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Erscheinungsdatum: 13. Januar 2025

Was die EU gegen Kreml-Propaganda in ihrem Hinterhof tun könnte

Der Balkan ist Experimentierfeld und Einfallstor für russische Propaganda, die bis in EU-Staaten wie Österreich hineinwirkt. Südosteuropaexperte Thomas Brey sagt, was die EU gegen toxische Desinformation tun und welches Land als nächstes kippen könnte.

Was könnte die EU tun, um das Ruder doch noch einmal herumzureißen? Von Serbien über Nordmazedonien, Bulgarien oder Ungarn hat Moskau in weiten Teilen mit den Instrumenten der Desinformation und hybriden Kriegsführung die Deutungshoheit erobert. Es gibt nicht das eine Rezept, sondern eine Palette von Maßnahmen, die wirken könnten.

So wäre es wichtig, die Medienkompetenz bei jungen Menschen in Südosteuropa und auch in der EU zu fördern. Die EU-Staaten könnten auch ausländische Radioprogramme wie die Deutsche Welle mit ihren fremdsprachigen Programmen aufwerten. Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen müsste Brüssel zudem gegenüber den Kandidatenländern durchsetzen, dass politische Einflussnahme und Zentralisierung der Medien zurückgebunden werden. Wichtig wäre auch, Propaganda und Desinformation durch Faktenchecks zu konterkarieren.

Es wäre höchste Zeit, dass die bisher weitgehend inaktive EU reagiert und nicht wartet, bis weitere Länder wie Dominosteine ins prorussische Lager kippen. Eines der jüngsten Beispiele ist Georgien, das sich in rasender Geschwindigkeit von einem EU-Beitrittskandidaten zum Verbündeten Russlands entwickelt hat.

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán ist offen ins Russland-Lager gewechselt. Er pflegt enge Beziehungen zum Kreml-Herrscher Wladimir Putin, samt regelmäßigen Treffen und Telefonaten. Das EU-Mitglied blockiert Brüsseler Gemeinschaftspolitik nach Kräften: mit Vetoandrohungen für die Ukraine-Hilfen oder sogar gegen den EU-Haushalt.

Das EU-Land Slowakei folgt dem ungarischen Beispiel. Es macht Front gegen die Ukrainepolitik Brüssels und droht dem ukrainischen Nachbarn mit Sanktionen. Regierungschef Robert Fico hatte Ende Dezember sogar Putin in Moskau besucht und sich wie Ungarn als Vermittler im russischen Angriffskrieg angedient. Folgerichtig hatte Putin Fico und Orbán (gemeinsam mit Alt-Kanzler Gerhard Schröder) zum Jahreswechsel gratuliert.

Im EU-Staat Rumänien ist die erste Runde der Präsidentenwahlen annulliert worden, nachdem sich der prorussische Rechtsextremist Călin Georgescu aus dem Nichts durchgesetzt hatte. Der steht im Ukrainekrieg aufseiten Russlands und will erreichen, dass Rumänien der NATO und EU den Rücken kehrt.

Diese kleine Auswahl besorgniserregender außenpolitischer Entwicklungen in Europa zeigt die Wirkung russischer Staatspropaganda – nicht monokausal, aber doch zu einem großen Teil. Kreml-Narrative werden wie ein Dauer-Trommelfeuer über hunderte Portale und Social-Media-Kanäle in Dutzenden europäischen Ländern verbreitet. Dort fallen die immer gleichen Fake-Botschaften auf fruchtbaren Boden bei großen Teilen der Bevölkerung – vorwiegend bei armutsgefährdeten Schichten und nationalistischen Kreisen. Die Kreml-Desinformationen werden verstärkt durch populistische Politiker in den jeweiligen Ländern und die von ihnen kontrollierten Medien.

Ihren Ausgang hat die russische Propagandaoffensive auf dem Balkan genommen. In Belgrad hatte die Staatsagentur Sputnik Serbien 2014 mit einer großen Redaktion ihre Arbeit aufgenommen. Acht Jahre später folgte RT Balkan. Die ehemalige Agentur Russia Today (RT) sendet seit letztem Dezember sogar ein TV-Programm.

Die Informationen werden in serbischer Sprache kostenlos zur Verfügung gestellt und von hunderten Zeitungen, Social-Media-Kanälen und Portalen unredigiert eins zu eins übernommen. Auch in den Nachbarstaaten. Hier erproben Russlands Staatspropagandisten, mit welchen Techniken die besten Ergebnisse bei den Bürgern auch anderer Länder erzielt werden.

Eckpunkte dieses Narratives aus der Kreml-Küche:

In Österreich ist zurzeit zu besichtigen, was russischer hybrider Einfluss anrichtet. Der jetzt mit der Regierungsbildung beauftragte Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl, zeigt sich besonders Russland-affin. Seine Partei schloss bereits 2016 einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei „Geeintes Russland“, der erst im April 2024 nach öffentlicher Empörung aufgekündigt wurde. Als Nächstes könnte Tschechien kippen, wenn Andrej Babiš dort bei den Parlamentswahlen im Herbst ein Comeback schafft.

Thomas Brey hat für die Friedrich-Naumann-Stiftung die Studie „Russland – Wegbereiter von Autokratien – Wie der Kreml Europa destabilisiert“ verfasst. Der Autor war zuvor mehr als drei Jahrzehnte Südosteuropa-Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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