es sind chaotische Tage in Rom. Nach andauernden Spannungen innerhalb der Regierungskoalition hatte die Fünf-Sterne-Bewegung sich gestern bei der Abstimmung für ein milliardenschweres Konjunkturpaket enthalten. Italiens Premier Mario Draghi kündigte daraufhin seinen Rücktritt an, der Staatspräsident lehnte diesen aber ab. Isabel Cuesta Camacho berichtet über die Hintergründe der Regierungskrise und analysiert, wer nun profitieren könnte.
“Die Zeit läuft uns davon”, sagte Peter Handley, Referatsleiter für Rohstoffe in der DG Grow, gestern im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie. Für die Energie- und Mobilitätswende braucht Europa bestimmte Rohstoffe – und ist dabei massiv auf Importe angewiesen, etwa aus China. Mit einem Rohstoffgesetz will die Kommission gegensteuern. Erste Bausteine aus dem Gesetzespaket stellte Handley gestern im ITRE vor, Leonie Düngefeld fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
Cocktails flambés in Brüssel: Die kommenden Wochen werden im Zeichen der Gaskrise stehen. Am Mittwoch will die Kommission ihren Plan zur “winter preparedness” vorstellen, am 26. Juli findet eine außerordentliche Tagung des Energierates statt. Die Verhandlungen dürften intensiv werden, schreibt Claire Stam in ihrer wöchentlichen Kolumne What’s cooking in Brussels.
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat am Donnerstagabend auf einer Ministerratssitzung seinen Rücktritt angekündigt. Anschließend traf Draghi mit dem Präsidenten der Republik, Sergio Mattarella, zusammen, um ihn über seine Entscheidung zu informieren. Mattarella weigerte sich jedoch, den Rücktritt zu akzeptieren.
Unklar ist, wie es nun weitergeht. Mattarella könnte Draghi sogar von einer zweiten Amtszeit mit einer anderen Mehrheit überzeugen. Sollte es zu dieser Lösung kommen, würde die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) – der Hauptakteur in dieser Regierungskrise – aus der Exekutive in Italien ausgeschlossen werden.
“Die heutige Abstimmung im Parlament ist aus politischer Sicht ein sehr wichtiges Ereignis. Die Mehrheit der nationalen Einheit, die diese Regierung seit ihrer Gründung unterstützt hat, ist nicht mehr”, sagte Draghi und begründete so seine Entscheidung, zurückzutreten.
Draghis Entschluss folgt auf eine Woche heftiger Spannungen mit der M5S. Die Partei von Giuseppe Conte nahm am Donnerstag nicht an einer Vertrauensabstimmung über die Exekutive teil, die auch über ein großes Hilfspaket für die Italiener entscheiden sollte. Der Senat bestätigte dennoch das Vertrauen in die Exekutive und das Hilfspaket mit 172 zu 39 Stimmen und erreichte damit eine Mehrheit trotz des Boykotts der Fünf Sterne.
Die politische Krise kommt für Italien zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, denn das Land musste seine Wachstumsprognose mehrfach nach unten korrigieren und steht vor einem äußerst schwierigen Herbst mit einer galoppierenden Inflation.
Contes Ablehnung und Unzufriedenheit mit Draghis Linie hat seiner Argumentation nach mit einer Reihe von Themen zu tun, die von der Unterstützung für Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung über das Bürgereinkommen bis zur militärischen Unterstützung der Ukraine reichen. Letzteres soll der Grund dafür gewesen sein, dass der Außenminister und ehemaliges M5S-Mitglied Luigi di Maio seine Partei Ende Juni verließ (Europe.Table berichtete) und sich hinter Draghis Politik stellte.
Nach Di Maios Austritt hatte Draghi gewarnt, dass er nicht bereit sei, weiterhin die Regierung zu führen, wenn die M5S nicht Teil der Koalition sei. Angesichts möglicher vorgezogener Neuwahlen, die fast keiner der Parteien – besonders nicht der Fünf-Sterne-Bewegung – helfen würden, hatte die Partei von Conte sich zunächst zur Koalitionsregierung unter Draghi bekannt (Europe.Table berichtete). Die regulären Parlamentswahlen sind für das Frühjahr geplant.
Doch dann hatte Conte am Mittwochabend angekündigt, dass sich seine Partei bei der Entscheidung über das Hilfspaket und das Vertrauensvotum enthalten würde. Daraufhin hatte der Vorsitzende der Lega Nord Matteo Salvini mitgeteilt, dass er die Koalitionsregierung verlassen würde, wenn die M5S nicht an der Abstimmung teilnehme. Damit würde die Lega der großen Koalitionsregierung von Mario Draghi die Unterstützung entziehen, was unweigerlich zu vorgezogenen Neuwahlen führen würde.
“Wenn die M5S nicht an der Abstimmung teilnimmt, werden wir die Mehrheitsregierung beenden: Schluss mit den Kriegen, Drohungen und Verzögerungen. Wir müssen die Italiener zu Wort kommen lassen”, sagte Salvini. Es war ein Versuch, angesichts des Verlusts an Unterstützung in den vergangenen Monaten an Sichtbarkeit zu gewinnen.
Im Falle vorgezogener Wahlen würde die extreme Rechte profitieren. Nach einer Analyse italienischer Medien würden die Wahlen derzeit nur der rechtsextremen Giorgia Meloni, der Vorsitzenden der Brüder Italiens, zugutekommen. Ihre Partei liegt in den Umfragen derzeit bei etwa 25 Prozent. Wenn das Wahlrecht nicht reformiert wird und die rechte Koalition (Liga, Brüder Italiens und Forza Italia) zusammenbleibt, würde die Exekutive in die Hände dieses ideologischen Spektrums übergehen. Salvini wäre dann nur noch ein Minderheitspartner in der Koalition.
Schon seit Monaten spricht Binnenmarktkommissar Thierry Breton vom “globalen Wettlauf um die Sicherung von Ressourcen”, in dem Europa nicht hinterherhinken dürfe. Im RePowerEU-Plan kündigte die Kommission dann einen Vorschlag für ein Rohstoffgesetz an (Europe.Table berichtete). Gestern hat Peter Handley, Referatsleiter für Rohstoffe in der DG Grow, im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Parlaments erste Bausteine des geplanten Gesetzespakets vorgestellt. Die Kommission will den Entwurf bis Ende des Jahres vorlegen.
Mit ihrem Entwurf werde die Kommission viele der Forderungen aus dem Bericht des Europäischen Parlaments aufgreifen, sagte Peter Handley. Sie will in dem Gesetzespaket
Handley fasste noch einmal zusammen, worin sich alle einig sind: “Die Zeit läuft uns davon.” Die Gaskrise in Europa hat den Scheinwerfer endlich auch auf die Quasi-Monopole gelenkt, die Staaten wie China über Lieferketten strategisch wichtiger Rohstoffe haben – jene, an denen die europäische Energie- und Mobilitätswende hängt (Europe.Table berichtete).
Für kein Mineral ist die Situation kritischer als für Seltene Erden, sagte Handley, die für die Herstellung von Permanentmagneten benötigt werden. Europa braucht sie für Windturbinen, E-Fahrzeuge, Datenzentren und Ausrüstung für die Verteidigung sowie Luft– und Raumfahrt. Auch für Magnesiumimporte ist Europa zu 100 Prozent von China abhängig – Lieferausfälle im vergangenen Jahr haben kurzweilig zu Produktionsstopps in europäischen Unternehmen geführt. Auch weit oben auf der Liste besonders kritischer Rohstoffe stehen zum Beispiel Niob (Brasilien) und Borat (Türkei), welche die EU ebenfalls zu fast 100 Prozent importiert.
“Wir müssen alles tun, um die Wertschöpfung in Europa zu halten”, sagte Handley. Deshalb solle der Vorschlag auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, Substitution und Innovation basieren: Sekundärrohstoffe sollen wiederverwertet, Primärrohstoffe wenn möglich durch andere, weniger kritische Mineralien ersetzt werden.
Für europäische Bergbauprojekte seien die Genehmigungsverfahren das größte Hindernis. “Der Schlüssel ist, die Genehmigungen effizienter zu gestalten, ohne dadurch den ESG-Schutz zu schwächen”, sagte Handley. Mithilfe der zuständigen Behörden sollen diese Verfahren beschleunigt werden. Bergbau-, Raffinerie- und Recycling-Projekte mit strategischer Bedeutung für die EU sollen beim Zugang zu öffentlichen Mitteln Vorrang erhalten.
Um die Importquellen zu vervielfältigen, bestehen bereits strategische Partnerschaften mit Kanada, der Ukraine und mit Namibia. Außerdem verhandelt die Kommission zurzeit mit Norwegen. Mit den USA bestehe eine enge Zusammenarbeit über eine Arbeitsgruppe im Trade and Technology Council (TTC) (Europe.Table berichtete). Zudem haben die USA im Juni die Minerals Security Partnership (MSC) initiiert. Gemeinsam mit Deutschland, Australien, Kanada, Finnland, Frankreich, Deutschland, Japan, Südkorea, Schweden, dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Kommission wollen die USA über diese Plattform Projekte identifizieren und sicherstellen, dass diese sich an hohen ESG-Standards und Prinzipien der Kreislaufwirtschaft orientieren.
Welche Form die einzelnen Bausteine des Gesetzespakets genau haben werden, sagte Handley nicht. Wichtige Fragen bleiben offen. So hatten etwa die Staats- und Regierungschefs die Kommission im Mai in der Erklärung von Versailles aufgefordert, eine strategische Bevorratung kritischer Rohstoffe zu sondieren. Auch der Bericht des Parlaments hatte dies aufgenommen.
Die Berichterstatterin Hildegard Bentele (EVP) betonte, der Governance-Aspekt müsse noch stärker beachtet werden. “Die Fäden müssen in der EU an einer Stelle zusammenlaufen, um Synergien zu schaffen”, sagte ihre Sprecherin. “Das Thema muss horizontal von allen Kommissaren bearbeitet werden, denn die Ziele des Fit-for-55-Pakets haben alle Auswirkungen auf den Rohstoffbedarf.” Die Mitgliedstaaten müssen zudem stärker sensibilisiert werden. Kaum ein derzeitiger Rettungsplan enthalte das Thema Rohstoffförderung.
Manuela Ripa (Greens/EFA) forderte konkrete Ziele zu Recyclingkapazitäten. “Obwohl wir sehr viele Rohstoffstrategien diskutiert haben in den letzten Jahren, befinden wir uns heute in einer größeren Abhängigkeit von nicht-europäischen Staaten als je zuvor”, sagte sie. “Wir müssen das lineare Wirtschaftsmodell deshalb historisch beenden und der erste Kontinent werden, der neben der Klimaneutralität auch eine Kreislaufwirtschaft erreicht.”
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
18.07.2022 09:30 Uhr
Themen: Gedankenaustausche zur russischen Aggression in der Ukraine, zu den Beziehungen der EU zu Lateinamerika und der Karibik (LAC) und zur digitalen Diplomatie.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
18.07.2022 10:00 Uhr
Themen: Vorstellung des Arbeitsprogramms der tschechischen Ratspräsidentschaft, Vorstellung der Regulierung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die Kommission, Gedankenaustausch zur Lage auf den Agrarmärkten (insbesondere infolge der Invasion der Ukraine).
Vorläufige Tagesordnung
Informelles Treffen des Rats für Wettbewerbsfähigkeit
19.07.-22.07.2022
Themen: Steigerung des Mehrwerts der EU-Industrie (insbesondere im Hinblick auf EU-Regionen mit vergleichsweise schwächerer Innovation und Wertschöpfung), Synergien in der Verwendung von nationalen und internationalen Haushalten für Forschung, Entwicklung und Innovation.
Infos I Infos II
Kooperationsrat EU-Aserbaidschan
19.07.2022
Themen: Sachstand und nächste Schritte der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Aserbaidschan.
Infos
Wöchentliche Kommissionssitzung
20.07.2022
Themen: Vorbereitung auf den kommenden Winter im Bereich Energie.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz 12 Uhr
Angesichts der hohen Energiepreise rechnet die EU-Kommission bei der Inflation im Euro-Raum im Jahr 2022 mit einem historischen Höchstwert. Im Jahresdurchschnitt wird die Teuerung voraussichtlich 7,6 Prozent erreichen, wie aus der Sommer-Konjunkturprognose der Brüsseler Behörde am Donnerstag hervorgeht.
Bei ihrer Frühlingsprognose im Mai 2022 war die EU-Kommission noch von 6,1 Prozent Inflation für die Euro-Länder ausgegangen (Europe.Table berichtete). Das Wachstum wird demnach in diesem Jahr weitgehend stabil bleiben, verglichen mit der letzten Prognose. Für das nächste Jahr korrigierte die Kommission ihre Vorhersagen jedoch deutlich nach unten.
In der gesamten EU wird in diesem Jahr eine Preissteigerung von 8,3 Prozent erwartet, statt 6,8 Prozent. Im kommenden Jahr soll sich die Inflation etwa halbieren, bei durchschnittlichen 4 Prozent im Euro-Raum und 4,6 in der EU.
Beim Wirtschaftswachstum geht die EU-Kommission nach wie vor davon aus, dass die EU-Wirtschaft 2022 um 2,7 Prozent wachsen wird. Im Euro-Raum werden 2,6 Prozent Wachstum erwartet, eine leichte Anpassung verglichen mit den im Mai vorhergesagten 2,7 Prozent.
Für das nächste Jahr korrigierte die Kommission ihre Vorhersagen allerdings deutlich nach unten. Sie geht von 1,5 Prozent Wachstum in der gesamten EU und 1,4 Prozent im Euro-Raum aus. Im Mai sprachen die Ökonomen noch von 2,3 Prozent sowohl in der EU als auch in der Eurozone. Hintergrund ist unter anderem die Lage an den Energiemärkten. dpa
Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen sieht sich in Zusammenhang mit SMS-Nachrichten zu Impfstoff-Käufen in Milliardenhöhe mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Der Umgang mit einem Antrag auf Text-Einsicht hinterlasse “den bedauerlichen Eindruck einer EU-Institution, die in Angelegenheiten von erheblichem öffentlichem Interesse mauert“, teilte die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly am Donnerstag mit.
Konkret geht es um ein Geschäft über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer vom Frühjahr 2021. Das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wie die “New York Times” berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla für den Abschluss entscheidend. Dabei sollen sie auch SMS ausgetauscht haben.
Der Journalist Alexander Fanta von netzpolitik.org stellte daraufhin eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei der EU-Kommission auf Einsicht in die Textnachrichten. Diese wies die Anfrage jedoch ab. Ombudsfrau O’Reilly sprach bereits im Januar von einem Missstand in der Verwaltungstätigkeit und forderte Aufklärung durch die EU-Kommission.
Dieser Forderung kam die EU-Kommission nach O’Reillys Angaben jedoch nicht nach. Aus der jüngsten Antwort der Behörde gehe nicht hervor, ob sie vorschriftsgemäß nach den Textnachrichten gesucht habe und falls nicht, was einer solchen Suche entgegengestanden habe, hieß es am Donnerstag. “Die Antwort der Kommission auf meine Untersuchungsergebnisse hat weder die grundlegende Frage beantwortet, ob die fraglichen Textnachrichten existieren, noch Klarheit darüber geschaffen, wie die Kommission auf eine konkrete Anfrage nach anderen Textnachrichten reagieren würde.”
Die EU-Kommission habe zwar eingeräumt, dass derlei SMS auch EU-Dokumente sein könnten, habe aber auch darauf hingewiesen, dass die internen Richtlinien der Behörde eine Registrierung von Textnachrichten de facto nicht vorsehen. O’Reilly legte Empfehlungen dafür vor, wie die EU-Institutionen künftig mit derlei Dokumenten umgehen sollten.
Der Fall ist auch deshalb brisant, weil der Umgang mit von der Leyens Handy-Daten schon einmal in der Kritik stand. Noch in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin wurden die Daten auf einem ihrer Handys gelöscht. Das Verteidigungsministerium begründete die Handy-Löschung 2019 mit einem “Sicherheitsvorkommnis”. Kritiker monierten, dass dadurch Beweise in der Berateraffäre verloren gegangen seien, in der es um Vorwürfe von unkorrekter Auftragsvergabe bis zu Vetternwirtschaft ging. dpa
Europaparlament und Mitgliedstaaten haben sich auf das Umsetzungsprogramm für die digitalpolitischen Ziele bis 2030 geeinigt. Es soll gewährleisten, dass die EU die im Digitalen Kompass definierten Kernziele erreicht: die Stärkung der digitalen Kompetenzen, der Netzinfrastruktur, der Digitalisierung von Unternehmen und Behörden sowie die Achtung der digitalen Rechte.
Kommission und Mitgliedstaaten sollen für jedes dieser Ziele auf EU-Ebene einen Pfad ausarbeiten. Die Mitgliedstaaten wiederum müssen nationale Pläne vorlegen, wie sie ihre Ziele zu erreichen gedenken, einschließlich geplanter Gesetze und Investitionen. Die Fortschritte sollen anhand von Key Performance Indicators gemessen werden, die jährlich festgelegt werden.
Als Messinstrument für die Umsetzung dient der Digital Economy and Society Index (DESI), der dafür angepasst wird. Die Ergebnisse fasst die Kommission in einem jährlichen Fortschrittsbericht zusammen. Verfehlt ein Mitgliedsland seine Ziele, soll die Regierung gemeinsam mit der Kommission zusätzliche Maßnahmen identifizieren.
Dazu zählen auch sogenannte Mehrländerprojekte, bei denen EU-Staaten und Unternehmen gemeinsam etwa in Hochleistungsrechner, Datenpools oder die Entwicklung stromsparender Halbleiter investieren können. Finden sich genug interessierte Staaten, können sie die Steuerung an ein European Digital Infrastructure Consortium (EDIC) übertragen. Das neue Rechtsinstrument soll die Koordinierung übernehmen und selbst etwa Anträge auf EU-Fördermittel stellen. tho
Amazon macht im Kartellstreit mit der EU Zugeständnisse. Der weltweit größte Online-Händler habe angeboten, Daten der Verkäufer nicht für sein eigenes Einzelhandelsgeschäft zu verwenden, teilte die EU-Regulierungsbehörde am Donnerstag mit. Amazon habe zudem eingeräumt, Verkäufer bei der Rangfolge ihrer Angebote für die “Buy Box” auf seiner Website gleichwertig zu behandeln.
Die Europäische Kommission kündigte an, Amazon-Wettbewerber hätten nun bis zum 9. September Zeit, um Feedback zu den Vorschlägen zu geben. Danach werde sie entscheiden, ob sie die Angebote annimmt und ihre Untersuchung beendet.
Die EU-Kommission hatte das Verfahren gegen Amazon 2020 eröffnet. Sie wirft dem Online-Riesen vor, seine Größe und Marktmacht zu missbrauchen, um eigene Produkte zu begünstigen und sich gegenüber Konkurrenten einen Vorteil zu verschaffen, die auf der Amazon-Plattform ebenfalls aktiv sind.
Auch Google gerät wieder einmal ins Visier europäischer Wettbewerbshüter: Die italienische Behörde AGCM untersuche den mutmaßlichen Missbrauch der beherrschenden Stellung des US-Konzerns bei der Datenübertragung, teilte die Behörde mit. Es werde dem Verdacht nachgegangen, dass Google den Zugang zu anderen Internet-Plattformen behindere.
Die Behörde habe am Mittwoch zusammen mit der italienischen Finanzpolizei Räumlichkeiten von Google durchsucht. Google wies die Vorwürfe zurück. “Dies sind Instrumente, die Menschen helfen sollen, ihre persönlichen Daten zu verwalten, und anderen Unternehmen oder Zwischenhändlern keinen Zugang zu mehr Daten zum Verkauf zu gewähren.”
Nach italienischem Recht droht Google eine Geldstrafe von bis zu zehn Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes, wenn der Konzern für schuldig befunden wird. rtr
Deutschland darf energieintensive Unternehmen angesichts des Kriegs in der Ukraine mit bis zu fünf Milliarden Euro Staatshilfe unterstützen. Eine entsprechende Regelung genehmigte die EU-Kommission am Donnerstag. “Damit kann das Energiekostendämpfungsprogramm für energieintensive Industrien morgen starten”, teilten Wirtschafts- und Finanzministerium am Donnerstag mit.
Das Programm war Anfang Juni angekündigt worden. Mit staatlichen Zuschüssen will die Bundesregierung Pleiten bei Firmen vermeiden, die besonders viel Energie verbrauchen, da die Preise angesichts des Kriegs stark gestiegen sind.
Bezuschusst werden nur Mehrkosten für bis zu 80 Prozent der Menge aus dem Vorjahreszeitraum. So soll für die Unternehmen ein Anreiz vermieden werden, mehr Energie zu verbrauchen. Bruegel-Experte Georg Zachmann kritisierte allerdings, dass der Verbrauch damit trotzdem auf einem gewissen Niveau zementiert werde – stärkere Einsparungen würden also vermieden. dpa/ber
Sogenannte Thermofenster in Dieselfahrzeugen sind nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unzulässig, wenn die Abgasreinigung nur in einer engen Temperatur-Spanne voll funktionsfähig ist. Wenn die Emissionen nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll gereinigt würden, außerhalb dieses Bereichs aber nicht, handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, urteilte der EuGH am Donnerstag. Eine solche Vertragswidrigkeit sei auch nicht geringfügig, erklärte das Gericht. Folglich sei eine Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Die EuGH-Entscheidung zu Thermofenstern betrifft Motoren des VW-Konzerns vom Typ EA 189. In diesen Motoren war im Diesel-Skandal eine illegale Abschalteinrichtung festgestellt worden, mit der die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden, auf der Straße aber nicht. VW hatte diesen Mechanismus mit einem Software-Update behoben, der aber mit dem Argument der Motorschonung ein Thermofester enthält. Dieses erklärte der EuGH nun für unzulässig.
Bei einem Thermofenster wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert. Bei bestimmten Temperaturen, die je nach Hersteller und Motor unterschiedlich sein können, wird die Abgasreinigung reduziert oder gar abgeschaltet, was zur Folge hat, dass die Stickoxidemissionen steigen. Die Auto-Hersteller argumentieren, dass das zur Schonung des Motors notwendig sei. rtr
Cocktails flambés in Brüssel. Die Brüsseler Bubble muss sich noch ein wenig gedulden, bevor sie in den Urlaub fahren und versuchen kann, die vergangenen turbulenten Monate zumindest ein wenig zu vergessen: Am kommenden Mittwoch wird die Europäische Kommission ihren Plan zur Senkung des Energieverbrauchs in der EU vorstellen, ein Plan mit dem süßen Codenamen “winter preparedness” (Winterbereitschaft). Das ist eine Woche vor dem außerordentlichen Energierat, der von der tschechischen Ratspräsidentschaft organisiert wird. Und einen Tag, bevor die Nord-Stream-1-Pipeline wieder in Betrieb genommen wird – oder auch nicht.
Auch wenn die Zeit der Ferien und Cocktails am Wasser näher rückt, bleibt der geopolitische Kontext explosiv. Die Europäische Kommission wird am kommenden Mittwoch den dritten Teil ihres Energieplans veröffentlichen, der die EU von Russland unabhängig machen soll. Der erste Teil wurde im März vorgestellt und konzentrierte sich auf die Diversifizierung der Energieversorgung, gefolgt von der Präsentation von RePowerEU im Mai, der sich auf die Entwicklung erneuerbarer Energien konzentrierte.
Europe.Table liegt eine erste Version des Plans vor. Sie zeigt die verschiedenen Szenarien, Methoden und Instrumente, die die Europäische Kommission entwickelt hat, um den Energieverbrauch zu senken und der Gaskrise in Europa zu begegnen. Der Plan, der nächste Woche vorgestellt werden soll, wird auf der Tagesordnung des außerordentlichen Energierates am 26. Juli beim Treffen der Energieminister der 27 Mitgliedstaaten in Brüssel ganz oben stehen.
Derzeit wird er noch ausgearbeitet, wobei insbesondere drei Generaldirektionen oder “GD” im Brüsseler Jargon involviert sind: die GD Klima (Climate Action), die GD Energie und die GD Industrie. Und die Verhandlungen dürften intensiv werden, da es darum gehen wird, Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Wirtschaft miteinander in Einklang zu bringen.
Die Debatten sind bereits jetzt intensiv. Auf der einen Seite steht Energie-Kommissarin Kadri Simson, die eine Rationierung der Industrieproduktion bevorzugt, um die Bemühungen der EU, bis 2050 CO2-neutral zu werden, nicht zu gefährden. Auf der anderen Seite steht Thierry Breton (Europe.Table berichtete), ihr Amtskollege für Binnenmarkt und Industrie, der die Auswirkungen einer solchen Option fürchtet und für ein Szenario eintritt, bei dem die Diversifizierung der Versorgung eine größere Rolle spielen würde. Eines ist sicher: Eine Reihe von EU-Beamten wird an diesem Wochenende daran arbeiten, dass die Verhandlungen letztendlich zu einem Rahmen führen, der das Auffüllen der Gasreserven ermöglicht.
Tatsächlich lag der EU-weite Speicherstand am Mittwoch bei 62,6 Prozent. “Aber niemand weiß, was in den kommenden Monaten passieren kann. Deshalb dränge ich die Mitgliedstaaten, ihre Vorbereitungen zu verstärken, die bestehenden Notfallpläne zu aktualisieren und alle noch ausstehenden bilateralen Solidaritätsvereinbarungen abzuschließen”, sagte Kadri Simson schon Anfang des Monats vor den Abgeordneten im Industrieausschuss.
Am Montag begann das russische Unternehmen Gazprom mit Wartungsarbeiten an der Gaspipeline Nord Stream 1, die als Routinemaßnahme dargestellt wurden. In Brüssel und den europäischen Hauptstädten ist man jedoch besorgt, dass der russische Riese nach Abschluss der Wartungsarbeiten am 21. Juli Probleme als Vorwand nutzen könnte, um die Lieferungen vollständig einzustellen.
Für die Mitgliedstaaten ist es ein politisches Pulverfass, Energiesparmaßnahmen zu ergreifen, um die Gasreserven aufzufüllen und sich optimal auf den Winter vorzubereiten, da die wirtschaftlichen und sozialen Folgen schwerwiegend sein könnten. In der Tat werden die Regierungen in Europa schwere Entscheidungen in der Gaskrise treffen müssen: Wer wird zum Energiesparen verpflichtet sein: Haushalte oder Unternehmen? Und welche Kategorien von Unternehmen? Was ist mit den Schulen? Wie sieht es mit dem Tempolimit auf Autobahnen aus? Und, und, und…
Der französische Präsident Emmanuel Macron rief gestern zu einer “Mobilisation générale” (allgemeinen Mobilisierung) auf, um den Energieverbrauch zu senken, und kündigt an, dass die Regierung im Sommer einen Plan für sparsamen Umgang mit Energie und für Entlastungen vorlegen wird. “Ich werde ab sofort die öffentlichen Verwaltungen und alle Unternehmen, die dazu in der Lage sind, auffordern, sich in die Lage zu versetzen, weniger zu verbrauchen”, sagte Macron. Ein Beispiel: Die Verwaltung solle versuchen, nachts an der Beleuchtung zu sparen.
Am vergangenen Dienstag hatte auch Spaniens Premier Pedro Sánchez seine Landsleute zu Energiesparmaßnahmen aufgerufen. “Ich werde die komplexe Situation, in der sich Europa und Spanien befinden, nicht beschönigen, und ich werde auch nicht in unbegründeten Katastrophismus verfallen”, sagte Sánchez. “Wir müssen Energiesparmaßnahmen ergreifen wie die Ausweitung der Telearbeit, die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, die Senkung der Heizungstemperatur oder die Erhöhung der Temperatur in den Klimaanlagen.”
Die Frage ist nun, wie diese Energiesparmaßnahmen umgesetzt werden. Die Europäische Kommission kann noch so sehr zu Solidarität im Zusammenhang mit dem Energie-, Klima- und Wirtschaftsnotstand aufrufen – der Umgang mit Masken und Impfstoffen zu Beginn der Pandemie hat gezeigt, dass diese Solidarität alles andere als selbstverständlich ist. Aber sie ist der einzige Weg.
es sind chaotische Tage in Rom. Nach andauernden Spannungen innerhalb der Regierungskoalition hatte die Fünf-Sterne-Bewegung sich gestern bei der Abstimmung für ein milliardenschweres Konjunkturpaket enthalten. Italiens Premier Mario Draghi kündigte daraufhin seinen Rücktritt an, der Staatspräsident lehnte diesen aber ab. Isabel Cuesta Camacho berichtet über die Hintergründe der Regierungskrise und analysiert, wer nun profitieren könnte.
“Die Zeit läuft uns davon”, sagte Peter Handley, Referatsleiter für Rohstoffe in der DG Grow, gestern im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie. Für die Energie- und Mobilitätswende braucht Europa bestimmte Rohstoffe – und ist dabei massiv auf Importe angewiesen, etwa aus China. Mit einem Rohstoffgesetz will die Kommission gegensteuern. Erste Bausteine aus dem Gesetzespaket stellte Handley gestern im ITRE vor, Leonie Düngefeld fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
Cocktails flambés in Brüssel: Die kommenden Wochen werden im Zeichen der Gaskrise stehen. Am Mittwoch will die Kommission ihren Plan zur “winter preparedness” vorstellen, am 26. Juli findet eine außerordentliche Tagung des Energierates statt. Die Verhandlungen dürften intensiv werden, schreibt Claire Stam in ihrer wöchentlichen Kolumne What’s cooking in Brussels.
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat am Donnerstagabend auf einer Ministerratssitzung seinen Rücktritt angekündigt. Anschließend traf Draghi mit dem Präsidenten der Republik, Sergio Mattarella, zusammen, um ihn über seine Entscheidung zu informieren. Mattarella weigerte sich jedoch, den Rücktritt zu akzeptieren.
Unklar ist, wie es nun weitergeht. Mattarella könnte Draghi sogar von einer zweiten Amtszeit mit einer anderen Mehrheit überzeugen. Sollte es zu dieser Lösung kommen, würde die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) – der Hauptakteur in dieser Regierungskrise – aus der Exekutive in Italien ausgeschlossen werden.
“Die heutige Abstimmung im Parlament ist aus politischer Sicht ein sehr wichtiges Ereignis. Die Mehrheit der nationalen Einheit, die diese Regierung seit ihrer Gründung unterstützt hat, ist nicht mehr”, sagte Draghi und begründete so seine Entscheidung, zurückzutreten.
Draghis Entschluss folgt auf eine Woche heftiger Spannungen mit der M5S. Die Partei von Giuseppe Conte nahm am Donnerstag nicht an einer Vertrauensabstimmung über die Exekutive teil, die auch über ein großes Hilfspaket für die Italiener entscheiden sollte. Der Senat bestätigte dennoch das Vertrauen in die Exekutive und das Hilfspaket mit 172 zu 39 Stimmen und erreichte damit eine Mehrheit trotz des Boykotts der Fünf Sterne.
Die politische Krise kommt für Italien zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, denn das Land musste seine Wachstumsprognose mehrfach nach unten korrigieren und steht vor einem äußerst schwierigen Herbst mit einer galoppierenden Inflation.
Contes Ablehnung und Unzufriedenheit mit Draghis Linie hat seiner Argumentation nach mit einer Reihe von Themen zu tun, die von der Unterstützung für Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung über das Bürgereinkommen bis zur militärischen Unterstützung der Ukraine reichen. Letzteres soll der Grund dafür gewesen sein, dass der Außenminister und ehemaliges M5S-Mitglied Luigi di Maio seine Partei Ende Juni verließ (Europe.Table berichtete) und sich hinter Draghis Politik stellte.
Nach Di Maios Austritt hatte Draghi gewarnt, dass er nicht bereit sei, weiterhin die Regierung zu führen, wenn die M5S nicht Teil der Koalition sei. Angesichts möglicher vorgezogener Neuwahlen, die fast keiner der Parteien – besonders nicht der Fünf-Sterne-Bewegung – helfen würden, hatte die Partei von Conte sich zunächst zur Koalitionsregierung unter Draghi bekannt (Europe.Table berichtete). Die regulären Parlamentswahlen sind für das Frühjahr geplant.
Doch dann hatte Conte am Mittwochabend angekündigt, dass sich seine Partei bei der Entscheidung über das Hilfspaket und das Vertrauensvotum enthalten würde. Daraufhin hatte der Vorsitzende der Lega Nord Matteo Salvini mitgeteilt, dass er die Koalitionsregierung verlassen würde, wenn die M5S nicht an der Abstimmung teilnehme. Damit würde die Lega der großen Koalitionsregierung von Mario Draghi die Unterstützung entziehen, was unweigerlich zu vorgezogenen Neuwahlen führen würde.
“Wenn die M5S nicht an der Abstimmung teilnimmt, werden wir die Mehrheitsregierung beenden: Schluss mit den Kriegen, Drohungen und Verzögerungen. Wir müssen die Italiener zu Wort kommen lassen”, sagte Salvini. Es war ein Versuch, angesichts des Verlusts an Unterstützung in den vergangenen Monaten an Sichtbarkeit zu gewinnen.
Im Falle vorgezogener Wahlen würde die extreme Rechte profitieren. Nach einer Analyse italienischer Medien würden die Wahlen derzeit nur der rechtsextremen Giorgia Meloni, der Vorsitzenden der Brüder Italiens, zugutekommen. Ihre Partei liegt in den Umfragen derzeit bei etwa 25 Prozent. Wenn das Wahlrecht nicht reformiert wird und die rechte Koalition (Liga, Brüder Italiens und Forza Italia) zusammenbleibt, würde die Exekutive in die Hände dieses ideologischen Spektrums übergehen. Salvini wäre dann nur noch ein Minderheitspartner in der Koalition.
Schon seit Monaten spricht Binnenmarktkommissar Thierry Breton vom “globalen Wettlauf um die Sicherung von Ressourcen”, in dem Europa nicht hinterherhinken dürfe. Im RePowerEU-Plan kündigte die Kommission dann einen Vorschlag für ein Rohstoffgesetz an (Europe.Table berichtete). Gestern hat Peter Handley, Referatsleiter für Rohstoffe in der DG Grow, im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Parlaments erste Bausteine des geplanten Gesetzespakets vorgestellt. Die Kommission will den Entwurf bis Ende des Jahres vorlegen.
Mit ihrem Entwurf werde die Kommission viele der Forderungen aus dem Bericht des Europäischen Parlaments aufgreifen, sagte Peter Handley. Sie will in dem Gesetzespaket
Handley fasste noch einmal zusammen, worin sich alle einig sind: “Die Zeit läuft uns davon.” Die Gaskrise in Europa hat den Scheinwerfer endlich auch auf die Quasi-Monopole gelenkt, die Staaten wie China über Lieferketten strategisch wichtiger Rohstoffe haben – jene, an denen die europäische Energie- und Mobilitätswende hängt (Europe.Table berichtete).
Für kein Mineral ist die Situation kritischer als für Seltene Erden, sagte Handley, die für die Herstellung von Permanentmagneten benötigt werden. Europa braucht sie für Windturbinen, E-Fahrzeuge, Datenzentren und Ausrüstung für die Verteidigung sowie Luft– und Raumfahrt. Auch für Magnesiumimporte ist Europa zu 100 Prozent von China abhängig – Lieferausfälle im vergangenen Jahr haben kurzweilig zu Produktionsstopps in europäischen Unternehmen geführt. Auch weit oben auf der Liste besonders kritischer Rohstoffe stehen zum Beispiel Niob (Brasilien) und Borat (Türkei), welche die EU ebenfalls zu fast 100 Prozent importiert.
“Wir müssen alles tun, um die Wertschöpfung in Europa zu halten”, sagte Handley. Deshalb solle der Vorschlag auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, Substitution und Innovation basieren: Sekundärrohstoffe sollen wiederverwertet, Primärrohstoffe wenn möglich durch andere, weniger kritische Mineralien ersetzt werden.
Für europäische Bergbauprojekte seien die Genehmigungsverfahren das größte Hindernis. “Der Schlüssel ist, die Genehmigungen effizienter zu gestalten, ohne dadurch den ESG-Schutz zu schwächen”, sagte Handley. Mithilfe der zuständigen Behörden sollen diese Verfahren beschleunigt werden. Bergbau-, Raffinerie- und Recycling-Projekte mit strategischer Bedeutung für die EU sollen beim Zugang zu öffentlichen Mitteln Vorrang erhalten.
Um die Importquellen zu vervielfältigen, bestehen bereits strategische Partnerschaften mit Kanada, der Ukraine und mit Namibia. Außerdem verhandelt die Kommission zurzeit mit Norwegen. Mit den USA bestehe eine enge Zusammenarbeit über eine Arbeitsgruppe im Trade and Technology Council (TTC) (Europe.Table berichtete). Zudem haben die USA im Juni die Minerals Security Partnership (MSC) initiiert. Gemeinsam mit Deutschland, Australien, Kanada, Finnland, Frankreich, Deutschland, Japan, Südkorea, Schweden, dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Kommission wollen die USA über diese Plattform Projekte identifizieren und sicherstellen, dass diese sich an hohen ESG-Standards und Prinzipien der Kreislaufwirtschaft orientieren.
Welche Form die einzelnen Bausteine des Gesetzespakets genau haben werden, sagte Handley nicht. Wichtige Fragen bleiben offen. So hatten etwa die Staats- und Regierungschefs die Kommission im Mai in der Erklärung von Versailles aufgefordert, eine strategische Bevorratung kritischer Rohstoffe zu sondieren. Auch der Bericht des Parlaments hatte dies aufgenommen.
Die Berichterstatterin Hildegard Bentele (EVP) betonte, der Governance-Aspekt müsse noch stärker beachtet werden. “Die Fäden müssen in der EU an einer Stelle zusammenlaufen, um Synergien zu schaffen”, sagte ihre Sprecherin. “Das Thema muss horizontal von allen Kommissaren bearbeitet werden, denn die Ziele des Fit-for-55-Pakets haben alle Auswirkungen auf den Rohstoffbedarf.” Die Mitgliedstaaten müssen zudem stärker sensibilisiert werden. Kaum ein derzeitiger Rettungsplan enthalte das Thema Rohstoffförderung.
Manuela Ripa (Greens/EFA) forderte konkrete Ziele zu Recyclingkapazitäten. “Obwohl wir sehr viele Rohstoffstrategien diskutiert haben in den letzten Jahren, befinden wir uns heute in einer größeren Abhängigkeit von nicht-europäischen Staaten als je zuvor”, sagte sie. “Wir müssen das lineare Wirtschaftsmodell deshalb historisch beenden und der erste Kontinent werden, der neben der Klimaneutralität auch eine Kreislaufwirtschaft erreicht.”
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
18.07.2022 09:30 Uhr
Themen: Gedankenaustausche zur russischen Aggression in der Ukraine, zu den Beziehungen der EU zu Lateinamerika und der Karibik (LAC) und zur digitalen Diplomatie.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
18.07.2022 10:00 Uhr
Themen: Vorstellung des Arbeitsprogramms der tschechischen Ratspräsidentschaft, Vorstellung der Regulierung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die Kommission, Gedankenaustausch zur Lage auf den Agrarmärkten (insbesondere infolge der Invasion der Ukraine).
Vorläufige Tagesordnung
Informelles Treffen des Rats für Wettbewerbsfähigkeit
19.07.-22.07.2022
Themen: Steigerung des Mehrwerts der EU-Industrie (insbesondere im Hinblick auf EU-Regionen mit vergleichsweise schwächerer Innovation und Wertschöpfung), Synergien in der Verwendung von nationalen und internationalen Haushalten für Forschung, Entwicklung und Innovation.
Infos I Infos II
Kooperationsrat EU-Aserbaidschan
19.07.2022
Themen: Sachstand und nächste Schritte der bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Aserbaidschan.
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Wöchentliche Kommissionssitzung
20.07.2022
Themen: Vorbereitung auf den kommenden Winter im Bereich Energie.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz 12 Uhr
Angesichts der hohen Energiepreise rechnet die EU-Kommission bei der Inflation im Euro-Raum im Jahr 2022 mit einem historischen Höchstwert. Im Jahresdurchschnitt wird die Teuerung voraussichtlich 7,6 Prozent erreichen, wie aus der Sommer-Konjunkturprognose der Brüsseler Behörde am Donnerstag hervorgeht.
Bei ihrer Frühlingsprognose im Mai 2022 war die EU-Kommission noch von 6,1 Prozent Inflation für die Euro-Länder ausgegangen (Europe.Table berichtete). Das Wachstum wird demnach in diesem Jahr weitgehend stabil bleiben, verglichen mit der letzten Prognose. Für das nächste Jahr korrigierte die Kommission ihre Vorhersagen jedoch deutlich nach unten.
In der gesamten EU wird in diesem Jahr eine Preissteigerung von 8,3 Prozent erwartet, statt 6,8 Prozent. Im kommenden Jahr soll sich die Inflation etwa halbieren, bei durchschnittlichen 4 Prozent im Euro-Raum und 4,6 in der EU.
Beim Wirtschaftswachstum geht die EU-Kommission nach wie vor davon aus, dass die EU-Wirtschaft 2022 um 2,7 Prozent wachsen wird. Im Euro-Raum werden 2,6 Prozent Wachstum erwartet, eine leichte Anpassung verglichen mit den im Mai vorhergesagten 2,7 Prozent.
Für das nächste Jahr korrigierte die Kommission ihre Vorhersagen allerdings deutlich nach unten. Sie geht von 1,5 Prozent Wachstum in der gesamten EU und 1,4 Prozent im Euro-Raum aus. Im Mai sprachen die Ökonomen noch von 2,3 Prozent sowohl in der EU als auch in der Eurozone. Hintergrund ist unter anderem die Lage an den Energiemärkten. dpa
Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen sieht sich in Zusammenhang mit SMS-Nachrichten zu Impfstoff-Käufen in Milliardenhöhe mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Der Umgang mit einem Antrag auf Text-Einsicht hinterlasse “den bedauerlichen Eindruck einer EU-Institution, die in Angelegenheiten von erheblichem öffentlichem Interesse mauert“, teilte die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly am Donnerstag mit.
Konkret geht es um ein Geschäft über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer vom Frühjahr 2021. Das Vertragsvolumen wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wie die “New York Times” berichtete, war der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Albert Bourla für den Abschluss entscheidend. Dabei sollen sie auch SMS ausgetauscht haben.
Der Journalist Alexander Fanta von netzpolitik.org stellte daraufhin eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei der EU-Kommission auf Einsicht in die Textnachrichten. Diese wies die Anfrage jedoch ab. Ombudsfrau O’Reilly sprach bereits im Januar von einem Missstand in der Verwaltungstätigkeit und forderte Aufklärung durch die EU-Kommission.
Dieser Forderung kam die EU-Kommission nach O’Reillys Angaben jedoch nicht nach. Aus der jüngsten Antwort der Behörde gehe nicht hervor, ob sie vorschriftsgemäß nach den Textnachrichten gesucht habe und falls nicht, was einer solchen Suche entgegengestanden habe, hieß es am Donnerstag. “Die Antwort der Kommission auf meine Untersuchungsergebnisse hat weder die grundlegende Frage beantwortet, ob die fraglichen Textnachrichten existieren, noch Klarheit darüber geschaffen, wie die Kommission auf eine konkrete Anfrage nach anderen Textnachrichten reagieren würde.”
Die EU-Kommission habe zwar eingeräumt, dass derlei SMS auch EU-Dokumente sein könnten, habe aber auch darauf hingewiesen, dass die internen Richtlinien der Behörde eine Registrierung von Textnachrichten de facto nicht vorsehen. O’Reilly legte Empfehlungen dafür vor, wie die EU-Institutionen künftig mit derlei Dokumenten umgehen sollten.
Der Fall ist auch deshalb brisant, weil der Umgang mit von der Leyens Handy-Daten schon einmal in der Kritik stand. Noch in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin wurden die Daten auf einem ihrer Handys gelöscht. Das Verteidigungsministerium begründete die Handy-Löschung 2019 mit einem “Sicherheitsvorkommnis”. Kritiker monierten, dass dadurch Beweise in der Berateraffäre verloren gegangen seien, in der es um Vorwürfe von unkorrekter Auftragsvergabe bis zu Vetternwirtschaft ging. dpa
Europaparlament und Mitgliedstaaten haben sich auf das Umsetzungsprogramm für die digitalpolitischen Ziele bis 2030 geeinigt. Es soll gewährleisten, dass die EU die im Digitalen Kompass definierten Kernziele erreicht: die Stärkung der digitalen Kompetenzen, der Netzinfrastruktur, der Digitalisierung von Unternehmen und Behörden sowie die Achtung der digitalen Rechte.
Kommission und Mitgliedstaaten sollen für jedes dieser Ziele auf EU-Ebene einen Pfad ausarbeiten. Die Mitgliedstaaten wiederum müssen nationale Pläne vorlegen, wie sie ihre Ziele zu erreichen gedenken, einschließlich geplanter Gesetze und Investitionen. Die Fortschritte sollen anhand von Key Performance Indicators gemessen werden, die jährlich festgelegt werden.
Als Messinstrument für die Umsetzung dient der Digital Economy and Society Index (DESI), der dafür angepasst wird. Die Ergebnisse fasst die Kommission in einem jährlichen Fortschrittsbericht zusammen. Verfehlt ein Mitgliedsland seine Ziele, soll die Regierung gemeinsam mit der Kommission zusätzliche Maßnahmen identifizieren.
Dazu zählen auch sogenannte Mehrländerprojekte, bei denen EU-Staaten und Unternehmen gemeinsam etwa in Hochleistungsrechner, Datenpools oder die Entwicklung stromsparender Halbleiter investieren können. Finden sich genug interessierte Staaten, können sie die Steuerung an ein European Digital Infrastructure Consortium (EDIC) übertragen. Das neue Rechtsinstrument soll die Koordinierung übernehmen und selbst etwa Anträge auf EU-Fördermittel stellen. tho
Amazon macht im Kartellstreit mit der EU Zugeständnisse. Der weltweit größte Online-Händler habe angeboten, Daten der Verkäufer nicht für sein eigenes Einzelhandelsgeschäft zu verwenden, teilte die EU-Regulierungsbehörde am Donnerstag mit. Amazon habe zudem eingeräumt, Verkäufer bei der Rangfolge ihrer Angebote für die “Buy Box” auf seiner Website gleichwertig zu behandeln.
Die Europäische Kommission kündigte an, Amazon-Wettbewerber hätten nun bis zum 9. September Zeit, um Feedback zu den Vorschlägen zu geben. Danach werde sie entscheiden, ob sie die Angebote annimmt und ihre Untersuchung beendet.
Die EU-Kommission hatte das Verfahren gegen Amazon 2020 eröffnet. Sie wirft dem Online-Riesen vor, seine Größe und Marktmacht zu missbrauchen, um eigene Produkte zu begünstigen und sich gegenüber Konkurrenten einen Vorteil zu verschaffen, die auf der Amazon-Plattform ebenfalls aktiv sind.
Auch Google gerät wieder einmal ins Visier europäischer Wettbewerbshüter: Die italienische Behörde AGCM untersuche den mutmaßlichen Missbrauch der beherrschenden Stellung des US-Konzerns bei der Datenübertragung, teilte die Behörde mit. Es werde dem Verdacht nachgegangen, dass Google den Zugang zu anderen Internet-Plattformen behindere.
Die Behörde habe am Mittwoch zusammen mit der italienischen Finanzpolizei Räumlichkeiten von Google durchsucht. Google wies die Vorwürfe zurück. “Dies sind Instrumente, die Menschen helfen sollen, ihre persönlichen Daten zu verwalten, und anderen Unternehmen oder Zwischenhändlern keinen Zugang zu mehr Daten zum Verkauf zu gewähren.”
Nach italienischem Recht droht Google eine Geldstrafe von bis zu zehn Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes, wenn der Konzern für schuldig befunden wird. rtr
Deutschland darf energieintensive Unternehmen angesichts des Kriegs in der Ukraine mit bis zu fünf Milliarden Euro Staatshilfe unterstützen. Eine entsprechende Regelung genehmigte die EU-Kommission am Donnerstag. “Damit kann das Energiekostendämpfungsprogramm für energieintensive Industrien morgen starten”, teilten Wirtschafts- und Finanzministerium am Donnerstag mit.
Das Programm war Anfang Juni angekündigt worden. Mit staatlichen Zuschüssen will die Bundesregierung Pleiten bei Firmen vermeiden, die besonders viel Energie verbrauchen, da die Preise angesichts des Kriegs stark gestiegen sind.
Bezuschusst werden nur Mehrkosten für bis zu 80 Prozent der Menge aus dem Vorjahreszeitraum. So soll für die Unternehmen ein Anreiz vermieden werden, mehr Energie zu verbrauchen. Bruegel-Experte Georg Zachmann kritisierte allerdings, dass der Verbrauch damit trotzdem auf einem gewissen Niveau zementiert werde – stärkere Einsparungen würden also vermieden. dpa/ber
Sogenannte Thermofenster in Dieselfahrzeugen sind nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unzulässig, wenn die Abgasreinigung nur in einer engen Temperatur-Spanne voll funktionsfähig ist. Wenn die Emissionen nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll gereinigt würden, außerhalb dieses Bereichs aber nicht, handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, urteilte der EuGH am Donnerstag. Eine solche Vertragswidrigkeit sei auch nicht geringfügig, erklärte das Gericht. Folglich sei eine Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Die EuGH-Entscheidung zu Thermofenstern betrifft Motoren des VW-Konzerns vom Typ EA 189. In diesen Motoren war im Diesel-Skandal eine illegale Abschalteinrichtung festgestellt worden, mit der die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden, auf der Straße aber nicht. VW hatte diesen Mechanismus mit einem Software-Update behoben, der aber mit dem Argument der Motorschonung ein Thermofester enthält. Dieses erklärte der EuGH nun für unzulässig.
Bei einem Thermofenster wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert. Bei bestimmten Temperaturen, die je nach Hersteller und Motor unterschiedlich sein können, wird die Abgasreinigung reduziert oder gar abgeschaltet, was zur Folge hat, dass die Stickoxidemissionen steigen. Die Auto-Hersteller argumentieren, dass das zur Schonung des Motors notwendig sei. rtr
Cocktails flambés in Brüssel. Die Brüsseler Bubble muss sich noch ein wenig gedulden, bevor sie in den Urlaub fahren und versuchen kann, die vergangenen turbulenten Monate zumindest ein wenig zu vergessen: Am kommenden Mittwoch wird die Europäische Kommission ihren Plan zur Senkung des Energieverbrauchs in der EU vorstellen, ein Plan mit dem süßen Codenamen “winter preparedness” (Winterbereitschaft). Das ist eine Woche vor dem außerordentlichen Energierat, der von der tschechischen Ratspräsidentschaft organisiert wird. Und einen Tag, bevor die Nord-Stream-1-Pipeline wieder in Betrieb genommen wird – oder auch nicht.
Auch wenn die Zeit der Ferien und Cocktails am Wasser näher rückt, bleibt der geopolitische Kontext explosiv. Die Europäische Kommission wird am kommenden Mittwoch den dritten Teil ihres Energieplans veröffentlichen, der die EU von Russland unabhängig machen soll. Der erste Teil wurde im März vorgestellt und konzentrierte sich auf die Diversifizierung der Energieversorgung, gefolgt von der Präsentation von RePowerEU im Mai, der sich auf die Entwicklung erneuerbarer Energien konzentrierte.
Europe.Table liegt eine erste Version des Plans vor. Sie zeigt die verschiedenen Szenarien, Methoden und Instrumente, die die Europäische Kommission entwickelt hat, um den Energieverbrauch zu senken und der Gaskrise in Europa zu begegnen. Der Plan, der nächste Woche vorgestellt werden soll, wird auf der Tagesordnung des außerordentlichen Energierates am 26. Juli beim Treffen der Energieminister der 27 Mitgliedstaaten in Brüssel ganz oben stehen.
Derzeit wird er noch ausgearbeitet, wobei insbesondere drei Generaldirektionen oder “GD” im Brüsseler Jargon involviert sind: die GD Klima (Climate Action), die GD Energie und die GD Industrie. Und die Verhandlungen dürften intensiv werden, da es darum gehen wird, Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Wirtschaft miteinander in Einklang zu bringen.
Die Debatten sind bereits jetzt intensiv. Auf der einen Seite steht Energie-Kommissarin Kadri Simson, die eine Rationierung der Industrieproduktion bevorzugt, um die Bemühungen der EU, bis 2050 CO2-neutral zu werden, nicht zu gefährden. Auf der anderen Seite steht Thierry Breton (Europe.Table berichtete), ihr Amtskollege für Binnenmarkt und Industrie, der die Auswirkungen einer solchen Option fürchtet und für ein Szenario eintritt, bei dem die Diversifizierung der Versorgung eine größere Rolle spielen würde. Eines ist sicher: Eine Reihe von EU-Beamten wird an diesem Wochenende daran arbeiten, dass die Verhandlungen letztendlich zu einem Rahmen führen, der das Auffüllen der Gasreserven ermöglicht.
Tatsächlich lag der EU-weite Speicherstand am Mittwoch bei 62,6 Prozent. “Aber niemand weiß, was in den kommenden Monaten passieren kann. Deshalb dränge ich die Mitgliedstaaten, ihre Vorbereitungen zu verstärken, die bestehenden Notfallpläne zu aktualisieren und alle noch ausstehenden bilateralen Solidaritätsvereinbarungen abzuschließen”, sagte Kadri Simson schon Anfang des Monats vor den Abgeordneten im Industrieausschuss.
Am Montag begann das russische Unternehmen Gazprom mit Wartungsarbeiten an der Gaspipeline Nord Stream 1, die als Routinemaßnahme dargestellt wurden. In Brüssel und den europäischen Hauptstädten ist man jedoch besorgt, dass der russische Riese nach Abschluss der Wartungsarbeiten am 21. Juli Probleme als Vorwand nutzen könnte, um die Lieferungen vollständig einzustellen.
Für die Mitgliedstaaten ist es ein politisches Pulverfass, Energiesparmaßnahmen zu ergreifen, um die Gasreserven aufzufüllen und sich optimal auf den Winter vorzubereiten, da die wirtschaftlichen und sozialen Folgen schwerwiegend sein könnten. In der Tat werden die Regierungen in Europa schwere Entscheidungen in der Gaskrise treffen müssen: Wer wird zum Energiesparen verpflichtet sein: Haushalte oder Unternehmen? Und welche Kategorien von Unternehmen? Was ist mit den Schulen? Wie sieht es mit dem Tempolimit auf Autobahnen aus? Und, und, und…
Der französische Präsident Emmanuel Macron rief gestern zu einer “Mobilisation générale” (allgemeinen Mobilisierung) auf, um den Energieverbrauch zu senken, und kündigt an, dass die Regierung im Sommer einen Plan für sparsamen Umgang mit Energie und für Entlastungen vorlegen wird. “Ich werde ab sofort die öffentlichen Verwaltungen und alle Unternehmen, die dazu in der Lage sind, auffordern, sich in die Lage zu versetzen, weniger zu verbrauchen”, sagte Macron. Ein Beispiel: Die Verwaltung solle versuchen, nachts an der Beleuchtung zu sparen.
Am vergangenen Dienstag hatte auch Spaniens Premier Pedro Sánchez seine Landsleute zu Energiesparmaßnahmen aufgerufen. “Ich werde die komplexe Situation, in der sich Europa und Spanien befinden, nicht beschönigen, und ich werde auch nicht in unbegründeten Katastrophismus verfallen”, sagte Sánchez. “Wir müssen Energiesparmaßnahmen ergreifen wie die Ausweitung der Telearbeit, die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, die Senkung der Heizungstemperatur oder die Erhöhung der Temperatur in den Klimaanlagen.”
Die Frage ist nun, wie diese Energiesparmaßnahmen umgesetzt werden. Die Europäische Kommission kann noch so sehr zu Solidarität im Zusammenhang mit dem Energie-, Klima- und Wirtschaftsnotstand aufrufen – der Umgang mit Masken und Impfstoffen zu Beginn der Pandemie hat gezeigt, dass diese Solidarität alles andere als selbstverständlich ist. Aber sie ist der einzige Weg.