogischen Musterlösungen” des Landesmedienzentrums sowie dem Schulmanager für den Vertretungsplan. Es müssen jeweils Accounts gepflegt, neue User, Klassen und Kurse angelegt, alte gelöscht werden. 

                      Passwörter werden oft vergessen

                      User vergessen (oft) Passwörter. Sie haben Fragen, Wünsche und Probleme und wenden sich damit an den Admin. Um Standardprobleme abzupuffern, betreiben wir einen Moodle-Kurs “Hilfe” für Schüler:innen, und eine Wissensdatenbank mit einem Ticketsystem für Kolleg:innen. Bei mehr als 300 Geräten geht auch mal was kaputt, dann kümmern wir uns um Ersatz, Reparatur, Abwicklung mit Versicherung, Neueinrichtung und so weiter. Natürlich begleiten wir Neue, sorgen für internen Austausch und Fortbildung und sind für Fragen immer da. Wir verwalten die Tablets mit einem ProfileManager vor Ort, ziehen aber gerade zu Jam school um, kaufen und verwalten Apps, haben zusätzlich zu Papier digitale Schulbücher von verschiedenen Verlagen, welche auch Accounts benötigen und deren Lizenzen zugeordnet werden müssen. 

                      Für all das sind vom Kultusministerium laut der 1998er-Liste drei Stunden weniger Unterricht vorgesehen. Das ist natürlich unrealistisch – um es freundlich zu sagen. Um es deutlich zu sagen: wer seine Aufgaben als Netzwerker, Admin und die als Lehrkraft ernst nimmt, der geht unter. Hinweise darauf werden (vom Ministerium) gerne damit beantwortet, dass einige der Aufgaben ja Aufgabe des Schulträgers seien. 

                      Das stimmt natürlich. Jedoch würde die Zeit auch dann (bei weitem) nicht reichen, wenn man nur die Aufgaben des Netzwerkberaters machen würde, zudem ist bei den meisten Schulträgern unrealistisch, allen Aufgaben vollumfänglich nachzukommen. Es gibt Vorzeigeschulträger: Das sind oft große Städte mit Stadtmedienzentren, welche die Economies of Scale nutzen können. Beim Rest bleiben viele der Aufgaben an Schulen hängen, da Schulträger die Aufgaben nicht leisten können, zum Beispiel weil sie gar keine IT-Abteilung haben

                      Viele Admins macht die Aufgabenflut kaputt

                      Gerne wird auch auf die “Zusatz-VerwaltungsvereinbarungAdministration’ zum DigitalPakt” verwiesen. Dort sind in der Tat Gelder für IT-Angestellte der Schulträger oder Dienstleister vorgesehen. Die decken jedoch nur den Zeitraum bis 2024 ab, die Folgefinanzierung ist ungeklärt. Das führt dazu, dass Schulträger ungern Stellen oder Ansprüche schaffen. Nicht weniger schwierig ist, dass IT-Stellen oft nicht besetzt werden können. In der Wirtschaft fehlen ebenfalls ITler, und da gibt es viel mehr Geld. Man könnte auch Dienstleister beauftragen, aber an gute Leute zu kommen ist – insbesondere auf dem Land und als kleine Schule – eine große Herausforderung.

                      Selbst wenn man einen guten Dienstleister hat, so ist natürlich dennoch viel Koordination und Absprache mit diesem erforderlich, was wiederum  Zeit in Anspruch nimmt. Manche Schulen versuchen ihre Admins durch andere Stunden zu entlasten, da allen klar ist, dass die zwei bis drei Stunden bei weitem nicht reichen. Das geht dann aber auf Kosten anderer, wichtiger Bereiche (Arbeitsgemeinschaften etwa oder Pool-Stunden). 

                      In der Pandemie waren und sind Admins extrem belastet, viele gehen gerade an der Aufgabenflut – man kann es nicht anders ausdrücken – kaputt.  

                      Wertschätzung hält uns im Job

                      Viele Admins halten das Ganze nur aus, weil sie sehr viel Wertschätzung an der Schule erfahren. Die nicht vorhandene Wertschätzung von oben frustriert jedoch und führt zu Resignation. Viele würden am liebsten hinschmeißen, tun das aber nicht, aus Verantwortung der Schule, den Kollegen und Schülern gegenüber. Die Aufgabe abzugeben ist oft kaum möglich.

                      Zwar gibt es bereits Ansätze, die Beziehungen zwischen Land und Schulträgern neu zu strukturieren, und dies ist beispielsweise in Baden-Württemberg auch im Koalitionsvertrag als Ziel genannt. Bis dahin müsste man jedoch dringend eine Übergangslösung finden. Diese wird kurzfristig vermutlich nur mit mehr Anrechnungsstunden für die “Netzwerkberater” vor Ort möglich sein, denn alles andere braucht Zeit.

                      Selbst wenn diese zusätzlichen Stunden nicht kommen würden – ich mache weiter.

                      Simon Rott ist Lehrer einer Schule in Baden-Württemberg.
                      Korrekturanmerkung: Die neue Landesregierung prüft bisher nicht, die Ermäßigungsstunden für Admins zu erhöhen. Und Simon setzte diesen spannenden Thread auch nicht als Antwort auf die @BoschAcademy ab. Sorry! Christian Füller

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                        KI-Studie: Deutschland auf Platz Drei

                        So schnell kann’s gehen. Gerade noch wurde allenthalben gejammert, dass es in Deutschland noch kaum Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) beim Lernen gibt – schon steht Deutschland auf Platz Drei bei der KI im Bildungswesen. So ist es jedenfalls, wenn man einer Studie folgt, die im Auftrag der “Deutschen Telekom Stiftung” die Anwendung adaptiver und anderer intelligenter Lernsysteme untersucht hat. Der dritte Platz kommt zustande, weil von 99 recherchierten Beispielen von KI in der Bildung immerhin 13 aus Deutschland kamen. Platz Eins und Zwei nehmen natürlich die USA und China ein. Aus China kamen 32 Fallbeispiele, die USA waren mit 30 Fällen vertreten. Die Recherche bezog sich nicht allein auf deutsch-sprachige Fundstücke. Insofern wäre der deutsche Rückstand in der Tat nicht so groß. 

                        Dennoch empfehlen die Autoren gleich dreier, wichtiger KI-erforschender Institutionen: setzt mehr Modellversuche für Künstliche Intelligenz beim Lernen und in der Schule ein. Ein Beispiel wäre in Deutschland die Universitäts-Schule in Dresden, wo eine Gemeinschaftsschule zusammen mit Professorin Anke Langner den Einsatz von KI innerhalb eines Lernmanagementsystems kontrolliert testet – und erforscht. Genau solche Projekte wollen die Autoren unter Leitung des “mmb Instituts – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung” öfter sehen. Es sollte hierzulande, schreiben sie, “nicht nur stärker in Forschung und (Produkt-) Entwicklung investiert werden, sondern vor allem auch in die praktische Erprobung und ‘Erdung’ dieser Technologien im deutschen Schulalltag.” Konkret heißt das: “didaktisch orientierte Innovationsprozesse anzuregen und neue Räume und Möglichkeiten für das Experimentieren mit intelligenten Anwendungen zu schaffen.”

                        KI ist auf Schülerebene relevant

                        Zudem regen die Autoren an, “KI-gestützte Systeme nicht ersetzend, sondern vielmehr ergänzend-begleitend zu Präsenz-Lernsettings einzusetzen (‘Co-Teaching’ und ‘Assisted Learning’ in hybriden Lernarrangements und Flipped Classroom-Settings etc.)”. Auch das Anlegen von Daten-Silos für Machine-Learning steht auf der Wunschliste, das wäre “die Einrichtung relevanter – jedoch anonymisierter und pseudonymisierter – Test-Datenbestände für die Entwicklung künftiger KI-Algorithmen im EdTech-Bereich.” Diese Forderung dürfte Widerspruch provozieren.

                        Der große Vorteil des KI-Papiers der Telekom-Stiftung besteht darin, dass dort die Einsatzbereiche klar beschrieben werden. Sie seien sinnvoll auf der Schülerebene, damit “das lernbezogene Verhalten der Schülerinnen und Schüler umfassend beobachtet, dokumentiert und statistisch analysiert” werden kann. Mit KI könnten auch Klassen- oder Lerngruppen in den Mittelpunkt rücken. Schließlich wäre es möglich, ein Systemmononitoring zu betreiben. Der große Nachteil der Ausarbeitung liegt darin, dass es erneut eine Stakeholder-Studie ist. Vielleicht würde es helfen, wenn auch mal gänzlich außenstehende Forschergruppen Anwendungen Künstlicher Intelligenz kritisch betrachten. Der Auftrag dazu müsste dann vielleicht nicht von einer Tech-Stiftung kommen. Die Studie findet sich hier. cif

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                          Bund will Bildungs-Ehrenamt dauerhaft fördern

                          Der Bildungsförderalismus wird oft kritisiert. Jetzt bekommt er einen weiteren Schlag aus der Bundespolitik. Grüne, SPD und Linke wollen den Bildungs-Ehrenamt – Stiftungen und Initiativen, die sich in der Bildung engagieren, besser durch den Bund finanzieren. Dazu gehören etwa die Bundesvertretungen von Eltern und Schülern oder die gemeinnützige Spendenorganisation “Stiftung Bildung”. “Es ist grundsätzlich wichtig, dass Bildung von vielen Händen getragen wird”, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr in einer Botschaft zu einem Podiumsgespräch der “Stiftung Bildung”. Neben Bund, Ländern und Kommunen hat Bahr “nichtstaatliche, ehrenamtliche Strukturen” im Auge, deren Arbeit in der Bildung immer wichtiger werde. Solche Akteure sollten für ihre Bildungsarbeit kontinuierlich aus dem Bundestopf finanziert werden – statt wie bisher nur für einzelne Projekte. 

                          Bildungsföderalismus und Bildungs-Ehrenamt

                          Doch einer solchen Finanzierung könnte der Föderalismus den Riegel vorschieben, denn der verbietet, dass sich der Bund in das Schulwesen der Länder einmischt. Zwei SPD-Arbeitskreise wollen dem ein Ende machen. Bahr und ihre Fraktionskollegen aus der Ehrenamts- und Bildungspolitik haben sich zusammengeschlossen mit dem Ziel, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik für das Ehrenamt auszusetzen. Die Stiftung Bildung hat eigens ein Gutachten anfertigen lassen, das auf 34 Seiten die “Bundesförderung nichtstaatlicher Bildungsakteure” auslotet. Darin heißt es, der staatliche Bildungsauftrag werde durch überregionales ehren- wie auch hauptamtliches Engagement “wesentlich ergänzt”. Deshalb sei es “nur konsequent”, diese Organisationen für Bildungsaufgaben besser und institutionell zu bezahlen. “Der Bund könnte und muss auch den Mut aufbringen, hier eine längst überfällige und zugunsten der Bildung der Kinder wirkende gesellschaftliche Lücke zu schließen”, sagte die Stiftungsvorsitzende Katja Hintze dem Bildung.Table. Die Folgen von Pandemie und Digitalisierung hätten deutlich gezeigt, dass der Föderalismus nicht mehr Herr der Lage ist.

                          In dem Gutachten, dessen Autoren die Stiftung nicht bekannt gegeben hat, finden sich mehrere Seitenhiebe gegen den Bildungsföderalismus als solchen. Bildung sei in der Vergangenheit “zu isoliert als Ländersache” angesehen worden, heißt es etwa. Wegen zunehmender Gesellschaftsveränderungen sei es aber “nicht mehr zeitgemäß“, unter Berufung auf den Föderalismus weiterführende Kooperationen zwischen Bund und Ländern “strikt abzulehnen”. Die beiden SPD-Arbeitskreise Engagement und Familie haben nun ein Papier verfasst. Man sehe die Förderung des Engagements in der Bildung “als eine Aufgabe, die die neue Regierung anpacken muss”, so Ulrike Bahr. ChK

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                            Game-Master Simon Maria Hassemer

                            Simon Maria Hassemer ist Berufsschullehrer an der Josef-Durler-Schule in Rastatt und Game Master
                            Auch mit VR kennt sich Hassemer aus – hier mit dem historischen Lernspiel “1943 Berlin Blitz”.

                            In seinem Unterricht wird nur gespielt. Der Berufsschullehrer Simon Maria Hassemer setzt in seinem Unterricht voll auf dieses didaktische Mittel. Ob digital oder analog, ist nicht entscheidend. Hassemer will das große Ganze ändern – er möchte die kulturelle Mauer zwischen Spielen und Lernen einreißen. Das macht er mit spielerischer Methodik und viel Kritik an der Ausbildung von Lehrer:innen in Deutschland.

                            Gamification bedeutet, spieltypische Elemente in einem spielfremden Kontext einzusetzen. Das können Apps sein, die Punkte für gelaufene Kilometer vergeben oder lustige Animationen, die in professioneller Software “Lust” auf mehr Arbeit machen sollen. Doch hinter Gamification steckt, vor allem im pädagogischen Kontext, weit mehr. Gamification und Game-based Learning werden von einigen Lehrer:innen und Bildungsexperten als notwendige Revolution für das deutsche Schulwesen beworben (Bildung.Table berichtete). Einer dieser Lehrer ist Simon Maria Hassemer von der Josef-Durler-Schule in Rastatt.

                            Doch was heißt hier Spielen, schließlich muss ja auch gelernt werden – oder? Hassemer meint, dass es keinen messbaren neurologischen Unterschied zwischen Spielen und Lernen gibt. Diesen Unterschied nennt er eine “kulturelle Zuweisung”, belegbar mit neurobiologischen Forschungsergebnissen. Konkreter wird Hassemer, wenn er die “5 Säulen von Gamification nach Roman Rackwitz” kurzerhand in die “5 Säulen von Unterricht” umbenennt. Das sind: 1. Transparente Information, 2. Sofortige Rückmeldung, 2. Regeln & Ziele, 4. Größtmögliche Freiheit und 5. Herausfordernde Aufgaben – Hassemer spricht auf YouTube ausführlich über seinen Gamification-Ansatz. Ein Vortrag des Games-Pioniers Roman Rackwitz habe seinen damals noch “vorsichtigen Methoden” einen enormen Vorschub gebracht.

                            Kritik an der Ausbildung

                            Simon Maria Hassemer lässt nicht nur spielen, damit der Unterricht mehr Spaß macht. Er will damit den seiner Meinung nach kritischen Aspekten der Ausbildung in Deutschland begegnen. Sein Referendariat in Karlsruhe war für ihn viel zu schematisch. “So und so musst du deinen Unterricht machen”, hieß es da. Zudem habe der Lehrer zu sehr im Mittelpunkt gestanden und zu wenig wurde die Beziehungsarbeit mit den Lernenden thematisiert. Wie im Nürnberger Trichter, erinnert sich Hassemer, sollte Wissen in die Schüler reingestopft werden, weil mehr Wissen mehr Erfolg bedeuten würde. “Diese 90 Minuten müssen voll sein, dann sind sie gut”, erinnert sich Hassemer.

                            Ebenfalls kritisch sieht er die Lehrprobe, bei der eine Lehr-Feuerwerk erwartet werde. “Man macht sich da was vor und alle wissen das”, sagt Hassemer.  In seinem Referendariat habe es allerdings auch handlungs- und produktionsorientierten Unterricht gegeben. Hassemer hat sich hier die “guten Impulse rausgeholt und sie durchgezogen.” Der Großteil seiner Methoden kommt allerdings aus einem schulfernen Kontext. Privat war Hassemer schon immer an Spielen und multimedialer Gestaltung, beispielsweise Hörspiel- und Musikaufnahmen, interessiert. Schon in seiner Dissertation zum “Mittelalter der Popkultur” hat er neben historischen Romanen und Filmen auch Videospiele untersucht.

                            Nach seiner Ausbildung zum Gymnasiallehrer wurde Simon Maria Hassemer im Jahr 2015 direkt an die berufliche Josef-Durler-Schule in Rastatt abgeordnet. Eigentlich sollte er hier nur ein Jahr bleiben, doch er ist immer noch da. Das Profil der Schüler:innen und die gute Beziehungsarbeit an der Schule gefallen ihm. Er unterrichte dort junge Menschen mit diversen sozioökonomischen Hintergründen und konnte so den Elfenbeinturm Gymnasium verlassen, berichtet Hassemer. An seiner Schule hat er unter anderem eine Multimedia AG und ein E-Sport-Team gegründet. Gegenwärtig ist er Klassenlehrer für Gestaltungs- und Medientechnik, im nächsten Jahr kommt eine Informationstechnik-Klasse hinzu. In seiner Multimedia AG bringt er die Fähigkeiten der unterschiedlichen Fachrichtungen zusammen und lässt sie an gemeinsamen Projekten arbeiten.

                            Verantwortung durch Gestaltung

                            Simon Maria Hassemers Schüler gestalten. Sie entwickeln eigene Videospiele. In “Masters of Gramatyka” wurde die Sprache vom Bösen befallen und muss nun gerettet werden – mit Grammatik. Dafür muss die Spielfigur die “Meister der Sprache” finden. Um ein Spiel zu programmieren brauche es neben den technischen und gestalterischen Skills auch “eine gehörige Portion Kreativität, sowie Kommunikations- und Teamkompetenz”, betont der Berufsschullehrer. Im normalen Unterricht ließe sich das wegen enger Strukturen und dem Notendruck nicht derartig abbilden. Bei der Arbeit an “Masters of Gramatyka” lernen die Schüler nicht nur, wie sie die notwendige Software für die Spieleentwicklung beherrschen. Auch die Inhalte aus dem Deutschunterricht werden bearbeitet und eingebaut. Das einfachste Beispiel für diese integrative Mechanik ist das Quiz. Wer die Fragen beantwortet und dafür Punkte bekommt, lernt etwas, wird aber nur “extrinsisch über ein Punkte-Belohnungssystem” motiviert. Das Quiz selbst zu erstellen sei im Gegensatz dazu tiefes Auseinandersetzen mit den jeweiligen Inhalten, sagt Hassemer.

                            Beim Spielen geht es Simon Maria Hassemer nicht nur um Lernstoff. Er habe bei einigen seiner Schüler fehlende Verantwortung und Bewusstsein für den eigenen Bildungsweg entdeckt und möchte über das Spielen im Unterricht etwas an dieser Haltung ändern. Sich selbst sieht er dabei als eine Art “Game Master” – das sind die, die bei einem klassischen Rollenspiel mit Stift und Papier das Abenteuer für die Mitspieler vorbereiten. Hassemer möchte ein Umfeld für lehrreiche Erfahrungen gestalten und dabei Motivationen schaffen, die weit über das Lernziel hinausgehen. Die spielerischen und medial unterstützen Methoden hat er mitgebracht, um die Schüler:innen auf seine Art zu erreichen. Bei denen komme er damit auch sehr gut an, freut sich der Lehrer.

                            Mehr über Gamification und Game-based Learning gibt es – unter anderem – beim Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, beim ZDF und bei Jane McGonical auf YouTube.

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                              H5P

                              Was bringt H5P pädagogisch?

                              Der Name H5P steht für einen ganzen Koffer, der voller interaktiver Tools ist. Oder offiziell: H5P ist eine freie und quelloffene Software zum Erstellen von interaktiven Lehr-& Lern-Inhalten für das Web. Im Koffer befinden sich Elemente, mit denen Lehrende Möglichkeiten zum Üben, Präsentieren und zur Aufgabenstellung haben. Die Lernenden können aber auch selbstständig tätig werden. Hier steckt in meinen Augen die Power von H5P: Es macht aus Lernenden Agierende. Sie können sich selbst mit der Materie tiefer befassen, sie erschließen sich Themen – und dabei eine Werkstatt des Internets, das heißt: H5P ermächtigt Schüler:innen. Der Tool-Koffer ist sehr intuitiv zu bedienen, er setzt keine Programmierkenntnisse voraus. Mit diesem Instrument kann man also kompetenzorientiert unterrichten – und lernen.

                              Welche technischen Voraussetzungen muss ich als Lehrkraft haben?

                              Grundsätzlich kann man mit H5P sicherlich einfach on the go beginnen, wenn man sich traut, ein bisschen zu experimentieren. Für die meisten Lehrerinnen und Lehrer ist wahrscheinlich eine Fortbildung ratsam, damit man mal sieht, wie viel an Möglichkeiten im H5P-Koffer stecken. Eine Voraussetzung ist die Anmeldung bei der H5P-Plattform. Danach kann man die Übungen und die Aufgaben – alles, was man da gebaut hat, herunterladen und auf seine Homepage oder auf eine Lern-Plattform stellen.

                              Was bleibt von H5P im ganz normalen Klassenzimmer?

                              H5P ist immer einsetzbar. Ich kann damit Präsentationen vorbereiten, ich kann meine Stimme aufnehmen, ich kann Puzzles und Videos gestalten. Ich kann auch Memory-Karten erstellen. Es ist wirklich eine sehr umfassende Sammlung mit mehr als einem Dutzend von Werkzeugen, die immer wieder ergänzt wird. Alles, was man analog zur Erstellung von Lernmaterial nutzt, geht hier eben digital. Das bringt zusätzliche Möglichkeiten. Man sollte deswegen nicht in den Schubladen analog oder digital denken – sondern in dem Strauß an Möglichkeiten, den H5P bietet. 

                              Pro-Tipp

                              H5P ist überall einsetzbar, aber besonders liebe ich es im Sprachunterricht. Wir haben hier die Möglichkeit, innerhalb einer Aufgabe Audio-Feedbacks zu geben oder wir können Diktate aufnehmen. Man kann einen klassischen Lückentext erstellen oder ein Kreuzworträtsel basteln. Was ich besonders toll finde, ist es ein interaktives Wimmelbild zu basteln, auf dem man an bestimmten Stellen Hotspots setzt, um dort Audio Nachrichten zu platzieren. Damit kann man Vokabelübungen machen, um nur ein Beispiel zu nennen. Auf einem Wimmelbild findet man immer sehr viele Dinge – und H5P erweitert die medialen Möglichkeiten noch. 

                              Kritik

                              Wenn es was zu kritteln gibt, dann dass H5P ein so reiches Tool ist, dass es manchem als zu vielfältig und zu detailtief erscheinen könnte.

                              Elke Höfler ist Lehrbeauftragte am Institut für Romanistik an der Universität Graz (Schwerpunkt: Fachdidaktik) und der Universität Innsbruck (Schwerpunkt: Fachdidaktik) und hält Lehrveranstaltungen zu mediendidaktischen Themen.

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