Berlin.Table – Ausgabe 635

Nach dem Alaska-Gipfel: Die Ukraine, Europa und die Sicherheit

Teilen
Kopiert!

Ein Gipfel, wenig Fassbares, Ernüchterung und Beschwörungen

Am Tag nach dem Gipfel von Anchorage ist vor allem Folgendes klar: Es gibt keinen schnellen Waffenstillstand, es gibt keine konkreten Vereinbarungen, aber Wladimir Putin darf wieder auf einem westlichen grünen Teppich auftreten. Und den Europäern bleibt nur, ihre Beschwörungen zu wiederholen: keine Entscheidung über unsere Köpfe hinweg.  

Donald Trump sprach zunächst mit Wolodymyr Selenskyj. Der ukrainische Präsident teilte dies anschließend mit, machte aber auch keine konkreten Angaben zu dem, was Trump ihm berichtet hatte. „Wir unterstützen Präsident Trumps Vorschlag für ein trilaterales Treffen zwischen der Ukraine, den USA, and Russland“, schrieb Selenskyj auf X. Er wird Montag nach Washington reisen, um erneut mit Trump zu sprechen. Im Anschluss informierte Trump die europäischen Partner. Was bei dem angeblich „sehr produktiven Treffen“, wie Trump vor der Presse formuliert hatte, tatsächlich besprochen oder gar verabredet wurde, blieb zunächst unklar.

In der Bundesregierung ist man ernüchtert. Mit öffentlichen Bewertungen hält man sich nach dem De-Briefing durch einen müden US-Präsidenten erkennbar zurück. Putin hat bekommen, was er wollte – Trump hat seine Drohungen mit weiteren Sanktionen nicht aufrechterhalten. Friedrich Merz hatte den Kreis der Europäer im Anschluss zum Gespräch mit Trump zu einer Nachbesprechung eingeladen. Hier sei „eine gemeinsame Linie zu weiteren Schritten in einem Friedensprozess für die Ukraine abgestimmt“ worden, hieß es. Das las sich dann so: die Ukraine stärken, um ein Ende der Kämpfe und einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen; den Druck auf Russland aufrechterhalten; die Sicherheitsinteressen der Ukraine und Europas schützen.

Friedrich Merz hatte den Kreis der Europäer im Anschluss zum Gespräch mit dem US-Präsidenten zu einer Nachbesprechung eingeladen. Hier sei „eine gemeinsame Linie zu weiteren Schritten in einem Friedensprozess für die Ukraine abgestimmt“ worden. Das las sich dann so: die Ukraine stärken, um ein Ende der Kämpfe und einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen; den Druck auf Russland aufrechterhalten; die Sicherheitsinteressen der Ukraine und Europas schützen. 

Wie sich die Lage aus ukrainischer Sicht darstellt, wie Europäer, Sicherheitsexperten und Außenpolitiker den Gipfel und seine (Nicht-)Ergebnisse blicken, lesen Sie in diesem Alert. Sven Siebert

Teilen
Kopiert!

Ehrenvoller Empfang für Putin, steigender Druck auf Kyjiw: Warum der Alaska-Gipfel für die Ukraine sehr schmerzhaft ist. Für die Mehrheit der Ukrainer dürfte es ein schmerzlicher Anblick gewesen sein: Donald Trump hatte Wladimir Putin auf US-Boden den roten Teppich ausgerollt und ihn mit Ehren empfangen. Dass ausgerechnet die USA, einst wichtigster Verbündeter der Ukraine, Putin so aufwerten, ist für Kyjiw nicht schönzureden. 

Die größte Befürchtung der Ukraine hat sich zumindest vorläufig nicht bewahrheitet: Trump und Putin haben in Alaska keine Vereinbarungen getroffen, die für Kyjiw inakzeptabel wären. Gleichwohl gab es keinerlei Äußerungen zu einer Waffenruhe. In Kyjiw hieß es schon vor dem Alaska-Summit: Wenn das Worst-Case-Szenario abgewendet werden kann, ist das unter Umständen schon gut genug.  

In seinem fast achteinhalbminütigen Monolog vor der Presse machte Putin keinerlei Angebote. Vor allem rückte er nicht von seiner Maximalforderung ab: Er sehe weiter die Notwendigkeit, die „Kernursachen des Konflikts zu beseitigen“. Übersetzt heißt das: Der Kreml stellt die Existenz der Ukraine jenseits des russischen Einflussraums weiterhin infrage.  

Jetzt erhöht Trump den Druck auf die Ukraine: Es liege nun an Kyjiw, einen Friedensdeal möglich zu machen, sagte Trump und stellte ein Treffen mit Putin in Aussicht. Russland bezeichnete er als „Großmacht“, die Ukraine hingegen nicht. Warum Beobachter nun die Gefahr sehen, dass Washington die Verantwortung für Fortschritte oder Scheitern allein bei Kyjiw verortet, lesen Sie im Security.TableDenis Trubetskoy

Teilen
Kopiert!

News

Sergey Lagodinsky, Mitglied des Europäischen Parlaments als Teil der Fraktion Die Grünen/EFA, spricht während des Landesparteitags von Bündnis 90/Die Grünen in der Potsdamer Schinkelhalle.

Lagodinsky: „Europas Rolle ist, den Prozess professioneller zu machen.“ Nach dem Treffen zwischen Trump und Putin stellt sich die Frage, ob europäische und vor allem ukrainische Interessen berücksichtigt wurden. Dass die Ukraine aufgefordert wurde, einem Deal zuzustimmen, kritisiert EU-Außenpolitiker und Europaabgeordneter Sergey Lagodinsky (Grüne) im Table.Briefings-Interview. „Das setzt Selenskyj massiv unter Druck.“ Zwar betone Trump, dass die Ukraine das letzte Wort habe, doch wie freiwillig eine Zustimmung wäre, sei fraglich. „Trump könnte so viel Druck ausüben, dass Kyjiw kaum Spielraum bleibt“, so der Grünen-Politiker. 

Er sehe das Risiko, dass die US-Russland-Beziehungen durch etwaige wirtschaftliche Vereinbarungen vom Kriegsgeschehen entkoppelt werden, sagt Lagodinsky. Er sieht Europas Rolle nun darin, den Friedensprozess ernsthaft und professioneller zu machen – sodass auch Trump sich daran beteiligen kann. Dass auch die europäischen Staatschefs nicht mehr von einem Waffenstillstand sprechen, betrachtet er dagegen nicht als großes Problem: „Das ist ein Zugeständnis an die Realität, in der die EU nicht vorbestimmen kann, in welche Richtung die Verhandlungen laufen.“ Waffenstillstand oder nicht, wichtig sei, dass Ukraine und Europa einbezogen würden. Wie Europa auf Trumps Andeutungen, dass sich die USA an Sicherheitsgarantien beteiligen könnten, reagieren sollte, lesen Sie im Europe.Table. Lukas Knigge

Teilen
Kopiert!

Skepsis und Enttäuschung: Wolfgang Ischinger und Carlo Masala zum Gipfel. „Viel Tamtam, aber wenig Zählbares.“ So lautet das Fazit des Stiftungsratsvorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Der frühere Deutsche Botschafter in den USA hält den Gipfel dennoch für richtig. „Es ist es wert gewesen, diesen Prozess in Gang zu setzen.“ Es wäre wünschenswert, das Treffen erst nach einem Friedensvertrag der Unterhändler umzusetzen, aber die ersten Schritte seien gegangen. Trump müsse nun kommende Woche auch Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyji den roten Teppich ausrollen, so Ischinger.

Der Politik-Professor und Sicherheitsexperte der Universität der Bundeswehr, Carlo Masala, bewertete das Treffen aus europäischer und ukrainischer Sicht als wenig zielführend. „Die Maximalforderungen von Wladimir Putin sind wieder auf dem Tisch. Das kann letzten Endes nur in einer Quasi-Kapitulation der Ukraine enden.“ Masala regte neue und schärfere EU-Sanktionen an wie Strafen gegen Unternehmen, die Sanktionen ausweichen oder die Nutzung der eingefrorenen Milliarden von russischen Oligarchen für die Unterstützung der Ukraine. Auch müsse die EU ein Sicherheitskonzept für die Ukraine entwickeln, sollte ein Friedensvertrag auf dem Tisch liegen und die USA sich aus dem Prozess zurückziehen. Dazu könnte auch die Verlegung von europäischen Luftwaffen-Einheiten an die Grenze zur Ukraine gehören. Die Sonderausgabe unseres Podcasts mit den Gesprächen hören Sie ab 13 Uhr hier. Michael Bröcker 

Teilen
Kopiert!

Norbert Röttgen: Wladimir Putin ist der Gewinner des Treffens. Der russische Präsident habe von Donald Trump diplomatische Anerkennung auf höchster Ebene erhalten, ohne dafür irgendeine Gegenleistung erbringen zu müssen, sagt der CDU-Außenpolitiker im Interview mit Table.Briefings.

Nach dem Treffen in Anchorage: Erfolg? Misserfolg? Wie bewerten Sie die Begegnung? 

Nach dem, was wir bisher wissen können, blieb der Gipfel ohne konkrete Ergebnisse. Die Befürchtungen, Trump könnte über die Köpfe der Ukrainer und Europäer hinweg Zugeständnisse an Putin machen, sind nicht eingetreten. Dem von Trump selbst gesetzten Ziel, einem Waffenstillstand, ist die Ukraine durch dieses Treffen jedoch ebenso wenig nähergekommen.  

Was ist für Sie die größte Überraschung?  

Wirklich überrascht hat mich am Ausgang dieses Treffens nichts. Es war klar, dass Putin nicht gewillt sein wird, ernsthaft zu verhandeln. 

Für wen ist das ein Erfolg? Und Was bedeutet das Treffen für Wladimir Putin? 

Der Gewinner des Treffens heißt Putin. Erstens hat er von Trump diplomatische Anerkennung auf höchster Ebene erhalten, ohne dafür irgendeine Gegenleistung erbringen zu müssen. Zweitens konnte er Trump dazu bewegen, die im Rahmen eines Ultimatums angedrohten zusätzlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland doch nicht zu verhängen. 

Kommen wir einem Frieden näher?  

Das Treffen hat keinen Beitrag zu einem Frieden geleistet. Es war bereits vorher klar, dass Putin kein Interesse an einem Waffenstillstand, geschweige denn wirklichem Frieden hat. Sein Ziel ist die Vernichtung der Ukraine und er glaubt, dass er dieses Ziel militärisch erreichen kann. 

Ist Europa damit stärker oder schwächer geworden? 

Dieses Treffen hat erneut gezeigt, dass die Sicherheit Europas im Kern von uns Europäern selbst organisiert werden muss. Friedrich Merz ist es in der Vorbereitung des Treffens gelungen, eine sehr klare, gemeinsame Linie der Europäer zu finden. Darauf müssen wir aufbauen. Diplomatisch gilt es nun, Trump so eng wie möglich an Europa zu binden und zugleich Putin die Grenzen seines Handelns aufzuzeigen, indem er seine militärischen Ziele nicht erreicht. 

Wagen Sie eine Prognose: Wo stehen wir in einem Jahr?  

Ein Ende des Krieges werden wir nur sehen, wenn Europa geschlossen agiert und zusammen mit USA den Druck auf Russland erhöht.

Stefan Braun

Teilen
Kopiert!

Must-Reads

NYT: Wenig Klarheit. Konkrete Ergebnisse fehlen Serge Schmemann. Wladimir Putin habe sich zufrieden gezeigt, da er trotz seines Status ein freundliches Gespräch mit Donald Trump auf amerikanischem Boden führen konnte. Trump lobte das Treffen, blieb aber vage bei Inhalten und rückte von seiner zuvor härteren Haltung ab. Letztlich wirkte es, als habe Putin vor allem Zeit für seinen Krieg gewonnen, während Trump sich möglicherweise wieder vom Thema abwendet – was für die Ukraine problematisch wäre. („What Was the Trump-Putin Meeting Even About?“)  

FAZ: Unbezahlbares Geschenk. Für Berthold Kohler hat Donald Trump mit den „schönen Bildern“ Wladimir Putin ein unbezahlbares Geschenk gemacht, über das sich „alle anderen Kriegstreiber in der Welt freuen werden“. Er sende damit die Botschaft, dass man andere Länder überfallen und sich dann nehmen dürfe, was man auch wolle – die USA tolerierten es, solange man ihnen einen guten Deal verspricht. („Ein unbezahlbares Geschenk für Putin“

India Today: Mögliche Erleichterung. Weil Indien immer weiter russisches Öl gekauft hatte, belegte Trump es nach einer vorherigen Zollsteigerung um 25 Prozent mit dann weiteren 25 Prozent auf indische Waren. Er hatte Abnehmer russischen Öls vor weiteren Sanktionen gewarnt. Das Treffen mit Putin lasse nun hoffen, dass es keine weiteren Sanktionen gibt. („Relief for India? Trump softens stance on Russia oil buyers after Putin meet“ 

Al-Jazeera: PR-Coup für Putin. Alastair McCready merkt an, die Isolation von Wladimir Putin sei durch den Empfang inklusive amerikanischer Jets sichtbar beendet worden. Trumps Ankündigung, dass ein Waffenstillstand die Voraussetzung für weitere Gespräche über Kooperationen und Geschäfte sei, schien keine Rolle mehr zu spielen. Putin sprach schließlich in der Pressekonferenz recht offen darüber, dass Zusammenarbeit im Tech- und Space-Bereich ein großes Gesprächsthema gewesen seien. („No deal at Trump-Putin meeting: Key takeaways from Alaska summit“

Teilen
Kopiert!

Das war’s für heute. Good Night and Good Luck!

Heute haben János Allenbach-Ammann, Okan Bellikli, Stefan Braun, Nana Brink, Michael Bröcker, Helene Bubrowski, Damir Fras, Daniel Friesen, Franziska Klemenz, Angela Köckritz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Carli Bess Kutschera, Manuel Liu, Vincent Mikoteit, Bernhard Pötter, David Renke, Leonard Schulz, Maximilian Stascheit, Wilhelmine Stenglin, Vincent Vogel und Alexander Wiedmann mitgewirkt.

Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.

Teilen
Kopiert!

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden