Table.Briefing: Bildung

De Maizière fordert große Staatsreform + Deutschlandweite Schulcloud bleibt Utopie

  • Interview mit dem Chef der Telekom-Stiftung Thomas de Maizière
  • Buchrezension: Martin Geislers Sammelband über Spiel- und Medienpädagogik
  • Blogpost: Sven Ripsas über Entrepreneurship Education
  • CDU-Digitalkompetenz: Wer füllt die Lücke im neuen Bundestag?
  • Telekom-Studie zeigt deutschen Schulcloud-Flickenteppich
  • KMK will Digitalpakt verstetigen
  • Don-Bosco-Schule weitet Fach “Startup” aus
  • Didaktik & Tools: Die Philosophin Flora Nieß über Referendariat für zeitgemäße Bildung
  • Termine
Liebe Leserin, lieber Leser,

bis zum Freitag wollen SPD, Grüne und FDP noch sondieren. Dann werden die drei Parteien intern über den Eintritt in Koalitionsverhandlungen beraten. Inhaltlich geben die Ampel-Sondierer bisher wenig preis. Streitpunkte, wie Steuern und Schulden, sind offensichtlich. Deutlich mehr Einigkeit dürfte es bei den Themen Digitalisierung und Bildung geben. Eine Ampel-Koalition wird anpacken und dafür viel Geld in die Hand nehmen müssen.

Ex-Bundesminister Thomas de Maizière fällt im Gespräch mit Christian Füller ein klares Urteil: “Ohne die Pandemie wäre die Digitalisierung nicht so weit vorangekommen.” Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete kritisiert, dass die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Krise “vollständig unsystematisch” geworden ist. Er fordert eine gründliche Überarbeitung der Kooperation – eine “große Staatsreform”. Welche Probleme ihm die Bund-Länder-Zusammenarbeit während seiner Zeit als Innenminister gemacht hat, verrät de Maizière ebenfalls.

Seit 2018 ist Thomas de Maizière Vorsitzender der Telekom-Stiftung. Die hat nun in einer Studie analysiert, wie es um die deutsche Schulcloud bestellt ist. Der Vorsitzende geht auch darauf ein: Eine gemeinsame Schulcloud wird es nicht geben. Im Bildung.Table lesen Sie, warum das nichts Schlechtes sein muss.

Praktischen Pädagogen und Studierenden stellt die Philosophin Flora Nieß das “Refendariat für zeitgemäße Bildung” vor. Für aktive oder angehende Medienpädagogen rezensiert Bildung.Table außerdem Martin Geislers Sammelband über Spiel- und Medienpädagogik.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

Ihr
Enno Eidens
Bild von Enno  Eidens

Analyse

“Wir brauchen eine große Staatsreform”

Man sieht auf dem Foto Thomas de Maizière, er setzt sich für Digitalisierung ein
Thomas de Maizière, Vorsitzender der Telekom-Stiftung

Herr de Maizière, Sie beklagen – wie viele andere – die mangelnde, manchmal chaotische Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Welche Folgen hat das für die digitale Bildung? 

Zunächst gilt, dass Föderalismus und kommunale Selbstverwaltung konstitutive Grundprinzipien unserer staatlichen Ordnung sind – und sinnvolle obendrein. Entscheidungen vor Ort sind meistens sachnäher. Machtkonzentration soll vermieden werden. Das ist Absicht. Die Beteiligung Vieler wird auf diese Weise gesichert.

Corona hat allerdings die Krise dieser Kulturhoheit der Länder ziemlich schonungslos offenbart. 

Ohne die Pandemie wäre die Digitalisierung nicht so weit vorangekommen. Es wurden Laptops für Schüler und Lehrkräfte finanziert und angeschafft. Ein Programm für IT-Administratoren wurde aufgelegt. Aber es stimmt, insgesamt ist die Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen noch viel zu gering. Es geht aber meines Erachtens nicht nur um das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der schulischen Bildung.

Sondern? 

Durch die verschiedenen Eingriffe in das Grundgesetz zur Lösung konkreter Einzelfragen – meistens ging es um Geld – ist das Gesamtgebilde der Kooperation zwischen Bund und Ländern vollständig unsystematisch geworden. Der Bund darf eine Bildungsinfrastruktur wie Breitband bezahlen – aber nicht sagen, was damit gemacht wird. Er darf sich an der Lehrerausbildung an Hochschulen beteiligen – nicht aber an der Lehrerfortbildung. 

Aber haben sich Bund und Länder nicht grundsätzlich auf ein 500 Millionen teures Lehrerfortbildungsprojekt verständigt? 

Ja, nur wurde das Bund-Länderprogramm zur Einrichtung von Kompetenzzentren für Digitales und digital gestütztes Unterrichten schon wieder auf Eis gelegt. Eine gemeinsame Umsetzung ist momentan nicht zu erwarten. 

Was wäre Ihr Plan, wie man die Lehrerfortbildung gestalten soll? 

Wir haben als Telekom-Stiftung schon 2011 ein Projekt gestartet, ein Modell, das die sehr zerrissene Lehrerfortbildung zugleich professionalisieren und neu organisieren könnte. Ergebnis ist das “Deutsche Zentrum für Lehrerbildung Mathematik” (DZLM). Das ist das Exempel für die Kompetenzzentren, die bei Bund und Ländern gerade ins Stocken geraten sind. 

Welche Idee steckt hinter solchen Exzellenzschwerpunkten?

Uns ging und geht es um zwei Prinzipien. Erstens, die Lehrerfortbildung in den Landesinstituten mit der Wissenschaft in den Hochschulen zusammenzubringen. Neue Exzellenzzentren wie das DZLM sollen dafür die fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Kompetenz bundesweit bündeln. Zweitens sollte die Lehrkräftefortbildung angesichts der digitalen Herausforderungen grundlegend verändert werden: Sie soll in der Regel dezentral an den Schulen stattfinden, im Sinne einer kontinuierlichen professionellen Entwicklung. Damit das erstklassig geschehen kann, benötigen die Schulen Unterstützung, die auch digital geleistet werden kann. 

Was bedeutet das praktisch?

Die Lehrkräfte sollten idealerweise nicht zu Instituten hinfahren, um sich eine Woche fortbilden zu lassen. Sie brauchen die Möglichkeit, sich schnell wissenschaftsbasierte Fortbildungen gewissermaßen ins Lehrerzimmer und damit direkt in ihren Alltag holen zu können. Dem im letzten Jahr formulierten ländergemeinsamen Papier müssen Taten folgen. Wir werden da nicht locker lassen. 

Aber wenn die Länder das doch nicht wollen? Oder nicht bezahlen können? Wie könnte man die Einigungsbereitschaft der Länder erhöhen?

In meinen Augen braucht man eine grundlegende Überarbeitung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, man muss das schon eine große Staatsreform nennen. Egal, welches Modell man dann wählt: Es muss erstens in sich schlüssig sein und zweitens nicht lediglich eine verkappte Finanzbeteiligung des Bundes regeln. Zusammenarbeit ist mehr als die fördernde Finanzierung von Beton oder das Legen von Bypässen, die das Grundgesetz listenreich interpretieren. 

Dauert so eine große Staatsform nicht viel zu lang? Die Digitalisierung hätte doch eher schon gestern als morgen vorangetrieben werden sollen? 

Ja natürlich. Die Länder sollten sich Gedanken machen, wie sie schneller zu Entscheidungen kommen. Dennoch rede ich von einer großen Staatsreform, weil es ja nicht nur um Bund und Länder geht. Die Umsetzung des Digitalpakts hat uns das vielleicht größere Problem politischer Steuerung im Föderalismus vor Augen geführt: das Verhältnis der Länder untereinander – und das der Länder zu Schulträgern und Schulen.

Sie meinen, dass nicht grundsätzlich geklärt ist, wer eigentlich der Eigentümer und wer der Administrator von Lehrerdienstgeräten ist? Und wie das mit den 500 Millionen für IT-Administratoren weitergehen soll?

Das sind konkrete Beispiele, die den Bürgern nicht mehr vermittelbar sind. Bundesmittel in Milliardenhöhe stecken im Zuständigkeits-Wirrwarr fest. Das Grundproblem dahinter: Die Länder lehnen eine Steuerung von Bildungsangelegenheiten durch den Bund ab. Gleichzeitig besteht immer noch vielfach die Illusion, man könne aus einer Landeshauptstadt heraus eine wirksame Mikrosteuerung für alle Schulen des eigenen Landes vornehmen. 

Gibt es einen Ausweg aus diesem Labyrinth? 

Ja, eine große Staatsform, die zwischen den föderalen Partnern verhandelt werden muss. Und, das gehört dazu, viel mehr Freiheit für die Schulen. Die Krise hat uns das gezeigt: da haben die Schulleitungen und Lehrer oft gemacht, ja machen müssen, was sie für richtig hielten. Das hat viel Gutes bewirkt – wenn das Engagement der Lehrkräfte hoch war. Sinnvoll wäre aber kohärentes Handeln auf der Ebene der einzelnen Schule auf der Grundlage einheitlicher Rahmensetzungen gewesen. Kurz: Wir sollten die Schulleitungen stärken. Ohne eine einheitlichere Zuständigkeit an einer Schule lässt sich auf Dauer keine gute Schule organisieren. Schulträgerschaft und Personalhoheit gehören eigentlich in eine Hand.

Wie soll es mit den Lernmanagementsystemen weiter gehen? Immer wieder ertönt der Ruf nach einer zentralen Schulcloud. 

Eine Bildungs- oder Schulcloud des Bundes oder aller Länder gemeinsam wird es nicht geben. Wir haben es gerade untersuchen lassen, herausgekommen ist, dass die Vielfalt an existierenden Lernplattformen bereits groß ist. Die zentrale Schulcloud ist also eine Illusion. Alle Länder sollten sich aber verpflichten, einfach nutzbare und sichere Schnittstellen zu ihren Lernplattformen anzubieten.

Was ist mit den Anbietern von privaten Bildungsinhalten, die schon lange auf dem Markt sind? 

Das Monopol staatlicher Zulassung von Lehrmitteln und Bildungsinhalten ist gefallen. Das liegt im Interesse der kleineren Bildungsanbieter. 

Das Monopol mag technisch nicht mehr zeitgemäß sein, in den Köpfen der Kultus-Administration ist es noch ziemlich stabil

Dieses Monopol lässt sich nicht auf den Umgang mit digital verfügbaren Lehr- und Lernangeboten übertragen. Die Bildungsverwaltungen werden das akzeptieren müssen. Es kann nicht mehr so organisiert werden wie bisher, dass die Kultusministerien bestimmte Inhalte zulassen – und stillschweigend signalisieren: wenn ihr andere nehmt, gucken wir weg. Es muss künftig so sein: Ihr dürft alles verwenden, was ihr für geeignet haltet – es sei denn, wir verbieten es. Das ist natürlich ein riesiges Einfallstor für all jene, die Bildungsinhalte anbieten – für die großen Portale ebenso wie für viele kleine Anbieter, die man zum Beispiel auf YouTube findet. Und es setzt voraus, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Inhalte aussuchen können, die sie pädagogisch für geeignet halten. Bei der Nutzung von Lerninhalten brauchen die Schulen größtmögliche Freiheit. 

Das Problem ist für digitale Bildungsanbieter, die zum Teil ganze Lehrpläne in Videos, Aufgaben und Übungen übersetzt haben, dass sie von den Kultusministern nicht aktiv herein geholt werden. 

Wenn jeder kleine Anbieter reingeholt werden muss, dann enden wir in einer endlosen Bürokratie. Es sollte in Zukunft gerade nicht so sein, dass ein Land prüft, ob es einen digitaler Bildungsinhalt oder ein Arbeitsblatt-Anbieter zulässt. Sollten die kleinen Anbieter das wirklich fordern, dann wird das nie was. Es muss umgekehrt sein: Alles ist erlaubt – außer es wird verboten. Das wäre die völlige Umstellung des Systems. Jeder, der einen Bildungsinhalt hat, muss auf die Schule zugehen können. 

Kann der Datenschutz hier ein Vorbild sein? 

Nein, der ist sicher kein Vorbild. Wir haben uns allesamt geärgert, dass die Datenschutzbeauftragten über eineinhalb Jahre hinweg nicht im Stande waren, im Schulbereich zu einer gemeinsamen Rechtsauffassung zu kommen.  

Jede Datenschutzbehörde ist nun mal eine autonome Behörde… 

… das ist ja das Problem… 

… aber es ergibt auch Sinn. 

Jein. So ist bisher die Rechtslage, aber wir haben nun mal eine europäische Datenschutzverordnung. Das bedeutet, wir müssen sie in Europa einheitlich anwenden. Wir haben einen Klärungsmechanismus, wenn etwa Italien eine andere Auffassung vertritt als Deutschland. Aber bei der Anwendung der DSGVO in Schulen sind plötzlich Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg nicht einer Meinung – und zwar die Datenschutzbeauftragten. Das muss geändert werden. 

Wie muss man sich das vorstellen? 

Die Datenschutzkonferenz muss im Zweifel mit Mehrheit entscheiden. Wir können beim Datenschutz die Kleinstaaterei einfach nicht fortsetzen. Sonst wird die Digitalisierung scheitern.

Soll es der Datenschutzbeauftragte des Bundes regeln?

Nicht zwingend. Man könnte zum Beispiel sagen, wenn Ihr Euch in einem halben Jahr nicht geeinigt habt, dann entscheidet es der Bundesdatenschutzbeauftragte. In irgendeiner Weise muss das Länder-Monopol bei übergreifenden Themen gebrochen werden. Sonst findet europäisches Recht nie einheitliche Anwendung. 

Herr de Maizière, Sie machen luzide Vorschläge. Wieso haben Sie die eigentlich nicht als Minister gemacht? 

Ich war viele Jahre nicht im Bereich der Bildungspolitik tätig. Auch als Bundesinnenminister habe ich Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern gemacht und davon einiges umgesetzt. Vieles ging nicht, weil jeder auf seinen Zuständigkeiten beharrte. Jetzt zu Beginn einer neuen Legislaturperiode sollten alle gemeinsam einen größeren Wurf wagen. Gerade nach Corona: wann, wenn nicht jetzt. 

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Theorie und Praxis der Medienpädagogik

Martin Geislers Sammelband über Spiel- und Medienpädagogik.
Für Medienpädagogen in Praxis, Privat und Politik – Martin Geislers Sammelband über Spiel- Medienpädagogik.

Einen Einstieg in die “Spiel- und Medienpädagogik” möchte Herausgeber Martin Geisler mit seinem gleichnamigen Buch geben. Dieser Einstieg ist dem wissenschaftlichen Anspruch Geislers entsprechend 181 Seiten schwer und an inhaltlicher Tiefe nicht zu unterschätzen. Angesprochen sind Fachkräfte – bedeutet Medienpädagogen – im Studium und im pädagogischen oder politischen Einsatze. Das weite inhaltliche Spektrum zwischen Theorie und Praxis bietet Mehrwert für Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter. Auch Eltern, sowie politisch-beruflich und privat Interessierte können etwas lernen. Die Mischung aus kulturwissenschaftlicher Theorie und praktischen Beispielen ist anspruchsvoll, liefert dafür aber auch solides Grundlagenwissen, gute Handlungsempfehlungen und relevante Debattenanstöße. Wer wissen will, wo Spiele in der kulturellen Bildung verortet sind, was gute medienpädagogische Arbeit ist und wo dringend nachjustiert werden muss, findet Antworten.

Leichte Lektüre ist das Buch nicht. Geisler bezeichnet seine Publikation als Ausformulierung der Inhalte des gleichnamigen, von ihm konzipierten und geleiteten Studiengangs an der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena. In elf Kapiteln diskutieren er und seine Mitschreibenden die gesellschaftliche Funktion von Medienpädagogen, ordnen das Spiel kulturell ein, stellen medienpädagogische Methoden vor und geben konkrete Hilfe für das eigene medienpädagogische Projekt. Besonders das letzte Kapitel macht Freude: “Teams im Spiegel der Vergemeinschaftungsform MMORPG-Gilde.” Die Auseinandersetzung mit der sozialen Funktion von Spielergemeinschaften funktioniert ausgezeichnet, da sie nicht mit kulturellen Klischees überladen wird. Eine “praxisorientierte Vertiefung” über Game-based Learning gibt es auch.

Für diese Rezension stehen zwei andere Kapitel im Fokus. Anna Grebe, Björn Schreiber und Iren Schulz schreiben in Kapitel 5 über “Jugendmedienschutz und Medienethik” und Horst Pohlmann stellt in Kapitel 9 “Praxisprojekte” vor.

Jugendmedienschutz: Komplexer Kontrollapparat

Der deutsche Jugendmedienschutz bekommt kein gutes Zeugnis. Das fünfte Kapitel ist gesellschaftspolitisches Essay und Wegweiser zugleich. Eingangs beschreiben die Autorinnen das gesetzliche und institutionelle Geflecht des Jugendmedienschutzes – sie enden mit dem Appell, das Durchdringen dieser “komplexen Strukturen” nicht auf die Eltern abzuwälzen. Damit verbunden fordern sie eine “maßgebliche Komplexitätsreduktion” des gegenwärtigen Kontrollapparats durch die politischen Akteure. Auch die Perspektive der Anbieter von Jugendmedien wird mitgedacht, schließlich geht es beim Jugendmedienschutz darum, dass diese ihre Produkte rechtssicher vertreiben können. Wer sich von komplexen Regelungen nicht abschrecken lässt, findet in diesem Kapitel einen guten Einstieg in das System Jugendmedienschutz.

Auch ohne gesetzliche Änderungen können Pädagogen, Erzieher, Sozialarbeiter und anderweitig Interessierte anpacken. Der “Jugendmedienschutz als Verantwortungsgemeinschaft” ist gefragt, um die Wertebasis des Jugendmedienschutzes und seine soziale Praxis zu modernisieren. Dabei geht es nicht nur um die aktuellen Herausforderungen einer vernetzten Medienrealität, sondern auch um mehr aktive Teilhabe der Geschützten. Schließlich ist Jugendmedienschutz immer eine Abwägung zwischen der freien persönlichen Entwicklung der Heranwachsenden und den ihnen von der Gesellschaft auferlegten Einschränkungen. Die Verfasser fordern einen Diskurs aller beteiligten Akteure mit Einbeziehung von Kindern und Heranwachsenden. Eine ausführliche Anleitung zum besseren Schützen liefert das Kapitel nicht, wohl aber Grundlagenwissen über den Diskurs Jugendmedienschutz und seinen Entwicklungsbedarf.

Praktische Projektarbeit: Überraschung beim Gamescamp

Der Einstieg ins Praxiskapitel schreckt ab. Etwas zu ausführlich werden die strukturellen Dimensionen der kulturellen Bildungsarbeit beschrieben. Trotzdem finden Lesende in Kapitel 9 eine sehr gute Anleitung zur Projektarbeit in der Medienpädagogik. Von den möglichen Fördertöpfen bis zu konkreten Beispielen ist alles dabei. Besonders nützlich für Projektarbeitsneulinge ist eine Checkliste, die mit W-Fragen alle notwendigen Grundlagen einer guten Projektorganisation aufzeigt. Als Beispiel wird ein Projekt beschrieben, bei dem Jugendliche gemeinsam einen Film über das Leben in ihrem Stadtteil produzieren sollen. Angesetzt sind wöchentliche Treffen und in den Pfingstferien soll drei Tage am Stück gedreht werden. Kosten: 9.593 €.  

Mit vier Seiten fällt das Unterkapitel über “Projektträger und Finanzierung” am längsten aus. Pohlmann nennt dort eine Vielzahl von zahlungswilligen Organisationen und politischen Förderern. Besonders hilfreich sind die Ratschläge, wie der eigene Förderantrag möglichst große Chancen auf Bewilligung bekommt. Abschließend betont Pohlmann, wie wichtig die Dokumentation des eigenen Projekts ist – besonders für zukünftige Förderungen, denn “Mittel- und Auftraggeber*innen lieben Fotos und sichtbare Ergebnisse”.

Ein besonders interessantes Beispiel für ein medienpädagogisches Projekt ist das Gamescamp. “Jugendliche sind zu einem Wochenende eingeladen, sich mit Computer- und Videospielen auseinanderzusetzen.” Wer nun ein reines Gamer-Gelage erwartet, wird enttäuscht. “Die Jugendlichen selbst benennen teilweise hochkomplexe Themen zu Game-Design, Programmierung, Gaming-Community oder Wirkung von Games, diskutieren von sich aus über Jugendmedienschutz oder Fördermöglichkeiten von Spielentwicklungen”. Welch schöne Erkenntnis, dass Heranwachsende sich Mühe geben, wenn sie sich mit ihren Interessen auseinandersetzen sollen.

“Spiel- und Medienpädagogik: Theorie – Methoden – Praxis” (Hrsg. Martin Geisler) erscheint im Kohlhammer-Verlag. Das Taschenbuch kostet 29 €, das E-Book 25,99 €.

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    • Digitalisierung
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    • Unterricht

    Blogpost

    Von Entrepreneuren und Kapitalisten

    Gastbeitrag von Sven Ripsas

    Obwohl Entrepreneurship seit der Lissabon-Agenda eines der wichtigsten Bildungsziele in Europa ist und in den letzten 20 Jahren mehr 100 Lehrstühle für Entrepreneurship an deutschen Hochschulen eingerichtet wurden, hat es keinen wirklichen Durchbruch an Grund- und weiterführenden Schulen gegeben. Was sind die möglichen Gründe?

    Die EU-Kommission definiert Entrepreneurship wie folgt: “Entrepreneurship is when you act upon opportunities and ideas and transform them into value for others. The value that is created can be financial, cultural, or social”. Automatische Übersetzungsprogramme im Internet machen daraus “Unternehmertum ist, wenn man Chancen und Ideen wahrnimmt und sie in Werte für andere umwandelt. Der Wert, der geschaffen wird, kann finanzieller, kultureller oder sozialer Art sein.”

    Mal ganz unabhängig davon, dass die meisten Menschen überrascht sein dürften, dass Entrepreneurship nicht allein die finanzielle, sondern auch die soziale und kulturelle Sphäre umfassen kann, ist es problematisch, Entrepreneurship mit Unternehmertum zu übersetzen. Stattdessen soll hier für die Übersetzung mit dem Begriff “Unternehmergeist” plädiert werden, denn nicht umsonst heißt es im Amerikanischen “Entrepreneurship is a Mindset”. Dort steht das Kreative, das Unangepasste, der Pioniergeist, in Verbindung mit Sparsamkeit und wirtschaftlichem Wissen im Vordergrund. Sparsamkeit heißt in diesem Zusammenhang
    zunehmend “sparsamer Verbrauch von natürlichen Ressourcen” oder besser gleich eine Innovation in Richtung Kreislaufwirtschaft, die unseren Planeten erhalten kann.

    Große Skepsis gegenüber dem Unternehmertum

    Der Begriff Entrepreneurship ist sperrig und in der deutschen Sprache nicht etabliert und es gibt keine allgemein akzeptierte Übersetzung. Darüber hinaus gibt es unter den vielen Beschäftigten im Bildungs- und Medienbereich eine tiefverwurzelte Skepsis gegenüber dem Markt. Es kommen also Sprachbarrieren, Fehlinterpretationen und generelle Marktaversion zusammen. Und so haben es gemeinnützige Vereine, wie die deutsche NGO “Network for Teaching Entrepreneurship e. V.” nicht leicht, im komplexen deutschen Bildungsföderalismus, sich durchzusetzen, obwohl die meisten Schüler:innen, die am Entrepreneurship teilnahmen, sich in ihren Interessen so ernst genommen fühlen, wie sonst in kaum einem anderen Unterrichtsfach.

    Die exakte Verwendung von Sprache ist also entscheidend, wenn es gilt, einen neuen Begriff einzuführen, der unsere Einstellung zur Ökonomie und damit die Bildungskultur im 21. Jahrhundert ändern könnte. Seit Marx hat es das Fachgebiet Wirtschaft im deutschen Bildungswesen ohnehin nicht leicht. Wenn, dann ist es meist nur in Kombination mit Politik und Technik in einem thematischen Dreiklang vertreten und der Kapitalismus wird kritisch gesehen.

    Damit nähern wir uns dem Kern der Probleme der Entrepreneurship in Deutschland, dem kaum bekannten Unterschied der ökonomischen Funktionen von Kapitalist und Entrepreneur. Israel M. Kirzner, New Yorker Ökonom und Vertreter der österreichischen Schule der Wirtschaftswissenschaften, hat diesen Unterschied klar herausgearbeitet. Der Beitrag des Entrepreneurs zur Ökonomie sind neue Ideen für einen verbesserten Kundennutzen und / oder eine neue, z. B. ökologischere Produktionsweise. Ihr wachsamer Blick (“Alertness”)
    auf die Welt ist anders als der Mehrheit. Das Etablierte wird herausgefordert.

    Das Kreative des Entrepreneurs wird kaum gesehen

    “Entrepreneurship does not consist of grasping a free ten-dollar bill which one has already discovered to be resting in one’s hand; it consists in realizing that it is one’s hand that it is available for the grasping…”. Es ist das ökonomisch Kreative, das Pionierhafte, das den Entrepreneur auszeichnet. Demgegenüber steht der Kapitalist, dessen einzige Funktion in der Marktwirtschaft das Zurverfügungstellen von Kapital ist. Dabei wird stets die bestverzinste Alternative gewählt. Ein Kapitalist ist Gewinnmaximierer (und darauf kann und soll die
    Besteuerung abzielen). Ein Entrepreneur ist der zunächst nicht viele Mittel verfügende Herausforderer. Er (oder sie) muss haushalten, Neues ausprobieren und in Unsicherheit entscheiden.

    In den Medien ist das Bild vom Entrepreneurship kaum fundierter als in den Bildungsinstitutionen. Die Hauptnachrichtensendungen im TV bezeichnen den Vorstandsvorsitzenden von Aktiengesellschaften als Vertreter des Unternehmerlagers. Dies ist rechtlich korrekt, aber im Englischen käme niemand auf die Idee, den CEO von Apple als Entrepreneur zu bezeichnen. Ein (Startup-)Entrepreneur geht persönlich finanzielle Risiken ein, steht mit seiner Sicht der Dinge oft im Gegensatz zum herrschenden Zeitgeist. Zumeist verfügt er
    nicht über viele Eigenmittel – ganz im Gegenteil. Und so muss sie (oder er) Businesspläne schreiben, um Banken und Investoren zu überzeugen, Kapital zur Verfügung zu stellen.

    Schule muss ein neues Unternehmerbild vermitteln

    Mit der Kenntnis über diese Rollenverteilung von Entrepreneur und Kapitalist und der Einbeziehung der sozialen und kulturellen Sphäre kann ein Weg aufgezeichnet werden, die Problemen der deutschen Entrepreneurship Education zu überwinden und einen Beitrag zu mehr ökonomischer Teilhabe von großen Teilen der Bevölkerung zu ermöglichen. Anstelle der Ausrichtung der Politik am Kapital allein, sollte die Vermittlung des Wissens um die Prozesse zur Umsetzung von Innovationen und das Verständnis grundlegender Marktprozesse intensiviert werden.

    Entrepreneurship wird in vielen Ländern der Welt mittlerweile als kreatives Lösen von Zukunftsherausforderungen verstanden und in Basisgruppen und NGO eingesetzt, um echte Teilhabe am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Entrepreneurship Education ist Empowerment, die Befähigung zur eigenständigen, von anderen und dem Staat unabhängigen Lebensführung. Unter Einbeziehung der ökologischen Determinante (z.B. Stopp des CO2-Ausstoßes) und der Nutzung von digitalen Kenntnissen, kann eine die soziale Marktwirtschaft vermittelnde Bildung ein wichtiges Element für alle Schülerinnen und Schüler sein. Entrepreneurship fördert Selbstvertrauen und bildet sich ihrer Bedeutung in der Gesellschaft bewusste und verantwortungsvolle Bürger aus. Und gerade für die, die nicht aus einem bildungsnahen Haushalt kommen, ist Entrepreneurship vielleicht die beste Chance, zu Wohlstand und zu Anerkennung zu gelangen. Im Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Digitalisierung liegt die Zukunft der Bildung. Die Zukunft gehört der Entrepreneurship Education.

    Sven Ripsas ist Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR).

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      • Digitalisierung
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      • Wirtschaft

      News

      CDU-Digitalkompetenz: Wer füllt die Lücke?

      Auf dem Foto ist die Digitalpolitikerin Nadine Schön (CDU) zu sehen, sie setzt sich für das Erlernen von Digitalkompetenzen ein
      Kann politisch anpacken: Nadine Schön kommt nun doch in den neuen Bundestag.

      Wie angekratzt die Union aus der Bundestagswahl herausgeht, zeigt sich auch darin, dass viele Fachpolitiker nicht mehr im nächsten Parlament Politik mitgestalten. So verpasste Tankred Schipanski von der CDU den erneuten Einzug ins Parlament. Schipanski war seit April 2018 digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Dass er in Zukunft die CDU-Digitalpolitik auf Bundesebene nicht voranbringen kann, ist für die Partei ein großer Verlust. Als Mitglied des Digitalausschusses sowie des Bildungsausschusses setzte er sich dafür ein, dass die digitale Bildung an den Schulen schnell und effizient umgesetzt wird.

      Die Lücke, die er hinterlässt, könnte in Zukunft Nadine Schön füllen. Auch sie schaffte den Einzug ins Parlament anfänglich nicht und zog dann trotzdem ein, weil Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf ihre Mandate verzichten und sie nachrücken konnte.

      Seit 2014 ist Nadine Schön Vizefraktionschefin und beschäftigt sich als solche mit der Digitalen Agenda. Sie setzt sich für schnelles Internet auch in den ländlichen Gebieten Deutschlands ein und steht für eine digitale Transformation, die von Deutschland aus gestaltet wird. Sie ist Co-Chefin des Netzwerks Digitalisierung der CDU, einem 2015 gegründeten Gremium aus Landes-, Bundes- und Europapolitikern.

      Nadine Schön verkörpert gleichzeitig die alte und die neue CDU. Groß wurde sie in der Jungen Union; im Deutschen Bundestag ist sie seit 2009 Abgeordnete. Doch sie gilt als modern und zeitgemäß – gehört mit ihren 38 Jahren zu den Jüngeren ihrer Partei. Sie meckert nicht, sie macht. Digital- und Bildungspolitik wird in den nächsten Wochen in der Union zwar eine untergeordnete Rolle spielen. Erstmal muss sie schaffen zusammenzuhalten, was von ihr übrig geblieben ist. Nadine Schön könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Sofie Czilwik

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        Einheitliche Schulcloud bleibt Utopie

        “Eine bundesweit einheitliche Lösung ist nicht zu erwarten”, resümiert die neuste Studie der Telekom-Stiftung über schulische Lernplattformen in Deutschland. Dies sei auch nicht notwendig, solange es “in Zukunft gemeinsame Standards und funktionierende Schnittstellen” für die bereits genutzten Lernplattformen gibt. Das Institut für Informationsmanagement an der Universität Bremen (ifib) unter der Leitung von Professor Andreas Breiter analysierte die Lernplattformen aller Bundesländer. Die Studie zeichnet ein Mosaik aus unterschiedlichen Beschaffungshintergründen und Software-Zusammensetzungen. In jedem Bundesland – außer Bremen – dürfen die Schulträger über die Wahl ihrer Lernplattform selbst entscheiden. Die Bundesländer bieten Landeslösungen an, die technisch unterstützt werden und somit attraktiver für die einzelnen Schulen sind.

        Um zumindest eine Standardisierung dieser System-Vielfalt zu erreichen, empfehlen die Forschenden, “eine Abstimmungsarena zwischen den Ländern einzurichten”. Hier sollen Schnittstellen, Datenformate und Protokolle vereinheitlicht werden. Das seien wichtige Maßnahmen für angemessenen Datenschutz, einfache Datentransfers und eine “alltagstaugliche, verlässliche, verteilte IT-Systemlandschaft ohne unnötige Medienbrüche”. Die Verfasser betonen, dass neben Produktwahl und Beschaffung auch die technische und pädagogische Unterstützung der Schulen sichergestellt werden muss. International liegt Deutschland laut Studie zurück. In Großbritannien, Dänemark oder den Niederlanden gibt es bereits seit über zehn Jahren staatlich bereitgestellte Lernplattformen. Enno Eidens

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          KMK will Digitalpakt verstetigen

          Die Kultusministerkonferenz (KMK) möchte den Digitalpakt Schule über das Jahr 2024 hinaus dauerhaft verstetigen. So sollen “alle Partner ihren finanziellen und organisatorischen Beitrag zur Digitalisierung leisten”. Nun sollen Finanzierungsmodelle für dieses Vorhaben geprüft werden. Dies sei der richtige Weg für eine erfolgreiche Digitalisierung von Schulen und Unterricht. Mit den Ergebnissen der bisherigen Maßnahmen im Rahmen des Digitalpaktes Schule 2019-2024 sind die Kultusministerinnen und -minister der Bundesländer zufrieden. Die Förderung habe “einen starken Innovationspuls gesetzt”. Das gab die KMK in einem Beschluss vom 7. Oktober bekannt. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe möchte den positiven Effekt auf die Digitalisierung, den die Coronavirus-Krise hatte, nutzen “und die Digitalisierung weiter voranbringen”. Auch der hessische Kulturminister Alexander Lorz sagte, dass die Corona-Krise zwar eine Belastung für Kinder und Jugendliche sei, aber “auch einen gewaltigen Schub in Sachen Digitalisierung” gegeben habe. Enno Eidens

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            Schule weitet Fach “Startup” aus

            Die Don-Bosco-Schule Rostock will ihr Schulfach “Startup” ausweiten. In dem Fach planen Schülerinnen und Schüler die Gründung von Unternehmen. Das geht von Ideen zu Apps über den Erwerb von Tablets für die Schule bis hin zu analogen Firmen-Ideen. Statt einer Stunde wöchentlich in der neunten und zehnten Klasse sollen die Schüler Gelegenheit bekommen, ihre Projektideen in einer Extrastunde selbständig voranzutreiben. Auch die Schulleitung steht hinter dem Plan. “Um ihre Ideen umzusetzen, brauchen Schüler mehr Freiräume“, sagte Schulleiter Gert Mengel Bildung.Table.

            Das neue Schulfach war aus einer Schülerfirma hervorgegangen, die einen Schulladen an der Don Bosco organisierte. Dem Lehrer für “Arbeit-Wirtschaft-Technik“, Jens Kruggel, war das zu wenig. Er wollte mit den Schülern echte Unternehmen angehen – und wählte den Namen “Startup”. “Ich will die Schüler dazu ermuntern, Unternehmungen jeder Art entwerfen und zu planen”, sagt Kruggel. In den Kursen werden die theoretischen Grundlagen erarbeitet. Die Schüler versuchen zum Beispiel herauszufinden, was einen Unternehmer auszeichnet. Sie gehen dem Schumpeter’schen Ideals des konstruktiven Zerstörers auf die Spur. 

            Die bisherigen Themen bestanden unter anderem aus Geschäftsideen für einen automatischen Fensterputzer, Filmschnittprogramme oder Rucksäcken, die automatisch Smartphones aufladen. Viele Themen entsprangen auch der Not während Corona. Es wurde etwa ein Programm zur Konfiguration von Tablets für Schulen geplant und eine App zur Hausaufgaben-Hilfe. Wenn die Schüler mehr als eine Stunde haben, sagt Kruggel, “dann können sie eine Idee nicht nur entwickeln und sichtbar machen, sondern sie auch umsetzen.” Der Schulleiter sieht für die Schüler:innen mehr Potenzial im Rahmen des FreiDay, den die Schule einführt, ihre Ideen aus “Startup” eigenständig zu verwirklichen. 

            Die Schüler führen Gespräche mit Startup-Gründern wie dem Geschäftsführer des Rostocker Startups “Tweedback“, Jan Tauer. “Ich habe im Studium gemerkt, dass ich nicht nur Sachen von anderen abarbeiten will, sondern eigenes entwickeln. Ich möchte einen Markt durchdringen und Werte schaffen”, beantwortete Tauer die Fragen von Schülern, was ihn angetrieben habe. Es habe ihn gereizt, ein Risiko einzugehen. “Ich wollte etwas Neues finden und etwas bewirken”. Das Fach kann im Rahmen des Wahlpflichtbereichs zur Berufsorientierung belegt werden, für die Jens Kruggel an der Don Bosco-Regionalschule zuständig ist. “Die Schüler sollen verstehen, dass sich jederzeit die Möglichkeit bietet, Ideen zu haben und Dinge besser zu machen”, sagt Kruggel. cif

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              Biberkor: Referendariat für zeitgemäße Bildung

              Frau Nieß, was ist der pädagogische Vorteil des neuen Biberkor-Referendariats für zeitgemäße Bildung?

              Es geht ganz grundlegend darum, dass wir den Status Quo der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Gelingen von Lernprozessen auch in der Schule umsetzen, die Kinder und Jugendliche ja auf “das Leben” vorbereiten muss. Wir leben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft – darauf müssen wir natürlich auch im Referendariat in Biberkor pädagogisch reagieren. Wir brauchen also eine entsprechende pädagogische Haltung und einen Fokus auf die richtigen Kompetenzfelder. Zum Beispiel die 4K, also Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Aber auch Eigenverantwortlichkeit und die Wertschätzung individueller Lernprozesse. Damit Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten können, müssen sie erst einmal selbst so ausgebildet werden. Das ist die Idee.

              Welche technischen Voraussetzungen braucht man? 

              Es sind gar nicht so sehr die technischen Voraussetzungen, die Schulen brauchen. Sie sollten eher die gesamte Struktur des neuen Lernens im Blick haben. Schulen, die bei uns Ausbildungsschule sind, bieten den Raum für neue Bildungsansätze. Das heißt, sie haben die grundlegende Flexibilität und Offenheit, um Neues umsetzen zu können. Die Alemannenschule in Wutöschingen, die Universitätsschule in Dresden oder auch die Montessori-Oberschule in Potsdam – alles Schulen, an denen wir Seminartage verbringen – sind solche Beispiele. Sie haben erkannt, wie neues Lernen funktioniert und klare Strukturen dafür geschaffen. Dazu gehört auch digitale Bildung wie in Dresden oder Wutöschingen, aber entscheidend ist die Haltung in diesen Schulen. 

              Hilft eine Ausbildung im neuen Referendariat auch für den Präsenzunterricht, wenn die Pandemie vorbei ist? 

              Das neue Referendariat ist nicht als Reaktion auf die Corona-Pandemie entwickelt worden. Es ist schon viel länger sichtbar, dass die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern nicht mehr zeitgemäß ist. Die Pandemie hat das nur noch einmal schärfer aufgezeigt. Das gilt nicht nur für die Entwicklung im digitalen Bereich. Es geht um die Frage, was selbstorganisiertes Lernen kann. Es geht darum, wie Leistungsbeurteilung funktioniert, wenn es nicht mehr ausschließlich die Instanz von oben ist, die Lernende beurteilt. Gleichzeitig sehen wir, dass es eine Menge brauchbarer Lösung gibt, die tatsächlich auch in der Praxis greifen. Jetzt heißt es also, die Lehren aus der Coronazeit produktiv zu nutzen – und nicht mehr zurückzuspringen auf den Stand vor der Pandemie.  

              Pro Tipp

              Einige Schulen haben es geschafft, digitale Formate erfolgreich einzusetzen. Oder sie haben neue Unterrichtsszenarien entwickelt, die Präsenzunterricht zum Teil auch unter strengen Hygiene-Maßnahmen möglich gemacht haben. Es war faszinierend, das zu beobachten. Was zeichnet diese Schulen aus? Es geht um das Vertrauen der Beteiligten in die eigene Handlungsfähigkeit. Wie eigenständig empfindet sich die Schulleitung? Wie sehr können Lehrkräfte gestalten? Davon hängt ab, wie schnell und mutig Veränderung regiert und eben nicht nur verwaltet wirdKreativität, Agilität und Experimentierfreude sind wichtig. Oder ganz grundlegend die Freude am Neuen – und die Erkenntnis, dass man aus Fehlern lernen kann.  

              Kritik

              Die parallelen Wege zwischen Schule in freier und staatlicher Trägerschaft müssen wir dringend verlassen. Es gibt in beiden Welten Beispiele guter und schlechter Schule. Wir sollten gemeinsam sehen, dass wir intensiv im Austausch Lösungen erarbeiten – von denen beide profitieren. Das ist im neuen Referendariat ein echtes Anliegen. 

              Flora Nieß leitet das neue Referendariat an der Akademie Biberkor

              • Digitalisierung
              • Fortbildung
              • Unterricht

              Termine

              20.-24. Oktober
              Vorträge: Forum Bildung
              An fünf Tagen geben Expert:innen, Professor:innen und Politiker:innen Antworten auf zentrale Fragen der Bildungspolitik. Am 23. und 24. Oktober geht es weniger um Bildungsthemen, sondern mehr um Fußball & Gesellschaft. Infos, Tickets & Livestream

              21. Oktober, 15:45 bis 18:30 Uhr
              Fortbildung: mobile.schule EINSTEIGER
              Für Lehrer:innen, die sich noch nicht gut mit den digitalen Tools auskennen und gerne etwas dazulernen möchten, hat mobile.schule eine Lehrerfortbildung organisiert, an der jede:r teilnehmen kann. Infos & Anmeldung

              4.-5. November
              Seminar: educon 2021 Bildungsgipfel
              Sowohl online als auch vor Ort, in der Region Rhein- Neckar, werden Workshops, Keynotes und anderen Formate angeboten, um gemeinsam über verschiedene Bildungskonzepte zu diskutieren. Die Highlights werden anschließend gepostet. Infos

              9.-10. November
              Wettbewerb: DigiEduHack 2021
              Der vom Europäischen Institut für Innovation und Technologie entworfene Wettbewerb soll weltweit online übertragen werden. In verschiedenen Wettbewerben werden Finalisten gekürt, von denen drei den Global Award erhalten. Es geht um neue Ideen, Projekte und Apps zum Thema digitale Bildung. Infos & Registrierung

              Licenses:
                • Interview mit dem Chef der Telekom-Stiftung Thomas de Maizière
                • Buchrezension: Martin Geislers Sammelband über Spiel- und Medienpädagogik
                • Blogpost: Sven Ripsas über Entrepreneurship Education
                • CDU-Digitalkompetenz: Wer füllt die Lücke im neuen Bundestag?
                • Telekom-Studie zeigt deutschen Schulcloud-Flickenteppich
                • KMK will Digitalpakt verstetigen
                • Don-Bosco-Schule weitet Fach “Startup” aus
                • Didaktik & Tools: Die Philosophin Flora Nieß über Referendariat für zeitgemäße Bildung
                • Termine
                Liebe Leserin, lieber Leser,

                bis zum Freitag wollen SPD, Grüne und FDP noch sondieren. Dann werden die drei Parteien intern über den Eintritt in Koalitionsverhandlungen beraten. Inhaltlich geben die Ampel-Sondierer bisher wenig preis. Streitpunkte, wie Steuern und Schulden, sind offensichtlich. Deutlich mehr Einigkeit dürfte es bei den Themen Digitalisierung und Bildung geben. Eine Ampel-Koalition wird anpacken und dafür viel Geld in die Hand nehmen müssen.

                Ex-Bundesminister Thomas de Maizière fällt im Gespräch mit Christian Füller ein klares Urteil: “Ohne die Pandemie wäre die Digitalisierung nicht so weit vorangekommen.” Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete kritisiert, dass die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Krise “vollständig unsystematisch” geworden ist. Er fordert eine gründliche Überarbeitung der Kooperation – eine “große Staatsreform”. Welche Probleme ihm die Bund-Länder-Zusammenarbeit während seiner Zeit als Innenminister gemacht hat, verrät de Maizière ebenfalls.

                Seit 2018 ist Thomas de Maizière Vorsitzender der Telekom-Stiftung. Die hat nun in einer Studie analysiert, wie es um die deutsche Schulcloud bestellt ist. Der Vorsitzende geht auch darauf ein: Eine gemeinsame Schulcloud wird es nicht geben. Im Bildung.Table lesen Sie, warum das nichts Schlechtes sein muss.

                Praktischen Pädagogen und Studierenden stellt die Philosophin Flora Nieß das “Refendariat für zeitgemäße Bildung” vor. Für aktive oder angehende Medienpädagogen rezensiert Bildung.Table außerdem Martin Geislers Sammelband über Spiel- und Medienpädagogik.

                Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

                Ihr
                Enno Eidens
                Bild von Enno  Eidens

                Analyse

                “Wir brauchen eine große Staatsreform”

                Man sieht auf dem Foto Thomas de Maizière, er setzt sich für Digitalisierung ein
                Thomas de Maizière, Vorsitzender der Telekom-Stiftung

                Herr de Maizière, Sie beklagen – wie viele andere – die mangelnde, manchmal chaotische Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Welche Folgen hat das für die digitale Bildung? 

                Zunächst gilt, dass Föderalismus und kommunale Selbstverwaltung konstitutive Grundprinzipien unserer staatlichen Ordnung sind – und sinnvolle obendrein. Entscheidungen vor Ort sind meistens sachnäher. Machtkonzentration soll vermieden werden. Das ist Absicht. Die Beteiligung Vieler wird auf diese Weise gesichert.

                Corona hat allerdings die Krise dieser Kulturhoheit der Länder ziemlich schonungslos offenbart. 

                Ohne die Pandemie wäre die Digitalisierung nicht so weit vorangekommen. Es wurden Laptops für Schüler und Lehrkräfte finanziert und angeschafft. Ein Programm für IT-Administratoren wurde aufgelegt. Aber es stimmt, insgesamt ist die Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen noch viel zu gering. Es geht aber meines Erachtens nicht nur um das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der schulischen Bildung.

                Sondern? 

                Durch die verschiedenen Eingriffe in das Grundgesetz zur Lösung konkreter Einzelfragen – meistens ging es um Geld – ist das Gesamtgebilde der Kooperation zwischen Bund und Ländern vollständig unsystematisch geworden. Der Bund darf eine Bildungsinfrastruktur wie Breitband bezahlen – aber nicht sagen, was damit gemacht wird. Er darf sich an der Lehrerausbildung an Hochschulen beteiligen – nicht aber an der Lehrerfortbildung. 

                Aber haben sich Bund und Länder nicht grundsätzlich auf ein 500 Millionen teures Lehrerfortbildungsprojekt verständigt? 

                Ja, nur wurde das Bund-Länderprogramm zur Einrichtung von Kompetenzzentren für Digitales und digital gestütztes Unterrichten schon wieder auf Eis gelegt. Eine gemeinsame Umsetzung ist momentan nicht zu erwarten. 

                Was wäre Ihr Plan, wie man die Lehrerfortbildung gestalten soll? 

                Wir haben als Telekom-Stiftung schon 2011 ein Projekt gestartet, ein Modell, das die sehr zerrissene Lehrerfortbildung zugleich professionalisieren und neu organisieren könnte. Ergebnis ist das “Deutsche Zentrum für Lehrerbildung Mathematik” (DZLM). Das ist das Exempel für die Kompetenzzentren, die bei Bund und Ländern gerade ins Stocken geraten sind. 

                Welche Idee steckt hinter solchen Exzellenzschwerpunkten?

                Uns ging und geht es um zwei Prinzipien. Erstens, die Lehrerfortbildung in den Landesinstituten mit der Wissenschaft in den Hochschulen zusammenzubringen. Neue Exzellenzzentren wie das DZLM sollen dafür die fachdidaktische und bildungswissenschaftliche Kompetenz bundesweit bündeln. Zweitens sollte die Lehrkräftefortbildung angesichts der digitalen Herausforderungen grundlegend verändert werden: Sie soll in der Regel dezentral an den Schulen stattfinden, im Sinne einer kontinuierlichen professionellen Entwicklung. Damit das erstklassig geschehen kann, benötigen die Schulen Unterstützung, die auch digital geleistet werden kann. 

                Was bedeutet das praktisch?

                Die Lehrkräfte sollten idealerweise nicht zu Instituten hinfahren, um sich eine Woche fortbilden zu lassen. Sie brauchen die Möglichkeit, sich schnell wissenschaftsbasierte Fortbildungen gewissermaßen ins Lehrerzimmer und damit direkt in ihren Alltag holen zu können. Dem im letzten Jahr formulierten ländergemeinsamen Papier müssen Taten folgen. Wir werden da nicht locker lassen. 

                Aber wenn die Länder das doch nicht wollen? Oder nicht bezahlen können? Wie könnte man die Einigungsbereitschaft der Länder erhöhen?

                In meinen Augen braucht man eine grundlegende Überarbeitung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, man muss das schon eine große Staatsreform nennen. Egal, welches Modell man dann wählt: Es muss erstens in sich schlüssig sein und zweitens nicht lediglich eine verkappte Finanzbeteiligung des Bundes regeln. Zusammenarbeit ist mehr als die fördernde Finanzierung von Beton oder das Legen von Bypässen, die das Grundgesetz listenreich interpretieren. 

                Dauert so eine große Staatsform nicht viel zu lang? Die Digitalisierung hätte doch eher schon gestern als morgen vorangetrieben werden sollen? 

                Ja natürlich. Die Länder sollten sich Gedanken machen, wie sie schneller zu Entscheidungen kommen. Dennoch rede ich von einer großen Staatsreform, weil es ja nicht nur um Bund und Länder geht. Die Umsetzung des Digitalpakts hat uns das vielleicht größere Problem politischer Steuerung im Föderalismus vor Augen geführt: das Verhältnis der Länder untereinander – und das der Länder zu Schulträgern und Schulen.

                Sie meinen, dass nicht grundsätzlich geklärt ist, wer eigentlich der Eigentümer und wer der Administrator von Lehrerdienstgeräten ist? Und wie das mit den 500 Millionen für IT-Administratoren weitergehen soll?

                Das sind konkrete Beispiele, die den Bürgern nicht mehr vermittelbar sind. Bundesmittel in Milliardenhöhe stecken im Zuständigkeits-Wirrwarr fest. Das Grundproblem dahinter: Die Länder lehnen eine Steuerung von Bildungsangelegenheiten durch den Bund ab. Gleichzeitig besteht immer noch vielfach die Illusion, man könne aus einer Landeshauptstadt heraus eine wirksame Mikrosteuerung für alle Schulen des eigenen Landes vornehmen. 

                Gibt es einen Ausweg aus diesem Labyrinth? 

                Ja, eine große Staatsform, die zwischen den föderalen Partnern verhandelt werden muss. Und, das gehört dazu, viel mehr Freiheit für die Schulen. Die Krise hat uns das gezeigt: da haben die Schulleitungen und Lehrer oft gemacht, ja machen müssen, was sie für richtig hielten. Das hat viel Gutes bewirkt – wenn das Engagement der Lehrkräfte hoch war. Sinnvoll wäre aber kohärentes Handeln auf der Ebene der einzelnen Schule auf der Grundlage einheitlicher Rahmensetzungen gewesen. Kurz: Wir sollten die Schulleitungen stärken. Ohne eine einheitlichere Zuständigkeit an einer Schule lässt sich auf Dauer keine gute Schule organisieren. Schulträgerschaft und Personalhoheit gehören eigentlich in eine Hand.

                Wie soll es mit den Lernmanagementsystemen weiter gehen? Immer wieder ertönt der Ruf nach einer zentralen Schulcloud. 

                Eine Bildungs- oder Schulcloud des Bundes oder aller Länder gemeinsam wird es nicht geben. Wir haben es gerade untersuchen lassen, herausgekommen ist, dass die Vielfalt an existierenden Lernplattformen bereits groß ist. Die zentrale Schulcloud ist also eine Illusion. Alle Länder sollten sich aber verpflichten, einfach nutzbare und sichere Schnittstellen zu ihren Lernplattformen anzubieten.

                Was ist mit den Anbietern von privaten Bildungsinhalten, die schon lange auf dem Markt sind? 

                Das Monopol staatlicher Zulassung von Lehrmitteln und Bildungsinhalten ist gefallen. Das liegt im Interesse der kleineren Bildungsanbieter. 

                Das Monopol mag technisch nicht mehr zeitgemäß sein, in den Köpfen der Kultus-Administration ist es noch ziemlich stabil

                Dieses Monopol lässt sich nicht auf den Umgang mit digital verfügbaren Lehr- und Lernangeboten übertragen. Die Bildungsverwaltungen werden das akzeptieren müssen. Es kann nicht mehr so organisiert werden wie bisher, dass die Kultusministerien bestimmte Inhalte zulassen – und stillschweigend signalisieren: wenn ihr andere nehmt, gucken wir weg. Es muss künftig so sein: Ihr dürft alles verwenden, was ihr für geeignet haltet – es sei denn, wir verbieten es. Das ist natürlich ein riesiges Einfallstor für all jene, die Bildungsinhalte anbieten – für die großen Portale ebenso wie für viele kleine Anbieter, die man zum Beispiel auf YouTube findet. Und es setzt voraus, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Inhalte aussuchen können, die sie pädagogisch für geeignet halten. Bei der Nutzung von Lerninhalten brauchen die Schulen größtmögliche Freiheit. 

                Das Problem ist für digitale Bildungsanbieter, die zum Teil ganze Lehrpläne in Videos, Aufgaben und Übungen übersetzt haben, dass sie von den Kultusministern nicht aktiv herein geholt werden. 

                Wenn jeder kleine Anbieter reingeholt werden muss, dann enden wir in einer endlosen Bürokratie. Es sollte in Zukunft gerade nicht so sein, dass ein Land prüft, ob es einen digitaler Bildungsinhalt oder ein Arbeitsblatt-Anbieter zulässt. Sollten die kleinen Anbieter das wirklich fordern, dann wird das nie was. Es muss umgekehrt sein: Alles ist erlaubt – außer es wird verboten. Das wäre die völlige Umstellung des Systems. Jeder, der einen Bildungsinhalt hat, muss auf die Schule zugehen können. 

                Kann der Datenschutz hier ein Vorbild sein? 

                Nein, der ist sicher kein Vorbild. Wir haben uns allesamt geärgert, dass die Datenschutzbeauftragten über eineinhalb Jahre hinweg nicht im Stande waren, im Schulbereich zu einer gemeinsamen Rechtsauffassung zu kommen.  

                Jede Datenschutzbehörde ist nun mal eine autonome Behörde… 

                … das ist ja das Problem… 

                … aber es ergibt auch Sinn. 

                Jein. So ist bisher die Rechtslage, aber wir haben nun mal eine europäische Datenschutzverordnung. Das bedeutet, wir müssen sie in Europa einheitlich anwenden. Wir haben einen Klärungsmechanismus, wenn etwa Italien eine andere Auffassung vertritt als Deutschland. Aber bei der Anwendung der DSGVO in Schulen sind plötzlich Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg nicht einer Meinung – und zwar die Datenschutzbeauftragten. Das muss geändert werden. 

                Wie muss man sich das vorstellen? 

                Die Datenschutzkonferenz muss im Zweifel mit Mehrheit entscheiden. Wir können beim Datenschutz die Kleinstaaterei einfach nicht fortsetzen. Sonst wird die Digitalisierung scheitern.

                Soll es der Datenschutzbeauftragte des Bundes regeln?

                Nicht zwingend. Man könnte zum Beispiel sagen, wenn Ihr Euch in einem halben Jahr nicht geeinigt habt, dann entscheidet es der Bundesdatenschutzbeauftragte. In irgendeiner Weise muss das Länder-Monopol bei übergreifenden Themen gebrochen werden. Sonst findet europäisches Recht nie einheitliche Anwendung. 

                Herr de Maizière, Sie machen luzide Vorschläge. Wieso haben Sie die eigentlich nicht als Minister gemacht? 

                Ich war viele Jahre nicht im Bereich der Bildungspolitik tätig. Auch als Bundesinnenminister habe ich Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern gemacht und davon einiges umgesetzt. Vieles ging nicht, weil jeder auf seinen Zuständigkeiten beharrte. Jetzt zu Beginn einer neuen Legislaturperiode sollten alle gemeinsam einen größeren Wurf wagen. Gerade nach Corona: wann, wenn nicht jetzt. 

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                Theorie und Praxis der Medienpädagogik

                Martin Geislers Sammelband über Spiel- und Medienpädagogik.
                Für Medienpädagogen in Praxis, Privat und Politik – Martin Geislers Sammelband über Spiel- Medienpädagogik.

                Einen Einstieg in die “Spiel- und Medienpädagogik” möchte Herausgeber Martin Geisler mit seinem gleichnamigen Buch geben. Dieser Einstieg ist dem wissenschaftlichen Anspruch Geislers entsprechend 181 Seiten schwer und an inhaltlicher Tiefe nicht zu unterschätzen. Angesprochen sind Fachkräfte – bedeutet Medienpädagogen – im Studium und im pädagogischen oder politischen Einsatze. Das weite inhaltliche Spektrum zwischen Theorie und Praxis bietet Mehrwert für Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter. Auch Eltern, sowie politisch-beruflich und privat Interessierte können etwas lernen. Die Mischung aus kulturwissenschaftlicher Theorie und praktischen Beispielen ist anspruchsvoll, liefert dafür aber auch solides Grundlagenwissen, gute Handlungsempfehlungen und relevante Debattenanstöße. Wer wissen will, wo Spiele in der kulturellen Bildung verortet sind, was gute medienpädagogische Arbeit ist und wo dringend nachjustiert werden muss, findet Antworten.

                Leichte Lektüre ist das Buch nicht. Geisler bezeichnet seine Publikation als Ausformulierung der Inhalte des gleichnamigen, von ihm konzipierten und geleiteten Studiengangs an der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena. In elf Kapiteln diskutieren er und seine Mitschreibenden die gesellschaftliche Funktion von Medienpädagogen, ordnen das Spiel kulturell ein, stellen medienpädagogische Methoden vor und geben konkrete Hilfe für das eigene medienpädagogische Projekt. Besonders das letzte Kapitel macht Freude: “Teams im Spiegel der Vergemeinschaftungsform MMORPG-Gilde.” Die Auseinandersetzung mit der sozialen Funktion von Spielergemeinschaften funktioniert ausgezeichnet, da sie nicht mit kulturellen Klischees überladen wird. Eine “praxisorientierte Vertiefung” über Game-based Learning gibt es auch.

                Für diese Rezension stehen zwei andere Kapitel im Fokus. Anna Grebe, Björn Schreiber und Iren Schulz schreiben in Kapitel 5 über “Jugendmedienschutz und Medienethik” und Horst Pohlmann stellt in Kapitel 9 “Praxisprojekte” vor.

                Jugendmedienschutz: Komplexer Kontrollapparat

                Der deutsche Jugendmedienschutz bekommt kein gutes Zeugnis. Das fünfte Kapitel ist gesellschaftspolitisches Essay und Wegweiser zugleich. Eingangs beschreiben die Autorinnen das gesetzliche und institutionelle Geflecht des Jugendmedienschutzes – sie enden mit dem Appell, das Durchdringen dieser “komplexen Strukturen” nicht auf die Eltern abzuwälzen. Damit verbunden fordern sie eine “maßgebliche Komplexitätsreduktion” des gegenwärtigen Kontrollapparats durch die politischen Akteure. Auch die Perspektive der Anbieter von Jugendmedien wird mitgedacht, schließlich geht es beim Jugendmedienschutz darum, dass diese ihre Produkte rechtssicher vertreiben können. Wer sich von komplexen Regelungen nicht abschrecken lässt, findet in diesem Kapitel einen guten Einstieg in das System Jugendmedienschutz.

                Auch ohne gesetzliche Änderungen können Pädagogen, Erzieher, Sozialarbeiter und anderweitig Interessierte anpacken. Der “Jugendmedienschutz als Verantwortungsgemeinschaft” ist gefragt, um die Wertebasis des Jugendmedienschutzes und seine soziale Praxis zu modernisieren. Dabei geht es nicht nur um die aktuellen Herausforderungen einer vernetzten Medienrealität, sondern auch um mehr aktive Teilhabe der Geschützten. Schließlich ist Jugendmedienschutz immer eine Abwägung zwischen der freien persönlichen Entwicklung der Heranwachsenden und den ihnen von der Gesellschaft auferlegten Einschränkungen. Die Verfasser fordern einen Diskurs aller beteiligten Akteure mit Einbeziehung von Kindern und Heranwachsenden. Eine ausführliche Anleitung zum besseren Schützen liefert das Kapitel nicht, wohl aber Grundlagenwissen über den Diskurs Jugendmedienschutz und seinen Entwicklungsbedarf.

                Praktische Projektarbeit: Überraschung beim Gamescamp

                Der Einstieg ins Praxiskapitel schreckt ab. Etwas zu ausführlich werden die strukturellen Dimensionen der kulturellen Bildungsarbeit beschrieben. Trotzdem finden Lesende in Kapitel 9 eine sehr gute Anleitung zur Projektarbeit in der Medienpädagogik. Von den möglichen Fördertöpfen bis zu konkreten Beispielen ist alles dabei. Besonders nützlich für Projektarbeitsneulinge ist eine Checkliste, die mit W-Fragen alle notwendigen Grundlagen einer guten Projektorganisation aufzeigt. Als Beispiel wird ein Projekt beschrieben, bei dem Jugendliche gemeinsam einen Film über das Leben in ihrem Stadtteil produzieren sollen. Angesetzt sind wöchentliche Treffen und in den Pfingstferien soll drei Tage am Stück gedreht werden. Kosten: 9.593 €.  

                Mit vier Seiten fällt das Unterkapitel über “Projektträger und Finanzierung” am längsten aus. Pohlmann nennt dort eine Vielzahl von zahlungswilligen Organisationen und politischen Förderern. Besonders hilfreich sind die Ratschläge, wie der eigene Förderantrag möglichst große Chancen auf Bewilligung bekommt. Abschließend betont Pohlmann, wie wichtig die Dokumentation des eigenen Projekts ist – besonders für zukünftige Förderungen, denn “Mittel- und Auftraggeber*innen lieben Fotos und sichtbare Ergebnisse”.

                Ein besonders interessantes Beispiel für ein medienpädagogisches Projekt ist das Gamescamp. “Jugendliche sind zu einem Wochenende eingeladen, sich mit Computer- und Videospielen auseinanderzusetzen.” Wer nun ein reines Gamer-Gelage erwartet, wird enttäuscht. “Die Jugendlichen selbst benennen teilweise hochkomplexe Themen zu Game-Design, Programmierung, Gaming-Community oder Wirkung von Games, diskutieren von sich aus über Jugendmedienschutz oder Fördermöglichkeiten von Spielentwicklungen”. Welch schöne Erkenntnis, dass Heranwachsende sich Mühe geben, wenn sie sich mit ihren Interessen auseinandersetzen sollen.

                “Spiel- und Medienpädagogik: Theorie – Methoden – Praxis” (Hrsg. Martin Geisler) erscheint im Kohlhammer-Verlag. Das Taschenbuch kostet 29 €, das E-Book 25,99 €.

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                  Blogpost

                  Von Entrepreneuren und Kapitalisten

                  Gastbeitrag von Sven Ripsas

                  Obwohl Entrepreneurship seit der Lissabon-Agenda eines der wichtigsten Bildungsziele in Europa ist und in den letzten 20 Jahren mehr 100 Lehrstühle für Entrepreneurship an deutschen Hochschulen eingerichtet wurden, hat es keinen wirklichen Durchbruch an Grund- und weiterführenden Schulen gegeben. Was sind die möglichen Gründe?

                  Die EU-Kommission definiert Entrepreneurship wie folgt: “Entrepreneurship is when you act upon opportunities and ideas and transform them into value for others. The value that is created can be financial, cultural, or social”. Automatische Übersetzungsprogramme im Internet machen daraus “Unternehmertum ist, wenn man Chancen und Ideen wahrnimmt und sie in Werte für andere umwandelt. Der Wert, der geschaffen wird, kann finanzieller, kultureller oder sozialer Art sein.”

                  Mal ganz unabhängig davon, dass die meisten Menschen überrascht sein dürften, dass Entrepreneurship nicht allein die finanzielle, sondern auch die soziale und kulturelle Sphäre umfassen kann, ist es problematisch, Entrepreneurship mit Unternehmertum zu übersetzen. Stattdessen soll hier für die Übersetzung mit dem Begriff “Unternehmergeist” plädiert werden, denn nicht umsonst heißt es im Amerikanischen “Entrepreneurship is a Mindset”. Dort steht das Kreative, das Unangepasste, der Pioniergeist, in Verbindung mit Sparsamkeit und wirtschaftlichem Wissen im Vordergrund. Sparsamkeit heißt in diesem Zusammenhang
                  zunehmend “sparsamer Verbrauch von natürlichen Ressourcen” oder besser gleich eine Innovation in Richtung Kreislaufwirtschaft, die unseren Planeten erhalten kann.

                  Große Skepsis gegenüber dem Unternehmertum

                  Der Begriff Entrepreneurship ist sperrig und in der deutschen Sprache nicht etabliert und es gibt keine allgemein akzeptierte Übersetzung. Darüber hinaus gibt es unter den vielen Beschäftigten im Bildungs- und Medienbereich eine tiefverwurzelte Skepsis gegenüber dem Markt. Es kommen also Sprachbarrieren, Fehlinterpretationen und generelle Marktaversion zusammen. Und so haben es gemeinnützige Vereine, wie die deutsche NGO “Network for Teaching Entrepreneurship e. V.” nicht leicht, im komplexen deutschen Bildungsföderalismus, sich durchzusetzen, obwohl die meisten Schüler:innen, die am Entrepreneurship teilnahmen, sich in ihren Interessen so ernst genommen fühlen, wie sonst in kaum einem anderen Unterrichtsfach.

                  Die exakte Verwendung von Sprache ist also entscheidend, wenn es gilt, einen neuen Begriff einzuführen, der unsere Einstellung zur Ökonomie und damit die Bildungskultur im 21. Jahrhundert ändern könnte. Seit Marx hat es das Fachgebiet Wirtschaft im deutschen Bildungswesen ohnehin nicht leicht. Wenn, dann ist es meist nur in Kombination mit Politik und Technik in einem thematischen Dreiklang vertreten und der Kapitalismus wird kritisch gesehen.

                  Damit nähern wir uns dem Kern der Probleme der Entrepreneurship in Deutschland, dem kaum bekannten Unterschied der ökonomischen Funktionen von Kapitalist und Entrepreneur. Israel M. Kirzner, New Yorker Ökonom und Vertreter der österreichischen Schule der Wirtschaftswissenschaften, hat diesen Unterschied klar herausgearbeitet. Der Beitrag des Entrepreneurs zur Ökonomie sind neue Ideen für einen verbesserten Kundennutzen und / oder eine neue, z. B. ökologischere Produktionsweise. Ihr wachsamer Blick (“Alertness”)
                  auf die Welt ist anders als der Mehrheit. Das Etablierte wird herausgefordert.

                  Das Kreative des Entrepreneurs wird kaum gesehen

                  “Entrepreneurship does not consist of grasping a free ten-dollar bill which one has already discovered to be resting in one’s hand; it consists in realizing that it is one’s hand that it is available for the grasping…”. Es ist das ökonomisch Kreative, das Pionierhafte, das den Entrepreneur auszeichnet. Demgegenüber steht der Kapitalist, dessen einzige Funktion in der Marktwirtschaft das Zurverfügungstellen von Kapital ist. Dabei wird stets die bestverzinste Alternative gewählt. Ein Kapitalist ist Gewinnmaximierer (und darauf kann und soll die
                  Besteuerung abzielen). Ein Entrepreneur ist der zunächst nicht viele Mittel verfügende Herausforderer. Er (oder sie) muss haushalten, Neues ausprobieren und in Unsicherheit entscheiden.

                  In den Medien ist das Bild vom Entrepreneurship kaum fundierter als in den Bildungsinstitutionen. Die Hauptnachrichtensendungen im TV bezeichnen den Vorstandsvorsitzenden von Aktiengesellschaften als Vertreter des Unternehmerlagers. Dies ist rechtlich korrekt, aber im Englischen käme niemand auf die Idee, den CEO von Apple als Entrepreneur zu bezeichnen. Ein (Startup-)Entrepreneur geht persönlich finanzielle Risiken ein, steht mit seiner Sicht der Dinge oft im Gegensatz zum herrschenden Zeitgeist. Zumeist verfügt er
                  nicht über viele Eigenmittel – ganz im Gegenteil. Und so muss sie (oder er) Businesspläne schreiben, um Banken und Investoren zu überzeugen, Kapital zur Verfügung zu stellen.

                  Schule muss ein neues Unternehmerbild vermitteln

                  Mit der Kenntnis über diese Rollenverteilung von Entrepreneur und Kapitalist und der Einbeziehung der sozialen und kulturellen Sphäre kann ein Weg aufgezeichnet werden, die Problemen der deutschen Entrepreneurship Education zu überwinden und einen Beitrag zu mehr ökonomischer Teilhabe von großen Teilen der Bevölkerung zu ermöglichen. Anstelle der Ausrichtung der Politik am Kapital allein, sollte die Vermittlung des Wissens um die Prozesse zur Umsetzung von Innovationen und das Verständnis grundlegender Marktprozesse intensiviert werden.

                  Entrepreneurship wird in vielen Ländern der Welt mittlerweile als kreatives Lösen von Zukunftsherausforderungen verstanden und in Basisgruppen und NGO eingesetzt, um echte Teilhabe am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Entrepreneurship Education ist Empowerment, die Befähigung zur eigenständigen, von anderen und dem Staat unabhängigen Lebensführung. Unter Einbeziehung der ökologischen Determinante (z.B. Stopp des CO2-Ausstoßes) und der Nutzung von digitalen Kenntnissen, kann eine die soziale Marktwirtschaft vermittelnde Bildung ein wichtiges Element für alle Schülerinnen und Schüler sein. Entrepreneurship fördert Selbstvertrauen und bildet sich ihrer Bedeutung in der Gesellschaft bewusste und verantwortungsvolle Bürger aus. Und gerade für die, die nicht aus einem bildungsnahen Haushalt kommen, ist Entrepreneurship vielleicht die beste Chance, zu Wohlstand und zu Anerkennung zu gelangen. Im Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Digitalisierung liegt die Zukunft der Bildung. Die Zukunft gehört der Entrepreneurship Education.

                  Sven Ripsas ist Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR).

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                    CDU-Digitalkompetenz: Wer füllt die Lücke?

                    Auf dem Foto ist die Digitalpolitikerin Nadine Schön (CDU) zu sehen, sie setzt sich für das Erlernen von Digitalkompetenzen ein
                    Kann politisch anpacken: Nadine Schön kommt nun doch in den neuen Bundestag.

                    Wie angekratzt die Union aus der Bundestagswahl herausgeht, zeigt sich auch darin, dass viele Fachpolitiker nicht mehr im nächsten Parlament Politik mitgestalten. So verpasste Tankred Schipanski von der CDU den erneuten Einzug ins Parlament. Schipanski war seit April 2018 digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Dass er in Zukunft die CDU-Digitalpolitik auf Bundesebene nicht voranbringen kann, ist für die Partei ein großer Verlust. Als Mitglied des Digitalausschusses sowie des Bildungsausschusses setzte er sich dafür ein, dass die digitale Bildung an den Schulen schnell und effizient umgesetzt wird.

                    Die Lücke, die er hinterlässt, könnte in Zukunft Nadine Schön füllen. Auch sie schaffte den Einzug ins Parlament anfänglich nicht und zog dann trotzdem ein, weil Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf ihre Mandate verzichten und sie nachrücken konnte.

                    Seit 2014 ist Nadine Schön Vizefraktionschefin und beschäftigt sich als solche mit der Digitalen Agenda. Sie setzt sich für schnelles Internet auch in den ländlichen Gebieten Deutschlands ein und steht für eine digitale Transformation, die von Deutschland aus gestaltet wird. Sie ist Co-Chefin des Netzwerks Digitalisierung der CDU, einem 2015 gegründeten Gremium aus Landes-, Bundes- und Europapolitikern.

                    Nadine Schön verkörpert gleichzeitig die alte und die neue CDU. Groß wurde sie in der Jungen Union; im Deutschen Bundestag ist sie seit 2009 Abgeordnete. Doch sie gilt als modern und zeitgemäß – gehört mit ihren 38 Jahren zu den Jüngeren ihrer Partei. Sie meckert nicht, sie macht. Digital- und Bildungspolitik wird in den nächsten Wochen in der Union zwar eine untergeordnete Rolle spielen. Erstmal muss sie schaffen zusammenzuhalten, was von ihr übrig geblieben ist. Nadine Schön könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Sofie Czilwik

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                      Einheitliche Schulcloud bleibt Utopie

                      “Eine bundesweit einheitliche Lösung ist nicht zu erwarten”, resümiert die neuste Studie der Telekom-Stiftung über schulische Lernplattformen in Deutschland. Dies sei auch nicht notwendig, solange es “in Zukunft gemeinsame Standards und funktionierende Schnittstellen” für die bereits genutzten Lernplattformen gibt. Das Institut für Informationsmanagement an der Universität Bremen (ifib) unter der Leitung von Professor Andreas Breiter analysierte die Lernplattformen aller Bundesländer. Die Studie zeichnet ein Mosaik aus unterschiedlichen Beschaffungshintergründen und Software-Zusammensetzungen. In jedem Bundesland – außer Bremen – dürfen die Schulträger über die Wahl ihrer Lernplattform selbst entscheiden. Die Bundesländer bieten Landeslösungen an, die technisch unterstützt werden und somit attraktiver für die einzelnen Schulen sind.

                      Um zumindest eine Standardisierung dieser System-Vielfalt zu erreichen, empfehlen die Forschenden, “eine Abstimmungsarena zwischen den Ländern einzurichten”. Hier sollen Schnittstellen, Datenformate und Protokolle vereinheitlicht werden. Das seien wichtige Maßnahmen für angemessenen Datenschutz, einfache Datentransfers und eine “alltagstaugliche, verlässliche, verteilte IT-Systemlandschaft ohne unnötige Medienbrüche”. Die Verfasser betonen, dass neben Produktwahl und Beschaffung auch die technische und pädagogische Unterstützung der Schulen sichergestellt werden muss. International liegt Deutschland laut Studie zurück. In Großbritannien, Dänemark oder den Niederlanden gibt es bereits seit über zehn Jahren staatlich bereitgestellte Lernplattformen. Enno Eidens

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                        KMK will Digitalpakt verstetigen

                        Die Kultusministerkonferenz (KMK) möchte den Digitalpakt Schule über das Jahr 2024 hinaus dauerhaft verstetigen. So sollen “alle Partner ihren finanziellen und organisatorischen Beitrag zur Digitalisierung leisten”. Nun sollen Finanzierungsmodelle für dieses Vorhaben geprüft werden. Dies sei der richtige Weg für eine erfolgreiche Digitalisierung von Schulen und Unterricht. Mit den Ergebnissen der bisherigen Maßnahmen im Rahmen des Digitalpaktes Schule 2019-2024 sind die Kultusministerinnen und -minister der Bundesländer zufrieden. Die Förderung habe “einen starken Innovationspuls gesetzt”. Das gab die KMK in einem Beschluss vom 7. Oktober bekannt. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe möchte den positiven Effekt auf die Digitalisierung, den die Coronavirus-Krise hatte, nutzen “und die Digitalisierung weiter voranbringen”. Auch der hessische Kulturminister Alexander Lorz sagte, dass die Corona-Krise zwar eine Belastung für Kinder und Jugendliche sei, aber “auch einen gewaltigen Schub in Sachen Digitalisierung” gegeben habe. Enno Eidens

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                          Schule weitet Fach “Startup” aus

                          Die Don-Bosco-Schule Rostock will ihr Schulfach “Startup” ausweiten. In dem Fach planen Schülerinnen und Schüler die Gründung von Unternehmen. Das geht von Ideen zu Apps über den Erwerb von Tablets für die Schule bis hin zu analogen Firmen-Ideen. Statt einer Stunde wöchentlich in der neunten und zehnten Klasse sollen die Schüler Gelegenheit bekommen, ihre Projektideen in einer Extrastunde selbständig voranzutreiben. Auch die Schulleitung steht hinter dem Plan. “Um ihre Ideen umzusetzen, brauchen Schüler mehr Freiräume“, sagte Schulleiter Gert Mengel Bildung.Table.

                          Das neue Schulfach war aus einer Schülerfirma hervorgegangen, die einen Schulladen an der Don Bosco organisierte. Dem Lehrer für “Arbeit-Wirtschaft-Technik“, Jens Kruggel, war das zu wenig. Er wollte mit den Schülern echte Unternehmen angehen – und wählte den Namen “Startup”. “Ich will die Schüler dazu ermuntern, Unternehmungen jeder Art entwerfen und zu planen”, sagt Kruggel. In den Kursen werden die theoretischen Grundlagen erarbeitet. Die Schüler versuchen zum Beispiel herauszufinden, was einen Unternehmer auszeichnet. Sie gehen dem Schumpeter’schen Ideals des konstruktiven Zerstörers auf die Spur. 

                          Die bisherigen Themen bestanden unter anderem aus Geschäftsideen für einen automatischen Fensterputzer, Filmschnittprogramme oder Rucksäcken, die automatisch Smartphones aufladen. Viele Themen entsprangen auch der Not während Corona. Es wurde etwa ein Programm zur Konfiguration von Tablets für Schulen geplant und eine App zur Hausaufgaben-Hilfe. Wenn die Schüler mehr als eine Stunde haben, sagt Kruggel, “dann können sie eine Idee nicht nur entwickeln und sichtbar machen, sondern sie auch umsetzen.” Der Schulleiter sieht für die Schüler:innen mehr Potenzial im Rahmen des FreiDay, den die Schule einführt, ihre Ideen aus “Startup” eigenständig zu verwirklichen. 

                          Die Schüler führen Gespräche mit Startup-Gründern wie dem Geschäftsführer des Rostocker Startups “Tweedback“, Jan Tauer. “Ich habe im Studium gemerkt, dass ich nicht nur Sachen von anderen abarbeiten will, sondern eigenes entwickeln. Ich möchte einen Markt durchdringen und Werte schaffen”, beantwortete Tauer die Fragen von Schülern, was ihn angetrieben habe. Es habe ihn gereizt, ein Risiko einzugehen. “Ich wollte etwas Neues finden und etwas bewirken”. Das Fach kann im Rahmen des Wahlpflichtbereichs zur Berufsorientierung belegt werden, für die Jens Kruggel an der Don Bosco-Regionalschule zuständig ist. “Die Schüler sollen verstehen, dass sich jederzeit die Möglichkeit bietet, Ideen zu haben und Dinge besser zu machen”, sagt Kruggel. cif

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                            Biberkor: Referendariat für zeitgemäße Bildung

                            Frau Nieß, was ist der pädagogische Vorteil des neuen Biberkor-Referendariats für zeitgemäße Bildung?

                            Es geht ganz grundlegend darum, dass wir den Status Quo der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Gelingen von Lernprozessen auch in der Schule umsetzen, die Kinder und Jugendliche ja auf “das Leben” vorbereiten muss. Wir leben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft – darauf müssen wir natürlich auch im Referendariat in Biberkor pädagogisch reagieren. Wir brauchen also eine entsprechende pädagogische Haltung und einen Fokus auf die richtigen Kompetenzfelder. Zum Beispiel die 4K, also Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Aber auch Eigenverantwortlichkeit und die Wertschätzung individueller Lernprozesse. Damit Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten können, müssen sie erst einmal selbst so ausgebildet werden. Das ist die Idee.

                            Welche technischen Voraussetzungen braucht man? 

                            Es sind gar nicht so sehr die technischen Voraussetzungen, die Schulen brauchen. Sie sollten eher die gesamte Struktur des neuen Lernens im Blick haben. Schulen, die bei uns Ausbildungsschule sind, bieten den Raum für neue Bildungsansätze. Das heißt, sie haben die grundlegende Flexibilität und Offenheit, um Neues umsetzen zu können. Die Alemannenschule in Wutöschingen, die Universitätsschule in Dresden oder auch die Montessori-Oberschule in Potsdam – alles Schulen, an denen wir Seminartage verbringen – sind solche Beispiele. Sie haben erkannt, wie neues Lernen funktioniert und klare Strukturen dafür geschaffen. Dazu gehört auch digitale Bildung wie in Dresden oder Wutöschingen, aber entscheidend ist die Haltung in diesen Schulen. 

                            Hilft eine Ausbildung im neuen Referendariat auch für den Präsenzunterricht, wenn die Pandemie vorbei ist? 

                            Das neue Referendariat ist nicht als Reaktion auf die Corona-Pandemie entwickelt worden. Es ist schon viel länger sichtbar, dass die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern nicht mehr zeitgemäß ist. Die Pandemie hat das nur noch einmal schärfer aufgezeigt. Das gilt nicht nur für die Entwicklung im digitalen Bereich. Es geht um die Frage, was selbstorganisiertes Lernen kann. Es geht darum, wie Leistungsbeurteilung funktioniert, wenn es nicht mehr ausschließlich die Instanz von oben ist, die Lernende beurteilt. Gleichzeitig sehen wir, dass es eine Menge brauchbarer Lösung gibt, die tatsächlich auch in der Praxis greifen. Jetzt heißt es also, die Lehren aus der Coronazeit produktiv zu nutzen – und nicht mehr zurückzuspringen auf den Stand vor der Pandemie.  

                            Pro Tipp

                            Einige Schulen haben es geschafft, digitale Formate erfolgreich einzusetzen. Oder sie haben neue Unterrichtsszenarien entwickelt, die Präsenzunterricht zum Teil auch unter strengen Hygiene-Maßnahmen möglich gemacht haben. Es war faszinierend, das zu beobachten. Was zeichnet diese Schulen aus? Es geht um das Vertrauen der Beteiligten in die eigene Handlungsfähigkeit. Wie eigenständig empfindet sich die Schulleitung? Wie sehr können Lehrkräfte gestalten? Davon hängt ab, wie schnell und mutig Veränderung regiert und eben nicht nur verwaltet wirdKreativität, Agilität und Experimentierfreude sind wichtig. Oder ganz grundlegend die Freude am Neuen – und die Erkenntnis, dass man aus Fehlern lernen kann.  

                            Kritik

                            Die parallelen Wege zwischen Schule in freier und staatlicher Trägerschaft müssen wir dringend verlassen. Es gibt in beiden Welten Beispiele guter und schlechter Schule. Wir sollten gemeinsam sehen, dass wir intensiv im Austausch Lösungen erarbeiten – von denen beide profitieren. Das ist im neuen Referendariat ein echtes Anliegen. 

                            Flora Nieß leitet das neue Referendariat an der Akademie Biberkor

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                            • Unterricht

                            Termine

                            20.-24. Oktober
                            Vorträge: Forum Bildung
                            An fünf Tagen geben Expert:innen, Professor:innen und Politiker:innen Antworten auf zentrale Fragen der Bildungspolitik. Am 23. und 24. Oktober geht es weniger um Bildungsthemen, sondern mehr um Fußball & Gesellschaft. Infos, Tickets & Livestream

                            21. Oktober, 15:45 bis 18:30 Uhr
                            Fortbildung: mobile.schule EINSTEIGER
                            Für Lehrer:innen, die sich noch nicht gut mit den digitalen Tools auskennen und gerne etwas dazulernen möchten, hat mobile.schule eine Lehrerfortbildung organisiert, an der jede:r teilnehmen kann. Infos & Anmeldung

                            4.-5. November
                            Seminar: educon 2021 Bildungsgipfel
                            Sowohl online als auch vor Ort, in der Region Rhein- Neckar, werden Workshops, Keynotes und anderen Formate angeboten, um gemeinsam über verschiedene Bildungskonzepte zu diskutieren. Die Highlights werden anschließend gepostet. Infos

                            9.-10. November
                            Wettbewerb: DigiEduHack 2021
                            Der vom Europäischen Institut für Innovation und Technologie entworfene Wettbewerb soll weltweit online übertragen werden. In verschiedenen Wettbewerben werden Finalisten gekürt, von denen drei den Global Award erhalten. Es geht um neue Ideen, Projekte und Apps zum Thema digitale Bildung. Infos & Registrierung

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