Table.Standpunkt
Erscheinungsdatum: 27. Februar 2025

Wie wir Amerika wieder für Europa begeistern können

Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump haben die Gespräche zwischen den USA und Russland über eine Beendigung des Kriegs in der Ukraine begonnen. Wolfgang Ischinger, ehemaliger Leiter der MSC, erwartet, dass Washington in den kommenden Verhandlungen massiv auf die europäischen Bündnispartner angewiesen sein wird. Er plädiert für die Einrichtung einer internationalen Kontaktgruppe unter US-Führung mitsamt der Einbeziehung der Ukraine und der europäischen Partner.

Von Wolfgang Ischinger

Vor fast genau 30 Jahren, in der März-April Ausgabe von Foreign Affairs, veröffentlichte Richard Holbrooke einen Aufsatz mit der Überschrift: „ America, A European Power“. Wohlgemerkt: ohne Fragezeichen!

Der damalige Kernsatz,, hier ins Deutsche übersetzt, lautete wie folgt: „Im 21. Jahrhundert wird Europa weiterhin die aktive amerikanische Präsenz und Beteiligung brauchen, die ein notwendiges Element der machtpolitischen Stabilität des Kontinents in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen ist." Eine kluge Prognose, der auch 30 Jahre später wenig hinzuzufügen ist. Bleibt zu hoffen, dass das auch im Trumpschen Weißen Haus so gesehen wird.

Welche Argumente stützen wohl heute auf beiden Seiten des Atlantiks die Forderung nach fortgesetztem Engagement der USA in Europa, insbesondere, aber nicht nur durch die Nato?

All das erinnert fatal an die Vorgänge vor 30 Jahren, als angesichts des blutigen Bosnien-Krieges von europäischer Seite die Stunde Europas ausgerufen wurde, die mit einer kompletten Bauchlandung endete. Erst durch das aktive politisch militärische Eingreifen der USA konnte dieser Krieg beendet und eine Friedensregelung schließlich mit dem Data Abkommen vom November 1995 erreicht werden.

Es ist deshalb doch erfreulich, dass die Trump Administration eben nicht den Fehler der Obama-Administration von 2014/15 wiederholt und die Auflösung des Ukraine-Kriegs an die Europäer verwiesen hat. Es ist angesichts der gemachten Erfahrungen deshalb doch erfreulich, dass die Trump-Administration sich freiwillig in die Verantwortung begibt, bei der Beendigung dieses Kriegs eine tragende Rolle zu spielen. Wer denn sonst außer der amerikanischen Regierung hätte den ersten Schritt, also eine Kontaktaufnahme mit der russischen Regierung, auf sich nehmen können oder wollen?

Allerdings wird Washington in den kommenden Verhandlungen massiv auf die europäischen Bündnispartner angewiesen sein. Welches militärische „leverage“ gegenüber Moskau hätte Washington denn bei der Beilegung dieses Kriegs, wenn nicht die gebündelte Macht der Nato-Partner zur Verfügung stünde? Die US-Armeepräsenz in Europa ist zwar in den letzten Jahren verstärkt worden – aber sie steht in keinem Verhältnis zu den Hunderttausenden von russischen Soldaten in der Ukraine bzw. in den westlichen Militärbezirken Russlands. Ergo: Washington braucht seine europäischen Partner und gibt das ja auch ganz offen zu, wenn die Bereitstellung europäischer Kräfte zur möglichen Absicherung oder Durchsetzung einer Vereinbarung ins Spiel gebracht wird.

Im Gegenzug werden wir, die Europäer, klug genug sein, Washington den Satz aus dem US-amerikanischen Revolutionskrieg „No taxation without Representation“ in abgewandelter Form entgegenzuhalten: „keine Stationierungs-Beteiligung ohne politische Verhandlungsbeteiligung“!

Die beste und eleganteste Form, eine diplomatisch-politische Einbeziehung sowohl der Ukraine wie der europäischen Partner wie auch zum Beispiel der Türkei zu erreichen , wäre die Einrichtung des historisch vielfach bewährten Formats der Kontaktgruppe unter US-Führung. Wir dürfen Washington daran erinnern, dass dieses innovative und erfolgreiche Format eine US-Erfindung ist, auf die die USA stolz sein können.

Der Holbrooke-Aufsatz von 1995 endet mit dem prophetischen Satz: „Die vor uns liegende Aufgabe ist genauso enorm wie die Notwendigkeit, sie anzupacken. Wer sich jetzt abwendet, wird später einen viel höheren Preis bezahlen müssen“.

Ja: wir brauchen die USA, um diesen Krieg dauerhaft zu beenden. Aber die USA werden umgekehrt Europa brauchen, um diesen Kraftakt erfolgreich leisten zu können. Es spricht deshalb wie schon 1995 alles – auch aus US-Sicht – dafür, dass Amerika auch weiterhin eine europäische Macht bleibt.

Wolfgang Ischinger ist Professor Emeritus of Security Policy and Diplomatic Practice. Er ist Senior Fellow an der Hertie School und Founding Director des Centre for International Security. Von 2008 bis 2022 war er Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und ist seitdem Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz.

-> Lesen Sie im Security.Table, warum Ischinger Berichte über Stoltenbergs Rückzug zurückweist.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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