Wie kann der Frieden erreicht werden? Unter anderem zur Beantwortung dieser Frage trafen sich die EU-Außen- und Verteidigungsminister:innen gestern in Brüssel zum “Jumbo-Rat”. Das Ergebnis ist eine neue sicherheitspolitische Strategie. Diese wurde zwar nicht explizit für den Krieg in der Ukraine erstellt. Sie soll aber Teil der Antwort sein, sagte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell.
Eine 5000 Soldaten starke militärische Eingreiftruppe, die allerdings erst 2025 einsatzbereit sein wird, ist nicht Teil der Antwort, aber wohl die konkreteste Errungenschaft der neuen Strategie, analysiert mein Kollege Eric Bonse. Was Wege zum Frieden betrifft, da bleiben sowohl die Minister als auch ihre neue Strategie eher blass.
Um künftig weniger anfällig für die enormen Schwankungen der Gaspreise zu werden, plant die EU den Mitgliedstaaten Mindestspeichermengen für Gas vorzuschreiben. Ein geleakter Entwurf der neuen Gasspeicher-Verordnung zeigt, dass Deutschlands geplante Mindestfüllstände nicht ausreichen, um die Erwartungen der EU zu erfüllen. Vor dem Winter sollen die deutschen Speicher zu 90 Prozent befüllt sein. Die Regierungsfraktionen im Bundestag planen nur mit 80 Prozent, wie Manuel Berkel aufzeigt.
Antibiotikaresistente Bakterien sind seit Jahren auf dem Vormarsch und machen naturgemäß vor Landesgrenzen nicht halt. Eine Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), welche Antibiotika zukünftig ausschließlich in der Humanmedizin eingesetzt werden sollten, sorgt derzeit für Empörung. Sie trage nichts gegen die Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien in der Tierhaltung bei, lautet die Kritik unter anderem. Eugenie Ankowitsch ordnet die Empfehlungen der EMA und die Kritik daran ein und macht deutlich, wie wichtig europäisches Handeln nun ist.
Die EU hat ihre neue sicherheitspolitische Strategie fertiggestellt. Nach zwei Jahren Arbeit wurde der sogenannte “Strategische Kompass” am Montag von den 27 EU-Außenministern in Brüssel verabschiedet. Die Strategie werde die EU als “Security provider” stärken, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Der 47-seitige Text, der nach langer Geheimhaltung auf der Webseite des Rats veröffentlicht wurde, enthält unter anderem den Auftrag, eine neue militärische Eingreiftruppe aufzubauen. Die “EU Rapid Deployment Capacity” soll bis zu 5000 Soldaten umfassen und die bisherigen, nie genutzten “Battle Groups” ablösen.
Das erste Kontingent könnte Deutschland stellen, erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht beim “Jumbo-Rat” – der gemeinsamen Tagung mit den Außenministern – in Brüssel. Damit sende die Bundesregierung angesichts des Ukraine-Kriegs ein “klares Signal”, so die SPD-Politikerin: “Wir stehen füreinander ein”.
Allerdings wird die neue Truppe, die vor dem Hintergrund des chaotischen Abzugs aus Afghanistan konzipiert wurde, wohl erst 2025 an den Start gehen – zu spät für den Krieg in der Ukraine. Auch sonst wirkt die neue Strategie in mancher Hinsicht überholt: Als die Beratungen im Herbst 2020 unter deutschem Ratsvorsitz begannen, galt vor allem die Türkei als Störenfried – sie drohte den EU-Mitgliedern Griechenland und Zypern wegen Öl- und Gasbohrungen im Mittelmeer mit einem Militäreinsatz. Danach kamen Afghanistan und China als neue Problemfälle hinzu.
Russland hatten die EU-Diplomaten zwar schon länger auf dem Schirm. “Europa ist in Gefahr”, hieß es bereits in früheren Entwürfen der neuen Strategie. Gemeint waren aber vor allem “hybride Taktiken, Cyberattacken und Desinformation” aus Moskau (Europe-Table berichtete). Von Krieg war jedoch keine Rede.
Das ist nun völlig anders. “Die Rückkehr des Krieges in Europa mit der unberechtigten und nicht provozierten Aggression Russlands gegen die Ukraine […] fordert unsere Fähigkeit heraus, unsere Weltsicht zu verbreiten und unsere Interessen zu vertreten“, heißt es gleich zu Beginn der neuen Strategie.
Neu ist auch, dass die EU ihre Einheit beschwört (“wir sind einiger denn je”) und ihre “noch nie dagewesene Entschlossenheit” betont, den Frieden in Europa wieder herzustellen. Eine stärkere und mit neuen Kapazitäten ausgestattete Union werde zur Sicherheit beitragen und komplementär zur Nato arbeiten, heißt es in der Einleitung.
Doch schon das Bekenntnis zur regelbasierten Ordnung, “mit den Vereinten Nationen als ihrem Kern”, wirkt angesichts der gezielten Regelverletzung durch Russland antiquiert. Die Strategie wurde von der Wirklichkeit überholt und scheint kaum geeignet, Orientierung für die nächste Dekade zu geben, wie ursprünglich geplant war. “Es ist nicht die Antwort auf den Ukraine-Krieg, aber Teil der Antwort”, räumte Borrell ein. Gerade zur rechten Zeit definiere die Strategie die nötigen Konzepte und Kapazitäten, um Russland in die Schranken zu weisen und den Frieden in Europa wiederherzustellen.
Doch schon auf die Frage, wie ein solcher Frieden erreicht werden kann, gibt der “Kompass” keine Antwort. Bisher ist die EU nicht einmal an den laufenden Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine beteiligt. Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen halten sich zurück – auf die Gefahr hin, dass am Ende Israel, die Türkei oder gar China den Frieden bringen, nicht die EU. Es sei nicht Aufgabe der Kommission, sich in Friedensverhandlungen einzuschalten, heißt es in der Brüsseler Behörde.
Auch die Außenminister fühlen sich nicht zuständig. Sie diskutierten am Montag über neue Sanktionen gegen Russland und zusätzliche Waffenlieferungen an die Ukraine – aber nicht über einen Friedensplan oder eine diplomatische Initiative. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis forderte, über den russischen Energiesektor zu sprechen und ein Ölembargo zu verhängen. Öl sei die wichtigste Einnahmequelle für Russland und dürfe bei den Sanktionen nicht ausgenommen werden. Ähnlich hatte sich zuvor Polen geäußert. Auch die Ukraine fordert ein Energieembargo.
Damit steigt der Druck auf Deutschland, das – ähnlich wie Österreich, Italien und Ungarn – von russischen Energielieferungen abhängig ist. Die Bundesregierung sei weiter der Auffassung, derzeit noch nicht auf Öl-Importe aus Russland verzichten zu können, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte in Brüssel, dass man nur “schrittweise” aus russischer Energie aussteigen könne. Ein Energieembargo sei das “schwierigste Thema”. Deshalb solle man sich zunächst darauf konzentrieren, letzte Lücken bei den bestehenden Sanktionen zu schließen.
Neue Beschlüsse wurden nicht gefasst. Die Debatte über die Sanktionen und der Strategische Kompass wandern nun in den Europäischen Rat, der sich am Donnerstag und Freitag in Brüssel mit dem Krieg in der Ukraine und dem weiteren Vorgehen der EU befasst.
Im Ringen um das Wiederauffüllen von Gasspeichern droht Deutschland hinter den Erwartungen der EU zurückzubleiben. Bis zum Oktober sollen jene 18 Mitgliedstaaten, auf deren Territorium Gasspeicher liegen, die Reservoire zu 90 Prozent befüllen. Zum 1. Februar nächsten Jahres sollen die deutschen Speicher noch zu mindestens 55 Prozent gefüllt sein. So sieht es ein Entwurf für eine neue Gasspeicher-Verordnung vor, den das Rechercheportal Contexte am Montag veröffentlichte.
Erst vergangenen Donnerstag hatten die Regierungsfraktionen ein nationales Speichergesetz in den Bundestag eingebracht, das niedrigere Vorgaben enthält. Speicherbetreiber müssten demnach bis zum Oktober jeden Jahres lediglich einen Mindestfüllstand von 80 Prozent erreichen und zum Februar nur 40 Prozent. Falls Gashändler die Speicher nicht auf marktwirtschaftlichem Weg ausreichend befüllen, soll der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) erweiterte Möglichkeiten zur Gasbeschaffung erhalten.
Noch ist die EU-Verordnung nicht beschlossen und die Zielvorgaben sollen nur indikativ sein, zudem sieht der Entwurf eine Abweichung von bis zu zwei Prozentpunkten vor. Allerdings wird aus dem Entwurf die Erwartung der Kommission deutlich, dass Deutschland seine Verantwortung für die gemeinschaftliche Energiesicherheit trägt. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik liegen die größten Erdgasspeicherkapazitäten in Zentraleuropa.
Insbesondere für den Wintermonat Februar erwartet die Kommission, dass Deutschland höhere Gasreserven vorhält. Der Füllstand von 55 Prozent liegt deutlich über dem deutschen Ziel von 40 Prozent, zudem liegt er über dem von der Kommission anvisierten EU-Durchschnitt von 51 Prozent. Nur von Spanien, Portugal und Schweden erwartet Brüssel noch höhere Winterfüllstände. Falls Deutschland die Erwartungen der Kommission ernst nimmt, könnte also je nach Witterung der Druck zunehmen, mehr Gas zu beschaffen oder zugunsten der EU-Partner einzusparen.
Ohne Gazprom namentlich zu nennen, sollen zudem die Mitgliedstaaten Speicherbetreiber notfalls enteignen können (Europe.Table berichtete). Einige Speicher der Gazprom-Tochter Astora waren im Winter ungewöhnlich leergelaufen. Gemäß dem Verordnungsentwurf sollen sich alle Betreiber einer Zertifizierung unterziehen. “Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass jeder Speicheranlagenbetreiber, […] von der Regulierungsbehörde […] zertifiziert wird, um sicherzustellen, dass der Eigentümer des Speicheranlagenbetreibers nicht die Sicherheit der Energieversorgung oder andere wesentliche Sicherheitsinteressen der Union oder eines Mitgliedstaats gefährdet”, heißt es in den Erwägungsgründen des Entwurfs.
Die Entscheidung über die Zertifizierungen treffen die Regulierungsbehörden bereits innerhalb von knapp sechs Monaten (175 Tagen) nach Inkrafttreten der Richtlinie. Falls die Zertifizierung versagt wird, sieht die Verordnung für die betroffenen Personen mehrere mögliche Konsequenzen vor:
a) die Beteiligung oder die Rechte zu veräußern, die sie an dem Speicheranlagenbetreiber halten
b) Sonstige Maßnahmen anordnen, die sicherstellen, dass die Personen keine Kontrolle oder Rechte über den Speicheranlagenbetreiber ausüben
Die Behörden entscheiden dann auch über geeignete Kompensationen. Die Regulierungsbehörden bestimmen allerdings nicht allein, sondern geben der Kommission die Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Diese müssen die nationalen Behörden “weitestgehend” berücksichtigen. Auch nach der Zertifizierung wird in bestimmten Fällen ein kontinuierliches Monitoring der Speicherbetreiber eingeführt, zum Beispiel auf Anforderung der Kommission. Zudem müssen die Firmen geplante Verkäufe ihrer Anlagen künftig vorab bei den Regulierern melden.
23.03.-25.03.2022, Warschau (Polen)/online
EEN, Conference 5. Solar Energy Business Mixer
This meeting organized by Enterprise Europe Network (EEN) invites relevant stakeholders of the solar energy market.
INFO & REGISTRATION
23.03.2022 – 12:00-18:00 Uhr, Köln/online
Deutsche Medienakademie, Vortrag Digital Twins in Unternehmens-Prozessen: Umbruch oder Hype um längst Bekanntes?
Bei der Veranstaltung der Deutschen Medienakademie werden technische Voraussetzungen und erfolgreiche Anwendungsbeispiele von Digital Twins diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
23.03.2022 – 14:30-15:30 Uhr, online
FSR, Presentation Are decarbonisation and the energy crisis challenging the electricity markets design?
In this talk by the Florence School of Regulation (FSR), professor Jean-Michel Glachant will host Thomas-Olivier Léautier and discuss the fundamentals of open markets for electricity and whether significant changes are needed to cope with the profound transformations that the sector is experiencing. INFO & REGISTRATION
23.03.2022 – 17:00-18:30 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Fünf Jahre Macron – Bilanz einer Amtszeit vor der französischen Präsidentschaftswahl
Angesichts der bevorstehenden französischen Präsidentschaftswahl möchte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit Mitgliedern des Deutschen Bundestags und der deutsch-französischen parlamentarischen Versammlung (DFPV) eine Bilanz von Emmanuel Macrons Amtszeit ziehen. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 08:00-09:30 Uhr, Berlin
whatnext, Diskussion Digitale Gesundheit 2025 – für ein vernetztes Gesundheitssystem
Auf dieser Veranstaltung wird mit den verschiedenen Akteuren des Gesundheitssystems über die Potenziale, Handlungsbedarfe und Hürden für eine “Digitale Gesundheit 2025” diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 09:15-17:00 Uhr, online
BVMed, Konferenz Krankenhaus-Zukunfts-Konferenz
Die Veranstaltung des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) resümiert ein Jahr Krankenhauszukunftsfonds. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 10:00-12:00 Uhr, online
Presentation Sustainable access to primary & secondary raw materials
This event includes a representative panel to share views of sectors about current and foreseeable challenges with raw material supply, and present their suggestions on what is needed to contribute towards a digital and green recovery leading to climate neutrality by 2050. INFO & REGISTRATION
24.03.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
BVMW, Seminar Einstieg ins Klimamanagement – vom Carbon Footprint zur Klimastrategie
Dieses Seminar des Bundersverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) widmet sich dem betrieblichen Klimamanagement. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 13:30-16:30 Uhr, online
VDE, Konferenz Post-Market-Anforderungen an Cybersecurity bei Medizinprodukten
Auf dieser Konferenz des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) wird erörtert, welche Cybersecurity-Anforderungen an Medizinprodukte im europäischen Markt gelten, wie Informationssicherheit durch ein adaptiertes Risikomanagement praktisch umgesetzt werden kann und wie ein Cyber-Emergency-Response-Team (CERT) dabei hilft, auf Schwachstellen und Bedrohungen effektiv und effizient zu reagieren. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
Eco, Podiumsdiskussion Digitale Geschäftsmodelle in der Praxis
Welche Veränderungen sich für Unternehmen im Rahmen der Industrie 4.0 durch die Einführung von neuen digitalen Geschäftsmodellen ergeben, wird auf der Veranstaltung des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 15:00-16:00 Uhr, online
Inter Systems, Diskussion Traditionelle Gesundheitsversorger erfinden sich neu – Wie passen hybride Modelle zum Routinebetrieb?
Inter Systems widmet sich der Frage, wie physische und digitale Leistungen in der Gesundheitsbranche gewinnbringend kombiniert werden können. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 16:00-19:00 Uhr, online
EU Agenda, Seminar Health data sharing: the time for action is now
In this webinar, researchers, payers, health care providers, decision-makers and patient representatives will discuss how data sharing initiatives could make a crucial difference in areas of high medical need. INFO & REGISTRATION
24.03.2022 – 18:00-20:00 Uhr, online
HBS, Diskussion Green Cities 2035: Klimaneutrale Kommunen und neue Allianzen
Die Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) beschäftigt sich mit möglichen Maßnahmen, die Kommunen schneller zu Klimaneutralität führen könnten. INFOS & ANMELDUNG
Erst vor wenigen Tagen hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) eine Empfehlung dafür vorgelegt, welche Antibiotika zukünftig ausschließlich in der Humanmedizin eingesetzt werden sollten. Damit soll im Rahmen der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung sichergestellt werden, dass auch künftig noch genügend wirksame Antibiotika für Menschen bereitstehen.
Die Liste stieß jedoch auf gemischte Reaktionen. Die Kommission und die Europäische Plattform für die verantwortungsvolle Verwendung von Arzneimitteln bei Tieren (EPRUMA) begrüßten die Empfehlungen. Bei den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments (ENVI) sorgte die Liste dagegen über Parteigrenzen hinweg für Enttäuschung und Fassungslosigkeit.
“Ich bin noch nicht von dem Vorschlag der EMA überzeugt“, sagte der Europaabgeordnete Peter Liese (EVP). Er zeigte sich besorgt über die mutmaßliche Interpretation des Ansatzes “One Health” seitens der Kommission: “Es scheint wichtiger zu sein, ein krankes Tier zu behandeln, als Antibiotika für den Menschen zu reservieren”, sagte Liese. Das werde er nie akzeptieren.
Martin Häusling von den Grünen zeigte sich gar fassungslos über die EMA-Empfehlungen. “Über eine Millionen Tote weltweit und was kommt bei der Prüfung der EMA und der Kommission raus? Es bleibt alles beim Alten“, beanstandete er. Häusling und Anja Hazekamp von der Linken kritisierte außerdem scharf, dass es das Arzneimittel namens Colistin nicht auf die EMA-Liste geschafft hat. Bereits im Februar schickten 150 Angehörige der Gesundheitsberufe einen Brief an Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, in dem sie sie aufforderten, Colistin in die Liste aufzunehmen. Dieses ist oft der letzte Ausweg für Patient:innen mit multiresistenten Keimen, wird aber auch in der Tierhaltung genutzt, etwa um Durchfall bei Ferkeln zu behandeln.
Auch Germanwatch, die Deutsche Umwelthilfe, die Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin sowie die Initiative “Ärzte gegen Massentierhaltung” bezeichneten die EMA-Empfehlung als völlig verfehlt. In der EMA-Liste sei kein einziges Antibiotikum benannt, das bislang für die Veterinärmedizin zugelassen ist. Damit trägt sie nichts gegen die Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien in der Tierhaltung bei, heißt es in ihrer Stellungnahme.
Die Verbände warnen davor, die Empfehlung der EMA unverändert in den geplanten Rechtsakt zur Umsetzung der Tierarzneimittelverordnung zu überführen. Denn damit würden dem routinemäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und damit der Gefahr von weiteren Antibiotikaresistenzen Tür und Tor geöffnet.
Resistente Krankheitserreger zählen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den zehn größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit. In der Europäischen Union sterben rund 33.000 Menschen jährlich an Infektionen, die durch multiresistente Keime ausgelöst werden. Weltweit sind das 1,2 Millionen. Den aktuellen Prognosen zufolge wird die Zahl der durch Antibiotikaresistenzen verursachten Todesfälle bis 2050 auf 10 Millionen steigen. Seit Herbst 2021 verwendet die WHO für die immer weiter fortschreitende Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien den Begriff “stille Pandemie”. Die EU geht davon aus, dass die kumulativen wirtschaftlichen Kosten etwa das 1,5-fache des heutigen weltweiten BIP betragen werden.
Laut dem gemeinsamen Bericht von ECDC, EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), EMA und OECD zur Antibiotikaresistenz in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der Anfang März veröffentlicht wurde, haben Antibiotikaresistenzen seit 2011 trotz eines Rückgangs des Verbrauchs sowohl bei Menschen (um 23 Prozent) als auch bei Tieren (um 43 Prozent) zugenommen. Als besonders besorgniserregend stuften die Autoren den Anstieg der Resistenz gegen kritisch wichtige Antibiotika ein, die zur Behandlung häufiger therapieassoziierter Infektionen eingesetzt werden. Sie wiesen außerdem auf signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern hin.
Die Organisationen betonen in ihrem Bericht, dass die EU/EWR-Länder in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte bei der Entwicklung und Umsetzung nationaler Aktionspläne gegen antimikrobielle Resistenzen erzielt hätten. Dennoch gebe es nach wie vor Lücken. OECD identifizierte folgende Prioritäten für die EU/der EWR in diesem Bereich:
Die Pläne für eine neue politische Initiative der EU zur Förderung der Umsetzung des EU-Aktionsplans “One Health” gegen antimikrobielle Resistenzen bieten aus der Sicht der Organisationen eine Gelegenheit für weitere Maßnahmen, darunter:
Der Europäische One-Health-Aktionsplan gegen antimikrobielle Resistenz wurde im Juni 2017 verabschiedet. Er stützt sich auf drei Säulen: Die EU zu einer Best-Practice-Region zu machen, eine Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation sowie Gestaltung der globalen Agenda.
Zuletzt diskutierten Landwirtschafts- und Gesundheitsminister der EU-Länder auf einer Ministerkonferenz zum Thema antimikrobielle Resistenz über noch bestehende Lücken auf EU-Ebene und Verbesserungsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Ausbildung, Infektionsprävention, den richtigen Einsatz von Antibiotika oder die Entwicklung gemeinsamer, aussagekräftiger Indikatoren.
Ein weiterer Faktor, der die globalen Bemühungen zur Eindämmung arzneimittelresistenter Infektionen torpediert, ist der Mangel an neuen Antibiotika. Im Rahmen ihrer neuen Arzneimittelstrategie will die Kommission etwa versuchen, das Marktversagen zu beheben und die Entwicklung von Antibiotika zu fördern. Wie, bleibt bisher unklar.
Eine Option könnten öffentlich-private Partnerschaften sein, meint Patrick Stockebrandt vom Centrum für Europäische Politik (cep) in seiner Analyse zur EU-Arzneimittelstrategie. Diese könnten langfristig eine entscheidende Rolle spielen, insbesondere durch die Förderung des Aufbaus von AMR-Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, auch um die Markteinführung von Produkten zu erleichtern. Europäische und nationale Maßnahmen könnten aus seiner Sicht wesentlich sein, um diese neuen Kapazitäten aufzubauen und zu vermeiden, dass wertvolles Wissen und Methoden in diesem Bereich verloren gehen.
Und das ist auch dringend nötig. Obwohl neue Antibiotika immer wichtiger werden, zogen sich in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere die großen Pharmaunternehmen aus diesem Geschäftsfeld mehr und mehr zurück. Bis in die 1990er-Jahre hatten noch fast alle großen Hersteller Antibiotika entwickelt.
Der Grund: Mit Antibiotika lässt sich deutlich weniger Geld verdienen als beispielsweise mit Krebsmedikamenten oder Arzneimitteln gegen chronische Erkrankungen. Antibiotika werden in der Regel nur über kurze Zeit verordnet. Neue Mittel sollen zudem nur im Notfall eingesetzt werden, um die Entwicklung von Resistenzen zu vermeiden.
Mehr Druck auf die Pharmaindustrie könnte ein gemeinsames Vorgehen der EU ausüben, meint Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Unter den knapp 450 neuen Wirkstoffen, die die Industrie in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland an den Start gebracht habe, seien nur elf neue Antibiotika gewesen. “Nationales Vorgehen alleine wird die Hersteller nicht dazu bewegen können, Forschung und Entwicklung antibiotischer Wirkstoffe zu forcieren”, ist er überzeugt. Hier könne die EU erfolgreich ihre Marktmacht einsetzen.
Deutschland vertieft seine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) bei Erforschung und Produktion von Wasserstoff. Man wolle noch in diesem Jahr erste Lieferungen nach Deutschland möglich machen, teilte das Wirtschaftsministerium am Montag beim Besuch von Minister Robert Habeck in Abu Dhabi mit. Mehrere Kooperationsabkommen wurden für die Lieferkette rund um Wasserstoff unterzeichnet.
Es ist das zweite Energieabkommen binnen weniger Tage mit einem Golfstaat. Am Sonntag hatte der Bundeswirtschaftsminister nach eigenen Angaben bereits eine Energiepartnerschaft mit Katar vereinbart, bei der vor allem die Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) im Zentrum stehen soll.
Mit beiden Vereinbarungen ginge allerdings auch eine neue Sicherheitsfrage einher, betonte Marco Giuli, Associate Policy Analyst am European Policy Centre (EPC). Eine höhere Abhängigkeit Europas von Katars Gas bedeute auch wachsende Abhängigkeit Europas von Akteuren, die für die Sicherheit in der Straße von Hormus sorgen. “Es sei denn, die Europäer sind bereit und in der Lage, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen”, schrieb der Energieexperte auf Twitter. Gleiches würde für Wasserstofflieferungen aus den VAE gelten. Iran, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate grenzen an die Verbindung vom Persischen Golf zum Golf von Oman. Immer wieder kommt es dort zu relevanten Sicherheitsvorfällen und militärischen Drohgebärden.
Habeck zeigte sich auch offen für den Einsatz von blauem Wasserstoff, bis ausreichend mit Sonnen- oder Windstrom erzeugter Wasserstoff verfügbar ist. Dafür wird das bei der Produktion durch die Nutzung von Erdgas entstehende CO2 aufgefangen und meist unterirdisch gespeichert (Carbon Capture and Storage – CCS). In seiner eigenen Partei wird blauer Wasserstoff allerdings kritisch gesehen, da Zweifel an einer dauerhaften, sicheren Speicherung bestehen.
Damit zeigt sich, dass die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, vermehrt auf CCS für die Erreichung der Klimaziele setzt. Bereits bei seinem Besuch in Norwegen hatte Habeck betont, bis ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehe, müsse man auch auf blauen zurückgreifen: “Auf dem Weg dahin ist es besser, das CO2 abzuspeichern, als es in die Atmosphäre zu blasen.” Eine CO2-Speicherung in Deutschland gilt jedoch als nicht durchsetzbar. Norwegen und andere Staaten könnten das CO2 aber etwa in ehemalige Erdgas-Lagerstätten pressen.
Unter den jetzt geschlossenen Kooperationen in den VAE ist auch ein Vorhaben zur Herstellung von synthetischem Kerosin für die Luftfahrt. Siemens Energy, Lufthansa und das Unternehmen Masdar aus den Emiraten arbeiten am Projekt “Green Falcon”. Synthetisches Kerosin stellt derzeit die einzige verfügbare Möglichkeit für eine emissionsarme Luftfahrt dar.
Der Energiekonzern RWE und die staatliche Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) vereinbarten eine Zusammenarbeit für den Import von kohlenstoffarmem und grünem Wasserstoff sowie für Wasserstoffderivate wie Ammoniak. Zudem schloss die Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Ministerium für Energie der VAE ein Wissenschaftsabkommen. dpa/luk
Ein Moskauer Gericht hat erwartungsgemäß Meta Platforms am Montag “extremistischer Aktivitäten” für schuldig befunden. Diese Entscheidung betrifft Facebook und Instagram, die offiziell in Russland bereits gesperrt sind, nicht jedoch den auch in Russland beliebten Messengerdienst WhatsApp.
Das Bezirksgericht Tverskoy (erste Instanz) folgte damit dem Antrag der russischen Generalstaatsanwaltschaft, Metas Aktivitäten auf russischem Territorium zu verbieten. Die Anwältin der US-Firma, Viktoria Schagina, sagte während der Verhandlung, dass Meta keine extremistischen Aktivitäten ausübe und auch gegen “Russophobie” vorgehe, berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Die Nachrichtenagentur Tass zitierte die Richterin Olga Solopowa damit, dass die Entscheidung unmittelbar wirksam würde.
Die Auswirkungen des Urteils auf Nutzer von Instagram und Facebook, die die staatlichen Sperren umgehen, bleiben derweil unklar. Tass zitierte den Staatsanwalt, dass “Individuen nicht dafür verfolgt werden, Metas Dienste einfach nur zu benutzen.” Der Menschenrechtsanwalt Pavel Chikov sagte, dass dies jedoch weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft garantieren könne. Er warnte, dass jede öffentliche Darstellung von Metas Symbolen auf Webseiten, Ladentüren oder Visitenkarten als Anlass für eine Anklage dienen und mit bis zu 15 Tagen Haft verbunden sein könne. Anzeigenkäufe auf beiden sozialen Netzwerken oder der Handel mit Meta-Aktien könnten zudem als Finanzierung extremistischer Aktivitäten und damit als Straftat eingestuft werden, schrieb Chikov auf Telegram.
Facebook hatte im vergangenen Jahr laut “Insider Intelligence” etwa 7,5 Millionen Nutzer in Russland, WhatsApp 67 Millionen, Instagram im Januar laut Statista 65,4 Millionen Nutzer unter den etwa 140 Millionen Einwohnern der Russischen Föderation. rtr/fst
Der litauische Präsident Gitanas Nauseda kündigte am Montag an, dass Litauen daran arbeite, auf alle Energieimporte aus Russland verzichten zu können.
“Die Gasverbindung zu Polen, das Unterseestromkabel mit Schweden, die Synchronisation der Stromnetze mit Kontinentaleuropa – all das illustriert, dass Litauen sich darauf vorbereitet, vollständig ohne russische Energieressourcen auszukommen”, sagte Nauseda nach einem Treffen mit dem niederländischen Premierminister Mark Rutte in Vilnius.
Die Gasverbindung zwischen Polen und Litauen wurde 2021 fertiggestellt. “Wir sind den größten Teil des Weges bereits gegangen, etwa indem wir Pipeline-Gas mit Flüssigerdgas (LNG) ersetzt haben und können Öl aus anderen Ländern nutzen. Die Stromnetzsynchronisation wird bald abgeschlossen sein und Litauen ein gutes Beispiel in Europa”, sagte Nauseda. rtr
Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nimmt den heimischen Treibstoffmarkt unter die Lupe. Bei der Untersuchung solle die Preis- und Margenentwicklung an den Tankstellen analysiert werden, teilte die Behörde am Montag mit. Geprüft werde, ob es möglicherweise Preisabsprachen gegeben habe und damit der Wettbewerb am Kraftstoffmarkt eingeschränkt oder verfälscht sei. Die Behörde habe zahlreiche Beschwerden aus dem Markt erhalten.
In Österreich kam zuletzt verstärkt Kritik an den hohen Benzinpreisen auf. Kritisiert wurde, dass trotz des zuletzt wieder gesunkenen Rohölpreises die Treibstoffpreise an den Tankstellen nicht gesunken waren. Die Behörde will neben Tankstellen auch Raffinerien überprüfen. rtr
Die Mehrheit der EU-Länder will den Anbau von Eiweißpflanzen wie Soja in der Union ausbauen. Damit soll die EU vor allem unabhängiger von Futterimporten werden. Österreich hatte einen entsprechenden Vorschlag für eine EU-Eiweißstrategie bei einem Ministertreffen am Montag in Brüssel eingebracht. “Wir sind in Europa extrem abhängig von Drittstaatimporten”, sagte Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Der Krieg in der Ukraine habe dies nochmals deutlich gemacht.
Deutschland unterstützt die Initiative. Agrarstaatssekretärin Silvia Bender betonte, durch mehr Anbau in der EU sinke das Risiko, dass in anderen Ländern für den Futtermittelanbau Wälder abgeholzt würden. Konkret wird etwa vorgeschlagen, Protein-Pflanzen künftig leichter auf sogenannten ökologischen Vorrangflächen anbauen zu dürfen. Diese Flächen sind für Umweltmaßnahmen wie Blühstreifen, Zwischenfrüchte oder Brachflächen vorgesehen.
Die Erklärung Österreichs wurde bereits vor dem Treffen von 19 weiteren EU-Ländern unterstützt. Die Niederlande betonten, dass eine EU-Eiweißstrategie mit den EU-Klimazielen in Einklang sein müsse. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski sagte, dass die EU-Kommission derzeit nicht plane, eine EU-Eiweißstrategie vorzuschlagen. Man habe die Entwicklung in den Mitgliedsländern aber genau im Blick. So biete die gemeinsame EU-Agrarpolitik den EU-Staaten genug Spielraum für nationale Vorhaben. dpa

Wer Frederick Richter im Internet sucht, findet fast ausschließlich berufliche Informationen über ihn. Auf den meisten Fotos trägt er Krawatte – außer bei einem Interview, das er aus seinem Homeoffice in Berlin führt. Hier ist er einmal ohne zu sehen, im Hintergrund ein Gemälde, auf der Fensterbank ein Porzellanhirsch.
Dass keine Selfies im Urlaub oder beim Umtrunk mit Kolleg:innen online von ihm zu finden sind, ist kein Zufall: Er ist Vorstand und Direktor der Stiftung Datenschutz, die sich seit ihrer Gründung 2013 als unabhängige Einrichtung für den Datenschutz in Deutschland einsetzt. Die Bundesstiftung klärt durch Newsletter und Webinar-Reihen über Datenschutz auf und erarbeitet Vorschläge zur Verbesserung des Datenschutzes gemeinsam mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.
“Ich habe immer darauf geachtet, im Internet keinerlei private Dinge über mich preiszugeben”, erklärt Frederick Richter. Ein Schlüsselerlebnis gab es nicht. “Aber schon immer hatte ich dieses Gefühl: Es muss doch nicht jeder alles über mich wissen, keiner muss Fotos meiner Kinder im Netz finden.” Schon während seines Jura-Studiums in Hamburg setzte Frederick Richter sich lieber mit dem Datenschutz- und Internet-Recht auseinander als mit dem Zivil- oder Erbrecht: “Es war sehr spannend, sich mit einem Rechtsgebiet zu befassen, das gerade im Entstehen war.”
So erwarb er anschließend noch einen Masterabschluss in IT-Recht an der Universität Wien. Später war er Referent beim Bundesverband der Deutschen Industrie und arbeitete als Referent für Rechtspolitik bei der FDP-Bundestagsfraktion. Seit der Gründung der Stiftung Datenschutz, einem Herzensprojekt der Liberalen und insbesondere der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ist er als ihr Vorstand tätig.
Dass Datenschutz die Digitalisierung verhindern würde, diese Narrativ ärgert ihn schon länger, sagt Frederick Richter. Natürlich mache der Datenschutz digitale Vorhaben komplexer. “Doch es ist wohl kaum im Sinne der Menschen, ihre Rechte zu übergehen, nur weil man Prozesse beschleunigen möchte”, meint er. Momentan würde bei Digitalisierungsvorhaben, beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung, immer erst gegen Ende der Datenschutz mit einbezogen werden. Das sei viel zu spät: “Der Datenschutz muss von Anfang an mitgedacht werden. Dann sind wir auch schneller fertig.”
Eine weitere Herausforderung, mit der seine Stiftung immer wieder zu kämpfen hat, ist das fehlende Bewusstsein in der Bevölkerung für den Schutz personenbezogener Daten. Anders als beim Thema Datensicherheit sind die Gefahren oft sehr abstrakt. Wenn Jugendliche Videos aus ihrem Alltag auf YouTube hochladen, können sie die Gefahren oft nicht einschätzen. “Das ist bei der Datensicherheit leichter zu verstehen. Wenn die Geheimzahl weg ist, ist bald das Konto leer.”
Frederick Richter möchte den Datenschutz nicht nur aus der abstrakten, sondern auch aus der bürokratischen Ecke holen. Deswegen hat er sich als Vorstand in letzter Zeit viel mit der Frage beschäftigt, was die Cookie-Banner ersetzen könne: “Denn die nerven ja alle Bürgerinnen und Bürger zutiefst.” Das Gesetz mit dem sperrigen Titel Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG), das hierfür die Tür öffnen soll, ist am 1. Dezember 2021 in Kraft getreten. Künftig könnten Personal Information Management Systems (PIMS) das Sammeln und Abgeben von Einwilligungen deutlich leichter und automatisiert regeln, wenn die Bedingungen stimmen.
Die große Lösung ist dabei noch nicht in Sicht, aber es geht in die richtige Richtung, meint Frederick Richter. Für ihn muss Datenschutz immer auch pragmatisch sein: “Wenn die Menschen das Gefühl haben, das Recht schützt sie nicht und bedeutet vor allem Bürokratie, dann müssen wir etwas ändern.” Sarah Kröger
Wie kann der Frieden erreicht werden? Unter anderem zur Beantwortung dieser Frage trafen sich die EU-Außen- und Verteidigungsminister:innen gestern in Brüssel zum “Jumbo-Rat”. Das Ergebnis ist eine neue sicherheitspolitische Strategie. Diese wurde zwar nicht explizit für den Krieg in der Ukraine erstellt. Sie soll aber Teil der Antwort sein, sagte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell.
Eine 5000 Soldaten starke militärische Eingreiftruppe, die allerdings erst 2025 einsatzbereit sein wird, ist nicht Teil der Antwort, aber wohl die konkreteste Errungenschaft der neuen Strategie, analysiert mein Kollege Eric Bonse. Was Wege zum Frieden betrifft, da bleiben sowohl die Minister als auch ihre neue Strategie eher blass.
Um künftig weniger anfällig für die enormen Schwankungen der Gaspreise zu werden, plant die EU den Mitgliedstaaten Mindestspeichermengen für Gas vorzuschreiben. Ein geleakter Entwurf der neuen Gasspeicher-Verordnung zeigt, dass Deutschlands geplante Mindestfüllstände nicht ausreichen, um die Erwartungen der EU zu erfüllen. Vor dem Winter sollen die deutschen Speicher zu 90 Prozent befüllt sein. Die Regierungsfraktionen im Bundestag planen nur mit 80 Prozent, wie Manuel Berkel aufzeigt.
Antibiotikaresistente Bakterien sind seit Jahren auf dem Vormarsch und machen naturgemäß vor Landesgrenzen nicht halt. Eine Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), welche Antibiotika zukünftig ausschließlich in der Humanmedizin eingesetzt werden sollten, sorgt derzeit für Empörung. Sie trage nichts gegen die Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien in der Tierhaltung bei, lautet die Kritik unter anderem. Eugenie Ankowitsch ordnet die Empfehlungen der EMA und die Kritik daran ein und macht deutlich, wie wichtig europäisches Handeln nun ist.
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Der 47-seitige Text, der nach langer Geheimhaltung auf der Webseite des Rats veröffentlicht wurde, enthält unter anderem den Auftrag, eine neue militärische Eingreiftruppe aufzubauen. Die “EU Rapid Deployment Capacity” soll bis zu 5000 Soldaten umfassen und die bisherigen, nie genutzten “Battle Groups” ablösen.
Das erste Kontingent könnte Deutschland stellen, erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht beim “Jumbo-Rat” – der gemeinsamen Tagung mit den Außenministern – in Brüssel. Damit sende die Bundesregierung angesichts des Ukraine-Kriegs ein “klares Signal”, so die SPD-Politikerin: “Wir stehen füreinander ein”.
Allerdings wird die neue Truppe, die vor dem Hintergrund des chaotischen Abzugs aus Afghanistan konzipiert wurde, wohl erst 2025 an den Start gehen – zu spät für den Krieg in der Ukraine. Auch sonst wirkt die neue Strategie in mancher Hinsicht überholt: Als die Beratungen im Herbst 2020 unter deutschem Ratsvorsitz begannen, galt vor allem die Türkei als Störenfried – sie drohte den EU-Mitgliedern Griechenland und Zypern wegen Öl- und Gasbohrungen im Mittelmeer mit einem Militäreinsatz. Danach kamen Afghanistan und China als neue Problemfälle hinzu.
Russland hatten die EU-Diplomaten zwar schon länger auf dem Schirm. “Europa ist in Gefahr”, hieß es bereits in früheren Entwürfen der neuen Strategie. Gemeint waren aber vor allem “hybride Taktiken, Cyberattacken und Desinformation” aus Moskau (Europe-Table berichtete). Von Krieg war jedoch keine Rede.
Das ist nun völlig anders. “Die Rückkehr des Krieges in Europa mit der unberechtigten und nicht provozierten Aggression Russlands gegen die Ukraine […] fordert unsere Fähigkeit heraus, unsere Weltsicht zu verbreiten und unsere Interessen zu vertreten“, heißt es gleich zu Beginn der neuen Strategie.
Neu ist auch, dass die EU ihre Einheit beschwört (“wir sind einiger denn je”) und ihre “noch nie dagewesene Entschlossenheit” betont, den Frieden in Europa wieder herzustellen. Eine stärkere und mit neuen Kapazitäten ausgestattete Union werde zur Sicherheit beitragen und komplementär zur Nato arbeiten, heißt es in der Einleitung.
Doch schon das Bekenntnis zur regelbasierten Ordnung, “mit den Vereinten Nationen als ihrem Kern”, wirkt angesichts der gezielten Regelverletzung durch Russland antiquiert. Die Strategie wurde von der Wirklichkeit überholt und scheint kaum geeignet, Orientierung für die nächste Dekade zu geben, wie ursprünglich geplant war. “Es ist nicht die Antwort auf den Ukraine-Krieg, aber Teil der Antwort”, räumte Borrell ein. Gerade zur rechten Zeit definiere die Strategie die nötigen Konzepte und Kapazitäten, um Russland in die Schranken zu weisen und den Frieden in Europa wiederherzustellen.
Doch schon auf die Frage, wie ein solcher Frieden erreicht werden kann, gibt der “Kompass” keine Antwort. Bisher ist die EU nicht einmal an den laufenden Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine beteiligt. Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen halten sich zurück – auf die Gefahr hin, dass am Ende Israel, die Türkei oder gar China den Frieden bringen, nicht die EU. Es sei nicht Aufgabe der Kommission, sich in Friedensverhandlungen einzuschalten, heißt es in der Brüsseler Behörde.
Auch die Außenminister fühlen sich nicht zuständig. Sie diskutierten am Montag über neue Sanktionen gegen Russland und zusätzliche Waffenlieferungen an die Ukraine – aber nicht über einen Friedensplan oder eine diplomatische Initiative. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis forderte, über den russischen Energiesektor zu sprechen und ein Ölembargo zu verhängen. Öl sei die wichtigste Einnahmequelle für Russland und dürfe bei den Sanktionen nicht ausgenommen werden. Ähnlich hatte sich zuvor Polen geäußert. Auch die Ukraine fordert ein Energieembargo.
Damit steigt der Druck auf Deutschland, das – ähnlich wie Österreich, Italien und Ungarn – von russischen Energielieferungen abhängig ist. Die Bundesregierung sei weiter der Auffassung, derzeit noch nicht auf Öl-Importe aus Russland verzichten zu können, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte in Brüssel, dass man nur “schrittweise” aus russischer Energie aussteigen könne. Ein Energieembargo sei das “schwierigste Thema”. Deshalb solle man sich zunächst darauf konzentrieren, letzte Lücken bei den bestehenden Sanktionen zu schließen.
Neue Beschlüsse wurden nicht gefasst. Die Debatte über die Sanktionen und der Strategische Kompass wandern nun in den Europäischen Rat, der sich am Donnerstag und Freitag in Brüssel mit dem Krieg in der Ukraine und dem weiteren Vorgehen der EU befasst.
Im Ringen um das Wiederauffüllen von Gasspeichern droht Deutschland hinter den Erwartungen der EU zurückzubleiben. Bis zum Oktober sollen jene 18 Mitgliedstaaten, auf deren Territorium Gasspeicher liegen, die Reservoire zu 90 Prozent befüllen. Zum 1. Februar nächsten Jahres sollen die deutschen Speicher noch zu mindestens 55 Prozent gefüllt sein. So sieht es ein Entwurf für eine neue Gasspeicher-Verordnung vor, den das Rechercheportal Contexte am Montag veröffentlichte.
Erst vergangenen Donnerstag hatten die Regierungsfraktionen ein nationales Speichergesetz in den Bundestag eingebracht, das niedrigere Vorgaben enthält. Speicherbetreiber müssten demnach bis zum Oktober jeden Jahres lediglich einen Mindestfüllstand von 80 Prozent erreichen und zum Februar nur 40 Prozent. Falls Gashändler die Speicher nicht auf marktwirtschaftlichem Weg ausreichend befüllen, soll der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) erweiterte Möglichkeiten zur Gasbeschaffung erhalten.
Noch ist die EU-Verordnung nicht beschlossen und die Zielvorgaben sollen nur indikativ sein, zudem sieht der Entwurf eine Abweichung von bis zu zwei Prozentpunkten vor. Allerdings wird aus dem Entwurf die Erwartung der Kommission deutlich, dass Deutschland seine Verantwortung für die gemeinschaftliche Energiesicherheit trägt. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik liegen die größten Erdgasspeicherkapazitäten in Zentraleuropa.
Insbesondere für den Wintermonat Februar erwartet die Kommission, dass Deutschland höhere Gasreserven vorhält. Der Füllstand von 55 Prozent liegt deutlich über dem deutschen Ziel von 40 Prozent, zudem liegt er über dem von der Kommission anvisierten EU-Durchschnitt von 51 Prozent. Nur von Spanien, Portugal und Schweden erwartet Brüssel noch höhere Winterfüllstände. Falls Deutschland die Erwartungen der Kommission ernst nimmt, könnte also je nach Witterung der Druck zunehmen, mehr Gas zu beschaffen oder zugunsten der EU-Partner einzusparen.
Ohne Gazprom namentlich zu nennen, sollen zudem die Mitgliedstaaten Speicherbetreiber notfalls enteignen können (Europe.Table berichtete). Einige Speicher der Gazprom-Tochter Astora waren im Winter ungewöhnlich leergelaufen. Gemäß dem Verordnungsentwurf sollen sich alle Betreiber einer Zertifizierung unterziehen. “Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass jeder Speicheranlagenbetreiber, […] von der Regulierungsbehörde […] zertifiziert wird, um sicherzustellen, dass der Eigentümer des Speicheranlagenbetreibers nicht die Sicherheit der Energieversorgung oder andere wesentliche Sicherheitsinteressen der Union oder eines Mitgliedstaats gefährdet”, heißt es in den Erwägungsgründen des Entwurfs.
Die Entscheidung über die Zertifizierungen treffen die Regulierungsbehörden bereits innerhalb von knapp sechs Monaten (175 Tagen) nach Inkrafttreten der Richtlinie. Falls die Zertifizierung versagt wird, sieht die Verordnung für die betroffenen Personen mehrere mögliche Konsequenzen vor:
a) die Beteiligung oder die Rechte zu veräußern, die sie an dem Speicheranlagenbetreiber halten
b) Sonstige Maßnahmen anordnen, die sicherstellen, dass die Personen keine Kontrolle oder Rechte über den Speicheranlagenbetreiber ausüben
Die Behörden entscheiden dann auch über geeignete Kompensationen. Die Regulierungsbehörden bestimmen allerdings nicht allein, sondern geben der Kommission die Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Diese müssen die nationalen Behörden “weitestgehend” berücksichtigen. Auch nach der Zertifizierung wird in bestimmten Fällen ein kontinuierliches Monitoring der Speicherbetreiber eingeführt, zum Beispiel auf Anforderung der Kommission. Zudem müssen die Firmen geplante Verkäufe ihrer Anlagen künftig vorab bei den Regulierern melden.
23.03.-25.03.2022, Warschau (Polen)/online
EEN, Conference 5. Solar Energy Business Mixer
This meeting organized by Enterprise Europe Network (EEN) invites relevant stakeholders of the solar energy market.
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23.03.2022 – 12:00-18:00 Uhr, Köln/online
Deutsche Medienakademie, Vortrag Digital Twins in Unternehmens-Prozessen: Umbruch oder Hype um längst Bekanntes?
Bei der Veranstaltung der Deutschen Medienakademie werden technische Voraussetzungen und erfolgreiche Anwendungsbeispiele von Digital Twins diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
23.03.2022 – 14:30-15:30 Uhr, online
FSR, Presentation Are decarbonisation and the energy crisis challenging the electricity markets design?
In this talk by the Florence School of Regulation (FSR), professor Jean-Michel Glachant will host Thomas-Olivier Léautier and discuss the fundamentals of open markets for electricity and whether significant changes are needed to cope with the profound transformations that the sector is experiencing. INFO & REGISTRATION
23.03.2022 – 17:00-18:30 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Fünf Jahre Macron – Bilanz einer Amtszeit vor der französischen Präsidentschaftswahl
Angesichts der bevorstehenden französischen Präsidentschaftswahl möchte die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit Mitgliedern des Deutschen Bundestags und der deutsch-französischen parlamentarischen Versammlung (DFPV) eine Bilanz von Emmanuel Macrons Amtszeit ziehen. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 08:00-09:30 Uhr, Berlin
whatnext, Diskussion Digitale Gesundheit 2025 – für ein vernetztes Gesundheitssystem
Auf dieser Veranstaltung wird mit den verschiedenen Akteuren des Gesundheitssystems über die Potenziale, Handlungsbedarfe und Hürden für eine “Digitale Gesundheit 2025” diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 09:15-17:00 Uhr, online
BVMed, Konferenz Krankenhaus-Zukunfts-Konferenz
Die Veranstaltung des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) resümiert ein Jahr Krankenhauszukunftsfonds. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 10:00-12:00 Uhr, online
Presentation Sustainable access to primary & secondary raw materials
This event includes a representative panel to share views of sectors about current and foreseeable challenges with raw material supply, and present their suggestions on what is needed to contribute towards a digital and green recovery leading to climate neutrality by 2050. INFO & REGISTRATION
24.03.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
BVMW, Seminar Einstieg ins Klimamanagement – vom Carbon Footprint zur Klimastrategie
Dieses Seminar des Bundersverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) widmet sich dem betrieblichen Klimamanagement. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 13:30-16:30 Uhr, online
VDE, Konferenz Post-Market-Anforderungen an Cybersecurity bei Medizinprodukten
Auf dieser Konferenz des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) wird erörtert, welche Cybersecurity-Anforderungen an Medizinprodukte im europäischen Markt gelten, wie Informationssicherheit durch ein adaptiertes Risikomanagement praktisch umgesetzt werden kann und wie ein Cyber-Emergency-Response-Team (CERT) dabei hilft, auf Schwachstellen und Bedrohungen effektiv und effizient zu reagieren. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
Eco, Podiumsdiskussion Digitale Geschäftsmodelle in der Praxis
Welche Veränderungen sich für Unternehmen im Rahmen der Industrie 4.0 durch die Einführung von neuen digitalen Geschäftsmodellen ergeben, wird auf der Veranstaltung des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 15:00-16:00 Uhr, online
Inter Systems, Diskussion Traditionelle Gesundheitsversorger erfinden sich neu – Wie passen hybride Modelle zum Routinebetrieb?
Inter Systems widmet sich der Frage, wie physische und digitale Leistungen in der Gesundheitsbranche gewinnbringend kombiniert werden können. INFOS & ANMELDUNG
24.03.2022 – 16:00-19:00 Uhr, online
EU Agenda, Seminar Health data sharing: the time for action is now
In this webinar, researchers, payers, health care providers, decision-makers and patient representatives will discuss how data sharing initiatives could make a crucial difference in areas of high medical need. INFO & REGISTRATION
24.03.2022 – 18:00-20:00 Uhr, online
HBS, Diskussion Green Cities 2035: Klimaneutrale Kommunen und neue Allianzen
Die Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) beschäftigt sich mit möglichen Maßnahmen, die Kommunen schneller zu Klimaneutralität führen könnten. INFOS & ANMELDUNG
Erst vor wenigen Tagen hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) eine Empfehlung dafür vorgelegt, welche Antibiotika zukünftig ausschließlich in der Humanmedizin eingesetzt werden sollten. Damit soll im Rahmen der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung sichergestellt werden, dass auch künftig noch genügend wirksame Antibiotika für Menschen bereitstehen.
Die Liste stieß jedoch auf gemischte Reaktionen. Die Kommission und die Europäische Plattform für die verantwortungsvolle Verwendung von Arzneimitteln bei Tieren (EPRUMA) begrüßten die Empfehlungen. Bei den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments (ENVI) sorgte die Liste dagegen über Parteigrenzen hinweg für Enttäuschung und Fassungslosigkeit.
“Ich bin noch nicht von dem Vorschlag der EMA überzeugt“, sagte der Europaabgeordnete Peter Liese (EVP). Er zeigte sich besorgt über die mutmaßliche Interpretation des Ansatzes “One Health” seitens der Kommission: “Es scheint wichtiger zu sein, ein krankes Tier zu behandeln, als Antibiotika für den Menschen zu reservieren”, sagte Liese. Das werde er nie akzeptieren.
Martin Häusling von den Grünen zeigte sich gar fassungslos über die EMA-Empfehlungen. “Über eine Millionen Tote weltweit und was kommt bei der Prüfung der EMA und der Kommission raus? Es bleibt alles beim Alten“, beanstandete er. Häusling und Anja Hazekamp von der Linken kritisierte außerdem scharf, dass es das Arzneimittel namens Colistin nicht auf die EMA-Liste geschafft hat. Bereits im Februar schickten 150 Angehörige der Gesundheitsberufe einen Brief an Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, in dem sie sie aufforderten, Colistin in die Liste aufzunehmen. Dieses ist oft der letzte Ausweg für Patient:innen mit multiresistenten Keimen, wird aber auch in der Tierhaltung genutzt, etwa um Durchfall bei Ferkeln zu behandeln.
Auch Germanwatch, die Deutsche Umwelthilfe, die Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin sowie die Initiative “Ärzte gegen Massentierhaltung” bezeichneten die EMA-Empfehlung als völlig verfehlt. In der EMA-Liste sei kein einziges Antibiotikum benannt, das bislang für die Veterinärmedizin zugelassen ist. Damit trägt sie nichts gegen die Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien in der Tierhaltung bei, heißt es in ihrer Stellungnahme.
Die Verbände warnen davor, die Empfehlung der EMA unverändert in den geplanten Rechtsakt zur Umsetzung der Tierarzneimittelverordnung zu überführen. Denn damit würden dem routinemäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und damit der Gefahr von weiteren Antibiotikaresistenzen Tür und Tor geöffnet.
Resistente Krankheitserreger zählen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den zehn größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit. In der Europäischen Union sterben rund 33.000 Menschen jährlich an Infektionen, die durch multiresistente Keime ausgelöst werden. Weltweit sind das 1,2 Millionen. Den aktuellen Prognosen zufolge wird die Zahl der durch Antibiotikaresistenzen verursachten Todesfälle bis 2050 auf 10 Millionen steigen. Seit Herbst 2021 verwendet die WHO für die immer weiter fortschreitende Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien den Begriff “stille Pandemie”. Die EU geht davon aus, dass die kumulativen wirtschaftlichen Kosten etwa das 1,5-fache des heutigen weltweiten BIP betragen werden.
Laut dem gemeinsamen Bericht von ECDC, EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), EMA und OECD zur Antibiotikaresistenz in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der Anfang März veröffentlicht wurde, haben Antibiotikaresistenzen seit 2011 trotz eines Rückgangs des Verbrauchs sowohl bei Menschen (um 23 Prozent) als auch bei Tieren (um 43 Prozent) zugenommen. Als besonders besorgniserregend stuften die Autoren den Anstieg der Resistenz gegen kritisch wichtige Antibiotika ein, die zur Behandlung häufiger therapieassoziierter Infektionen eingesetzt werden. Sie wiesen außerdem auf signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern hin.
Die Organisationen betonen in ihrem Bericht, dass die EU/EWR-Länder in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte bei der Entwicklung und Umsetzung nationaler Aktionspläne gegen antimikrobielle Resistenzen erzielt hätten. Dennoch gebe es nach wie vor Lücken. OECD identifizierte folgende Prioritäten für die EU/der EWR in diesem Bereich:
Die Pläne für eine neue politische Initiative der EU zur Förderung der Umsetzung des EU-Aktionsplans “One Health” gegen antimikrobielle Resistenzen bieten aus der Sicht der Organisationen eine Gelegenheit für weitere Maßnahmen, darunter:
Der Europäische One-Health-Aktionsplan gegen antimikrobielle Resistenz wurde im Juni 2017 verabschiedet. Er stützt sich auf drei Säulen: Die EU zu einer Best-Practice-Region zu machen, eine Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation sowie Gestaltung der globalen Agenda.
Zuletzt diskutierten Landwirtschafts- und Gesundheitsminister der EU-Länder auf einer Ministerkonferenz zum Thema antimikrobielle Resistenz über noch bestehende Lücken auf EU-Ebene und Verbesserungsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf Ausbildung, Infektionsprävention, den richtigen Einsatz von Antibiotika oder die Entwicklung gemeinsamer, aussagekräftiger Indikatoren.
Ein weiterer Faktor, der die globalen Bemühungen zur Eindämmung arzneimittelresistenter Infektionen torpediert, ist der Mangel an neuen Antibiotika. Im Rahmen ihrer neuen Arzneimittelstrategie will die Kommission etwa versuchen, das Marktversagen zu beheben und die Entwicklung von Antibiotika zu fördern. Wie, bleibt bisher unklar.
Eine Option könnten öffentlich-private Partnerschaften sein, meint Patrick Stockebrandt vom Centrum für Europäische Politik (cep) in seiner Analyse zur EU-Arzneimittelstrategie. Diese könnten langfristig eine entscheidende Rolle spielen, insbesondere durch die Förderung des Aufbaus von AMR-Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, auch um die Markteinführung von Produkten zu erleichtern. Europäische und nationale Maßnahmen könnten aus seiner Sicht wesentlich sein, um diese neuen Kapazitäten aufzubauen und zu vermeiden, dass wertvolles Wissen und Methoden in diesem Bereich verloren gehen.
Und das ist auch dringend nötig. Obwohl neue Antibiotika immer wichtiger werden, zogen sich in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere die großen Pharmaunternehmen aus diesem Geschäftsfeld mehr und mehr zurück. Bis in die 1990er-Jahre hatten noch fast alle großen Hersteller Antibiotika entwickelt.
Der Grund: Mit Antibiotika lässt sich deutlich weniger Geld verdienen als beispielsweise mit Krebsmedikamenten oder Arzneimitteln gegen chronische Erkrankungen. Antibiotika werden in der Regel nur über kurze Zeit verordnet. Neue Mittel sollen zudem nur im Notfall eingesetzt werden, um die Entwicklung von Resistenzen zu vermeiden.
Mehr Druck auf die Pharmaindustrie könnte ein gemeinsames Vorgehen der EU ausüben, meint Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Unter den knapp 450 neuen Wirkstoffen, die die Industrie in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland an den Start gebracht habe, seien nur elf neue Antibiotika gewesen. “Nationales Vorgehen alleine wird die Hersteller nicht dazu bewegen können, Forschung und Entwicklung antibiotischer Wirkstoffe zu forcieren”, ist er überzeugt. Hier könne die EU erfolgreich ihre Marktmacht einsetzen.
Deutschland vertieft seine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) bei Erforschung und Produktion von Wasserstoff. Man wolle noch in diesem Jahr erste Lieferungen nach Deutschland möglich machen, teilte das Wirtschaftsministerium am Montag beim Besuch von Minister Robert Habeck in Abu Dhabi mit. Mehrere Kooperationsabkommen wurden für die Lieferkette rund um Wasserstoff unterzeichnet.
Es ist das zweite Energieabkommen binnen weniger Tage mit einem Golfstaat. Am Sonntag hatte der Bundeswirtschaftsminister nach eigenen Angaben bereits eine Energiepartnerschaft mit Katar vereinbart, bei der vor allem die Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) im Zentrum stehen soll.
Mit beiden Vereinbarungen ginge allerdings auch eine neue Sicherheitsfrage einher, betonte Marco Giuli, Associate Policy Analyst am European Policy Centre (EPC). Eine höhere Abhängigkeit Europas von Katars Gas bedeute auch wachsende Abhängigkeit Europas von Akteuren, die für die Sicherheit in der Straße von Hormus sorgen. “Es sei denn, die Europäer sind bereit und in der Lage, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen”, schrieb der Energieexperte auf Twitter. Gleiches würde für Wasserstofflieferungen aus den VAE gelten. Iran, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate grenzen an die Verbindung vom Persischen Golf zum Golf von Oman. Immer wieder kommt es dort zu relevanten Sicherheitsvorfällen und militärischen Drohgebärden.
Habeck zeigte sich auch offen für den Einsatz von blauem Wasserstoff, bis ausreichend mit Sonnen- oder Windstrom erzeugter Wasserstoff verfügbar ist. Dafür wird das bei der Produktion durch die Nutzung von Erdgas entstehende CO2 aufgefangen und meist unterirdisch gespeichert (Carbon Capture and Storage – CCS). In seiner eigenen Partei wird blauer Wasserstoff allerdings kritisch gesehen, da Zweifel an einer dauerhaften, sicheren Speicherung bestehen.
Damit zeigt sich, dass die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, vermehrt auf CCS für die Erreichung der Klimaziele setzt. Bereits bei seinem Besuch in Norwegen hatte Habeck betont, bis ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehe, müsse man auch auf blauen zurückgreifen: “Auf dem Weg dahin ist es besser, das CO2 abzuspeichern, als es in die Atmosphäre zu blasen.” Eine CO2-Speicherung in Deutschland gilt jedoch als nicht durchsetzbar. Norwegen und andere Staaten könnten das CO2 aber etwa in ehemalige Erdgas-Lagerstätten pressen.
Unter den jetzt geschlossenen Kooperationen in den VAE ist auch ein Vorhaben zur Herstellung von synthetischem Kerosin für die Luftfahrt. Siemens Energy, Lufthansa und das Unternehmen Masdar aus den Emiraten arbeiten am Projekt “Green Falcon”. Synthetisches Kerosin stellt derzeit die einzige verfügbare Möglichkeit für eine emissionsarme Luftfahrt dar.
Der Energiekonzern RWE und die staatliche Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) vereinbarten eine Zusammenarbeit für den Import von kohlenstoffarmem und grünem Wasserstoff sowie für Wasserstoffderivate wie Ammoniak. Zudem schloss die Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Ministerium für Energie der VAE ein Wissenschaftsabkommen. dpa/luk
Ein Moskauer Gericht hat erwartungsgemäß Meta Platforms am Montag “extremistischer Aktivitäten” für schuldig befunden. Diese Entscheidung betrifft Facebook und Instagram, die offiziell in Russland bereits gesperrt sind, nicht jedoch den auch in Russland beliebten Messengerdienst WhatsApp.
Das Bezirksgericht Tverskoy (erste Instanz) folgte damit dem Antrag der russischen Generalstaatsanwaltschaft, Metas Aktivitäten auf russischem Territorium zu verbieten. Die Anwältin der US-Firma, Viktoria Schagina, sagte während der Verhandlung, dass Meta keine extremistischen Aktivitäten ausübe und auch gegen “Russophobie” vorgehe, berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Die Nachrichtenagentur Tass zitierte die Richterin Olga Solopowa damit, dass die Entscheidung unmittelbar wirksam würde.
Die Auswirkungen des Urteils auf Nutzer von Instagram und Facebook, die die staatlichen Sperren umgehen, bleiben derweil unklar. Tass zitierte den Staatsanwalt, dass “Individuen nicht dafür verfolgt werden, Metas Dienste einfach nur zu benutzen.” Der Menschenrechtsanwalt Pavel Chikov sagte, dass dies jedoch weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft garantieren könne. Er warnte, dass jede öffentliche Darstellung von Metas Symbolen auf Webseiten, Ladentüren oder Visitenkarten als Anlass für eine Anklage dienen und mit bis zu 15 Tagen Haft verbunden sein könne. Anzeigenkäufe auf beiden sozialen Netzwerken oder der Handel mit Meta-Aktien könnten zudem als Finanzierung extremistischer Aktivitäten und damit als Straftat eingestuft werden, schrieb Chikov auf Telegram.
Facebook hatte im vergangenen Jahr laut “Insider Intelligence” etwa 7,5 Millionen Nutzer in Russland, WhatsApp 67 Millionen, Instagram im Januar laut Statista 65,4 Millionen Nutzer unter den etwa 140 Millionen Einwohnern der Russischen Föderation. rtr/fst
Der litauische Präsident Gitanas Nauseda kündigte am Montag an, dass Litauen daran arbeite, auf alle Energieimporte aus Russland verzichten zu können.
“Die Gasverbindung zu Polen, das Unterseestromkabel mit Schweden, die Synchronisation der Stromnetze mit Kontinentaleuropa – all das illustriert, dass Litauen sich darauf vorbereitet, vollständig ohne russische Energieressourcen auszukommen”, sagte Nauseda nach einem Treffen mit dem niederländischen Premierminister Mark Rutte in Vilnius.
Die Gasverbindung zwischen Polen und Litauen wurde 2021 fertiggestellt. “Wir sind den größten Teil des Weges bereits gegangen, etwa indem wir Pipeline-Gas mit Flüssigerdgas (LNG) ersetzt haben und können Öl aus anderen Ländern nutzen. Die Stromnetzsynchronisation wird bald abgeschlossen sein und Litauen ein gutes Beispiel in Europa”, sagte Nauseda. rtr
Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nimmt den heimischen Treibstoffmarkt unter die Lupe. Bei der Untersuchung solle die Preis- und Margenentwicklung an den Tankstellen analysiert werden, teilte die Behörde am Montag mit. Geprüft werde, ob es möglicherweise Preisabsprachen gegeben habe und damit der Wettbewerb am Kraftstoffmarkt eingeschränkt oder verfälscht sei. Die Behörde habe zahlreiche Beschwerden aus dem Markt erhalten.
In Österreich kam zuletzt verstärkt Kritik an den hohen Benzinpreisen auf. Kritisiert wurde, dass trotz des zuletzt wieder gesunkenen Rohölpreises die Treibstoffpreise an den Tankstellen nicht gesunken waren. Die Behörde will neben Tankstellen auch Raffinerien überprüfen. rtr
Die Mehrheit der EU-Länder will den Anbau von Eiweißpflanzen wie Soja in der Union ausbauen. Damit soll die EU vor allem unabhängiger von Futterimporten werden. Österreich hatte einen entsprechenden Vorschlag für eine EU-Eiweißstrategie bei einem Ministertreffen am Montag in Brüssel eingebracht. “Wir sind in Europa extrem abhängig von Drittstaatimporten”, sagte Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Der Krieg in der Ukraine habe dies nochmals deutlich gemacht.
Deutschland unterstützt die Initiative. Agrarstaatssekretärin Silvia Bender betonte, durch mehr Anbau in der EU sinke das Risiko, dass in anderen Ländern für den Futtermittelanbau Wälder abgeholzt würden. Konkret wird etwa vorgeschlagen, Protein-Pflanzen künftig leichter auf sogenannten ökologischen Vorrangflächen anbauen zu dürfen. Diese Flächen sind für Umweltmaßnahmen wie Blühstreifen, Zwischenfrüchte oder Brachflächen vorgesehen.
Die Erklärung Österreichs wurde bereits vor dem Treffen von 19 weiteren EU-Ländern unterstützt. Die Niederlande betonten, dass eine EU-Eiweißstrategie mit den EU-Klimazielen in Einklang sein müsse. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski sagte, dass die EU-Kommission derzeit nicht plane, eine EU-Eiweißstrategie vorzuschlagen. Man habe die Entwicklung in den Mitgliedsländern aber genau im Blick. So biete die gemeinsame EU-Agrarpolitik den EU-Staaten genug Spielraum für nationale Vorhaben. dpa

Wer Frederick Richter im Internet sucht, findet fast ausschließlich berufliche Informationen über ihn. Auf den meisten Fotos trägt er Krawatte – außer bei einem Interview, das er aus seinem Homeoffice in Berlin führt. Hier ist er einmal ohne zu sehen, im Hintergrund ein Gemälde, auf der Fensterbank ein Porzellanhirsch.
Dass keine Selfies im Urlaub oder beim Umtrunk mit Kolleg:innen online von ihm zu finden sind, ist kein Zufall: Er ist Vorstand und Direktor der Stiftung Datenschutz, die sich seit ihrer Gründung 2013 als unabhängige Einrichtung für den Datenschutz in Deutschland einsetzt. Die Bundesstiftung klärt durch Newsletter und Webinar-Reihen über Datenschutz auf und erarbeitet Vorschläge zur Verbesserung des Datenschutzes gemeinsam mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.
“Ich habe immer darauf geachtet, im Internet keinerlei private Dinge über mich preiszugeben”, erklärt Frederick Richter. Ein Schlüsselerlebnis gab es nicht. “Aber schon immer hatte ich dieses Gefühl: Es muss doch nicht jeder alles über mich wissen, keiner muss Fotos meiner Kinder im Netz finden.” Schon während seines Jura-Studiums in Hamburg setzte Frederick Richter sich lieber mit dem Datenschutz- und Internet-Recht auseinander als mit dem Zivil- oder Erbrecht: “Es war sehr spannend, sich mit einem Rechtsgebiet zu befassen, das gerade im Entstehen war.”
So erwarb er anschließend noch einen Masterabschluss in IT-Recht an der Universität Wien. Später war er Referent beim Bundesverband der Deutschen Industrie und arbeitete als Referent für Rechtspolitik bei der FDP-Bundestagsfraktion. Seit der Gründung der Stiftung Datenschutz, einem Herzensprojekt der Liberalen und insbesondere der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ist er als ihr Vorstand tätig.
Dass Datenschutz die Digitalisierung verhindern würde, diese Narrativ ärgert ihn schon länger, sagt Frederick Richter. Natürlich mache der Datenschutz digitale Vorhaben komplexer. “Doch es ist wohl kaum im Sinne der Menschen, ihre Rechte zu übergehen, nur weil man Prozesse beschleunigen möchte”, meint er. Momentan würde bei Digitalisierungsvorhaben, beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung, immer erst gegen Ende der Datenschutz mit einbezogen werden. Das sei viel zu spät: “Der Datenschutz muss von Anfang an mitgedacht werden. Dann sind wir auch schneller fertig.”
Eine weitere Herausforderung, mit der seine Stiftung immer wieder zu kämpfen hat, ist das fehlende Bewusstsein in der Bevölkerung für den Schutz personenbezogener Daten. Anders als beim Thema Datensicherheit sind die Gefahren oft sehr abstrakt. Wenn Jugendliche Videos aus ihrem Alltag auf YouTube hochladen, können sie die Gefahren oft nicht einschätzen. “Das ist bei der Datensicherheit leichter zu verstehen. Wenn die Geheimzahl weg ist, ist bald das Konto leer.”
Frederick Richter möchte den Datenschutz nicht nur aus der abstrakten, sondern auch aus der bürokratischen Ecke holen. Deswegen hat er sich als Vorstand in letzter Zeit viel mit der Frage beschäftigt, was die Cookie-Banner ersetzen könne: “Denn die nerven ja alle Bürgerinnen und Bürger zutiefst.” Das Gesetz mit dem sperrigen Titel Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG), das hierfür die Tür öffnen soll, ist am 1. Dezember 2021 in Kraft getreten. Künftig könnten Personal Information Management Systems (PIMS) das Sammeln und Abgeben von Einwilligungen deutlich leichter und automatisiert regeln, wenn die Bedingungen stimmen.
Die große Lösung ist dabei noch nicht in Sicht, aber es geht in die richtige Richtung, meint Frederick Richter. Für ihn muss Datenschutz immer auch pragmatisch sein: “Wenn die Menschen das Gefühl haben, das Recht schützt sie nicht und bedeutet vor allem Bürokratie, dann müssen wir etwas ändern.” Sarah Kröger