die Staats- und Regierungschefs der EU haben auf dem außerordentlichen Gipfel bis in die Nacht verhandelt und sich auf einen Kompromiss beim Ölembargo geeinigt. Ungarn, Tschechien und die Slowakei pochten auf Garantien, die ihnen schließlich auch zugestanden wurden. Stephan Israel und Eric Bonse berichten aus Brüssel.
Anfang Mai stellte die Kommission den Verordnungsentwurf zum europäischen Gesundheitsdatenraum vor. Ein “Meilenstein der europäischen Medizingeschichte” sollte er sein. Aber seither wird vor allem über das Thema Datenschutz und Vertraulichkeit von Patientendaten heiß debattiert. Wer aus Forschung und Industrie bekommt Zugang zu Gesundheitsdaten? Wie wird der Zugang geregelt? Und welche Schritte muss Deutschland noch gehen, um bis zum Inkrafttreten der Verordnung digital und rechtlich fit zu sein? Meine Kollegin Eugenie Ankowitsch hat die verschiedenen Positionen und Argumente analysiert.
Wie verändern Daten die Gesellschaft? Um sich dieser Frage zu widmen, arbeitet der Stuttgarter David Schönwerth als Referent für Data Economy im Bereich AI und Big Data beim Digitalverband Bitkom. Dort plädiert er für einen sinnvollen Datenaustausch, wie er im Portrait erklärt.
Noch eine Personalie aus der EU-Politik: Manfred Weber wird heute aller Voraussicht nach zum Vorsitzenden der größten europäischen Parteienfamilie EVP gewählt. Der 49-jährige CSU-Politiker geht als einziger Kandidat für die Nachfolge des früheren EU-Ratspräsidenten und polnischen Regierungschefs Donald Tusk ins Rennen.
Charles Michel verkündete die politische Einigung kurz vor Mitternacht per Twitter. Der Einfuhrstopp betreffe unmittelbar “zwei Drittel der Ölimporte aus Russland”. Damit beschneide die EU eine wichtige Einnahmequelle zur Finanzierung der russischen Kriegsmaschine, so der EU-Ratspräsident. Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete, “die EU ist sich einig. Wir haben uns auf einschneidende Sanktionen gegen Russland verständigt”.
Grundlage für die Einigung ist der Kompromissvorschlag (Europe.Table berichtete), den die EU-Kommission vor Beginn des außerordentlichen Gipfels am Montag auf den Tisch gelegt hat. So will die EU den Import von Öl aus Russland auf dem Seeweg bis Ende des Jahres beenden. Öl, das über die Druschba-Pipeline kommt, ist hingegen vorerst vom Embargo ausgenommen.
Die Diskussion zog sich zuletzt in die Länge, weil neben Ungarn auch Tschechien und die Slowakei zusätzlich zur “temporären Ausnahme” neue Forderungen stellten. Die drei Länder hängen fast ausschließlich an der Druschba-Pipeline und verfügen zudem über Raffinerien, die derzeit zum Teil nur russisches Öl verarbeiten können. Bei Ankunft der Staats- und Regierungschefs am Nachmittag schien eine Einigung noch sehr unsicher. Ministerpräsident Viktor Orbán sprach zwar von einer “guten Lösung für Ungarn”, forderte aber plötzlich Garantien für den Fall, dass die Ukraine die Druschba-Pipeline unterbrechen sollte.
Konkret soll Ungarn nun im Notfall über die Adria-Pipeline Öl aus Russland beziehen können, um seine Raffinerien zu versorgen. Dies zumindest, bis die Umstellung auf andere Ölsorten erfolgt ist, was einige Zeit braucht. Das russische Öl dürfte als Teil der Ausnahmeregelung sogar auf dem Seeweg geliefert werden. Die Adria-Pipeline beginnt auf kroatischen Insel Krk.
Ähnlich spezifisch sind die Probleme in Tschechien. Dem Land würden bei einem Ausfall der Druschba-Pipeline zwei Millionen Tonnen Diesel und damit ein Drittel des jährlichen Bedarfs aus den heimischen Raffinerien fehlen. Tschechiens Premier Petr Fiala forderte am Gipfel diesbezüglich ebenfalls Hilfszusagen von den Nachbarstaaten und Garantien, die Kapazitäten der Transalpine-Ölleitung rasch ausbauen zu können. Diese Pipeline führt vom Hafen Triest nach Deutschland, verfügt aber bereits über einen Seitenast nach Tschechien.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich bereits bei der Ankunft optimistisch gezeigt: “Alles, was ich höre, klingt danach, dass es einen Konsens geben könnte”. Scholz stellte zudem klar, dass Deutschland ebenso wie Polen nicht von der Ausnahme für die Druschba-Pipeline profitieren wolle. Die beiden Länder wollen bis Ende des Jahres ohnehin den Import von Öl aus Russland beenden. Kommissionspräsident Ursula von der Leyen wollte bei der Ankunft hingegen nicht an eine Einigung glauben. Das Embargo dürfe kein Land in der EU unfair belasten: “Und genau diese Frage haben wir noch nicht gelöst”.
Die Zurückhaltung dürfte allerdings auch taktisch begründet gewesen sein. Ursula von der Leyen musste sich zuletzt einige Kritik an der Vorbereitung des sechsten Sanktionspakets mit dem Ölembargo als Knackpunkt anhören. Die Kommission habe das Paket nicht korrekt mit den Mitgliedstaaten vorbereitet, sagte Orbán und sprach von “unverantwortlichem Verhalten”. Auch Österreichs Karl Nehammer kritisierte die Art, wie die EU-Kommission das “schwierige Thema” vorbereitet habe. Statt mit den Mitgliedstaaten einzeln zu reden, sei die Diskussion “auf der großen Bühne” geführt worden.
Von der Leyen hatte das sechste Sanktionspaket Anfang Mai präsentiert. Ursprünglich sollte der Import von russischem Rohöl unabhängig vom Transportweg innerhalb von sechs Monaten und der für Ölprodukte wie Diesel und Benzin innerhalb von acht Monaten beendet werden. Für Ungarn und die Slowakei waren Übergangsfristen bis Ende 2023 vorgesehen.
Der Gipfel werde auf die “temporäre Ausnahme” für Ungarn zurückkommen, verteidigte von der Leyen das Zugeständnis an Ungarn. Tschechien soll hingegen einer Übergangsfrist von 18 Monaten zugestimmt haben.
Auch Premierminister Mark Rutte verteidigte den Deal. “Wir haben nichts verwässert”, sagte der Niederländer. Die Strafmaßnahmen würden immerhin zwei Drittel der russischen Ölexporte tangieren. Da auch Deutschland und Polen ab Ende des Jahres kein russisches Öl mehr beziehen wollten, decke das Embargo de facto sogar 90 Prozent der bisherigen russischen Ölexporte in die EU ab.
Rutte zeigte Verständnis für die Anliegen einiger osteuropäischer Staaten. Die Niederlande und Belgien gehörten zugleich zu den Staaten, die am Ende vor unfairem Wettbewerb warnten und auf Garantien für einen Level playing field pochten. Ungarn, Tschechien und die Slowakei sollten günstigeres russisches Öl nicht weiterverkaufen und Seehäfen in Belgien oder den Niederlanden Konkurrenz machen dürfen.
Russland verdient mit dem Ölexport deutlich mehr als mit Erdgas. Dort ist Moskau selber dabei, den Hahn zuzudrehen. Der niederländische Gashändler GasTerra meldete am Montag, dass man der russischen Forderung, Rechnungen in Rubel zu begleichen, nicht Folge geleistet habe: “Als Antwort auf GasTerras Entscheidung hat Gazprom erklärt, die Gaslieferungen ab dem 31. Mai einzustellen”, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Allerdings wäre der Vertrag der Niederländer ohnehin am 1. Oktober ausgelaufen. Man sei auf die Situation vorbereitet und habe zusätzliches Gas von anderen Lieferanten besorgt, so der Versorger.
Auf ein Ende der Lieferungen stellt man sich auch in Dänemark ein. Die nächste Rechnung sei diese Woche fällig und man habe nicht vor, in Rubel zu bezahlen, schreibt der dänische Energiekonzern Ørsted. Das Risiko sei da, dass Gazprom kein Gas mehr liefere. Aber auch Ørsted erwartet keine Probleme bei der Versorgung von Haushalten und Firmen. Gazprom hat die Gaslieferungen nach demselben Muster bereits nach Bulgarien und Polen eingestellt.
Der Streit um das Ölembargo hatte das gesamte sechste Sanktionspaket aufgehalten. Das Paket enthält auch andere einschneidende Maßnahmen wie den Ausschluss von Sberbank, des größten russischen Finanzinstituts, vom Zahlungsdienstleister Swift. Tankschiffbetreiber können mit europäischen Versicherern und Rückversicherern überdies keine Verträge mehr abschließen. Auch das Verbot weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem russischen Ölexport ist Teil des Pakets geblieben.
Der EU-Ratspräsident bestätigte, dass das Verbot von drei weiteren staatlichen Propagandasendern Russlands ebenfalls kommt. Zudem sollen weitere Personen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden, mit Einreise- und Kontensperren belegt werden. Das Sanktionspaket werde am Mittwoch formell von den EU-Botschaftern verabschiedet werden, sagte Charles Michel. Es tritt kurz danach mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Staats- und Regierungschefs der EU dazu aufgerufen, seinem Land schnell den Status des Beitrittskandidaten zu gewähren. Ohne die Ukraine werde es niemals eine “vollwertige europäische Macht” geben, sagte er in einer Videoansprache beim EU-Gipfel in Brüssel. “Wir müssen wie Sie sein. Wir wollen, dass die Ukraine den Kandidatenstatus erhält”, erklärte Selenskyj. Spätestens im Juni müsse es so weit sein.
Mit seiner Forderung reagierte Selenskyj auf die Entscheidung der EU, das Beitrittsgesuch zunächst zu prüfen. “Der Europäische Rat nimmt die Vorbereitung der Stellungnahmen der Kommission zu den Anträgen der Ukraine sowie der Republik Moldau und Georgiens auf EU-Mitgliedschaft zur Kenntnis und wird sich auf seiner Tagung im Juni erneut damit befassen”, heißt es in der Gipfel-Erklärung. Zudem bekundeten die Staats- und Regierungschefs, der Ukraine in diesem Jahr eine außerordentliche Finanzhilfe von bis zu neun Milliarden Euro zu gewähren.
Die EU-Kommission will rechtzeitig vor dem regulären EU-Gipfel Ende Juni eine Empfehlung zum Kandidatenstatus abgeben. Es sei noch nicht klar, wie sie ausfallen werde, sagte ein EU-Diplomat, auch in der Brüsseler Behörde gebe es noch Debatten. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte vorgeschlagen, die Ukraine und anderen Ländern zunächst in eine neue “politische Gemeinschaft” aufzunehmen. Selenskyj lehnt dies jedoch ab.
Der ukrainische Präsident forderte die EU auch auf, schnell weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. “Warum kann Russland mit dem Verkauf von Energie immer noch fast eine Milliarde Euro pro Tag verdienen?”, fragte Selenskyj. Die EU müsse zusammenstehen und dürfe sich nicht von Russland erpressen lassen. “Europa muss Stärke zeigen. Denn Russland nimmt nur Macht als Argument ernst”, so Selenskyj.
Im Gegensatz zu früheren Reden nannte er die Bremser diesmal nicht beim Namen. Allerdings war auch so klar, dass es vor allem um Ungarn geht. Ausdrücklich dankte Selenskyj der EU dafür, dass sie sich um Kompromisse bemühe. Diese sollen die seit vier Wochen festgefahrenen Verhandlungen über ein Ölembargo wieder flott machen.
01.06.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
Eco, Diskussion Politik im Gespräch – Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller
Beim Verband der Internetwirtschaft (Eco) wird der neue Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, einen Ausblick auf die zentralen Schwerpunkte, Maßnahmen und die relevanten digitalpolitischen Vorhaben geben. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
Seminar Energy communities in Europe and beyond
This seminar discusses a variety of conflicting expectations, assumptions and expected roles regarding the term “energy communities”. INFOS & REGISTRATION
01.06.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
Florence School of Regulation, Panel Discussion What is missing for Ukraine to join the Internal Energy Market?
The Florence School of Regulation (FSR) will discuss the possibility for Ukraine to participate actively in the Internal electricity and gas markets in the short term. INFOS & REGISTRATION
01.06.2022 – 19:00-20:30 Uhr, online
EUD, Diskussion Krieg in der Ukraine: Deutschland im Angesicht seiner Vergangenheit
Die Europa Union Deutschland (EUD) diskutiert über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dessen geschichtliche wie politische Dimension für Deutschland. INFOS & ANMELDUNG
02.06.-03.06.2022, Eigtveds Pakhus (Dänemark)
EC 8th Energy Infrastructure Forum
The European Commission gathers representatives of the EU institutions, transmission system operators, project promoters, regulators, energy companies, NGOs and civil society and the financing community to discuss the challenges of modernizing Europe’s energy infrastructure to ensure a truly functioning internal energy market. INFOS & REGISTRATION
02.06.-03.06.2022, online
EEN Climate Transformation Summit 2022
The Enterprise Europe Network (EEN) invites climate tech pioneers, scientists, innovaters and companies that plan to take measures to decarbonise their supply chain. INFOS & REGISTRATION
02.06.2022 – 10:00 Uhr, online
BVMW, Seminar Treibhausgas-Bilanz erstellen – Grundlagen & Praxis
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zeigt, wie man eine eigene Treibhausgasbilanz für ein Unternehmen erstellt. INFOS & ANMELDUNG
02.06.2022 – 13:00-14:00 Uhr, online
EEN, Seminar Der EIC Accelerator
Das Enterprise Europe Network (EEN) geht auf den “EIC Accelerator” ein, der die Phasen vom Prototyp zum Markteintritt und das rasche Wachstum von Start-Ups und KMUs fördert. INFOS & ANMELDUNG
02.06.2022 – 17:00-19:00 Uhr, online
HBS, Panel Discusssion Germany’s Gas Supply Challenge at Times of War in Ukraine
This online panel discussion aims to shed light on the possible political answers and economic instruments to manage the gas supply crisis for Germany. INFOS & REGISTRATION
23.06.2022 – 14:00-17:30 Uhr, Berlin
Allianz Pro Schiene, Seminar Digitale KV-Einstiegsportale als Wachstumstreiber für den Schienengüterverkehr
Die Allianz Pro Schiene klärt über digitale Einstiegsportale für den Kombinierten Verkehr (KV) auf. ANMELDUNG BIS 31.05.
Anfang Mai hat die Europäische Kommission einen Verordnungsentwurf für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) vorgelegt (Europe.Table berichtete). Bereits bei der Vorstellung des Vorschlags wurde deutlich, welche Themen in den nächsten Monaten in den Diskussionen rund um den EHDS die Hauptrolle spielen werden. Ganz vorn dabei war der Datenschutz und die Vertraulichkeit von Patientendaten. Sowohl Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas als auch die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides wurden nicht müde zu betonen, dass man sich bewusst sei, wie wichtig der Datenschutz im Gesundheitsbereich sei und alle Regelungen in der Verordnung unbedingt der Datenschutzgrundverordnung zu entsprechen hätten.
Vor allem im Europäischen Parlament dürften der Datenschutz und die Fragen rund um die Verfahren einer sicheren Anonymisierung und Pseudonymisierung von Gesundheitsdaten im Mittelpunkt der Debatten stehen. Darauf deutet auch der Umstand, dass inzwischen der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) als federführender Ausschuss vorgeschlagen wurde. Die Ausschüsse für Haushalt (BUDG), Binnenmarkt (IMCO), Umwelt und Gesundheit (ENVI) sowie Industrie und Forschung (ITRE) sollen mitberaten. Noch ist diese Zuweisung nicht endgültig, da die mitberatenden Ausschüsse für sich eine größere Rolle beanspruchen könnten und sehr wahrscheinlich auch werden. Vor allem beim ENVI-Ausschuss könnte das der Fall sein. Im ITRE-Ausschuss wurde das Dossier bereits der Europäischen Volkspartei (EVP) zugewiesen.
Indes weckt der Verordnungsentwurf vor allem bei der Industrie, aber durchaus auch in der Forschungsszene oder bei Verbraucher- und Patientenverbänden breite Zustimmung. Zugleich zeichnet sich ab, dass gerade der Zugang des Privatsektors zu Gesundheitsdaten für hitzige Diskussionen sorgen wird. In einigen EU-Ländern ist die Industrie Stand heute nicht antragsberechtigt, wenn es um den Zugang zu Gesundheitsdaten geht.
Nicht verwunderlich also, dass sich die betroffenen Branchen, wie Pharma und Medtech, beeilten, einen Platz am Tisch zu beanspruchen. MedTech Europe etwa forderte in der ersten Reaktion zum Kommissionsvorschlag einen gleichberechtigten Zugang zu Daten ein. Bitkom, der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, betonte ebenfalls, dass mit dem EU-Vorhaben der privaten Forschung “ein Antragsrecht auf die Nutzung von freiwillig zur Verfügung gestellten, pseudonymisierten Gesundheitsdaten” gewährt werden sollte.
Das European Patients’ Forum (EPF), Dachorganisation der europäischen Patientenverbände, begrüßte den Kommissionsvorschlag, forderte allerdings eine konkrete und sinnvolle Einbeziehung der Patienten beim geplanten EHDS-Ausschuss. Damit soll sichergestellt werden, dass ihre Bedürfnisse in vollem Umfang berücksichtigt werden und die Patientensicherheit auf allen Ebenen gewährleistet ist. Die Teilnahme von Patienten und Patientenvertretern an den Sitzungen des Ausschusses sollte außerdem nicht von den diskutierten Themen und deren Sensibilität abhängig gemacht werden.
Die Ärzteschaft reagierte wie erwartet zurückhaltend auf den Verordnungsentwurf und verwies auf die Risiken der Nutzung von Gesundheitsdaten. Ständiger Ausschuss der Europäischen Ärzte (CPME) forderte ethisch einwandfreie Regeln für den Austausch von Gesundheitsdaten. Die medizinische Forschung sei zwar für die Entwicklung neuer Behandlungen und Medikamente unerlässlich. Die Möglichkeiten der Forschung mit “Big Data” sollten jedoch nicht zu einer Aufweichung der geltenden ethischen Standards führen. Patientenautonomie, Würde, Privatsphäre und das Recht auf Selbstbestimmung müssten stets gewährleistet sein.
Beim Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) stieß der Kommissionsvorschlag auf besonders große Bedenken. Die vordergründig gute Idee, alle EU-Bürger sollten jederzeit im EU-Raum auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen können, berge bei genauerem Hinsehen das Risiko einer Entwicklung in Richtung “gläserner Bürger”, kritisiert der Verband.
Laut bvvp schafft eine europäische elektronische Patientenakte ein Datenvolumen in nie dagewesenem Ausmaß. Noch sei nicht genau definiert, wer, wann, welche Daten in diese Akten stellen darf, soll oder gar muss. Besonders kritisch sieht der Verband das Vorhaben, pauschal pseudonymisierte Gesundheitsdaten, ohne genaue Definition des Pseudonymisierungsverfahrens für die Forschung freigeben zu wollen.
Just an dem Tag, an dem die Kommission ihren EHDS-Vorschlag vorstellte, reichte die Gesellschaft für Freiheitsrechte in Deutschland gegen diese Form der Datennutzung eine Klage ein. Ab Oktober sollen gemäß Digitale-Versorgung-Gesetz aus dem Jahr 2019 Gesundheitsdaten von allen 73 Millionen gesetzlich Versicherten pseudonymisiert gesammelt und der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Das wollen die Bürgerrechtler mit der Klage verhindern.
In seinem von den Bürgerrechtlern beauftragten Gutachten kommt der Kryptographe Dominique Schröder zur Schlussfolgerung, dass die vorgesehene Pseudonymisierung für den Schutz der Patientendaten nicht ausreicht. Selbst mit öffentlich zugänglichen Datensätzen könnten die Patient:innen auf einfache Weise re-identifiziert werden. Der Experte kritisiert außerdem das zentrale Sammeln der Daten beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen als “überflüssig und gefährlich”. Wegen der grundsätzlichen rechtlichen Fragen zielen die Kläger mit ihren Anträgen perspektivisch auch auf eine Klärung der Rechtslage durch den Europäischen Gerichtshof ab.
Elektronische Rezepte und Patientenakten, Notfalldatensätze und Datennutzung für Forschungszwecke: Ein deutscher Gesundheitsminister nach dem anderen scheiterte in den vergangenen Jahren an der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) warnte jüngst davor, die ePA automatisch kurzfristig zu aktivieren. In einer Resolution forderte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) vor wenigen Tagen mehr Unterstützung und Anreize beim E-Rezept. Ansonsten wollen sie sich aus entsprechenden Gematik-Prozessen ausklinken, was einem Boykott gleichkommt. Das wirft die Frage der Machbarkeit und der Umsetzbarkeit des ambitionierten EHDS-Vorhabens auf, das nach dem Willen der Kommission im Jahr 2025 starten soll.
Vor allem für Deutschland sei der externe Druck durch die EU-Gesetzgebung eminent wichtig, sagte Henrik Matthies, Gründer und CEO von Honic (Health Data Technologies GmbH) bei einer Veranstaltung in Berlin. “Denn sonst bewegt sich hier nichts”, lautet sein Fazit, dem einige Akteure im deutschen Gesundheitswesen zustimmen dürften. Bis vor wenigen Monaten war Matthies Managing Director des Health Innovation Hubs (hih). Der HIH war ein interdisziplinärer Experten-Think-Tank und Sparring-Partner für das Bundesministerium für Gesundheit mit Fokus auf das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen und lief mit dem Regierungswechsel Ende 2021 aus. Der in den letzten Jahren mühsam begonnene digitale Transformationsprozess in Deutschland müsste “in beeindruckender Geschwindigkeit” fortgeführt werden, um bereits im Jahr 2024 oder spätestens 2025 die Anforderungen des EHDS erfüllen zu können, meint der Digitalisierungsexperte.
Damit die EHDS-Verordnung Deutschland nicht unvorbereitet trifft, sei ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt ist, daher unverzichtbar. Derzeit mangele es hierzulande an Rechtssicherheit und einheitlicher Rechtsgrundlagen für die Zweitverwendung medizinischer Daten, insbesondere für die Forschung. “Wir brauchen Erlaubnistatbestände und nicht diese schwammigen ‘Nicht-Definitionen’, mit denen wir gerade arbeiten”, so Matthies.
Einen rechtlichen Rahmen für die Nutzung der Gesundheitsdaten forderten vor wenigen Tagen auch 14 Spitzenvertreter des Gesundheitsweisen, darunter Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse Jens Bass, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß und Geschäftsführer der Gematik Markus Leyck Dieken, in einem gemeinsamen Brief. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) sei ein Perspektivwechsel erforderlich, heißt es in dem Schreiben. Neben dem Schutz von Gesundheitsdaten vor Missbrauch als “Abwehrrecht” sollte gleichberechtigt ein “positives Anrecht der Bürger:innen auf bestmögliche Nutzung” der Gesundheitsdaten verankert werden.
“In einem solidarischen, dem Subsidiaritätsprinzip folgenden Gesundheitssystem”, so die Unterzeichner, “ergibt sich aus der allgemeinen Verfügbarkeit von Gesundheitsinformationen in digitaler Form auch eine solidarische Verantwortung des Einzelnen zur Unterstützung der Gemeinschaft, soweit dadurch keine persönlichen Nachteile zu befürchten sind.” Eine Schlussfolgerung, die gesellschaftlichen Sprengstoff beinhaltet, wie die Diskussionen während der Corona-Pandemie eindrücklich zeigten. Den Risiken, wie die Verletzung der Privatsphäre, Stigmatisierung, Diskriminierung oder Benachteiligung durch Datenmissbrauch, könnte man “durch geeignete informationstechnische, organisatorische und ggf. auch durch verschärfte (straf-)rechtliche Maßnahmen”, entgegenwirken.
Aus der Sicht der Autoren sollte das Gesetz eine bundeseinheitliche Grundlage für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten schaffen, “die eine möglichst einheitliche Auslegung und Anwendung des Datenschutzrechts durch die derzeit 18 Datenschutzbehörden auf Bundes- und Landesebene” sicherstellt. Die Rolle und Funktion von Forschungsdatenzentren sollten definiert werden, “mit klaren Regeln für Zugang und Nutzung im Interesse gemeinwohldienlicher Forschungsfragen”. Außerdem sollten Leistungserbringer verpflichtet werden, Gesundheitsdaten möglichst sofort nach Generierung den Patienten zur Verfügung zu stellen.
Noch in der aktuellen Legislaturperiode will die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides einen Verhaltenskodex zum Recht auf Vergessenwerden für ehemalige Krebspatienten erarbeiten. “In den vergangenen Jahrzehnten hat es enorme Fortschritte hinsichtlich der Überlebensrate bei Krebserkrankungen gegeben, bei Kindern können bis zu 80 Prozent der Krebserkrankungen geheilt werden”, erklärte Kyriakides bei einer Veranstaltung. Es sei inakzeptabel, dass ehemalige Krebspatienten noch auf Jahre und Jahrzehnte mit zahlreichen sozialen und finanziellen Hindernissen, beispielweise beim Zugang zu finanziellen Dienstleistungen wie Hypotheken und Krediten, konfrontiert sind.
Gemeinsam mit der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness will Kyriakides im laufenden Jahr weitere Informationen und Erkenntnisse sammeln, um den Boden für den Verhaltenskodex zu bereiten. Das Ziel sei es, den Verhaltenskodex Anfang 2024 anzunehmen. Die EU-Gesundheitskommissarin verwies dabei auf die jüngste Studie, die im Auftrag von DG Santé durchgeführt wurde. Die Studie sollte einen Überblick über den aktuellen Umgang der Mitgliedstaaten mit dem Recht auf Vergessenwerden für ehemalige Krebspatienten verschaffen.
Demnach haben Belgien, Frankreich, die Niederlande und Portugal bereits entsprechende Gesetze erlassen. In Italien und Rumänien befinden sich analoge Regelungen im Gesetzgebungsprozess. In Luxemburg haben das Gesundheitsministerium und Versicherungsgesellschaften eine Vereinbarung zur Erleichterung des Zugangs zu Versicherungen für ehemalige Krebspatienten getroffen. Einige Mitgliedstaaten haben den fairen Zugang zu Finanzprodukten in allgemeinen Rechtsvorschriften berücksichtigt, wie etwa in allgemeinen Antidiskriminierungsvorschriften in Ungarn.
Alle nationalen Bestimmungen sehen vor, dass im Rahmen von Versicherungen oder Darlehensverträgen der Zeitraum, nach dem keine medizinischen Informationen über Krebs von Versicherungsgesellschaften gesammelt werden dürfen, zehn Jahre nach Beendigung der Behandlung nicht überschreiten darf. Die französischen und niederländischen Rechtsvorschriften sehen vor, dass bei Krebserkrankungen, die vor Vollendung des 18. beziehungsweise 21. Lebensjahres auftreten, die Laufzeit fünf Jahre nach dem Ende der Behandlung beträgt. Darüber hinaus enthalten diese Bestimmungen eine Liste von Ausnahmen für Krebserkrankungen mit einer ausgezeichneten Prognose, für die eine kürzere Frist für die Anerkennung des Rechts auf Vergessenwerden vorgesehen ist.
Laut der Studie gibt es vonseiten der Mitgliedstaaten eine recht breite Unterstützung für eine EU-weite Strategie zur Erleichterung des fairen Zugangs zu Finanzprodukten für ehemalige Krebspatienten, sowohl in Form von Rechtsvorschriften als auch in nicht legislativer Form. Bei den Interessenträgern gehen die Meinungen auseinander. Patientenvertreter und auch Vertreter der medizinischen Berufe und der Wissenschaft würden sich überwiegend für Politikmaßnahmen auf EU-Ebene aussprechen.
Der (Rück-)Versicherungs- und Finanzsektor reagiert dagegen erwartungsgemäß zurückhaltend. Die Mehrheit ist der Ansicht, dass die EU den Austausch von Methoden und Erfahrungen zwischen den Mitgliedstaaten unterstützen oder einen Verhaltenskodex zum Thema ausarbeiten sollte. Ein solcher Kodex sollte allerdings aus der Sicht der Finanzindustrie lediglich die Klarheit über die Auslegung der bestehenden Regeln schaffen. ank
Das Europäische Komitee für Normung (CEN), das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (Cenelec) und das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) sollen nach der Vorstellung der EU-Kommission europäische Normen entwickeln, die “die Unterstützung einer sicheren und vertrauenswürdigen künstlichen Intelligenz” ermöglichen. Das geht aus dem Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission hervor.
Dabei sollten demnach bei der Ausarbeitung europäischer Normen und europäischer Normungsdokumente die politischen Ziele im Bereich der künstlichen Intelligenz berücksichtigt werden. Zu diesen politischen Zielen gehöre etwa, sicherzustellen, dass KI-Systeme, die in der EU in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, sicher sind, die Werte der Union respektieren und die digitale Souveränität der Union stärken. Darüber hinaus sollen Investitionen und Innovationen im Bereich der KI sowie die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum des Binnenmarktes gefördert werden. Die Kommission bereitet die Normungsinstitute zugleich auf ein breites öffentliches Interesse vor.
Die internationale Normung kann, heißt es im Entwurf, dazu beitragen, eine gemeinsame Vision von vertrauenswürdiger KI weltweit zu konsolidieren, und den Handel und die Beseitigung möglicher technischer Hindernisse in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen erleichtern. Die beauftragten Normungsinstitute können dabei bestimmte Normen, die auf internationaler Ebene von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) in einschlägigen Bereichen entwickelt wurden, als europäische Normen übernehmen. Zuvor sollten diese jedoch an die Anforderungen der Künstlichen Intelligenz-Verordnung angepasst werden.
Die Kommission fordert die beauftragten Normungsinstitute auf, ein gemeinsames Arbeitsprogramm auszuarbeiten und es vorzulegen. Der Abschlussbericht soll bis zum 31. Oktober 2024 abgegeben werden. Die Kommission weist in dem Entwurf darauf hin, dass der Durchführungsbeschluss erst nach Abschluss der Verhandlungen über die KI-Verordnung fertiggestellt und formell verschickt werden soll. ank
In einer gemeinsamen Anhörung des Umweltausschusses und des Wirtschaftsausschusses des EU-Parlaments hat sich eine Gruppe von Expert:innen am Montag größtenteils kritisch zum komplementären Delegated Act (CDA) zur EU-Taxonomie geäußert. Der CDA sieht vor, Finanzaktivitäten im Zusammenhang mit Gas und Kernenergie als “grün” zu kennzeichnen, was vor allem im Parlament für großen Unmut sorgt (Europe.Table berichtete).
Nancy Saich, Chefexpertin für Klimawandel bei der Europäischen Investitionsbank (EIB), gab zu bedenken, dass Investoren weder Kernenergie noch Gas auf dem Markt für grüne Staatsanleihen (Green Bonds) sehen wollen würden. Zwar könnten beide Technologien unter bestimmten Kriterien als “nachhaltig” eingestuft werden, aber nicht als “grün”, wie es der CDA-Vorschlag der Kommission vorsieht (Europe.Table berichtete).
Anlagen, deren Baugenehmigung vor dem 31. Dezember 2030 erteilt werden, sollen demnach bis zu 270 Gramm CO2 pro produzierte Kilowattstunde ausstoßen dürfen. Die EIB würde zwar auch solche Anlagen finanzieren, allerdings nur unter sozialen Kriterien, wie Energiesicherheit, aber nicht als “grüne” Investition, sagte Saich. Der Kommissionsvorschlag zum CDA zur Taxonomie schaffe zudem kein “Level Playing Field”, da er Gas und Kernkraft als “grün” kennzeichne, Wärme- und Wasserkraft aber nicht, so die Expertin.
Hartwig Liersch, verantwortlich für Investitionen beim niederländischen Pensionsfonds Pensioenfonds Metaal en Techniek, kündigte an, dass man beim Kauf von Green Bonds, die die Finanzierung von Erdgas beinhalten, “sehr zögerlich” sein werde. Jedoch stellte er auch klar, dass die Taxonomie keine Investitionspflicht in die betroffenen Technologien darstelle.
Sébastien Godinot, leitender Wirtschaftswissenschaftler beim European Policy Office des WWF, war der stärkste Kritiker der vierköpfigen Expertenrunde, die von den Abgeordneten befragt wurde. Er kritisierte, dass der CDA keine Chancen für Investoren böte, sondern nur “noch mehr Verwirrung”. Andere Länder hätten strengere Kriterien für grüne Investments als die EU, fuhr er fort. Sogar Japan habe seine Sorge geäußert, dass Kernenergie in die grüne Kategorie fällt. Banken und Investmentgesellschaften, darunter Deutsche Bank und Blackrock, würden den CDA ebenfalls nicht befürworten, so der Ökonom.
Einzig Stephen Quest, Generaldirektor der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC), verteidigte den CDA-Vorschlag. Die Einbeziehung der Kernenergie könnte die Entwicklung von Lösungen für die noch offenen Probleme fördern, argumentierte er in Bezug auf die noch ungeklärte Frage des nuklearen Abfalls. Es gebe bereits technische Lösungen, nun müssen diese in den Mitgliedstaaten implementiert werden, forderte Quest. luk
Die EU hat ihr selbst gestecktes Ziel an Ausgaben für den Klimaschutz nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofs deutlich verfehlt. “Wir haben festgestellt, dass im Zeitraum 2014 bis 2020 nicht alle gemeldeten klimabezogenen Ausgaben aus dem EU-Haushalt tatsächlich dem Klimaschutz dienten”, erklärte die zuständige Prüferin Joëlle Elvinger am Montag.
Die Europäische Kommission hatte zuvor mitgeteilt, die EU habe ihr Ziel, mindestens 20 Prozent für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben, erfüllt. Konkret habe sie 216 Milliarden Euro für den Klimaschutz ausgegeben, was 20,1 Prozent des Haushalts entspreche. Die Prüfer stellten in dem am Montag veröffentlichten Bericht allerdings fest, dass nur etwa 13 Prozent der Ausgaben klimarelevant waren. Mindestens 72 Milliarden Euro waren es dementsprechend nicht.
Konkret bemängelte der Rechnungshof, dass die derzeitige Methode zur Nachverfolgung von Ausgaben auf Annahmen beruhe. Der endgültige Klimaschutz-Beitrag werde nicht bewertet. Deshalb würden manchmal Ausgaben auch dann als klimarelevant angesehen, wenn die damit geförderten Projekte und Programme kaum oder gar keine Auswirkungen auf das Klima hätten. In anderen Fällen blieben potenzielle negative Auswirkungen unberücksichtigt, wie etwa der Einfluss von CO2-Emissionen. So entfalle die Hälfte der gemeldeten Klimaausgaben auf die Landwirtschaft, bei der die Treibhausgasemissionen allerdings seit 2010 nicht zurückgegangen seien.
Die wichtigsten als klimarelevant eingestuften Ausgabenprogramme betreffen Landwirtschaft, Infrastruktur und regionale Entwicklung. Der Bereich, in dem nach Angaben der Prüfer die höchsten Ausgaben zu Unrecht verbucht wurden, ist die Agrarförderung. Demnach sind die klimarelevanten Ausgaben um fast 60 Milliarden Euro zu hoch angesetzt worden. Außerdem sollen auch Teilbereiche wie beim Bahnverkehr, bei der Stromerzeugung oder Biomassenutzung überschätzt worden sein.
Im Bericht schlägt der Rechnungshof zudem Änderungen bezüglich der Berichterstattung über die Klimaausgaben für den Zeitraum 2021 bis 2027 vor. Dann erhöht sich das Ausgabenziel der EU für den Klimaschutz auf 30 Prozent. “Deshalb sprechen wir eine Reihe von Empfehlungen aus, um die Vergabe von EU-Mitteln enger mit den Klima- und Energiezielen der EU zu verknüpfen.” Beispielsweise solle die EU-Kommission begründen, inwiefern die Agrarförderung zum Klimaschutz beitrage. dpa
Die meiste Zeit seines Lebens lebte David Schönwerth in Stuttgart, nicht mal 100 Kilometer Luftlinie von der französischen Grenze entfernt. Doch das erste Mal, dass er – abgesehen von einem Tagestrip nach Straßburg – so richtig nach Frankreich kam, war für sein Masterstudium in Public Policy an der Sciences Po in Paris. Schönwerth, der zudem Mitglied bei den Jungen Liberalen ist, hatte vorher Wirtschaftsinformatik in Stuttgart und Hohenheim studiert, ihn beschäftigte aber die Frage, wie Daten die Gesellschaft verändern.
Seit 2021 ist der 25-Jährige Referent für Data Economy im Bereich AI und Big Data beim Digitalverband Bitkom. 2017 erhielt Bitkom vom Verein Digitalcourage den Negativpreis “Big Brother Award” für, wie es damals hieß, “unkritisches Promoten von Big Data, seine penetrante Lobbyarbeit gegen Datenschutz und weil er de facto eine Tarnorganisation großer amerikanischer Konzerne ist”.
Schönwerth wehrt sich gegen die Vorwürfe: “80 Prozent der Unternehmen, die wir vertreten, haben ihren Hauptsitz in Deutschland, nochmal rund 8 Prozent kommen aus Europa. Die Mitgliederliste des Bitkom ist transparent und offen für alle auf unserer Website einsehbar. Beim Datenschutz ist unsere Linie klar und es ist gut, dass es die Datenschutzgrundverordnung jetzt gibt.” Wichtig sei aber, die Balance zwischen Datensparsamkeit und Datenverfügbarkeit zu finden.
“Der Datenschutz ist wichtig, aber die Lösung kann nicht sein, dass wir bei uns Datenschutz machen und die Daten, die wir benötigen, dann woanders kaufen.” Und von Datenaustausch würde nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Bevölkerung profitieren: Bei der Pandemiebekämpfung, bei der Krebsvorsorge und im Krisenfall, wo Datenaustausch bei der Problemlösung helfen könnte.
Mit dem Data Act sei ein Schritt getan, aber einige Unternehmen hätten noch Sorgen, dass Geschäftsgeheimnisse durch den Datenaustausch gefährdet seien. Eine Anfang Mai 2022 veröffentlichte Umfrage des Bitkom bescheinigt deutschen Unternehmen zwar eine zunehmende Sensibilität für datengetriebene Geschäftsmodelle, drei Viertel der Firmen hätten in dem Bereich aber Nachholbedarf.
63 Prozent der Unternehmen teilen demnach keine Daten, was laut Schönwerth aber eine “immens große Rolle spielt”, um wirtschaftlich Schritt zu halten. Dazu brauche man aber das Personal, das die Daten auswerten kann. Da müsse man schon bei der Schulbildung ansetzen. “Sonst ist man in gewisser Weise nicht so souverän, wie man sein will.”
Ein weiteres Problem sei “ein sich immer weiter entwickelndes Regelungswirrwarr” aus nationalen und EU-Vorgaben mit Datenbezug. Schönwerth zählt auf: zahlreiche Dateninitiativen im Koalitionsvertrag, DSGVO, perspektivisch die ePrivacy-Verordnung, Data Governance Act, Data Act, die Künstliche Intelligenz-Verordnung. “Das kann gerade im Mittelstand Unsicherheit schaffen. Wenn ich mich da nicht orientieren kann, was ich darf und was nicht – dann lass ich es im Zweifelsfall. Und das ist ein Innovationshemmer.” Gabriel Bub
die Staats- und Regierungschefs der EU haben auf dem außerordentlichen Gipfel bis in die Nacht verhandelt und sich auf einen Kompromiss beim Ölembargo geeinigt. Ungarn, Tschechien und die Slowakei pochten auf Garantien, die ihnen schließlich auch zugestanden wurden. Stephan Israel und Eric Bonse berichten aus Brüssel.
Anfang Mai stellte die Kommission den Verordnungsentwurf zum europäischen Gesundheitsdatenraum vor. Ein “Meilenstein der europäischen Medizingeschichte” sollte er sein. Aber seither wird vor allem über das Thema Datenschutz und Vertraulichkeit von Patientendaten heiß debattiert. Wer aus Forschung und Industrie bekommt Zugang zu Gesundheitsdaten? Wie wird der Zugang geregelt? Und welche Schritte muss Deutschland noch gehen, um bis zum Inkrafttreten der Verordnung digital und rechtlich fit zu sein? Meine Kollegin Eugenie Ankowitsch hat die verschiedenen Positionen und Argumente analysiert.
Wie verändern Daten die Gesellschaft? Um sich dieser Frage zu widmen, arbeitet der Stuttgarter David Schönwerth als Referent für Data Economy im Bereich AI und Big Data beim Digitalverband Bitkom. Dort plädiert er für einen sinnvollen Datenaustausch, wie er im Portrait erklärt.
Noch eine Personalie aus der EU-Politik: Manfred Weber wird heute aller Voraussicht nach zum Vorsitzenden der größten europäischen Parteienfamilie EVP gewählt. Der 49-jährige CSU-Politiker geht als einziger Kandidat für die Nachfolge des früheren EU-Ratspräsidenten und polnischen Regierungschefs Donald Tusk ins Rennen.
Charles Michel verkündete die politische Einigung kurz vor Mitternacht per Twitter. Der Einfuhrstopp betreffe unmittelbar “zwei Drittel der Ölimporte aus Russland”. Damit beschneide die EU eine wichtige Einnahmequelle zur Finanzierung der russischen Kriegsmaschine, so der EU-Ratspräsident. Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete, “die EU ist sich einig. Wir haben uns auf einschneidende Sanktionen gegen Russland verständigt”.
Grundlage für die Einigung ist der Kompromissvorschlag (Europe.Table berichtete), den die EU-Kommission vor Beginn des außerordentlichen Gipfels am Montag auf den Tisch gelegt hat. So will die EU den Import von Öl aus Russland auf dem Seeweg bis Ende des Jahres beenden. Öl, das über die Druschba-Pipeline kommt, ist hingegen vorerst vom Embargo ausgenommen.
Die Diskussion zog sich zuletzt in die Länge, weil neben Ungarn auch Tschechien und die Slowakei zusätzlich zur “temporären Ausnahme” neue Forderungen stellten. Die drei Länder hängen fast ausschließlich an der Druschba-Pipeline und verfügen zudem über Raffinerien, die derzeit zum Teil nur russisches Öl verarbeiten können. Bei Ankunft der Staats- und Regierungschefs am Nachmittag schien eine Einigung noch sehr unsicher. Ministerpräsident Viktor Orbán sprach zwar von einer “guten Lösung für Ungarn”, forderte aber plötzlich Garantien für den Fall, dass die Ukraine die Druschba-Pipeline unterbrechen sollte.
Konkret soll Ungarn nun im Notfall über die Adria-Pipeline Öl aus Russland beziehen können, um seine Raffinerien zu versorgen. Dies zumindest, bis die Umstellung auf andere Ölsorten erfolgt ist, was einige Zeit braucht. Das russische Öl dürfte als Teil der Ausnahmeregelung sogar auf dem Seeweg geliefert werden. Die Adria-Pipeline beginnt auf kroatischen Insel Krk.
Ähnlich spezifisch sind die Probleme in Tschechien. Dem Land würden bei einem Ausfall der Druschba-Pipeline zwei Millionen Tonnen Diesel und damit ein Drittel des jährlichen Bedarfs aus den heimischen Raffinerien fehlen. Tschechiens Premier Petr Fiala forderte am Gipfel diesbezüglich ebenfalls Hilfszusagen von den Nachbarstaaten und Garantien, die Kapazitäten der Transalpine-Ölleitung rasch ausbauen zu können. Diese Pipeline führt vom Hafen Triest nach Deutschland, verfügt aber bereits über einen Seitenast nach Tschechien.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich bereits bei der Ankunft optimistisch gezeigt: “Alles, was ich höre, klingt danach, dass es einen Konsens geben könnte”. Scholz stellte zudem klar, dass Deutschland ebenso wie Polen nicht von der Ausnahme für die Druschba-Pipeline profitieren wolle. Die beiden Länder wollen bis Ende des Jahres ohnehin den Import von Öl aus Russland beenden. Kommissionspräsident Ursula von der Leyen wollte bei der Ankunft hingegen nicht an eine Einigung glauben. Das Embargo dürfe kein Land in der EU unfair belasten: “Und genau diese Frage haben wir noch nicht gelöst”.
Die Zurückhaltung dürfte allerdings auch taktisch begründet gewesen sein. Ursula von der Leyen musste sich zuletzt einige Kritik an der Vorbereitung des sechsten Sanktionspakets mit dem Ölembargo als Knackpunkt anhören. Die Kommission habe das Paket nicht korrekt mit den Mitgliedstaaten vorbereitet, sagte Orbán und sprach von “unverantwortlichem Verhalten”. Auch Österreichs Karl Nehammer kritisierte die Art, wie die EU-Kommission das “schwierige Thema” vorbereitet habe. Statt mit den Mitgliedstaaten einzeln zu reden, sei die Diskussion “auf der großen Bühne” geführt worden.
Von der Leyen hatte das sechste Sanktionspaket Anfang Mai präsentiert. Ursprünglich sollte der Import von russischem Rohöl unabhängig vom Transportweg innerhalb von sechs Monaten und der für Ölprodukte wie Diesel und Benzin innerhalb von acht Monaten beendet werden. Für Ungarn und die Slowakei waren Übergangsfristen bis Ende 2023 vorgesehen.
Der Gipfel werde auf die “temporäre Ausnahme” für Ungarn zurückkommen, verteidigte von der Leyen das Zugeständnis an Ungarn. Tschechien soll hingegen einer Übergangsfrist von 18 Monaten zugestimmt haben.
Auch Premierminister Mark Rutte verteidigte den Deal. “Wir haben nichts verwässert”, sagte der Niederländer. Die Strafmaßnahmen würden immerhin zwei Drittel der russischen Ölexporte tangieren. Da auch Deutschland und Polen ab Ende des Jahres kein russisches Öl mehr beziehen wollten, decke das Embargo de facto sogar 90 Prozent der bisherigen russischen Ölexporte in die EU ab.
Rutte zeigte Verständnis für die Anliegen einiger osteuropäischer Staaten. Die Niederlande und Belgien gehörten zugleich zu den Staaten, die am Ende vor unfairem Wettbewerb warnten und auf Garantien für einen Level playing field pochten. Ungarn, Tschechien und die Slowakei sollten günstigeres russisches Öl nicht weiterverkaufen und Seehäfen in Belgien oder den Niederlanden Konkurrenz machen dürfen.
Russland verdient mit dem Ölexport deutlich mehr als mit Erdgas. Dort ist Moskau selber dabei, den Hahn zuzudrehen. Der niederländische Gashändler GasTerra meldete am Montag, dass man der russischen Forderung, Rechnungen in Rubel zu begleichen, nicht Folge geleistet habe: “Als Antwort auf GasTerras Entscheidung hat Gazprom erklärt, die Gaslieferungen ab dem 31. Mai einzustellen”, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Allerdings wäre der Vertrag der Niederländer ohnehin am 1. Oktober ausgelaufen. Man sei auf die Situation vorbereitet und habe zusätzliches Gas von anderen Lieferanten besorgt, so der Versorger.
Auf ein Ende der Lieferungen stellt man sich auch in Dänemark ein. Die nächste Rechnung sei diese Woche fällig und man habe nicht vor, in Rubel zu bezahlen, schreibt der dänische Energiekonzern Ørsted. Das Risiko sei da, dass Gazprom kein Gas mehr liefere. Aber auch Ørsted erwartet keine Probleme bei der Versorgung von Haushalten und Firmen. Gazprom hat die Gaslieferungen nach demselben Muster bereits nach Bulgarien und Polen eingestellt.
Der Streit um das Ölembargo hatte das gesamte sechste Sanktionspaket aufgehalten. Das Paket enthält auch andere einschneidende Maßnahmen wie den Ausschluss von Sberbank, des größten russischen Finanzinstituts, vom Zahlungsdienstleister Swift. Tankschiffbetreiber können mit europäischen Versicherern und Rückversicherern überdies keine Verträge mehr abschließen. Auch das Verbot weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem russischen Ölexport ist Teil des Pakets geblieben.
Der EU-Ratspräsident bestätigte, dass das Verbot von drei weiteren staatlichen Propagandasendern Russlands ebenfalls kommt. Zudem sollen weitere Personen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden, mit Einreise- und Kontensperren belegt werden. Das Sanktionspaket werde am Mittwoch formell von den EU-Botschaftern verabschiedet werden, sagte Charles Michel. Es tritt kurz danach mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Staats- und Regierungschefs der EU dazu aufgerufen, seinem Land schnell den Status des Beitrittskandidaten zu gewähren. Ohne die Ukraine werde es niemals eine “vollwertige europäische Macht” geben, sagte er in einer Videoansprache beim EU-Gipfel in Brüssel. “Wir müssen wie Sie sein. Wir wollen, dass die Ukraine den Kandidatenstatus erhält”, erklärte Selenskyj. Spätestens im Juni müsse es so weit sein.
Mit seiner Forderung reagierte Selenskyj auf die Entscheidung der EU, das Beitrittsgesuch zunächst zu prüfen. “Der Europäische Rat nimmt die Vorbereitung der Stellungnahmen der Kommission zu den Anträgen der Ukraine sowie der Republik Moldau und Georgiens auf EU-Mitgliedschaft zur Kenntnis und wird sich auf seiner Tagung im Juni erneut damit befassen”, heißt es in der Gipfel-Erklärung. Zudem bekundeten die Staats- und Regierungschefs, der Ukraine in diesem Jahr eine außerordentliche Finanzhilfe von bis zu neun Milliarden Euro zu gewähren.
Die EU-Kommission will rechtzeitig vor dem regulären EU-Gipfel Ende Juni eine Empfehlung zum Kandidatenstatus abgeben. Es sei noch nicht klar, wie sie ausfallen werde, sagte ein EU-Diplomat, auch in der Brüsseler Behörde gebe es noch Debatten. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte vorgeschlagen, die Ukraine und anderen Ländern zunächst in eine neue “politische Gemeinschaft” aufzunehmen. Selenskyj lehnt dies jedoch ab.
Der ukrainische Präsident forderte die EU auch auf, schnell weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. “Warum kann Russland mit dem Verkauf von Energie immer noch fast eine Milliarde Euro pro Tag verdienen?”, fragte Selenskyj. Die EU müsse zusammenstehen und dürfe sich nicht von Russland erpressen lassen. “Europa muss Stärke zeigen. Denn Russland nimmt nur Macht als Argument ernst”, so Selenskyj.
Im Gegensatz zu früheren Reden nannte er die Bremser diesmal nicht beim Namen. Allerdings war auch so klar, dass es vor allem um Ungarn geht. Ausdrücklich dankte Selenskyj der EU dafür, dass sie sich um Kompromisse bemühe. Diese sollen die seit vier Wochen festgefahrenen Verhandlungen über ein Ölembargo wieder flott machen.
01.06.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
Eco, Diskussion Politik im Gespräch – Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller
Beim Verband der Internetwirtschaft (Eco) wird der neue Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, einen Ausblick auf die zentralen Schwerpunkte, Maßnahmen und die relevanten digitalpolitischen Vorhaben geben. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
Seminar Energy communities in Europe and beyond
This seminar discusses a variety of conflicting expectations, assumptions and expected roles regarding the term “energy communities”. INFOS & REGISTRATION
01.06.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
Florence School of Regulation, Panel Discussion What is missing for Ukraine to join the Internal Energy Market?
The Florence School of Regulation (FSR) will discuss the possibility for Ukraine to participate actively in the Internal electricity and gas markets in the short term. INFOS & REGISTRATION
01.06.2022 – 19:00-20:30 Uhr, online
EUD, Diskussion Krieg in der Ukraine: Deutschland im Angesicht seiner Vergangenheit
Die Europa Union Deutschland (EUD) diskutiert über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dessen geschichtliche wie politische Dimension für Deutschland. INFOS & ANMELDUNG
02.06.-03.06.2022, Eigtveds Pakhus (Dänemark)
EC 8th Energy Infrastructure Forum
The European Commission gathers representatives of the EU institutions, transmission system operators, project promoters, regulators, energy companies, NGOs and civil society and the financing community to discuss the challenges of modernizing Europe’s energy infrastructure to ensure a truly functioning internal energy market. INFOS & REGISTRATION
02.06.-03.06.2022, online
EEN Climate Transformation Summit 2022
The Enterprise Europe Network (EEN) invites climate tech pioneers, scientists, innovaters and companies that plan to take measures to decarbonise their supply chain. INFOS & REGISTRATION
02.06.2022 – 10:00 Uhr, online
BVMW, Seminar Treibhausgas-Bilanz erstellen – Grundlagen & Praxis
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zeigt, wie man eine eigene Treibhausgasbilanz für ein Unternehmen erstellt. INFOS & ANMELDUNG
02.06.2022 – 13:00-14:00 Uhr, online
EEN, Seminar Der EIC Accelerator
Das Enterprise Europe Network (EEN) geht auf den “EIC Accelerator” ein, der die Phasen vom Prototyp zum Markteintritt und das rasche Wachstum von Start-Ups und KMUs fördert. INFOS & ANMELDUNG
02.06.2022 – 17:00-19:00 Uhr, online
HBS, Panel Discusssion Germany’s Gas Supply Challenge at Times of War in Ukraine
This online panel discussion aims to shed light on the possible political answers and economic instruments to manage the gas supply crisis for Germany. INFOS & REGISTRATION
23.06.2022 – 14:00-17:30 Uhr, Berlin
Allianz Pro Schiene, Seminar Digitale KV-Einstiegsportale als Wachstumstreiber für den Schienengüterverkehr
Die Allianz Pro Schiene klärt über digitale Einstiegsportale für den Kombinierten Verkehr (KV) auf. ANMELDUNG BIS 31.05.
Anfang Mai hat die Europäische Kommission einen Verordnungsentwurf für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) vorgelegt (Europe.Table berichtete). Bereits bei der Vorstellung des Vorschlags wurde deutlich, welche Themen in den nächsten Monaten in den Diskussionen rund um den EHDS die Hauptrolle spielen werden. Ganz vorn dabei war der Datenschutz und die Vertraulichkeit von Patientendaten. Sowohl Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas als auch die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides wurden nicht müde zu betonen, dass man sich bewusst sei, wie wichtig der Datenschutz im Gesundheitsbereich sei und alle Regelungen in der Verordnung unbedingt der Datenschutzgrundverordnung zu entsprechen hätten.
Vor allem im Europäischen Parlament dürften der Datenschutz und die Fragen rund um die Verfahren einer sicheren Anonymisierung und Pseudonymisierung von Gesundheitsdaten im Mittelpunkt der Debatten stehen. Darauf deutet auch der Umstand, dass inzwischen der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) als federführender Ausschuss vorgeschlagen wurde. Die Ausschüsse für Haushalt (BUDG), Binnenmarkt (IMCO), Umwelt und Gesundheit (ENVI) sowie Industrie und Forschung (ITRE) sollen mitberaten. Noch ist diese Zuweisung nicht endgültig, da die mitberatenden Ausschüsse für sich eine größere Rolle beanspruchen könnten und sehr wahrscheinlich auch werden. Vor allem beim ENVI-Ausschuss könnte das der Fall sein. Im ITRE-Ausschuss wurde das Dossier bereits der Europäischen Volkspartei (EVP) zugewiesen.
Indes weckt der Verordnungsentwurf vor allem bei der Industrie, aber durchaus auch in der Forschungsszene oder bei Verbraucher- und Patientenverbänden breite Zustimmung. Zugleich zeichnet sich ab, dass gerade der Zugang des Privatsektors zu Gesundheitsdaten für hitzige Diskussionen sorgen wird. In einigen EU-Ländern ist die Industrie Stand heute nicht antragsberechtigt, wenn es um den Zugang zu Gesundheitsdaten geht.
Nicht verwunderlich also, dass sich die betroffenen Branchen, wie Pharma und Medtech, beeilten, einen Platz am Tisch zu beanspruchen. MedTech Europe etwa forderte in der ersten Reaktion zum Kommissionsvorschlag einen gleichberechtigten Zugang zu Daten ein. Bitkom, der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, betonte ebenfalls, dass mit dem EU-Vorhaben der privaten Forschung “ein Antragsrecht auf die Nutzung von freiwillig zur Verfügung gestellten, pseudonymisierten Gesundheitsdaten” gewährt werden sollte.
Das European Patients’ Forum (EPF), Dachorganisation der europäischen Patientenverbände, begrüßte den Kommissionsvorschlag, forderte allerdings eine konkrete und sinnvolle Einbeziehung der Patienten beim geplanten EHDS-Ausschuss. Damit soll sichergestellt werden, dass ihre Bedürfnisse in vollem Umfang berücksichtigt werden und die Patientensicherheit auf allen Ebenen gewährleistet ist. Die Teilnahme von Patienten und Patientenvertretern an den Sitzungen des Ausschusses sollte außerdem nicht von den diskutierten Themen und deren Sensibilität abhängig gemacht werden.
Die Ärzteschaft reagierte wie erwartet zurückhaltend auf den Verordnungsentwurf und verwies auf die Risiken der Nutzung von Gesundheitsdaten. Ständiger Ausschuss der Europäischen Ärzte (CPME) forderte ethisch einwandfreie Regeln für den Austausch von Gesundheitsdaten. Die medizinische Forschung sei zwar für die Entwicklung neuer Behandlungen und Medikamente unerlässlich. Die Möglichkeiten der Forschung mit “Big Data” sollten jedoch nicht zu einer Aufweichung der geltenden ethischen Standards führen. Patientenautonomie, Würde, Privatsphäre und das Recht auf Selbstbestimmung müssten stets gewährleistet sein.
Beim Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) stieß der Kommissionsvorschlag auf besonders große Bedenken. Die vordergründig gute Idee, alle EU-Bürger sollten jederzeit im EU-Raum auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen können, berge bei genauerem Hinsehen das Risiko einer Entwicklung in Richtung “gläserner Bürger”, kritisiert der Verband.
Laut bvvp schafft eine europäische elektronische Patientenakte ein Datenvolumen in nie dagewesenem Ausmaß. Noch sei nicht genau definiert, wer, wann, welche Daten in diese Akten stellen darf, soll oder gar muss. Besonders kritisch sieht der Verband das Vorhaben, pauschal pseudonymisierte Gesundheitsdaten, ohne genaue Definition des Pseudonymisierungsverfahrens für die Forschung freigeben zu wollen.
Just an dem Tag, an dem die Kommission ihren EHDS-Vorschlag vorstellte, reichte die Gesellschaft für Freiheitsrechte in Deutschland gegen diese Form der Datennutzung eine Klage ein. Ab Oktober sollen gemäß Digitale-Versorgung-Gesetz aus dem Jahr 2019 Gesundheitsdaten von allen 73 Millionen gesetzlich Versicherten pseudonymisiert gesammelt und der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Das wollen die Bürgerrechtler mit der Klage verhindern.
In seinem von den Bürgerrechtlern beauftragten Gutachten kommt der Kryptographe Dominique Schröder zur Schlussfolgerung, dass die vorgesehene Pseudonymisierung für den Schutz der Patientendaten nicht ausreicht. Selbst mit öffentlich zugänglichen Datensätzen könnten die Patient:innen auf einfache Weise re-identifiziert werden. Der Experte kritisiert außerdem das zentrale Sammeln der Daten beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen als “überflüssig und gefährlich”. Wegen der grundsätzlichen rechtlichen Fragen zielen die Kläger mit ihren Anträgen perspektivisch auch auf eine Klärung der Rechtslage durch den Europäischen Gerichtshof ab.
Elektronische Rezepte und Patientenakten, Notfalldatensätze und Datennutzung für Forschungszwecke: Ein deutscher Gesundheitsminister nach dem anderen scheiterte in den vergangenen Jahren an der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) warnte jüngst davor, die ePA automatisch kurzfristig zu aktivieren. In einer Resolution forderte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) vor wenigen Tagen mehr Unterstützung und Anreize beim E-Rezept. Ansonsten wollen sie sich aus entsprechenden Gematik-Prozessen ausklinken, was einem Boykott gleichkommt. Das wirft die Frage der Machbarkeit und der Umsetzbarkeit des ambitionierten EHDS-Vorhabens auf, das nach dem Willen der Kommission im Jahr 2025 starten soll.
Vor allem für Deutschland sei der externe Druck durch die EU-Gesetzgebung eminent wichtig, sagte Henrik Matthies, Gründer und CEO von Honic (Health Data Technologies GmbH) bei einer Veranstaltung in Berlin. “Denn sonst bewegt sich hier nichts”, lautet sein Fazit, dem einige Akteure im deutschen Gesundheitswesen zustimmen dürften. Bis vor wenigen Monaten war Matthies Managing Director des Health Innovation Hubs (hih). Der HIH war ein interdisziplinärer Experten-Think-Tank und Sparring-Partner für das Bundesministerium für Gesundheit mit Fokus auf das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen und lief mit dem Regierungswechsel Ende 2021 aus. Der in den letzten Jahren mühsam begonnene digitale Transformationsprozess in Deutschland müsste “in beeindruckender Geschwindigkeit” fortgeführt werden, um bereits im Jahr 2024 oder spätestens 2025 die Anforderungen des EHDS erfüllen zu können, meint der Digitalisierungsexperte.
Damit die EHDS-Verordnung Deutschland nicht unvorbereitet trifft, sei ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt ist, daher unverzichtbar. Derzeit mangele es hierzulande an Rechtssicherheit und einheitlicher Rechtsgrundlagen für die Zweitverwendung medizinischer Daten, insbesondere für die Forschung. “Wir brauchen Erlaubnistatbestände und nicht diese schwammigen ‘Nicht-Definitionen’, mit denen wir gerade arbeiten”, so Matthies.
Einen rechtlichen Rahmen für die Nutzung der Gesundheitsdaten forderten vor wenigen Tagen auch 14 Spitzenvertreter des Gesundheitsweisen, darunter Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse Jens Bass, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß und Geschäftsführer der Gematik Markus Leyck Dieken, in einem gemeinsamen Brief. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) sei ein Perspektivwechsel erforderlich, heißt es in dem Schreiben. Neben dem Schutz von Gesundheitsdaten vor Missbrauch als “Abwehrrecht” sollte gleichberechtigt ein “positives Anrecht der Bürger:innen auf bestmögliche Nutzung” der Gesundheitsdaten verankert werden.
“In einem solidarischen, dem Subsidiaritätsprinzip folgenden Gesundheitssystem”, so die Unterzeichner, “ergibt sich aus der allgemeinen Verfügbarkeit von Gesundheitsinformationen in digitaler Form auch eine solidarische Verantwortung des Einzelnen zur Unterstützung der Gemeinschaft, soweit dadurch keine persönlichen Nachteile zu befürchten sind.” Eine Schlussfolgerung, die gesellschaftlichen Sprengstoff beinhaltet, wie die Diskussionen während der Corona-Pandemie eindrücklich zeigten. Den Risiken, wie die Verletzung der Privatsphäre, Stigmatisierung, Diskriminierung oder Benachteiligung durch Datenmissbrauch, könnte man “durch geeignete informationstechnische, organisatorische und ggf. auch durch verschärfte (straf-)rechtliche Maßnahmen”, entgegenwirken.
Aus der Sicht der Autoren sollte das Gesetz eine bundeseinheitliche Grundlage für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten schaffen, “die eine möglichst einheitliche Auslegung und Anwendung des Datenschutzrechts durch die derzeit 18 Datenschutzbehörden auf Bundes- und Landesebene” sicherstellt. Die Rolle und Funktion von Forschungsdatenzentren sollten definiert werden, “mit klaren Regeln für Zugang und Nutzung im Interesse gemeinwohldienlicher Forschungsfragen”. Außerdem sollten Leistungserbringer verpflichtet werden, Gesundheitsdaten möglichst sofort nach Generierung den Patienten zur Verfügung zu stellen.
Noch in der aktuellen Legislaturperiode will die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides einen Verhaltenskodex zum Recht auf Vergessenwerden für ehemalige Krebspatienten erarbeiten. “In den vergangenen Jahrzehnten hat es enorme Fortschritte hinsichtlich der Überlebensrate bei Krebserkrankungen gegeben, bei Kindern können bis zu 80 Prozent der Krebserkrankungen geheilt werden”, erklärte Kyriakides bei einer Veranstaltung. Es sei inakzeptabel, dass ehemalige Krebspatienten noch auf Jahre und Jahrzehnte mit zahlreichen sozialen und finanziellen Hindernissen, beispielweise beim Zugang zu finanziellen Dienstleistungen wie Hypotheken und Krediten, konfrontiert sind.
Gemeinsam mit der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness will Kyriakides im laufenden Jahr weitere Informationen und Erkenntnisse sammeln, um den Boden für den Verhaltenskodex zu bereiten. Das Ziel sei es, den Verhaltenskodex Anfang 2024 anzunehmen. Die EU-Gesundheitskommissarin verwies dabei auf die jüngste Studie, die im Auftrag von DG Santé durchgeführt wurde. Die Studie sollte einen Überblick über den aktuellen Umgang der Mitgliedstaaten mit dem Recht auf Vergessenwerden für ehemalige Krebspatienten verschaffen.
Demnach haben Belgien, Frankreich, die Niederlande und Portugal bereits entsprechende Gesetze erlassen. In Italien und Rumänien befinden sich analoge Regelungen im Gesetzgebungsprozess. In Luxemburg haben das Gesundheitsministerium und Versicherungsgesellschaften eine Vereinbarung zur Erleichterung des Zugangs zu Versicherungen für ehemalige Krebspatienten getroffen. Einige Mitgliedstaaten haben den fairen Zugang zu Finanzprodukten in allgemeinen Rechtsvorschriften berücksichtigt, wie etwa in allgemeinen Antidiskriminierungsvorschriften in Ungarn.
Alle nationalen Bestimmungen sehen vor, dass im Rahmen von Versicherungen oder Darlehensverträgen der Zeitraum, nach dem keine medizinischen Informationen über Krebs von Versicherungsgesellschaften gesammelt werden dürfen, zehn Jahre nach Beendigung der Behandlung nicht überschreiten darf. Die französischen und niederländischen Rechtsvorschriften sehen vor, dass bei Krebserkrankungen, die vor Vollendung des 18. beziehungsweise 21. Lebensjahres auftreten, die Laufzeit fünf Jahre nach dem Ende der Behandlung beträgt. Darüber hinaus enthalten diese Bestimmungen eine Liste von Ausnahmen für Krebserkrankungen mit einer ausgezeichneten Prognose, für die eine kürzere Frist für die Anerkennung des Rechts auf Vergessenwerden vorgesehen ist.
Laut der Studie gibt es vonseiten der Mitgliedstaaten eine recht breite Unterstützung für eine EU-weite Strategie zur Erleichterung des fairen Zugangs zu Finanzprodukten für ehemalige Krebspatienten, sowohl in Form von Rechtsvorschriften als auch in nicht legislativer Form. Bei den Interessenträgern gehen die Meinungen auseinander. Patientenvertreter und auch Vertreter der medizinischen Berufe und der Wissenschaft würden sich überwiegend für Politikmaßnahmen auf EU-Ebene aussprechen.
Der (Rück-)Versicherungs- und Finanzsektor reagiert dagegen erwartungsgemäß zurückhaltend. Die Mehrheit ist der Ansicht, dass die EU den Austausch von Methoden und Erfahrungen zwischen den Mitgliedstaaten unterstützen oder einen Verhaltenskodex zum Thema ausarbeiten sollte. Ein solcher Kodex sollte allerdings aus der Sicht der Finanzindustrie lediglich die Klarheit über die Auslegung der bestehenden Regeln schaffen. ank
Das Europäische Komitee für Normung (CEN), das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (Cenelec) und das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) sollen nach der Vorstellung der EU-Kommission europäische Normen entwickeln, die “die Unterstützung einer sicheren und vertrauenswürdigen künstlichen Intelligenz” ermöglichen. Das geht aus dem Entwurf eines Durchführungsbeschlusses der Kommission hervor.
Dabei sollten demnach bei der Ausarbeitung europäischer Normen und europäischer Normungsdokumente die politischen Ziele im Bereich der künstlichen Intelligenz berücksichtigt werden. Zu diesen politischen Zielen gehöre etwa, sicherzustellen, dass KI-Systeme, die in der EU in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, sicher sind, die Werte der Union respektieren und die digitale Souveränität der Union stärken. Darüber hinaus sollen Investitionen und Innovationen im Bereich der KI sowie die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum des Binnenmarktes gefördert werden. Die Kommission bereitet die Normungsinstitute zugleich auf ein breites öffentliches Interesse vor.
Die internationale Normung kann, heißt es im Entwurf, dazu beitragen, eine gemeinsame Vision von vertrauenswürdiger KI weltweit zu konsolidieren, und den Handel und die Beseitigung möglicher technischer Hindernisse in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen erleichtern. Die beauftragten Normungsinstitute können dabei bestimmte Normen, die auf internationaler Ebene von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) in einschlägigen Bereichen entwickelt wurden, als europäische Normen übernehmen. Zuvor sollten diese jedoch an die Anforderungen der Künstlichen Intelligenz-Verordnung angepasst werden.
Die Kommission fordert die beauftragten Normungsinstitute auf, ein gemeinsames Arbeitsprogramm auszuarbeiten und es vorzulegen. Der Abschlussbericht soll bis zum 31. Oktober 2024 abgegeben werden. Die Kommission weist in dem Entwurf darauf hin, dass der Durchführungsbeschluss erst nach Abschluss der Verhandlungen über die KI-Verordnung fertiggestellt und formell verschickt werden soll. ank
In einer gemeinsamen Anhörung des Umweltausschusses und des Wirtschaftsausschusses des EU-Parlaments hat sich eine Gruppe von Expert:innen am Montag größtenteils kritisch zum komplementären Delegated Act (CDA) zur EU-Taxonomie geäußert. Der CDA sieht vor, Finanzaktivitäten im Zusammenhang mit Gas und Kernenergie als “grün” zu kennzeichnen, was vor allem im Parlament für großen Unmut sorgt (Europe.Table berichtete).
Nancy Saich, Chefexpertin für Klimawandel bei der Europäischen Investitionsbank (EIB), gab zu bedenken, dass Investoren weder Kernenergie noch Gas auf dem Markt für grüne Staatsanleihen (Green Bonds) sehen wollen würden. Zwar könnten beide Technologien unter bestimmten Kriterien als “nachhaltig” eingestuft werden, aber nicht als “grün”, wie es der CDA-Vorschlag der Kommission vorsieht (Europe.Table berichtete).
Anlagen, deren Baugenehmigung vor dem 31. Dezember 2030 erteilt werden, sollen demnach bis zu 270 Gramm CO2 pro produzierte Kilowattstunde ausstoßen dürfen. Die EIB würde zwar auch solche Anlagen finanzieren, allerdings nur unter sozialen Kriterien, wie Energiesicherheit, aber nicht als “grüne” Investition, sagte Saich. Der Kommissionsvorschlag zum CDA zur Taxonomie schaffe zudem kein “Level Playing Field”, da er Gas und Kernkraft als “grün” kennzeichne, Wärme- und Wasserkraft aber nicht, so die Expertin.
Hartwig Liersch, verantwortlich für Investitionen beim niederländischen Pensionsfonds Pensioenfonds Metaal en Techniek, kündigte an, dass man beim Kauf von Green Bonds, die die Finanzierung von Erdgas beinhalten, “sehr zögerlich” sein werde. Jedoch stellte er auch klar, dass die Taxonomie keine Investitionspflicht in die betroffenen Technologien darstelle.
Sébastien Godinot, leitender Wirtschaftswissenschaftler beim European Policy Office des WWF, war der stärkste Kritiker der vierköpfigen Expertenrunde, die von den Abgeordneten befragt wurde. Er kritisierte, dass der CDA keine Chancen für Investoren böte, sondern nur “noch mehr Verwirrung”. Andere Länder hätten strengere Kriterien für grüne Investments als die EU, fuhr er fort. Sogar Japan habe seine Sorge geäußert, dass Kernenergie in die grüne Kategorie fällt. Banken und Investmentgesellschaften, darunter Deutsche Bank und Blackrock, würden den CDA ebenfalls nicht befürworten, so der Ökonom.
Einzig Stephen Quest, Generaldirektor der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC), verteidigte den CDA-Vorschlag. Die Einbeziehung der Kernenergie könnte die Entwicklung von Lösungen für die noch offenen Probleme fördern, argumentierte er in Bezug auf die noch ungeklärte Frage des nuklearen Abfalls. Es gebe bereits technische Lösungen, nun müssen diese in den Mitgliedstaaten implementiert werden, forderte Quest. luk
Die EU hat ihr selbst gestecktes Ziel an Ausgaben für den Klimaschutz nach Ansicht des Europäischen Rechnungshofs deutlich verfehlt. “Wir haben festgestellt, dass im Zeitraum 2014 bis 2020 nicht alle gemeldeten klimabezogenen Ausgaben aus dem EU-Haushalt tatsächlich dem Klimaschutz dienten”, erklärte die zuständige Prüferin Joëlle Elvinger am Montag.
Die Europäische Kommission hatte zuvor mitgeteilt, die EU habe ihr Ziel, mindestens 20 Prozent für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben, erfüllt. Konkret habe sie 216 Milliarden Euro für den Klimaschutz ausgegeben, was 20,1 Prozent des Haushalts entspreche. Die Prüfer stellten in dem am Montag veröffentlichten Bericht allerdings fest, dass nur etwa 13 Prozent der Ausgaben klimarelevant waren. Mindestens 72 Milliarden Euro waren es dementsprechend nicht.
Konkret bemängelte der Rechnungshof, dass die derzeitige Methode zur Nachverfolgung von Ausgaben auf Annahmen beruhe. Der endgültige Klimaschutz-Beitrag werde nicht bewertet. Deshalb würden manchmal Ausgaben auch dann als klimarelevant angesehen, wenn die damit geförderten Projekte und Programme kaum oder gar keine Auswirkungen auf das Klima hätten. In anderen Fällen blieben potenzielle negative Auswirkungen unberücksichtigt, wie etwa der Einfluss von CO2-Emissionen. So entfalle die Hälfte der gemeldeten Klimaausgaben auf die Landwirtschaft, bei der die Treibhausgasemissionen allerdings seit 2010 nicht zurückgegangen seien.
Die wichtigsten als klimarelevant eingestuften Ausgabenprogramme betreffen Landwirtschaft, Infrastruktur und regionale Entwicklung. Der Bereich, in dem nach Angaben der Prüfer die höchsten Ausgaben zu Unrecht verbucht wurden, ist die Agrarförderung. Demnach sind die klimarelevanten Ausgaben um fast 60 Milliarden Euro zu hoch angesetzt worden. Außerdem sollen auch Teilbereiche wie beim Bahnverkehr, bei der Stromerzeugung oder Biomassenutzung überschätzt worden sein.
Im Bericht schlägt der Rechnungshof zudem Änderungen bezüglich der Berichterstattung über die Klimaausgaben für den Zeitraum 2021 bis 2027 vor. Dann erhöht sich das Ausgabenziel der EU für den Klimaschutz auf 30 Prozent. “Deshalb sprechen wir eine Reihe von Empfehlungen aus, um die Vergabe von EU-Mitteln enger mit den Klima- und Energiezielen der EU zu verknüpfen.” Beispielsweise solle die EU-Kommission begründen, inwiefern die Agrarförderung zum Klimaschutz beitrage. dpa
Die meiste Zeit seines Lebens lebte David Schönwerth in Stuttgart, nicht mal 100 Kilometer Luftlinie von der französischen Grenze entfernt. Doch das erste Mal, dass er – abgesehen von einem Tagestrip nach Straßburg – so richtig nach Frankreich kam, war für sein Masterstudium in Public Policy an der Sciences Po in Paris. Schönwerth, der zudem Mitglied bei den Jungen Liberalen ist, hatte vorher Wirtschaftsinformatik in Stuttgart und Hohenheim studiert, ihn beschäftigte aber die Frage, wie Daten die Gesellschaft verändern.
Seit 2021 ist der 25-Jährige Referent für Data Economy im Bereich AI und Big Data beim Digitalverband Bitkom. 2017 erhielt Bitkom vom Verein Digitalcourage den Negativpreis “Big Brother Award” für, wie es damals hieß, “unkritisches Promoten von Big Data, seine penetrante Lobbyarbeit gegen Datenschutz und weil er de facto eine Tarnorganisation großer amerikanischer Konzerne ist”.
Schönwerth wehrt sich gegen die Vorwürfe: “80 Prozent der Unternehmen, die wir vertreten, haben ihren Hauptsitz in Deutschland, nochmal rund 8 Prozent kommen aus Europa. Die Mitgliederliste des Bitkom ist transparent und offen für alle auf unserer Website einsehbar. Beim Datenschutz ist unsere Linie klar und es ist gut, dass es die Datenschutzgrundverordnung jetzt gibt.” Wichtig sei aber, die Balance zwischen Datensparsamkeit und Datenverfügbarkeit zu finden.
“Der Datenschutz ist wichtig, aber die Lösung kann nicht sein, dass wir bei uns Datenschutz machen und die Daten, die wir benötigen, dann woanders kaufen.” Und von Datenaustausch würde nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Bevölkerung profitieren: Bei der Pandemiebekämpfung, bei der Krebsvorsorge und im Krisenfall, wo Datenaustausch bei der Problemlösung helfen könnte.
Mit dem Data Act sei ein Schritt getan, aber einige Unternehmen hätten noch Sorgen, dass Geschäftsgeheimnisse durch den Datenaustausch gefährdet seien. Eine Anfang Mai 2022 veröffentlichte Umfrage des Bitkom bescheinigt deutschen Unternehmen zwar eine zunehmende Sensibilität für datengetriebene Geschäftsmodelle, drei Viertel der Firmen hätten in dem Bereich aber Nachholbedarf.
63 Prozent der Unternehmen teilen demnach keine Daten, was laut Schönwerth aber eine “immens große Rolle spielt”, um wirtschaftlich Schritt zu halten. Dazu brauche man aber das Personal, das die Daten auswerten kann. Da müsse man schon bei der Schulbildung ansetzen. “Sonst ist man in gewisser Weise nicht so souverän, wie man sein will.”
Ein weiteres Problem sei “ein sich immer weiter entwickelndes Regelungswirrwarr” aus nationalen und EU-Vorgaben mit Datenbezug. Schönwerth zählt auf: zahlreiche Dateninitiativen im Koalitionsvertrag, DSGVO, perspektivisch die ePrivacy-Verordnung, Data Governance Act, Data Act, die Künstliche Intelligenz-Verordnung. “Das kann gerade im Mittelstand Unsicherheit schaffen. Wenn ich mich da nicht orientieren kann, was ich darf und was nicht – dann lass ich es im Zweifelsfall. Und das ist ein Innovationshemmer.” Gabriel Bub